[62] 2.

O Ferdinand, dem's fast gelang durch Milde zu versöhnen
Mit deines Namens düstrem Klang, vererbt den Habsburgsöhnen
Wie einer grausen Ahnenthat noch ungesühnte Kunde,
Wie des zerrißnen Vaterlands fortblutend offne Wunde.
So übergroß ist deine Huld, so fremd dem heut'gen Tage,
Als kläng' aus alter Märchenzeit die rührend zarte Sage;
Im Zauberstrahl der Dichterwelt begegn' ich deinem Bilde,
In einem Land, in einer Zeit, die wie dein Herz so milde.
Dort thronst du im Provencerthal, genannt René der Gute,
Dem lieblich wie ein Rebenkranz sein Reich zu Füßen ruhte,
Da schmiegt sich auch so rebengleich dein Volk zu deinem Throne
Und gießt sein goldnes Traubenblut zum Golde deiner Krone.
[63]
Gesetze blühn als Blumenschrift und klingen als Gesänge,
Von Milch und Honig fließt die Trift, von Wein und Oel die Hänge,
Das Meer spült Perlen an den Strand, der Berg treibt Silberblüthe,
Als ob dein Herz nur rings im Land fortklänge, sproßte, glühte!
Dein Zepter ist ein grüner Zweig, dran weiße Lilien wallen,
Dein Königsmantel blüthenweiß wie Schnee, der frisch gefallen;
Der Römer warb im weißen Kleid um Stimmensieg beim Wählen,
Du Kandidat auf goldnem Thron wirbst um die Huld der Seelen.
Wohl sinnen Andre auf dem Thron, die Völker zu erdrücken,
Dein Haupt doch sinnt erfindungsreich, die Herzen zu beglücken;
So wird die Muße dir zum Ruhm, Festspiele deine Kriege,
Und deine Güte Heldenthum, Wohlthaten deine Siege.
Weil alle Wirklichkeit zu arm für deinen Drang zu helfen,
Verliehen deinem Königsarm Heilkräfte milde Elfen;
Ein offner Kelch ward deine Hand, drein güt'ge Feen gießen
Die Wellen Golds, die dann vom Rand verschwendrisch überfließen.
Es taumelt der Geschichte Strom berauscht durch deine Grenze
Und lallt nur deine Lieder nach und trägt nur deine Kränze;
Wallfahrer schickt dir Nord und Süd, die Leidenden und Kranken,
Bis dir, vom Geben, Segnen müd', erschöpft die Arme sanken.
Einst schreiben sie auf deinen Stein und schreiben schön eintönig
Die Grabschrift auch den Herzen ein: »Hier ruht der gute König.« –
So hat dich fromm ein Dichterherz entrückt in Vorwelträume,
Daß es dich Besten deines Stammes den Glücklichsten auch träume.
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Umsonst! umsonst! Ein Wehschrei tönt empor aus deinem Volke,
Rasch auf den Grund der Gegenwart senkt dich die goldne Wolke;
Da spritzt ein Tropfen Bluts auf dich vom fernen Weichselstrande,
Der zu gemeinem Königsroth dir färbt die Schneegewande.
Und deinen Thron nicht mehr umstehn lichtfrohe Feen und Elfen,
Ein leidend Volk nur blieb zu flehn: an dir ist's, Herr, zu helfen!
Zufriedner ist's als andre nicht, geduld'ger nur und treuer,
Doch in den Herzen knirscht sein Zorn und tobt sein strafend Feuer.
Leg' auf sein Haupt die Königshand, heilkräftig noch zur Stunde,
Senk' an sein Herz dein lauschend Ohr, da pocht dir solche Kunde:
»Ich knirsch' im Zorn ob deines Reichs unrühmlichem Verfallen,
Das ragen könnte hoch und stark, der Stolz und Preis von allen!
Ich knirsche, weil der Väter Blut, die Wetter der Geschichte
Ich jetzt an deinen Räthen seh' verloren und zunichte;
Für Größres wahrlich galt der Kampf als für die eine Sippe,
Als für ein alternd Kaiserhaupt und für Cimburga's Lippe.
Hut ab, und sei's ein Königshut! vor diesem Volk, dem edeln,
Das nie das Lieben, doch verlernt das Schmeicheln hat und Wedeln,
Und das sein kostbar Blut nur schätzt nach wahrem Preis und Werthe,
Wenn's vom vergeßnen Zahler jetzt voraus den Sold begehrte.
Ich knirsche, weil den Frieden selbst sie zum Vampyr erzogen,
Der, wie ein Alp auf unsrer Brust, ihr Mark und Blut entsogen;
Weil statt des eignen Panzergolds Maid Austria zum Reigen
Die Urim-Thumim umgeschnallt, geborgt Hebräereigen;
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Weil allzugern den Landesaar zum Kapphahn sie verschnitten,
Weil sie das böse Mausern sind, dran seine Schwing' entglitten;
O des Popanzes, der ein Spott den Vögeln ward und Schnittern,
Und nur herbei die Raben lockt, die werdend Aas schon wittern!
Ich knirsche, weil sie – o der Schmach! – den Laurer vor den Thüren,
Den Moskowiter, nun ins Haus als Gast und Helfer führen;
Die Hand, die Lebensurnen wahrt, schlägt sie auch leicht zu Scherben,
Ein Volk schafft sein Geschick sich selbst, sonst ist's nur reif zum Sterben!
Ich knirsche, weil sie hinter Schloß und Wand des Richtens pflegen,
Wie Münzer, die im Nachtverließ mit falschen Stempeln prägen;
Mit Ketten droht ihr Strafgericht des Waisenguts Vergeudern,
In goldnen Ketten prunken stolz, die Völkergut verschleudern.
Ich knirsche, weil den Weg zu dir sie deinem Volk vertraten,
Daß Wort allein – o lausch' ihm nur! – dir helfen mag und rathen!
Denn Rettung bringt's, die jene nie ergrübelt und erschrieben,
Weil's längst schon weiser ward als sie und ehrlicher geblieben.
Sie lassen eines Todten Hand das Schwert und Zepter führen,
Drum ist nur Moderstaub im Land, Verwesungshauch zu spüren;
So thaten sie in kurzer Frist was Krieg und Pest und Sterben
Und Türk' und Korse nicht vermocht: dein Oestreich zu verderben.« –
O könnt' an Fürstenmilde noch ein Völkerherz gesunden,
Genesen wäre schon dein Volk und längst vernarbt die Wunden,
Seit du den Ahnenthron bestiegst in lieblichem Geleite:
Die Gnade rechts, Verzeihen links an schöner Herzensseite.
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Doch Gnad' ist wilden Ehbunds Kind; um seiner Mutter wegen,
Die Willkür heißt und häßlich blind, bringt auch das Kind nicht Segen.
Ein freigeboren stolz Geschlecht besieg' der Zeit Gebreste:
Das offne Wort, das gleiche Recht, die That, die rasche, feste!
Drum schaare, Herr, um deinen Thron, in deiner Fürstenhalle
In schöner Gliedrung deines Volks Vertreter alle, alle;
Dann weht im Baldachin ob dir ein Säuseln und ein Mahnen,
Als steh' die heil'ge Linde hier, wo einst getagt die Ahnen.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Grün, Anastasius. Gedichte. In der Veranda. Zeitklänge. Vorboten. 2. [O Ferdinand, dem's fast gelang durch Milde zu versöhnen]. 2. [O Ferdinand, dem's fast gelang durch Milde zu versöhnen]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-0D94-D