Karoline von Günderode
Udohla
Drama in zwei Akten

[88]

Personen

Personen.

    • Der Sultan der Mongolen in Hindostan.

    • Mangu, Groß-Vezier.

    • Sino,
    • Udohla, Hindus, am Hofe des Sultans.

    • Ein Derwisch.

    • Nerissa, im Harem des Sultans.

    • Elpa, Aufseherin der Frauen des Sultans.
    • [88]

1. Akt

Erster Akt

Zimmer im Pallast zu Delhi.
Mangu und Sino.

MANGU.
Hast du gethan wie ich geboten habe?
Ist alles vorbereitet zu dem Fest?
SINO.
Es ist geschehn; es grüßt der neue Morgen
Den glänzendsten, den freudevollsten Tag.
Das reiche Meer gab seine reichen Schätze,
Sie schimmern, schön geordnet, im Pallast;
Und der Demant, der in des Berges Tiefen
Der Klüfte Kind, das braune Haar der Nacht
Mit Lichtes Funken schmückt, er ist entrissen
Der dunkeln Erde, und umreiht die Brust,
Das seidne Haar der schönen Sultaninnen;
Und alles was die blüthenreiche Zeit
An alle Zonen spendet ist vereint.
In unsern Gärten, in der Büsche Nacht
Haucht ihr Gewürz die zarte Ambrastaude,
Und Balsam mischt sich mit der Rose Duft
Und wechselt ihren Odem mit der Luft.
[89]
MANGU.
Und ist von Tönen auch die Luft durchzogen?
Und kühlen Bäche auch den heißen Tag?
SINO.
Der Mittag kühlet seine heißen Wangen
In dunkler Grotten frischem Felsenquell,
Und junge Vögel singen durch die Lüfte
Und wiegen sich auf zarter Blumen Zweig, –
So wohl bereitet sind wir zu dem Feste,
Das oft beginnen sollte, nie begann.
Schon dreimal war der Morgen angebrochen,
An dem Nerissa unserm Herrn vermählt
Und Sultaninn sich zugesellen sollte
Den schönen Frauen, die der Herr der Welt
Die Glücklichen! beglückt mit seiner Liebe;
Und immer, wenn der schöne Tag nun da,
Der sie ihm geben sollte die er liebet
Sprach finster er: »Heut darf es nicht geschehn,
Es geb ein andrer Tag mir die Geliebte,
Ungünstge Zeichen drohen meinem Glück.«
Nun sag mir, Mangu, was soll das bedeuten?
Er liebt sie, und es kommt ihm stets zu früh
Ein jeder Tag der sie ihm geben sollte;
Fürwahr ein solches Thun begreif ich nicht.
MANGU.
Sprich nicht davon. Er liebt was er nicht sollte,
Dem Jünger Muhameds geziemt es nicht
[90] Die Blutsverwandte, seine eigne Schwester
Sich zu vermählen, wider Pflicht und Recht,
Und daß er zögert ist des Busens Stimme
Die tadelnd ihn vor dem Verbrechen warnt.
Doch still davon, wir sollen nur gehorchen,
Und unsre Meinung kommt hier viel zu spät.

Derwisch kommt.
DERWISCH.
Ists wahr, Vezir, was ich vernommen habe?
Vermählt der Sultan seiner Schwester sich?
MANGU.
Wo weilst du Freund? in welches Berges Klüsten,
In welcher fernen Abgeschiedenheit?
Daß du erst heute dies Gerücht vernommen.
Es wird Nerissa in das Haus geführt,
In dem die königlichen Freuen wohnen,
Des Sultans Schwester wird des Sultans Weib.
DERWISCH.
O Schande! du entwöhnest dich der Röthe,
Da du dich frech hinauf zum Throne drängst,
Und deine Stirne deckest mit der Krone.
Nein, solche That ist wider Gott und Recht
Und unerhört in Ismaels Geschlecht.
SINO.
So darf das Seltne nimmer dann geschehen?
Und ist nur recht, was immerdar geschah?
Die Zeiten wechseln doch; in steten Kreißen
[91] Treibt wiederhohlend sich der Menschen Thun.
Was du Verbrechen schiltst, sieh! das erlaubet
Dem Hindu Brama's heiliges Gesetz.
DERWISCH.
Wohl weiß ich, daß dem irren Volk der Hindu
Des Korans reine Lehre nicht gefällt.
Du selbst, denn es verräth dich deine Rede
Hängst an der Väter alter Thorheit noch;
Drum freuts dich, daß der Herrscher der Mongolen,
Gebohren zu beschützen das Gesetz
Es nun vertauschet gegen eure Sitte,
Und eure Sünde so zum Recht erhebt.
SINO.
Hör Priester! Lang eh der Mongolen Name
Der Welt genannt; als sie ein Hirtenvolk
Durch Asiens Steppen ohne Heimath irrten
War dieses Land ein ruhmbegränzter Staat;
Und große Fürsten haben es beherrschet,
Und viele edle Thaten sind geschehn,
Eh' man an euch und eure Weisheit dachte,
Eh' euer Muhamed den Koran schrieb.
MANGU.
Der Sultan hat die Priesterschaft befraget:
Ob es ihm wohl gezieme, sich zum Weib
Zu nehmen seine angeborne Schwester?
Und sie erwiederten: ihm sey vergönnt
Was ihm das eigne Herz erlauben möge.
Und diese Antwort nahm man für ein Ja.
[92]
DERWISCH.
So mag es heißen, wenn Begierde deutet
Und Schmeichelei sich ihrem Ausspruch fügt.
Doch meine Stimme soll der Sultan hören,
Die Wahrheit dringe an des Herrschers Ohr.
SINO.
O blinder Thor! Das Schicksal hat entschieden,
Und werfen willst du dich in seinen Weg?
Beim Himmel! Allah hat es zugelassen,
Allein sein Priester widersetzt sich noch.
Ganz anders ist bei uns der Priester Handeln:
Sie leben in der Abgeschiedenheit.
Entfernt vom irdischen Geräusch und Treiben
Stört nichts die heilige Betrachtung da,
Hartherz'gen Eifer kennt nicht ihre Seele,
Sie mischen sich nicht in der Menschen Thun,
Der Friede Gottes ist in ihrem Busen
Und ihnen spricht die heilige Natur
Durch ihre Kinder, die noch nicht entweihet
Durch frecher Willkür irres Streben sind.
Der heiligen Thiere Sprache, und der Pflanzen
Noch unentwickelt zart und still Gemüth
Zu deuten und ihr Leben zu verstehen,
Das ist für sie ein würdiger Beruf.
MANGU.
Mein Sino! Du verlierst in müß'ge Fablen
Und deines Landes Kinderträume dich.
[93]
DERWISCH.
Schon viele Jahre herrschen die Mongolen
In Hindostan, und waren stets bemüht
Zu Männern dieses weiche Volk zu bilden,
Allein unmünd'ge Kinder bleiben sie.

