Andreas Gryphius
Absurda Comica
oder
Herr Peter Squentz
Schimpff-Spiel

Vorrede

[7] Vorrede.

Großgünstiger hochgeehrter leser.

Der nunmehr in Deutschland nicht unbekandte und seiner meynung nach hochberühmte herr Peter Squentz wird dir hiermit übergeben. Ob seine anschlage gleich nicht alle so spitzig, als er sich selber düncken läst, sind doch selbte bißher auf unterschiedenen schau-plätzen nicht ohne sondere beliebung und erlustigung der zuseher angenommen und belachet worden, warum denn hier und dar gemüther gefunden, welche sich vor gar seinen vater auszugeben weder scheu noch bedencken getragen, worinnen er weit glückseliger gewesen, als nicht wenig kinder dieser zeit, die auch leibliche eitern, wenn sie vornehmlich etwas zu frühe ankommen, vor die ihrigen nicht erkennen wollen. Damit er aber nicht länger fremden seinen Ursprung zu dancken habe, so wisse, daß der um gantz Deutschland wohlverdienete und in allerhand sprachen und mathematischen wissenschafften ausgeübete mann, Daniel Schwenter, selbigen zum ersten zu Altdorff auf den schau-platz geführet, von dannen er je länger je weiter gezogen, biß er endlich meinem liebsten freunde begegnet, welcher ihn besser ausgerüstet, mit neuen personen vermehret und nebens einem seiner trauerspiele aller äugen und urtheil vorstellen lassen. Weil er aber hernach, als selbter mit wichtigern sachen bemühet, von ihm gantz in vergessen gestellet, habe ich mich erkühnet, ihn, herrn Peter Squentz, aus gedachten meines freundes bibliothec abzufordern und durch öffentlichen druck dir, großgünstiger und hochgeehrter leser, zu übersenden.[7] Wirst du ihn mit deiner begnügung auffnehmen, so erwarte mit ehesten den unvergleichlichen Horribilicribrifan, von dessen pinsel abgemahlet, dem herr Peter Squentz die letzte striche seiner Vollkommenheit zu dancken, und bleib hiermit gewogen deinem stets dienst-ergebenen


Philip-Gregorio Riesentod.

[8]

Personen

Spielende personen.

    • Herr Peter Squentz, schreiber und schulmeister zu Rumpels-Kirchen, prologus und epilogus.

    • Pickelhäring, des königes lustiger rath, Piramus.

    • Meister Krix-über-und-über, schmied, der monde.

    • Meister Bulla Butäin, blasebalckmacher, die wand.

    • Meister Klipperling, tischler, der löwe.

    • Meister Lollinger, leinweber und meister sänger, der brunn.

    • Meister Klotz-George, spulenmacher, Thisbe.
      Zusehende personen.
    • Theodorus, der könig.

    • Serenus, der printz.

    • Cassandra, die königin.

    • Violandra, princessin.

    • Eubulus, der marschalck.
    • [9]

1. Akt

Erster auffzug.

Peter Squentz, Pickelhäring, meister Kricks-über-und-über, meister Bulla-Butän, meister Klipperling, meister Lollinger, meister Klotz-George.

PETER SQUENTZ.
Edler, woledler, hochedler, woledelgeborner herr Pickelhäring von Pickelhäringsheim und Saltznasen!
PICKELHÄRING.
Der bin ich.
PETER SQUENTZ.
Arbeitsamer und armmächtiger mester Kricks-über-und-über, schmied!
MEISTER KRICKS-ÜBER-UND-ÜBER.
Der bin ich.
PETER SQUENTZ.
Tugendsamer, auffgeblasener und windbrechender mester Bullabutän, blasebalckenmacher!
BULLABUTÄN.
Der bin ich.
PETER SQUENTZ.

Ehrwürdiger, durchschneidender und gleichmachender mester Klipperling, wollbestellter schreiner des weitberühmbten dorffes Rumpels-Kirchen!

MEISTER KLIPPERLING.
Der bin ich.
PETER SQUENTZ.
Wolgelahrter, vielgeschwinder und hellstimmiger mester Lollinger, leinweber und mester sänger!
[10]
LOLLINGER.
Der bin ich.
PETER SQUENTZ.
Treufleißiger, wolwürckender, tuchhaffter mester Klotz-George, spulenmacher!
MEISTER KLOTZ-GEORGE.
Der bin ich.
PETER SQUENTZ.

Verschraubet euch durch zuthuung eurer füße und niederlassung der hindersten oberschenckel auf herumgesetzte stühle, schließet die repositoria euers gehirnes auf, verschließet die mäuler mit dem schloss des Stillschweigens, setzt eure 7 sinnen in die falten! Herr Peter Squentz (cum titulis plenissimis) hat etwas nachdenckliches anzumelden.

PICKELHÄRING.

Ja, ja, herr Peter Squentz ist ein tieffsinniger mann; er hat einen anschlägigen kopff, wenn er die treppen hinunter fällt; er hat so einen ansehnlichen bart, als wenn er könig von Neu- Zembla wäre; es ist nur zu bejammern, dass es nicht wahr ist.

PETER SQUENTZ.

Nach dem ich zweiffels ohn durch zuthuung der alten Phœbussin und ihrer tochter der großmäulichen frau Fama bericht erlanget, dass ihr majestät unser gestrenger juncker könig ein großer liebhaber von allerley lustigen tragœdien und prächtigen comœdien sey, als bin ich willens, durch zuthuung euer geschickligkeit eine jämmerlich schöne comœdi zu tragiren, in hoffnung, nicht nur ehre und ruhm einzulegen, sondern auch eine gute verehrung für uns alle und mich in specie zu erhalten.

BULLABUTÄN.
Das ist erschrecklich wacker! ich spiele mit und sollte ich 6 wochen nicht arbeiten.
PICKELHÄRING.

Es wird über alle maßen schöne stehen! Wer wolte nicht sagen, dass unser könig treffliche leute in seinem dorffe hätte!

[11]
MEISTER KRICKS-ÜBER-UND-ÜBER.
Was wollen wir aber vor eine tröstliche comœdi tragiren?
PETER SQUENTZ.
Von Piramus und Thisbe.
MEISTER KLOTZ-GEORGE.

Das ist übermaßen trefflich! Man kan allerhand schöne lehre, trost und vermahnung draus nehmen; aber das ärgeste ist, ich weiß die historie noch nicht. Geliebt es nicht euer herrligkeit dieselbte zu erzehlen?

PETER SQUENTZ.

Gar gerne. Der heilige alte kirchen-lehrer Ovidius schreibet in seinem schönen buch Memorium phosis, das Piramus die Thisbe zu einem brunnen bestellet habe; inmittelst sey ein abscheulicher hässlicher löwe kommen, vor welchem sie aus furcht entlauffen und ihren mantel hinterlassen, darauf der löwe jungen ausgehecket. Als er aber weggegangen, findet Piramus die blutige schaube und meinet, der löwe habe Thisben gefressen; darumb ersticht er sich aus verzweiffelung. Thisbe kommet wieder und findet Piramum todt; derowegen ersticht sie sich ihm zu trotz.

PICKELHÄRING.
Und stirbet?
PETER SQUENTZ.
Und stirbet.
PICKELHÄRING.

Das ist tröstlich; es wird übermaßen schön zu sehen seyn. Aber saget herr Peter Squentz, hat der löwe auch viel zu reden?

PETER SQUENTZ.
Nein, der löwe muss nur brüllen.
PICKELHÄRING.
Ey so wil ich der löwe seyn, denn ich lerne nicht gerne viel auswendig.
PETER SQUENTZ.
Ey nein! Monsieur Pickelhäring muss eine hauptperson agiren.
PICKELHÄRING.
Habe ich denn kopffs genug zu einer hauptperson?
[12]
PETER SQUENTZ.

Ja freylich. Weil aber vornehmlich ein tapfferer, ernsthaffter und ansehnlicher mann erfordert wird zum prologo und epilogo, so wil ich dieselbe auff mich nehmen und der vorreder und nachreder des Spieles, das ist, anfang und das ende seyn.

MEISTER KRICKS-ÜBER-UND-ÜBER.

In warheit. Denn weil ihr das spiel macht, so ist billich, dass ihr auch den anfang und das ende dran setzet.

MEISTER KLIPPERLING.

Wer soll denn den löwen nu tragiren? Ich halte, er stünde mir am besten an, weil er nicht viel zu reden hat.

MEISTER KRICKS-ÜBER-UND-ÜBER.

Ja mich düncket aber, es solte zu schrecklich lauten, wenn ein grimmiger löwe hereingesprungen käme und gar kein wort sagte; das frauenzimmer würde sich zu hefftig entsetzen.

MEISTER KLOTZ-GEORGE.

Ich halte es auch dafür. Sonderlich wäre rathsam wegen schwangerer weiber, dass ihr nur bald anfänglich sagtet, ihr wäret kein rechter löwe, sondern nur meister Klipperling, der schreiner.

PICKELHÄRING.
Und zum wahrzeichen lasset das schurtzfell durch die löwen-haut hervor schlenkern!
MEISTER LOLLINGER.

Wie bringen wir aber die löwenhaut zu wege? Ich habe mein lebtage hören sagen, ein löwe sehe nicht viel anders aus als eine katze. Wäre es nun rathsam, dass man so viel katzen schinden ließe und Überzüge euch nackend mit den noch blutigen fellen, dass sie desto fester anklebeten?

