43. Die Osenberger Zwerge

Als Winkelmann im Jahr 1653 aus unserm Hessenlande nach Oldenburg reiste und, über den Osenberg kommend, in dem Dorf Bümmerstedt von der Nacht übereilt wurde, erzählte ihm ein [66] hundertjähriger Krugwirt, daß bei seines Großvaters Zeiten das Haus treffliche Nahrung gehabt, anjetzo wäre es aber schlecht. Wenn der Großvater gebrauet, wären Erdmännlein vom Osenberg gekommen, hätten das Bier ganz warm aus der Bütte abgeholt und mit einem Geld bezahlt, das zwar unbekannt, aber von gutem Silber gewesen. Einsmal hätte ein altes Männlein im Sommer bei großer Wärme Bier holen wollen und vor Durst alsogleich getrunken, aber zu viel, daß es davon eingeschlafen. Hernach beim Aufwachen, wie es sah, daß es sich so verspätet hatte, hub das alte kleine Männlein an, bitterlich zu weinen: »Nun wird mich mein Großvater des langen Außenbleibens wegen schlagen.« In dieser Not lief es auf und davon, vergaß seinen Bierkrug mitzunehmen und kam seitdem nimmer wieder. Den hinterlassenen Krug hatte sein (des Wirtes) Vater und er selbst auf seine ausgesteuerte Tochter erhalten und, solang der Krug im Haus gewesen, die Wirtschaft vollauf Nahrung gehabt. Als er aber vor kurzem zerbrochen worden, wäre das Glück gleichsam mitzerbrochen und alles krebsgängig.


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TextGrid Repository (2012). Grimm, Jacob und Wilhelm. 43. Die Osenberger Zwerge. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-0A3F-9