Der Sultan kommt. Alle werfen sich nieder.
SULTAN.
Steh auf Vezier, was hast du mir zu sagen?
MANGU.
Herr, es ist der Verräther nun bestraft,
Bahadars Haupt fiel unter Henkers Händen,
Doch seine Kinder sind dem Tod entflohn.
SULTAN.
Fürwahr er hat den besten Tausch getroffen,
Denn Freiheit endigt ihm die lange Haft.
MANGU.
Soll man den Sohn auch noch verfolgen lassen?
Zwar ist er fast sechs Monde schon entflohn.
SULTAN.
Trägt er in sich des Vaters feste Seele
Und seinen Haß für der Mongolen Reich,
So wär uns nützlich wohl des Jünglings Sterben.
Doch laß ihn, denn wir hätten viel zu thun,
Wenn wir nach den Insekten jagen wollten,
Die nur uns ritzen, doch verwunden nicht. –
Nun Sino! Derwisch! wolltet ihr was sagen?
[94]
SINO.
Mein König! Soll beginnen jetzt das Fest?
SULTAN.
Nein! Nein! Noch nicht, mir pocht das Herz im Busen
Und Unglücks-Ahndungen umgeben mich. – –
Nun Derwisch, willst du was von mir, so rede.
DERWISCH.
Mein König! Sorge treibet mich zu dir;
Die Sorge für das Wohl von deiner Seele
Die du gefährdet hast durch diese Wahl
Der Schwester, die dir der Gebrauch verbietet;
Verführung droht uns von der Hindu Volk,
Es hasset unsers Lebens ernste Strenge
Und sucht uns von der Tugend Sieges-Bahn
Zu seiner trägen Ueppigkeit zu locken.
Drum thut uns Strenge noth und fester Sinn.
Ein großes Beispiel muß der Herrscher geben
Wie man das heilige Gebot verehrt.
MANGU.
Es hat die Sonne Hindostan besieget,
Verzehret hat sie seiner Röhren Mark:
Drum, sank es hin der Entnervung Arme;
Drum unterlag es der Mongolen Schwerd.
Ein gleiches Schicksal droht dem stolzen Sieger.
Ein wiegt Begierde ihn in ihrem Arm,
Und Weichlichkeit lullt ihn in tiefen Schlummer,
Die alte Ueberwinderinn der Welt. Der
[95]
Völker Augen sind auf dich gerichtet.
Die Hindu wünschen ihren Sitten Sieg,
Sie weinen daß der Herrscher sich bequemen
Dem Joche werde, das sie selber drückt,
Und die Mongolen hoffen, daß der Enkel
Von Timurlenk, der Sohn der Herrn der Welt
Den Thron Muhameds nimmer schänden werde
Durch ein Verbrechen, Fremden abgelernt.
SULTAN.
Genug davon. Ich habe euch vernommen
Entfernet euch. Sino! Bleibe du bei mir.

Mangu und Derwisch ab.

Warum o Schicksal, muß ich diese lieben?
Die Einzige die du mir hast versagt.
Die Erde schmückt verschwenderisch sich mit Blumen,
Und beut mir reichlich ihre Schätze dar,
Umsonst verarmt das Glück, mich zu beglücken
Da ich an Einem Wunsch verzagen muß.
Viel schöne Frauen sind in meinem Hause,
Doch keine rührt, und keine freut mein Herz.
Denn alles Schöne was mein Auge schauet
Erweckt die Sehnsucht nur nach ihrem Reiz;
Und ist sie nah, und könnt ich sie umfassen,
So hält ein tiefer Schauer mich zurück,
Ein leises Beben läuft mir durch die Glieder,
Als stünd ein Todes-Engel neben ihr;
Die Arme sinken, meine Lippen zittern
Und tief verworren ist mein innrer Sinn.
[96]
SINO.
Dich schrecket der Gebrauch, der Menge Tadel,
Das Vorurtheil der Schüler Muhameds.
SULTAN.
Ich hatte sie fünf Jahre nicht gesehen
Und wie erstaunt ich, als nach dieser Zeit
Der Aga sie in meine Arme führte,
Verändert war sie, doch ein lieber Zug
Erinnerte mich an der Kindheit Tage
An der Verwandschaft inniges Verstehn.
Ich gab mich hin dem seligen Gefühle,
Doch sie bewahrte sich mit banger Scheu.
Mein Lieben wollte ihre Furcht besiegen,
Doch meine Liebe überwand mich selbst.
Was soll ich nun? Ich kann ihr nicht entsagen,
Und sie besitzen? Ach! ich wag es nicht.
Mein Busen gleicht dem ungestümen Meere,
Ob Reue mich, ob Sehnsucht mich verzehre,
Ob ich sie fliehe, oder mir vermähle,
Verderben bringt mir was ich auch erwähle.