MEISTER KRICKS-ÜBER-UND-ÜBER.

Eben recht! Es wäre ein schöner handel! Sind wir nicht mehrentheils zunfftmäßige leute? würden wir nicht wegen des katzenschindens unredlich werden?

MEISTER BULLABUTÄN.

Es ist nicht anders. Darzu habe ich gesehen, dass die löwen alle gelbe gemachet werden, aber meine lebetage keine [13] gelbe katze gefunden.

PETER SQUENTZ.

Ich habe einen andern einfall. Wir werden doch die comœdi bey lichte tragiren. Nun hat mich mein, gevatter mester Ditloff Och sen-Fuß, welcher unser rathhaus gemahlet, vor diesem berichtet, dass grüne bey lichte gelbe scheine. Mein weib aber hat einen alten rock von früß, den wil ich euch an statt einer löwenhaut umbinden.

MEISTER KRICKS-ÜBER-UND-ÜBER.
Das ist das beste so zu erdencken; nur er muss der rede nicht vergessen.
MEISTER KLOTZ-GEORGE.

Kümmert euch nicht darum lieber schwager! Herr Peter Squentz ist ein gescheidener mann; er wird dem löwen wol zu reden machen.

MEISTER KLIPPERLING.

Kümmert euch nicht, kümmert euch nicht! Ich will so lieblich brüllen, dass der könig und die königin sagen sollen: mein liebes löwichen brülle noch einmal!

PETER SQUENTZ.

Lasset euch unterdessen die nägel fein lang wachsen und den bart nicht abscheren, so sehet ihr einem löwen desto ähnlicher! Nun ist einer difficultet abgeholffen; aber hier wil mir das wasser des verstandes schier die mühlräder des gehirnes nicht mehr treiben. Der kirchen-lehrer Ovidius schreibet, dass der monden geschienen habe; nun wissen wir nicht, ob der monde auch scheinen werde, wenn wir das spiel tragiren werden.

PICKELHÄRING.
Das ist, beym element! eine schwere sache.
MEISTER KRICKS-ÜBER-UND-ÜBER.
Dem ist leicht zu helffen; wir müssen im calender sehen, ob der mond denselben tag scheinen wird.
MEISTER KLOTZ-GEORGE.
Ja, wenn wir einen hätten.
[14]
MEISTER LOLLINGER.

Hier habe ich einen, den habe ich von meines groß-vatern muhme ererbet; er ist wol 100 jahr alt und derowegen schier der beste. Ey juncker Pickelhäring verstehet ihr euch auffs calendermachen, so sehet doch, ob der monde scheinen wird!

PICKELHÄRING.

Ie solte ich das nicht können? Lustig, lustig ihr herren! der mond wird gewiss scheinen, wenn wir spielen werden.

MEISTER KRICKS-ÜBER-UND-ÜBER.
Ja ich habe aber mein lebetag gehöret, wenn man schön wetter im calender findet, so regnets.
MEISTER KLOTZ-GEORGE.
Drum haben unsere lieben alten gesaget: du leugest wie ein calender- macher.
PETER SQUENTZ.

Ey das ist nichts, der mond muss darbey seyn, wenn wir die comœdi spielen, sonst wird das ding zu wasser, das ist, die comœdi wird zu nichte.

MEISTER KRICKS-ÜBER-UND-ÜBER.

Hört, was mir eingefallen ist! Ich will mir einen pusch um den leib binden und ein licht in einer latern tragen und den monden tragiren. Was düncket euch zu der sachen?

PICKELHÄRING.
Beym Velten! das wird gehen. Aber der monde muss in der höhe stehen. Wie hier zu rathen?
PETER SQUENTZ.

Es solte nicht übel abgehen, wenn man den monden in einen großen korb setzte und denselben mit einem stricke auf und abließe.

MEISTER KRICKS-ÜBER-UND-ÜBER.

Ja! wenn der strick zurisse, so fiele ich herunter und bräche hals und bein. Besser ist es, ich stecke die laterne auf eine halbe picken, dass das licht um etwas in die höhe kommet.

PETER SQUENTZ.

Nec ita malè! Nur das licht in der laterne muss nicht zu lang seyn, denn wenn sich Thisbe ersticht, muss der mond seinen schein verlieren, das ist, verfinstert werden, und das [15] muss man abbilden mit verleschung des lichtes. Aber ad rem! Wie werden wir es mit der wand machen?

MEISTER KLIPPERLING.
Eine wand aufzubauen für dem könige, das wird sich nicht schicken.
PICKELHÄRING.
Was haben wir viel mit der wand zu thun?
PETER SQUENTZ.
Ey ja doch! Piramus und Thisbe müssen mit einander durch das loch in der wand reden.
MEISTER KLIPPERLING.

Mich düncket, es wäre am besten, man beschmierete einen um und um mit leimwellern und steckte ihn auf die bühne. Er müste sagen, dass er die wand wäre. Wenn nun Piramus reden soll, müste er ihme zum maule, das ist zum loch hinein reden. Wenn nun Thisbe was sagen wolte, müste er das maul nach der Thisbe kehren.

PETER SQUENTZ.

Nihil ad rhombum, das ist: nichts zur sache! Thisbe muss dem Piramus den liebespfeil durch das loch ausziehen; wie wolten wir das zu wege bringen?

PICKELHÄRING.
Lasset uns dennoch eine papierne wand machen und ein loch dadurch bohren.
MEISTER BULLABUTÄN.
Ja, die wand kan aber nicht reden.
MEISTER KRICKS-ÜBER-UND-ÜBER.
Das ist auch wahr.
MEISTER BULLABUTÄN.

Ich wil mir eine papierne wand an einen blindrähmen machen, und weil ich noch keine person habe, so wil ich mit der wand auf den platz kommen und sagen, dass ich die wand sey.

PETER SQUENTZ.

Appositè! das wird sich schicken, wie eine härings-nase [16] auf einen schwaben ermel. Juncker Pickelhäring ihr müsset Piramus seyn.

PICKELHÄRING.
Birnen Most? Was ist das für ein kerl?
PETER SQUENTZ.
Es ist die vornehmste person im spiel, ein chevalieùr, soldat und liebhaber.
MEISTER KLOTZ-GEORGE.

Ja Pickelhäring ist die fürnehmste person im spiel; er muss das spiel zieren, wie die bratwurst das sauerkraut.

PICKELHÄRING.
Ein soldat und buler? so muss ich lachen und sauer sehen?
PETER SQUENTZ.
Aber nicht beydes auf einmahl.
PICKELHÄRING.

Das ist gut! denn ich kan nicht zugleich lachen und weinen, wie Jehan Potage. Es stehet auch einer so vornehmen person wie ich bin nicht an, sondern ist närrisch, nicht fürstlich. Nur ich bitte ich euch um gottes willen, machet mir nicht viel lateinisch in meinem titul; die wörter sind mir zu cauderwellisch, und wir verwirren das gantze spiel; denn ich weiß, ich werde sie nicht behalten.

PETER SQUENTZ.
Es wird sich wol schicken. Ja nun wil mir das hertze gar in die hosen fallen!
MEISTER KLOTZ-GEORGE.
Ey warum, ehrenvester herr Peter Squentz?
PETER SQUENTZ.
Wir müssen eine Thisbe haben; wo wollen wir die her nehmen?
MEISTER LOLLINGER.

Das kan Klotz-George am besten agiren; er hat, als er [17] noch ein knappe war, die Susanna gespielet. Er machte ihm die augen mit speichel nass und sah so barmhertzig aus, dass alle alte weiber weinen musten.

PETER SQUENTZ.
Ja und das gehet nun nicht an, er hat einen großen bart.
PICKELHÄRING.

Ohne schaden! Er mag ihm das maul mit einem stücke specke schmieren, so siehet er desto glätter aus ums mundstück und kan mit einer schmutzigen goschen zum fenster aus kucken.

MEISTER KRICKS-ÜBER-UND-ÜBER.

Freylich! nehmet die personen an zu gutem glück! Mau weiß doch wol, dass ihr die rechte Thisbe nicht seyd.

BULLABUTÄN.
Ihr müsset fein klein, klein, klein reden.
MEISTER KLOTZ-GEORGE.
Also?
PETER SQUENTZ.
Noch kleiner!
MEISTER KLOTZ-GEORGE.
Also denn?
PETER SQUENTZ.
Noch kleiner.
MEISTER KLOTZ-GEORGE.

Nun, nun, ich wils wol machen; ich wil so klein und lieblich reden, dass der könig und königin an mir den narren fressen sollen.

MEISTER LOLLINGER.
Was soll denn ich seyn?
PETER SQUENTZ.
Beym element! wir hätten schier das nöthigste vergessen! Ihr müsset der brunn seyn.
MEISTER LOLLINGER.
Was? der brunn?
PETER SQUENTZ.
Der brunn.
[18]
MEISTER LOLLINGER.
Der brunn? des muss ich lachen; ich bin ja einem brunn nicht ähnlich.
PETER SQUENTZ.
Ey ja, verstehet eine wasser- kunst!
PICKELHÄRING.

