Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
Der abenteuerliche Simplicissimus

[3] Ganz neu eingerichteter allenthalben viel verbesserter
Abenteurlicher Simplicius Simplicissimus

Das ist:

Ausführliche, unerdichtete und recht memorable Lebensbeschreibung
Eines einfältigen, wunderlichen und seltsamen Vaganten, namens Melchior

Sternfels von Fuchshaim, wie, wo, wann, auch welcher Gestalt er nämlich in diese Welt gekommen, wie er sich darinnen verhalten, was er Merk- und Denkwürdiges gesehen, gelernet, gepraktizieret und hin und wieder mit vielfältiger Leibs- und Lebensgefahr ausgestanden, auch warum er endlich solche wiederum freiwillig und ungezwungen verlassen habe. Annehmlich, erfreulich und lustig zu lesen,


Wie auch sehr nützlich und nachdenklich zu betrachten.


Es hat mir so wollen behagen,

Mit Lachen die Wahrheit zu sagen.


[3][5]

An die großgünstige Leser

Wohlgemeinte Vorerinnerung
An die großgünstige Leser.
Hochgeehrte, geneigte und sehr werte liebe Landsleute!

Hiermit erscheinet meine neue, ganz umbgegoßne, mit schönen von mir, meinem Knän, Meuder, Ursele und Sohn Simplicio inventierten Kupferstücken ausgezierte, Lust erweckende und sehr nachdenkliche Lebensbeschreibung, worzu mich ein kühner und recht verwegner Nachdrucker veranlasset, indem er meinem Herrn Verleger seine höchstruhmwürdige Mühe und Unkosten, Fleiß und Arbeit, die er in erster Einrichtung und annehmlicher Vorstellung dieses meines ihme allein mitgeteilten Werkleins und den daraus erhobenen geringfügigen Gewinn, weiß nicht, ob aus selbsteignem neidischen Herzen oder, wie ich eher darvorhalte, aus tollkühner Anreizung etlicher Mißgönner verwegnerweis sich unterstanden, aus den Händen zu reißen und ganz unrechtmäßig ihme selbst zuzueignen. Welches frevelhaftige Beginnen mir, als ichs vernommen, so sehr zu Herzen gegangen, daß ich darüber in eine höchst gefährliche Krankheit geraten, von welcher ich bis auf diese Stunde noch nicht genesen kann. Nichtsdestoweniger habe ich meinem geliebten Sohn Simplicio anbefohlen, anstatt meiner ein Traktätchen zu verfertigen und solches euch, hochwerten Landsleuten, mit ehisten zuzuschicken, auch euer Judicium darüber zu vernehmen, dessen Titul also lautet:


Derer in frembde Ämter greifenden Frevler rechtmäßige Nägelbeschneidung.


Hoffe, solch Werklein werde ihnen nicht unangenehm sein, weil darinnen solche arcana enthalten, welche vortreffliche Mittel an die Hand geben, das Seinige in höchster Zufriedenheit und angenehmster Sicherheit zu besitzen. Indessen lasset euch diese Edition meiner Lebensbeschreibung, darbei meines Verlegers Nam [5] befindlich, vor andern lieb sein; dann die andern Exemplarien, da das Widerspiel befindlich, werde ich, so wahr ich Simplicissimus heiße, nicht vor meine Geburt erkennen, sondern, weil ich Atem hole, anzufeinden, und wo ichs sehe, aus selben Scharmutzel zu machen, auch dem Nachspicker eine Kopie darvon zu übersenden nicht unterlassen. Im übrigen kann ich auch nicht unangedeutet lassen, daß mein Verleger meinen Ewigwährenden Kalender vor kurz verwichner Zeit mit großer Müh und Unkosten auch zu Ende gebracht, ingleichem noch viele annehmliche Traktätel, als das Schwarz und Weiß oder Satirische Pilgram, die Landstörzerin Courage, den Abenteurlichen Springinsfeld, Keuschen Joseph samt seinem getreuen Diener Musai, und die anmutige Liebs- und Leidsbeschreibung Dietwalds und Amelinden samt den zween-köpfigten Ratio Status ans Tagesliecht gebracht, dabei auch künftig in einem kleinen Jahrbuch oder Kalender in Quarto die Continuatio meiner wunderlichen Begebnüs, so ich und mein junger Simpli. leben werden, folgen soll, nun euch, geliebten Landsleuten, dardurch einigen Gefallen zu erzeigen. Sollte sich ein zutäppischer und frembdes Gut begehrender Langfinger gleichfalls finden, selbigen nachzuspicken und nachzuformen, soll ihmer gewiß ein solches Bad oder Vergeltung zugerichtet werden, daß er sein Lebtag an Simplicissimum gedenken soll. Dies bitte ich, ihr Herren Landsleut, wollet, wo ihr euch befindet, nicht ungeahntet lassen. Diene euch hinwiederum, wo ich kann und weiß, und verbleibe

Euer

Stets beharrlich dienender Simplicius Simplicissimus. [6] [8]

Erster Teil

Erstes Buch
Das 1. Kapitel
Das erste Kapitel
[8]
Simplex erzählet sein bäurisch Herkommen,
Was er vor Sitten hab an sich genommen.

Es eröffnet sich zu dieser unserer Zeit (von welcher man glaubet, daß es die letzte sei) unter geringen Leuten eine Sucht, in deren die Patienten, wann sie daran krank liegen und so viel zusammengeraspelt und erschachert haben, daß sie neben ein paar Kellern im Beutel ein närrisches Kleid auf die neue Mode mit tausenderlei seidenen Bändern antragen können oder sonst etwan durch Glücksfall mannhaft und bekannt worden, gleich rittermäßige Herren und adlige Personen von uraltem Geschlecht sein wollen; da sich doch oft befindet und auf fleißiges Nachforschen nichts anders herauskommt, als daß ihre Voreltern Schornsteinfeger, Taglöhner, Karchelzieher und Lastträger, ihre Vettern Eseltreiber, Taschenspieler, Gaukler und Seiltänzer, ihre Brüder Büttel und Schergen, ihre Schwestern Nähterin, Wäscherin, Besenbinderinnen oder wohl gar Huren, ihre Mütter Kupplerinnen oder gar Hexen, und in Summa ihr ganzes Geschlecht von allen 32 Anichen her also besudelt und befleckt gewesen, als des Zuckerbastels Zunft zu Prag immer sein mögen; ja sie, diese neue Nobilisten, seind oft selbest so schwarz, als wann sie in Guinea geboren und erzogen wären worden.

Solchen närrischen Leuten nun mag ich mich nicht gleichstellen, obzwar, die Wahrheit zu bekennen, nicht ohn ist, daß ich mir oft eingebildet, ich müßte ohnfehlbar anch von einem großen Herrn oder wenigst einem gemeinen Edelmann meinen Ursprung haben, weil ich von Natur geneigt, das Junkernhandwerk zu treiben, wann ich nur den Verlag und den Werkzeug darzu hätte. Zwar ungescherzt, mein Herkommen und Auferziehung läßt sich noch wohl mit eines Fürsten vergleichen, wann man nur den großen Unterscheid nicht ansehen wollte. Was? Mein Knän (dann also nennet man die Bätter im Spessert) hatte einen eignen Palast, sowohl als ein andrer, ja so artlich, dergleichen ein jeder König, er mag auch mächtiger als der große Alexander selbst sein, [9] mit eignen Händen zu bauen nicht vermag, sondern solches in Ewigkeit wohl unterwegen lassen wird; er war mit Laimen gemalet, und anstatt des unfruchtbarn Schiefers, kalten Bleies und roten Kupfers mit Stroh bedeckt, darauf das edel Getraid wächst, und damit er, mein Knän, mit seinem hochgeachteten, und von Adam selbst herstammenden Adel und Reichtum recht prangen möchte, ließ er die Maur um sein Schloß nicht mit Maursteinen, die man am Weg findet oder an unfruchtbaren Orten aus der Erde gräbet, viel weniger mit liederlichen gebackenen Steinen, die in geringer Zeit verfertigt und gebrennt werden können, wie andere große Herren zu tun Pflegen, aufführen, sondern er nahm Eichenholz darzu, welcher nützliche edle Baum, als worauf Bratwürste und fette Schunken wachsen, bis zu seinem vollständigen Alter über 100 Jahre erfodert. Wo ist ein Monarch, der ihm dergleichen nachtut? Wo ist ein Potentat, der ein Gleiches ins Werk zu richten begehret? Seine Zimmer, Säl und Gemächer hatte er inwendig vom Rauch ganz erschwärzen lassen, nur darum, dieweil dies die beständigste Farbe von der Welt ist, und dergleichen Gemäld bis zu seiner Perfektion mehr Zeit brauchet, als ein kunstlicher Maler zu seinen trefflichsten Kunststücken erheischet. Die Tapezereien waren das zärteste Geweb auf dem ganzen Erdboden, dann diejenige machte uns solche, die sich vor alters vermaß, mit der Minerva selbst um die Wette zu spinnen. Seine Fenster waren keiner andern Ursach halber dem Sant Nitglas gewidmet, als darum, dieweil er wußte, daß ein solches, vom Hanf oder Flachssamen an zu rechnen, bis es zu seiner vollkommenen Verfertigung gelanget, weit mehrere Zeit und Arbeit kostet, als das beste und durchsichtigste Glas von Muran; dann sein Stand machte ihm ein Belieben zu glauben, daß alles dasjenige, was durch viel Mühe zuwege gebracht würde, auch eben darumb höchst schätzbar und desto köstlicher sei; was aber köstlich sei, das sei auch dem Adel am anständigsten und stimme mit demselben am allerbesten überein. Anstatt der Pagen, Lakaien und Stallknechte hatte er Schaf, Böcke und Säu, jedes fein ordentlich in seine natürliche Liberei gekleidet, welche mir auch oft auf der Weid aufgewartet, bis ich, ihres Dienstes ermüdet, sie von mir gejaget und heimgetrieben. Die Rüst- oder Harnischkammer war mit Pflügen, Kärsten, Äxten, Hauen, Schauflen, Mist- und Heugabeln genungsam und auf das beste und zierlichste versehen, mit welchen Waffen er sich täglich übete. Dann hacken und Reuten war seine disciplina militaris, wie bei den alten Römern zu Friedenszeiten; Ochsen anspannen war sein hauptmannschaftliches Kommando, Mist ausführen sein Fortifikationwesen, und Ackern [10] sein Feldzug, Holzhacken war sein tägliches exercitium corporis, wie auch das Stallausmisten seine adlige Kurzweile und Türniernspiel. Hiermit bestritte er die ganze Weltkugel, soweit er reichen konnte, und jagte ihr damit alle Ernden eine reiche Beute ab. Dieses alles setze ich hindan und überhebe mich dessen ganz nicht, damit niemand Ursache habe, mich mit andern meinesgleichen neuen Nobilisten auszulachen; dann ich schätze mich nicht besser, als mein Knän war, welcher diese seine Wohnung an einem sehr lustigen Ort, nämlich im Spessert (allwo die Wölfe einander Gute Nacht geben) liegen hatte. Daß ich aber nichts Ausführliches von meines Knäns Geschlecht, Stamm und Namen vor diesmal doziert, beschiehet um geliebter Kürze willen; vornehmlich weil es ohne das allhier um keine adelige Stiftung zu tun ist, da ich soll auf schwören; genug ist es, wann man weiß, daß ich im Spessert geboren bin.

Gleichwie nun aber meines Knäns Hauswesen in allen Stücken sehr adelig vermerkt wird, also kann ein jeder Verständiger auch leichtlich schließen, daß meine Auferziehung derselben gemäß und ähnlich gewesen, und wer solches darvorhält, findet sich auch nicht betrogen; dann in meinem zehenjährigen Alter hatte ich schon die principia in obgemeldten meines Knäns adeligen Exerzitien begriffen, aber der Studien halber konnte ich neben dem berühmten Amphistidi hin passieren, von welchem Suidas meldet, daß er nicht über fünf zählen konnte; dann mein Knän hatte vielleicht einen viel zu hohen Geist und folgete dahero dem gewöhnlichen Gebrauch jetziger Zeit, in welcher viel vornehme Leute mit Studieren oder, wie sie es nennen, mit Schulpossen sich nicht viel zu bekümmern pflegen, weil sie ihre Leute haben, der Plackscheißerei abzuwarten. Sonst war ich ein trefflicher Musikus auf der Sackpfeife, mit deren ich schöne Jalemigesänge machen konnte, auch darinnen dem vortrefflichen Orpheus nichts nachgab, also, daß wie dieser auf der Harpfe, so ich auf der Sackpfeife exzellierte. Aber die Theologiam anbelangend, lasse ich mich nicht bereden, daß einer meines Alters damals in der ganzen Christenwelt gewesen sei, der mir darinne hätte gleichen mögen; dann ich kannte weder Gott noch Menschen, weder Himmel noch Hölle, weder Engel noch Teufel und wußte weder Gutes noch Böses zu unterscheiden. Dahero unschwer zu gedenken, daß ich vermittelst solcher Theologiae, wie unsere erste Eltern im Paradies gelebet, die in ihrer Unschuld von Krankheit, Tod und Sterben, weniger von der Auferstehung, nichts gewußt. O edels Leben! (du mögst wohl Eselsleben sagen) in welchem man sich auch nichts umb die Medizin bekümmert. Eben auf diesen Schlag kann man [11] meine vortreffliche Erfahrenheit in dem studio legum und allen anderen Künsten und Wissenschaften, soviel in der Welt sein, auch verstehen. Ja ich war so perfekt und vollkommen in der Unwissenheit, daß mir unmüglich war, zu wissen, daß ich so gar nichts wußte. Ich sage noch einmal: O edeles Leben, das ich damals führete! Aber mein Knän wollte mich solche Glückseligkeit nicht länger genießen lassen, sondern schätzte billig sein, daß ich meiner adeligen Geburt gemäß auch adelig tun und leben sollte; derowegen fieng er an, mich zu höhern Dingen anzuziehen und mir schwerere Lectiones aufzugeben.

Das 2. Kapitel
Das zweite Kapitel.
Simplex wird zu einem Hirten erwählet,
Und das Lob selbigen Lebens erzählet.

Er begabte mich mit der herrlichsten Dignität, so sich nicht allein bei seiner Hofhaltung, sondern auch in der ganzen Welt befand, nämlich mit dem uralten Hirtenamt. Er vertrauete mir erstlich seine Säu, zweitens seine Ziegen, und zuletzt seine ganze Herde Schafe, daß ich selbige hüten, weiden, und vermittelst meiner Sackpfeife (welcher Klang ohnedas, wie Strabo schreibet, die Schafe und Lämmer in Arabia fett machet), vor dem Wolf beschützen sollte. Damal gleichete ich wohl dem David, außer daß jener anstatt der Sackpfeife nur eine Harpfe hatte, welches kein schlimmer Anfang, sondern ein gut Omen für mich war, daß ich noch mit der Zeit, wann ich anders das Glück darzu hätte, ein weltberühmter Mann werden sollte. Dann von Anbeginn der Welt seind jeweils hohe Personen Hirten gewesen, wie wir dann von Abel, Abraham, Isaak, Jakob, seinen Söhnen und Moyse selbst in H. Schrift lesen, welcher zuvor seines Schwähers Schafe hüten mußte, eh er Heerführer und Legislator über 600000 Mann in Israel ward. Ja, möchte mir jemand vorwerfen, das waren heilige, gottergebene Menschen und keine Spesserter Baurenbuben, die von Gott nichts wußten. Ich muß gestehen und kann es nicht in Abrede sein; aber was hat meine damalige Unschuld dessen zu entgelten? Bei den alten Heiden fand man sowohl solche Exempla als bei dem auserwählten Volk Gottes: Unter den Römern seind vornehme Geschlechter gewesen, so sich ohn Zweifel Bubulcos, Statilios, Pomponios Vitulos, Vitellios, Annios Capros und dergleichen genennet, weil sie mit dergleichen Viehe umgangen und solches auch vielleicht gehütet. Zwar Romulus und Remus [12] sein selbst Hirten gewesen; Spartacus, vor welchem sich die ganze römische Macht so hoch entsetzet, war ein Hirt. Was? Hirten sind gewesen (wie Lucianus in seinem»Dialogo Helenae« bezeuget) Paris, Priami des Königs Sohn, und Anchises, des trojanischen Fürsten Aeneae Vater. Der schöne Endimion, umb welchen die keusche Luna selbst gebuhlet, war auch ein Hirt. Item der greuliche Polyphemus: ja die Götter selbst (wie Phornutus saget) haben sich dieser Profession nicht geschämet. Apollo hütet Admeti, des Königs in Thessalia, Kühe; Mercurius, sein Sohn Daphnis, Pan und Proteus waren Erzhirten, dahero seind sie noch bei den närrischen Poeten der Hirten Patronen; Mesa, König in Moab, ist, wie man im 2. Buch der Könige lieset, ein Hirt gewesen; Cyrus, der gewaltige KönigPersarum, ist nicht allein vom Mithridate, einem Hirten, erzogen worden, sondern hat auch selbst gehütet. Gygas war ein Hirt und hernach durch Kraft eines Rings ein König. Ismael Sophi, ein persischer König, hat in seiner Jugend ebenmäßig das Viehe gehütet; also, daß Philo der Jud in vita Moysis trefflich wohl von der Sache redet, wann er saget, das Hirtenamt sei eine Vorbereitung und Anfang zum Regiment; dann gleichwie die bellicosa und martialia ingenia erstlich auf der Jagt geübt und angeführet werden, also soll man auch diejenige, so zum Regiment gezogen sollen werden, erstlich in dem lieblichen und freundlichen Hirtenamt anleiten. Welches alles mein Knän wohl verstanden haben muß, wie er dann ein trefflich verschlagnes Capitolium gehabt und mit einem tiefsinnigen Verstand versehen war und mir noch bis auf diese Stunde keine geringe Hoffnung zu künftiger Herrlichkeit machet.

Aber indessen wieder zu meiner Herde zu kommen, so wisset, daß ich den Wolf ebensowenig kannte, als meine eigne Unwissenheit selbsten; derowegen war mein Knän mit seiner Instruktion desto fleißiger. Er sagte: »Bub, biß flissig, loß di Schoff nit ze wit vunananger lassen, und spill wacker uff der Sackpfiffa, daß der Wolf nit kom und Schada dau, dan he yß a sölcher veyrboinigter Schelm und Dieb, der Menscha und Vieha frißt, un wan dau awer farlässi bist, so will eich dir da Buckel arauma.« Ich antwortet mit gleicher Holdseligkeit: »Knäno, sag mir aa, wey der Wolf seyhet: Eich hunn noch kan Wolf gesien.« »Ah dau grober Eselkopp (repliziert er hinwieder), dau bleiwest dein Lebelang a Narr, geith meich wunner, was aus dir wera wird, biß schun su a grusser Dölpel, un waist noch neit, was der Wolf für a veyrfeussiger Schelm iß.« Er gab mir noch mehr Unterweisungen und ward zuletzt unwillig, maßen er mit einem Gebrümmel fortgieng, weil er sich bedünken ließ, mein[13] grober und ungehobelter, durch seine Unterweisung noch nicht genugsam auspolierter Verstand könnte seine subtile Unterweisungen nicht fassen, noch zu dieser Zeit derselbigen fähig sein.

Das 3. Kapitel
Das dritte Kapitel.
Simplex pfeift tapfer auf seiner Sackpfeifen,
Bis die Soldaten ihn mit sich fortschleifen.

Da fieng ich an, mit meiner Sackpfeife so gut Geschirr zu machen, daß man den Krotten im Krautgarten damit hätte vergeben mögen, also daß ich vor dem Wolf, welcher mir stetig im Sinn lag, mich sicher genug zu sein bedünkte; und weilen ich mich meiner Meuder erinnert (also heißen die Mütter im Spessert und am Vogelsberg), daß sie oft gesagt, sie besorge, die Hühner würden dermaleins von meinem Gesang sterben, als beliebte mir auch zu singen, damit das Remedium wider den Wolf desto kräftiger wäre, und zwar ein solch Lied, das ich von meiner Meuder selbst gelernet hatte:


Du sehr verachteter Baurenstand,
Bist doch der beste in dem Land,
Kein Mann dich gnugsam preisen kann,
Wann er dich nur recht siehet an.
Wie stünd es jetzund um die Welt,
Hätt Adam nicht gebaut das Feld?
Mit Hacken nährt sich anfangs der,
Von dem die Fürsten kommen her.
Es ist fast alles unter dir;
Ja was die Erde bringt herfür,
Wovon ernähret wird das Land,
Geht dir anfänglich durch die Hand.
Der Kaiser, den uns Gott gegebn,
Uns zu beschützen, muß doch lebn
Von deiner Hand; auch der Soldat,
Der dir doch zufügt manchen Schad.
Fleisch zu der Speis zeugst auf allein;
Von dir wird auch gebaut der Wein,
Dein Pflug der Erden tut so not,
Daß sie uns gibt genugsam Brod.
[14]
Die Erde wär ganz wild durchaus,
Wann du auf ihr nicht hieltest Haus,
Ganz traurig auf der Welt es stünd,
Wann man kein Bauersmann mehr fünd.
Drum bist du billig hoch zu ehrn,
Weil du uns alle tust ernährn.
Natur, die liebt dich selber auch,
Gott segnet deinen Baurenbrauch.
Vom bitterbösen Podagram
Hört man nicht, daß an Bauren kam,
Das doch den Adel bringt in Not,
Und manchen Reichen gar in Tod.
Der Hoffart bist du sehr befreit,
Absonderlich zu dieser Zeit,
Und daß sie auch nicht sei dein Herr,
So gibt dir Gott des Kreuzes mehr.
Ja der Soldaten böser Brauch
Dient gleichwohl dir zum Besten auch;
Daß Hochmut dich nicht nehme ein,
Sagt er: Dein Hab und Gut ist mein.

Bis hieher und nicht weiter kam ich mit meinem lieblich-tönendem Gesang, dann ich ward gleichsam in einem Augenblick von einem Trupp Courassierer samt meiner Herde Schafen umgeben, welche im großen Wald verirret gewesen und durch meine Musik und Hirtengeschrei wieder waren zurecht gebracht worden.

»Hoho,« gedachte ich, »dies seind die rechten Kauzen! dies seind die vierbeinigte Schelmen und Diebe, davon dir dein Knän sagte«; dann ich sähe anfänglich Roß und Mann (wie hiebevor die Amerikaner die spanische Kavallerie) vor eine einzige Kreatur an und vermeinete nicht anders, als es müßten Wölfe sein, wollte derowegen diesen schröcklichen Centauris den Hundssprung weisen und sie wieder abschaffen. Ich hatte aber zu solchem Ende meine Sackpfeife kaum aufgeblasen, da ertappte mich einer aus ihnen beim Flügel und schleuderte mich so ungestüm auf ein leer Baurenpferd, so sie neben andern mehr erbeutet hatten, daß ich auf der andern Seite wieder herab auf meine liebe Sackpfeife fallen mußte, welche so erbärmlich anfieng zu schreien und einen so kläglichen Laut von sich zu geben, als wann sie alle Welt zur Barmherzigkeit hätte bewegen wollen; aber es half nichts, wiewohl [15] sie den letzten Atem nicht sparete, mein Unfäll zu beklagen; ich mußte einmal wieder zu Pferd, Gott geb, was meine Sackpfeife sang oder sagte. Und was mich zum meisten verdroß, war dieses, daß die Reuter vorgaben, ich hätte der Sackpfeife im Fallen weh getan, darum sie dann so ketzerlich geschrieen hätte. Also gieng meine Mähr mit mir dahin in einem stetigen Trab, wie das Primum mobile, bis in meines Knäns Hof. Wunderseltsame Tauben und kauderwelsche Grillen stiegen mir damals ins Hirn, dann ich bildete mir ein, weil ich auf einem solchen Tier säße, dergleichen ich niemals gesehen hatte, so würde ich auch in einen eisernen Kerl vermethomophosiert werden, indem ich diejenigen, die mich fortführten, auch ganz eisern sahe. Weil aber solche Verwandlung nicht folgte, kamen mir andere Grillen in meinen albern Kopf: ich gedachte, diese fremde Dinger wären nur zu dem Ende da, mir die Schafe helfen heimzutreiben, sintemal keiner von ihnen keines hinwegfraß, sondern alle so einhellig, und zwar des geraden Wegs, in meines Knäns Hof zueileten. Derowegen sahe ich mich fleißig nach meinem Knän um, ob er und mein Meuder uns nicht bald entgegengehen und uns willkommen sein heißen wollten. Aber vergebens, er und meine Meuder samt unserm Ursele, welches meines Knäens einzige und liebste Tochter war, hatten die Hintertür getroffen, das Reißaus gespielt und wollten dieser heillosen Gäste nicht erwarten.

Das 4. Kapitel
Das vierte Kapitel.
Simplicius' Residenz wird ausgeplündert,
Niemand ist, der die Soldaten verhindert.

Wiewohl ich nicht bin gesinnet gewesen, den friedliebenden Leser mit dieser leichtfertigen Reuter-Bursch in meines Knäns Haus und Hof zu führen, weil es schlimm genug darin hergehen wird, so erfodert jedoch die Folge meiner Histori, daß ich der lieben Posterität hinterlasse, was vor abscheuliche und ganz unerhörte Grausamkeiten in diesem unserm teutschen Krieg hin und wieder verübet worden, zumalen mit meinem eigenen Exempel zu bezeugen, daß alle solche Übel von der Güte des Allerhöchsten zu unserm Nutz oft notwendig haben verhängt werden müssen. Dann, lieber Leser! wer hätte mir gesagt, daß ein Gott im Himmel wäre, wann keine Krieger meines Knäns Haus zernichtet und mich durch solche Fahung unter die Leute gezwungen hätten, von denen ich genugsamen Bericht empfangen? [16] Kurz zuvor konnte ich nichts anders wissen noch mir einbilden, als daß mein Knän, Meuder, Ursele, ich und das übrige Hausgesind allein auf Erden sei, weil mir sonst kein Mensch, noch einzige andre menschliche Wohnung bekannt war als meines Knäns zuvor beschriebner adeliger Sitz, darin ich täglich aus und ein gieng.

Aber bald hernach erfuhr ich die Herkunft der Menschen in diese Welt, und daß sie keine bleibende Wohnung hätten, sondern oftermals, ehe sie sichs versähen, wieder daraus müßten; ich war nur mit der Gestalt ein Mensch und mit dem Namen ein Christenkind, im übrigen aber nur eine Bestia! Aber der Allerhöchste sahe meine Unschuld mit barmherzigen Augen an und wollte mich beides, zu seiner und meiner Erkanntnus bringen. Und wiewohl er tausenderlei Wege hierzu hatte, wollte er sich doch ohn Zweifel nur desjenigen bedienen, in welchem mein Knän und Meuder, andern zum Exempel, wegen ihrer liederlichen Auferziehung gestraft würden.

Das erste, das diese Reuter täten und in den schwarz gemalten Zimmern meines Knäns anfiengen, war, daß sie ihre Pferde einställeten; hernach hatte jeglicher seine sonderbare Arbeit zu verrichten, deren jede lauter Untergang und Verderben anzeigte. Dann obzwar etliche anfiengen zu metzgen, zu sieden und zu braten, daß es sahe, als sollte ein lustig Bankett gehalten werden, so waren hingegen andere, die durchstürmten das Haus unten und oben; ja das heimliche Gemach war nicht sicher, gleichsam ob wäre das gölden Fell von Kolchis darin verborgen. Andere machten von Tuch, Kleidungen und allerlei Hausrat große Päck zusammen, als ob sie irgends einen Krempelmarkt anrichten wollten; was sie aber nicht mitzunehmen gedachten, ward zerschlagen und zugrunde gerichtet; etliche durchstachen Heu und Stroh mit ihren Degen, als ob sie nicht Schaf und Schweine genug zu stechen gehabt hätten; etliche schütteten die Federn aus den Betten und fülleten hingegen Speck, andere Dürrfleisch und sonst Gerät hinein, als ob alsdann besser darauf zu schlafen wäre. Andere schlugen Ofen und Fenster ein, gleichsam als hätten sie einen ewigen Sommer zu verkündigen; Kupfer und Zinngeschirr schlugen sie zusammen und packten die gebogene und verderbte Stücken ein; Bettladen, Tische, Stühle und Bänke verbrannten sie, da doch viel Klafter dürr Holz im Hof lag. Häfen und Schüsseln mußte endlich alles entzwei, entweder weil sie lieber Gebraten aßen oder weil sie bedacht waren, nur eine einzige Mahlzeit allda zu halten.

Unsre Magd ward im Stall dermaßen traktiert, daß sie nicht [17] mehr daraus gehen konnte, welches zwar eine Schande ist zu melden. Den Knecht legten sie gebunden auf die Erde, steckten ihm ein Sperrholz ins Maul und schütteten ihm einen Melkkübel voll garstig Mistlachenwasser in Leib: das nannten sie einen schwedischen Trunk, der ihm aber gar nicht schmeckte, sondern in seinem Gesicht sehr wunderliche Mienen verursachte, wodurch sie ihn zwungen, eine Partei anderwärts zu führen, allda sie Menschen und Viehe hinwegnahmen und in unsern Hof brachten, unter welchen mein Knän, meine Meuder und unsre Ursele auch waren.

Da fieng man erst an, die Steine von den Pistolen und hingegen anstatt deren der Bauren Daumen aufzuschrauben und die arme Schelmen so zu foltern, als wann man hätte Hexen brennen wollen, maßen sie auch einen von den gefangenen Bauren bereits in Backofen steckten und mit Feuer hinter ihm her waren, unangesehen er noch nichts bekannt hatte. Einem andern machten sie ein Seil um den Kopf und raitelten es mit einem Bengel zusammen, daß ihm das Blut zu Mund, Nas und Ohren heraussprang. In Summa, es hatte jeder seine eigne Invention, die Bauren zu peinigen, und also auch jeder Baur seine sonderbare Marter. Allein mein Knän war meinem damaligen Bedünken nach der glücklichste, weil er mit lachendem Munde bekannte, was andere mit Schmerzen und jämmerlicher Weheklage sagen mußten, und solche Ehre widerfuhr ihm ohn Zweifel darum, weil er der Hausvatter war; dann sie satzten ihn zu einem Feur, banden ihn, daß er weder Hände noch Füße regen konnte, und rieben seine Fußsohlen mit angefeuchtem Salz, welches ihm unsre alte Geiß wieder ablecken und dadurch also kützeln mußte, daß er vor Lachen hätte zerbersten mögen. Das kam so artlich und mir so anmutig vor (weil ich meinen Knän nie mals ein solches langwieriges Gelächter verführen gehöret und gesehen), daß ich Gesellschaft halber, oder weil ichs nicht besser verstund, von Herzen mitlachen mußte. In solchem Gelächter bekannte er seine Schuldigkeit und öffnete den verborgenen Schatz, welcher von Gold, Perlen und Kleinodien viel reicher war, als man hinter den Bauren hätte suchen mögen. Von den gefangenen Weibern, Mägden und Töchtern weiß ich sonderlich nichts zu sagen, weil mich die Krieger nicht zusehen ließen, wie sie mit ihnen umgiengen. Das weiß ich noch wohl, daß man teils hin und wieder in den Winkeln erbärmlich schreien hörte; schätze wohl, es sei meiner Meuder und unserm Ursele nit besser gangen als den andern. Mitten in diesem Elend wandte ich Braten und war umb nichts bekümmert, weil ich noch nit recht verstunde, wie dieses alles gemeinet wäre; ich half auch Nachmittag [18] die Pferde tränken, durch welches Mittel ich zu unsrer Magd in Stall kam, welche wunderwerklich zerstrobelt aussahe; ich kannte sie nicht, sie aber sprach zu mir mit kränklicher Stimme: »O Bub! lauf weg, sonst werden dich die Reuter mitnehmen! guck, daß du davonkommst, du siehest wohl, wie es so übel –!« Mehrers konnte sie nicht sagen.

Das 5. Kapitel
Das fünfte Kapitel.
Simplex das Reißaus behendiglich spielet,
Wann sich Bäum regen, er Herzensangst fühlet.

Da machte ich gleich den Anfang, meinen unglücklichen Zustand, den ich vor Augen sahe, zu betrachten und zu gedenken, wie ich mich forderlichst ausdrehen und davonlaufen möchte. Wohin aber? Dazu war mein Verstand viel zu gering, einen Vorschlag zu tun; doch hat es mir so weit gelungen, daß ich gegen Abend in Wald bin entsprungen und meine liebe Sackpfeife auch in diesem äußersten Elend nicht verlassen. Wo nun aber weiters hinaus? sintemal mir die Wege und der Wald so wenig bekannt waren, als die Straße durch das gefrorne Meer, hinter Nova Zembla bis gen China hinein. Die stockfinstre Nacht bedeckte mich zwar zu meiner Versicherung, jedoch bedauchte sie meinen finstern Verstand nicht finster genug; dahero verbarg ich mich in ein dickes Gesträuch, da ich sowohl das Geschrei der getrillten Bauren als das Gesang der Nachtigallen hören konnte, welche Vögelein sie, die Bauren, von welchen man teils auch Vögel zu nennen pflegt, nicht angesehen hatten, mit ihnen Mitleiden zu tragen oder ihres Unglücks halber das liebliche Gesang einzustellen; darumb legte ich mich auch ohn alle Sorg auf ein Ohr und entschlief. Als aber der Morgenstern im Osten herfürflackerte, sahe ich meines Knäns Haus in voller Flamme stehen, aber niemand, der zu löschen begehrte. Ich begab mich herfür in Hoffnung, jemanden von meinem Knän anzutreffen, ward aber gleich von 5 Reutern erblickt und angeschrieen: »Jung, kom heröfer, oder skall my de Tüfel halen, ick schiete dick, dat di de Dampff thom Hals ut gaht!« Ich hingegen blieb ganz stockstill stehen und hatte das Maul offen, weil ich nicht wußte, was der Reuter wollte oder meinte; und indem ich sie so ansahe, wie eine Katze ein neu Scheuntor, sie aber wegen eines Morastes nicht zu mir kommen konnten, welches sie ohn Zweifel rechtschaffen vexierte, lösete der eine seinen Karbiner auf mich, von welchem urplötzlichen [19] Feur und unversehnlichem Klapf, den mir Echo durch vielfältige Verdoppelung grausamer machte, ich dermaßen erschröckt ward, weil ich dergleichen niemals gehöret oder gesehen hatte, daß ich alsobald zur Erde niederfiel, und alle viere von mir streckete; ja ich regete vor Angst keine Ader mehr; und wiewohl die Reuter ihres Wegs fortritten und mich ohn Zweifel vor tot liegen ließen, so hatte ich jedoch denselbigen ganzen Tag das Herz nicht, mich aufzurichten noch mich nur ein wenig hin und wieder umbzusehen. Als mich aber die Nacht wieder ergriff, stund ich auf und wanderte so lang im Wald fort, bis ich von fern einen faulen Baum schimmern sahe, welcher mir eine neue Forcht einjagte, kehrete derowegen sporenstreichs wieder um und gieng so lang, bis ich wieder einen andern dergleichen Baum erblickte, von dem ich mich gleichfalls wieder fortmachte, und auf diese Weise die Nacht mit Hin- und Wiederrennen von einem faulen Baum zum andern vertrieb. Zuletzt kam mir der liebe Tag zu Hülf, welcher den Bäumen gebot, mich in seiner Gegenwart unbetrübt zu lassen; aber hiermit war mir noch nichts geholfen, dann mein Herz stak voll Angst und Forcht, die Schenkel voll Müdigkeit, der leere Magen voll Hunger, das Maul voll Durst, das Hirn voll närrischer Einbildung und die Augen voller Schlaf. Ich gieng dannoch fürter, wußte aber nicht wohin. Je weiter ich aber gieng, je tiefer ich von den Leuten hinweg in Wald kam. Damals stund ich aus und empfand (jedoch ganz unvermerkt) die Würkung des Unverstands und der Unwissenheit: wann ein unvernünftig Tier an meiner Stelle gewesen wäre, so hätte es besser gewußt, was es zu seiner Erhaltung hätte tun sollen, als ich. Doch war ich noch so witzig, als mich abermal die Nacht übereilte, daß ich in einen hohlen Baum kroch, meine werte liebe Sackpfeife fleißig in acht nahme und also mein Nachtlager zu halten gänzlich entschlossen war.

