Paraphrasis Psalmi 125. juxta latinos

1.
Nach dem deß Höchsten übergrosse gunst
Die im Elend schier verschmachte/
Die von jederman verlachte/
Die Zion auß der heissen jammer brunst
Auß dem verknüpfften Ketten-Netze/
Dem Kercker stanck/ dem Angst gehetze.
Durch wunder-Allmacht außgerissen
Vnd alß sein freyes Kind lies grüssen.
2.
Da zweifelt jeder: jeder stund vnd fragt
Ist diß Zion die gekränckte?
Die in jammerschlamm versenckte
Die Brand/ vnd Schwerd/ vnd Blitz vñ glutt geplagt?
Ists Zion? oder muß mit liegen
Vnß leichter träume dunst bekrigen.
Wir schlaffen ja nicht? Nein wir wachen/
Vnd hören Zion frölich lachen.
[51] 3.
Die/ Zion die in herben leid erstickt;
Der die Angst/ den Brunn der Thränen
Gantz erschöpfft/ die mattes sehnen
Nur noch allein mit schwachem Geist außdrückt.
Die wie ein Turteltäublein girret:
Sitzt/ in geschwinde lust verwirret.
Sie lacht/ sie jauchtzt/ sie rühmbt/ sie singt.
Daß Thal vnd Berg davon erklingt.
4.
Vnd billich! denn wer dieser wunder schawt:
Vnd die gantz zersprengten Bande.
Die in Ruhmb verkehrte Schande/
Die rawe klufft/ für der der Sonnen grawt:
Läst mich bestürtzung von sich hören:
Wieviel hat GOTT der HERR der Ehren
An jhr gethan: Er hat erzeiget
Was weder Ost noch West verschweiget.
5.
Ja freylich spricht Sie: Thut er viel an mir
Drumb soll: weil mir Blutt vnd Leben
Wird durch Hertz vnd Adern schweben
Mein Mund vnd Hand/ vnd Seele dancken dir/
HERR rette was sich noch nicht findet:
Was der noch feste Fessel bindet.
Was noch der Feind gefangen heisset:
Was noch die scharffe wehmutt beisset.
6.
Diß wird dein Kind erquicken alß die flutt
Alß das rauschen von den Bächen
Die so mit durst vnd gebrechen/
[52]
Im Suden quelt der Sonnen schwere glutt.
Wie leichter Taw das Land ergetzet
Wie Regen der die Felder netzet/
Die glüend-heisse Lufft getrennet
Vnd schier zu leichten staub verbrennet.
7.
Diß bleibt deß Himmels ewig-feste Schluß
Daß Betrübte nicht stets klagen:
Daß die wollust folgt den Plagen
Daß wer getrawrt zu letzte jauchzen muß/
Die jhre Saat in Angst auß strewen.
Die wird die Frucht-reich Erndt' erfrewen:
Seet Thrähnen auß/ seet auß mit weynen.
Trost wird (wenn jhr nun mayt) erscheinen.
8.
Man geht bestürtzt alß sonder Rath einher
Wenn das wüßte Land zu bawen:
Vnd kein mittel mehr zu schawen
Wenn Scheur vnd Schloß von allem Saamẽ ler
Doch wird das ach/ Das vnß verzehret
In frewdenschwang're Lust verkehret:
Wenn man die vollen Garben bringet
Vnd jauchzend' vmb die Awen singet.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Gryphius, Andreas. Gedichte. Oden. Oden. Das zweite Buch. 1650. 8. Paraphrasis Psalmi 125. juxta latinos. 8. Paraphrasis Psalmi 125. juxta latinos. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-1D9F-D