Freylich! Seyd ihr euer lebenlang nicht zu Dantzig gewesen, oder zu Augspurg? Die maister-sänger reisen doch sonst zimlich weit. Habt ihr nicht gehöret, dass der käyser zu Augspurg auf einem brunn stehet und zu Dantzig Clinctunus?

MEISTER LOLLINGER.
Aber wie soll ich wasser von mir sprützen?
PICKELHÄRING.
Seyd ihr so alt und wisset das nicht? ihr müsset vornen .....
PETER SQUENTZ.

Holla! Holla! Wir müssens erbar machen für dem frauen-zimmer. Ihr müsset eine gießkanne in der hand haben.

PICKELHÄRING.
Recht, recht! So mahlet man das Wasser unter den 9. freyen-künsten.
PETER SQUENTZ.
Und müsst auch wasser in dem mund haben und mit um euch sprützen.
MEISTER KLOTZ-GEORGE.
Wie wird er aber reden können?
PETER SQUENTZ.

Gar wol. Wenn er einen vers geredet hat, so muss er einmal sprützen. Nun zu dem titul dieses spieles: Wie sollen wir es heißen, eine comœdi oder tragœdie?

MEISTER LOLLINGER.

Der alte berühmte deutsche poet und meister-sänger Hans Saxe schreibet, wenn ein spiel traurig ausgehet, so ist es eine tragœdie. Weil sich nun hier 2. erstechen, so gehet es traurig[19] aus. Ergò.

PICKELHÄRING.

Contra! Das spiel wird lustig ausgehen; denn die todten werden wieder lebendig, setzen sich zusammen und trincken einen guten rausch; so ist es denn eine comœdie.

PETER SQUENTZ.

Ja es ist noch in weitem feld. Wir wissen noch nicht, ob wir bestehen werden. Vielleicht machen wir eine sau und kriegen gar nichts; darum ist es am besten, ich folge meinem kopff und gebe ihm den titul: ein schön spiel, lustig und traurig zu tragiren und zu sehen.

MEISTER LOLLINGER.

Noch eines. Wenn wir das spiel tragiren werden, wollen wir dem könige ein register übergeben, darauf allerhand comœdien verzeichnet, und diese zum letzten setzen, dass er auslesen mag, was er sehen will. Ich weiß, er wird doch keine begehren als die letzte. Unterdessen werden wir für geschickte und hochgelehrte leute gehalten werden.

PETER SQUENTZ.

Gut, gut! Ihr herren lernet fleißig! Morgen mache ich die comœdi fertig, so krieget ihr die zedel übermorgen. Ich wil unterdessen meister Lollingern den meister-sänger zu mir nehmen, der wird mir schon helffen einrathen, wie ich die endungen der sylben wol zusammen bringe; unter dessen seyd gott befohlen!

PICKELHÄRING.

Ehren, wolehren und hochehrenvester, tieffgelehrter, spitzfindiger herr Peter Squentz, großen danck, eine gute nacht!


Die andern nehmen alle mit allerhand cerimonien von einander ihren abschied; Pickelhäring aber und Peter Squentz nöthigen einander voranzugehen; so bald aber Squentz voran treten wil, zeucht ihn Pickelhäring zurück, und laufft selbst voran.

2. Akt

Der ander auffzug.

Theodorus. Cassandra. Violandra. Serenus. Eubulus. Peter Squentz.

[20]
THEODORUS.

Wir erfreuen uns höchst, das wir den nunmehr vergangenen reichs-tag glücklich geendet, auch anwesende abgesandten mit guter Vergnügung abgefertiget. Mit was kurtzweil, herr Marschalck, passiren wir vorstehenden abend?

EUBULUS.

Durchläuchtigster könig, es hat sieh verwichene tage ein seichtgelehrter dorff-schulmeister nebens etlichen seines gleichen bey mir angemeldet, welcher willens, vor ihrer majestät eine kurtzweilige comœdi zu agiren. Weil ich denn dieselbe sehr annehmlich befunden, indem ich dem versuch beygewohnet, habe ich die gantze gesellschafft auf diesen abend herbeschieden und zweiffele nicht, ihre majestät werden sich ob der guten leute einfalt und wunderlichen erfindungen nicht wenig erlustigen.

CASSANDRA.
Wir sehen sehr gerne comœdi und tragœdien. Was inhalts des spieles lassen sie anmelden?
EUBULUS.

Durchläuchtigste princessin, sie haben mir ein groß register voll überreichet, aus welchen ihrer majestäten frey stehet auszulesen, was sie am angenehmsten düncket.

SERENUS.
Leset uns doch die Verzeichnis.
EUBULUS.

Ein schön spiel von der verstörung Jerusalem. Die belägerung von Troja. Die comœdia von der Susanna. Die comœdia von Sodom und Gomorrha. Die tragœdia von ritter Petern mit dem silbernen schlüssel. Vom ritter Pontus. Von der Melusina. Von Artus und dem ostwind. Von Carolus quinque. Die comœdie von Julius unus. Vom hertzog und dem teuffel, ein schön spiel, lustig und traurig, kurtz und lang, schrecklich und erfreulich. Von Piramus und Thisbe, hat hinten und forn nichts, niemahls vor tragiret und noch nie gedrucket, durch Peter Squentz, schulmeistern daselbst.

SERENUS.

Es scheinet, die guten schlucker können keine als die letzte, darum sie denn solche sonderlich ausgestrichen. Ruffet [21] nur den principal selber herein! Ich muss mich was mit ihm unterreden.

EUBULUS.

Durchläuchtigster fürst, es ist ein schlechter, guter mann. Er wird sich zweiffels ohn entsetzen, und damit kommen wir um die comœdi und verhoffte lust.

SERENUS.
Fodert ihn herein! Wir wollen schon wissen mit ihm umzugehen.
EUBULUS.
Dieses ist die bewuste person, durchläuchtigster fürst.
SERENUS.
Seyd ihr der author der comœdi?
PETER SQUENTZ.
Ja, mit züchten zu melden, juncker könig.
THEODORUS.
Von wannen seyd ihr?
PETER SQUENTZ.
Tugendsamer herr könig, ich bin ein ober-länder.
THEODORUS.
Wo habt ihr studiret?
PETER SQUENTZ.
Im Mägdeflecken auf der Neustadt.
THEODORUS.
Was habt ihr studiret?
PETER SQUENTZ.
Ich bin ein universalem, das ist, in allen wissenschafften erfahren.
THEODORUS.
Wo haltet ihr euch auf?
PETER SQUENTZ.

Vor diesem bin ich wolbestelter glockenzieher des spittelglöckleins gewesen; weil ich mich aber über diese maßen auf die music des glockengeklanges verstanden, bin ich nunmehr zu Rumpel-kirchen wolbestellter handlanger des wortes gottes, das ist schreiber und schulmeister, auch expectant des [22] pfarr-amts, wenn die andern alle werden gestorben seyn.

THEODORUS.
Seyd ihr denn auch tüchtig darzu?
PETER SQUENTZ.

Ja freylich! In der gantzen welt sind 4 theil, Europa, Asia, Africa und America. Unter diesen ist Europa das vornehmbste. In Europa sind unterschiedene königreich, als Spanien, Portugall, Franckreich, Deutschland, Moschkau, Engelland, Schottland, Dennemarck und Pohlen; unter allen aber ist Ober-land das vornehmste, weil es über Niederland. Ober-land wird getheilet in Groß- und Klein-Oberland. Groß-Ober-land hat den vorzug, dannenhero heist es auch groß. In groß Ober-land sind unterschiedene creyser, als der Niesische, Gryllische, Würmische mit ihren vornehmsten städten, als Fortzenheim, Narrenburg, Weißfischhausen, Kälberfurtz, Mägdeflecken. Diese letztere ist die trefflichste; denn die mägdlein oder jungfern haben wieder den vorzug, denn sie gehen voran. Zu Mägdeflecken gibt es unterschiedene gassen, als die lange, die breite, die enge, die rechte, die krumme, die Rossmarien-gassen, die Graupen-gasse, die Kerbe-gasse, die Lilien-gasse, welche andere mit verlaub aus hass und neid die Dreck-gasse nennen. Unter allen ist die Lilien-gasse die trefflichste; denn auf derselben wohneten vor zeiten viel vornehme, gelehrte leute, als meister Girge Hackenbanck, Matz Strohschneider, meister Bullabutän, meister Kricks-über-und-über und meister Klipperling; unter allen aber war ich der vornehmste. Ergò kan es nicht fehlen, ich bin der vornehmste mann in der gantzen welt, das ist, in Europa, Asia, Africa und America ist mir niemand gleich.

THEODORUS.

Wir nehmen mit höchster Verwunderung an, was ihr vorbringet, und erfreuen uns, dass wir so statliche und treffliche leute in unserm lande haben.

SERENUS.

Aus so vielen comœdien, die ihr zu agiren willens, begehren [23] ihre majestät die erste zu sehen, von der verstörung Jerusa lem.

PETER SQUENTZ.
O potz tausend felten!
SERENUS.
Was sagt ihr darzu? Nun, wie stehet ihr so? was krümmert ihr lange im kopffe?
PETER SQUENTZ.

Die wolten wir wol tragiren, aber ihr müst uns zuvor Jerusalem lassen bauen, da wolten wir es zustören und einnehmen.