Das 6. Kapitel
Das sechste Kapitel.
Simplex hört Worte, die lauten andächtig,
Sieht den Einsiedel, pfeift und wird ohnmächtig.

Kaum hatte ich mich zum Schlaf bequemet, da höret ich folgende Stimme: »O große Liebe gegen uns undankbare Menschen! Ach mein einziger Trost, meine Hoffnung, mein Reichtum, mein Gott!« und so dergleichen mehr, daß ich nicht alles merken noch verstehen können.

Dieses waren wohl Worte, die einen Christenmenschen, der [20] sich in einem solchen Stand, wie ich mich dazumal befunden, billig aufmuntern, trösten und erfreuen hätten sollen. Aber, o Einfalt und Unwissenheit! es waren mir nur böhmische Dörfer, und alles eine ganz unverständliche Sprache, aus deren ich nicht allein nichts fassen konnte, sondern auch eine solche, vor deren Seltsamkeit ich mich entsatzte. Da ich aber hörete, daß dessen, der sie redete, Hunger und Durst gestillet werden sollte, riete mir mein ohnerträglicher Hunger und fast vor Speisemangel ganz zusammengeschnurrter Magen, mich auch zu Gast zu laden; derowegen faßte ich das Herz, wieder aus meinem hohlen Baum zu gehen und mich der gehörten Stimme zu nähern. Da wurde ich eines großen Manns gewahr in langen schwarzgrauen Haaren, die ihm ganz verworren auf den Achseln herumlagen; er hatte einen wilden Bart, fast formiert wie ein Schweizerkäs. Sein Angesicht war zwar bleichgelb und mager, aber doch ziemlich lieblich, und sein langer Rock mit mehr als 1000 Stückern von allerhand Tuch überflickt und aufeinander gesetzt; um Hals und Leib hatte er eine schwere eiserne Ketten gewunden wie St. Wilhelmus und sahe sonst in meinen Augen so scheußlich und förchterlich aus, daß ich anfieng zu zittern wie ein nasser Hund. Was aber meine Angst mehrete, war, daß er ein Kruzifix, ungefähr 6 Schuhe lang, an seine Brust druckte, und weil ich ihn nicht kannte, konnte ich nichts anders ersinnen, als dieser alte Greis müßte ohn Zweifel der Wolf sein, davon mir mein Knän kurz zuvor gesagt hatte. – In solcher Angst wischte ich mit meiner Sackpfeife herfür, welche ich als meinen einzigen angenehmsten und wertesten Schatz noch vor den Reutern salviert hatte. Ich blies zu, stimmte an und ließ mich gewaltig hören, diesen greulichen Wolf zu vertreiben, über welcher gählingen und ungewöhnlichen Musik, an einem so wilden Ort, der Einsiedel anfänglich nicht wenig stutzte, ohn Zweifel vermeinende, es sei etwan ein teuflisch Gespenst hinkommen, ihn, wie etwan dem großen Antonio widerfahren, zu tribulieren und seine Andacht zu zerstören. Sobald er sich aber wieder erholete, spottete er mei ner, als seines Versuchers im hohlen Baum, wohinein ich mich wieder retirieret hatte; ja er war so getrost, daß er gegen mir gieng, den Feind des menschlichen Geschlechts genugsam auszuhöhnen. »Ha!« sagte er, »du bist ein Gesell darzu, die Heiligen ohn göttliche Verhängnus« etc. Mehrers habe ich nicht verstanden, dann seine Näherung ein solch Grausen und Schröcken in mir erregte, daß ich des Amts meiner Sinne beraubet ward und dorthin in Ohnmacht niedersank.

[21]
Das 7. Kapitel
Das siebente Kapitel.
Simplex wird in einer Herberg traktieret,
Obgleich wird sehr großer Mangel gespüret.

Wasgestalten mir wieder zu mir selbst geholfen worden, weiß ich nicht, aber dieses wohl, daß ich aus dem hohlen Baum mich befande, der Alte meinen Kopf in seinem Schoß und vorn meine Juppe geöffnet gehabt. Als ich mich wieder erholete, da ich den Einsiedler so nahe bei mir sahe, fieng ich ein solch grausam Geschrei an, als ob er mir im selben Augenblick das Herz aus dem Leib hätt reißen wollen. Er aber sagte: »Mein Sohn, schweig! ich tue dir nichts! sei zufrieden, etc.« Je mehr er mich aber tröstete und mir liebkoste, je mehr ich schrie: »O du frißt mich! O du frißt mich! du bist der Wolf und willst mich fressen!« – »Ei ja wohl nein, mein Sohn,« sagte er, »sei zufrieden, ich friß dich nicht!« Dies Gefecht und erschröckliches Geheule verführt ich sehr lang, bis ich mich endlich so weit ließ weisen, mit ihm in seine Hütte zu gehen; darin war die Armut selbst Hofmeisterin, der Hunger Koch und der Mangel Küchenmeister. Da wurde mein Magen mit einem Gemüs und Trunk Wassers gelabet, und mein Gemüt, so ganz verwirrt war, durch des Alten tröstliche Freundlichkeit wieder aufgerichtet und zurechtgebracht. Derowegen ließ ich mich durch die Anreizung des süßen Schlafes leicht betören, der Natur solche Schuldigkeit abzulegen. Der Einsiedel merkte meine Notdurft; darum ließ er mir den Platz allein in seiner Hütte, weil nur einer darin liegen konnte. Ungefähr um Mitternacht erwachte ich wieder und hörete ihn folgendes Lied singen, welches ich hernach auch gelernet:


Komm, Trost der Nacht, o Nachtigall!
Laß deine Stimm mit Freudenschall
Aufs lieblichste erklingen:,:
Komm, komm und lob den Schöpfer dein,
Weil andre Vöglein schlafen sein,
Und nicht mehr mögen singen:
Laß dein Stimmlein
Laut erschallen, dann vor allen
Kannst du loben
Gott im Himmel hoch dort oben.
Obschon ist hin der Sonnenschein,
Und wir im Finstern müssen sein,
So können wir doch singen:,:
[22]
Von Gottes Güt und seiner Macht,
Weil uns kann hindern keine Nacht,
Sein Lob zu vollenbringen.
Drum dein Stimmlein
Laß erschallen, dann vor allen
Kannst du loben
Gott im Himmel hoch dort oben.
Echo, der wilde Widerhall,
Will sein bei diesem Freudenschall,
Und lässet sich auch hören:,:
Verweist uns alle Müdigkeit,
Der wir ergeben allezeit,
Lehrt uns den Schlaf betören.
Drum dein Stimmlein
Laß erschallen, dann vor allen
Kannst du loben
Gott im Himmel hoch dort oben.
Die Sterne, so am Himmel stehn,
Sich lassen zum Lob Gottes sehn,
Und Ehre ihm beweisen:,:
Die Eul auch, die nicht singen kann,
Zeigt doch mit ihrem Heulen an,
Daß sie Gott auch tu preisen.
Drum dein Stimmlein
Laß erschallen, dann vor allen
Kannst du loben
Gott im Himmel hoch dort oben.
Nur her, mein liebstes Vögelein,
Wir wollen nicht die fäulste sein,
Und schlafend liegen bleiben:,:
Vielmehr bis daß die Morgenröt
Erfreuet diese Wälder öd,
In Gottes Lob vertreiben.
Laß dein Stimmlein
Laut erschallen, dann vor allen
Kannst du loben
Gott im Himmel hoch dort oben.

Unter währendem diesem Gesang bedunkt mich wahrhaftig, als wann die Nachtigall sowohl, als die Eule und Echo mit eingestimmet hätten, und wann ich den Morgenstern jemals gehöret oder dessen Melodei auf meiner Sackpfeife aufzumachen vermöcht, [23] so wäre ich aus der Hütte gewischt, meine Karte mit einzuwerfen, weil mich diese Harmonia so lieblich zu sein bedunkte; aber ich entschlief und erwachte nicht wieder bis wohl in den Tag hinein, da der Einsiedel vor mir stund und sagte: »Auf, Kleiner, ich will dir Essen geben, und alsdann den Weg durch den Wald weisen, damit du wieder zu den Leuten und noch vor Nacht in das näheste Dorf kommest!« Ich fragte ihn: »Was sind das für Dinger, Leuten und Dorf?« Er sagte: »Bist du dann niemalen in keinem Dorf gewesen und weißt auch nicht, was Leute oder Menschen seind?« – »Nein,« sagte ich, »nirgends als hier bin ich gewesen. Aber sage mir doch, was seind Leute, Menschen und Dorf?« – »Behüte Gott!« antwortete der Einsiedel, »bist du närrisch oder gescheid?« – »Nein!« sagt ich, »meiner Meuder und meines Knäns Bub bin ich, und nicht der Närrisch oder der Gescheid.« Der Einsiedel verwunderte sich mit Seufzen und Bekreuzigung und sagte: »Wohl, liebes Kind, ich bin gehalten, dich um Gottes willen besser zu unterrichten.« Darauf fielen unsere Reden und Gegenreden, wie folgend Kapitel ausweiset.

Das 8. Kapitel
Das achte Kapitel.
Simplex gibt seinen Verstand an den Tag
Durch seine törichte Antwort und Frag.

Einsiedel: Wie heißest du?

Simpl. Ich heiße Bub.

Einsied. Ich sehe wohl, daß du kein Mägdlein bist; wie hat dir aber dein Vatter und Mutter gerufen?

Simpl. Ich habe keinen Vatter oder Mutter gehabt.

Einsied. Wer hat dir dann das Hembd geben?

Simpl. Ei, mein Meuder.

Einsied. Wie hieße dich dann dein Meuder?

Simpl. Sie hat mich Bub geheißen, auch Schelm, langöhrichter Esel, ungehobelter Rültz, ungeschickter Dölpel und Galgenvogel.

Einsied. Wer ist dann deiner Mutter Mann gewesen?

Simpl. Niemand.

Einsied. Bei wem hat dann deine Meuder des Nachts geschlafen?

Simpl. Bei meinem Knän.

Einsied. Wie hat dich dann dein Knän geheißen?

[24] Simpl. Er hat mich auch Bub genennet.

Einsied. Wie hieß aber dein Knän?

Simpl. Er heißt Knän.

Einsied. Wie hat ihn aber dein Meuder gerufen?

Simpl. Knän, und auch Meister.

Einsied. Hat sie ihn niemals anders genennet?

Simpl. Ja, sie hat.

Einsied. Wie dann?

Simpl. Rülp, grober Bengel, volle Sau, alter Scheißer und noch wohl anders, wann sie haderte.

Einsied. Du bist wohl ein unwissender Tropf, daß du weder deiner Eltern, noch deinen eignen Namen nicht weißt!

Simpl. Eia, weißt dus doch auch nicht!

Einsied. Kannst du auch beten?

Simpl. Nein, unser Ann und mein Meuder haben alls das Bette gemacht.

Einsied. Ich frage nicht hiernach, sondern ob du das Vaterunser kannst?

Simpl. Ja ich.

Einsied. Nun, so sprichs dann!

Simpl. Unser lieber Vatter, der du bist Himmel, heiliget werde nam, zu kommes dein Reich, dein Will schee Himmel ad Erden, gib uns Schuld, als wir unsern Schuldigern geba, führ uns nicht in kein bös Versucha, sondern erlöß uns von dem Reich, und die Krafft, und die Herrlichkeit, in Ewigkeit, Ama.

Einsied. Bist du nie in die Kirche gangen?

Simpl. Ja, ich kann wacker steigen und Hab alls ein ganzen Busem voll Kirschen gebrochen.

Einsied. Ich sage nicht von Kirschen, sondern von der Kirchen.

Simpl. Haha, Kriechen! Gelt, es seind so kleine Pfläumlein? gelt du?

Einsied. Ach, daß Gott walte! weißt du nichts von unserm Herrn Gott?

Simpl. Ja, er ist daheim an unsrer Stubentür gestanden auf dem Helgen. Mein Meuder hat ihn von der Kürbe mitgebracht und hingekleibt.

Einsied. Ach, gütiger Gott! nun erkenne ich erst, was vor eine große Gnade und Wohltat es ist, wem du deine Erkanndnus mitteilest, und wie gar nichts ein Mensch sei, dem du solche nicht gibest. Ach Herr! verleihe mir, deinen heiligen Namen also zu ehren, daß ich würdig werde, um diese hohe Gnade so eiferig zu danken, als freigebig du gewesen, mir solche zu verleihen. Höre du, [25] Simplici (dann anders kann ich dich nicht nennen), wann du das Vaterunser betest, so mußt du also sprechen: Vater unser, der du bist im Himmel, geheiliget werde dein Name, zukomme uns dein Reich, dein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel, unser täglich Brod gib uns heut und –

Simpl. Gelt du, auch Käs darzu?

Einsied. Ach, liebes Kind, schweig und lerne! solch ist dir viel nötiger als Käs. Du bist wohl ungeschickt, wie dein Meuder gesagt hat. Solchen Buben, wie du bist, stehet nicht an, einem alten Mann in die Rede zu fallen, sondern zu schweigen, zuzuhören und zu lernen. Wüßte ich nur, wo deine Eltern wohneten, so wollte ich dich gern wieder hinbringen und sie zugleich lehren, wie sie Kinder erziehen sollten.

Simpl. Ich weiß nicht, wo ich hin soll: Unser Haus ist verbrannt und mein Meuder hinweggeloffen und wieder kommen mit dem Ursele, und mein Knän auch, und unsre Magd ist krank gewesen und ist im Stall gelegen, die hat mich fortlaufen heißen, was gist do, was host.

Einsied. Wer hat dann das Haus verbrannt?

Simpl. Ha, es sind so eiserne Männer kommen, die seind so auf Dingern gesessen, groß wie Ochsen, haben aber keine Hörner; dieselbe Männer haben Schafe und Kühe und Säu gestochen, Ofen und Fenster eingeschlagen, und da bin ich auch weggeloffen, und da ist darnach das Haus verbrannt gewesen.

Einsied. Wo war dann dein Knän?

Simpl. Ha, die eiserne Männer haben ihn angebunden, da hat ihm unsre alte Geiß die Füße gelecket, da hat mein Knän lachen müssen und hat denselben eisernen Männern viel Weißpfennige geben, große und kleine, auch hübsche gelbe, und sonst schöne glitzerechte Dinger, und hübsche Schnüre voll weiße Kügelein.

Einsied. Wann ist dies geschehen?

Simpl. Ei, wie ich der Schafe habe hüten sollen; sie haben mir auch meine Sackpfeife wollen nehmen.

Einsied. Wann hast du der Schafe sollen hüten?

Simpl. Ei, hörst du es nicht? da die eisern Männer kommen sind, und darnach hat unser strobelkopfigte Ann gesagt, ich soll auch weglaufen, sonst würden mich die Krieger mitnehmen; sie hat aber die eiserne Männer gemeinet, und da sein ich weggeloffen und sein hieherkommen.

Einsied. Wo hinaus willst du aber jetzt?

Simpl. Ich weiß weger nit! ich will bei dir hier bleiben.

Einsied. Dich hier zu behalten, ist weder meine, noch [26] deine Gelegenheit. Iß, alsdann will ich dich wieder zu Leuten führen.

Simpl. Ei, so sage mir dann auch, was Leute vor Dinger sein?

Einsied. Leut seind Menschen wie ich und du; dein Knän, deine Meuder und eure Ann seind Menschen, und wann deren viel beieinander seind, so werden sie Leute genennet.

Simpl. Haha!

Einsied. Nun gehe und iß! –

Dies war unser Diskurs, unter welchem mich der Einsiedel oft mit den allertiefsten Seufzen anschauete; nicht weiß ich, ob es darum geschahe, weil er ein so groß Mitleiden mit meiner überaus großen Einfalt und dummen Unwissenheit hatte, oder aus der Ursache, die ich erst über etliche Jahre hernacher erfuhr.

Das 9. Kapitel
Das neunte Kapitel.
Simplex ein Christenmensch anfängt zu werden,
Als er ein Bestia vor war auf Erden.

Ich fieng an zu essen und hörete auf zu papplen, welches nicht länger währete, als bis ich nach Notdurft gefüttert hatte und mich der Alte fortgehen hieß. Da suchte ich die allerzartesten Worte herfür, die mir meine bäurische Grobheit immer mehr eingeben konnte, welche alle dahin giengen, den Einsiedel zu bewegen, daß er mich bei ihm behielte. Obzwar nun es ihm beschwerlich gefallen, meine verdrüßliche Gegenwart zu gedulten, so hat er jedoch beschlossen, mich bei ihm zu leiden, mehr, daß er mich in der christlichen Religion unterrichtete, als sich in seinem vorhandenen Alter meiner Dienste zu bedienen. Seine größte Sorge war, meine zarte Jugend dörfte ein solche harte und sehr strenge Art zu leben in die Länge nicht ausharren mügen.

Eine Zeit von ungefähr drei Wochen war mein Probierjahr, in welcher eben St. Gertraud mit den Gärtnern zu Feld lag, also daß ich mich auch in deren Profession gebrauchen ließ. Ich hielt mich so wohl, daß der Einsiedel ein sonderliches Gefallen an mir hatte, nicht zwar der Arbeit halber, so ich zuvor zu vollbringen gewohnet war, sondern weil er sahe, daß ich ebenso begierig seine Unterweisungen hörete, als geschickt die wachswaiche und zwar noch glatte Tafel meines Herzens solche zu fassen sich erzeigte. Solcher Ursachen halber ward er auch desto eifriger, mich in allem [27] Guten anzuführen. Er machte den Anfang seiner Unterrichtung vom Fall Luzifers; von dannen kam er in das Paradeis; und als wir mit unsern Eltern daraus verstoßen wurden, passierte er durch das Gesetz Mosis und lernete mich vermittelst der zehen Gebote Gottes und ihren Auslegungen (von denen er sagte, daß sie eine wahre Richtschnure sein, den Willen Gottes zu erkennen und nach demselben ein heiliges, Gott wohlgefälliges Leben anzustellen), die Tugenden von den Lastern zu unterscheiden, das Gute zu tun und das Böse zu lassen. Endlich kam er auf das Evangelium und sagte mir von Christi Geburt, Leiden, Sterben und Auferstehung; zuletzt beschloß ers mit dem Jüngsten Tag und stellete mir Himmel und Hölle vor Augen, und solches alles mit gebührenden Umständen, doch nicht mit gar zu überflüssiger Weitläufigkeit; sondern wie ihn dünkte, daß ichs am allerbesten fassen und verstehen möchte. Wann er mit einer Materia fertig war, hub er eine andre an und wußte sich bisweilen in aller Gedult nach meinen Fragen so artlich zu regulieren und mit mir zu verfahren, daß ers mir auch nicht besser hätte eingießen können. Sein Leben und seine Reden waren mir eine immerwährende Predigt, welche mein Verstand, der eben nicht so gar dumm und hölzern war, vermittels göttlicher Gnade nicht ohne Frucht abgehen ließ, allermaßen ich alles dasjenige, was ein Christ wissen soll, nicht allein in gedachten dreien Wochen gefasset, sondern auch eine solche Liebe oftmals zu diesem meinem Unterrichter und zu dessen Unterricht gewonnen, daß ich des Nachts nicht davor schlafen konnte.

Ich habe seithero der Sache vielmal nachgedacht und befunden, daß Aristot. lib. 3. de Anima wohl geschlossen, als er die Seele eines Menschen einer leeren unbeschriebenen Tafel verglichen, darauf man allerhand notieren könne, und daß solches alles darumb von dem höchsten Schöpfer geschehen sei, damit solche glatte Tafel durch fleißige Impression und Übung gezeichnet und zur Vollkommenheit und Perfektion gebracht werde. Dahero dann auch sein KommentatorAverroës lib. 2. de Anima (da der Philosophus saget, der Intellektus sei alls potentia, werde aber nichts inactum gebracht, als durch die scientiam, das ist, es sei des Menschen Verstand allerdings fähig, könne aber nichts ohn fleißige Übung hineingebracht werden), diesen klaren Ausschlag gibet, nämlich, es sei diese scientia oder Übung die Perfektion der Seele, welche für sich selbst überall nichts an sich habe. Solches bestätiget Cicero lib. 2. Tuscul. quaest., welcher die Seele des Menschen ohn Lehre, Wissenschaft und Übung einem solchen Feld vergleichet, das zwar von Natur fruchtbar sei, [28] aber wann man es nicht baue und besame, gleichwohl keine Frucht bringe.

Solches alles erwiese ich mit meinem eigenen Exempel; dann daß ich alles so bald gefasset, was mir der fromme Einsiedel vorgehalten, ist daher kommen, weil er die geschlichte Tafel meiner Seel ganz leer und ohn einzige zuvor hineingedruckte Bildnüssen gefunden, so etwas anders hineinzubringen hätte hindern mögen. Gleichwohl aber ist die pure Einfalt, gegen andern Menschen zu rechnen, noch immerzu bei mir verblieben, dahero der Einsiedel (weil weder er noch ich meinen rechten Namen gewußt) mich nur Simplicium genennet.

Mit ihm lernete ich auch beten; und als er meinem steifen Vorsatz, bei ihm zu bleiben, ein Genügen zu tun entschlossen, baueten wir vor mich eine Hütte gleich der seinigen von Holz, Reisern und Erde, fast formiert wie der Musketierer im Feld ihre Zelten, oder besser zu sagen, die Bauren an teils Orten ihre Rubenlöcher haben, zwar so nieder, daß ich kaum aufrecht darin sitzen konnte. Mein Bette war von dürrem Laub und Gras, und ebenso groß als die Hütte selbst, so daß ich nicht weiß, ob ich dergleichen Wohnung oder Höhlen eine bedeckte Lägerstatt oder eine Hütte nennen soll.

Das 10. Kapitel
Das zehnte Kapitel.
Simplex lernt wunderlich lesen und schreiben,
Will auch beim Einsiedel willig verbleiben.

Als ich das erstemal den Einsiedel in der Bibel lesen sahe, konnte ich mir nicht einbilden, mit wem er doch ein solch heimlich und meinem Bedünken nach sehr ernstlich Gespräch haben müßte. Ich sahe wohl die Bewegung seiner Lippen, hörte auch das Gebrummel, hingegen aber sahe und hörte ich niemand, der mit ihm redete, und obzwar ich nichts vom Lesen und Schreiben gewußt, so merkte ich doch an seinen Augen, daß ers mit etwas in selbigem Buch zu tun hatte. Ich gab Achtung auf das Buch, und nachdem er solches beigelegt, machte ich mich darhinter, schlugs auf und bekam im ersten Griff das erste Kapitel des Hiobs und die davorstehende Figur, so ein feiner Holzschnitt und schön illuminieret war, in die Augen. Ich fragte dieselbige Bilder seltsame und meinem simplen Verstand nach ganz ungereimte Sachen. Weil mir aber keine Antwort widerfahren wollte, ward ich ungedultig und sagte eben, als der Einsiedel [29] hinter mich schlich: »Ihr kleine Hudler, habet ihr dann keine Mäuler mehr? habet ihr nicht allererst mit meinem Vatter (dann also mußte ich den Einsiedel nennen) lang genug schwätzen können? Ich sehe wohl, daß ihr auch dem armen Knän seine Schafe heimtreibet und das Haus angezündet habet. Halt, halt, ich will dies Feur noch wohl löschen und euch Einhalt tun, daß es nicht weiter Schaden tue.« Damit stund ich auf, Wasser zu holen, weil mich die Not vorhanden zu sein bedünkte. »Wohin, Simplici?« sagte der Einsiedel, den ich hinter mir nicht wußte. »Ei, Vatter!« sagte ich, »da sind auch Krieger; die haben Schafe und wollen sie wegtreiben; sie habens dem armen Mann genommen, mit dem du erst geredet hast. So brennet sein Haus auch schon liechterlohe; und wann ich nicht bald lösche, so wirds verbrennen.« Mit diesen Worten zeigte ich ihm mit dem Finger, was ich sahe. »Bleib nur!« sagte der Einsiedel, »es ist noch keine Gefahr vorhanden.« Ich antwortete meiner Höflichkeit nach: »Bist du dann blind? Wehre du, daß sie die Schafe nicht forttreiben, so will ich Wasser holen.« »Ei!« sagte der Einsiedel, »diese Bilder leben nicht, sie seind nur gemacht, uns vorlängst geschehene Dinge vor Augen zu stellen.« Ich antwortete: »Du hast ja erst mit ihnen geredet; warum wollten sie dann nicht leben?«

Der Einsiedel mußte wider seinen Willen und Gewohnheit über diese meine kindische Einfalt und einfältige Kindheit lachen und sagte: »Liebes Kind, diese Bilder können nicht reden. Was aber ihr Tun und Wesen sei, kann ich aus diesen schwarzen Linien sehen, welches man lesen nennet, und wann ich dergestalt lese, so hältest du davor, ich rede mit den Bildern, so aber nichts ist.« Ich antwortete: »Wann ich ein Mensch bin wie du, so müßte ich auch an denen schwarzen Zeilen können sehen, was du kannst. Wie soll ich mich in dein Gespräch richten? Lieber Vatter, bericht mich doch eigentlich, wie ich die Sache verstehen solle?« Darauf sagte er: »Nun wohlan, mein Sohn! ich will dich lehren, daß du so wohl als ich mit diesen Bildern wirst reden und, was sie bedeuten, wirst verstehen können. Allein wird es Zeit brauchen, in welcher ich Gedult und du Fleiß anzulegen.« Demnach schrieb er mir ein Alphabet auf birkene Rinden, nach dem Druck formiert; und als ich die Buchstaben kannte, lernete ich buchstabieren, folgends lesen, und endlich besser schreiben, als es der Einsiedel selbst konnte, weil ich alles dem Druck nachmalete.

[30]
Das 11. Kapitel
Das eilfte Kapitel.
Simplex erzählet Speis, Hausrat und Sachen,
Die der Mensch ihme zunutzen kann machen.

Zwei Jahre ungefähr, nämlich bis der Einsiedel gestorben, und etwas länger als ein halbes Jahr nach dessen Tod bin ich in diesem Wald verblieben; derohalben siehet mich vor gut an, dem kuriosen Leser, der auch oft das geringste wissen will, unser Tun, Handel und Wandel, und wie wir unser Leben durchgebracht, zu erzählen.

Unsre Speise war allerhand Gartengewächs, Rüben, Kraut, Bohnen, Erbsen, Linsen, Hirsch und dergleichen; wir verschmäheten auch keine Buchen, wilde Äpfel, Birn, Kirschen, ja die Eicheln machte uns der Hunger oft angenehm. Das Brod oder, besser zu sagen, unsere Kuchen bucken wir in heißer Asche aus zerstoßenem welschen Korn. Im Winter fiengen wir Vögel mit Sprinkeln und Stricken; im Frühling und Sommer aber bescherte uns Gott Junge aus den Nestern. Wir behalfen uns oft mit Schnecken und Fröschen; so war uns auch mit Reußen und Anglen das Fischen nicht zuwider, indem unweit von unserer Wohnung ein fisch- und krebsreicher Bach hinfloß, welches alles unser grob Gemüs hinunter convoyren mußte. Wir hatten auf eine Zeit ein junges wildes Schweinlein aufgefangen, welches wir in einen Pferch versperret, mit Eicheln und Buchen auferzogen, gemästet und endlich verzehret, weil mein Einsiedel wußte, daß solches keine Sünde sein könnte, wann man genießet, was Gott dem ganzen menschlichen Geschlecht zu solchem End erschaffen. Salz brauchten wir wenig und von Gewürz gar nichts; dann wir dörften die Lust zum Trunk nicht erwecken, weil wir keinen Keller hatten. Die Notdurft an Salz gab uns ein Pfarrer, der ungefähr 3 Meil Wegs von uns wohnete, von welchem ich noch viel zu sagen habe.

Unsern Hausrat betreffende, dessen war genug vorhanden: dann wir hatten eine Schaufel, eine Haue, eine Axt, ein Beil und einen eisernen Hafen zum Kochen, welches zwar nicht unser eigen, sondern von obgemeldtem Pfarrer entlehnet war. Jeder hatte ein abgenütztes stumpfes Messer; selbige waren unser Eigentum und sonsten nichts. Ferner bedorften wir auch weder Schüsseln, Teller, Löffel, Gabeln, Kessel, Pfannen, Rost, Bratspieß, Salzbüchs noch ander Tisch- und Küchengeschirr; dann unser Hafen war zugleich unsre Schüssel, und unsre Hände waren auch unsere Gabeln und Löffel. Wollten wir aber trinken, so geschahe es durch ein Rohr aus dem Brunnen, oder wir hiengen [31] das Maul hinein wie Gideons Kriegsleute. Von allerhand Gewand, Wolle, Seiden, Baumwolle und Leinen, beides zu Betten, Tischen und Tapezereien, hatten wir nichts, als was wir auf dem Leib trugen, weil wir vor uns genug zu haben schätzten, wann wir uns vor Regen und Frost beschützen konnten. Sonsten hielten wir in unsrer Haushaltung keine gewisse Regul oder Ordnung, außerhalb an Sonn- und Feiertägen, an welchen wir schon um Mitternacht hinzugehen anfiengen, damit wir noch frühe genug, ohn männigliches Vermerken, in obgemeldten Pfarrherrn Kirche, die etwas vom Dorf abgelegen war, kommen und dem Gottesdienst abwarten können. In derselben verfügten wir uns auf die zerbrochene Orgel, an welchem Ort wir sowohl auf den Altar als zu der Kanzel sehen konnten. Als ich das erstemal den Pfarrherrn auf dieselbige steigen sahe, fragte ich meinen Einsiedel, was er doch in demselben großen Zuber machen wollte? Nach verrichtetem Gottesdienst aber giengen wir ebenso verstohlen wieder heim, als wir hinkommen waren, und nachdem wir mit müdem Leib und Füßen zu unsrer Wohnung kamen, aßen wir mit guten Zähnen übel; alsdann brachte der Einsiedel die übrige Zeit zu mit Beten und mich in gottseligen Dingen zu unterrichten.

An den Werktägen täten wir, was am nötigsten zu tun war, je nachdem sichs fügte und solches die Zeit des Jahrs und unsre Gelegenheit erforderte. Einmal arbeiteten wir im Garten, das andere Mal suchten wir den feisten Grund an schattigen Orten und aus hohlen Bäumen zusammen, unsern Garten anstatt der Tung damit zu bessern. Bald flochten wir Körbe oder Fischreußen, oder machten Brennholz, fischten, oder täten ja so etwas wider den Müßiggang. Und unter allen diesen Geschäften ließ der Einsiedel nicht ab, mich in allem Guten getreulichst zu unterweisen. Unterdessen lernete ich in solchem harten Leben Hunger, Durst, Hitze, Kälte und große Arbeit, ja alles Ungemach überstehen, und zuvorderst auch Gott erkennen, und wie man ihm rechtschaffen dienen sollte, welches das vornehmste war. Zwar wollte mich mein getreuer Einsiedel ein mehrers nicht wissen lassen; dann er hielte darvor, es sei einem Christen genug, zu seinem Ziel und Zweck zu gelangen, wann er nur fleißig bete und arbeite; dahero es kommen, obzwar ich in geistlichen Sachen ziemlich berichtet ward, mein Christentum wohl verstund und die teutsche Sprache so schön redete, als wann sie die Orthographia selbst ausspräche, daß ich dannoch der Einfältigste verblieb, gestalten ich, wie ich den Wald verlassen, ein solcher elender Tropf in die Welt war, daß man keinen Hund mit mir aus dem Ofen hätte locken können.

[32]
Das 12. Kapitel
Das zwölfte Kapitel.
Simplex merkt eine Art, selig zu sterben,
Eine Begräbnus auch leicht zu erwerben.

