[173] [175]Maximilian

[175] » – – welcher in fremden Landen

Hin und her lang umziehen will,

Dem begegnet stets Wunders viel.«

Theuerdank.

[176]

Des Herrschers Wiege

1459.


[177][179]
Wohin, ihr Reiterheere? Wohin, du trüber Kumpan?
Wohin, ihr Schiffer zu Meere? Wohin, du Krückenmann?
Ob schiffend, hinkend, reitend, all' hin ins Todtenreich!
Daheim bleib' ich, bereitend die Särge mir und euch.«
Hart an der Burg zu Neustadt steht eines Schreiners Haus,
Dort tönt dieß Lied alltäglich in dumpfem Klang heraus;
Der junge Meister singt es, sobald der Morgen glüht,
Aus frischem Jünglingsmunde, den kaum noch Bart umblüht.
Da trat einst in die Werkstatt in freud'ger Hast ein Mann:
»Ein Wieglein sollt ihr zimmern, auf, Meister, frisch daran!
Heil unserm Kaiser Friedrich, Heil seinem Herrscherthron!
Lenor', die stolze Kais'rin 1, gebar heut' einen Sohn!«
Der Schreiner baut die Wiege aus Brettern, fest und stark,
Vom selben Stück gezimmert stand nebenbei ein Sarg;
Die Spähne stäubten sprühend und Säg' und Hammer klang;
Dazwischen tönt' im Takte des Meisters alter Sang.
[179]
Aus blankem Marmorbecken dort in der Burgkapell'
Floß heut' aufs Haupt des Knäblein des Weihbronns heil'ger Quell;
Da hob der Bischof Salzburgs die Blicke himmelan:
»In Gottes Namen tauf' ich dich: Maximilian!« –
O Leonor' und Friedrich! wohl hat auf euren Bund
Kein heitrer Stern gelächelt bis auf die heut'ge Stund';
Doch stolz umschlingt sie jetzt ihn und blickt ihn selig an,
Lisboa's stolze Tochter den feigen Purpurmann.
Rings um die Wiege schimmert das Höflingsvolk im Kranz,
Daß sich schon früh das Knäblein gewöhn' an solchen Glanz;
Lenor' stürzt hin zum Kinde, ha, wie sie's herzt und küßt,
Vergessend, daß sie Fürstin, weil sie jetzt Mutter ist!
Noch sieht mein Aug' zwei Gäste an jener Wiege stehn,
Doch Keiner von den Andern vermocht' es sie zu sehn,
Es war der Gäste einer ein kräftig blühend Weib,
Der Andr' ein alter Weiser, gebückt und dürr von Leib.
Der hagre Alte heißet der Tod bei uns zu Land,
Das Weib, so schön und üppig, das Leben ist's genannt;
Die Beiden ungesehen stehn an der Wieg' im Kreis,
Und also sprach zum Leben nun Tod der blasse Greis:
»Sprich, wessen von uns Beiden soll dieser Knabe sein?
Ein König wird er werden, schon darum sei er mein!
Ein König wird er werden, all Eins, ob bös ob gut;
Kein König starb auf Erden, der gänzlich rein von Blut.
Des süßen Lebensodems ist er noch kaum gewohnt,
Drum wird's ihn jetzt nicht schmerzen, wenn ihn mein Arm entthront
Wohl ihm, muß nun er scheiden! nie dann erfährt sein Herz
Zugleich des Königs Leiden mit eines Menschen Schmerz.
[180]
Erlischt jetzt dieses Leben und dieser Augen Licht,
Dann welken tausend Leben, die er einst opfert, nicht,
Dann lächeln tausend Augen, die er einst weinen macht,
Wo Friedhöf' er einst bauet, glänzt reicher Gärten Pracht.
Wenn jetzt dieß Hirn verdorret, dann brütet's nie davon,
Wie viel der Gräber brauche zum Fundament ein Thron?
Stockt jetzt sein Blut, nie strömet des Volkes Blut dann hin,
Zu färben seinen Purpur, weil er zu blaß ihm schien.
Krank ist die ganze Menschheit, an Kön'gen leidet sie;
Wird dieser auch der Beste, den je der Himmel lieh,
Gewiß taucht er doch einmal sein Volk in herbsten Schmerz:
Wenn mitten im schönen Werke dereinst ihm bricht das Herz.«
Jetzt schwieg der Tod. Ihn hörte wohl Keiner aus dem Kreis;
Doch als er sprach, da rieselt' jed' Herzblut kalt wie Eis,
Da welkte und verwehte am Fenster der Blumenstrauß,
Des Kindes Aeuglein thaute die erste Thrän' heraus.
»O nein, nicht soll erlöschen jetzt dieser Augen Gluth!
Emporblühn soll die Wange, fortglühn des Herzens Blut,
Aufleg' ich ihm die Hände, mein sei der Knabe, mein,
Zum Sohn des Lebens weih' ich mit diesem Kuß ihn ein.
Ein König wird er werden, geschmückt mit heil'ger Kron',
Der König ist auf Erden des Lebens schönster Sohn!
Die Städte, die jetzt brennen, baut er einst herrlich neu,
Die Augen, die jetzt weinen, macht er von Thränen frei.
Er wird mit Wonne pflücken den immergrünen Kranz,
Der Menschheit Haupt zu schmücken mit ihres Werthes Glanz,
Und Dome läßt er bauen und Friedenstempel stehn,
Wo Schädelstätten grauen und Friedhofgräser wehn.
[181]
Des Volkes Glück ist das Kissen, drauf Nachts sein Haupt sanft ruht,
Des Volkes Herzen die Säulen, drauf fußt sein Thron wohl gut,
Stets dünkt ihm zu klein das Kissen, zu wenig der Säulen schier,
Vertrauen ist sein Kanzler und Milde sein Almosenier.
Und wie die Sonne sichtbar, so schwebt unsichtbar auch
Hoch über seinen Landen des Königs Segenshauch,
Und Glück wohnt in den Hütten, Eintracht im Fürstensaal,
Freiheit! rauscht's von den Bergen und: Friede! singt's im Thal.
Wie Lerchenschaaren aufwirbeln ins Morgenroth zum Chor,
So flügeln tausend Seelen für ihn zu Gott empor;
Und dort auch sprießt noch Segen, wo sein Gebein mag ruhn!
Dieß Alles kann ein König, und dieser wird es thun.«
So sprach das Leben, siegreich, verkläret wunderbar,
Vernommen hat es Keiner zwar aus der bunten Schaar;
Doch draußen schlugen Lerchen, Lenzluft zog durchs Gefild,
Des Kindes Mund umschwebte das erste Lächeln mild.
Und wie das Kind, so lächeln die Schranzen allzumal,
Der Kaiser aber wallte nun sinnend aus dem Saal,
Mit Weisen und mit Sehern stieg er zur Sternwart' auf,
Des Sohnes künftig Schicksal zu lesen im Sternenlauf.
Doch inniger und wärmer umklammert' und umschloß
Lenor' den theuren Säugling und wiegt' ihn sanft im Schooß
Und sah ihm sel'gen Blickes ins holde Augenpaar:
»Ihr Sterne meines Glückes, o glänzt mir immerdar!«