SERENUS.
Wie stehets denn mit der belägerung von Troja?
PETER SQUENTZ.
Es ist ein Ding.
SERENUS.
Und was macht denn die schöne Susanna?
PETER SQUENTZ.

Wir wolten die wol tragiren, aber es würde übel stehen vor dem frauenzimmer, wann sich die Susanna nackend baden solte.

SERENUS.
Was sagt ihr denn zu Sodom und Gomorrha?
PETER SQUENTZ.

Die wolten wir wol tragiren, aber es würde viel feuerwerck dazu gehören; wir möchten vielleicht den teuffel gar anzünden.

SERENUS.
Was sol man denn mit ritter Petern machen?
PETER SQUENTZ.
Die wolten wir wol tragiren, aber ihr müsset noch 14 tage darauff harren.
SERENUS.
Wie stehets denn mit ritter Pon tus?
[24]
PETER SQUENTZ.
Die wolten wir wol tragiren, aber ritter Pontus ist uns daraus gestorben.
SERENUS.
Können wir die Melusinen sehen?
PETER SQUENTZ.
Das hat meister Lollinger wider mein wissen und willen dazu gesetzet, den lasse ichs verantworten.
SERENUS.
Sol denn Artus und der ost wind mit einander fechten?
PETER SQUENTZ.

Die wolten wir wol tragiren, aber der, der den ostwind tragiret, ist itzt zu Schlieren-Schlaff nach wolle gezogen; könnet ihr gedult haben, biss er wieder kommt, so wollen wir sehen, wie wir das spiel zu wege bringen.

SERENUS.
Was ist denn Carolus quinque vor einer gewesen?
PETER SQUENTZ.

Er ist seines nahmens der erste gewesen, Julius unus der andere; aber zu dem ersten mangeln uns die kleider, und in der andern comœdie ist zu viel lateinisch. Es würde dem gestrengen frauen-zimmer nur verdrüßlich fallen.

SERENUS.
Könnet ihr denn den hertzog und den teuffel einführen?
PETER SQUENTZ.

Das könten wir wol thun, aber es würde erschrecklich seyn, wenn der teuffel kommen solte. Die kleinen kinder würden so drüber weinen, dass man sein eigen wort nicht vernehmen könte.

SERENUS.

Nun ich sehe, ihr seyd sehr wol ausgerüstet; es mangelt nun nichts mehr als die letzte von Piramus und Thisbe.

PETER SQUENTZ.
Die wollen wir euch den augenblick hermachen.
SERENUS.
Ihre majestät verstehen den titul nicht wol, könt ihr uns [25] denselben nicht etwas erklären?
PETER SQUENTZ.
Das kan ich besser als der cantzler.
THEODORUS.
Bey gott! P. Squentz düncket sich keine sau zu seyn.
PETER SQUENTZ.

Ein schön spiel, schön wegen der materie, schön wegen der comœdianten und schön wegen der zuhörer; lustig und trau rig, lustig ists, weil es von liebes-sachen handelt, traurig weil zwey morde drinnen geschehen; kurtz und lang, kurtz wird es euch seyn, die ihr zusehet, uns aber lang, weil wir es auswendig lernen müssen; schrecklich und erfreu lich, schrecklich weil ein großer löwe, so groß als ein äffe drinnen ist, dahero es auch wol affentheurlich heißen mag; erfreulich, weil wir von ihr gestrengen eine gute verehrung gewärtig sind; hat hinten und forn nichts, ihr sehet, wie die comœdi gebunden ist; sie hat vornen nichts und hinten auch nichts; niemals vor tragiret und noch nie gedrucket, ich bin erst vor 3 tagen mit fertig worden, derowegen ist nicht glaublich, dass sie zuvor tragiret oder gedruckt sey.

THEODORUS.
Sie wird ja aber in künfftig gedrucket werden?
PETER SQUENTZ.

Ja freylich, und ich wil sie ihrer majestät dediciren. Durch Peter Squentz, der bin ich; schulmeister daselbst, das ist zu Rumpels-kirchen.

CASSANDRA.
Wer wolte das errathen?
PETER SQUENTZ.

Wer es nicht kan, dein steht es frey, dass er es bleiben lasse. Ich richte mich nach dem cantzley stylo. Neulich bekam ich einen brieff, der war unterschrieben: datum Kunrathsheim durch Peter Aschern, stadtschreibern daselbst. Bin ich nicht so gut als er?

[26]
SERENUS.

Ihr habt euch sehr wol verantwortet. Herr marschalck, man lasse sie in dessen tractiren! Nach vollendeter abendmal-zeit stellet euch mit euren gehülffen auffs fertigste ein!

PETER SQUENTZ.
Ja, ja, juncker könig, ja.
SERENUS.

Bey Gott! herr marschalck, ihr habet stattliche kurtzweil angerichtet. Wo die tragœdi so anmuthig, wie sich der anfang anlässet, wird unter den zusehern niemand eines schnuptuches zu abtrucknung der thränen bedürffen.

CASSANDRA.
Es wäre denn, dass sie im lachen hervor dringen.
EUBULUS.

Ihre majestät werden wunder sehen und hören. Ich hätte selbst nimmermehr vermeinet, dass so vortreffliche geschickligkeit in herrn Peter Squentz vergraben.

3. Akt

Der dritte auffzug.

Die personen alle.

THEODORUS.
Unsere comœdianten verziehen ziemlich lange.
CASSANDRA.
Gut ding wil zeit haben.
SERENUS.

Ich zweiffele, dass bey ihnen das erste, derowegen halten sie sich an das letzte. Vielleicht wird aus der tragœdi von Piramo und Thisbe der Carolus quinque oder Julius unus.

VIOLANDRA.

Herr Peter Squentz schiene sonst ziemlich leichte. Wo ihm die andern nicht gegenwage halten, dürffte ihn der westwind so weit hinwegführen, dass er von ritter Arto nicht leicht zu ereylen.

EUBULUS.
Mich bedaucht, sie kommen. Ich höre ein gepolter vor [27] der thür.
SERENUS.
Es ist nicht anders: Herr Peter Squentz beginnet sich zu reuschpern.
VIOLANDRA.
Die morgenröthe bricht an, die sonne wird bald auffgehen.
THEODORUS.

Man schaue und wundere sich! Wenn man des wolffes gedencket, so kömmt er. Was wil der alte lappe mit dem höltzernen ober-rocken?

EUBULUS.
Den träget er an statt des scepters, weil er sich zum vorreder des traur-spiels auffgeworffen.
SERENUS.
Es ist kein kinderwerck, wenn alte leute zu narren werden.

Peter Squentz beginnet nach gethaner altfränckischen ehrerbietung sein traurig lust-spiel.
PETER SQUENTZ.

Ich wündsche euch allen eine gute nacht.

Diese spiel habe ich, herr Peter Squentz, schulmeister und schreiber zu Rumpels-kirchen, selber gemacht.

SERENUS.
Der vers hat schrecklich viel füße.
PETER SQUENTZ.

So kan er desto besser gehen. Ihr werden noch mehr dergleichen folgen. Nun stille! und macht mich nicht mehr irre!


Doch mangelts wol um einen birnenstiel.
Fünff actos hat das schöne spiel.
Daran hab ich drey selber erdicht,
Die andern 2 hat meister Lollinger, der leinweber in die falten gericht,
Ist ein meister-sänger und kein ox,
Versteht sich wol auf equifox?
[28] Wir haben gesessen manche liebe nacht,
Eh' wir die fröliche tragœdie zu wege bracht.
Nun was des spiels summiren summarum sey,
Sag' ich euch hier mit großem geschrey.

Hierauf verstummt er und kratzt sich im kopff.
CASSANDRA.
Vor diesem geschrey kan man noch wol bleiben.
PETER SQUENTZ
nach langem stillschweigen.

Ie du diebischer kopff! hast du den dreck denn gar müssen vergessen! Nun das ist die erste sau; der comœdianten sind 7. Wenn ein jedweder eine macht, so haben wir ein halb tutzend weniger zwo. Ey hertzer, lieber herr könig, habet mir doch nichts für übel! Ich habe es zu hause schlappermentsch wohl gekönt; ich wils mit meinem weibe und allen mitgesellen bezeugen. Ey! Ey! Ey! Ey!


Er suchet eine lange weile den zettel; als er ihn zuletzt in dem lincken ermel funden, da setzt er die prille auf und siehet auffs papier, darnach fähret er fort.