Zwei Jahre ungefähr hatte ich zugebracht und das harte eremitische Leben kaum gewohnet, als mein bester Freund auf Erden seine Haue nahm, mir aber die Schaufel gab und mich seiner täglichen Gewohnheit nach an der Hand in unsern Garten führete, da wir unser Gebet zu verrichten pflegten. »Nun, Simplici, liebes Kind!« sagte er, »dieweil gottlob! die Zeit vorhanden, daß ich aus dieser Welt scheiden, die Schuld der Natur bezahlen und dich in dieser Welt hinter mir verlassen solle, zumalen deines Lebens künftige Begegnüssen beiläuftig sehe und wohl weiß, daß du in dieser Einöde nicht lang verharren wirst, so habe ich dich auf dem angetretenen Weg der Tugend stärken und dir einzige Lehren zum Unterricht geben wollen, vermittelst deren du, als nach einer unfehlbaren Richtschnur, zur ewigen Seligkeit zu gelangen, dein Leben anstellen sollest, damit du mit allen heiligen Auserwählten das Angesicht Gottes in jenem Leben ewiglich anzuschauen gewürdiget werdest.«

Diese Wort setzten meine Augen ins Wasser, wie hiebevor des Feindes Erfindung die Stadt Villingen. Einmal sie waren mir so unerträglich, daß ich sie nicht ertragen konnte, doch sagte ich: »Herzliebster Vatter, willst du mich dann allein in diesem wilden Wald verlassen? soll dann –« Mehrers vermochte ich nicht herauszubringen, dann meines Herzens Qual ward aus überflüssiger Lieb, die ich zu meinem getreuen Vatter trug, also heftig, daß ich gleichsam wie tot zu seinen Füßen niedersank. Er hingegen richtete mich wieder auf, tröstete mich, so gut es Zeit und Gelegenheit zuließ, und verwiese mir, gleichsam fragend, meinen Fehler, ob ich nämlich der Ordnung des Allerhöchsten widerstreben wollte? »Weißt du nicht,« sagte er weiters, »daß solches weder Himmel noch Hölle zu tun vermügen? Nicht also, mein Sohn! was unterstehest du dich, meinem schwachen Leib (welcher vor sich selbst der Ruhe begierig ist) aufzubürden? Vermeinest du, mich zu nötigen, länger in diesem Jammertal zu leben? Ach nein, mein Sohn, laß mich fahren, sintemal du mich ohne das weder mit Heulen, noch viel weniger mit meinem Willen, länger in diesem Elend zu verharren, wirst zwingen können, indem ich durch Gottes ausdrücklichen Willen daraus gefodert werde, welchem göttlichen Befehl ich auch mit allen, Freuden nachzukommen mich itzo bereite. Folge anstatt deines unnützen Geschreis meinen letzten Worten, welche seind, daß [33] du dich je länger je mehr selbst erkennen sollest; und wanngleich du so alt als Mathusalem würdest, so laß solche Übung nicht aus dem Herzen. Dann daß die meiste Menschen verdammt werden, ist die Ursache, daß sie nicht gewußt haben, was sie gewesen und was sie werden können oder werden müssen.« Weiters riete er mir getreulich, ich sollte mich jederzeit vor böser Gesellschaft hüten, dann derselben Schädlichkeit wäre unaussprechlich. Er gab mir dessen ein Exempel und sagte: »Wann du einen Tropfen Malvasier in ein Geschirr voll Essig schüttest, so wird er alsbald zu Essig; wirst du aber so viel Essig in Malvasier gießen, so wird er auch unter dem Malvasier hingehen. Liebster Sohn,« sagte er, »vor allen Dingen bleib standhaftig; lasse dich die Kreuzes Hitze von deinem angefangenen löblichen Werk nicht abwendig machen; dann wer verharret bis ans Ende, der wird selig. Geschiehets aber wider mein Verhoffen, daß du aus menschlicher Schwachheit fällst, so bleibe ja nicht boshaftigerweise in deinen Sünden stecken, sondern stehe durch eine rechtschaffene Buße geschwind wieder auf!«

Dieser sorgfältige fromme Mann hielt mir allein dies wenige vor, nicht zwar, als hätte er nichts mehrers gewußt, sondern darum, dieweil ich ihn erstlich meiner Jugend wegen nicht fähig genug zu sein bedünkte, ein mehrers in solchem Zustand zu fassen, und dann, weil wenig Worte besser als ein langes Geplauder im Gedächtnus zu behalten seind, und wann sie anders Saft und Nachdruck haben, durch das Nachdenken größern Nutzen schaffen als ein langer Sermon, den man ausdrücklich verstanden hat und bald wieder zu vergessen pfleget.

Diese drei Stücke: sich selbst erkennen, böse Gesellschaft meiden, und beständig verbleiben, hat dieser fromme Mann ohn Zweifel deswegen vor gut und nötig geachtet, weil er solches selbsten praktizieret, und daß es ihm dabei nicht mißlungen ist; dann, nachdem er sich selbst erkannt, hat er nicht allein böse Gesellschaften, sondern auch die ganze Welt geflohen, ist auch in solchem Vorsatz bis an das Ende verharret, an welchem ohn Zweifel die Seligkeit hänget; welchergestalt aber, folget hernach.

Nachdem er mir nun obige Stück vorgehalten, hat er mit seiner Reithaue angefangen, sein eigenes Grab zu machen; ich half, so gut ich konnte, wie er mir befahl, und bildete mir doch dasjenige nicht ein, worauf es angesehen war. Indessen sagte er: »Mein lieber und wahrer einziger Sohn (dann ich habe sonsten keine Kreatur als dich zu Ehren unsers Schöpfers erzeuget), wann meine Seele an ihren Ort gangen ist, so leiste meinem Leib deine Schuldigkeit und die letzte Ehre; scharre mich [34] mit derjenigen Erde wieder zu, die wir anjetzo aus dieser Grube gegraben haben.« Darauf nahm er mich in seine Arme und druckte mich küssend viel härter an seine Brust, als einem Mann, wie er zu sein schiene, hätte müglich sein können. »Liebes Kind!« sagte er, »ich befehle dich in Gottes Schutz und sterbe um soviel desto fröhlicher, weil ich hoffe, er werde dich darin aufnehmen.« Ich hingegen konnte nichts anders als klagen und heulen; ich hieng mich an seine Ketten, die er am Hals trug, und vermeinte, ihn damit zu halten, damit er mir nicht entgehen sollte. Er aber sagte: »Mein Sohn, laß mich, daß ich sehe, ob mir das Grab lang genug sei«, legte demnach die Ketten ab, samt dem Oberrock, und begab sich in das Grab, gleichsam wie einer, der sich sonst schlafen legen will, sprechende: »Ach großer Gott! nun nimm wieder hin die Seele, die du mir gegeben. Herr, in deine Hände befehl ich meinen Geist, etc.« Hierauf beschloß er seine Lippen und Augen sänftiglich; ich aber stund da wie ein Stockfisch und meinte nicht, daß seine liebe Seele den Leib gar verlassen haben sollte, dieweil ich ihn öfters in dergleichen Verzuckungen gesehen hatte.

Ich verharrete, wie meine Gewohnheit in dergleichen Begebenheiten war, etliche Stunden neben dem Grab im Gebet. Als sich aber mein allerliebster Einsiedel nicht mehr aufrichten wollte, stieg ich zu ihm ins Grab hinunter und fieng an, ihn zu schütteln, zu küssen und zu liebeln; aber da war kein Leben mehr, weil der grimmige unerbittliche Tod den armen Simplicium seiner holden Beiwohnung beraubet hatte. Ich begoß oder, besser zu sagen, ich balsamierte den entseelten Körper mit meinen Zähren, und nachdem ich lang mit jämmerlichem Geschrei hin und her geloffen und mich mit Haarausraufen übel gebärdet, fieng ich an, ihn mit mehr Seufzen als Schaufeln voller Grund zuzuscharren; und wann ich kaum sein Angesicht bedeckt hatte, stieg ich wieder hinunter, entblößte es wieder, damit ichs noch einmal sehen und küssen möchte. Solches trieb ich den ganzen Tag, bis ich fertig worden und auf diese Weise die funeralia, exequias und luctus gladiatoris allein geendet, weil ohn das weder Bahre, Sark, Decke, Liechter, Totenträger noch Gelaitsleute, und auch keine Klerisei vorhanden gewesen, die den Toten besungen hätten.

[35]
Das 13. Kapitel
Das dreizehnte Kapitel.
Simplex will seine Einöde verlassen,
Pflegt doch bald andre Gedanken zu fassen.

Über etliche Tage, nach meines so werten und herzlieben Einsiedels Ableiben verfügte ich mich zu obgemeldtem Pfarrer und offenbarte ihm meines Herrn Tod, begehrte benebenst Rat von ihm, wie ich mich bei so gestalter Sache verhalten sollte? Unangesehen er mir nun stark widerraten, länger im Wald zu verbleiben, und mir die augenscheinliche Gefahr, darinnen ich schwebte, vorhielte, so bin ich jedoch tapfer in meines Vorgängers Fußstapfen getretten, maßen ich den ganzen Sommer hindurch tät, was ein frommer Monachus tun soll. Aber gleichwie die Zeit alles ändert, also ringert sich auch nach und nach das Leid, so ich um meinen Einsiedel trug, und die äußerliche scharfe Winterskälte löschte die innerliche Hitze meines steifen Vorsatzes zugleich aus. Je mehr ich anfieng zu wanken, je träger ward ich in meinem Gebet, weil ich, anstatt göttliche und himmlische Dinge zu betrachten, mich die Begierde, die Welt auch zu beschauen, überherrschen ließ, und als ich dergestalt nichts nutz wurde, im Wald länger gutzutun, gedachte ich wieder zu gedachtem Pfarrer zu gehen, zu vernehmen, ob er mir noch wie zuvor aus dem Wald raten wollte. Zu solchem Ende machte ich mich seinem Dorf zu; und als ich hinkam, fand ichs in voller Flamme stehen, dann es eben eine Partei Reuter ausgeplündert, angezündet, teils Bauren niedergemacht, viel verjaget und etliche gefangen hatten, darunter auch der Pfarrer selbst war. Ach Gott! wie ist das menschliche Leben so viel Mühe und Widerwärtigkeit! Kaum hat ein Unglück aufgehöret, so stecken wir schon in einem andern. Mich verwundert nicht, daß der heidnische Philosophus Timon zu Athen viel Galgen aufrichtete, daran sich die Menschen selber aufknüpfen und also ihrem elenden Leben durch eine kurze Grausamkeit ein Ende machen sollten. Die Reuter waren eben wegfertig und führten den Pfarrer wie einen armen Sünder an dem Strick daher. Unterschiedliche schrieen: »Schieß den Schelmen nieder!« Andere aber wollten Geld von ihm haben. Er aber Hub die Hände auf und bat um des Jüngsten Gerichts willen um Verschonung und christliche Barmherzigkeit; aber umsonst; dann einer ritte ihn übern Haufen und versetzte ihm zugleich einen Paragraphum über den Kopf, daß der rote Saft darnach gieng und er im Fallen alle vier von sich streckte und Gott seine Seele befahl. Den andern noch übrigen gefangenen Bauren giengs gar nicht besser.

[36] Da es nun sahe, als ob diese Reuter in ihrer tyrannischen Grausamkeit ganz unsinnig worden wären, kam ein solcher Schwarm bewehrter Bauren aus dem Wald, als wann man in ein Wespennest gestochen hätte. Die fiengen an, so greulich zu schreien, so grimmig dareinzusetzen und daraufzuschießen, daß mir alle Haar gen Berg stunden, weil ich noch niemals bei dergleichen Kürbe gewesen; dann die Spesserter und Vogelsberger Bauren lassen sich fürwahr sowenig als die Hessen, Sauerländer und Schwarzwälder auf ihrem Mist foppen. Davon rissen die Reuter aus und ließen nicht allein das eroberte Rindviehe zurück, sondern warfen auch Sack und Pack von sich, schlugen also ihre ganze Beute in Wind, damit sie nicht selbst den Bauren zur Beute würden; doch kamen ihnen teils in die Hände, mit denen sie leiden übel umgiengen.

Diese Kurzweile benahm mir beinahe die Lust, mich aus meiner Einöde zu begeben und die Welt zu beschauen; dann ich gedachte, wann es so darin hergehet, so ist die Wildnus weit anmutiger. Doch wollte ich auch hören, was der Pfarrer darzu sagte. Derselbe war wegen empfangener Wunden und Stöße ganz matt, schwach und kraftlos; doch hielt er mir vor, daß er mir weder zu helfen noch zu raten wisse, weil er damalen selbst in einen solchen Stand geraten wäre, in welchem er besorglich das Brod am Bettelstab suchen müßte, und wanngleich ich noch länger im Wald verbleiben würde, so hätte ich mich seiner Hülfleistung nichts zu getrösten, weil, wie ich vor Augen sähe, beides, seine Kirche und Pfarrhof, im Feur stünde. Hiermit verfügte ich mich ganz traurig gegen dem Wald zu meiner Wohnung, und demnach ich auf dieser Reis sehr wenig getröstet, hingegen aber um viel andächtiger worden, beschloß ich bei mir, die Wildnus nimmermehr zu verlassen, sondern mein Leben, gleich meinem Einsiedel, in Betrachtung göttlicher Dinge zu beschließen; maßen ich schon nachgedachte, ob nicht müglich wäre, daß ich ohn Salz (so mir bisher der Pfarrer mitgeteilet hatte) leben und also aller Menschen entbehren könnte?

Das 14. Kapitel
Das vierzehnte Kapitel.
Simplex erzählt mit Entsetzen und Grausen,
Wie die Soldaten mit fünf Bauren hausen.

Damit ich aber diesem meinem Entschluß nachkommen und ein rechter Waldbruder sein möchte, zog ich meines Einsiedlers [37] hinterlassen härin Hembd an und gürtete seine Kette darüber; nicht zwar, als hätte ich sie bedörft, mein unbändig Fleisch zu mortifizieren, sondern damit ich meinem Vorfahren sowohl im Leben als im Habit gleichen, mich auch durch solche Kleidung desto besser vor der rauhen Winterskälte beschützen möchte.

Den andern Tag, nachdem obgemeldtes Dorf geplündert und verbrannt worden, als ich eben in meiner Hütte saß und zugleich neben dem Gebet gelbe Rüben zu meinem Aufenthalt im Feuer briet, umringten mich bei 40 oder 50 Musketierer; diese, obzwar sie ob meiner Person Seltsamkeit erstauneten, so durchstürmten sie doch meine Hütte, durchstankerten alles auf das genaueste und suchten, was da nicht zu finden war; dann nichts als Bücher hatte ich, die sie mir durcheinander geworfen, weil sie ihnen nichts taugten. Endlich, als sie mich besser betrachteten und an meinen Federn sahen, was vor einen schlechten Vogel sie gefangen hätten, konnten sie leicht die Rechnung machen, daß bei mir eine schlechte Beute zu hoffen. Demnach verwunderten sie sich über mein hartes und sehr strenges Leben und hatten mit meiner zarten Jugend ein großes Mitleiden, sonderlich der Offizierer, so sie kommandierte; ja er ehrte mich und begehrte gleichsam bittend, ich wollte ihm und den Seinigen den Weg wieder aus dem Wald weisen, in welchem sie schon lang in der Irre herumgangen wären. Ich widerte mich ganz nicht, sondern, damit ich dieser unfreundlichen Gäste nur desto eher wieder los werden möchte, führte sie den nächsten Weg gegen dem Dorf zu, allwo der obgemeldte Pfarrer so übel traktiert worden, dieweil ich sonst keinen andern Weg wußte. Eh wir aber vor den Wald kamen, sahen wir ungefähr einen Bauren oder zehen, deren ein Teil mit Feurrohren bewehrt, die übrigen aber geschäftig waren, etwas einzugraben. Die Musketierer giengen auf sie los und schrien: »Halt, halt!« Jene aber antworteten mit Rohren. Und wie sie sahen, daß sie von den Soldaten übermannet waren, lief einer da, der ander dort hinaus, also, daß die müden Musketier keinen von ihnen ereilen konnten. Derowegen wollten sie wieder herausgraben, was die Bauren eingescharret. Das schickte sich um so viel desto besser, weil sie die Hauen und Schaufeln, so sie gebraucht, liegen ließen. Sie hatten aber wenig Streiche getan, da höreten sie eine Stimme von unten herauf, die sagte: »O ihr leichtfertige Schelmen! O ihr Erzböswichter! O ihr verfluchte Lauren, vermeinet ihr wohl, daß der Himmel eure unchristliche Grausamkeit und Bubenstücke ungestraft hingehen lassen werde? Nein, es lebet noch mancher redlicher Kerl, durch welche eure Unmenschlichkeit dermaßen vergolten werden soll, daß euch keiner [38] von euren Nebenmenschen mehr den Hindern lecken dörfe.« Hierüber sahen die Soldaten einander an, weil sie nicht wußten, was sie tun sollten. Etliche vermeinten, sie hörten ein Gespenst; ich aber gedachte, es träume mir. Ihr Offizier hieß tapfer zu graben. Sie kamen gleich auf ein Faß, schlugens auf und fanden einen Kerl darin, der weder Nasen noch Ohren mehr hatte und gleichwohl noch lebte. Sobald sich derselbe ein wenig ermunterte und vom Haufen etliche kannte, erzählete er, was maßen die Bauren den vorigen Tag, als einzige seines Regiments auf Fütterung gewesen, ihrer sechs gefangen bekommen, davon sie allererst vor einer Stund fünfe, so hintereinander stehen müssen, totgeschossen; und weil die Kugel ihn, weil er der sechste und letzte gewesen, nicht erlanget, indem sie schon zuvor durch fünf Körper gedrungen, hätten sie ihm Nasen und Ohren abgeschnitten, zuvor aber gezwungen, daß er ihrer fünfen (s.v.) den Hindern lecken müssen. Als er sich nun von den ehr- und gottesvergessenen Schelmen so gar geschmähet gesehen, hätte er ihnen, wiewohl sie ihn mit dem Leben davonlassen wollten, die allerunnützesten Worte gegeben, die er erdenken mögen, und sie alle drei bei ihrem rechten Namen genennet, der Hoffnung, es würde ihm etwan einer aus Ungedult eine Kugel schenken. Aber vergebens; sondern, nachdem er sie verbittert gemacht, hätten sie ihn in gegenwärtig Faß gesteckt und also lebendig begraben, sprechend, weil er des Todes so eiferig begehre, wollten sie ihm zum Possen hierin nicht willfahren.

Indem dieser seinen überstandenen Jammer also klagte, kam eine andre Partei Soldaten zu Fuß überzwerchs den Wald herauf; die hatten obgedachte Bauren angetroffen, fünf davon gefangenbekommen und die übrigen totgeschossen. Unter den Gefangenen waren vier, denen der übelzugerichtete Reuter kurz zuvor so schändlich zu Willen sein müssen. Als nun beide Parteien aus dem Anschreien einander erkannten, einerlei Volk zu sein, traten sie zusammen und vernahmen wiederum vom Reuter selbst, was sich mit ihm und seinen Kameraden zugetragen. Da sollte man seinen blauen Wunder gesehen haben, wie die Bauren getrillt und geschurigelt wurden. Etliche wollten sie gleich in der ersten Furi totschießen, andere aber sagten: »Nein! man muß die leichtfertigen Vögel zuvor rechtschaffen quälen und ihnen eintränken, was sie an diesem Reuter verdienet haben.« Indessen bekamen sie mit den Musketen so treffliche Ribbstöße, daß sie hätten Blut speien mögen. Zuletzt tratt ein Soldat hervor und sagte: »Ihr Herren, dieweil es der ganzen Soldateska eine Schande ist, daß diesen Schurken (deutet damit auf den Reuter) fünf Bauren so greulich getrillt haben, so ist billig, daß wir solchen Schandflecken[39] wieder auslöschen und diese Schelmen den Reuter wieder hundertmal lecken lassen.« Hingegen sagte ein anderer: »Dieser Kerl ist nicht wert, daß ihm solche Ehre widerfahre; dann wäre er kein Bärnhäuter gewesen, so hätte er allen redlichen Soldaten zu Spott diese schändliche Arbeit nicht verrichtet, sondern wäre tausendmal lieber gestorben.« Endlich ward einhellig beschlossen, daß ein jeder von den saubergemachten Bauren solches an zehen Soldaten also wettmachen und zu jedem Mal sagen sollte: »Hiermit lösche ich wieder aus und wische ab die Schande, die sich die Soldaten einbilden empfangen zu haben, als uns ein Bärnhäuter hinten leckte.« Nachgehends wollten sie sich erst resolvieren, was sie mit den Bauren weiters anfahen wollten, wann sie diese saubere Arbeit würden verrichtet haben. Hierauf schritten sie zur Sache; aber die Bauren waren so halsstarrig, daß sie weder durch Verheißung, sie mit dem Leben davonzulassen, noch durch einzigerlei Marter hierzu gezwungen werden kunnten. Einer führete den fünften Baur, der nicht geleckt war worden, etwas beiseits und sagte zu ihm: »Wann du Gott und alle seine Heiligen verleugnen willt, so werde ich dich laufen lassen, wohin du begehrest.« Hierauf antwortete der Baur, er hätte sein Lebtage nichts auf die Heilige gehalten und auch bisher noch geringe Kundschaft mit Gott selbst gehabt, schwur auch darauf solenniter, daß er Gott nicht kenne und kein Teil an seinem Reich zu haben begehre. Hierauf jagte ihm der Soldat eine Kugel an die Stirn, welche aber so viel effektuiert, als wann sie an einen stählernen Berg gangen wäre. Darauf zuckte er seine Plaute und sagte: »Holla, bist du der Haar? ich habe versprochen, dich laufen zu lassen, wohin du begehrest; siehe, so schicke ich dich nun ins höllische Reich, weil du nicht in Himmel wilt«, und spaltete ihm damit den Kopf bis auf die Zähne voneinander. Als er dorthin fiel, sagte der Soldat: »So muß man sich rächen und diese lose Schelmen zeitlich und ewig strafen.«

Indessen hatten die andern Soldaten die übrigen vier Bauren, so geleckt waren worden, auch unterhanden; die banden sie über einen umgefallenen Baum mit Händen und Füßen zusammen, so artlich, daß sie(s.v.) den Hindern gerad in die Höhe kehrten, und nachdem sie ihnen die Hosen abgezogen, nahmen sie etliche Klafter Lunden, machten Knöpfe daran und fiedelten ihnen so unsauberlich durch solchen hindurch, daß der rote Saft hernachgieng. »Also«, sagten sie, »muß man euch Schelmen den gereinigten Hindern auströcknen.« Die Bauren schrien zwar jämmerlich, aber es war kein Erbarmen, sondern den Soldaten nur eine Kurzweil; dann sie höreten nicht auf zu sägen, [40] bis Haut und Fleisch ganz auf das Bein hinweg war. Mich aber ließen sie wieder nach meiner Hütte gehen, weil die letztgemeldte Partei den Weg wohl wußte. Also kann ich nicht wissen, was sie endlich mit den Bauren vollends angestellet haben.

Das 15. Kapitel
Das fünfzehnte Kapitel.
Simplex wird von den Soldaten spoliert,
Ihme träumt, wie es im Krieg trieben wird.

Als ich wieder heimkam, befand ich, daß mein Feurzeug und ganzer Hausrat samt allem Vorrat an meinen armseligen Essenspeisen, die ich den Sommer hindurch in meinem Garten erzogen und auf künftigen Winter vor mein Maul ersparet hatte, miteinander fort war: »Wo nun hinaus?« gedacht ich. Damals lernete mich die Not erst recht beten. Ich gebot aller meiner wenigen Witz zusammen, zu beratschlagen, was mir zu tun oder zu lassen sein möchte. Gleichwie aber meine Erfahrenheit schlecht und gering war, als konnte ich auch nichts Rechtschaffenes schließen: das beste war, daß ich mich Gott befahl und mein Vertrauen allein auf ihn zu setzen wußte, sonst hätte ich ohn Zweifel desperieren und zugrunde gehen müssen. Überdas lagen mir die Sachen mit dem verwundeten Pfarrer und denen fünf so erbärmlich gefiedelten Bauren, so ich denselben Tag gehöret und gesehen, ohn Unterlaß im Sinn: ich dachte nicht soviel um Essenspeise und meiner Erhaltung nach als derjenigen Antipathia, die sich zwischen Soldaten und Bauren enthält; doch konnte meine Alberkeit nichts ersinnen, als daß ich schlosse, auch festiglich glaubte, es müßten ohnfehlbar zweierlei Menschen in der Welt sein, so nicht einerlei Geschlechts von Adam her, sondern wilde und zahme wären, wie andere unvernünftige Tiere, weil sie einander so grausam verfolgen.

In solchen Gedanken entschlief ich vor Unmut und Kälte mit einem hungerigen Magen. Da dünkte mich, gleichwie in einem Traum, als wann sich alle Bäume, die um meine Wohnung stunden, gähling veränderten und ein ganz ander Ansehen gewönnen. Auf jedem Gipfel saß ein Kavalier, und alle Äste wurden anstatt der Blätter mit allerhand Kerlen gezieret; von solchen hatten etliche lange Spieße, andere Musketen, kurze Gewehr, Partisanen, Fähnlein, auch Trommeln und Pfeifen. Dies war lustig anzusehen, weil alles so ordentlich und fein gradweis sich aneinander teilete. Die Wurzel aber war von ungültigen [41] Leuten, als Handwerkern, Taglöhnern, mehrenteils Bauren und dergleichen, welche nichtsdestoweniger dem Baum seine Kraft verliehen und wieder von neuem mitteilten, wann er solche zuzeiten verlor; ja sie ersetzten den Mangel der abgefallenen Blätter aus den ihrigen zu ihrem eigenen noch größern Verderben. Benebenst seufzeten sie über diejenige, so auf dem Baum saßen, und zwar nicht unbillig, dann die ganze Last des Baums lag auf ihnen und druckte sie dermaßen, daß ihnen alles Geld aus den Beuteln, ja hinter sieben Schlössern herfürgieng. Wann es aber nicht herfürwollte, so striegelten sie die Kommissarii mit Besemen, die man militarische Exekution nennet, daß ihnen die Seufzer aus dem Herzen, die Tränen aus den Augen, das Blut aus den Nägeln und das Mark aus den Beinen herausgieng. Noch dannoch waren Leute unter ihnen, die man Fatzvögel nannte; diese bekümmerten sich wenig, nahmen alles auf die leichte Achsel und hatten in ihrem Kreuz anstatt des Trostes allerhand Gespei.

Das 16. Kapitel
Das sechzehnte Kapitel.
Simplex träumt ferner vom kriegerischen Leben,
Daß man Geringe nicht pfleg zu erheben.

Also mußten sich die Wurzeln dieser Bäume in lauter Mühseligkeit und Lamentieren, diejenige aber auf den untersten Ästen in viel größrer Mühe, Arbeit und Ungemach gedulden und durchbringen, doch waren diese jeweils lustiger als jene, darneben aber auch trotzig, tyrannisch, mehrenteils gottlos und der Wurzel jederzeit eine schwere unerträgliche Last. Um sie stund dieser Reim:


Hunger und Durst, auch Hitz und Kält,
Arbeit und Armut, wie es fällt,
Gewalttat, Ungerechtigkeit
Treiben wir Landsknecht allezeit.

Diese Reimen waren um so viel desto weniger erlogen, weil sie mit ihren Werken übereinstimmten; denn fressen und saufen, Hunger und Durst leiden, huren und buben, raßlen und spielen, schlemmen und demmen, morden und wieder ermordet werden, totschlagen und wieder zu Tod geschlagen werden, tribulieren und wieder gedrillt werden, jagen und wieder gejaget werden, ängstigen und wieder geängstiget werden, rauben und wieder beraubt [42] werden, plündern und wieder geplündert werden, sich förchten und wieder geförchtet werden, Jammer anstellen und wieder jämmerlich leiden, schlagen und wieder geschlagen werden, und in Summa nur verderben und beschädigen, und hingegen wieder verderbt und beschädiget werden, war ihr ganzes Tun und Wesen: woran sie sich weder Winter noch Sommer, weder Schnee noch Eis, weder Hitze noch Kälte, weder Regen noch Wind, weder Berg noch Tal, weder Felder noch Morast, weder Gräben, Pässe, Meer, Mauren, Wasser, Feur noch Wälle, weder Vatter noch Mutter, Brüder und Schwestern, weder Gefahr ihrer eigenen Leiber, Seelen und Gewissen, ja weder Verlust des Lebens noch des Himmels, oder sonst einzig ander Ding, wie das Namen haben mag, verhindern ließen. Sondern sie weberten in ihren Werken immer emsig fort, bis sie endlich nach und nach in Schlachten, Belägerungen, Stürmen, Feldzügen und in den Quartieren selbsten (so doch der Soldaten irdische Paradeis sind, sonderlich wann sie fette Bauren antreffen), umkamen, starben, verdarben und krepierten, bis auf etliche wenige, die in ihrem Alter, wann sie nicht wacker geschunden und gestohlen hatten, die allerbeste Bettler und Landstürzer abgaben. Zunächst über diesen mühseligen Leuten sassen so alte Hühnerfänger, die sich etliche Jahre mit höchster Gefahr auf den untersten Ästen beholfen, durchgebissen und das Glück gehabt hatten, dem Tod bis dahin zu entlaufen. Diese sahen ernstlich und etwas reputierlicher aus als die unterste, weil sie um einen gradum hinaufgestiegen waren. Aber über ihnen befanden sich noch höhere, welche auch höhere Einbildungen hatten, weil sie die unterste zu kommandieren: diese nannte man Wammesklopfer, weil sie den Pikenierern mit ihren Prügeln und Hellenpotzmarter den Rucken sowohl als den Kopf abzufegen und den Musketierern Baumöl zu geben pflegten, ihr Gewehr damit zu schmieren. Über diesen hatte des Baumes Stamm einen Absatz oder Unterscheid, welches ein glattes Stück war, ohn Äste, mit wunderbarlichen Materialien und seltsamer Saifen des Mißgunsts geschmieret, also daß kein Kerl, er sei dann vom Adel, weder durch Mannheit, Geschicklichkeit noch Wissenschaft hinaufsteigen konnte, Gott geb, wie er auch klettern könnte: dann es war glätter poliert als eine marmorsteinerne Säule oder stählerner Spiegel. Über demselben Ort saßen die mit den Fähnlein; deren waren teils jung und teils bei ziemlichen Jahren; die Junge hatten ihre Vettern hinaufgehoben, die Alte aber waren zum Teil von sich selbst hinaufgestiegen, entweder auf einer silbernen Leiter, die man Schmiralia nennet, oder sonst auf einem Steg, den ihnen das Glück aus Mangel anderer gelegt hatte.[43] Besser oben saßen noch höhere, die auch ihre Mühe, Sorge und Anfechtung hatten; sie genossen aber diesen Vorteil, daß sie ihre Beutel mit demjenigen Speck am besten spicken können, welchen sie mit einem Messer, das sie Kontribution nannten, aus der Wurzel schnitten; am tunlichsten und geschicktesten fiel es ihnen, wann ein Kommissarius daherkam und eine Wanne voll Geld über den Baum abschüttete, solchen zu erquicken, daß sie das Beste von oben herab auffiengen und den untersten soviel als nichts zukommen ließen. Dahero pflegten von den untersten mehr Hungers zu sterben, als ihrer vom Feinde umkamen, welcher Gefahr miteinander die höchste entübrigt zu sein schienen. Dahero war ein unaufhörliches Gekrabbel und Aufklettern an diesem Baum, weil jeder gern an den obristen glückseligen Orten sitzen wollte. Doch waren etliche faule liederliche Schlingel, die das Kommißbrod zu fressen nicht wert waren, welche sich wenig um eine Oberstelle bemüheten, und einen Weg als den andern tun mußten, was ihre Schuldigkeit erfoderte. Die Unterste, was ehrgeizig war, hoffeten auf der Obern Fall, damit sie an ihren Ort sitzen möchten, und wann es unter zehen Tausenden einem geriet, daß er so weit gelangte, so geschahe solches erst in ihrem verdrüßlichen Alter, da sie besser hintern Ofen taugten, als im Feld vorm Feind zu liegen und demselben die Spitze zu bieten; und wann schon einer wohl stund und seine Sache rechtschaffen verrichtete, auch sich tapfer in allen Gefahren verhielte, so ward er von andern geneidet oder sonst durch einen unversehenlichen unglücklichen Dunst beides, der Scharge und des Lebens, beraubt. Nirgends hielt es härter als an obgemeldtem glatten Ort; dann welcher einen guten Feldwaibel oder Scherganten hatte, verlor ihn ungern, welches aber geschehen mußte, wann man einen Fähnrich aus ihm gemachet hätte. Man nahm dahero anstatt der alten Soldaten viel lieber Plackscheißer, Kammerdiener, erwachsene Pagen, arme Edelleute, irgends Vettern und sonst Schmarotzer und Hungerleider, die denen, so etwas meritiert, das Brod vorm Maul abschnitten und Fähnrich wurden.

Das 17. Kapitel
Das siebzehnte Kapitel.
Simplex verstehet, der Adel allein
Im Krieg nicht pflegt beehret zu sein.

Dieses verdroß einen Feldwaibel so sehr, daß er trefflich anfieng zu schmälen, aber Adelhold sagte: »Weißt du nicht, daß [44] man je und allwegen die Kriegsämter mit adeligen Personen besetzt hat, als welche hierzu am tauglichsten sein? Graue Bärte schlagen den Feind nicht, man könnte sonst eine Herde Böcke zu solchem Geschäft dingen. Es heißt:


Ein junger Stier wird vorgestellt
Dem Haufen als erfahren;
Den er auch hübsch beisammen hält,
Trutz dem von vielen Jahren.
Der Hirt darf ihm vertrauen auch
Ohn Ansehn seiner Jugend,
Man judiziert nach bösem Brauch
Aus Altertum die Tugend.

Sage mir, du alter Krachwadel, ob nicht edelgeborne Offizierer von der Soldateska besser respektieret werden als diejenige, so zuvor gemeine Knechte gewesen? und was ist von Kriegsdisziplin zu halten, wo kein rechter Respekt ist? Darf nicht der Feldherr einem Kavalier mehr vertrauen, als einem Baurenbuben, der seinem Vatter vom Pflug entlaufen und seinen eigenen Eltern kein gut tun wollen? Ein rechtschaffener Edelmann, ehe er seinem Geschlecht durch Untreu, Feldflucht oder sonst etwas dergleichen einen Schandflecken anhienge, eh würde er ehrlich sterben. Zudem gebührt dem Adel der Vorzug in allwege, wie solches leg. Honor. dig. de honor. zu sehen. Johannes de Platea will ausdrücklich, daß man in Bestallung der Ämter dem Adel den Vorzug lassen und die Edelleute den Plebejis schlecht soll vorziehen; ja solches ist in allen Rechten bräuchlich und wird in Heiliger Schrift bestätiget, dann Beata terra, cujus Rex nobilis est, saget Sirach, Kap. 10, welches ein herrlich Zeugnüs ist des Vorzugs, so dem Adel gebühret. Und wann schon einer von euch ein guter Soldat ist, der Pulver riechen und in allen Begebenheiten treffliche Anschläge geben kann, so ist er darum nicht gleich tüchtig, andere zu kommandieren und vorsichtiglich sich zu verhalten; dahingegen diese Tugend dem Adel angeboren oder von Jugend auf angewöhnet wird. Seneca saget: Habet hoc proprium generosus animus, qoud concitatur ad honesta, et neminem excelsi ingenii virum humilia delectant et sordida, das ist: Ein heroisches Gemüt hat diese Eigenschaft an sich, daß es zur Ehrerjagung aufgemuntert wird; so hat auch kein hoher Geist einiges Belieben an geringen und nichtswürdigen Dingen. Welches auch Faustus Poeta in diesem Disticho exprimieret hat:


Si te rusticitas vilem genuisset agrestis,
Nobilitas animi non foret ista tui.