Garten des Pallastes.
Nerissa und Elpa.
NERISSA.
Sieh! Elpa, Dämmerung sinkt schon hernieder,
Ja sie umfängt den heißen, müden Tag,
Jetzt wird mir wohl erst, ähnlich jenen Blumen
[97] Die trauren bei des langen Mittags Gluth,
Und sinkt die Nacht, sich inniglich erfreuen,
Und ihr liebkosen mit dem süßen Duft.
So ist es mir; ich traure, steht die Sonne
Am Mittag hoch mit ihrem Strahlenaug.
ELPA.
So darfst du dich, o Holde! nie erfreuen?
Denn deines Glückes Sonne steht ja hoch.
NERISSA.
O Elpa! Säh'st du meiner Seele Beben,
Wie der Betrug mich schmerzlich niederdrückt.
Dürft ich zu meines Königs Füßen sinken,
Ihm sagen: Daß ich nicht Nerissa sey,
Nicht seine Schwester, daß ich eine Fremde
An der entflohnen Schwester Stelle sey.
Warum ließ ich zur Lüge mich bereden?
Ach! diese Rolle wird mir allzuschwer. –
ELPA.
Wohlan! Bekenn ihm, daß des Sultans Tochter,
Daß seine Schwester schimpflich sey entflohn
Und einem Sklaven, daß sie so verrathen
Und so geschändet habe ihr Geschlecht
Und ihre Abkunft; daß wir es verborgen,
Daß wir an ihre Stelle dich gesetzt,
Weil du ihr ähnlich warst vor allen Frauen.
Bekenn es ihm, zwar kostets mir das Haupt,
Und auch dem Aga, weil wir für die Tochter
[98] Der Könige mit unserm Leben stehn.
Jedoch du willst's, so stürz uns in's Verderben:
Zwei Leben sind dir keine Lüge werth.
NERISSA.
Dein und des Aga Leben könnt' ich retten,
Und doch die Wahrheit unserm Herrn gestehn.
Das fürcht' ich nicht, ich fürchte seine Liebe
Die jauchzen würde über diesen Tausch;
Vermählen würd' er sich mir diese Stunde
Wüßt' er es nur, ich sey Nerissa nicht.
ELPA.
Wie? Hör ich recht? Du fürchtest seine Liebe
Und die Vermählung die der Sultan hofft?
So wenig wüßtest du des Glückes Gunst zu fassen,
Das dich dem Könige der Welt bestimmt?
NERISSA.
Ich weiß nicht wie, doch seh ich ihm in's Auge,
So überfällt mich eine tiefe Furcht,
Als wollte mich vor ihm die Seele warnen.
Und doch in seinem Antlitz liegt es nicht
Was mich erschreckt; sein Lächeln ist so milde,
Ja seiner Liebe Worte sind mir süß;
Und doch, ich kann und werd ihn nimmer lieben
Weil meine Seele mich ihn fliehen heißt.
ELPA.
Es hat der Pfau wohl hundert Strahlen-Augen
Womit er des Gefieders Schönheit schaut,
[99] Und du Nerissa solltest keines haben
Zu sehen deines Glückes Herrlichkeit?
Ich glaub es nicht; du nährst wohl andre Wünsche,
Wie könntest du sonst eitlem Zagen traun?
NERISSA.
Du irrest, doch mit stillem trüben Sehnen
Denk ich der frohen, freien Jugend-Zeit,
Als ich mit meinem guten Vater wallte
Durch Hindostan, vermummt und unbekannt.
Bald folgten wir des Ganges Silberfluthen
Von Tibets Bergen bis herab zum Meer,
Dann traten wir in Asiens prächtge Städte,
Die vor uns lagen in des Abends Glanz.
Die Flüchtlinge durchwandelten die Gassen,
Musik und Tanz und Lust war überall;
So bunt und froh beweglich war mein Leben,
Ein rascher Strohm, der sich aus Wolken gießt
Und jetzt! gedenk ich jener schönen Stunden
Schwebt die Erinnrung aus der freien Welt
Herüber mir in diese enge Mauern
So nenn ich jammervoll mein prächtig Loos.
Ich sehne mich zurück zu Nacht und zu Gefahren
Zu jener heimathlosen Pilgerschaft.
In diesen Mauern trauren alle Blumen,
Die zarten Halmen flüstern es sich zu
Wie eingeschlossen Sehnsucht sie verzehre;
Ja selbst die starke Palme senkt ihr Haupt,
Und welk und matt ist um mich alles Leben,
[100] Und ungern spendet hier sich die Natur
Wenn keiner ihrer heilgen Stimme lauschet,
Weil ihren Dienst ein rauh Geschlecht verschmäht.