Ein kühner degen heist Piramus,
Der tragiret den ersten actus.
Die liebe, der reudichte, schäbichte hund,
Hat ihm seine 5 sinnen verwundt.
Er klaget über die liebliche pein
Und wolte so gerne erlöset seyn.
Die Thisbe find sich bey der wand
Und redet durch das loch mit verstand.
SERENUS.
Hilf? Gott! das sind treffliche vers.
CASSANDRA.
Nach art der alten pritschmeister reymen.
THEODORUS.
Wenn sie besser wären, würden wir so sehr nicht drüber lachen.
PETER SQUENTZ.
Thisbe zeucht aus in schneller eyl
Dem Piramus seinen liebes-pfeil
[29] Und klaget ihm, dass ihr die lieb
Gekrochen in den bauch so trüb,
Als sie geschlaffen unter den bäume faul
Und auffgelassen ihr großes maul.
Piramus verspricht ihr zu helffen,
Sagt, sie solte nicht so gelffen,
Bestellet sie zu einem brunnen
Bey dem mondschein, nicht bey der sonnen.
Als sie dahin sich nun begeben,
Kommet ein grimmiger löwe eben.
Sie erschrickt und läst den mantel fallen.
Indem thut Piramus auch herwallen,
Und weil sich der löw auf den mantel gestreckt
Und junge droben ausgeheckt,
Findet er den blutigen mantel.
Das macht ihm gar einen bösen handel.
Er meint, der löwe habe Thisben gefressen,
Darum wil er nicht mehr brod essen;
Er ersticht sich und bleibet todt.
Genade ihm der liebe gott!
Thisbe läst sich dadurch betriegen;
Denn als sie ihn findet todt liegen,
Fällt sie in sein schwerdt auch
Und ersticht sich in ihren bauch.
Ihr dürfft euch aber nicht entsetzen,
Wenn Thisbe sich so wird verletzen;
Sie ersticht sich nicht, es ist nur schimpff!
Wir wollen schon brauchen glimpff.
Auch last euch gar nicht diss betrüben,
Wenn der schreckliche, grimmende, brüllende löw wird einher schieben!
Im übrigen sag ich euch diss fürwahr:
Es sol nicht fehlen um ein haar.
Wo ihr das lachen nicht werdet lassen,
So werd ich euch schlagen auff die taschen.
[30] Ich sag euch das, ihr alten und jungen,
Ich werd euch schlagen auff die zungen.
Speyet aus und räuschpert euch zuvor
Und gebet uns denn ein liebreiches ohr.
Ihr werdet hier schöne sachen fassen,
Wenn ihr euch nur wollt lehren lassen.
Nun mangelts nur an diesem allein,
Dass ich euch weise die comœdianten mein.
Komt heraus, liebe commœdianten,
Die liebe zeit ist nun verhanden,
Dass wir unsere schöne gedicht
Mit der zeit bringen an das licht!
Nun gehet dreymal auff und nieder,
Stellt euch an diese seite wieder!
Nun tretet noch einmal herum!
Meister mondschein, ey gehet nicht so krum!
Meister Bullabutän kommet zur band
Und vertrit in dem spiel die wand.
Denn kommt Piramus unverdrossen,
Auch Thisbe macht ihm wunder-possen.
Meister Kricks-über-und-über ist der mond,
Er scheint und leucht im höheren thon.
Der löwe aber stehet noch in jener ecken,
Damit ihr ja nicht dürfft erschrecken.
Er wird aber zu rechter zeit wol kommen,
Eh' ihr es meint; hört ihr ihn nicht schon brummen?
Meister Lollinger wird brunnen seyn.
Schaut nur, wie fein er geht herein!
Nun tretet nur wieder an euren ort
Und sprecht hernach wol aus alle wort!
Ich habe itzt nicht mehr zu verrichten,
Als dass ich sitze in diesem winckel tichten
Und gebe wol acht in meinem büchelein,
Ob sie das spiel tragiren fein.

Peter Squentz setzet sich auf einen schemmel, nimt die prülle, setzet sie [31] auf die nasen; als er aber sein exemplar ansehen wil, stößet ein hofediener an den schemmel, dass Peter Squentz über und über fällt. Als er aufgestanden, spricht er wider den könig.
PETER SQUENTZ.
Herr könig, es giebet leider viel narrren auff eurem hofe.
EUBULUS.
Gott lob! da kommt die wand.
CASSANDRA.
Treffliche erfindungen!
SERENUS.
Last uns hören, ob diese wand auch reden werde!
MEISTER BULLABUTÄN.
Ihr herren, höret mir zu mit offnen ohren!
Ich bin von ehrlichen leuten gezeuget.
Mein groß-vater ward gefangen und gebunden
Und wie man saget, so ist er abgezogen.
Mein vater war der bettler könig;
Er hat mir warhafftig gelassen nicht gar viel.
Meiner mutter hat es wol gelückt,
Dass man sie hat nach Fischen gesand.
Ich habe in meinen jungen jahren
Warhafftig sehr viel und mancherley gelernet.
Meine Schwester hat eine schöne stirn
Und darauff einen flecken wie ein apffel;
Es wolte sie schier keiner nehmen.
Ich darf mich meines geschlechts nicht verdrießen.
Als ich nun herum lieff wie ein pracher,
Thät man mich zu einem blasebalck-erfinder.
Als ich da gelernet in meiner jugend
Weißheit, verstand und große kunst,
Hat mich herr Peter Squentz tüchtig erkant,
Dass ich sol sein in diesem spiel die maure.
Nun steh' ich hier auff diesem plan.
Ihr dürfft nicht so ansehen mich;
Ich bin die maur, das solt ihr wissen,
[32] Und solt es euch allen mit einander leid seyn.

Piramus gehet etliche mahl stillschweigend auf und nieder, endlich fraget er Peter Squentzen.
PIRAMUS.
Was sol ich mehr sagen?
PETER SQUENTZ.
Das ist die ander sau.
PIRAMUS.
Das ist die ander sau. Aber nein, es stehet nicht so in meinem zedel.
PETER SQUENTZ.
Gleich wie.
PIRAMUS.
Ja, ja, ja. Gleich wie, gleich wie,
Gleich wie die küh-blum auff dem acker
Verwelckt, die früh' gestanden wacker,
So trucknet aus der liebesschmertz
Der Menschen ihr gar junges hertz.
O wasser! o wasser! ich brenn, ich brenn!
Dass ich mich selber nicht mehr kenn.
Ja Cupido, du beerenhäuter!
Du hast verderbt einen guten reuter.
O süße liebe, wie bistu so bitter!
Du sihest aus wie ein Moskewitter.
Ey, ey! wie krübelt mir der leib
Nach einem schönen jungen weib!
Die Thisbe ist, die mich so plaget,
Nach der meine arme seele fraget.
Ich weine thränen aus wie flüsse,
Wie ungeheure wassergüsse,
Und kan sie doch nicht sprechen au.
Die wand hat mir den bossen gethan.
Du lose gotts verfluchte wand!
Ich wolte, dass du wärst verbrandt!
Du leichtfertige, diebische wand!
Warumb bist du nicht in stücken gerandt?
[33]
VIOLANDRA.
Das muss eine fromme wand seyn, dass sie sich gar nichts zu verantworten begehret.
MEISTER BULLABUTÄN.

Ja ich habe nichts mehr auf meinem zedel, darf auch nichts mehr sagen; ich wolt es ihm sonst auch wol unter die nasen reiben.

PIRAMUS.
Du lose, ehrvergessene wand!
Du schelmische, diebische, leichtfertige wand!
MEISTER BULLABUTÄN.

Ey Pickelhäring! das ist wider ehr und redligkeit; es stehet auch in dem spiel nicht; du kanst es aus deinem zedel nicht beweisen. Ich bin ein zunfftmäßiger mann. Mache, dass es zu erleyden ist, oder ich schlage dir die wand um deine ungewaschene gusche!

PIRAMUS.

Du rotziger blasebalckemacherischer dieb! Solst du mich dutzen? weist du nicht, dass ich ein königlicher diener bin? Schau, das gehöret einem solchen holuncken!


Pickelhäring schläget Bullabutän an den hals, Bullabutän schläget ihm hergegen die wand um den kopff, sie kriegen einander bey den haaren und zerren sich hurtig auff dem schauplatz herumb, worüber die wand schier gantz in stücken gehet. Peter Squentz suchet sie zu scheiden.
PETER SQUENTZ.

Das müsse gott im himmel erbarmen! das ist die 3te sau. Ie, schämet ihr euch denn nicht für dem könige? Meinet ihr, dass er eine bundsfutte ist? Höret auf in aller hencker namen! Höret auff! höret auff! sage ich. Stellet euch in die ordnung! Sehet ihr nicht, dass Thisbe herein kömmt?