[45] Überdas hat der Adel mehr Mittel, ihren Untergehörigen mit Geld und den schwachen Kompagnien mit Volk zu helfen, als ein Baur. So stünde es auch nach dem gemeinen Sprichwort nicht sein, wenn man den Bauren über den Edelmann setzte; auch würden die Bauren viel zu hoffärtig, wann man sie also strack zu Herren machte, dann man saget:


Es ist kein Schwert, das schärfer schiert,
Als wann ein Baur zum Herren wird.

Hätten die Bauren durch langhergebrachte löbliche Gewohnheit die Kriegs- und andere Ämter in Possession, wie der Adel, so würden sie gewißlich so bald keinen Edelmann einkommen lassen; zudem, obschon euch Soldaten von Fortun (wie ihr genennet werdet) man oft gern helfen wollte, daß ihr zu höhern Ehren erhaben würdet, so seid ihr aber alsdann gemeiniglich schon so abgelebt, wann man euch probieret hat und eines Bessern würdig schätzet, daß man Bedenken haben muß, euch zu befördern; dann da ist die Hitze der Jugend verloschen, und gedenket ihr nur schlechts dahin, wie ihr eueren kranken Leibern, die durch viel erstandene Widerwärtigkeit ausgemergelt und zu Kriegsdiensten wenig mehr nutz seind, gütlich tun und wohl Pflegen möget, Gott gebe, wer fechte und Ehre einlege; hingegen aber ist ein junger Hund zum Jagen viel freudiger als ein alter Löw.«

Der Feldwaibel antwortete: »Welcher Narr wollte dann dienen und sich in augenscheinliche Todesgefahr begeben, wann er nicht hoffen darf, durch sein Wohlverhalten befördert und also um seine getreue Dienste belohnet zu werden. Der Teufel hole solchen Krieg! Auf diese Weise gilt es gleich, ob sich einer wohl hält oder nicht, ob einer dem Feind frisch unter die Augen tritt oder das Hasenpanier aufwirft. Ich habe von unserm alten Obristen vielmals gehöret, daß er keinen Soldaten unter sein Regiment begehre, der ihm nicht festiglich einbilde, durch Wohlverhalten ein General zu werden. So muß auch alle Welt bekennen, daß diejenige Nationen, so gemeinen, aber doch rechtschaffenen Soldaten forthelfen und ihre Tapferkeit bedenken, gemeiniglich viktorisieren, welches man an den Persern und Türken wohl siehet. Es heißt:


Die Lampe leucht dir fein, doch mußt du sie auch laben
Mit fett Olivensaft; die Flamm sonst bald verlischt:
Getreuer Dienst durch Lohn gemehrt wird und erfrischt;
Soldatentapferkeit will Unterhaltung haben.«

[46] Adelhold antwortete: »Wann man eines redlichen Manns rechtschaffene Qualitäten siehet, so wird er freilich nicht übersehen, maßen man heutigentags viel findet, welche vom Pflug, von der Nadel, von dem Schusterleist und vom Schäferstecken zum Schwert gegriffen, sich wohl gehalten und durch solche ihre heroische Tapferkeit und rühmliche Unerschrockenheit weit über den gemeinen Adel in Grafen und Freiherrenstand geschwungen. Wer war der Kaiserliche Johann von Werd? Wer der Schwedische Stallhans? wer der Hessische kleine Jakob und St. Andreas? Ihresgleichen sind noch viel bekannt, die ich Kürze halber nicht alle nennen mag. Ist also gegenwärtiger Zeit nichts Neues, wird auch bei der Posterität nicht abgehen, daß geringe, doch redliche Leute durch Krieg zu hohen Ehren gelangen, welches auch bei den Alten geschehen. Tamerlanes ist ein mächtiger König und schröckliche Forcht der ganzen Welt worden, der doch zuvor nur ein Säuhirt war. Agathokles, König in Sizilien, ist eines Häfners Sohn gewesen; Telephas, ein Wagner, ward König in Lydien; des Kaisers Valentiniani Vatter war ein Seiler; Mauritius Cappadox, ein leibeigener Knecht, ward nach Tiberio Kaiser; Johannes Zemisces kam aus der Schule zum Kaisertum. So bezeuget Flavius Vopiscus, daß Bonosus Imperator eines armen Schulmeisters Sohn gewesen sei; Hyperbolus, Chermidis Sohn, war erstlich ein Laternenmacher und nachgehends Fürst zu Athen; Justinus, so vor Justiniano regierte, war vor seinem Kaisertum ein Säuhirt; Hugo Capetus eines Metzgers Sohn, hernach König in Frankreich; Pizarus gleichfalls ein Schweinhirt und hernach Markgraf in den westindischen Ländern, welcher das Gold mit Zentnern auszuwägen hatte.«

Der Feldwaibel antwortete: »Dies alles lautet zwar wohl auf meinen Schrot, indessen sehe ich aber, daß uns die Türen, zu ein- und andrer Würde zu gelangen, durch den Adel verschlossen gehalten werden. Man setzet den Adel, wann er nur aus der Schale gekrochen, gleich an solche Örter, da wir uns nimmermehr keine Gedanken hin machen dörfen, wanngleich wir mehr getan haben als mancher Nobilist, den man jetzt für einen Obristen vorstellet. Und gleichwie unter den Bauren manch edel Ingenium verdirbt, weil es aus Mangel der Mittel nicht zu den Studiis angehalten wird, also veraltet mancher wackerer Soldat unter seiner Musket, der billiger ein Regiment meritierte und dem Feldherrn große Dienst zu leisten wüßte.«

[47]
Das 18. Kapitel
Das achtzehnte Kapitel.
Simplex das erstemal in die Welt springt,
Welches ihm aber gar übel gelingt.

Ich mochte dem alten Esel nicht mehr zuhören, sondern gönnete ihm, was er klagte, weil er oft die arme Soldaten prügelte wie die Hunde. Ich wandte mich wieder gegen die Bäume, deren das ganze Land voll stund, und sahe, wie sie sich bewegten und zusammenstießen; da prasselten die Kerl haufenweise herunter, Knall und Fall war eins; augenblicklich frisch und tot; in einem hui verlor einer einen Arm, der ander ein Bein, der dritte den Kopf gar. Als ich so zusahe, bedauchte mich, alle diejenige Bäume, die ich sahe, wären nur ein Baum, auf dessen Gipfel saße der Kriegsgott Mars und bedeckte mit des Baums Ästen ganz Europam. Wie ich davorhielt, so hätte dieser Baum die ganze Welt überschatten können, weil er aber durch Neid und Haß, durch Argwohn und Mißgunst, durch Hoffart, Hochmut und Geiz und andere dergleichen schöne Tugenden, gleichwie von scharfen Nordwinden angewehet ward, schien er gar dünn und durchsichtig, dahero einer folgende Reimen an den Stamm geschrieben hat:


Die Steineich, durch den Wind getrieben und verletzet,
Ihr eigen Äst abbricht, sich ins Verderben setzet:
Durch innerliche Krieg und brüderlichen Streit
Wird alles umgekehrt, und folget lauter Leid.

Von dem gewaltigen Gerassel dieser schädlichen Winde und Zerstümmlung des Baums selbsten ward ich aus dem Schlaf erweckt und sahe mich nur allein in meiner Hütte. Dahero fieng ich wieder an zu gedenken und in meinem Hirnhäuselein zu überschlagen, was ich doch immermehr anfangen sollte? Im Wald zu bleiben war mir unmüglich, weil mir alles so gar hinweggenommen worden, daß ich mich nicht mehr aufhalten konnte; nichts war mehr übrig als noch etliche Bücher, welche hin und her zerstreut und durcheinander geworfen lagen. Als ich solche mit weinenden Augen wieder auflase und zugleich Gott inniglich anrufte, er wollte mich doch leiten und führen, wohin ich sollte, da fand ich ungefähr ein Brieflein, das mein Einsiedel bei seinem Leben noch geschrieben hatte; das lautet also: »Lieber Simplici, wann du dies Brieflein findest, so gehe alsbald aus dem Wald und errette dich und den Pfarrer aus gegenwärtigen Nöten, dann er hat mir viel Gutes getan. Gott, den du allweg vor Augen [48] haben und fleißig beten sollest, wird dich an ein Ort bringen, das dir am bequemsten ist. Allein habe denselbigen stets vor Augen und befleißige dich, ihm jederzeit dergestalt zu dienen, als wann du noch in meiner Gegenwart im Wald wärest. Bedenke und tue ohn Unterlaß meine letzte Reden, so wirst du bestehen mögen. Vale!«

Ich küßte dies Brieflein und des Einsiedlers Grab zu viel tausend Malen und machte mich ohn ferneres Aufhalten auf den Weg, Menschen zu suchen, bis ich deren finden möchte; gieng also zween Tage einen geraden Weg fort, und wo mich die Nacht begriff, suchte ich einen hohlen Baum zu meiner Herberge; meine Zehrung war nichts anders als Buchen, die ich unterwegs auflase. Den dritten Tag aber kam ich ohnweit Gelnhausen auf ein ziemlich eben Feld; da genosse ich gleichsam eines hochzeitlichen Mahls; dann es lag überall voller Garben auf dem Feld, welche die Bauren, weil sie nach der namhaften Schlacht vor Nördlingen verjagt worden, zu meinem Glück nicht einführen können. In deren einer machte ich mein Nachtläger, weil es grausam kalt war, und sättigte mich mit ausgeriebenen Waizen, welches mir die delikateste Speise war, weil ich dergleichen lang nicht genossen.

Das 19. Kapitel
Das neunzehnte Kapitel.
Simplex wird in dem Schloß Hanau gefangen,
Saget, wie er damals einhergegangen.

Da es tagete, fütterte ich mich wieder mit Waizen, begab mich zum nächsten auf Gelnhausen und fand daselbst die Tore offen, welche zum Teil verbrannt und jedoch noch halber mit Mist verschanzt waren. Ich gieng hinein, konnte aber keines lebendigen Menschen gewahr werden; hingegen lagen die Gassen hin und her mit Toten überstreut, deren etliche aber bis aufs Hembd ausgezogen waren. Dieser jämmerliche Anblick war mir ein erschröcklich Spektakul, maßen ihm jedermann selbsten wohl einbilden kann; meine Einfalt konnte nicht ersinnen, was vor ein Unglück das Ort in einen solchen Stand gesetzt haben müßte. Ich erfuhre aber unlängst hernach, daß die kaiserliche Völker etliche Weimarische daselbst überrumpelt und also erbärmlich mit ihnen umbgangen. Kaum zween Steinwürfe weit kam ich in die Stadt, als ich mich derselben schon satt gesehen hatte; derowegen kehrete ich wieder um, gieng durch die Aue neben hin und kam auf eine gänge Landstraße, die mich vor die herrliche Festung [49] Hanau trug. Sobald ich deren erste Wacht ersahe, wollte ich durchgehen, aber mir kamen gleich zween Musketierer auf den Leib, die mich anpackten und in ihre Corps de Garde führten.

Ich muß dem Leser nur auch zuvor meinen damaligen visierlichen Aufzug erzählen, eh daß ich ihm sage, wie mirs weiter gieng; dann meine Kleidung und Gebärden waren durchaus seltsam, verwunderlich und widerwärtig, so daß mich auch der Gouverneur abmalen lassen. Erstlich waren meine Haare in dritthalb Jahren weder auf griechisch, teutsch noch französisch abgeschnitten, gekampelt, noch gekräuselt oder gebüsst worden, sondern sie stunden in ihrer natürlichen Verwirrung, noch mit mehr als jährigem Staub anstatt des Haarplunders, Puders oder Pulvers (wie man das Narren- oder Närrinwerk nennet) durchstreut, so zierlich auf meinem Kopf, daß ich darunter herfürsahe mit meinem bleichgelben Angesicht wie eine Schleiereule, die knappen will oder sonst auf eine Maus spannet. Und weil ich allzeit barhäuptig zu gehen pflegte, meine Haare aber von Natur kraus waren, hatte es das Ansehen, als wann ich einen türkischen Bund aufgehabt hätte. Der übrige Habit stimmte mit der Hauptzier überein; dann ich hatte meines Einsiedlers Rock an, wann ich denselben anders noch einen Rock nennen darf, dieweil das erste Gewand, daraus er geschnitten worden, gänzlich verschwunden, und nichts mehr davon übrig gewesen als die bloße Form, welche mehr als tausend Stücklein allerhand färbiges zusammengesetztes oder durch vielfältiges Flicken aneinandergenähetes Tuch noch vor Augen stellte. Über diesem abgangenem und doch zu viel Malen verbessertem Rock trug ich das härin Hembd, anstatt eines Schulterkleides (weil ich die Ärmel an Strümpfs Statt brauchte und dieselbe zu solchem Ende herabgetrennet hatte); der ganze Leib aber war mit eisernen Ketten, hinten und vorn fein kreuzweis, wie man St. Wilhelmum zu malen pfleget, umgürtet, so daß es fast eine Gattung abgab, wie mit denen, so vom Türken gefangen und vor ihre Freunde zu betteln im Land umziehen. Meine Schuhe waren aus Holz geschnitten und die Schuhbändel aus Rinden von Lindenbäumen gewebet; die Füße selbst aber sahen so krebsrot aus, als wann ich ein Paar Strümpfe von spanisch Leibfarbe angehabt oder sonst die Haut mit Fernambuk gefärbet hätt. Ich glaube, wann mich damals ein Gaukler, Marktschreier oder Landfahrer gehabt und vor einen Samojeden oder Grünländer dargeben, daß er manchen Narren angetroffen, der einen Kreuzer an mir versehen hätte. Obzwar nun ein jeder Verständiger aus meinem magern und ausgehungerten Anblick und hinlässiger Aufziehung unschwer [50] schließen können, daß ich aus keiner Garkuchen oder aus dem Frauenzimmer, weniger von irgendeines großen Herrn Hofhaltung entlaufen, so ward ich jedoch unter der Wacht streng examinieret, und gleichwie sich die Soldaten an mir vergafften, also betrachtete ich hingegen ihres Offizierers tollen Aufzug, dem ich Red und Antwort geben mußte. Ich wußte nicht, ob er sie oder er wäre; dann er trug Haare und Bart auf französisch, zu beiden Seiten hatte er lange Zöpfe herunterhangen wie Pferdsschwänze, und sein Bart war so elend zugerichtet und verstümpelt, daß zwischen Maul und Nase nur noch etliche wenige Haare so kurz davonkommen, daß man sie kaum sehen konnte. Nicht weniger satzten mich seine weite Hosen seines Geschlechts halber in nicht geringen Zweifel, als welche mir vielmehr einen Weiberrock als ein paar Mannshosen vorstellten. Ich gedachte bei mir selbst: ist dieser ein Mann, so sollte er auch einen rechtschaffenen Bart haben, weil der Geck nicht mehr so jung ist, wie er sich stellet. Ist es aber ein Weib, warum hat die alte Hure dann so viel Stoppeln ums Maul? Gewißlich ist es ein Weib, gedachte ich, dann ein ehrlicher Mann wird seinen Bart wohl nimmermehr so jämmerlich verketzern und verstümmeln lassen; maßen die Böcke aus großer Schamhaftigkeit keinen Tritt unter frembde Herden gehen, wann man ihnen die Bärte stutzte. Und demnach ich also im Zweifel stund und nicht wußte, was die jetzige Mode war, hielt ich ihn endlich vor Mann und Weib zugleich.

Dieses männische Weib oder dieser weibische Mann, wie er mir vorkam, ließ mich überall besuchen, fand aber nichts bei mir als ein Büchlein von Birkenrinden, darin ich meine tägliche Gebet geschrieben und auch dasjenige Zettelein liegen hatte, das mir mein frommer Einsiedel, wie in vorigem Kapitel gemeldet worden, zum Valete hinterlassen. Solches nahm er mir; weil ichs aber ungern verlieren wollte, fiel ich vor ihm nieder, faßte ihn um beide Kniee und sagte: »Ach mein lieber Hermaphrodit, laßt mir doch mein Gebetbüchlein!« – »Du Narr,« antwortete er, »wer Teufel hat dir gesagt, daß ich Hermann heiße?« Befahl darauf zweien Soldaten, mich zum Gubernator zu führen, welchen er besagtes Buch mitgab, weil der Phantast ohndas, wie ich gleich merkte, selbst weder lesen noch schreiben konnte.

Also führete man mich in die Stadt, und jedermann lief zu, nicht anders, als wann ein Meerwunder auf die Schau geführet würde; und gleichwie mich jedweder sehen und meine wunderliche Gestalt genauer betrachten wollte, also machte auch jeder etwas Besonders aus mir. Etliche hielten mich vor einen Spionen, andere vor einen Unsinnigen, andere vor einen wilden Menschen, [51] und aber andere vor einen Geist, Gespenst oder sonst vor ein Wunder, welches etwas Besonders bedeuten würde. Auch waren etliche, die hielten mich vor einen Narren, welche wohl am nächsten zum Zweck geschossen haben möchten, wann ich den lieben Gott nicht gekannt hätte.

Das 20. Kapitel
Das zwanzigste Kapitel.
Simplex wird in das Gefängnus geführet,
Mitten in Ängsten noch Linderung spüret.

Als ich vor den Gubernator gebracht ward, fragte er mich, wo ich herkäme. Ich aber antwortete, ich wüßte es nicht. Er fragte weiter: »Wo willst du dann hin?« Ich antwortete abermal: »Ich weiß nicht!« – »Was Teufel weißt du dann?« fragte er ferner; »was ist dann deine Hantierung?« Ich antwortete noch wie vor, ich wüßte es nicht. Er fragte: »Wo bist du zu Haus?«, und als ich wiederum antwortete, ich wüßte es nicht, veränderte er sich im Gesicht, nicht weiß ich, obs aus Zorn oder Verwunderung geschahe. Dieweil aber jedermann das Böse zu argwähnen pfleget, zumalen der Feind in der Nähe war, als welcher allererst, wie gemeldet, die vorige Nacht Gelnhausen eingenommen und ein Regiment Dragoner darin zuschanden gemachet hatte, fiel er denen bei, die mich vor einen Verräter oder Kundschafter hielten, befahl darauf, man sollte mich besuchen. Als er aber von den Soldaten von der Wacht, so mich zu ihm geführet hatten, vernahme, daß solches schon beschehen und anders nichts bei mir wäre gefunden worden als gegenwärtiges Büchlein, welches sie ihm zugleich überreichten, las er ein paar Zeilen darnach und fragte mich, wer mir das Büchlein geben hätte. Ich antwortete, es wäre von Anfang mein eigen gewesen; dann ich hätte es selbst gemacht und überschrieben. Er fragte, warum eben auf birkene Rinden. Ich antwortete, weil sich die Rinden von andern Bäumen nicht darzu schicken. »Du Flegel,« sagte er, »ich frage, warumb du nicht auf Papier geschrieben hast.« – »Ei!« antwortete ich, »wir haben keins mehr im Wald gehabt.« Der Gubernator fragte: »Wo, in welchem Wald?« Ich antwortete wieder auf meinen alten Schrot, ich wüßte es nicht.

Da wandte sich der Gubernator zu etlichen von seinen Offizierern, die ihm eben aufwarteten, und sagte: »Entweder ist dieser ein Erzschelm oder gar ein Narr. Zwar kann er kein [52] Narr sein, weil er so schreibt.« Und indem, als er so redet, blättert er in meinem Büchlein so stark herum, ihnen meine schöne Handschrift zu weisen, daß des Einsiedlers Brieflein herausfallen mußte. Solches ließ er aufheben; ich aber entfärbte mich darüber, weil ich solches vor meinen höchsten Schatz und Heiligtum hielt, welches der Gubernator wohl in acht nahm und daher noch einen größern Argwohn der Verräterei schöpfte, vornehmlich als er das Brieflein aufgemacht und gelesen hatte; dann er sagte: »Ich kenne einmal diese Hand und weiß, daß sie von einem mir wohlbekannten Kriegsoffizier ist geschrieben worden; ich kann mich aber nicht erinnern, von welchem.« So kam ihm auch der Inhalt selbst gar seltsam und unverständlich vor, dann er sagte: »Dies ist ohn Zweifel eine abgeredte Sprache, die sonst niemand verstehet als derjenige, mit dem sie abgeredet worden.« Mich aber fragte er, wie ich hieße, und als ich antwortete: »Simplicius,« sagte er: »Ja, ja, du bist eben des rechten Krauts! Fort, fort, daß man ihn alsobald an Hand und Fuß in Eisen schließe, damit man etwas anders aus dem Gesellen bringen möge.« Also wanderten beide obgemeldte Soldaten mit mir nach meiner bestimmten neuen Herberge, nämlich dem Stockhaus, zu und überantworteten mich dem Gewaltiger, welcher mich seinem Befehl gemäß mit eisernen Banden und Ketten an Handen und Füßen noch ein mehrers zierte, gleichsam als hätte ich nicht genug an deren zu tragen gehabt, die ich bereits umb den Leib herumbgebunden hatte.

Dieser Anfang, mich zu bewillkommen, war der Welt noch nicht genug, sondern es kamen Henker und Steckenknechte mit grausamen Folterungsinstrumenten, welche mir, unangesehen ich mich meiner Unschuld zu getrösten hatte, meinen elenden Zustand allererst grausam machten. »Ach Gott!« sagte ich zu mir selber, »wie geschiehet mir so recht! Simplicius ist darum aus dem Dienst Gottes in die Welt gelaufen, damit eine solche Mißgeburt des Christentums den billigen Lohn empfahe, den ich mit meiner Leichtfertigkeit verdienet habe. O du unglückseliger Simplici! wohin bringet dich deine Undankbarkeit? Siehe, Gott hatte dich kaum zu seiner Erkenntnüs und in seine Dienste gebracht, so laufst du hingegen aus seinen Diensten und kehrest ihm den Rücken! Hättest du nicht mehr Eicheln und Bohnen essen können wie zuvor, deinem Schöpfer unverhindert zu dienen? Hast du nicht gewußt, daß dein getreuer Einsiedel und Lehrmeister die Welt geflohen und ihm die Wildnüs auserwählet? O blindes Bloch! du hast dieselbe verlassen, in Hoffnung, deinen schändlichen Begierden, die Welt zu sehen, genugzutun. Aber nun [53] schaue, indem du vermeinest, deine Augen zu weiden, mußt du in diesem gefährlichen Irrgarten untergehen und verderben. Hast du, unweiser Tropf, dir nicht zuvor können einbilden, daß dein seliger Vorgänger der Welt Freude um sein hartes Leben, das er in der Einöde geführet, nicht würde vertauschet haben, wann er in der Welt den wahren Frieden, eine rechte Ruhe und die ewige Seligkeit zu erlangen getrauet hätte? Du armer Simplici, jetzt fahre hin und empfahe den Lohn deiner gehabten eitelen Gedanken und vermessenen Torheit! Du hast dich keines Unrechten zu beklagen, auch keiner Unschuld zu getrösten, weil du selber deiner Marter und darauf folgendem Tod bist entgegengeeilet und dir also bevorstehendes Unglück selbsten hast über den Hals gebracht!« Also klagte ich mich selbst an, bat Gott umb Vergebung und befahl ihm meine Seele. Indessen näherten wir dem Diebsturn, und als die Not am größten, da war die Hülfe Gottes am nähesten. Dann als ich mit den Schergen umgeben war und samt einer großen Menge Volks vorm Gefängnüs stund, zu warten, bis es aufgemachet und ich hineingetan würde, wollte mein Pfarrherr, dem neulich sein Dorf geplündert und verbrannt worden, auch sehen, was da vorhanden wäre (dann er lag zunächst dabei auch im Arrest). Als dieser zum Fenster aussahe und mich erblickte, rufte er überlaut: »O Simplici! bist du es?« Als ich ihn hörete und sahe, konnte ich nichts anders, als daß ich beide Hände gegen ihm aufhub und schrie: »O Vatter! O Vatter! O Vatter!« Er aber fragte, was ich getan hätte? Ich antwortete, ich wüßte es nicht; man hätte gewißlich mich darum daher geführet, weil ich aus dem Wald entlaufen wäre. Als er aber vom Umstand vernahm, daß man mich vor einen Verräter hielte, bat er, man wollte mit mir inhalten, bis er meine Beschaffenheit dem Herrn Gouverneur berichtet hätte, dann solches beides zu meiner und seiner Erledigung taugen und verhüten würde, daß sich der Herr Gouverneur an uns beiden nicht vergreife, sintemal er mich besser kenne als sonst kein Mensch.

Das 21. Kapitel
Das einundzwanzigste Kapitel.
Simplex bekommt durch Gottes Geschick
Von dem Glück einen sehr freundlichen Blick.

Ihm ward erlaubt, zum Gubernator zu gehen; und über eine halbe Stunde hernach ward ich auch geholt und in die Gesindstube gesetzet, allwo sich schon zween Schneider, ein [54] Schuster mit Schuhen, ein Kaufmann mit Hüten und Strümpfen und ein anderer mit allerhand Gewand eingestellt, damit ich ehist gekleidet würde. Da zog man mir meinen allenthalben zerlumpten und von vielfärbigen Flecken zusammgespickten Rock ab samt der Ketten und dem härinen Hemd, auf daß die Schneider das Maß recht nehmen könnten. Folgends erschiene ein Feldscherer mit scharfer Lauge und wohlriechender Seife; und eben als dieser seine Kunst an mir üben wollte, kam ein ander Befelch, welcher mich greulich erschreckte, weil er lautete, ich sollte meinen Habit stracks wieder anziehen. Solches war nicht so bös gemeint, wie ich wohl besorgte; dann es kam gleich ein Maler mit seinem Werkzeug daher, nämlich mit Minien und Zinnober zu meinen Auglidern, mit Lack, Endig und Lasur zu meinen korallenroten Lippen, mit Auripigmentum, Rauschschütt und Bleigelb zu meinen weißen Zähnen, die ich vor Hunger bleckte, mit Kühnruß, Kohlschwärz und Umbra zu meinen gelben Haaren, mit Bleiweiß zu meinen gräßlichen Augen, und mit sonst vielerlei Farben zu meinem wetterfarbigen Rock; auch hatte er eine ganze Hand voll Pensel. Dieser fieng an, mich zu beschauen, abzureißen, zu untermalen, den Kopf über eine Seite zu hängen, um seine Arbeit gegen meiner Gestalt genau zu betrachten. Bald änderte er die Augen, bald die Haare, geschwind die Nasenlöcher, und in Summa alles, was er im Anfang nicht recht gemachet, bis er endlich ein natürliches Muster entworfen hatte, wie Simplicius eins war, daß ich mich über meine eigne gräßliche Gestalt heftig entsetzte. Alsdann dorfte allererst der Feldscherer auch über mich herwischen: derselbe zwagte mir den Kopf und richtete wohl anderthalbe Stunde an meinen Haaren; folgends schnitt er sie ab auf die damalige Mode, dann ich hatte Haar übrig. Nachgehends satzte er mich in ein Badstüblein und säuberte meinen magern ausgehungerten Leib von mehr als drei- oder vierjährigen Unlust. Kaum war er fertig, da brachte man mir ein weißes Hemd, Schuhe und Strümpfe samt einem Überschlag oder Kragen, auch Hut und Feder; so waren die Hosen auch schön ausgemacht, und überall mit Galaunen verbrämt, allein manglets noch am Wams, daran die Schneider zwar auf die Eil arbeiteten. Der Koch stellete sich mit einem kräftigen Süpplein ein und die Kellerin mit einem Trunk. Da saß mein Herr Simplicius wie ein junger Graf, zum besten akkommodiert. Ich zehrte tapfer zu, unangesehen ich nicht wußte, was man mit mir machen wollte; dann ich wußte noch von keinem Henkermahl nichts. Dahero tät mir die Erkostung dieses herrlichen Anfangs so trefflich kirr und sanft, daß ichs keinem Menschen genugsam sagen, rühmen und aussprechen kann. [55] Ja, ich glaube schwerlich, daß ich mein Lebtag einzigesmal eine größere Wollust empfunden als eben damals. Als nun das Wams fertig war, zog ichs auch an und stellete in diesem neuen Kleid ein solch ungeschickte Postur vor Augen, daß es sahe wie ein Trophäum, oder als wann man einen Zaunstecken gezieret hätte, weil mir die Schneider die Kleider mit Fleiß zu weit machen mußten, um der Hoffnung willen, die man hatte, ich würde in kurzer Zeit zulegen, in welcher gefaßten Hoffnung sie auch nicht betrogen wurden, sintemal ich bei so guter Schnabelweit und Maulfutter augenscheinlich zunahme. Mein Waldkleid samt der Ketten und aller Zugehör ward hingegen in die Kunstkammer zu andern raren Sachen und Antiquitäten getan und mein Bildnüs in Lebensgröße darneben gestellet.

Nach dem Nachtessen ward mein Herr (der war ich) in ein Bette geleget, dergleichen mir niemals weder bei meinem Knän noch Einsiedel zuteil wor den; aber mein Bauch kurrete und murrete die ganze Nacht hindurch daß ich nicht schlafen konnte, vielleicht keiner andern Ursach halber, als weil er entweder noch nicht wußte, was gut war, oder weil er sich über die anmütige neue Speisen, die ihm zuteil worden, verwunderte. Ich blieb aber einen Weg als den andern liegen, bis die liebe Sonne wieder leuchtete (dann es war kalt), und betrachtete, was vor seltsame Anstände ich nun etliche Tage gehabt, und wie mir der liebe Gott so treulich durchgeholfen und mich an ein so gutes Ort geführet hätte.

Das 22. Kapitel
Das zweiundzwanzigste Kapitel.
Simplex hört, wer sein Einsiedler gewesen,
Der ihn gelernet hat schreiben und lesen.

Denselben Morgen befahl mir des Gouverneurs Hofmeister, ich sollte zu obgemeldtem Pfarrer gehen und vernehmen, was sein Herr meinetwegen mit ihm geredet hätte. Er gab mir einen Leibschützen mit, der mich zu ihm brachte; der Pfarrer aber führet mich in sein Museum, satzte sich, hieß mich auch sitzen und sagte: »Lieber Simplici, der Einsiedel, bei dem du dich im Wald aufgehalten, ist nicht allein des hiesigen Gouverneurs Schwager, sondern auch im Krieg sein Beförderer und wertester Freund gewesen. Wie dem Gubernator mir zu erzählen beliebet, so ist demselben von Jugend auf weder an Tapferkeit eines heroischen Soldaten, noch an Gottseligkeit und Andacht, die sonst einem Religioso zuständig, niemal nichts abgangen, welche beide Tugenden [56] man zwar selten beieinander zu finden pflegt. Sein geistlicher Sinn und widerwärtige Begegnüssen hemmeten endlich den Lauf seiner weltlichen Glückseligkeit, so daß er seinen Adel und ansehenliche Güter in Schotten, da er gebürtig, verschmähete und hindansetzete, weil ihm alle Welthändel abgeschmackt, eitel und verwerflich vorkamen. Er verhoffte mit einem Wort, seine gegenwärtige Hoheit um eine künftige bessere Glori zu verwechseln, weil sein hoher Geist einen Ekel an allem zeitlichen Pracht hatte, und sein Dichten und Trachten war nur nach einem solchen erbärmlichen Leben gerichtet, darin du ihn im Wald angetroffen und bis in seinen Tod Gesellschaft geleistet hast. Meines Erachtens ist er durch Lesung vieler papistischen Bücher von dem Leben der alten Eremiten (oder auch durch das widrige und ungünstige Glück) hierzu verleitet worden.

Ich will dir aber auch nicht verhalten, wie er in den Spessert und seinem Wunsch nach zu solchem armseligen Einsiedlerleben kommen sei, damit du inskünftige auch andern Leuten etwas davon zu erzählen weißt. Die zweite Nacht hernach, als die blutige Schlacht vor Höchst verloren worden, kam er einzig und allein vor meinen Pfarrhof, als ich eben mit meinem Weib und Kindern gegen dem Morgen entschlafen war, weil wir wegen des Lärmens im Land, den beides, die Flüchtige und Nachjagende, in dergleichen Fällen zu erregen pflegen, die vorige ganze und auch selbige halbe Nacht durch und durch gewachet hatten. Er klopfte erstlich sittig an und folgends ungestüm genug, bis er mich und mein schlaftrunken Gesind erweckte; und nachdem ich auf sein Anhalten und wenig Wortwechseln, welches beiderseits gar bescheiden fiel, die Türe geöffnet, sahe ich den Kavalier von seinem mutigen Pferd steigen; sein kostbarlich Kleid war ebensosehr mit seiner Feinde Blut besprengt, als mit Gold und Silber verbrämt, und weil er seinen bloßen Degen noch in der Faust hielt, so kam mich Forcht und Schrecken an. Nachdem er ihn aber einsteckte und nichts als lauter Höflichkeit vorbrachte, hatte ich Ursache, mich zu verwundern, daß ein so wacker Herr einen schlechten Dorfpfarrer so freundlich um Herberge anredete. Ich sprach ihn seiner schönen Person und seines herrlichen Ansehens halber vor den Mansfelder selbst an. Er aber sagte, er sei demselben vor diesmal nur in der Unglückseligkeit nicht allein zu vergleichen, sondern auch vorzuziehen. Drei Dinge beklagte er, nämlich: 1. seine verlorne hochschwangre Gemahlin, 2. die verlorne Schlacht und 3. daß er nicht gleich andern redlichen Soldaten in derselben vor das Evangelium sein Leben zu lassen das Glück gehabt hätte. Ich wollte ihn trösten, sahe aber bald, [57] daß seine Großmütigkeit keines Trostes bedorfte; demnach teilte ich mit, was das Haus vermochte, und ließ ihm ein Soldatenbett von frischem Stroh machen, weil er in kein anders liegen wollte, wiewohl er der Ruhe sehr bedürftig war. Das erste, das er den folgenden Morgen tät, war, daß er mir sein Pferd schenkte und sein Geld (so er an Gold in keiner kleinen Zahl bei sich hatte) samt etlich köstlichen Ringen unter meine Frau, Kinder und Gesinde austeilete. Ich wußte nicht, wie ich mit ihm dran war, und konnte so geschwind nicht in ihn mich richten, weil die Soldaten viel eher zu nehmen als zu geben pflegen; trug derowegen Bedenkens, so große Verehrungen anzunehmen, und wandte vor, daß ich solches um ihn nicht meritieret noch hinwiederum zu verdienen wisse; zudem, sagte ich, wann man solchen Reichtum, und sonderlich das köstliche Pferd, welches sich nicht verbergen ließe, bei mir und den Meinigen sehe, so würde männiglich schließen, ich hätte ihn berauben oder gar ermorden helfen. Er aber sagte, ich sollte diesfalls ohn Sorg leben, er wollte mich vor solcher Gefahr mit seiner eigenen Handschrift versichern; ja er begehre sogar, sein Hemd, geschweige seine Kleider, aus meinem Pfarrhof nicht zu tragen. Und mit dem öffnete er mir seinen Vorsatz, ein Einsiedel zu werden. Ich wehrete mit Händen und Füßen, was ich konnte, weil mich bedünkte, daß solch Vorhaben zumal nach dem Papsttum schmecke, mit Erinnerung, daß er dem Evangelio mehr mit seinem Degen würde dienen können. Aber vergeblich; dann er machte so lang und viel mit mir, bis ich alles eingieng und ihn mit denjenigen Büchern, Bildern und Hausrat mondierte, die du bei ihm gefunden, wiewohl er nur der wüllinen Decke, darunter er dieselbige Nacht auf dem Stroh geschlafen, vor all dasjenige begehrte, das er mir verehret hatte; daraus ließ er ihm einen Rock machen. So mußte ich auch meine Wagenketten, die er stetig getragen, mit ihm um eine göldene, daran er seiner Liebsten Contrafait trug, vertauschen, also daß er weder Geld noch Geldes Wert behielt. Mein Knecht führte ihn an das einödiste Ort des Walds und half ihm daselbst seine Hütte aufrichten. Wasgestalt er nun sein Leben daselbst zugebracht und womit ich ihm zuzeiten an die Hand gangen und ausgeholfen, weißt du so wohl, ja zum Teil besser als ich.