Sultan und Sino kommen.
SULTAN.
Nerissa du! Wie ist dir? Holde! Liebe!
Du senkst den Blick? Du trauerst, süßes Weib?
Die Frauen Indiens sind welke Blumen
Selbst in des Lebens erstem Jugend-Glanz;
Nerissa nur glich stets der frischen Rose
Erquicket von des Himmels ewgem Thau.
Nur heute will ihr schönes Aug erlöschen
In neidschen Wolken, die sie trüb umziehn.
NERISSA.
Sind Indiens Frauen welke Blumen immer
So laß mich weinen um ihr traurig Loos.
SULTAN.
Nein; meine Liebe sey der Frühlings-Odem
Der Freude dir und frisches Leben haucht –
Was sprach ich da? Ertrankt ist meine Liebe,
Und kränker ist sie als dein trüber Blick.
Bald zieht ein Sehnen mich zu deinen Armen,
Dann reißt ein alter Fluch von dir mich weg.
Ich fliehe; neu entzündet sich die Flamme,
Ein kalter Schauer löscht sie wieder aus.
Bald möcht ich schweigen, bald möcht ich dir klagen,
In Freude jauchzen, dann in Schmerz verzagen.
[101]
NERISSA.
Warum muß ich, ich diese Schmerzen geben?
O fliehe mich! und such' ein ander Glück.
SULTAN.
Entfliehen! Ha! Entflieh dem Hauch der Lüfte,
Sie folgen dir vom Indus bis zum Pol.
Versuch es, wandere hinab zum Weste,
Ob du der Sonne Strahlen meiden magst.
Umsonst; sie hebt sich neu stets aus dem Schatten.
Wo du auch wallst, es geht der Ost dir nach.
So meine Liebe, gleich den Himmels-Lüften
Und gleich der Sonne folgt mir überall.
NERISSA.
Weh mir und dir! Ich fürchte deine Liebe,
Und schrecklich ist dein Haß wie deine Gunst.
Was soll ich thun? Auf welche Rettung sinnen?
Ist keine Hülfe, ist kein Rath mehr da?

Mangu kommt.
MANGU.
Ein Fremder wünscht dein Angesicht zu schauen
Mein König. Soll ich sagen, daß er darf?
SULTAN.
Ihm ist vergönnt, sogleich zu uns zu kommen,
Ruf ihn hierher, er rede jetzt vor mir.

Sino tritt in den Hinter-Grund und winkt, Udohla erscheint und wirft sich vor dem Sultan nieder.
[102]
MANGU.
Sprich Fremdling! Denn der Sultan will dich hören,
Steh auf und rede, sage wer du seyst.
UDOHLA
aufstehend zum Sultan.
Ich heiße Achmed, bin dein Knecht, gebohren
Zu Hyderabad, Selims Schwester-Sohn.
SULTAN.
Mein Freund! Du bist des Nabobs Anverwandter?
Des Würd'gen, Mächtigen; ich grüße dich.
UDOHLA.
Der Nabob hieß mich dir dies Schreiben bringen
Und Gruß und Unterwerfung seinem Herrn.

Er reicht ihm ein Papier.
SULTAN.
Du hast's gethan.

Nachdem er gelesen.

Du bist ein guter Bote.
Erbitte einen Lohn; es werde dir
Was dir zu bitten, mir zu geben ziemet.
Drum wähle frei sogleich was dir gefällt.
UDOHLA.
Als ich von Hyderabad hergezogen
Fiel im Gebirg ich in der Räuber Hand.
Verlohren wär ich sicherlich gewesen,
Allein es rettete ein Jüngling mich,
Und als ich bat ihn einen Lohn zu wählen,
Sprach er: »Erscheinst du vor dem Herrn der Welt
[103] So wirf dich flehend hin zu seinen Füßen,
Das meines Vaters Leben er verschont
Bahadars, der im Aufruhr ist gefangen«.
So sprach der Jüngling.

Kniend.

Herr! erhör ihn.
Ich habe keine Bitte als die seine
Verschmähe sie, o großer König! nicht.
SULTAN.
Du bittest spät; schon ist sein Haupt gefallen.
NERISSA.
Wie wird mir! Elpa! führe mich von hier.

Ab mit Elpa.
SULTAN.
Komm Mangu! Laß uns zur Prinzessin eilen,
Und Sino du! erklär ihm was geschah.

Ab mit Mangu.
Lange Pause, Udohla bleibt eine Weile auf den Knien liegen, steht dann langsam auf.
UDOHLA.
So ist es schon das theure Haupt gefallen,
Beschlossen unsers Hauses Untergang!
Was kann ich nun? Da alles mir verloren,
So bin ich überhoben jeder Furcht.
Du hasts vernommen, geh! mich zu verrathen.
Ich bin Bahadar, eures Feindes Sohn.
SINO.
O Jüngling! ich beweine deinen Jammer,
Denn ich bin Sino, Hindu selbst wie du.
[104]
UDOHLA.
Du Sino? Nun so bin ich nicht verlassen
Von allen Göttern, da ich dich hier fand.
Ich kenne dich, und hab dich nie gesehen,
Denn meines Oheims Hoffnung warst du stets.
SINO.
O Usbeck! Lebt er noch! Der Theure! Gute!
Verschonte ihn nur seines Hauses Fall.
UDOHLA.
Er war mein zweiter Vater; denn den meinen
Hab ich so lang ich denke nicht gesehn.
Der Oheim nahm mich zu sich nach Bengalen,
Als sich Bahadar dem empörten Volk
Leicht überredet gab zum Oberhaupte.
So wuchs ich ferne von dem Vater auf.
Doch als die einzge Tochter er verlohren,
Brief er mich zu theilen sein Geschick.
Ich kam; allein der Vater war gefangen,
Ich ward gefangen, und entfernt von ihm. –
Wie unerträglich lange, trübe Stunden
Verschmachtet' ich im Kerker so allein,
So ohne Hoffnung, und dem Tod entgegen
Sah ich mit trübem, tiefgesunknem Muth.
Da öffneten sich meines Kerkers Thüren
Und ich entfloh zum Gastfreund meines Ohms
Zum Nabob, der mich freundlich aufgenommen
Wie einen Sohn, und ungern mich entfließ.
[105] Doch trieb der innre Geist mich zu versuchen
Ob wohl zu retten noch der Vater sey;
Ob flehend vor dem Herrscher der Mongolen;
Wo nicht, durch einen scharfen kecken Stahl.
So kam ich, und noch leb ich zu entscheiden,
Wen dieser Dolch durchbohre von uns beiden;
Ob er des Sultans Purpur erst durchdringe
Ob ich nur mich zum Todtenopfer bringe.
SINO.
Du bist kein Hindu. Nein, dir kocht im Busen
Der Scythen wildes, ungezähmtes Blut.
Was that der Sultan? Er hat recht gehandelt.
Ein jeder weiß, dem Aufruhr droht der Tod.
UDOHLA.
Nun wohl! Es sey, der Sultan möge leben
Ihn darf das Licht der Sonne noch erfreun;
Doch mir geziemet besser, nun zu sterben.
Des Vaters Geist winkt mich zu sich hinab,
Den Niegekannten will er einmal schauen,
Ihn einmal drücken an das Vaterherz.
O süße Freude drunten bei den Todten!
Komm, steig herauf! Verdunkle mir das Licht
Des lieben Tages, den ich kaum gesehen,
Von dem ich jetzo trauernd scheiden muß.