Bullabutän tritt mit der zerrissenen wand wieder an seinen ort.
THISBE.
Wo sol ich hin? wo komm ich her?
Ich sinne bey mir die länge und quer.
Mein gantzes hertz im leibe bricht;
[34] Vertunckelt ist mein angesicht;
Die liebe hat mich gantz besessen
Und wil mir lung und leber fressen.
Ich weiß nicht, wie sie mir den bauch
Gemacht so bucklicht und so rauch!
Ach Pyramus! du edles kraut,
Wie hast du mir mein hertz zuhaut!
Ach! Ach! könnt ich doch bey dir seyn,
Mein hertzes, liebes schätzelein!
Ach, dass ich einmal bey dir wär!
Ja wenn die lose wand nicht wär!
CASSANDRA.
Itzt wird es wieder über die arme wand gehen.
SERENUS.
Ich möchte die wand nicht seyn in diesem spiel.
THISBE.
Doch schau, was seh' ich hier vor mir!
Ein loch, so groß als eine thür.
Du liebe, holdselige wand!
Gebenedeyet sey die hand,
Die ein solch loch durch dich that drehen!
O könt ich doch nun Piramum sehen!
Doch schau! doch schau! er kommt gegangen
Mit einem degen gleich einer stangen.
Ich höre seine sporne klingen.
Die music thut so lieblich singen!
Ach seht sein schönes, kleines maul!
Das grüselt wie ein acker-gaul.
PIRAMUS.
Potz! hör' ich da nicht Thisben sprechen?
Ich muss das loch noch größer brechen.
PETER SQUENTZ.
Brecht den teuffel, eure mutter! Es ist ja vor zustossen und zubrochen genug.
PIRAMUS.
[35] Liebste Thisbe, sehet ihr mich nicht?
THISBE.
O ja, du königliches angesicht!
PIRAMUS.
Wie gehts doch, mein tausend schatz?
THISBE.
Sehr wol nun hier auff diesem platz.
PIRAMUS.
Ach! aber ach! ich bin so kranck.
THISBE.
So legt euch nieder auff die banck!
PIRAMUS.
Ach Thisbe helfft, eh' ich verderb
Und gar vor lauter Hebe sterb!
THISBE.
Was schadt euch doch? wo thuts euch weh?
PIRAMUS.
Ich bin so heiß als Mertzen-schnee.
Die liebe macht mir wunderliche possen,
Sie hat mich gar ins hertz geschossen.
Ach zieht mir aus den harten pfeil,
Sonst sterb ich in geschwinder eyl!
THISBE.
Wol! wol! tretet nur für das loch
Und hebt den hindern wacker hoch!
Das ist ein pfeil! sich! lieber, sich!
PIRAMUS.
Ey! ey! ey! ey! wie schmertzt es mich!
THISBE.
Geduld! Er wird bald hausen seyn.
Seyd ihr nun heil, mein zucker-mündelein?
Sich, lieber pfeil, bistu zu stoltz
Und reuchst doch wie cypressen holtz?
PIRAMUS.
Ich fühle warlich nicht viel schmertzen.
[36] Ey blaset auff die wunde sonder schertzen!
THISBE.
Wie? ist euch nun genung gethan?
PIRAMUS.
Ey setzt noch einen kuss daran!
THISBE.
Nun wol, ich hab es auch verricht.
PIRAMUS.
Nun fühl ich weiter schmertzen nicht.
THISBE.
Wer aber heilet meine pein?
PIRAMUS.
Ich, ich, mein turteltäubelein!
THISBE.
Ich habe geschlaffen mit offnem mund,
Und Cupido, der schlimme hund,
Ist mir gekrochen in den leib.
Ach weh mir armen jungem weib!
SERENUS.
Ich meinte, es wäre eine jungfrau.
PETER SQUENTZ.
Es ist generaliter, das ist in lata significatione geredet
PIRAMUS.
Gib dich zu frieden meine seel!
So bald der mond aus seiner höl'
Wird mit blutgelbem angesicht
Auffpfeiffen sein durchläuchtig licht,
So wollen wir beym brunnen allein
Zusammen kommen und reden fein.
Ich wil euch euren schmertz vertreiben,
Ihr sollet meine liebste bleiben.
THISBE.
Beym brunnen hinter jenem end?
PIRAMUS.
Bey nach bar Kuntzen hoffgewend.
[37]
THISBE.
Gott geb' euch unterdessen gute nacht!
PIRAMUS.
Mein halbes hertz im leibe lacht.

Thisbe gehet wieder zurücke und spricht.

Ey Piramus! last euch nicht verdrüßen,
Dass ich euch anfänglich nicht konte grüßen!
PIRAMUS.
Verzeiht mir auch, hertzliebe magd,
Dass ich euch keinen guten tag gesagt!

Thisbe kommt noch einmal zurücke.

Was mach ich indessen mit dem pfeil?
PIRAMUS.
Steckt ihn in schmeer in schneller eil,
So geschwillet nicht die wunde mein.

Thisbe kehret wiederum.

Wie lange muss er drinnen seyn?
Ists gnug ein tag zwey oder vier?
PIRAMUS.
Drey ist genug, das glaubet mir!
THISBE.
Nun guten abend biss auff die nacht!
PIRAMUS.
Schlafft liebste, biss ihr aufferwacht!

Eine person siehet eine ziemliche weile durch das loch nach der andern, biss sich Piramus zum ersten verleuret.
BULLABUTÄN.
Ade! ich zieh' nun auch dahin.
Gott lob, dass ich bestanden bin!
Ade, Ade, zu gutter nacht!
Nehmt unterdessen eu'r in acht!
Ich bitte den könig mit seinen knaben,
Er wolte mir nichts für übel haben.
SERENUS.

Blasebalckmacher, hüte du dich, dass du darinnen nicht [38] händel mit dem Piramus anfangest, die comœdianten irre machest und das spiel verderbest, sonst wird der thurm nach dir schnappen!

BULLABUTÄN.
Ich habe nichts mehr zu sagen; herr Peter Squentz hat nichts mehr auf meinen zedel gemachet.

Bullabutän trit ab, meister Kricks kommt gegangen.
CASSANDRA.
Behüt uns Gott! was sol dieses bedeuten?
PETER SQUENTZ.
Tugendsame frau königin, dieser ist der monde.
THEODORUS.
Ist dieser der monde und siehet so finster aus?
PETER SQUENTZ.
Ja herr! er ist noch nicht in dem ersten viertel.
THEODORUS.

So wolte ich wündschen den voll- mond zu sehen. Sage mir doch mein lieber monde, warum hastu keine größere kertzen in die laterne gestecket?

MEISTER KRICKS-ÜBER-UND-ÜBER.

Das spiel ist kurtz, darum muss das licht auch kurtz sein; denn wenn sich Thisbe ersticht, muss das licht ausgehen; denn das bedeutet, dass der monde seinen schein verlohren, das ist, verfinstert worden.

SERENUS.
Wir sind aber berichtet, der mond könne nicht verfinstert werden, er sey denn gantz voll.
MEISTER KRICKS-ÜBER-UND-ÜBER.
Das mag herr Peter Squentz verantworten; denn diesem hat es also beliebet.
PETER SQUENTZ.
Ja ein narr kan mehr fragen, als hundert weise leute antworten.
VIOLANDRA.
Dafern dieser mond verfinstert wird, wird es ein erschrecklich schauspiel seyn.
MEISTER KRICKS-ÜBER-UND-ÜBER.
Freylich, aber haltet die fressen zu und höret, was ich [39] sagen werde!

Itzund kom ich herein gehuncken.
Ach lieben leut! ich bin nicht truncken;
Ich bin gebohren von Constant,
Tinopel ist mein Vaterland.
Ich fürchte, es werd' mir immer gehn,
Wie meinem vater ist geschehn.
Derselbe hatte! böse füße
Und biess nicht gerne harte nüsse.
Die augen werden mir so tunckel,
Sie sehen aus wie zwey carfunckel.
Ich schmiede wacker frühe und spat
Und sage, gott gib guten rath!
Ich schmiede und schlage tapffer zu.
Was ich thu, muss mein knecht auch thun.
Nun nehm ich an ein neuen orden
Und bin der heilge mondschein worden.
Bey diesem glantz sol Thisbe sich
Erstechen; dencket nur an mich!
So schein, so schein du lieber mon!
Der frische brunn kommt einher gohn.

Meister Lollinger brunn, fängt an zu singen.


[40] Ich habe so gelauffen,
Pur, pur, pur, pur, pur,
Eis möchten all ersauffen.
Ihr könnt hier alle trincken,
Habt ihr nur, gute schincken.
Ihr könnt euch alle laben,
Ihr sollet wasser gnug haben.
Pyr, pyr, pyr, pyr, pyr, pyr.
Aus meinen cristallen röhren
Per, per, per,
Könt ihr wasser lauffen hören;
Ihr könnt wasser hören springen
Nach meinem süßen singen.
Wie ich singe nach den noten,
So fallen die wasser-knoten.
Per, per, per, per, per, per.
So lauff du helles wasser,
Lyri, lyri, lyri, lyri, lyri.
Ich bin fürwar kein prasser.
Der Wassermann im himmel
Macht kein so groß getümmel.
Die wasser-lüss auff erden
[41] Mag nicht so schöne werden.
Lyri, lyri, lyri, lyri, lyri.
THEODORUS.
Diesen Wassermann solten billich alle calender-macher ad vivum in ihre wetterbücher setzen lassen.
SERENUS.

Ihr liebden, der herr vater kan ihm pension anpräsentiren, vielleicht läst er sich in unsern lustgarten verdingen.

CASSANDRA.
Was ist das vor ein thier mit der grünen decke?
PETER SQUENTZ.
Das ist der grimmige löwe.
EUBULUS.
Ey, man hätte ihm billich einen zettel sollen anhefften, dass er zu nennen wäre gewesen.
MEISTER KLIPPERLING.
Ihr lieben leut erschrecket nicht.
Ob ich gleich hab ein löwen gesicht!
Ich bin kein rechter löw bey traun,
Ob ich gleich habe lange klaun.

Monstrat manus.

Ich bin nur Klipperling der schreiner.
Ey lieber, glaubts, ich bin sonst keiner!
Hier ist mein schurtzfell und mein hubel.

Monstrat praecinctorium.

Macht doch nicht einen solchen trubel!
Ich bin doch ja ein armer schinder
Und habe das hauß voll kleine kinder,
Die mir mit ihren brodtaschen
[42] Das geld in zwölff leib vernaschen.
Die große noth hat mich hieher getrieben,
Es war sonst wol unterwegen blieben.
Drum hoff ich, unser herr könig,
Der werd itzund angreiffen sich
Und uns armen comœdianten,
Dafern wir nicht bestehn mit schanden,
Eine kleine verehrung geben.
Desswegen tragir' ich den löwen.
THEODORUS.