Nachdem nun neulich die Schlacht vor Nördlingen verloren und ich, wie du weißt, rein ausgeplündert und zugleich übel beschädiget worden, habe ich mich hieher in Sicherheit geflehnet, weil ich ohn das schon meine beste Sachen hier hatte. Und als mir die bare Geldmittel aufgehen wollten, nahm ich drei Ringe und obgemeldte goldene Kette mitsamt dem anhangenden Conterfait, [58] so ich von deinem Einsiedel hatte, maßen sein Petschierring auch darunter war, und trugs zu einem Juden, solches zu versilbern; der hat es aber der Köstlichkeit und schönen Arbeit wegen dem Gubernator käuflich angetragen, welcher das Wappen und Conterfait stracks gekannt, nach mir geschickt und gefragt, woher ich solche Kleinodien bekommen? Ich sagte ihm die Wahrheit, wiese des Einsiedlers Handschrift oder Übergabsbrief auf und erzählete allen Verlauf, auch wie er im Wald gelebet und gestorben. Er wollte solches aber nicht glauben, sondern kündete mir den Arrest an, bis er die Wahrheit besser erführe; und indem er im Werk begriffen war, eine Partei auszuschicken, den Augenschein seiner Wohnung einzunehmen und dich hieher holen zu lassen, so sehe ich dich in Turn führen. Weil dann der Gubernator nunmehr an meinem Vorgeben nicht zu zweiflen Ursache hat, indem ich mich auf den Ort, da der Einsiedel gewohnet, item auf dich und andere lebendige Zeugen mehr, insonderheit aber auf meinen Mesner berufen, der dich und ihn oft vor Tags in die Kirche gelassen, zumalen auch das Brieflein, so er in deinem Gebetbüchlein gefunden, nicht allein der Wahrheit, sondern auch des seligen Einsiedlers Heiligkeit ein treffliches Zeugnüs gibet; als will er dir und mir wegen seines Schwagers sel., soviel ihme möglich, Gutes tun und uns reichlich versorgen. Du darfst dich jetzt nur resolvieren, was du willt, daß er dir tun soll. Willt du studieren, so will er die Unkosten darzu geben; hast du Lust, ein Handwerk zu lernen, so will er dich eins lernen lassen; willt du aber bei ihm verbleiben, so will er dich wie sein eigen Kind halten, dann er sagte, wann auch ein Hund von seinem Schwager sel. zu ihm käme, so wolle er ihn aufnehmen.« Ich antwortete, es gelte mir gleich; was der Herr Gubernator mit mir mache, das seie mir angenehm und könne mir nicht anders als beliebig fallen.

Das 23. Kapitel
Das dreiundzwanzigste Kapitel.
Simplex wird zu einem Page erkoren,
Seines Einsiedlers Frau wurde verloren.

Der Pfarrer zögerte mich auf in seinem Losament bis 10 Uhr, eh er mit mir zum Gouverneur gieng, ihm meinen Entschluß zu sagen, damit er bei demselben, weil er eine freie Tafel hielt, zu Mittags Gast sein könne; dann es war damals Hanau blockiert und eine solche klemme Zeit bei dem gemeinen Mann, bevorab den geflehnten Leuten in selbiger Festung, daß auch etliche, die [59] sich etwas einbildeten, die angefrorne Rübschälen auf der Gassen, so die Reiche etwan hinwarfen, aufzuheben nicht verschmäheten. Es glückte ihm auch so wohl, daß er neben dem Gouverneur selbst über der Tafel zu sitzen kam, ich aber wartete auf mit einem Teller in der Hand, wie mich der Hofmeister anwiese, in welches ich mich zu schicken wußte, wie ein Esel ins Schachspiel und ein Schwein zur Maultrommel. Aber der Pfarrer ersatzte allein mit seiner Zunge, was die Ungeschicklichkeit meines Leibs nicht vermochte. Er sagte, daß ich, in der Wildnüs erzogen, niemals bei Leuten gewesen und dahero wohl vor entschuldigt zu halten, weil ich noch nicht wissen könnte, wie ich mich halten sollte; meine Treue, die ich dem Einsiedel erwiesen, und das harte Leben, so ich bei demselben überstanden, wären verwundernswürdig und allein wert, nicht allein meine Ungeschicklichkeit zu gedulden, sondern auch mich dem feinsten Edelknaben vorzuziehen. Weiters erzählete er, daß der Einsiedel alle seine Freude und Ergötzlichkeit, auch höchstes Belieben an mir gehabt, weil ich, wie er öfters gesagt, seiner Liebsten von Angesicht so ähnlich sei, und daß er sich oft über meine Beständigkeit und unveränderlichen Willen, bei ihm zu bleiben, und sonst noch über viel Tugenden, die er an mir gerühmt, verwundert hätte. In Summa, er konnte nicht gnugsam aussprechen, wie mit ernstlicher Inbrünstigkeit er kurz vor seinem Tod mich ihm, Pfarrern, rekommendieret und bekannt hätte, daß er mich so sehr als sein eigen Kind liebe.

Dieses kützelte mich dermaßen in Ohren, daß mich bedünkte, ich hätte schon Ergötzlichkeit genug vor alles dasjenige empfangen, das ich je bei dem Einsiedel ausgestanden. Der Gouverneur fragte, ob sein sel. Schwager nicht gewußt hätte, daß er derzeit in Hanau kommandiere? »Freilich,« antwortete der Pfarrer, »ich hab es ihm selbst gesagt. Er hat es aber (zwar mit einem fröhlichen Gesicht und kleinem Lächlen) so kaltsinnig angehört, als ob er niemals keinen Ramsay gekannt hätte, also daß ich mich noch, wann ich der Sache nachdenke, über dieses Manns Beständigkeit und festen Vorsatz verwundern muß, wie er nämlich über sein Herz bringen können, nicht allein der Welt abzusagen, sondern auch seinen besten Freund, den er doch in der Nähe hatte, so gar aus dem Sinn zu schlagen.« Dem Gouverneur, der sonst kein weichherzig Weibergemüt hatte, sondern ein tapferer heroischer Soldat war, stunden die Augen voll Wasser. Er sagte: »Hätte ich gewußt, daß er noch im Leben, und wo er anzutreffen gewest wäre, so wollt ich ihn auch wider seinen Willen haben zu mir holen lassen, damit ich ihm seine Guttaten hätte erwidern können; weil mirs aber das Glück mißgönnet, als will ich anstatt seines[60] seinen Simplicium versorgen und mich ihme auch nach dem Tod auf solche Weise dankbar erzeigen. Ach!« sagte er weiters, »der redliche Kavalier hat wohl Ursache gehabt, seine schwangere Gemahlin zu beklagen; dann sie ist von einer Partei kaiserl. Reuter im Nachhauen, und zwar auch im Spessert, gefangen worden. Als ich solches erfahren und nichts anders gewußt, als mein Schwager sei bei Höchst tot geblieben, habe ich gleich einen Trompeter zum Gegenteil geschickt, meiner Schwester nachzufragen und dieselbe zu ranzionieren, habe aber nichts anders damit ausgerichtet, als daß ich erfahren, gemeldte Partei Reuter sei im Spessert von etlichen Bauren zertrennt und in solchem Gefecht meine Schwester von ihnen wieder verloren worden, also daß ich noch bis auf diese Stunde nicht weiß, wohin sie kommen.«

Dieses und dergleichen war des Gouverneurs und Pfarrers Tischgespräch von meinem Einsiedel und seiner Liebsten, welches Paar Ehevolk um soviel desto mehr bedauret wurde, weil sie einander nur ein Jahr gehabt hatten. Aber ich ward also des Gubernators Page und ein solcher Kerl, den die Leute, sonderlich die Bauren, wann ich sie bei meinem Herrn anmelden sollte, bereits Herr Jung nannten, wiewohl man selten einen Jungen siehet, der ein Herr gewesen, aber wohl Herren, die zuvor Jungen waren.

Das 24. Kapitel
Das vierundzwanzigste Kapitel.
Simplex durchziehet und tadelt die Leut,
Sieht viel Abgötterei zu seiner Zeit.

Damals war bei mir nichts Schätzbarliches als ein reines Gewissen und aufrichtig frommes Gemüt zu finden, welches mit der edlen Unschuld und Einfalt begleitet und umgeben war. Ich wußte von den Lastern nichts anders, als daß ich sie etwan hören nennen oder davon gelesen hatte, und wann ich deren eins würklich begehen sahe, war mirs eine erschröckliche und seltene Sache, weil ich erzogen und gewehnet worden, die Gegenwart Gottes allezeit vor Augen zu haben und aufs ernstlichste nach seinem heiligen Willen zu leben; und weil ich denselben wußte, pflegte ich der Menschen Tun und Wesen gegen demselben abzuwägen. In solcher Übung bedünkte mich, ich sähe nichts als eitel Greuel. Herrgott! wie verwunderte ich mich anfänglich, wann ich das Gesetz und Evangelium samt den getreuen Warnungen Christi betrachtete und hingegen derjenigen Werke ansahe, [61] die sich vor seine Jünger und Nachfolger ausgaben! Ach leider! Anstatt der aufrichtigen Meinung, die ein jedweder rechtschaffener Christ haben soll, fand ich eitel Heuchelei und sonst so unzählbare Torheiten bei allen fleischlich gesinneten Weltmenschen, daß ich auch zweifelte, ob ich Christen vor mir hätte oder nicht? Dann ich konnte leichtlich merken, daß männiglich den ernstlichen Willen Gottes wüßte; ich merkte aber hingegen keinen Ernst, denselben zu vollbringen.

Also hatte ich wohl tausenderlei Grillen und seltsame Gedanken in meinem Gemüt und geriet in schwere Anfechtung wegen des Befelchs Christi, da er spricht: »Richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet!« Nichtsdestoweniger kamen mir die Worte Pauli zu Gedächtnüs, die er zun Gal. am 5. Kap. schreibet: »Offenbar sind alle Werke des Fleisches, als da sind Ehebruch, Hurerei, Unreinigkeit, Unzucht, Abgötterei, Zauberei, Feindschaft, Hader, Neid, Zorn, Zank, Zweitracht, Rotten, Haß, Mord, Saufen, Fressen und dergleichen, von welchen ich euch habe zuvor gesagt, und sage es noch wie zuvor, daß, die solches tun, werden das Reich Gottes nicht ererben!« Da gedachte ich: »Das tut ja fast jedermann offentlich, warum sollte dann ich nicht auch auf des Apostels Wort offenherzig schließen dörfen, daß auch nicht jedermann selig werde?«

Nächst der Hoffart und dem Geiz samt deren ehrbaren Anhängen waren Fressen und Saufen, Huren und Buben bei den Vermüglichen eine tägliche Übung; was mir aber am allererschröcklichsten vorkam, war dieser Greuel, daß etliche, sonderlich Soldatenbursch, bei welchen man die Laster nicht am ernstlichsten zu strafen pfleget, beides, aus ihrer Gottlosigkeit und dem heiligen Willen Gottes selbsten, nur einen Scherz machten und denselben ganz heroischerweise durchzogen. Zum Exempel, ich hörete einsmals einen Ehebrecher, welcher wegen vollbrachter Tat noch gerühmt sein wollte, diese gottlose Worte sagen: »Es tuts dem gedultigen Hahnrei genug, daß er meinetwegen ein Paar Hörner trägt, und wann ich die Wahrheit bekennen soll, so hab ichs mehr dem Mann zuleid als der Frau zulieb getan, damit ich mich an ihm rächen möge.« – »O kahle Rache!« antwortete ein ehrbar Gemüt, so dabei stund, »dadurch man sein eigen Gewissen beflecket und den schändlichen Namen eines Ehebrechers überkommt!« – »Was Ehebrecher?« antwortete er ihm mit einem höhnischen Gelächter, »ich bin darum kein Ehebrecher, wannschon ich diese Ehe ein wenig gebogen habe. Dies seind Ehebrecher, wovon das sechste Gebot saget, allwo es verbeut, daß keiner einem andern in Garten steigen und die Kirschen eher brechen solle als [62] der Eigentumsherr.« Und daß solches also zu verstehen sei, erklärte er gleich darauf nach seinem Teufels-Catechismo das siebende Gebot, welches diese Meinung deutlicher vorbringe, indem es saget: »Du sollt nicht stehlen, etc.« Solcher Worte trieb er viel, also daß ich bei mir selbst seufzete und gedachte: »O gotteslästerlicher Sünder! du nennest dich selbst einen Ehebieger und den gütigen Gott einen Ehebrecher, weil er Mann und Weib durch den Tod voneinander trennet.« – »Meinest du nicht,« sagte ich aus übrigem Eifer und Verdruß zu ihm, wiewohl er ein Offizier war, »daß du dich mit diesen gottlosen Worten mehr versündigest als mit dem Ehebruch selbst?« Er aber antwortete mir: »Halts Maul, du Mauskopf! soll ich dir ein paar Ohrfeigen geben?« Ich glaube auch, daß ich solche dicht und dutzentweis bekommen, wann der Kerl meinen Herrn nicht hätte förchten müssen. Ich aber schwieg still und sahe nachgehends, daß es gar keine seltene Sache war, wann sich Ledige nach Verehlichten und Verehlichte nach Ledigen umsahen und ihrer geilen Buhlerliebe Zügel und Zaum schießen ließen.

Als ich noch bei meinem Einsiedel den Weg zum ewigen Leben studierete, verwunderte ich mich, warum doch Gott seinem Volk die Abgötterei so hochsträflich verboten; dann ich bildete mir ein, wer einmal den wahren ewigen Gott erkannt hätte, der würde wohl nimmermehr keinen andern ehren und anbeten, schloß also in meinem dummen Sinn, dies Gebot sei unnötig und vergeblich gegeben worden. Aber ach! ich Narr wußte nicht, was ich gedachte; dann sobald ich in die Welt kam, vermerkte ich, daß (dies Gebot unangesehen) beinahe jeder Weltmensch einen besondern Nebengott hatte; ja etliche hatten wohl mehr als die alte und neue Heiden selbsten. Etliche hatten den ihrigen in der Küsten, auf welchen sie allen Trost und Zuversicht satzten; mancher hatte den seinen bei Hof, zu welchem er alle Zuflucht gestellet, der doch nur ein Favorit und oft ein liederlichrer Bärnhäuter war, als sein Anbeter selbst, weil seine lüftige Gottheit nur auf des Prinzen aprilenwetterischen Gunst bestund. Andere hatten den ihrigen in Reputation und weltlichen Ansehen und bildeten sich ein, wann sie nur dieselbige erhielten, so wären sie selbst auch halbe Götter. Noch andere hatten den ihrigen im Kopf, nämlich diejenige, denen der wahre Gott ein gesund Hirn verliehen, also daß sie einzige Künste und Wissenschaften zu fassen geschickt waren. Dieselbe satzten den gütigen Geber auf eine Seite und verließen sich auf die Gabe, in Hoffnung, sie würde ihnen alle Wohlfahrt verleihen. Auch waren viel, deren Gott ihr eigener Bauch war, welchem sie täglich die Opfer raichten, wie vorzeiten die Heiden [63] dem Bacho und der Cereri getan; und wann solcher sich unwillig erzeigte oder sonst die menschliche Gebrechen sich anmeldeten, so machten die elende Menschen einen Gott aus dem Medico und suchten ihres Lebens Aufenthalt in der Apotheke, aus welcher sie zwar öfters mit ihrer äußersten Ungedult und Desperation zum Tod befördert wurden. Manche Narren machten ihnen Göttinnen aus glatten Metzen; dieselbe nannten sie mit andern Namen, beteten sie Tag und Nacht an mit vielen tausend Seufzen und machten ihnen Lieder, welche nichts anders als ihr Lob in sich hielten, benebens einem demütigen Bitten, daß solche mit ihrer Torheit ein barmherziges Mitleiden tragen und auch zu Närrinnen werden wollten, gleichwie sie selbst Narren sein.

Hingegen waren Weibsbilder, die hatten ihre eigne Schönheit vor ihren Gott aufgeworfen. »Diese«, gedachten sie, »wird mich wohl vermannen; Gott im Himmel sage darzu, was er will.« Dieser Abgott ward anstatt anderer Opfer täglich mit allerhand Schminke, Salben, Wassern, Pulvern und sonst Schmiersel unterhalten und verehret. Ich sahe Leute, die wohlgelegene Häuser vor Götter hielten; dann sie sagten, solang sie darin gewohnet, wäre ihnen Glück und Heil zugestanden und das Geld gleichsam zum Fenster hineingefallen, welcher Torheit ich mich höchstens verwunderte, weil ich die Ursache sahe, warum die Einwohner so guten Zuschlag gehabt. Ich kannte einen Kerl, der konnte in etlichen Jahren vor dem Tabakhandel nicht recht schlafen, weil er demselben sein Herz, Sinne und Gedanken, die allein Gott gewidmet sein sollten, geschenket hatte; er schickte demselben so tags als nachts so viel tausend Seufzer, weil er dadurch prosperierte. Aber was geschahe? Der Phantast starb und fuhr dahin wie der Tabakrauch selbst. Da gedachte ich: »O du elender Mensch, du dem nichtigen Rauch gleich verschwundener Mensch! wäre dir deiner Seelen Seligkeit und des wahren Gottes Ehre so hoch angelegen gewesen als der Abgott, der in Gestalt eines Brasilianers mit einer Rolle Tabak unterm Arm und einer Pfeifen im Maul auf deinem Gaden stehet, so lebte ich der unzweifligen Zuversicht, du hättest ein herrliches Ehrenkränzlein, in jener Welt zu tragen, erworben.« Ein ander gesell hatte noch wohl liederlichere Götter; dann als bei einer Gesellschaft von jedem erzählet ward, auf was Weise er sich in dem greulichen Hunger und teuren Zeit ernähret und durchgebracht, sagte dieser mit teutschen Worten, die Schnecken und Frösche sein sein Herrgott gewesen, er hätte sonst in Mangel ihrer müssen Hungers sterben. Ich fragte ihn, was ihm dann damals Gott selbst gewesen wäre, der ihm solche Insecta zu seinem Aufenthalt bescheret hätte? [64] Der Tropf aber wußte nichts zu antworten, und ich mußte mich um soviel desto mehr verwundern, weil ich noch nirgends gelesen, daß die alte abgöttische Ägyptier, noch die neulichste Amerikaner jemals dergleichen Ungeziefer vor Gott ausgeschrieen, wie dieser Geck täte.

Ich kam einsmals mit einem vornehmen Herrn in eine Antiquitäten- und Kunstkammer, darin schöne Raritäten waren. Unter den Gemälden gefiel mir nichts besser als ein Ecce-Homo wegen seiner erbärmlichen Darstellung, mit welcher es die Anschauer gleichsam zum Mitleiden verzuckte. Darneben hieng eine papierne Karte, in China gemalt; darauf stunden der Chineser Abgötter, in ihrer Majestät sitzend, deren teils wie die Teufel gestaltet waren. Der Herr im Haus fragte mich, welches Stück in seiner Kunstkammer mir am besten gefiele? Ich deutete auf besagtes Ecce-Homo. Er aber sagte, ich irre mich; das Chineser Gemäld wäre rarer und dahero auch köstlicher; er wolle es nicht um zehen solcher Ecce-Homo manglen. Ich antwortete: »Herr! ist euer Herz wie euer Mund?« Er sagte: »Ich versehe michs.« Darauf sagte ich: »So ist auch euers Herzens Gott derjenige, dessen Conterfait ihr mit dem Munde bekennet, das köstlichste zu sein.« – »Phantast,« sagte jener, »ich ästimiere die Rarität.« Ich antwortete: »Was ist seltener und verwundernswürdiger, als daß Gottes Sohn selbst unsertwegen gelitten, wie uns dies Bildnis vorstellet?«

Das 25. Kapitel
Das fünfundzwanzigste Kapitel.
Simplex kann sich in die Welt nicht recht schicken,
Und die Welt pflegt ihn auch scheel anzublicken.

So sehr wurden nun diese und noch eine größere Menge anderer Art Abgötterei nicht geehret, so sehr ward hingegen die wahre göttliche Majestät verachtet; dann gleichwie ich niemand sahe, der sein Wort und Gebot zu halten begehrte, also sahe ich hingegen viel, die ihm in allem widerstrebten und die Zöllner (welche zu den Zeiten, als Christus noch auf Erden wandelte, offene Sünder waren) mit Bosheit übertrafen. Christus spricht: »Liebet euere Feinde, segnet, die euch fluchen, tut wohl denen, die euch hassen, bittet vor die, so euch beleidigen und verfolgen, auf daß ihr Kinder seid euers Vaters im Himmel; dann so ihr liebet, die euch lieben, was werdet ihr für Lohn haben? tun solches nicht auch die Zöllner? und so ihr euch nur zu eueren Brüdern freundlich tut, was tut ihr Sonderliches? tun nicht die [65] Zöllner auch also?« Aber ich fand nicht allein niemand, der diesem Befelch Christi nachzukommen begehrte, sondern jedermann tät gerad das Widerspiel und täte schnurstracks darwider; es hieß: »Viel Schwäger, viel Knebelspieße«; und nirgends fand sich mehr Neid, Haß, Mißgunst, Hader und Zank als zwischen Brüdern, Schwestern und andern angebornen Freunden, sonderlich wann ihnen ein Erb zu teilen zugefallen war; da stritten sie wohl Jahr und Tag miteinander mit solcher Verbitterung, daß sie in grimmer Wut die Türken und Tartern weit übertrafen. Auch sonst haßte das Handwerk allerorten einander, also daß ich handgreiflich sehen und schließen mußte, daß vor diesem die offene Sünder, Publikanen und Zöllner, welche wegen ihrer Bosheit und Gottlosigkeit bei männiglich verhaßt waren, uns heutigen Christen mit Übung der brüderlichen Liebe weit überlegen gewesen, maßen ihnen Christus selbsten das Zeugnus gibet, daß sie sich untereinander geliebet haben. Dahero betrachtete ich, wann wir keinen Lohn haben, so wir die Feinde nicht lieben, was vor große Strafen wir dann gewärtig sein müssen, wann wir auch unsere Freunde hassen. Wo die größte Liebe und Treue sein sollte, fand ich die höchste Untreue und den gewaltigsten Haß, Zank, Zorn, Feindschaft und Widerwärtigkeit. Mancher Herr schund seine getreue Diener und Untertanen; hingegen wurden etliche Untertanen an ihren frommen Herren zu Schelmen. Den kontinuierlichen Zank vermerkte sich zwischen vielen Eheleuten; mancher Tyrann hielt sein ehrlich Weib ärger als einen Hund, und manche lose Vettel ihren frommen Mann vor einen Narren und Esel. Viel hündische Herren und Meister betrogen ihre fleißige Dienstboten umb ihren gebührenden Lohn und schmälerten beides, Speis und Trank; hingegen sahe ich auch viel untreu Gesinde, die ihre fromme Herren entweder durch Diebstahl oder Fahrlässigkeit ins Verderben satzten. Die Handelsleute und Handwerker rannten mit dem Judenspieß gleichsam um die Wette und sogen durch allerhande Fünde und Vörtel dem Bauersmann seinen sauren Schweiß ab; hingegen waren teils Bauren so gar gottlos, daß sie sich auch darum bekümmerten, wann sie nicht rechtschaffen genug mit Bosheit durchtrieben waren, andere Leute oder auch wohl ihre Herren selbst unterm Schein der Einfalt zu berufen. Ich sahe einsmals einen Soldaten einem andern eine dichte Maulschelle geben und bildete mir ein, der Geschlagene würde den andern Backen auch darbieten (weil ich noch niemal bei keiner Schlägerei gewesen). Aber ich irrete, dann der Beleidigte zog von Leder und versetzte dem Täter eine Wunde davor an Kopf. Ich schrie ihm überlaut zu und sagte: »Ach Freund! [66] was machst du?« – »Da war einer ein Bärnhäuter,« antwortete jener; »ich will mich, der Teufel hol, etc. selbst rächen oder das Leben nicht haben! Hei, müßte doch einer ein Schelm sein, der sich so kujonieren ließe.« Der Lärmen zwischen diesen zweien Duellanten ergrößerte sich, weilen beiderseits Beiständer samt dem Umstand und Zulauf einander auch in die Haare kamen; da hörete ich schwören bei Gott und ihren Seelen so leichtfertig, daß ich nicht glauben konnte, daß sie diese vor ihr edelstes Kleinod hielten. Aber das war nur Kinderspiel; dann es blieb bei so geringen Kinderschwüren nicht, sondern es folgte gleich hernach: »Schlag mich der Donner, der Blitz, der Hagel! zerreiß und hol mich der, etc.! ja nicht einer allein, sondern hunderttausend, und führen mich in die Luft hinweg!« Die Hl. Sacramenta mußten nicht nur siebenfältig, sondern auch mit hunderttausenden, so viel Tonnen, Galeeren und Stadtgräben voll heraus, also daß mir abermal alle Haare gen Berg stunden. Ich gedachte: »Sollen das Christen sein, wo bleibt dann der Befelch Christi, da er saget: Ihr sollet allerdings nicht schwören, weder bei dem Himmel, dann er ist Gottes Stuhl, noch bei der Erden, dann sie ist seiner Füße Schemel, noch bei Jerusalem, dann sie ist eines großen Königs Statt; auch sollt du nicht bei deinem Haupt schwören, dann du vermagst nicht ein einziges Haar weiß oder schwarz zu machen; eure Rede aber sei Ja, Ja, Nein, Nein! was drüber ist, das ist vom Übel.« Dieses alles, und was ich sahe und hörete, erwug ich und schloß festiglich, daß diese Balger keine Christen sein, suchte derowegen eine andre Gesellschaft.

Zum allererschröcklichsten kam mir vor, wann ich etliche Großsprecher sich ihrer Bosheit, Sünden, Schande und Laster rühmen hörete; dann ich vernahm zu unterschiedlichen Zeiten, und zwar täglich, daß sie sagten: »Potz Blut, wie haben wir gestern gesoffen!« »Ich habe mich in einem Tag wohl dreimal vollgesoffen und ebenso vielmal gekotzt.« »Potz Stern, wie haben wir die Bauren, die Schelmen, tribuliert!« »Potz Strahl, wie haben wir Beuten gemacht!« »Potz hundert Gift, wie haben wir einen Spaß mit den Weibern und Mägden gehabt!« Item: »Ich habe ihn darnieder gehauen, als wann ihn der Hagel hätte niedergeschlagen.« »Ich habe ihn geschossen, daß er das Weiße über sich kehrte.« »Ich habe ihn so artlich über den Dölpel geworfen, daß ihn der Teufel hätte holen mögen.« »Ich habe ihm den Stein gestoßen, daß er den Hals hätte brechen mögen.« »Ich habe ihn getrillet, daß er hätte Blut speien mögen.« Solche und dergeichen unchristliche Reden erfülleten mir alle Tage die Ohren, und überdas, so hörete und sahe ich auch in Gottes Namen sündigen, [67] welches wohl zu erbarmen ist. Von den Kriegern ward es am meisten praktiziert, wann sie nämlich sagten: »Wir wollen in Gottes Namen auf Partei, plündern, mitnehmen, totschießen, niedermachen, angreifen, gefangennehmen, in Brand stecken«, und was ihrer schröcklichen Arbeiten und Verrichtungen mehr sein mögen. Also wagens auch die Wucherer mit dem Verkauf in Gottes Namen, damit sie ihrem teuflischen Geiz nach schinden und schaben mögen. Ich habe zween Mausköpfe sehen hängen, die wollten einsmals bei der Nacht stehlen, und als sie die Leiter angestellet und der eine in Gottes Namen einsteigen wollte, warf ihn der wachtsame Hausvatter ins Teufels Namen wieder herunter, davon er ein Bein zerbrach und also gefangen und über etliche Tage hernach samt seinem Kamerad aufgeknüpfet ward. Wann ich nun so etwas hörete, sahe und beredete, wie meine Gewohnheit war, mit der Hl. Schrift hervorwischte oder sonst treuherzig abmahnete, so hielten mich die Leute vor einen Narren und Schwärmer; ja ich ward meiner guten Meinung halber so oft ausgepfiffen, verhöhnet und ausgelachet, daß ich endlich auch unwillig ward und mir vorsatzte, gar zu schweigen, welches ich doch aus christlicher Liebe nicht halten konnte. Ich wünschete, daß jedermann bei meinem Einsiedel wäre auferzogen worden, der Meinung, es würde alsdann auch männiglich der Welt Wesen mit Simplicii Augen ansehen, wie ichs damals beschauete. Ich war nicht so witzig, wann lauter Simplici in der Welt wären, daß man alsdann auch nicht so viel Laster sehen werde. Indessen ist doch gewiß, daß ein Weltmensch, welcher aller Untugenden und Torheiten gewohnt und selbsten mitmachet, im wenigsten nicht empfinden kann, auf was vor einer bösen Straße er mit seinen Gefährten wandelt.

Das 26. Kapitel
Das sechsundzwanzigste Kapitel.
Simplex hat von den Soldaten vernommen,
Wie sie einander schön heißen willkommen.

Als ich nun vermeinete, ich hätte Ursache zu zweifeln, ob ich unter Christen wäre oder nicht, gieng ich zu dem Pfarrer und erzählte alles, was ich gehöret und gesehen, auch was ich vor Gedanken hatte, nämlich daß ich die Leute nur vor Spötter Christi und seines Worts und keine Christen hielte, mit Bitte, er wolle mir doch aus dem Traum helfen, damit ich wisse, wovor ich meine Nebenmenschen halten sollte. Der Pfarrer antwortete: [68] »Freilich sind sie Christen, und wollte ich dir nicht raten, daß du sie anderst nennen solltest.« – »Mein Gott!« sagte ich, »wie kann es sein? dann wann ich einem oder dem andern seinen Fehler, den er wider Gott begehet, verweise und guter Meinung zu Gemüt führe, so werde ich verspottet und ausgelacht.« – »Dessen verwundere dich nicht!« antwortete der Pfarrer; »ich glaube, wann unsere erste fromme Christen, die zu Christi Zeiten gelebt, ja die Aposteln selbst anjetzo auferstehen und in die Welt kommen sollten, daß sie mit dir eine gleiche Frage tun und endlich auch so wohl als du von jedermänniglich vor Narren gehalten würden. Das, was du bisher siehest und hörest, ist eine gemeine Sache und nur Kinderspiel gegen demjenigen, das sonsten so heimlich als öffentlich und mit Gewalt wider Gott und den Menschen vorgehet und in der Welt verübet wird. Aber laß dich das nicht ärgern! Du wirst wenig Christen finden, wie Herr Samuel sel. einer gewesen ist.«

Indem als wir so miteinander redeten, führet man etliche, so vom Gegenteil waren gefangen worden, übern Platz, welches unsern Diskurs zerstörete. Weil wir die Gefangene auch beschaueten, da vernahm ich eine Unsinnigkeit, dergleichen ich mir nicht hätte dörfen träumen lassen. Es war aber eine neue Mode, einander zu grüßen und zu bewillkommen, dann einer von unsrer Garnison, welcher hiebevor dem Kaiser auch gedienet hatte, kannte einen von den Gefangenen; zu dem gieng er, gab ihm die Hand, druckte jenem die seinige vor lauter Freude und Treuherzigkeit und sagte: »Daß dich der Hagel erschlage (altteutsch), lebst du auch noch, Bruder? Potz Fickerment, wie führt uns der Teufel hier zusammen! Ich habe, schlag mich der Donner, vorlängst gemeint, du wärst gehängt worden!« Darauf antwortete der ander: »Potz Blitz, Bruder! bist dus, oder bist dus nicht? Daß dich der Teufel hole! wie bist du hieher kommen? Ich hätte mein Lebtag nicht gemeint, daß ich dich wieder antreffen würde, sondern habe gedacht, der Teufel hätte dich vorlängst hingeführet.« Und als sie wieder voneinander giengen, sagte einer zum andern anstatt behüte dich Gott: »Strick zu! Strick zu! morgen kommen wir vielleicht zusammen, dann wollen wir brav miteinander saufen und uns exzellent lustig machen.«

»Ist das nicht ein schöner gottseliger Willkomm?« sagte ich zum Pfarrer; »sind das nicht herrliche christliche Wünsche? haben diese nicht einen heiligen Vorsatz auf den morgenden Tag? wer wollte sie vor Christen erkennen oder ihnen ohn Erstaunen zuhören? wann sie einander aus christlicher Liebe so zusprechen, wie wird es dann hergehen, wann sie miteinander zanken? Herr [69] Pfarrer, wann dies Schäflein Christi sind, Ihr aber dessen bestellter Hirt, so will Euch gebühren, sie auf eine bessere Weide zu führen.« – »Ja,« antwortete der Pfarrer, »liebes Kind! es gehet bei den gottlosen Soldaten nicht anders her, Gott erbarm es! Wanngleich ich etwas sagte, so wäre es so viel, als wann ich Tauben predigte, und ich hätte nichts anders davon als dieser gottlosen Bursch gefährlichen Haß.« Ich verwunderte mich, schwätzte noch eine Weile mit dem Pfarrer und gieng, dem Gubernator aufzuwarten; dann ich hatte gewisse Zeiten Erlaubnus, die Stadt zu beschauen und zum Pfarrer zu gehen, weil mein Herr von meiner Einfalt Wind hatte und gedachte, solche würde sich legen, wann ich herumterminierte, etwas sähe, hörete und von andern geschulet oder, wie man saget, gehobelt und gerülpt würde.