Er zieht den Dolch; Sino hält ihn ab.
SINO.
Halt ein und lebe! Was willst du dem Vater?
Die Todten warten jenseits nicht auf uns.
[106] Sie wandlen fort durch viele, viele Hüllen
Bis zu dem großen Auferstehungstag.
Du weißt's ja selbst; drum lebe noch dem Tage
So lang der Götter Wille dir vergönnt.
UDOHLA.
Soll ich mich selbst zu überleben leben?
Was bleibt mir noch zu wünschen, noch zu thun?
SINO.
Hast du der Freunde nicht und Blutsverwandte
Die schmachten in des dunklen Kerkers Nacht?
Wohlan! Versuch es diese zu befreien.
Der Sultan hat ein leicht beweglich Herz,
Sein Herrschertrotz zerschmolz in Liebes-Wonnen,
Er hat fürwahr ein menschliches Gefühl. –
UDOHLA.
Den Rand des Lebens hab ich schon erreichet,
Jetzt öffnet sich für mich der Zukunft Thor.
Mein Aug das schon der Gräber Nacht umgeben
Verschließt sich noch dem ungewohnten Licht.
SINO.
Komm! Laß mich Pfade für dich suchen, finden.
Gewiß ich leite dich auf ebnern Weg.

2. Akt

[107] Zweiter Akt

Garten.
Nerissa und Elpa.

NERISSA.
Geh! Such ihn! ruf ihn! denn ich muß ihn sehen,
Ich muß ihn sprechen, führe ihn hierher.

Elpa ab.

Wie ist mir nun? Weh, weh mir Unglücksvollen!
Die Götter Indiens verlassen mich,
Weil ich zuerst abtrünnig sie verlassen,
Und zürnend sieht der Gott von Muhamed
Gebete die ich zweiflend zu ihm sende,
Den falschen Dienst, der ungern ihm geweiht,
Der halb noch stets die alten Götter meinet.
So drohen alle Himmelsmächte mir,
Und namenloser Jammer ist mir worden. –
Da kommt er! Ach! wie klopft mein krankes Herz!

Udohla und Elpa kommen. Elpa tritt zurück.
UDOHLA.
Welch launig Schicksal hat, o Königs-Tochter!
Des Unbekannten Namen dir genannt?
Was ist es, das mich aus der bunten Menge
Von Tausenden zu deinem Anblick ruft?
[108]
NERISSA.
Ich sah dich vor dem Sultan niederknien
Und flehen für ein schon verlornes Haupt.
Sprich, kanntest du den Jüngling, dessen Vater
Du retten wolltest vor dem Herrn der Welt?
UDOHLA.
Prinzessin! Was geschah, hab ich erzählet
Und mehr als ich erzählte weiß ich nicht.
NERISSA.
Du weichst mir aus, es irren deine Blicke
Verlegen, und ein verräthrisch Roth
Sagt mir zu gut was du verbergen wolltest,
Die Lippe selbst, die lügen konnte, bebt.
UDOHLA.
Und wenn ich nun des Jünglings Schicksal kenne,
Darf ich es dir Prinzessin! dann vertraun?
Des Sultans Schwester, daß der ihn verfolget
Der dürstet nach des Unglücksel'gen Blut?
NERISSA.
So kennest du Udohla? Ja, du hasts verrathen.
Doch zittre nicht für ihn und nicht für dich,
Nein fahre fort mir kühnlich zu vertrauen:
Denn Rettung sinn' ich für den Jüngling jetzt.
UDOHLA.
Du kennest seinen Namen? Nun dann wisse:
Er wandelt an dem Ganges hin und her,
[109] Und sucht sein Grab mit lebensmüden Blicken;
Auf Erden blieb ihm nichts zu wünschen mehr.
Drum wenn du retten willst o Königs-Tochter!
So denke seiner nicht. Nein! rette die
Vom Volk der Hindu, die im Kerker schmachten,
Erbarme ihres langen Elends dich.
NERISSA.
So hat Udohla keinen Bruder, keine Schwester?
Und nichts auf Erden, das ihm angehört?
UDOHLA.
Die einzge Schwester hat er nie gesehn
Dem Vater haben Räuber sie entführt.
NERISSA.
Man sprach: Bahadar habe sich gerettet
Und keiner wüßte seinen nahen Fall.
Warum entfloh er nicht, eh er gefangen
Sich lieferte in seiner Feinde Hand?
UDOHLA.
Er mochte sich vom Vaterland nicht scheiden.
NERISSA
reicht Udohla eine Kette.
Nimm diese Kette und gedenke mein
Wie ich der Unglücksel'gen denken werde
Die durch mich errettet wissen willst.