Der löwe kan bey Gott seine nothdurfft wol melden. Wir hören in dieser comœdi, was uns unser lebenlang weder vor gesichte noch obren kommen. Sage löwe, hast du noch viel zu reden?

MEISTER KLIPPERLING.
Nein, ich muss nur brüllen.
THISBE.
Gott lob! die süße nacht ist nun kommen.
O hätt' ich doch nun meinen Piramus vernommen!
Wo find ich ihn? wo ist er hin?
Nach ihm steht all mein hertz und sinn.
Ey Piramus, mein auffenthalt,
Ey bleib nicht lange! komm nur bald!
Bey diesem brunnen wird er erscheinen,
Noch eher, als man wird vermeinen.
Ich wil mich hier was niedersetzen
Und mich mit stiller ruh ergetzen.
Hilff Gott, was seh ich hier vor mir!
Ein grimmer löw, ein böses thier!

Der löwe fänget an zu mauen wie eine katze.
THISBE.
Hier bleib ich nicht, es ist zeit lauffen!
O himmel! ich fall über den hauffen!
O lieber löwe, lass mich leben!
Ich wil dir gerne meine schaube geben.

[43] Sie wil die schaube wegwerffen, kan aber nicht, weil sie zu feste angebunden. Als sie endlich die bänder zurissen, schlägt sie den löwen um den kopff und laufft davon schreyend.

O weh! o weh! wie bang ist mir!
O hätt ich nur ein trüncklein hier,
Mein mattes hertz damit zu laben!
Mir ist, als wer ich schon begraben.

Thisbe entlaufft, der löwe stehet auff, nimmt die grüne decke gleich einem mantel um die achsel und die schaube in die band und tritt neben den monden.
MEISTER KRICKS.

Löwe, du möchtest nun wol hinein gehen. Weist du nicht, dass herr Peter Squentz gesaget, es stehe seltzam und bärenhäuterisch, wenn die comœdianten auf der bühne stehen, selber zu sehen und affen feyl haben wollen!

MEISTER KLIPPERLING.
Nein, schau! was ist dir daran gelegen? Dir zu trotz wil ich hier stehen.
MEISTER KRICKS-ÜBER-UND-ÜBER.

Du hast ein maul, man möchte es mit säudreck füllen und mit eselsfürtzen verbrämen. Gehe vor den hencker hinein, oder ich wil dir beine machen!

MESTER KLIPPERLING.

Du lahmer frantzösischer schmied! Du wilst mir beine machen? Ich sehe der comœdi so gerne zu als du oder ein anderer, trotz dir gesaget!

MEISTER LOLLINGER.
Haltet! haltet stille! Ihr werdet mich umstoßen und mir das wasser gar verschütten.
MEISTER KRICKS-ÜBER-UND-ÜBER.
Was ist daran gelegen?

Der mond schlägt dem löwen die laterne um den kopff, der löwe erwischet den monden bey den haaren. In diesem getümmel werffen sie den brunnen um und zerbrechen ihm den krug. Der brunn schläget beyden die schärben um die ohren. Peter Squentz wil friede machen, wird aber Tod allen dreyen darnieder gerissen und bekommt sein theil schläge auch darvon.
[44]
MEISTER LOLLINGER.
Ey! es ist schade um meinen schönen topff; er kostet mich 8 weiße groschen und 3 heller.
PETER SQUENTZ.

Friede! friede! Fax vobis! schämet ihr euch nicht? Haltet inn! haltet inn! Meister mondenschein, lasset gehen! Meister brunn stehet auf! Haltet inn! sage ich. Wer nicht aufhöret, soll keinen heller bekommen. Schämet euch doch vor ehrlichen leuten! Meister löwe, von hier! von hier! Meister mondenschein, tretet wieder in die ordnung! Thisbe, holet einen andern krug heraus! Meister mondenschein, lauffet geschwinde und zündet das licht wieder an! Das war eine erschreckliche sau!

SERENUS.
Der mond hat den löwen ziemlich beleuchtet; ich halte er werde morgen braun und blau aussehen.
EUBULUS.
Der monde ist in dem zeichen des löwen gewesen und wird vielleicht auch nicht leer ausgegangen seyn.
VIOLANDRA.

Es ist eine erschreckliche monden finsterniss in dem löwen gewesen. Wir möchten wissen, was sie bedeuten würde.

PETER SQUENTZ.
Was soll sie bedeuten? den teuffel den elenden und gute schläge!
THEODORUS.

Wir stunden in der meynung, der löwe würde auf der Thisben mantel junge löwen gebären; wird dieses nicht auch zu sehen seyn?

PETER SQUENTZ.

Meister Klipperling vermeinte, er hätte keine junge löwen in dem leibe, derowegen könte er auch keine aushecken.

THEODORUS.
Wie ists, herr Squentz? Wo bleiben die personen? Wird niemand mehr hervorkommen?
PETER SQUENTZ.

Ho Piramus! Piramus! Piramus ho! machet doch fort! [45] Wir müssen den könig nicht warten lassen wie einen narren.

THISBE.

Piramus ist nicht hier. Er ist hinunter gegangen und hat nur einmal trincken wollen. Darzu rieß es ihn so sehr im leibe.

PETER SQUENTZ.

Das wird wieder eine rechte sau werden. Ey hertzer, lieber herr könig! habt mirs doch nicht vor übel! Ihr sehet ja, dass es meine schuld nicht sey. Herein Piramus! dass euch der geyer wieder hinaus führe!

PIRAMUS.
Diss ist die fröhliche stund,
Darvon ich Thisbe deinen mund
Recht küssen sol hinten und vorn.
Ich mein', sie sitzt bey jenem born!
Wie werd ich dich mein schätz umfangen,
Nach dem mich lange thät verlangen!
Ist sie nicht hier bey diesem born?
Was hab' ich mich so viel verworn,
Eh diese stund ankommen ist!
Nun wil ich kürtzlich sonder list
Sie fassen in den zarten arm
Und drücken, dass ihr hertz wird warm.
Wie? ist das nicht ihr mantel hier?
Was gilts, sie ist noch gar allhier?
O lieber Gott! was sol das seyn!
Der mantel blutet wie ein schwein,
Das mau itzt abgestochen hat.
Helfft, lieben freunde! was nun rath?
Ein grimmes thier hat sie erbissen.
Mir ist, als hätt' ich in die hosen gesch – – –
Du grimmes, böses, wildes thier!
Hättest du nur dreck gefressen dafür,
So wer dirs maul nicht fedrig worden!
Ey! Ey! das ist ein böser orden!
Ey was werd ich nun erdencken!
[46] Ich werde mich für angst erhencken.
Ey nein, der strick ist viel zu theur,
Der hanff ist nicht gerahten heur?
O hätt ich meinen degen bey mir,
Mein bauch, den wolt ich geben dir!
Die liebe hat mich so besessen,
Dass ich mein schwerdt daheim vergessen.
Ich mag doch länger nicht hie bleiben,
Ich werde mich gewiss entleiben.
Ich lauffe mit dem kopffe wider die wand.
Oder ersteche mich mit der hand.

Er laufft und fällt über seinen degen.

Nein lieber, sich, was sol das seyn?
Hab ich doch hier das schwerdte mein.
Allons! nun ists mit mir gethan!
Mein lieber hals, du must daran.
Ey es ist warlich schad umb mich.
Frisch auff mein hertz und dich erstich!

Er zeucht den degen aus, wendet sich gegen den zusehern und spricht.

Erschrecket nicht, lieben leute, ich ersteche mich nicht recht, es ist nur spiel. Wer es nicht sehen kan, der gehe hinaus oder mache die augen zu, biss ich die schreckliche that verrichtet habe.

Nun gesegne dich gott trincken und essen!

Ihr birnen und ihr äpffel, ich muss euer vergessen.

Ade! Ade! all alt und jung!

Der todt thut nach mir einen sprung.

Gesegn' euch Gott, klein und groß!

Der todt gibt mir itzt einen stoß.


Er ziehlet eine lange weile mit dem degen, hernach wendet er sich zu den zuhörern und spricht.

Ey lieber! fürchtet doch euch nicht so! Es hat nichts zu bedeuten. Seht, ich wil mich nur mit dem knopffe erstechen.


Hernach macht er das wambst auf, setzet den knopff an die brust, die spitze an die bühne, fällt nieder, stehet hernach wieder auf, laufft um das gantze
theatrum herum und fanget an.

[47] Nun hab ich mich gethan vom brod.
Seht, lieber, seht! ich bin stein tod.
Ach wie wird Thisbe mich beklagen!
Ey lieber, lassts ihr doch nicht sagen!
Ade, mein leben hat ein end.
Hie fall ich auff bauch, kopff und händ.

Er fället wieder nieder, heulet eine lange weile, verkehret die äugen im kopffe und schweiget endlich; der monden leschet sein licht aus.
THEODORUS.
Das ist ein erschrecklicher tod; wer ihn nur recht beweinen könte!
THISBE.
Sage, mond, wo ist dein güldner schein hinkommen?
Wie hast du so sehr abgenommen?
Vorhin wärest du lieblich und klar,
Itzt bist du finster gantz und gar.
Wo werd ich den Piramus finden?
Ich seh ihn noch nicht dort dahinden.
Ich habe mich so müde gelauffen,
Mich dürst so; möcht ich nur eins sauffen!
Ich wil ihn suchen in dem grass
Dort bey dem brunn; was ist das?