Das 27. Kapitel
Das siebenundzwanzigste Kapitel.
Simplex macht einen Rauch in die Kanzelei,
Daß ihn auch selbsten ist übel darbei.

Meines Herrn Gunst vermehrte sich täglich und ward je länger je größer gegen mir, weil ich nicht allein seiner Schwester, die den Einsiedel gehabt hatte, sondern auch ihm selbsten je länger je gleicher sahe, indem die gute Speisen und faule Täge mich in Kürze glatthärig machten und mich anmutig genug vorstelleten. Diese Gunst genosse ich bei jedermänniglich; dann wer etwas mit dem Gubernator zu tun hatte, der erzeigte sich mir auch günstig, und sonderlich mochte mich der Secretarius wohl leiden: indem mich derselbe rechnen lernen mußte, hatte er manche Kurzweile von meiner Einfalt und Unwissenheit. Er war erst von den Studien kommen und stak dahero noch voller Schulpossen, die ihm zuzeiten ein Ansehen gaben, als wann er einen Sparrn zu viel oder zu wenig gehabt hätte. Er überredete mich oft, schwarz sei weiß und weiß sei schwarz; dahero kam es, daß ich ihm in der erste alles und aufs letzte gar nichts mehr glaubte. Ich tadelte ihm einsmals sein schmierig Tintenfaß, er aber antwortete, solches sei sein bestes Stück in der ganzen Kanzelei, dann aus demselben lange er heraus, was er begehre; die schönste Dukaten, Kleider und in Summa, was er vermöchte, hätte er nach und nach herausgefischt. Ich wollte nicht glauben, daß aus einem so kleinen verächtlichen Ding so herrliche Sachen zu bekommen wären; hingegen sagte er, solches vermöge der Spiritus Papyri (also nannte er die Tinte), und das Tintenfaß würde darum ein Faß genennet, [70] weil es große Sachen fasse. Ich fragte, wie mans dann heraus bringen könnte, sintemal man kaum zween Finger hineinstecken möchte? Er antwortete, er hätte einen Arm im Kopf, der solche Arbeit verrichten müsse; er verhoffe, ihm bald auch eine schöne reiche Jungfer herauszulangen, und wann er das Glück hätte, so getraue er auch, eigen Land und Leute herauszubringen, welches gar nichts Neues sei, sondern wohl ehemals geschehen wäre. Ich mußte mich über diese künstliche Griffe verwundern und fragte, ob noch mehr Leute solche Kunst könnten oder dieselbe zu begreifen fähig wären. »Freilich!« antwortete er, »alle Kanzler, Doktorn, Secretarii, Procuratorn oder Advokaten, Commissarii, Notarii, Kauf- und Handelsherren und sonst unzählig viel andere mehr, welche gemeiniglich, wann sie nur fleißig fischen und ihr Interesse fleißig in acht genommen, zu reichen Herren daraus werden.« Ich sagte: »So seind die Bauren und andere arbeitsame Leute nicht witzig, daß sie im Schweiß ihres Angesichts ihr Brod essen und diese Kunst nicht auch lernen.« Er antwortete: »Etliche wissen der Kunst Nutzen nicht, dahero begehren sie solche auch nicht zu lernen; etliche wolltens gern lernen, manglen aber des Arms im Kopf oder anderer Mittel; etliche lernen die Kunst und haben Arms genug, wissen aber die Griffe nicht, so die Kunst erfodert, wann man dadurch will reich werden; andere wissen und können alles, was dazu gehöret, sie wohnen aber an der Fehlhalde und haben keine Gelegenheit wie ich, die Kunst rechtschaffen zu üben.«

Als wir dergestalt vom Tintenfaß (welches mich allerdings an des Fortunati Säckel gemahnete) diskurierten, kam mir das Titularbuch ungefähr in die Hände; darin fand ich meines damaligen Davorhaltens mehr Torheiten, als mir bishero noch nie vor Augen kommen. Ich sagte zum Secretario: »Dieses alles sind ja Adamskinder und eines Gemächts miteinander, und zwar nur von Staub und Asche! Wo kommt dann ein so großer Unterscheid her? Allerheiligst, Unüberwindlichst, Durchleuchtigst! Sind das nicht göttliche Eigenschaften? Hier ist einer Gnädig, dort ist der ander Gestreng, und was muß allzeit das Geborn darbei tun? man weiß ja wohl, daß keiner vom Himmel fällt, auch keiner aus dem Wasser entstehet und daß keiner aus der Erde wächst wie ein Krautskopf. Warum stehen nur Hoch-, Wohl-, Vor-, Großgeachte da und keine Geneunte? oder wo bleiben die Gefünfte, Gesechste und Gesiebende? was ist das vor ein närrisch Wort: Vorsichtig? welchem stehen dann die Augen hinten im Kopf.« Der Secretarius mußte meiner lachen und nahm die Mühe, mir eines und des andern Titul und alle Worte insonderheit [71] auszulegen; ich aber beharrete darauf, daß die Titul nicht recht geben würden; es wäre einem viel rühmlicher, wann er Freundlich titulieret würde, als Gestreng. Item, wann das Wort Edel an sich selbsten nichts anders als hochschätzbarliche Tugenden bedeute, warum es dann, wann es zwischen Hochgeborn (welches Wort einen Fürsten oder Grafen anzeige) gesetzt werde, solchen fürstlichen Titul verringere? Das Wort Wohlgeborn sei eine ganze Unwahrheit; solches würde eines jeden Barons Mutter bezeugen, wann man sie fragte, wie es ihr bei ihres Sohns Geburt ergangen wäre.

Indem ich nun dieses also belachte, entrann mir unversehens ein solcher grausamer Leibsdunst, daß beides, ich und der Secretarius, darüber erschraken. Dieser meldete sich augenblicklich sowohl in unsern Nasen als in der ganzen Schreibstube so kräftig an, gleichsam als wann man ihn zuvor nicht genug gehöret hätte. »Trolle dich, du Sau,« sagte der Secretarius zu mir, »zu andern Säuen in Stall, mit denen du, Rülp, besser zustimmen als mit ehrlichen Leuten konversieren kannst!« Er mußte aber sowohl als ich den Ort räumen und dem greulichen Gestank den Platz allein lassen. Und also habe ich meinen guten Handel, den ich in der Schreibstube hatte, dem gemeinen Sprichwort nach auf einmal verkerbt.

Das 28. Kapitel
Das achtundzwanzigste Kapitel.
Simplex ganz wunderlich lernet wahrsagen,
Pflegt auch noch eine Kunst davonzutragen.

Ich kam aber sehr unschuldig in dies Unglück, dann die ungewöhnliche Speisen und Arzeneien, die man mir täglich gab, meinen zusammengeschrumpelten Magen und eingeschnorrtes Gedärm wieder zurechtzubringen, erregten in meinem Bauch viel gewaltige Wetter und starke Sturmwinde, welche mich trefflich quäleten, wann sie ihren ungestümen Ausbruch sucheten, und demnach ich mir nicht einbildete, daß es übel getan sei, wann man diesorts der Natur willfahre, maßen einem solchen innerlichen Gewalt in die Länge zu widerstehen ohndas unmüglich, mich auch weder mein Einsiedel (weil solche Gäste gar dünn bei uns gesäet wurden) niemal nichts davon unterrichtet, noch mein Knän verboten, solche Kerl ihres Wegs nicht ziehen zu lassen, als ließ ich ihnen Luft und alles passieren, was nur fort wollte, bis ich erzähltermaßen mein Kredit beim Secretario verloren. [72] Zwar wäre dessen Gunst noch wohl zu entbehren gewesen, wann ich in keinen größern Unfall kommen wäre; dann mir giengs wie einem frommen Menschen, der nach Hof kommt, da sich die Schlange wider den Nasicam, Goliath wider den David, Minotaurus wider Theseum, Medusa wider Perseum, Circe wider Ulyssem, Ägisthus wider Menelaum, Paludes wider Coräbum, Medea wider den Peliam, Nessus wider Herculem, und was mehr ist, Althäa wider ihren eigenen Sohn Meleagrum rüstet.

Mein Herr hatte einen ausgestochenen Essig und durchtriebnen Funken zum Page neben mir, welcher schon ein paar Jahre bei ihm gewesen; demselben schenkte ich mein Herz, weil er mit mir gleichen Alters war. Ich gedachte: Dieser ist Jonathan, und du bist David. Aber er eiferte mit mir wegen der großen Gunst, die mein Herr zu mir trug und täglich vermehrete; besorgte, ich möchte ihm vielleicht die Schuhe gar austreten, sahe mich derowegen heimlich mit mißgünstigen neidigen Augen an und gedachte auf Mittel, wie er mir den Stein stoßen und durch meinen Unfall dem seinigen vorkommen möchte. Ich aber hatte Taubenaugen und auch einen andern Sinn als er; ja ich vertraute ihm alle meine Heimlichkeiten, die zwar nicht anders als auf kindischer Einfalt und Frömmigkeit bestunden, dahero er mir auch nirgends zukommen konnte. Einsmals schwätzten wir im Bette lang miteinander, eh wir entschliefen, und indem wir vom Wahrsagen redeten, versprach er, mich solches auch umsonst zu lernen, hieße mich darauf den Kopf unter die Decke tun, dann er überredete mich, auf solche Weise müßte er mir die Kunst beibringen. Ich gehorchte fleißig und gab auf die Ankunft des Wahrsagergeistes genaue Achtung. Potz Glück! derselbe nahm seinen Einzug in meiner Nase, und zwar so stark, daß ich unter dem Bett vor unleidlichen Gestank nicht mehr bleiben konnte, sondern den ganzen Kopf wieder unter der Decke herfürtun mußte. »Was ist es?« sagte mein Lehrmeister. Ich antwortete: »Du hast einen streichen lassen.« – »Und du«, antwortete er, »hast wahrgesagt und kannst also die Kunst am besten.« Dieses empfand ich vor keinen Schimpf, dann ich hatte damals noch keine Galle, sondern begehrte allein von ihm zu wissen, durch was vor einen Vortel man diese Kerl so stillschweigend abschaffen könnte? Mein Kamerad antwortete: »Diese Kunst ist gering, du darfst nur das linke Bein aufheben wie ein Hund, der an eine Ecke brunzt, darneben heimlich sagen: Je pète, je pète, je pète, und mithin so stark gedruckt, als du kannst, so spazieren sie so stillschweigends dahin, als wann sie gestohlen hätten.« – »Es ist gut,« sagte ich, »und wann schon es hernach stinkt, so wird man vermeinen, die Hunde haben die[73] Luft verfälscht, sonderlich wann ich das linke Bein fein hoch werde aufgehoben haben.« Ach! dachte ich, hätte ich doch diese Kunst heute in der Schreibstube gewußt!

Das 29. Kapitel
Das neunundzwanzigste Kapitel.
Simplex ein Auge von Kalbskopf erschnappt,
Über der Tafel das ander ertappt.

Des andern Tages hatte mein Herr seinen Offizierern und andern guten Freunden eine fürstliche Gasterei angestellet, weil er die angenehme Zeitung bekommen, daß die Seinigen das feste Haus Braunfels ohn Verlust einzigen Manns eingenommen; da mußt ich, wie dann mein Amt war, wie ein anderer Tischdiener helfen Speisen auftragen, einschenken und mit einem Teller in der Hand aufwarten. Den ersten Tag ward mir ein großer fetter Kalbskopf (von welchen man zu sagen pfleget, daß sie kein Armer fressen dörfe) aufzutragen eingehändiget; weil nun derselbig ziemlich mürb gesotten war, ließ er das eine Aug mit zugehöriger ganzen Substanz ziemlich weit herauslappen, welches mir ein anmutiger und verführischer Anblick war. Und weil mich der frische Geruch von der Speckbrühe und aufgestreutem Ingwer zugleich anreizete, empfand ich einen solchen Appetit, daß mir das Maul ganz voll Wasser ward. In Summa, das Aug lachte meine Augen, meine Nase und meinen Mund zugleich an und bat mich gleichsam, ich wollte es doch meinem heißhungerigen Magen einverleiben. Ich ließ mir nicht lang den Rock zerreißen, sondern folgte meinen Begierden; im Gang hub ich das Aug mit meinem Löffel, den ich erst denselben Tag bekommen hatte, so meisterlich heraus und schickte es ohn Anstoß so geschwind an seinen Ort, daß es auch kein Mensch inward, bis das Schüppenessen auf den Tisch kam und mich und sich selbst verriet. Dann als man ihn zerlegen wollte und eins von seinen allerbesten Gliedmaßen mangelte, sahe mein Herr gleich, warum der Vorschneider stutzte. Er wollte fürwahr den Spott nit haben, daß man ihm einen einäugigen Kalbskopf aufzustellen das Herz haben sollte. Der Koch mußte vor die Tafel, und die, so aufgetragen hatten, wurden mit ihm examiniert; zuletzt kam das Fazit über den armen Simplicium heraus, daß nämlich ihm der Kopf mit beiden Augen aufzutragen wäre gegeben worden; wie es aber weiter gangen, davon wußte niemand zu sagen. Mein Herr fragte meines Bedünkens mit einer schröcklichen [74] Miene, wohin ich mit dem Kalbsaug kommen wäre? Ich ließe mich sein sauersehendes Gesicht nicht erschrecken, sondern geschwind wischte ich mit meinem Löffel wieder aus dem Sack, gab dem Kalbskopf den andern Fang und wiese kurz und gut, was man von mir wissen wollte, maßen ich das ander Aug gleichwie das erste in einem Hui verschlang.»Par Dieu!« sagte mein Herr, »dieser Akt schmeckt besser als zehen Kälber!« Die anwesende Herren lobten diesen Ausspruch und nannten meine Tat, die ich aus Einfalt begangen, eine wunderkluge Erfindung und Vorbedeutung künftiger Tapferkeit und unerschrockenen Resolution, also daß ich vor diesmal meiner Strafe durch Wiederholung eben desjenigen, damit ich solche verdienet hatte, nicht allein glücklich entgieng, sondern auch von etlichen kurzweiligen Possenreißern, Fuchsschwänzern und Tischräten dies Lob erlangte, ich hätte weislich gehandelt, daß ich beide Augen zusammenlogiert, damit sie, gleichwie in dieser, also auch in jener Welt einander Hülfe und Gesellschaft leisten könnten, worzu sie dann anfänglich von der Natur gewidmet wären. Mein Herr aber sagte, ich sollte ihm ein andermal nicht wieder so kommen.

Das 30. Kapitel
Das dreißigste Kapitel.
Simplex sieht erstmals berauschete Leut,
Meinet, sie seien nicht worden gescheid.

Bei dieser Mahlzeit (ich schätze, es geschiehet bei andern auch) trat man ganz christlich zur Tafel; man sprach das Tischgebet sehr still und allem Ansehen nach auch sehr andächtig. Solche stille Andacht kontinuierte so lang, als man mit der Suppe und den ersten Speisen zu tun hatte, gleichsam, als wann man in einem Kapuzinerkonvent gessen hätte. Aber kaum hatte jeder drei- oder viermal »Gesegnet Gott!« gesagt, da ward schon alles viel lauter. Ich kann nicht beschreiben, wie sich nach und nach eines jeden Stimme je länger je höher erhub, ich wollte dann die ganze Gesellschaft einem Orator vergleichen, der erstlich sachte anfähet und endlich herausdonnert. Man brachte Gerichter, deswegen Voressen genannt, weil sie gewürzt und vor dem Trunk zu genießen verordnet waren, damit derselbe desto besser ein- und fortgienge: item, Beiessen, weil sie bei dem Trunk nicht übel schmecken sollten, allerhand französischen Potagen und spanischen Olla Potriden zu geschweigen, welche durch tausendfältige künstliche Zubereitungen und unzahlbare Zusätze dermaßen verpfeffert, übertummelt, vermummet, mixtiert und zum Trunk gerüstet[75] waren, daß sie durch solche zufällige Sachen und Gewürz mit ihrer Substanz sich weit anders verändert hatten, als sie die Natur anfänglich hervorgebracht, also daß sie Cnäus Manlius selbsten, wannschon er erst aus Asia kommen wäre und die beste Köche bei sich gehabt, dannoch nicht gekannt hätte. Ich gedachte: Warum wollten diese einem Menschen, der ihm solche und den Trunk dabei schmecken lässet (worzu sie dann vornehmlich bereitet sind), nicht auch seine Sinne zerstören und ihn verändern oder gar zu einer Bestia machen können? Wer weiß, ob Circe andere Mittel gebrauchet hat als ebendiese, da sie des Ulyssis Gefährten in Schweine veränderte? Ich sahe einmal, daß diese Gäste die Trachten fraßen wie die Säue, darauf soffen wie die Kühe, sich dabei stelleten wie die Esel und alle endlich kotzten wie die Gerberhunde. Den edlen Hochheimer, Bacheracher und Klingenberger gossen sie mit kübelmäßigen Gläsern in Magen hinunter, welche ihre Würkungen gleich oben im Kopf verspüren ließen. Darauf sahe ich meinen Wunder, wie sich alles veränderte, nämlich verständige Leute, die kurz zuvor ihre fünf Sinne noch gesund beieinander gehabt und treffliche Diskursen auf die Bahn gebracht hatten, wie sie jetzt urplötzlich anfiengen, närrisch zu tun und die alberste Dinge von der Welt vorzubringen. Die große Torheiten, die sie begiengen, und die große Trünke, die sie einander zubrachten, wurden je länger je größer, also daß es schiene, als ob diese beide um die Wette miteinander stritten, welches unter ihnen am größten wäre; zuletzt verkehrte sich ihr Kampf in eine unflätige Sauerei. Nichts Artlichers war, als daß ich nicht wußte, woher ihnen der Dürmel kam, sintemal mir die Würkung des Weins oder die Trunkenheit selbst noch allerdings unbekannt gewesen, welches dann lustige Grillen und Phantastengedanken in meinem werklichen Nachsinnen satzte; ich sahe wohl ihre seltsame minas, ich wußte aber den Ursprung ihres Zustandes nicht. Bis dahin hatte jeder mit gutem Appetit das Geschirr geleert; als aber die Mägen gefüllet waren, hielt es härter, als bei einem Fuhrmann, der mit geruhetem Gespann auf der Ebne wohl fortkommen, am Berg aber nicht hotten kann. Nachdem aber die Köpfe auch toll wurden, ersatzte ihre Unmüglichkeit entweder des einen Courage, die er im Wein eingesoffen, oder beim andern die Treuherzigkeit, seinem Freund eins zu bringen, oder beim dritten die teutsche Redlichkeit, ritterlich Bescheid zu tun. Nachdem aber solches die Länge auch nicht bestehen konnte, beschwur je einer den andern bei großer Herren und sonst lieber Freunde oder bei seiner Liebsten Gesundheit, den Wein maßweis in sich zu schütten, worüber manchem die Augen übergiengen und [76] der Angstschweiß ausbrach; doch mußte es gesoffen sein. Ja, man machte zuletzt mit Trommeln, Pfeifen und Saitenspiel Lärmen und schoß mit Stücken darzu, ohn Zweifel darum, dieweil der Wein die Mägen mit Gewalt einnehmen mußte. Mich verwundert, wohin sie ihn doch alle schütten könnten, weil ich noch nicht wußte, daß sie solchen, eh er recht warm bei ihnen ward, wiederum mit großem Schmerzen aus ebendem Ort herfürgaben, wohinein sie ihn kurz zuvor mit höchster Gefahr ihrer Gesundheit gegossen hatten.

Mein Pfarrer war auch bei dieser Gasterei, ihm beliebte sowohl als andern, weil er auch sowohl als andere ein Mensch war und wider seinen Willen mitmachen mußte, einen Abtritt zu nehmen. Ich gieng ihm nach und sagte: »Mein Herr Pfarrer, warum tun doch die Leute so seltsam? woher kommt es doch, daß sie so hin und her torkeln? mich dünkt schier, sie sein nicht mehr recht witzig. Sie haben sich alle satt gessen und getrunken, und schwören bei Teufel holen, wann sie mehr saufen können, und dannoch hören sie nicht auf, sich auszuschoppen! Müssen sie es tun, oder verschwenden sie Gott zu Trutz aus freiem Willen so unnützlich?« – »Liebes Kind!« antwortete der Pfarrer, »Wein ein, Witz aus! Das ist doch nichts gegen dem, das künftig ist. Morgen gegen Tag ists noch schwerlich Zeit bei ihnen, voneinander zu gehen; dann wann schon ihre Mägen gedrungen voll stecken, so sind sie jedoch noch nicht recht lustig gewesen.« – »Zerbersten dann«, sagte ich, »ihre Bäuche nicht, wann sie immer so unmäßig einschieben? können dann ihre Seelen, die Gottes Ebenbild sein, in solchen Mastschweinkörpern verharren? in welchen sie doch gleichsam wie in finstern Gefängnüssen und ungeziefermäßigen Diebstürnen ohne alle gottselige Regungen gefangen liegen? Ihre edle Seelen, sage ich, wie mögen sich solche so martern lassen? warum bleiben sie in solchen stinkenden Kloaken verschlossen? seind nicht ihre Sinne, welcher sich ihre Seelen bedienen sollten, wie in dem Eingeweid der unvernünftigen Tiere begraben?« – »Halts Maul!« antwortete der Pfarrer, »du dörftest sonst greulich Pumpes kriegen! hier ist keine Zeit zu predigen, ich wollts sonst besser als du verrichten.« Als ich dieses hörete, sahe ich ferner stillschweigend zu, wie man Speise und Trank mutwillig verderbte, unangesehen der arme Lazarus, den man damit hätte laben können, in Gestalt vieler hundert vertriebenen Wetterauer, denen der Hunger zu den Augen herausguckte, vor unsern Türen verschmachtete, weil »Naut im Schank« war.

[77]
Das 31. Kapitel
Das einunddreitzigste Kapitel.
Simplex sein Kunst einmal fleißig probiert,
Welche macht, daß er wird tapfer geschmiert.

Als ich dergestalt mit einem Teller in der Hand vor der Tafel aufwartete und in meinem Gemüt von allerhand Tauben und werklichen Gedanken geplagt ward, ließ mich mein Bauch auch nicht zufrieden, er kurrete und murrete ohn Unterlaß und gab dadurch zu verstehen, daß Bursch in ihm vorhanden wären, die in freien Luft begehrten; ich gedacht, mir von dem ungeheuren Gerümpel abzuhelfen, den Paß zu öffnen und mich dabei meiner Kunst zu bedienen, die mich erst die vorig Nacht mein Kamerad gelernet hatte. Solchem Unterricht zufolg hub ich das linke Bein samt dem Schenkel in alle Höhe auf, druckte von allen Kräften, was ich konnte, und wollte meinen Spruch »Je pète« zugleich dreimal heimlich sagen. Als aber der ungeheure Gespann, der zum Hindern hinauswischte, wider mein Verhoffen so greulich tönete, wußte ich vor Schröcken nicht mehr, was ich täte: mir ward einsmals so bang, als wann ich auf der Leiter am Galgen gestanden wäre und mir der Henker bereits den Strick hätte anlegen wollen, und in solcher gählingen Angst so verwirret, daß ich auch meinen eigenen Gliedern nicht mehr befehlen konnte, maßen mein Maul in diesem urplötzlichen Lärmen auch rebellisch wurde und dem Hindern nichts bevorgeben noch gestatten wollte, daß er allein das Wort haben, es aber, das zum Reden und Schreien erschaffen, seine Reden heimlich brummlen sollte. Derowegen ließ solches dasjenige, so ich heimlich zu reden im Sinn hatte, dem Hindern zu Trutz überlaut hören, und zwar so schröcklich, als wann man mir die Kehle hätte abstechen wollen. Je greulicher der Unterwind knallete, je grausamer das »Je pète« oben herausfuhr, gleichsam als ob meines Magens Ein- und Ausgang einen Wettstreit miteinander gehalten hätten, welcher unter ihnen beiden die schröcklichste Stimme von sich zu donnern vermöchte. Hierdurch bekam ich wohl Linderung in meinem Eingeweid, dargegen aber einen ungnädigen Herrn an meinem Gouverneur. Seine Gäste wurden über diesem unversehenen Hall, Trompetenschall und hintern Kartaunenknall fast wieder alle nüchtern; ich aber, weil ich mit aller meiner angewandten Mühe und Arbeit keinen Wind bannen können, in eine Futterwanne gespannet und also zerkarbäitscht, daß ich noch bis auf diese Stunde daran gedenke. Solches waren die erste Bastonaden, die ich kriegte, seit ich das erstemal Luft geschöpft, weil ich denselben so abscheulich verderbt hatte, in welchem wir doch gemeinschaftlicherweise [78] leben müssen. Da brachte man Rauchtäfelein und Kerzen, und die Gäste suchten ihre Bisemknöpfe und Balsambüchslein, auch sogar ihren Schnupftabak hervor, aber die beste Aromata wollten schier nichts erklecken. Also hatte ich von diesem Actu, den ich besser als der beste Komödiant in der Welt spielte, Friede in meinem Bauch, hingegen Schläg auf den Buckel, die Gäste aber ihre Nasen voller Gestank und die Aufwarter ihre Mühe, wieder einen guten Geruch ins Zimmer zu machen.

Das 32. Kapitel
Das zweiunddreißigste Kapitel.
Simplex sieht seine Leut tapfer aussaufen,
Daß auch der Pfarrer muß endlich weglaufen.

Wie dies vorüber, mußte ich wieder aufwarten wie zuvor. Mein Pfarrer war noch vorhanden und wurde sowohl als andere zum Trunk genötiget; er aber wollte nicht recht daran, sondern sagte, er möchte so bestialisch nicht saufen. Hingegen erwiese ihm ein guter Zechbruder, daß er, Pfarrer, wie eine Bestia, er, der Säufer und andere Anwesende aber wie Menschen söffen; »dann«, sagte er, »ein Vieh säuft nur so viel, als ihm wohl schmecket und den Durst löschet, weil sie nicht wissen, was gut ist, noch den Wein trinken mögen; uns Menschen aber beliebt, daß wir uns den Trunk zunutz machen und den edlen Rebensaft einschleichen lassen, wie unsere Voreltern auch getan haben.« – »So wohl!« sagte der Pfarrer, »es gebühret mir aber, rechte Maß zu halten.« – »Wohl,« antwortete jener, »ein ehrlicher Mann hält sein Wort!« und ließ ihm darauf einen mässigen Becher einschenken, denselben dem Pfarrer zuzuzottlen. Er hingegen gieng durch und ließ den Säufer mit seinem Eimer stehen.

Als dieser abgeschafft war, gieng es drunter und drüber und ließe sich ansehen, als wann diese Gasterei eine bestimmte Zeit und Gelegenheit sein sollte, sich gegeneinander mit Vollsaufen zu rächen, einander in Schande zu bringen oder sonst einen Possen zu reißen, dann wann einer expediert ward, daß er weder sitzen, gehen oder stehen mehr konnte, so hieß es: »Nun ist es wett! Du hast mirs hiebevor auch so gekocht; itzt ist dirs eingetränkt«, und so fortan, etc. Welcher aber ausdauren und am besten saufen konnte, wußte sich dessen großzumachen, und dünkte sich kein geringer Kerl zu sein; zuletzt türmelten sie alle herum, als wann sie Bilsensamen genossen hätten. Es war eben ein wunderliches Faßnachtspiel an ihnen zu sehen, und war doch [79] niemand, der sich darüber verwunderte, als ich. Einer sang, der ander weinete; einer lachte, der ander traurete; einer fluchte, der ander betete; einer schrie überlaut: »Courage!« der ander konnte nicht mehr reden; einer war stille und friedlich, der ander wollte den Teufel mit Raufhändeln bannen; einer schlief und schwieg still, der ander plauderte, daß sonst keiner vor ihm zukommen konnte. Einer erzählte seine liebliche Buhlerei, der ander seine erschröckliche Kriegstaten; etliche redeten von der Kirche und geistlichen Sachen, andere von Ratio status, der Politik, Welt- und Reichshändeln; teils liefen hin und wieder als ein Quecksilber und konnten an keiner Stelle bleiben; andere lagen und vermochten nicht, den kleinesten Finger zu regen, geschweige aufrecht zu gehen oder zu stehen; etliche fraßen wie die Drescher, und als ob sie acht Tag Hunger gelitten hätten; andere kotzten wieder, was sie denselbigen ganzen Tag eingeschlucket hatten. Einmal, ihr ganzes Tun und Lassen war dermaßen possierlich, närrisch, seltsam und dabei so sündhaftig und gottlos, daß der mir entwischte üble Geruch, darum ich gleichwohl so greulich zerschlagen worden, nur ein Scherz dargegen zu rechnen. Endlich satzte es unten an der Tafel ernstliche Streithändel; da warf man einander Gläser, Becher, Schüsseln und Teller an die Köpfe und schlug nicht allein mit Fäusten, sondern auch mit Stühlen, Stuhlbeinen, Degen und allerhand Siebensachen drein, daß etlichen der rote Saft über die Ohren lief; aber mein Herr stillete den Handel gleich wiederum.

Das 33. Kapitel
Das dreiunddreißigste Kapitel.
Simplex sieht, wie sein Herr ein Fuchsen schießet,
Und er auch etliche Brocken genießet.

Da es nun wieder Friede worden, nahmen die Meistersäufer die Spielleute samt dem Frauenzimmer und wanderten in ein ander Haus, dessen Saal auch zu einer andern Torheit erkoren und gewidmet war. Mein Herr aber satzte sich auf sein Lotterbette, weil ihm entweder vom Zorn oder der Überfüllung wehe war. Ich ließ ihn liegen, wo er lag, damit er ruhen und schlafen könnte, war aber kaum unter die Tür des Zimmers kommen, als er mir pfeifen wollte und solches doch nicht konnte. Er rief, aber nicht anders als: »Simpls!« Ich sprang zu ihm und fand ihn die Augen verkehren wie ein Viehe, das man absticht. Ich stund da vor ihm wie ein Stockfisch und wußte nicht, was zu tun war; er aber deutet aufs Trysor und lallete: [80] »Br, bra, bring da das; du Schuft, la, la, lang, langs Lavor, ich m, mu, muß, e, ein Fu, Fuchs schießen.« Ich eilete und brachte das Lavorbecken, und als ich zu ihm kam, hatte er ein paar Backen wie ein Trompeter. Er erwischte mich geschwind bei dem Arm und akkommodierte mich zu stehen, daß ich ihm das Lavor gerad vors Maul halten mußte. Solches brach ihm mit schmerzlichen Herzstößen unversehens auf und goß eine solche wüste Materi in bemeldtes Lavor, daß mir vor unleidlichem Gestank schier ohnmächtig ward, sonderlich weil mir etliche Brocken (sal. ven.) ins Gesicht sprützten. Ich hätte beinahe auch mitgemacht, aber als ich sahe, wie er verblaichte, ließe ichs aus Forcht unterwegen und besorgte, die Seel würde ihm samt dem Unflat durchgehen, weil ihm der kalte Schweiß ausbrach und sein Angesicht einem Sterbenden ähnlich sahe. Als er sich aber gleich wieder erholete, hieß er mich frisch Wasser bringen, damit er seinen Weinschlauch wieder ausspülete.

Demnach befahl er mir, den Fuchs hinwegzutragen, welcher mich, weil er in einem silbern Lavor lag, nichts Verächtliches, sondern eine Schüssel voller Voressen vor vier Mann zu sein bedünkte, das sich beileib nicht hinwegzuschütten gebühre. Zudem wußte ich wohl, daß mein Herr nichts Schlimmes in seinen Magen gesammlet, sondern herrliche und delikate Pastetlein, wie auch von allerhand Gebackens, Geflügel, Wildpret und zahmen Viehe, welches man alles noch artlich unterscheiden und kennen konnte. Ich schummelte mich damit, wußte aber nicht wohin, oder was ich daraus machen sollte, dorfte auch meinem Herrn nicht fragen. Ich gieng zum Hofmeister; dem wiese ich dieses schöne Traktament und fragte, was ich mit dem Fuchs machen sollte? Er antwortete: »Narr, gehe und bring ihn dem Körschner, daß er den Balg bereite!« Ich fragte, wo der Körschner sei? »Nein,« antwortete er, da er meine Einfalt sahe, »bring ihn dem Doktor, damit er daran sehe, was vor einen Zustand unser Herr habe.« Solchen Aprilengang hätte ich getan, wann der Hofmeister nicht was anders geförchtet hätte; er hieß mich derowegen den Bettel in die Küche tragen, mit Befelch, die Mägde solltens aufheben und einen Pfeffer drüber machen, welches ich ernstlich ausrichtete und deswegen von den Schleppsäcken mächtig agieret worden.

[81]
Das 34. Kapitel
Das vierunddreißigste Kapitel.
Simplex kommt ohngefähr zu einem Tanz,
Da er dann wieder versiehet die Schanz.

Mein Herr gieng eben aus, als ich meines Lavors los worden; ich trat ihm nach gegen einem großen Haus, allwo ich im Saal Männer, Weiber und ledige Personen so schnell untereinander herumhaspeln sahe, daß es frei wimmelte. Die hatten ein solch Getrippel und Gejöhl, daß ich vermeinte, sie wären alle rasend worden; dann ich konnte nicht ersinnen, was sie doch mit diesem Wüten und Toben vorhaben möchten. Ja, ihr Anblick kam mir so grausam, förchterlich und schröcklich vor, daß mir alle Haar gen Berg stunden, und konnte nichts anders glauben, als sie müßten aller ihrer Vernunft beraubt sein. Da wir näher hinzukamen, sahe ich, daß es unsere Gäste waren, welche den Vormittag noch witzig gewesen. »Mein Gott!« gedachte ich, »was haben doch diese arme Leute vor? Ach! es hat sie gewißlich eine Unsinnigkeit überfallen.« Bald fiel mir ein, es möchten vielleicht höllische Geister sein, welche in dieser angenommenen Weise dem ganzen menschlichen Geschlecht durch solch leichtfertig Geläuf und Affenspiel spotteten; dann ich gedachte, hätten sie menschliche Seelen und Gottes Ebenbild in sich, so täten sie auch wohl nicht so unmenschlich. Als mein Herr in Hausähren kam und zum Saal eingehen wollte, hörete die Wut eben auf, ohn daß sie noch ein Buckens und Duckens mit den Köpfen und ein Kratzens und Schuhschleifens mit den Füßen auf dem Boden machten, daß mich deuchte, sie wollten die Fußstapfen wieder austilgen, die sie in währender Raserei getretten. Am Schweiß, der ihnen über die Gesichter floß, und an ihrem Geschnäuf konnte ich abnehmen, daß sie sich stark zerarbeitet hatten; aber ihre fröhliche Angesichter gaben zu verstehen, daß sie solche Bemühungen nicht saur ankommen.