Fußnoten

1 Maximilians Mutter war Eleonora, Tochter des Königs Eduard von Portugal. Ihre Verbindung mit dem kargen und lassen Friedrich IV. war keine glückliche.

[183] [185]Uebergang

Gepflanzt hat eine Rebe der Winzer vor sein Haus,
Manch frisches saft'ges Blättlein treibt sie im Lenz heraus,
Der Sprößling schüttelt freudig des Laubes üppig Grün,
Und grüßet Lenz und Erde, und Erd' und Lenz grüßt ihn;
Und Frühling kommt auf Frühling, der Stamm dringt kühn hervor,
Und höher, immer höher steigt sein Gezweig empor,
Und reicher, immer reicher schwillt seiner Blätter Schaar,
Und beut mit grünen Armen die erste Traube dar.
Der Winzer setzt ihm Stäbe, dran er sich ranken kann,
Doch frei in luft'gem Bogen schlingt er sich stolz hinan,
Und Frühling folgt auf Frühling und Laub in Füll' entquillt
Und deckt die ganze Hütte, gleichwie ein grüner Schild;
Und wölbt sich dicht zur Kuppel, dran Blatt an Blatt sich drängt,
Und wölbt sich kühl zur Laube, dran Traub' an Traube hängt;
Rings flattern Vögel, die singen ihr Liedlein dort so gern;
Denn wo die Reben glühen, bleibt auch kein Sänger fern.
Ei, Winzerin und Winzer, wie mocht' euch's Wonne sein,
Als ihr so schön und kräftig den Sprößling saht gedeihn!
Es ruhen Freundschaft, Liebe und Fried' im Laubenhaus,
Und Gläserklang und Psalmton und Jubel klingt heraus!
[185]
O Leonor' und Friedrich, wie mocht' euch's Wonne sein,
Als ihr so reich und herrlich den Sohn nun saht gedeihn!
Wie er vom Kind zum Knaben, zum Jüngling dann erblüht
Dem Lenz auf ros'ger Wange und Lenz im Herzen glüht;
Und wie der Welt so sorglos der Knab' entgegenblickt,
Den an des Vaters Krone nichts als der Glanz entzückt;
Wie sich des Daseins Räthsel dem Jüngling dann erschloß,
Und ihm an jener Krone das Kreuz nicht deutungslos;
Wie was ihm eingepflanzet Schulwitz und Unverstand 1
Ein unfruchtbares Felsstück an seinem Busen fand;
Wie dem, was Licht und Weisheit und Recht in ihm gesät,
Sein Herz ein üppig Erdreich, das voller Saaten steht.
Oft sah, sein Kahlhaupt schüttelnd, bedenklich Friedrich drein,
Gleichwie ein Lahmer beim Tanze muthwill'ger Jugendreih'n;
Lenorens Herz doch wogte nun stolz und freudenreich,
Oft lispelt sie wohl heimlich: sei nie dem Vater gleich!
Wie herrlich, Fürstensöhne, steht ihr im Leben da!
Vom Hoffnungsstrahl wird trunken, wer euch ins Auge sah;
Die stolze Morgenwolke ist euer glänzend Bild,
Wenn sie das goldne Frühroth verschleiernd noch umquillt.
Ein Lenz seid ihr voll Blüthen, in Knospen noch gewiegt,
Ein Himmel voller Sterne, noch vom Gewölk' umschmiegt,
Ein Meer seid ihr voll Perlen, bedeckt von Fluthennacht,
Ein Berg von Diamanten, verborgen noch im Schacht.
Heil, wenn einst euer Tag ruft! Das Frühroth flammt hervor,
Demanten, Sterne, Perlen und Blüthen tauchen empor!
Dann streut nicht als Almosen dem Volk eu'r Morgenlicht,
Sein langes stilles Hoffen schuf euch's zur schönen Pflicht!

Fußnoten

1 Unter allen Lehrern Maximilians mochte wohl keiner zur Erziehung eines Führstensohnes weniger geeignet sein, als Pater Engelbrecht, Bischof zu Neustadt, dessen Pedanterie oben gemeint ist.


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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Grün, Anastasius. Maximilian. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-0F28-6