Sie fället über Piramum, steht auf und besiehet ihn.

Hilff Gott! es ist mein Piramus.
Ich wil ihm stehlen einen kuss,
Dieweil er schläfft in dieser ecken
Und sich ins grüne grass thut strecken,
So kan ich sagen unverholen,
Dass ich ihm einen schmätzerling abgestohlen.

Sie küsset ihn, Piramus schnappet nach ihr mit dem maul.
THISBE.
Schaut lieber! wie ist er so kalt
Und hat so eine bleiche gestalt!
Schaut, wie ihm hangt der hals und kopff!
Ach, er ist todt der arme tropff!
Ey lieber, er hat sich erstochen!
[48] Fürwar, ich hab es wol gerochen.
Ach! ach! ach! ach! was fang ich an!
Ach Thisbe, was hast du gethan?
Die haar wil ich ausrauffen mir

Sie greifft unter die armen. Ridet.

Und dich beweinen für und für,
O Piramus, du edler ritter!
Du allerschönster Muscowitter!
Ey Piramus, bist du denn todt?
Ey sage mir doch für der letzten noth
Nur noch ein einiges wörtlein!
PIRAMUS.
Ich habe nichts mehr in meinem zedelein.
VIOLANDRA.
Das gehet noch wol hin, wenn die todten reden können.
PETER SQUENTZ.

Beym s. Stentzel! Piramus ihr seyd ja todt; schämet euch für dem teuffel! Ihr müsst nichts sagen, sondern stille liegen wie eine todte sau.

PIRAMUS.
Ja, ja, ja, ich wils schon machen!
THISBE.
Was mach ich denn nu auf der welt?
Ich achte nun kein gut und geld.
Ich werde mich wol auch erstechen
Oder mir ja den hals entzwey brechen.
O hätt ich nur den pfeil allhie!
Ich stäche mir den in die knie;
Doch er ist weit daheim im schmeer.
Schaut! hier liegt Piramus gewehr.
Gute nacht, liebes mütterlein!
Es muss einmal gestorben seyn;
Gute nacht, Heber alter vater,
Ihr allerschönster grauer Kater!
Mein Piramus, ich folge dir;
Wir bleiben beysammen für und für.
[49] Ade, mein liebes mäuselein!
Ich steche mich in mein hertzhäuselein.

Sie sticht sich mit dem degen unter den rock, wirfft hernach den degen weg und fällt auf Piramum,
spricht.

Schaut alle, nun bin ich verschieden
Und lieg' allhier und schlaff' im frieden!
PIRAMUS.
Ey Thisbe, es schickt sich nicht also; die weiber müssen unten liegen.
CASSANDRA.
Erbärmlicher zufall! ich habe gelacht, dass mir die augen übergehen.
VIOLANDRA.
Wer wird denn die todten begraben?
PIRAMUS.
Wenn die comœdianten abgegangen sind, wil ich Thisben selber weg tragen.

Der mond und brunnen gehen stille davon, Piramus stehet auf, Thisbe springet ihm auf die achseln, Piramus trägt sie mit hinweg.
PETER SQUENTZ.

Vorhin war ich ein prològus,

Jetzund bin ich der epilògus.

Hiermit endt sich die schöne comœdie,

Oder wie mans heist, die tragœdie,

Darauß ihr alle solt nehmen an

Lehr, trost und warnung jederman.

Lernet hieraus, wie gut es sey,

Dass man von liebe bleibe frey.

Lernet auch, wenn ihr habt eine wund.

So zieht den pfeil hinaus zur stund

Und stecket ihn in eine pechmeste,

So heilt es bald, ihr lieben gäste.

Das ist fürwar ein schöne lehr.

Ey lieber sagt, was wolt ihr mehr?

Doch tröstet euch, dass es sey schön,

Wenn man die todten siht auffstehn.

[50] Ihr Jungfrauen nehmet diss in acht,

Und diese warnung wol betracht,

Dass wenn ihr im grass schlaffen wollt,

Ihr nicht den mund auffmachen sollt,

So kreucht die lieb' euch nicht in hals.

Die liebe, die verderbet all's.

Weiter sol sich auch niemand wundern,

Das wand, löw und auch brunn besondern

In diesem spiel haben geredt.

Mit wolbedacht man dieses thät.

Der kirchen-lehrer Aesopus spricht,

Dass ein topff zu dem topff sich gericht

Und ihm gesellschafft angetragen;

Aber der eine wolts nicht wagen.

Auch narriret der löw den schafen

Und thut sie um muthwillen straffen;

Derhalben kan es gar wol seyn,

Dass hier redet löw und brunnen fein.

Dass wir es so getichtet haben,

Dass ein todter den andern begraben,

Dasselbe ist geschehen mit fleiß.

Mercket hievon, was ich weiß:

Ein Christe trug einen todten Juden,

Den sie ihm auf die schulter luden,

Und als er nun gieng seinen weg,

Kam er zu einem engen steg.

Beym selben stund ein tieffer brunn.

Der Christ war heiß vom Jud und sonn,

Drumb wolt er trincken frisches wasser;

Aber der Jude, der lose prasser,

Überwug und zog so fein

Den Christen mit inn brunnen nein.

So hat der todte Jude begraben

Den lebendigen Christen-knaben.

Drumb glaubt, dass man es wol erlebt,

Dass ein todter den andern begräbt.

[51] Es sey winter, sommer oder lentz,

Wündscht euch zu guter nacht der schulmeister und kirchschreiber zu Rumpels-kirchen herr Peter Squentz. Telos, amen, dixi, finis, ende.

THEODORUS.
So hat nun diese tragœdie ein ende?
PETER SQUENTZ.
Ja, woledelgeborner herr könig, und mangelt nichts mehr als das tranckgeld.
THEODORUS.

Wie, wenn wir es mit demselbten actu machten, wie ihr mit der geburt der jungen löwen, das ist, denselben gar ausließen?

PETER SQUENTZ.

Ey das müste der teuffel haben! Ey herr könig, was narret ihr euch viel? Ich weiß wol, ihr könnets nicht lassen, ihr werdet uns ja was geben müssen.

THEODORUS.
Herr Squentz, wir sehen, dass euch bisweilen witz gebricht.
PETER SQUENTZ.
Vester juncker könig, geld auch.
THEODORUS.

Nun wir wollen sehen, wie der sachen zu rathen. Lasset uns hören, wie viel säu ihr gemacht in euer tragœdie.

PETER SQUENTZ.
Herr könig, ich weiß nicht, wie viel ihr gezehlet habet; ich kam mit der rechnung biss auf zehen.
THEODORUS.
Was kostet eine sau so groß als ihr in eurem dorffe?
PETER SQUENTZ.

Eine sau? Eine sau, so groß als ich? die kostet, lass schauen, wie viel giebet man vor eine sau? zwölffe auch 15 gute gülden.

THEODORUS.
Nun saget mir: zehnmahl 15, wie viel macht das gülden?
[52]
PETER SQUENTZ.

Bald, bald, verziehet! ich wil es in die regul detri setzen. Eine sau um 15 golden, wie hoch kommen zehen säue?


Er schreibet mit kreide auf die bühne, hernach fanget er an.

Auf den füßen kommen sie.
SERENUS.
Es fehlet nicht um ein haar. Lehret ihr denn eure schüler nicht rechnen?
PETER SQUENTZ.
Ja freylich, wolweiser juncker! Vor wen sehet ihr mich an?
SERENUS.
Was haltet ihr denn vor eine weise?
PETER SQUENTZ.

Wenn sie können 1 mal 1 ist eins, und 2 mal 2 ist sieben, so gebe ich ihnen ausgelernet und mache sie zu rechenmeistern, so gut als Seckerwitz und Adam Riese.

SERENUS.
Diss müssen vortreffliche leute werden.
PETER SQUENTZ.
So schlimm als kein rentmeister.
THEODORUS.

Wol, wol! Marschalck, man befehle dem schatzmeister, dass man den comœdianten so vielmal 15 gülden gebe, als sie säue gemacht!

PETER SQUENTZ.

Großen danck, großen danck, lieber herr könig! Hätten wir dieses gewüst, wir wolten mehr säu gemachet haben. Doch ich höre wol, wir bekommen nur tranckgeld für die säu, und für die comœdi nichts. Aber es schadet nicht. Wir sind hiermit wol vergnüget. Gute nacht, herr könig! Gute nacht, frau königin! gute nacht, juncker! gute nacht, jungfer! gute nacht, ihr herren alle mit einander! Nehmet vor dieses mahl mit unsern säuen vor gut, auf ein andermahl wollen wir derer mehr machen und so große, als der größeste bauer, der unter dem gantzen hauffen gewesen.

[53]
THEODORUS.

Kurtzweils gnug vor diesen abend. Wir sind müder vom lachen, als vom zusehen. Dass man die fackeln anzünde und uns in das zimmer begleite!


Ende.

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TextGrid Repository (2012). Gryphius, Andreas. Dramen. Absurda Comica. Oder Herr Peter Squenz. Absurda Comica. Oder Herr Peter Squenz. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-1C9A-C