Ich hätte trefflich gern gewußt, wohin doch das närrische Wesen gemeint sein möchte; fragte derowegen meinen Kamerad und vermeinden aufrichtigen vertrauten Herzbruder, der mich erst kürzlich das Wahrsagen gelernet, was solche Wut bedeute oder worzu dieses rasende Trippen und Trappen angesehen sei. Der berichtete mich vor eine gründliche Wahrheit, daß sich die Anwesende vereinbart hätten, dem Saal den Boden mit Gewalt einzutretten. »Warum vermeinst du wohl,« sagte er, »daß sie sich sonst so tapfer tummlen sollten? hast du nicht gesehen, wie sie die Fenster vor Kurzweile schon ausgeschlagen? eben also wird es auch diesem Boden gehen.« »Herr Gott!« antwortete ich, [82] »so müssen wir ja mit zugrund gehen und im Hinunterfallen samt ihnen Hals und Bein brechen?« – »Ja,« sagte mein Kamerad, »darauf ists angesehen, und da geheien sie sich den Teufel darum. Du wirst sehen, wann sie sich also in Todesgefahr begeben, daß jeder eine hübsche Frau oder Jungfer erwischt; dann man sagt, es pflege denen Paaren, so also zusammenhaltend fallen, nicht bald wehe zu geschehen.« Indem ich dieses alles glaubte, überfiel mich eine solche Angst und Todessorge, daß ich nicht mehr wußte, wo ich bleiben sollte; und als die Musikanten, deren ich bisher noch nicht wahrgenommen, noch darzu sich hören ließen, auch die Kerl den Damen zuliefen, wie die Soldaten ihrem Gewehr und Posten, wann sie die Trommel hören Lärmen rühren, und jeder eine bei der Hand erdappte, ward mir nit anders, als wann ich allbereit den Boden eingehen und mich und viel andere mehr die Hälse abstürzen sähe. Da sie aber anfiengen zu gumpen, daß der ganze Bau zitterte, weil man eben ein drollichten Gassenhauer aufmachte, gedachte ich: »Nun ist es um dein Leben geschehen. Nun, Simplex, wirst du das letztemal ein Mensch gewesen sein!« Ich vermeinte nicht anders, als der ganze Bau würde urplötzlich einfallen; derowegen erwischte ich in der allerhöchsten Angst eine Dame von hohem Adel und vortrefflichen Tugenden, mit welcher mein Herr eben konversierte, unversehens beim Arm, wie ein Bär, und hielte sie wie eine Klette. Da sie aber zuckte und nicht wußte, was vor närrische Grillen in meinem Kopf stecken, spielte ich das Desperat und fieng aus Verzweifelung an zu schreien, als wann man mich hätte ermorden wollen. Das war aber noch nicht genug, sondern es entwischte mir auch ungefähr etwas in die Hosen, so einen über alle Maßen üblen Geruch von sich gab, dergleichen meine Nase lange Zeit nicht empfunden. Die Musikanten wurden gähling still, die Tänzer und Tänzerinnen höreten auf, und die ehrliche Dame, deren ich am Arm hieng, befand sich offendiert, weil sie ihr einbildete, mein Herr hätte ihr solches zum Schimpf tun lassen. Darauf befahl mein Herr, mich zu prügeln und hernach irgendhin einzusperren, weil ich ihm denselben Tag schon mehr Possen gerissen hatte. Die Furierschützen, so exequieren sollten, hatten nicht allein Mitleiden mit mir, sondern konnten auch vor Gestank nicht bei mir bleiben; entübrigten mich derohalben der Stöße und sperreten mich unter eine Stege in Gänsstall. Seithero hab ich der Sache vielmals nachgedacht und bin der Meinung worden, daß solche Excrementa, die einem aus Angst und Schrecken entgehen, viel üblern Geruch von sich geben, als wann einer eine starke Purgation eingenommen.

[83][86]
Zweites Buch
Das 1. Kapitel
Das erste Kapitel.
Simplex pflegt Händel im Stall zu erfahren,
Als sich ein Gänser und Gänsin will paaren.

In meinem Gänsstall konzipierte und überlegte ich, was beides vom Tanzen und Saufen ich im ersten Teil meines »Schwarz und Weiß« hiebevor geschrieben, ist derowegen unnötig, diesorts etwas Ferners davon zu melden. Doch kann ich nicht verschweigen, daß ich damals noch zweifelte, ob die Tänzer den Boden einzutretten so gewütet oder ob ich nur so überredet worden. Jetzt will ich ferner erzählen, wie ich wieder aus dem Gänskerker kam. Drei ganzer Stunden, nämlich bis sich das Praeludium Veneris (der ehrliche Tanz sollte ich gesagt haben) geendet hatte, mußte ich in meinem eigenen Unlust sitzen bleiben, eh einer herzuschlich und an dem Riegel anfieng zu rappeln. Ich lausterte wie eine Sau, die ins Wasser harnt; der Kerl aber, so an der Tür war, machte solche nicht allein auf, sondern wischte auch ebenso geschwind hinein, als gern ich heraußen gewesen wäre, und schleppte noch darzu ein Weibsbild an der Hand mit sich daher, gleichwie ich beim Tanz hatte tun sehen. Ich konnte nicht wissen, was es abgeben sollte; weil ich aber vieler seltsamen Abenteuren, die meinem närrischen Sinn denselben Tag begegnet, schier gewohnt war und ich mich drein ergeben hatte, fürterhin alles mit Gedult und Stillschweigen zu ertragen, was mir mein Verhängnüs zuschicken würde; als schmiegte ich mich zu der Tür mit Forcht und Zittern, das Ende erwartende. Gleich darauf erhub sich zwischen diesen beiden ein Gelispel, daraus ich zwar nichts anders verstund, als daß sich das eine Teil über den bösen Geruch desselben Orts (er war aber aus meinen Hosen) beklagte und hingegen der ander Teil das erste hinwiederum tröstete. »Gewißlich, schönste Dame,« sagte er, »mir ist versichert von Herzen leid, daß uns, die Früchte der Liebe zu genießen, vom mißgünstigen Glück kein ehrlicher Ort gegönnet wird. Aber ich kann darneben beteuren, daß mir Ihre holdselige Gegenwart diesen verächtlichen Winkel anmutiger machet als das [86] lieblichste Paradeis selbsten.« Hierauf hörete ich küssen, und vermerkte seltsame Posturen; ich wußte aber nicht, was es war oder bedeuten sollte, schwieg derowegen noch fürters so still als eine Maus. Wie sich aber auch sonst ein possierlich Geräusch erhub und der Gänsstall, so nur von Brettern unter die Stege getäfelt war, ziemlich und kontinuierlich zu krachen anfieng, zumaln das Weibsbild sich anstellete, als ob ihr gar weh bei der Sache geschähe, da gedachte ich: »Das seind zwei von denen wütenden Leuten, die den Boden helfen eintretten und sich jetzt hieher begeben haben, da gleicherweis zu hausen und dich ums Leben zu bringen.« Sobald diese Gedanken mich einnahmen, so bald nahm ich hingegen die Tür ein, dem Tod zu entfliehen, dadurch ich mit einem solchen Mordiogeschrei hinauswischte, das natürlich lautete wie dasjenige, das mich an denselben Ort gebracht hatte; doch war ich so gescheid, daß ich die Tür hinter mir wieder zuriegelte und hingegen die offene Haustür suchte. Dieses nun war die erste Hochzeit, bei deren ich mich mein Lebtag befunden, unangesehen ich nicht darzu geladen worden; hingegen dorfte ich aber auch nichts schenken, wiewohl mir hernach der Hochzeiter die Zeche desto teurer rechnete, die ich auch redlich bezahlte. Günstiger Leser! ich erzähle diese Geschicht nicht darum, damit er viel darüber lachen solle, sondern damit meine Histori ganz sei und der Leser zu Gemüt führe, was vor ehrbare Früchte von dem Tanzen zu gewarten sein. Dies halte ich einmal vor gewiß, daß bei den Tänzen mancher schlimmer und leichtfertiger Kauf gemacht wird, dessen sich hernach eine ganze Freundschaft zu schämen hat.

Das 2. Kapitel
Das zweite Kapitel.
Simplex anzeiget, wann gut sei zu baden,
Daß es dem Menschen werd nimmermehr schaden.

Obzwar ich nun dergestalt aus dem Gänsstall glücklich entkommen, so ward ich jedoch erst meines Unglücks recht gewahr: dann meine Hosen waren voll, und ich wußte nicht, wohin mit der Latwergen. In meines Herrn Quartier war alles still und schlafend; dahero dorfte ich mich zur Schildwacht, die vorm Haus stund, nicht nähern; in der Hauptwache, Corps de Garde, wollte man mich nicht leiden, weil ich viel zu übel stank; auf der Gasse zu bleiben, war mirs gar zu kalt und unmüglich, also daß ich nicht wußte, wo aus noch ein. Es war schon weit von Mitternacht, als mir einfiel, ich sollte meine Zuflucht zu dem vielgemeldten [87] Pfarrer nehmen. Ich folgete meinem Gutbefinden, vor der Tür anzuklopfen; damit war ich so importun, daß mich endlich die Magd mit Unwillen einließ. Als sie aber roche, was ich mitbrachte (dann ihre lange Nase verriet gleich meine Heimlichkeit), ward sie noch schelliger. Derowegen fieng sie an, mit mir zu keifen, welches ihr Herr, so nunmehr fast ausgeschlafen hatte, bald höret. Er rufte uns beiden vor sich ans Bett, gleichsam als ob er auch teil am guten Geruch hätte haben wollen. Sobald er aber merkte, wo der Has im Pfeffer lag und die Nase ein wenig gerümpft hatte, sagte er, es sei niemals, unangesehen was die Kalender schreiben, besser baden, als in solchem Stand, darin ich mich anjetzo befände. Er befahl auch seiner Magd, und zwar gleichsam bittsweise, sie sollte, bis es vollends Tag würde, meine Kosen waschen und vor den Stubenofen hängen, mich selbst aber in ein Bette legen; dann er sahe wohl, daß ich vor Frost ganz erstarrt war. Ich war kaum erwarmt, da es anfieng zu tagen, so stund der Pfarrer schon vorm Bette, zu vernehmen, wie mirs gangen, und wie meine Händel beschaffen wären, weil ich meines nassen Hemdes und der Hosen halber noch nicht aufstehen konnte, zu ihm zu gehen. Ich erzählte ihm alles und machte den Anfang an der Kunst, die mich mein Kamerad gelernet, und wie übel sie geraten. Folgends meldete ich, daß die Gäste, nachdem er, der Pfarrer, hinweg gewesen, ganz unsinnig wären worden, und (maßen mich mein Kamerad also berichtet) ihnen vorgenommen hätten, dem Haus den Boden einzutretten; item, in was vor eine schröckliche Angst ich darüber geraten, und auf was Weise ich mich vorm Untergang konservieren wollen, darüber aber in Gänsstall gesperret worden, auch was ich in demselben von den zweien, so mich wieder erlöset, vor Wort und Werke vernommen und welchergestalt ich sie beide an meine Statt eingesperret. »Simplici!« sagte der Pfarrer, »deine Sachen stehen lausig! du hattest einen guten Handel, aber ich sorge! ich sorge! es sei verscherzt. Packe dich nur geschwind aus dem Bette und trolle dich aus dem Haus, damit ich nicht samt dir in deines Herrn Ungnade komme, wann man dich bei mir findet.« Also mußte ich mit meinem feuchten Gewand hinziehen und zum erstenmal erfahren, wie wohl einer bei männiglich daran ist, wann er seines Herrn Gunst hat, und wie scheel einer hingegen angesehen wird, wann solche hinket oder dieselbe gar verscherzet ist.

Ich gieng in meines Herrn Quartier, darin noch alles steinhart schlief, bis auf den Koch und ein paar Mägd. Diese butzten das Zimmer, darin man gestern gezecht, jener aber rüstete aus den Abschrötlin wieder ein Frühstück oder vielmehr ein [88] Imbiß zu. Am ersten kam ich zu den Mägden; bei denen lag es hin und wieder voller zerbrochener so Trink- als Fenstergläser: an teils Orten war es [voll] von dem, so unten und oben weggangen, und an andern Orten waren große Lachen von verschüttetem Wein und Bier, also daß der Boden einer Landkarten gleichsahe, darin man unterschiedliche Meere, Insulen und truckene oder fußfeste Länder hätte abbilden und vor Augen stellen wollen. Es stank im ganzen Zimmer viel übler als in meinem Gänsstall; derowegen war auch meines Bleibens nicht lang daselbsten, sondern ich machte mich in die Küchen und ließ meine Kleider beim Feur am Leib vollends trücknen, mit Forcht und Zittern erwartend, was das Glück, wann mein Herr ausgeschlafen hätte, ferners in mir würken wollte. Darneben betrachtete ich der Welt Torheit und Unsinnigkeit und zog alles zu Gemüte, was mir verwichenen Tag und selbige Nacht begegnet war, auch was ich sonst gesehen, gehöret und erfahren hatte. Solche Gedanken verursachten, daß ich damals meines Einsiedlers geführtes dörftig und elend Leben vor glückselig schätzte und ihn und mich wieder in vorigen Stand wünschete.

Das 3. Kapitel
Das dritte Kapitel.
Simplex des Page sein Lehrgeld erzählt,
Er selbst wird zu einem Narren erwählt.

Als mein Herr aufgestanden, schickte er seinen Leibschützen hin, mich aus dem Gänsstall zu holen; der brachte Zeitung, daß er die Tür offen und ein Loch hinter dem Riegel mit einem Messer geschnitten gefunden, vermittelst dessen der Gefangene sich selbst erledigt hätte. Eh aber solche Nachricht einkam, verstund mein Herr von andern, daß ich vorlängst in der Küche gewesen. Indessen mußten die Diener hin und wieder laufen, die gestrige Gäste zum Frühestück einzuholen, unter welchen der Pfarrer auch war, welcher zeitlicher als andere erscheinen mußte, weil mein Herr meinetwegen mit ihm reden wollte, eh man zur Tafel saße. Er fragte ihn erstlich, ob er mich vor witzig oder närrisch hielte, oder ob ich so einfältig oder so boshaftig sei, und erzählete ihm damit alles, wie unehrbarlich ich mich den vorigen Tag und Abend sowohl vor der Tafel als bei dem Tanz gehalten, welches teils von seinen Gästen übel empfunden und aufgenommen werde, als wäre es ihnen zum Despekt mit Fleiß so angestellet worden; item, daß er mich hätte in einen Gänsstall versperren lassen, sich vor dergleichen Spott, so ich ihm noch hätte zufügen [89] können, zu versichern, aus welchem ich aber gebrochen und nun in der Küchen umgehe wie ein Junker, der ihm nicht mehr aufwarten dörfe; sein Lebtag sei ihm kein solcher Posse widerfahren, als ich ihm in Gegenwart so vieler ehrlichen Leute gerissen, er wisse nichts anders mit mir anzufangen, als daß er mich lasse abprügeln, und weil ich mich so dumm anließe, wieder vor den Teufel hinjage.

Inzwischen, als mein Herr so über mich klagte, sammleten sich die Gäste nach und nach. Da er aber ausgeredet hatte, antwortete der Pfarrer, wann ihm der Herr Gouverneur eine kleine Zeit mit ein wenig Gedult zuzuhören beliebte, so wollte er von Simplicio der Sachen halber eins und anders Lustiges erzählen, daß man nichts Artlichers erdenken könnte, daraus nicht allein seine Unschuld zu vernehmen sein, sondern auch denen, so sich seines Verhaltens halber disgustieret befinden wollten, alle ungleiche Gedanken benommen würden. Dies wurde beliebt, doch daß es über Tisch geschehe, damit die ganze Compagnia auch part darvon hätte.

Als man dergestalt oben in der Stube von mir redete, akkordierte der tolle Fähnrich, den ich an meine Stelle selbander eingesperrt hatte, unten mit mir in der Küchen und brachte mich durch Drohworte und einen Taler, den er mir zusteckte, dahin, daß ich ihm versprach, von seinen Händeln reinen Mund zu halten.

Die Tafeln wurden gedeckt und wie den vorigen Tag mit Speisen und Leuten besetzt. Wermut-, Salbei-, Alant-, Quitten- und Zitronenwein mußte neben dem Hippokras den Säufern ihre Köpfe und Mägen wieder begütigen; dann sie waren schier alle des Teufels Märtyrer. Ihr erstes Gespräch war von ihnen selbsten, nämlich wie sie gestern einander so brav vollgesoffen hätten, und war doch keiner unter ihnen, der gründlich gestehen wollte, daß er voll gewesen, wiewohl den Abend zuvor teils bei Teufelholen geschworen, sie könnten nicht mehr saufen, auch »Wein, mein Herr!« geschrieen und [wieder] geschrieen hatten. Etliche zwar sagten, sie hätten gute Räusche gehabt, andere aber bekannten, daß sich keiner mehr vollsöffe, sint die Räusche aufkommen. Als sie aber von ihren eigenen Torheiten beides zu reden und zu hören müde waren, mußte sich der arme Simplicius leiden; der Gouverneur selbst erinnerte den Pfarrer, die lustige Sachen zu eröffnen, wie er versprochen hätte.

Dieser bat zuvörderst, man wollte ihm nichts vor ungut halten, dafern er etwan Wörter reden müßte, die seiner geistlichen Person übel anständig zu sein vermerkt würden, fieng darauf an, [90] zu erzählen, erstlich aus was natürlichen Ursachen mich die Leibsdünste zu plagen pflegten, was ich durch solche dem Secretario vor eine Unlust in die Kanzlei angerichtet, was ich neben dem Wahrsagen vor eine Kunst darwider gelernet und wie schlimm solche in der Prob bestanden; item, wie seltsam mir das Tanzen vorkommen, weil ich dergleichen niemalen gesehen; was ich vor Bericht deshalber von meinem Kameraden eingenommen, welcher Ursachen halber ich dann die vornehme Dame ergriffen und darüber in Gänsstall kommen. Solches aber brachte er mit einer wohlanständigen Art zu reden vor, daß sie sich trefflich zerlachen mußten, entschuldigte dabei meine Einfalt und Unwissenheit so bescheidentlich, daß ich wieder in meines Herrn Gnade kam und der Tafel aufwarten dorfte, aber von dem, was mir im Gänsstall begegnet und wie ich wieder daraus erlöset worden, wollte er nichts sagen, weil ihn bedünkte, es hätten sich an seiner Person etliche saturnische Holzböcke geärgert, die da vermeinten, Geistliche sollten nur immer saur sehen. Hingegen fragte mich mein Herr, seinen Gästen einen Spaß zu machen, was ich meinem Kamerad geben hätte, daß er mich so saubere Künste gelehret, und als ich antwortete: »Nichts!« sagte er: »So will ich ihm das Lehrgeld vor dich bezahlen«, wie er ihn dann hierauf in eine Futterwanne spannen und allerdings karbaitschen ließ, wie man mirs den vorigen Tag gemacht, als ich die Kunst probiert und falsch befunden hatte.

Mein Herr hatte nunmehr genug Nachricht von meiner Einfalt, wollte mich derowegen stimmen, ihm und seinen Gästen mehr Lust zu machen; er sahe wohl, daß die Musikanten nichts galten, solang man mich unterhanden haben würde; dann ich bedünkte mit meinen närrischen Einfällen jedermann über 17 Lauten zu sein. Er fragte, warum ich die Tür an dem Gänsstall zerschnitten und Reißaus gespielet hätte. Ich antwortete: »Das mag jemand anders getan haben.« Er fragte: »Wer dann?« Ich sagte: »Vielleicht der, so zu mir kommen.« – »Wer ist dann zu dir kommen?« Ich antwortete: »Das darf ich niemand sagen.« Mein Herr war ein geschwinder Kopf und sahe wohl, wie man mir lausen mußte; derowegen übereilte er mich und fragte, wer mir solches dann verbotten hätte? Ich antwortete gleich: »Der tolle Fähnrich!« Demnach ich aber an jedermanns Gelächter merkete, daß ich mich gewaltig verhauen haben müßte, der tolle Fähnrich, so mit am Tisch saß, auch so rot ward wie eine glühende Kohle, als wollte ich nichts mehr schwätzen, es würde mir dann von demselben erlaubt. Es war aber nur um einen Wünk zu tun, den mein Herr dem tollen Fähnrich anstatt [91] eines Befehls gab, da dorft ich reden, was ich wußte. Darauf fragte mich mein Herr, was der tolle Fähnrich bei mir im Gänsstall zu tun gehabt? Ich antwortete: »Er brachte eine Jungfer zu mir hinein.« – »Was tät er aber weiter?« sagte mein Herr; ich antwortete: »Mich deuchte, er wollte im Stall sein Wasser abgeschlagen haben.« Mein Herr fragte: »Was tät die Jungfer dabei? schämte sie sich nicht?« – »Jawohl nein Herr!« sagte ich, »sie hub den Rock auf und wollte darzu (mein hochgeehrter zucht-, ehr- und tugendliebender Leser verzeihe meiner unhöflichen Feder, daß sie alles so grob schreibet, als ich damals vorbrachte) scheißen.« Hierüber erhub sich bei allen Anwesenden ein solch Gelächter, daß mich mein Herr nicht mehr hören, geschweige etwas weiters fragen konnte; und zwar war es auch nicht weiters vonnöten, man hätte dann die ehrliche fromme Jungfer (scil.) auch in Spott bringen wollen.

Hierauf erzählte der Hofmeister vor der Tafel, daß ich neulich vom Bollwerk oder Wall heimkommen und gesagt, ich wüßte, wo der Donner und Blitz herkäme; ich hätte große Blöcher auf halben Wägen gesehen, die inwendig hohl gewesen; in dieselbe hätte man Zwiebelsamen samt einer eisernen weißen Rüben, deren der Schwanz abgeschnitten, gestopft, hernach die Blöcher hintenher ein wenig mit einem zinkigten Spieß gekützelt, davon wäre vornheraus Dampf, Donner und höllisch Feur geschlagen. Sie brachten noch mehr dergleichen Possen auf die Bahne, also daß man schier denselben ganzen Imbiß von sonst nichts als nur von mir zu reden und zu lachen hatte. Solches verursachte einen allgemeinen Schluß zu meinem Untergang, welcher war, daß man mich tapfer agieren sollte, so würde ich mit der Zeit einen raren Tischrat abgeben, mit dem man auch den größten Potentaten von der Welt verehren und die Sterbende zu lachen machen könnte.

Das 4. Kapitel
Das vierte Kapitel.
Simplex vom Mann, der Geld gibet, berichtet,
Was er dem Schweden vor Kriegsdienst verrichtet.

Wie man nun also schlampamte und wieder wie gestern gut Geschirr machen wollte, meldet die Wacht mit Einhändigung eines Schreibens an den Gouverneur einen Commissarium an, der vor dem Tor sei, welcher von der Kron Schweden Kriegsräten abgeordnet war, die Garnison zu mustern und die Festung zu visitieren. Solches versalzte allen Spaß, und alles Freudengelach [92] verlummerte wie ein Sackpfeifenzipfel, dem der Blast entgangen. Die Musikanten und die Gäste zerstoben, wie Tobackrauch verschwindet, der nur den Geruch hinter sich läßt; mein Herr trollte selbst mit dem Adjutanten, der die Schlüssel trug, samt einem Ausschuß von der Hauptwacht und vielen Windlichtern dem Tor zu, den Plackschmeißer, wie er ihn nannte, selbst einzulassen. Er wünschte, daß ihm der Teufel den Hals in tausend Stücken breche, ehe er in die Festung käme! Sobald er ihn aber eingelassen und auf der innern Fallbrücke bewillkommte, fehlte wenig oder gar nichts, daß er ihm nicht selbst an Stegreif griff, seine Devotion gegen ihm zu bezeugen, ja die Ehrerbietung ward augenblicklich zwischen beiden so groß, daß der Commissarius abstieg und zu Fuß mit meinem Herrn gegen seinem Losament fortwanderte; da wollte jeder die linke Hand haben, etc. »Ach!« gedachte ich, »was vor ein wunderfalscher Geist regieret doch die Menschen, indem er je den einen durch den andern zum Narren machet!« Wir näherten also der Hauptwacht, und die Schildwacht rufte ihr »Werda?«, wiewohl sie sahe, daß es mein Herr war. Dieser wollte nicht antworten, sondern jenem die Ehre lassen; daher stellete sich die Schildwacht mit Wiederholung ihres Geschreis desto heftiger. Endlich antwortete er auf das letztere »Werda?« »Der Mann, ders Geld gibt!« Wie wir nun bei der Schildwacht vorbeipassierten und ich so hinden nachzog, hörete ich ermeldte Schildwacht, die ein neugeworbener Soldat und zuvor ihres Handwerks ein wohlhäbiger junger Baursmann auf dem Vogelsberg gewesen war, diese Wort brummlen: »Du magst wohl ein verlogener Kund sein; ein Mann, ders Geld gibt! Ein Schindhund, ders Geld nimmt, das bist du! Soviel Gelds hast du mir abgeschweißt, daß ich wollte, der Hagel erschlüge dich, eh du wieder aus der Stadt kämest.« Von dieser Stund an faßte ich die Gedanken, dieser fremde Herr im sammeten Mutzen müsse ein heiliger Mann sein, weil nicht allein keine Flüche an ihm hafteten, sondern dieweil ihm auch seine Hasser alle Ehre, alles Liebes und alles Gutes erwiesen; er ward noch dieselbe Nacht fürstlich traktieret, blind vollgesoffen und noch darzu in ein herrlich Bette gelegt.

Folgende Tage giengs bei der Musterung bund über Eck her. Ich einfältiger Tropf war selbst geschickt genug, den klugen Commissarium (zu welchen Ämtern und Verrichtungen man wahrlich keine Kinder nimmt) zu betrügen und über den Tölpel zu werfen, welches ich eher als in einer Stund lernete, weil die ganze Kunst nur in 5 und 9 bestunde, selbige auf einer Trommel zu schlagen, weil ich noch zu klein war, einen Musketierer zu [93] präsentieren. Man staffierte mich zu solchem Ende mit einem entlehnten Kleid und auch mit einer entlehnten Trommel (dann meine geschürzte Pagehosen taugten nichts zum Handel), ohn Zweifel darum, weil ich selbst entlehnt war; damit passierte ich glücklich durch die Musterung. Demnach man aber meiner Einfalt nicht zugetraute, einen fremden Namen im Gedächtnüs zu behalten, auf welchen ich antworten und hervortretten sollte, mußte ich der Simplicius verbleiben; den Zunamen ersatzte der Gouverneur selbsten und ließ mich Simplicius Simplicissimus in die Rolle einschreiben, mich also wie ein Hurenkind zum ersten meins Geschlechts zu machen, wiewohl ich seiner eigenen Schwester seiner Selbstbekenntnüs nach ähnlich sahe. Ich behielt auch nachgehends diesen Namen und Zunamen, bis ich den rechten erfuhr, und spielte unter solchem meine Person zunutz des Gouverneurs und geringen Schaden der Kron Schweden ziemlich wohl, welches dann alle meine Kriegsdienste sein, die ich derselben mein Lebtag geleistet, derowegen dann ihre Feinde mich deswegen zu neiden keine Ursache haben.

Das 5. Kapitel
Das fünfte Kapitel.
Simplicem führen viel Teufel zur Höll,
Spanschen Wein trinkt er in selbiger Stell.

Als der Commissarius wieder hinweg, ließ vielgemeldter Pfarrer mich heimlich zu sich in sein Losament kommen und sagte: »O Simplici, deine Jugend dauret mich, und deine künftige Unglückseligkeit bewegt mich zum Mitleiden. Höre, mein Kind, und wisse gewiß, daß dein Herr dich aller Vernunft zu berauben und zum Narren zu machen entschlossen, maßen er zu solchem Ende bereits ein Kleid vor dich verfertigen lässet. Morgen mußt du in diejenige Schule, darin du deine Vernunft verlernen sollt; in derselben wird man dich ohn Zweifel so greulich drillen, daß du, wann anders Gott und natürliche Mittel solches nicht verhindern, ohn Zweifel zu einem Phantasten werden mußt. Weil aber solches ein mißlich und sorglich Handwerk ist, als habe ich um deines Einsiedlers Frömmigkeit und um deiner eignen Unschuld willen aus getreuer christlicher Liebe dir mit Rat und notwendigen guten Mitteln beispringen und gegenwärtige Arznei zustellen wollen. Darum folge nun meiner Lehre und nimm dieses Pulver ein, welches dir das Hirn und Gedächtnüs dermaßen stärken wird, daß du unverletzt deines Verstandes alles leicht überwinden magst. Auch hast du hierbei einen Balsam; damit[94] schmiere die Schläfe, den Würbel und das Genick samt den Naslöchern; und diese beide Stücke brauch auf den Abend, wann du schlafen gehest, sintemal du keine Stunde sicher sein wirst, daß du nicht aus dem Bette abgeholet werdest. Aber siehe zu und hüte dich ja fleißig, daß niemand dieser meiner Warnung und mitgeteilten Arznei gewahr werde, es möchte sonst dir und mir übel ausschlagen. Und wann man dich in dieser verfluchten Kur haben wird, so achte und glaube nicht alles, was man dich überreden will, und stelle dich doch, als wann du alles glaubtest. Rede wenig, damit deine Zugeordnete nicht an dir merken, daß sie lär Stroh dröschen, sonsten werden sich deine Plagen verlängern, wiewohl ich nicht wissen kann, auf was Weise sie mit dir umgehen werden. Wann du aber den Strauß und das Narrenkleid anhaben wirst, so komm wieder zu mir, damit ich deiner mit fernerm Rat pflegen möge. Indessen will ich Gott vor dich bitten, daß er deinen Verstand und Gesundheit erhalten wolle.« Hierauf stellete er mir gemeldtes Pulver und Sälblein zu, und [ich] wanderte damit wieder nach Haus.

Wie der Pfarrer gesagt hatte, also gieng es. Im ersten Schlaf kamen vier Kerl in schröcklichen Teufelslarven vermummt zu mir ins Zimmer vors Bette; die sprungen herum wie Gaukler und Fastnachtsnarren; einer hatte einen glühenden Haken, und der ander eine Fackel in Händen; die andere zween aber wischten über mich her, zogen mich aus dem Bette, tanzten eine Weile mit mir hin und her und zwangen mir meine Kleider an Leib. Ich aber stellete mich, als wann ich sie vor rechte natürliche Teufel gehalten hätte, verführte ein jämmerliches Zettergeschrei und ließ die allerforchtsamsten Gebärden erscheinen; aber sie verkündigten mir, daß ich mit ihnen fortmüßte. Hierauf verbanden sie mir den Kopf mit einer Handzwell, daß ich weder hören, sehen noch schreien konnte. Sie führten mich armen Tropfen, der ich wie ein Espenlaub zitterte, unterschiedliche Umwege, viel Stegen auf und ab und endlich in einen Keller, darin ein großes Feur brannte, und nachdem sie mir die Handzwell wieder abgebunden, fiengen sie an, mir in spanischen Wein und Malvasier zuzutrinken. Sie hatten mich gut überreden, ich wäre gestorben und nunmehr im Abgrund der Höllen, weil ich mich mit Fleiß also stellete, als wann ich alles glaubte, was sie vorlogen. »Sauf nur tapfer zu,« sagten sie, »weil du doch ewig bei uns bleiben mußt. Willst du aber nicht ein gut Gesell sein und mitmachen, so mußt du in gegenwärtiges Feur!« Die arme Teufel wollten ihre Sprache und Stimme verquanten, damit ich sie nicht kennen sollte; ich merkte aber gleich, daß es meines Herrn Furierschützen waren; [95] doch ließ ichs mich nicht mer ken, sondern lachte in die Faust, daß diese, so mich zum Narrn machen sollten, meine Narren sein mußten. Ich trank meinen Teil mit vom spanischen Wein, sie aber soffen mehr als ich, weil solcher himmlischer Nektar selten an solche Gesellen kommt, maßen ich noch schwören dörfte, daß sie eher voll worden als ich. Da michs aber Zeit zu sein bedünkte, stellete ich mich mit Hin- und Hertorkeln, wie ichs neulich an meines Herrn Gästen gesehen hatte, und wollte endlich gar nicht mehr saufen, sondern schlafen; hingegen jagten und stießen sie mich mit ihrem Haken, den sie allzeit im Feur liegen hatten, in allen Ecken des Kellers herum, daß es sahe, als ob sie selbst närrisch wären worden, entweder daß ich mehr trinken oder aufs wenigste nicht schlafen sollte. Und wann ich in solcher Hatze niederfiel, wie ich dann oft mit Fleiß tät, so packten sie mich wieder auf und stelleten sich, als wann sie mich ins Feur werfen wollten. Also gieng mirs wie einem Falken, dem man wacht, welches mein großes Kreuz war. Ich hätte sie zwar Trunkenheit und Schlafs halber wohl ausgedauret, aber sie verblieben nicht allweg beieinander, sondern lösten sich untereinander ab; darum hätte ich zuletzt den Kürzern ziehen müssen. Drei Täge und zwo Nächte habe ich in diesem raucherichten Keller zubracht, welcher kein ander Liecht hatte, als was das Feur von sich gab; der Kopf fieng mir dahero an zu brausen und zu wüten, als ob er zerreißen wollte, daß ich endlich einen Fund ersinnen mußte, mich meiner Qual samt den Peinigern zu entledigen; ich machte es wie der Fuchs, welcher den Hunden ins Gesicht harnt, wann er ihnen nicht mehr zu entrinnen getrauet; dann weil mich eben die Natur trieb, meine Notdurft (s.v.) zu tun, bewegte ich mich zugleich mit einem Finger im Hals zum Unwillen dergestalt, daß ich uf einmal die Hosen (mit Gunst) vollhofierte und das Wammes vollkotzete, auch dergestalt mit einem unleidlichen Gestank die Zeche bezahlte, also daß auch meine Teufel selbst schier nicht mehr bei mir bleiben konnten. Damals legten sie mich in ein Leilach und zerplotzten mich so unbarmherzig, daß mir alle innerliche Glieder samt der Seele heraus hätten fahren mögen, wovon ich dermaßen aus mir selber kam und des Gebrauchs meiner Sinnen beraubt ward, daß ich gleichsam wie tot dalag; ich weiß auch nicht, was sie ferners mit mir gemacht haben, so gar war ich allerdings dahin.