Ab mit Elpa.
[110]
UDOHLA.
O süßer Ton! von solchen süßen Lippen!
Jetzt bricht der Tag erst meines Lebens an,
Ein Tag, belebend wie die Morgenröthe
Und lind und traulich wie die Mitternacht.
Zu welchem Gotte will ich jetzo wallen
Von Mord-Gedanken zu entsühnen mich?
O all ihr Götter! Ich hab schwer gefrevelt,
Denn schöner ist das Leben als der Tod.

Zimmer im Pallast.
Der Sultan steht gedankenvoll. Nach langer Pause erscheinen Mangu und Sino.
MANGU.
Mein Herrscher! Achmed, der an deinem Hofe –
SULTAN.
An meinem Hofe? Achmed? Nun so sprich!
MANGU.
Er heißt nicht, so wie er sich dir genennet,
Es ist Bahadars, des Verräthers Sohn.
SULTAN.
Wer sagt es? und woher willst du's beweisen?
Bahadars Sohn? Unglaublich ist es fast.
MANGU.
Ich war zugegen Herr! als er gefangen
Durch deiner treuen Knechte Eifer ward,
[111] Und als er flehend vor dir niederkniete
Entsann ich dunkel dieses Jünglings mich;
Noch zweiflend wagt ichs nicht ihn anzuklagen:
Doch heute ist sein Frevel mir gewiß;
Aus der Entfernung treten seine Züge
Bestimmt und kenntlich vor mein forschend Aug.
SULTAN.
So such ihn auf und laß ihn zu mir kommen,
Bis dahin aber will ich einsam seyn.

Ab.
SINO.
Du irrest wohl, wie leicht trügt nicht das Auge!
Was soll der Jüngling an des Sultans Hof?
MANGU.
Bahadars Blut fließt in des Jünglings Adern,
Sein giftig stolzes, ungezähmtes Blut.
Was kann er anders als auf Tücke sinnen
Und was ist frech genug für dies Geschlecht?
SINO.
Du suchst Verdammliches zu finden;
Der ungerechte Eifer reißt dich fort.
MANGU.
Ha! ich vergaß, mit wem ich dies gesprochen,
Du bist ein Hindu. Wohl, wir kennen euch;
Auf eure Treue dürfen wir nicht trauen,
Ihr neigt euch stets zu unsern Feinden hin.
[112]
SINO.
Ich weiß, du wirst mich nimmer kennen lernen,
Unmöglich ist's, was hofft ich auch darauf?

Mangu bleibt eine Weile gedankenvoll stehn, geht dann ab.

So brich denn endlich deines Schweigens Bande
Mein lang gezähmt nur allzu duldsam Herz!
Weh uns! Weh uns! In Sclaverei geboren
Bricht nichts die starken Ketten als der Tod.
So tief sind wir gesunken, daß vom Ruhme
Von dieses Landes alter Herrlichkeit
Nur eine Sage unser Ohr erreichte,
Ach! eine Sage, die wir kaum verstehn –
Der Himmel liebt uns, ja die Sonne selber
Schickt liebevoll uns ihre Strahlen zu;
Und mag von uns das Auge nimmer wenden
Indeß sie andern Völkern karg sich schenkt,
Ja, alle Götter sie sind uns gewogen.
Zur Wiege weihten sie sich dieses Land
Weil es zuerst sich aus dem Meer erhoben,
Und nun in Ketten seufzt es jammervoll. –
O wann wird neu die Erde sich gestalten?
Wann bricht der Zeiten bessrer Morgen an?
Geduld mein Herz! er muß ja endlich kommen,
Es leben deine alten Götter noch.
Sie leben, neu die Welt sich zu erzeugen,
Vielleicht ist schon die schönre Stunde nah.

Mangu kommt.
[113]
MANGU.
Ich möchte dir, o Sino was vertrauen
Das sonderbar, doch höchst erfreulich ist.
Es kam von Andre ein vertrauter Bote
Und brachte diesen Siegel-Ring und Brief,
Worin Nerissa mir die Königs-Tochter schreibet
Wie tief sie nun bereue ihre Flucht,
Wie sie zurück sich zu dem Bruder sehne,
Wenn er verzeihen könne ihre That.
So spricht der Brief, und daß ich glauben möge
Fügt sie hinzu des Königs Siegel-Ring.
SINO.
Unglaublicher Betrug! Wer mag ihn denken!
Wem darf man glauben, wen der Lüge zeihn?
MANGU.
Der Aga hat mir ins Geheim gestanden,
Daß Todes-Furcht ihn zum Betrug verführt;
Daß ein geraubtes Mädchen er gezwungen
Und überredet habe zu dem Schritt,
Als unsers Sultan Schwester zu erscheinen;
Und wie ihn Elpa habe unterstützt.
SINO.
Wohl weiß ich, wie sie uns verändert däuchte
Nerissa, wie so anders ganz als sonst.
MANGU.
Ja auch dem Sultan schien sie ganz verändert.
In Lieb entbrannte bald sein Geist zu ihr;
[114]
So hat sein Herz ihn dennoch nicht betrogen
Als es zu dieser Fremden ihn gezogen,
Nicht zum Verbrechen hat es ihn geführt.
SINO.
So geh! Entdeck ihm, was du hast erfahren,
Verschiebe seines Glückes Stunde nicht.

