[32] 1.
Psal. 70. v. 20. Quantas ostendisti mihi tribulationes multas & magnas, & conversus vivificasti me!

Satz.

Reiß Erde! reiß entzwey! Ihr Berge brecht vnd decket
Den gantz verzagten Geist.
Den Blitz vnd ach vnd noth/ vnd angst/ vnd weh' erschrecket!
Vnd herbe wehmutt beist!
Ihr jmmerlichten stätter Himmel Lichter!
Ach bescheinet meine glieder! ach bescheint die glieder nicht!
Die der Donnerkeil der schmertzen/ die die krafft der Angst zubricht/
GOTT/ gutter Gott! nur mir/ zu strenger Richter!
Was lässet mich dein grimm nicht sehen!
Was hör ich nicht für spott vnd schmähen?
Sind die augen mir verliehen
Daß ich nichts alß herbe plagen/ nichts alß Marter schawen soll?
Täglich rufft man dir die Ohren/ ja die matte Seele voll!
Kan ich! kan ich nicht entfliehen!
Kan die Hell-besternte Nacht! kan mich nicht die Sonn' erquicken:
Sol mich jede Morgenrött' jeder Abendstunde drücken:
Gegensatz.

Der dicke Nebel bricht in welchen sich verhüllet
Der alles hebt vnd hält;
[33]
Der aller scharffe pein vnd herbe thränen stillet/
Der Schöpffer dieser welt.
Er wendet sich vnd hört nach meinem wimmern/
Vnd bläßt mein erstarte Leichen mit ernewtem Leben an:
Daß ich/ der ich schon erstummet/ jhm mit jauchtzen dancken kan/
Ich spür' vmb mich sein edle Wächter schwimmern.
Versteckt mich in deß Abgrunds gründe;
Vnd wo ich kaum mich selber finde/
Ja in mittelpunct der Erden.
Er wird mich auß dieser Tieffen/ auß der vnerschöpftẽ klufft/
Auß der Hellen hell' erretten; mir sol aller grüffte grufft
Noch zum ehren Schawplatz werden.
Jagt mich wo die welt aufhört/ wie die kalten lüffte ringen:
Wo das heisse Landt verbrennt; Got der wird mich wider bringen.
Zusatz.

Der/ der vns schützt' in noth/
Erweist an mir die Allmacht seiner Ehren!
Mein ach! mein Todt ist todt.
Es müsse diß was etwas anhört/ hören.
Den/ den was athem holt/ veracht/
Schmückt er mit seiner gütte pracht!
Der/ der mir vor den Rucken wandte:
Der mich in seinem grim verbannte:
Kehret mir den süssen Mund/ vnd die lieben Augen zu
Er erquickt mein Hertz mit trost vnd verspricht mir stille Ruh.
Keine pein ist dem ergetzen
Das ich fühle gleich zu schätzen.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Gryphius, Andreas. Gedichte. Oden. Oden. Das zweite Buch. 1650. 1. Psal. 70. v. 20.. 1. Psal. 70. v. 20.. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-1DB4-C