Garten.
NERISSA.
Mein Schicksal, es muß jetzt entschieden werden.
Entflieh ich einsam? Such ich jenen Pfad,
Den alten, wohlbekannten, den ich oft betreten
Beim Sternenschein, in Mitternacht gehüllt?
Es sey. Ich scheide; doch mit trüber Seele.
Ich suche jenes Felsen stille Kluft
In der mit meinem Vater lang verborgen
In einsamer Betrachtung ich gelebt;
Dort soll Vergangenheit mir Zukunft werden,
Die große Vorwelt will ich wieder schaun,
Geschicke, die verflossen, wieder suchen,
Die alten Götter neu versöhnen mir. –
Am Ganges wallt der Bruder auf und nieder,
Und sucht sein Grab mit lebensmüdem Blick;
So sagte Achmed. Ja, ich will ihn suchen,
Wie mit dem Vater theilen sein Geschick.
Es schwimmt ein lieblich Bild vor meinem Auge
Das ich so gerne Bruder nennen mag.

Elpa kommt.
[115]
ELPA.
Du wirst gesucht, der Sultan will dich sehen,
Er selber sucht mit großer Eile dich.
NERISSA.
Mich suchen wird er oft noch und nicht finden.
Geh! Sag es ihm, ich kann ihn jetzt nicht sehn.
ELPA.
Wie darfst du dich dem Herrscher widersetzen?
Er schien so dringend und so tief bewegt!
NERISSA.
O Himmel! Muß ich dieses noch erfahren,
Muß ich des Mörders Antlitz doch noch sehn!
Die Stimme die mir werth ist wieder hören
Und denken, daß sie jenes harte Wort,
Das grause Todes-Urtheil ausgesprochen,
Das mich von seiner Liebe immer trennt.
ELPA.
Dein irrer Sinn hat schauervolle Worte
Herauf getrieben aus der Seele Grund,
Die gleich den giftgen Pflanzen Unheil säen;
Und besser wäre mir, ich hört' es nicht;
Drum will ich ungedeutet es vergessen,
Vergraben, eh es schlimme Früchte trägt.
NERISSA.
Hast du nicht frevlend selbst es mir entrissen,
Das Wort das bebend meine Lippe spricht?
[116]
ELPA.
Komm, eh der Sultan so gestimmt dich findet,
Erscheinen darfst du also nicht vor ihm.

Beide ab. Udohla kommt.
UDOHLA.
Nur wenig Worte hatte sie zu sagen,
Warum erfüllten sie die Zeiten nicht,
Die Zeiten alle bis zum letzten Tage? –
Der Himmel jauchzt mir ihren Namen nach,
Ihn flüstern leise alle Frühlings-Lüfte –

Sino kommt.
SINO.
Du bist noch hier? Udohla! Weißt du nicht,
Daß du dem Sultan gänzlich bist verrathen?
Daß er es weiß, du seyst Bahadars Sohn?
Was du zu fürchten hast, nagst du erwägen,
Drum fliehe, eh das Aeußerste geschehn.
UDOHLA.
Entfliehen Freund! Klein ist für mich die Erde.
Denn wo sie wallt ist Leben nur für mich,
Und wo sie nicht ist, da ist öde Leere. –
Es haben diese Bäume sie gesehn
Und diese Luft hat schmeichlend sie gekühlet,
Drum sind sie meine Heimat mir und Welt.
SINO.
Noch weiß ich nicht, wen deine Worte meinen.
Doch bleibe, denn noch Rettung find ich dir;
[117] Nerissa wird dem Sultan sich vermählen,
Verschwunden ist das Nachtgespenst der Furcht,
Das seine Liebe lang von ihr getrennet.
In dieser Freude wird er dir verzeihn.
UDOHLA.
Ich weiß genug. Versuche nicht zu retten,
Den dieses Wort auf immerdar verdammt.
Ich gebe gern und willig mich verloren,
Geschauet hab ich doch des Lebens Glanz.
Es hat mich hold wie eine Braut umfangen,
Die schüchtern nur und halb sich offenbart,
Doch ich hab ihren süßen Reitz errathen,
Und standhaft geb ich ihr den Abschieds-Kuß;
Und wenn der Sultan mich zum Tode sendet,
Raubt er ein Leben nur das jetzt schon endet.
SINO.
Mein Herz hat liebend sich zu dir beweget;
In deiner Jugend wollt ich auferstehn,
Dir meines Lebens reife Früchte bieten
Und knüpfen an die Vorwelt dich durch mich,
Mich an die Nachwelt; ja durch deine Lippen
Wollt ich der Zukunft manches anvertraun.
Das ist nun nicht; du reibst in wildem Treiben
Und irrem Sterben deine Jugend auf.
Ich sah dich frevlend Todes-Götter rufen,
Dann wieder jauchzen in des Lebens Lust:
Jetzt willst du rasch dem Leben schon entsagen,
Zu träg und stolz zur Rettung was zu wagen.
[118]
UDOHLA.
Was willst du mir? Vorbei sind meine Blüthen
Und keine Früchte ließen sie zurück.
Kann ich des Himmels Winden auch gebieten,
Daß sie nicht knicken meines Lebens Halm?
Laß ab von mir, daß deines Herzens Hälfte
Ich nicht hinunter reiße in die Gruft.
Vertraue meiner Brust nicht deine Saaten,
Sie würden schön und kräftig nicht erblühn,
Nein, mit mir würden sie im Grab vermodern,
Und wie ich selber spurlos untergehn.
SINO.
So hat die Ahndung dennoch mich betrogen
In der du so bedeutungsvoll mir schienst!
Das Schicksal wähnt ich müsse etwas meinen,
Da es so wunderbar dich hergeführt.
So irrt ich mich; du kamst nur um zu gehn,
Du warst ein Gast in meiner Liebe nur;
Und dennoch muß ich stets auf Rettung sinnen,
Und ungern wie mich selbst geb ich dich auf.

Der Sultan, Mangu und Gefolge kommen.
SULTAN
zu Mangu.
Geh! Eile, denn ich will sie hier erwarten,
Ich dulde dieses Zögern länger nicht. –

Pause.

Du Achmed! Sag ist's wahr, was ich vernommen,
Man sagte mir: du seyst Bahadars Sohn?
UDOHLA.
Herr! es ist wahr, was du von mir vernommen.
[119]
SULTAN.
So ists auch wahr, daß dir der Tod gebührt.
UDOHLA.
Wenn du gebietest, Herr! so muß ich sterben.
Ich weiß es, und ich bin darauf gefaßt.

Nerissa und Mangu kommen.
SULTAN
ihr entgegen.
Die Scheidewand, Geliebte! ist zerfallen,
Und du bist mein. Ja Liebe du bist mein.
Wie konntest du mich lang so grausam quälen,
Und mir verbergen ein so wonnig Glück?
NERISSA.
Wo find ich Töne doch zu diesem Worte,
Vor dem die blasse Lippe zaghaft bebt?
So wisse denn, ich bin von dir geschieden
Auf immerdar durch deine eigne That;
Des Vaters Blut belastet deine Seele,
Bahadars Tochter ists, die vor dir steht.
SULTAN.
O Allah!

Er verhüllt sich.
UDOHLA.
Welch süßer Traum umfängt mir hold die Sinne?
Sag, Sino! wird der schöne Traum vergehn?
O schweige, daß ich nie erwachen möge!
Ewana, meine Schwester wäre sie?
[120]
NERISSA.
Wie? Hör ich recht? Ist Achmed nicht dein Name?
SINO.
Er ist dein Bruder, ist Bahadars Sohn.

Udohla eilt auf sie zu, sie sinkt in seine Arme. Lange Pause.
SULTAN.
Wie sie in dieses Jünglings Armen ruhet,
Ein Anblick, wie der Hölle Qualen mir!
NERISSA.
Es hat dein Wort des Vaters Blut vergossen;
Ich richte nicht, ob er es auch verdient;
Doch dieser theilte niemals sein Vergehen,
Er hat sein Schwerdt nicht gegen dich geführt.
Drum sey ihm gnädig, auch um meinetwillen,
Und laß mich ruhig mit dem Bruder ziehn.
SULTAN.
Vergißt du so, was es mich kosten könne,
Wenn ich, o Theure! dich entlassen muß?
Du siehst sie nicht die tiefe, schwere Wunde,
Die du unheilbar meinem Herzen schlägst.
Du eilst dahin in frohem raschen Muthe,
Indeß ich langsam, schmerzlich mich verblute.
Umsonst hält Stolz den tiefen Schmerz gefangen,
Er sprengt die Fesseln, Freiheit zu erlangen.
[121]
NERISSA.
Nicht also Herr! Es trübet meine Seele,
Wo ich auch sey, Erinnerung an dich.
Und tief empfind ich, da ich von dir scheide
Daß ich gewaltsam los mich reißen muß.
Doch muß ich; denn ich bin von dir getrennet
Durch alles, was dem Menschen heilig ist,
Durch meines Volkes Sitten und Gesetze.
Drum laß mich ziehen, bleiben darf ich nicht.
SULTAN.
Lebt wohl denn, ihr, die ich soll nimmer sehen,
Ihr holden Augen! Anmuthsvoll Gestirn
Das über meinem Leben aufgegangen!
Weissagend Licht! das Wonne mir verhieß,
Das all mein Schicksal schmeichlerisch gelenket
Das treulos sich in Wolken nun versenket. –
Nerissa, geh! Du hast mein Herzt zerrissen,
Ich werde traurend zu den Todten gehn.

Ab.
UDOHLA.
Ewana komm! Wir gehen nach Bengalen
Des Oheims einsam Alter zu erfreun.
SINO.
Dein Schicksal, junger Freund! ist nun entschieden,
Doch unsers birgt die ferne Zukunft noch,
Die Zukunft die ich nicht erleben werde,
Den Aufgang, den dies Auge nicht wird sehn.
[122] Oft war mir, leicht getäuschet, ich erblicke
Im Osten schon des Morgens Purpur-Saum
Der Indiens Tag nach langer Nacht verkünde.
Oft däuchte mir, ich hör des Vogels Ruf
Der ahndungsvoll die Sonne früh begrüßet.
Ich irrte mich, der Tag ist noch nicht da.
Doch du, o Freund! Du wirst vielleicht ihn sehen,
Und kommt er, Jüngling! dann gedenke mein,
Und hilf des Volkes schwere Ketten sprengen;
So lohne die geraubte Liebe mir.
Dann will ich gern von dir die Trennung dulden,
Weiß ich es nur, ich gab der Zukunft dich. –
Durch Zeichen wird der Himmel offenbaren,
Wann er dem großen Werke günstig ist.
Bis dahin dulde schweigend seinen Willen,
Und hoffe auf des Gottes Wiederkehr.
[123][125]

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Günderode, Karoline von. Dramen. Udohla. Udohla. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-2013-E