[96]
Das 6. Kapitel
Das sechste Kapitel.
Simplex wird plötzlich in Himmel versetzet,
Wird zum Kalb, als er mit Trank sich ergötzet.

Als ich wieder zu mir selber kam, befand ich mich nicht mehr in dem öden Keller bei den Teufeln, sondern in einem schönen Saal, unter den Händen dreier der allergarstigsten alten Weiber, so der Erdboden je getragen. Ich hielt sie anfänglich, als ich die Augen ein wenig öffnete, vor natürliche höllische Geister; hätte ich aber die alte heidnische Poeten schon gelesen gehabt, so hätte ich sie vor die Eumenides, oder wenigst die eine eigentlich vor die Tisiphone gehalten, welche, mich, wie den Athamantem, meiner Sinne zu berauben, aus der Höllen ankommen wäre, weil ich zuvor wohl wußte, daß ich darum da war, zum Narren zu werden. Diese hatte ein Paar Augen wie zween Irrwische und zwischen denselben eine lang-magere Habichsnase, deren Ende oder Spitze die untere Lefzen allerdings erreichte. Nur zween Zähne sahe ich in ihrem Maul, sie waren aber so vollkommen, lang, rund und dick, daß sich jeder beinahe der Gestalt nach mit dem Goldfinger, der Farb nach aber sich mit dem Gold selbst hätte vergleichen lassen. In Summa, es war Gebeins genug vorhanden zu einem ganzen Maul voll Zähne, es war aber gar übel ausgeteilt. Ihr Angesicht sahe wie spanisch Leder, und ihre weiße Haare hiengen ihr seltsam zerstrobelt um den Kopf herum, weil man sie erst aus dem Bette geholet hatte. Ihre lange Brüste weiß ich nichts anders zu vergleichen, als zweien lummerichten Kühblasen, denen zwei Drittel vom Blast entgangen; unten hieng an jeder ein schwarzbrauner Zapf halb Fingers lang. Wahrhaftig ein erschröcklicher Anblick, der zu nichts andern als vor eine treffliche Arznei wider die unsinnige Liebe der geilen Böcke hätte dienen mögen. Die andere zwo waren gar nicht schöner, ohn daß dieselbe stumpfe Affennäslein und ihre Kleider etwas ordentlicher angetan hatten. Als ich mich besser erkoberte, sahe ich, daß die eine unser Schüsselwäscherin, die andre zwo aber zweier Furierschützen Weiber waren. Ich stellete mich, als wann mir alle Glieder abgeschlagen wären und ich mich nicht zu regen vermochte, wie mich dann in Wahrheit auch nicht tanzerte, als diese ehrliche alte Mütterlein mich splitternackend auszogen und von allem Unrat wie ein junges Kind sauberten. Doch tät mir solches trefflich sanft; sie bezeugten unter währender Arbeit eine große Gedult und treffliches Mitleiden, also daß ich ihnen beinahe offenbaret hätte, wie wohl mein Handel noch stünde. Doch gedachte ich: »Nein Simplici! vertraue keinem alten Weib, sondern [97] gedenke, du habst Victori genug, wann du in deiner Jugend drei abgefäumte alte Vetteln, mit denen man den Teufel im weiten Feld fangen möchte, betrügen kannst; du kannst aus dieser Okkasion Hoffnung schöpfen, bei zunehmenden Jahren und künftigem im Alter mehrers zu leisten.« Da sie nun mit mir fertig waren, legten sie mich in ein köstlich Bette, darin ich ungewiegt entschlief; sie aber giengen und nahmen ihre Kübel und andere Sachen, damit sie mich gewaschen hatten, samt meinen Kleidern und allen Unflat mit sich hinweg. Meines Davorhaltens schliefe ich diesen Satz länger als 24 Stunden; und da ich wiedererwachte, stunden zween schöne geflügelte Knaben vorm Bette, welche mit weißen Hemdern, taffeten Binden, Perlen, Kleinodien, göldenen Ketten und andern scheinbarlichen Sachen köstlich gezieret waren. Einer hatte ein vergüldtes Lavor voller Hippen, Zuckerbrot, Marzeban und ander Konfekt, der ander aber einen verguldten Becher in Händen. Diese als Engel, davor sie sich ausgaben, wollten mich bereden, daß ich nunmehr im Himmel sei, weil ich das Fegfeur so glücklich überstanden und dem Teufel samt seiner Mutter entgangen; derohalber sollte ich nur begehren, was mein Herz wünsche, sintemal alles, was mir nur beliebe, genug vorhanden wäre oder doch sonst herbeizuschaffen in ihrer Macht stünde. Mich quälete der Durst, und weil ich den Becher vor mir sahe, verlangte ich nur den Trunk, der mir auch mehr als gutwillig gereichet ward. Solches war aber kein Wein, sondern ein lieblicher Schlaftrunk, welchen ich unabgesetzt zu mir nahm und davon wieder entschlief, sobald er bei mir war erwärmet.

Den andern Tag erwachte ich wiederum (dann sonst schlief ich noch), befand mich aber nicht mehr im Bette, noch in vorigem Saal oder bei meinen Engeln, viel weniger im Himmelreich selbsten, sondern in meinem alten Gänskerker. Da war abermal eine greuliche Finsternus wie in vorigem Keller; und überdas hatte ich ein Kleid an von Kalbfellen, daran das rauhe Teil auch auswendig gekehrt war; die Hosen waren auf polnisch oder schwäbisch und das Wams noch wohl auf eine närrischere Manier gemacht. Oben am Hals stund eine Kappe wie ein Mönchsgugel; die war mir über den Kopf gestreift und mit einem schönen Paar großer Eselsohren gezieret. Ich mußte meines Unsterns selbst lachen, weil ich beides, am Nest und den Federn, sahe, was ich vor ein Vogel sein sollte. Damals fieng ich erst an, in mich selbst zu gehen und auf mein Bestes zu gedenken, und gleichwie ich Ursach genug hatte, Gott zu danken, daß er mir meinen Verstand gesund erhalten, also war ich auch bedürftig, denselben inbrünstig zu bitten, daß er mich ferner behüten, regieren, leiten [98] und führen wollte. Ich satzte mir vor, mich auf das närrischte zu stellen, als mir immer müglich sein möchte, und darneben mit Geduld zu erharren, wie sich mein Verhängnus weiters anlassen würde.

Das 7. Kapitel
Das siebente Kapitel.
Simplex in seinen recht kälbrischen Stand
Schickt sich aufs beste, wird trefflich bekannt.

Vermittelst des Lochs, so der tolle Fähnrich hiebevor in die Tür geschnitten, hätte ich mich wohl erledigen können; weil ich aber ein Narr sein sollte, ließ ichs bleiben und tät nicht allein wie ein Narr, der nicht so witzig ist, von sich selbst herauszugehen, sondern stellte mich gar wie ein hungrig Kalb, das sich nach seiner Mutter sehnet. Mein Geplärr ward auch bald von denjenigen gehöret, die darzu bestellet waren, maßen zween Soldaten vor den Gänsstall kamen und fragten, wer darin wäre. Ich antwortete: »Ihr Narren, hört ihr dann nicht, daß ein Kalb da ist?« Sie machten den Stall auf, nahmen mich heraus und verwunderten sich, daß ein Kalb sollte reden können, welches ihnen anstund, wie die gezwungene Aktionen eines neugeworbenen ungeschickten Komödianten, der die Person, die er vertretten soll, nicht wohl agieren kann, also daß ich oft meinete, ich müßte ihnen selbst zum Possen helfen. Sie beratschlagten sich, was sie mit mir machen wollten, und wurden eins, mich dem Gubernator zu verehren, als welcher ihnen, weil ich reden könnte, mehr schenken würde, als ihnen der Metzger vor mich bezahlte. Sie fragten mich, wie mein Handel stünde. Ich antwortete: »Liederlich genug!« Sie fragten: »Warum?« Ich sagte: »Darum, dieweil hier der Brauch ist, redliche Kälber in Gänsstall zu sperren. Ihr Kerl müßt wissen, dafern man will, daß ein rechtschaffener Ochs aus mir werden soll, daß man mich auch aufziehen muß, wie einem ehrlichen Stier zustehet.« Nach solchem kurzen Diskurs führeten sie mich über die Gaß gegen des Gouverneurs Quartier zu; uns folgte eine große Schar Buben nach, und weil dieselbe ebensowohl als ich das Kälbergeschrei schrieen, hätte ein Blinder aus dem Gehör urteilen mögen, man triebe eine Herde Kälber daher; aber dem Gesicht nach sahe es einem Haufen so junger als alter Narren gleich.

Also ward ich von den beiden Soldaten dem Gouverneur präsentiert, gleichsam als ob sie mich erst auf Partei erbeutet hätten. Dieselbe beschenkte er mit einem Trinkgelt, mir selbst [99] aber versprach er die beste Sach, so ich bei ihm haben sollte. Ich gedacht wie des Goldschmieds Jung und sagte: »Wohl Herr, man muß mich aber in keinen Gänsstall sperren; dann wir Kälber können solches nicht erdulden, wann wir anders wachsen und zu einem Stück Hauptviehe werden sollen.« Der Gouverneur vertröstete mich eines Bessern und dünkte sich gar gescheid sein, daß er einen solchen visierlichen Narrn aus mir gemachet hätte; hin gegen gedachte ich: »Harre, mein lieber Herr, ich habe die Probe des Feuers überstanden und bin darin gehärtet worden; jetzt wollen wir probieren, welcher den andern am besten agieren wird können.« Indem trieb ein geflehnter Baur sein Vieh zur Tränke; sobald ich das sahe, verließ ich den Gouverneur und eilete mit einem Kälbergeplärr den Kühen zu, gleichsam als ob ich an ihnen saugen wollte. Diese, als ich zu ihnen kam, entsatzten sich ärger vor mir als vor einem Wolf, wiewohl ich ihrer Art Haar trug; ja sie wurden so schellig und zerstoben dermaßen voneinander, als wann im Augusto ein Nest voll Hornüssen unter sie gelassen wäre worden, also daß sie ihr Herr an selbigem Ort nicht mehr zusammenbringen konnte, welches einen artlichen Spaß abgab. In einem Hui war ein Haufen Volk beieinander, das der Gaukelfuhr zusahe; und als mein Herr lachte, daß er hätte zerbersten mögen, sagte er endlich: »Ein Narr macht ihrer hundert.« Ich aber gedachte: »Zupf dich selber bei der Nase: dann eben du bist derjenige, dem du jetzt wahrsagest.«

Gleichwie mich nun jedermann von selbiger Zeit an das Kalb nannte, also nannte ich hingegen auch einen jeden mit einem besondern spöttischen Nachnamen; dieselbe fielen mehrenteils der Leute und sonderlich meines Herrn Bedünken nach gar sinnreich; dann ich taufte jedwedern, nachdem seine Qualitäten erfoderten. Summariter davon zu reden, so schätzte mich männiglich vor einen ohnweisen Toren, und ich hielte jeglichen vor einen gescheiden Narren. Dieser Gebrauch ist meines Erachtens in der Welt noch üblich, maßen ein jeder mit seinem Witz zufrieden und sich einbildet, er sei der Gescheideste unter allen, da es doch redlich heißt: Stultorum plena sunt omnia.

Obige Kurzweile, die ich mit des Bauren Rindern anstellete, machte uns den kurzen Vormittag noch kürzer; dann es war damals eben um die winterliche Sonnenwende. Bei der Mittagsmahlzeit wartete ich auf wie zuvor, brachte aber benebenst seltsame Sachen auf die Bahne; und als ich essen sollte, konnte niemand einzige menschliche Speise oder Trank in mich bringen: ich wollte kurzum nur Gras haben, so damals zu bekommen unmüglich [100] war. Mein Herr ließ ein paar frische Kalbfell von den Metzgern holen und solche zweien kleinen Knaben über die Köpfe straifen. Diese satzte er zu mir an den Tisch, traktierte uns in der ersten Tracht mit Wintersalat und hieß uns wacker zuhauen; auch ließ er ein lebendig Kalb hinbringen und mit Salz zum Salat anfrischen. Ich sahe so starr darein, als wann ich mich darüber verwunderte, aber der Umstand vermahnete mich, mitzumachen. »Jawohl,« sagten sie, wie sie mich so kaltsinnig sahen, »es ist nichts Neues, wann Kälber Fleisch, Fische, Käse, Butter und anders fressen. Was? sie saufen auch zuzeiten einen guten Rausch! Die Bestien wissen nunmehr wohl, was gut ist.« – »Ja,« sagten sie ferner, »es ist heutigentags so weit kommen, daß sich nunmehr ein geringer Unterscheid zwischen ihnen und den Menschen befindet; wolltest du dann allein nicht mitmachen?«

Dieses ließe mich um so viel desto ehender überreden, weil mich hungerte, und nicht darum, daß ich hiebevor schon selbst gesehen, wie teils Menschen säuischer als Schweine, grimmiger als Löwen, geiler als Böcke, neidiger als Hunde, unbändiger als Pferde, gröber als Esel, versoffener als Rinder, listiger als Füchse, gefräßiger als Wölfe, närrischer als Affen und giftiger als Schlangen und Krotten waren, welche dannoch allesamt menschlicher Nahrung genossen und nur durch die Gestalt von den Tieren unterschieden waren, zumalen auch die Unschuld eines Kalbs bei weitem nicht hatten. Ich fütterte mit meinen Mitkälbern, wie solches mein Appetit erfoderte, und wann ein Frembder uns unversehns also beieinander zu Tisch hätte sitzen sehen, so hätte er sich ohn Zweifel eingebildet, die alte Circe wäre wieder auferstanden, aus Menschen Tiere zu machen, welche Kunst damals mein Herr konnte und praktizierte. Eben auf den Schlag, wie ich die Mittagsmahlzeit vollbrachte, also ward ich auch auf den Nachtimbiß traktieret. Und gleichwie meine Mitesser oder Schmarotzer mit mir zehrten, damit ich auch zehren sollte, also mußten sie auch mit mir zu Bette, wann mein Herr anders nicht zugeben wollte, daß ich im Kühestall über Nacht schliefe; und das tät ich darum, damit ich diejenige auch genug narrete, die mich zum Narren zu haben vermeinten, und machte diesen festen Schluß, daß der grundgütige Gott einem jeden Menschen in seinem Stand, zu welchem er ihn berufen, so viel Witz gebe und verleihe, als er zu seiner Selbsterhaltung vonnöten, auch daß sich dannenhero, Doktor hin oder Doktor her, viel vergeblich einbilden, sie sein allein witzig und Hans in allen Gassen; dann hinter den Bergen wohnen auch Leute.

[101]
Das 8. Kapitel
Das achte Kapitel.
Simplex Diskurs vom Gedächtnus hört an,
Drauf von Vergessung wird Meldung getan.

Am Morgen, als ich erwachte, waren meine beide verkälberte Schlafgesellen schon fort; derowegen stund ich auf und schlich, als der Adjutant die Schlüssel holete, die Stadt zu öffnen, aus dem Haus zu meinem Pfarrer. Demselben erzählte ich alles, wie mirs sowohl im Himmel als in der Hölle ergangen. Und wie er sahe, daß ich mir ein Gewissen machte, weil ich so viel Leute und sonderlich meinen Herrn betröge, wann ich mich närrisch stellete, sagte er: »Hierum darfst du dich nicht bekümmern, die närrische Welt will betrogen sein. Hat man dir deine Witz noch übriggelassen, so gebrauche dich derselben zu deinem Vorteil und danke Gott, daß du überwunden hast, als welche Gabe nicht jedem gegeben wird. Bilde dir ein, als ob du gleich dem Phönix vom Unverstand zum Verstand durchs Feur, und also zu einem neuen menschlichen Leben auch neu geboren worden seist. Doch wisse dabei, daß du noch nicht über den Graben, sondern mit Gefahr deiner Vernunft in diese Narrenkappe geschloffen bist; die Zeiten sein so wunderlich, daß niemand wissen kann, ob du ohn Verlust deines Lebens wieder herauskommest. Man kann geschwind in die Hölle rennen, aber wieder heraus zu entrinnen wirds Schnaufens und Bartwischens brauchen. Du bist bei weitem noch nicht so gewannet, deiner bevorstehenden Gefahr zu entgehen, wie du dir wohl einbilden möchtest; darum wird dir mehr Vorsichtigkeit und Verstand vonnöten sein, als zu der Zeit, da du noch nicht wußtest, was Verstand oder Unverstand war. Befehle deine Sache Gott, bete fleißig, bleib demütig und erwarte in Gedult der künftigen Veränderung.«

Sein Diskurs war vorsätzlich so variabel; dann ich bilde mir ein, er habe mir an der Stirn gelesen, daß ich mich groß zu sein bedünke, weil ich mit so meisterlichem Betrug und seiner Kunst durchgeschloffen. Und ich mutmaßete hingegen aus seinem Angesicht, daß er unwillig und meiner überdrüssig worden, dann seine Mienen gabens; und was hatte er von mir? Derowegen veränderte ich auch meine Reden und wußte ihm großen Dank vor die herrliche Mittel, die er mir zu Erhaltung meines Verstandes mitgeteilet hatte, ja ich tät unmügliche Promessen, alles, wie meine Schuldigkeit erfordere, wieder dankbarlich zu verschulden. Solches kützelte ihn und brachte ihn auch wieder auf eine andere Laune; dann er rühmte gleich darauf seine Arznei trefflich und erzählte mir, daß Simonides Melicus eine [102] Kunst aufgebracht, die Metrodorus Sceptius nicht ohn große Mühe perfektioniert hätte, vermittelst deren er die Menschen lehren können, daß sie alles, was sie einmal gehöret oder gelesen, bei einem Wort nachreden mögen, und solches wäre, sagte er, ohn hauptstärkende Arzneien, deren er mir mitgeteilet, nicht zugangen. »Ja,« gedachte ich, »mein lieber Herr Pfarrer, ich habe in deinen eigenen Büchern bei meinem Einsiedel viel anders gelesen, worin Sceptii Gedächtnuskunst bestehe!« Doch war ich so schlau, daß ich nichts sagte; dann wann ich die Wahrheit bekennen soll, so bin ich, als ich zum Narrn werden sollte, allererst witzig und in meinen Reden behutsamer worden. Er, der Pfarrer, fuhr fort und sagte mir, wie Cyrus einem jeden von seinen 30000 Soldaten mit seinem rechten Namen hätte rufen, Lucius Scipio alle Bürger zu Rom bei den ihrigen nennen und Cyneas, Pyrrhi Gesandter, gleich den andern Tag hernach, als er gen Rom kommen, aller Ratsherren und Edelleute Namen daselbst ordentlich hersagen können. »Mithridates, der König in Ponto und Bithynia«, sagte er, »hatte Völker von 22 Sprachen unter ihm, denen er allen in ihrer Zunge Recht sprechen und mit einem jeden insonderheit, wie Sabell. lib. 10. cap. 9 schreibet, reden konnte. Der gelehrte Griech Charmides sagte einem auswendig, was einer aus den Büchern wissen wollte, die in der ganzen Liberei lagen, wannschon er sie nur einmal überlesen hatte. Lucius Seneca konnte 2000 Namen herwieder sagen, wie sie ihm vorgesprochen worden, und, wie Ravisius meldet, 200 Vers, von 200 Schülern geredet, vom letzten an bis zum ersten hinwiederum erzählen. Esdras, wieEuseb. lib. temp. Fulg. lib. 8. cap. 7 schreibet, konnte die fünf Bücher Mosis auswendig und selbige von Wort zu Wort den Schreibern in die Feder diktieren. Themistokles lernete die persische Sprache in einem Jahr. Crassus konnte in Asia die fünf unterschiedliche Dialectos der griechischen Sprach ausreden und seinen Untergebenen darin Recht sprechen. Julius Cäsar las, diktierte und gab zugleich Audienz. Von Älio Hadriano, Portio Latrone, den Römern und andern will ich nichts melden, sondern nur von dem heiligen Hieronymo sagen, daß er Hebräisch, Chaldäisch, Griechisch, Persisch, Medisch, Arabisch und Lateinisch gekönnt. Der Einsiedel Antonius konnte die ganze Bibel nur vom Hörenlesen auswendig. So schreibet auch Colerus lib. 18. cap. 21 aus Marco Antonio Mureto von einem Korsikaner, welcher 6000 Menschennamen angehöret und dieselbige hernach in richtiger Ordnung schnell herwieder gesagt.«

»Dieses erzähle ich alles darum,« sagte er ferner, »damit [103] du nicht vor unmüglich haltest, daß durch Medizin einem Menschen sein Gedächtnus trefflich gestärket und erhalten werden könne, gleichwie es hingegen auch auf mancherlei Weise geschwächet und gar ausgetilget wird, maßen Plinius lib. 7. cap. 24. schreibet, daß am Menschen nichts so blöd sei als eben das Gedächtnus, und daß sie durch Krankheit, Schrecken, Forcht, Sorge und Bekümmernus entweder ganz verschwinde oder doch einen großen Teil ihrer Kraft verliere.

Von einem Gelehrten zu Athen wird gelesen, daß er alles, was er je studiert gehabt, sogar auch das Abc, vergessen, nachdem ein Stein von oben herab auf ihn gefallen. Ein anderer schosse von einem Turn herunter und wurde dardurch so vergeßlich, daß er seiner Freunde und Nächstverwandten Namen nicht mehr nennen konnte. Ein anderer kam durch eine Krankheit dahin, daß er seines Dieners Namen vergaß; und Messala Corvinus wußte seinen eigenen Namen nicht mehr, der doch vorhin ein gut Gedächtnus gehabt. Schramhans schreibet in fasciculo Historiarum fol. 60. (welches aber so aufschneiderisch klinget, als ob es Plinius selbst geschrieben), daß ein Priester aus seiner eigenen Ader Blut getrunken und dadurch schreiben und lesen vergessen, sonst aber sein Gedächtnus unverruckt behalten; und als er übers Jahr hernach eben an selbigem Ort und damaliger Zeit abermal desselbigen Bluts getrunken, hätte er wieder wie zuvor schreiben und lesen können. Zwar ist es glaublicher, was Joh. Wierus de praestigiis daemon. lib. 3. cap. 18. schreibet, wann man Bärnhirn einfresse, daß man dadurch in solche Phantasei und starke Imagination gerate, als ob man selbst zu einem Bären worden wäre, wie er dann solches mit dem Exempel eines spanischen Edelmanns beweiset, der, nachdem er dessen genossen, in den Wildnussen umgeloffen und sich nicht anders eingebildet, als er sei ein Bär. Lieber Simplici, hätte dein Herr diese Kunst gewüßt, so dörftest du wohl ehender in einen Bären, wie die Kallisto, als in einen Stier, wie Jupiter, verwandelt worden sein.«

Der Pfarrer erzählte mir des Dings noch viel, gab mir wieder etwas von Arznei und instruierte mich wegen meines fernern Verhalts. Damit machte ich mich wieder nach Haus und brachte mehr als 100 Buben mit, die mir nachliefen und abermals alle wie Kälber schrieen; derowegen lief mein Herr, der eben aufgestanden war, ans Fenster, sahe so viel Narren auf einmal und ließe ihm belieben, darüber herzlich zu lachen.

[104]
Das 9. Kapitel
Das neunte Kapitel.
Simplex das Lob der Jungfrauen beschreibet
Und die Zeit darmit sehr vielen vertreibet.

Sobald ich ins Haus kam, mußte ich auch in die Stube, weil adelig Frauenzimmer bei meinem Herrn war, welches seinen neuen Narrn auch gern hätte sehen und hören mögen. Ich erschiene und stund da wie ein Stummer, dahero diejenige, so ich hiebevor beim Tanz erdappet hatte, Ursache nahm zu sagen, sie hätte ihr sagen lassen, dieses Kalb könne reden, so verspüre sie aber nunmehr, daß es nicht wahr sei. Ich antwortete: »So habe ich hingegen vermeinet, die Affen können nicht reden, höre aber wohl, daß dem auch nicht also sei.« – »Wie?« sagte mein Herr, »vermeinst du dann, diese Damen sein Affen?« Ich antwortete: »Seind sie es nicht, so werden sie es doch bald werden: wer weiß, wie es fällt; ich habe mich auch nicht versehen, ein Kalb zu werden und bins doch!« Mein Herr fragte, woran ich sehe, daß diese Affen werden sollen? Ich antwortete: »Unser Affe trägt seinen Hindern bloß, diese Damen aber allbereit ihre Brüste, dann andere Mägdlein pflegten ja sonst solche zu bedecken.« – »Schlimmer Vogel,« sagte mein Herr, »du bist ein närrisch Kalb, und wie du bist, so redest du. Diese lassen billig sehen, was sehenswert ist; der Affe aber gehet aus Armut nackend. Geschwind bringe wieder ein, was du gesündiget hast, oder man wird dich karbäitschen und mit Hunden in Gänsstall hetzen, wie man Kälbern tut, die sich nicht zu schicken wissen. Laß hören, weißt du auch eine Dam zu loben und abzumalen, wie sichs gebührt?« Hierauf betrachtete ich die Dame von Füßen an bis oben aus und hinwieder von oben bis unten, sahe sie auch so steif und lieblich an, als hätte ich sie heuraten und noch einmal umfangen wollen. Endlich sagte ich: »Herr, ich sehe wohl, wo der Fehler steckt; der Diebsschneider ist an allem schuldig, er hat das Gewand, das oben um den Hals gehört und die Brüste bedecken sollte, unten an dem Rock stehen lassen; darum schleift er so weit hinten hernach; man sollte dem Hudler die Hände abhauen, wann er nicht besser schneidern kann. Jungfer,« sagte ich zu ihr selbst, »schafft ihn ab, wann er Euch nicht so verschänden soll, und sehet, daß Ihr meines Knäns Schneider bekommt, der hieß Meister Paulgen; er hat meiner Meuder, unserer Ann und unserm Ursele so schöne gebrittelte Röcke machen können, die unten herum ganz eben gewesen sein; sie haben wohl nicht so im Dreck geschlappt wie Eurer. Ja Ihr glaubet nicht, wie er den fänzigen Huren so schöne Kleider machen können, darinnen [105] sie geprangt wie Barthel.« Mein Herr fragte, ob dann meines Knäns Ann und Ursele schöner gewesen als diese Jungfer? »Ach wohl nein, Herr!« sagte ich, »diese Jungfer hat ja Haar, das ist so gelb wie kleiner Kinderdreck, und ihre Scheiteln sind so weiß und so gerad gemacht, als wann man Säubürsten auf die Haut gekappt hätte; ja ihre Haare sein so hübsch zusammengerollt, daß es siehet wie hohle Pfeifen, oder als wann sie auf jeder Seite ein paar Pfund Liechter oder ein Dutzent Bratwürste hangen hätte. Ach! sehet nur, wie hat sie so eine schöne glatte Stirn; ist sie nicht feiner gewölbet als ein fetter Arsbacken und weißer als ein Totenkopf, der viel Jahr lang im Wetter gehangen? Immer schad ist es, daß ihre zarte Haut durch das Haarpulver so schlimm bemakelt wird; dann wann es Leute sehen, die es nicht verstehen, dörften sie wohl vermeinen, die Jungfer habe den Erbgrind, der solche Schuppen von sich werfe, welches noch größer Schade wäre vor die funklende Augen, die von Schwärze klärer zwitzern als der Ruß vor meines Knäns Ofenloch, welcher so schrecklich glänzete, wann unser Ann mit einem Strohwisch davorstund, die Stube zu heizen, als wann lauter Feur darin stecke, die ganze Welt anzuzünden. Ihre Backen sein so hübsch rotlecht, doch nicht gar so rot, als neulich die neue Nestel waren, damit die schwäbische Fuhrleute von Ulm ihre Lätz gezieret hatten. Aber die hohe Röte, die sie an den Lefzen hat, übertrifft solche Farbe weit, und wann sie lachet oder redet (ich bitte, der Herr gebe nur Achtung darauf), so siehet man zwei Reihen Zähne in ihrem Maul stehen, so schön zeilweis und zuckerähnlich, als wann sie aus einem Stück von einer weißen Rübe geschnitzelt wären worden. O Wunderbild! ich glaube nicht, daß es einem wehe tut, wann du einen damit beißest. So ist ihr Hals ja schier so weiß als eine gestandene Saurmilch, und ihre Brüstlein, die darunter liegen, sein von gleicher Farbe und ohn Zweifel so hart anzugreifen wie ein Gaiß Mämm, die von übriger Milch strotzt. Sie seind wohl nicht so schlapp, wie die alte Weiber hatten, die mir neulich den Hindern butzten, da ich in den Himmel kam. Ach Herr! sehet doch ihre Hände und Finger an, sie sind ja so subtil, so lang, so gelenk, so geschmeidig und so geschicklich gemacht, natürlich wie die Zügeinerinnen neulich hatten, damit sie einem in Schubsack greifen, wann sie fischen wollen. Aber was soll dieses gegen ihrem ganzen Leib selbst zu rechnen sein, den ich zwar nicht bloß sehen kann. Ist er nicht so zart, schmal und anmutig, als wann sie acht ganzer Wochen die schnelle Katharina gehabt hätte?« Hierüber erhub sich ein solch Gelächter, daß man mich nicht mehr hören, noch ich mehr reden [106] konnte, gieng hiemit durch wie ein Holländer und ließ mich, solang mirs gefiel, von andern vexiern.

Das 10. Kapitel
Das zehnte Kapitel.
Simplex pflegt vieles von tapferen Helden,
Und auch von trefflichen Künstlern zu melden.

Hierauf erfolgte die Mittagsmahlzeit, bei welcher ich mich wieder tapfer gebrauchen ließ, dann ich hatte mir vorgesetzt, alle Torheiten zu bereden und alle Eitelkeiten zu strafen, wozu sich dann mein damaliger Stand trefflich schickte; kein Tischgenoß war mir zu gut, ihm sein Laster zu verweisen und aufzurupfen, und wann sich einer fand, der sichs nicht gefallen ließe, so ward er entweder noch darzu von andern ausgelacht oder ihm von meinem Herrn vorgehalten, daß sich kein Weiser über einen Narrn zu erzörnen pflege. Den tollen Fähnrich, welcher mein ärgster Feind war, zoge ich gleich herüber und setzte ihn auf den Esel. Der erste aber, der mir aus meines Herrn Winken mit Vernunft begegnete, war der Sekretarius; dann als ich denselben einen Titulschmied nannte, ihn wegen der eiteln Titul auslachte und fragte, wie man der Menschen ersten Vatter titulieret hätte? antwortete er: »Du redest wie ein unvernünftig Kalb, weil du nicht weißt, daß nach unsern ersten Eltern unterschiedliche Leute gelebet, die durch seltene Tugenden, als Weisheit, mannliche Heldentaten und Erfindung guter Künste sich und ihr Geschlecht dermaßen geadelt haben, daß sie auch von andern über alle irdische Dinge, ja gar übers Gestirn zu Göttern erhoben worden. Wärest du ein Mensch, oder hättest aufs wenigste wie ein Mensch die Historien gelesen, so verstündest du auch den Unterscheid, der sich zwischen den Menschen enthält, und würdest dannenhero einem jeden seinen Ehrentitul gern gönnen; sintemal du aber ein Kalb und keiner menschlichen Ehre würdig noch fähig bist, so redest du auch von der Sache wie ein dummes Kalb und mißgönnest dem edlen menschlichen Geschlecht dasjenige, dessen es sich zu erfreuen hat.« Ich antwortete: »Ich bin sowohl ein Mensch gewesen als du, hab auch ziemlich viel gelesen, kann dahero urteilen, daß du den Handel entweder nicht recht verstehest oder durch dein Interesse abgehalten wirst, anderst zu reden, als du weißt. Sage mir, was sein vor herrliche Taten begangen und vor löbliche Künste erfunden worden, die genugsam sein, ein ganz Geschlecht etlich hundert Jahre nacheinander auf [107] Absterben der Helden und Künstler selbst zu adeln? Ist nicht beides, der Helden Stärke und der Künstler Weisheit und hoher Verstand, mit hinweggestorben? Wann du dies nicht verstehest und der Eltern Qualitäten auf die Kinder erben, so muß ich davorhalten, dein Vatter sei ein Stockfisch und deine Mutter ein Plateissin gewesen.« – »Ha!« antwortete der Sekretarius, »wann es damit wohl ausgericht sein wird, wann wir einander schänden wollen, so könnte ich dir vorwerfen, daß dein Knän ein grober Spesserter Baur gewesen, und obzwar es in deiner Heimat und Geschlecht die größte Knollfinken abgibt, daß du dich annoch noch mehr verringert habest, indem du zu einem unvernünftigen Kalb worden bist.« – »Da recht, da hab ich dich recht bei der Karthausen,« antwortete ich, »das ist es, was ich behaupten will, daß nämlich der Eltern Tugenden nicht allweg auf die Kinder erben und daß dahero die Kinder ihrer Eltern Tugendtituln auch nicht allweg würdig sein. Mir zwar ist es keine Schande, daß ich ein Kalb bin worden, dieweil ich in solchem Fall dem großmächtigen König Nabuchodonosor nachzufolgen die Ehre habe. Wer weiß, ob es nicht Gott gefällt, daß ich auch wieder, wie dieser, zu einem Menschen, und zwar noch größer werde, als mein Knän gewesen? Ich rühme einmal diejenige, die sich durch eigene Tugenden edel machen.« – »Nun gesetzt, aber nicht gestanden,« sagte der Sekretarius, »daß die Kinder ihrer Eltern Ehrentitul nicht allweg erben sollen, so mußt du doch gestehen und mir unfehlbarlich zugeben, daß diejenige alles Lobs wert sein, die sich selbst durch Wohlverhalten edel machen. Wann dann dem also, so folget, daß man die Kinder wegen ihrer Eltern billig ehret, dann der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Wer woll te in Alexandri M. Nachkömmlingen, wann anders noch einzige vorhanden wären, ihres alten Urahnherrn herzhafte Tapferkeit im Krieg nicht rühmen? Dieser erwiese seine Begierde zu fechten in seiner Jugend mit Weinen, als er noch zu keinen Waffen tüchtig war, besorgend, sein Vatter möchte alles gewinnen und ihm nichts zu bezwingen übriglassen. Hat er nicht noch vor dem dreißigsten Jahr seines Alters die Welt bezwungen, und noch ein andere zu bestreiten gewünschet? Hat er nicht in einer Schlacht, die er mit den Indianern gehalten, da er von den Seinigen verlassen war, aus Zorn Blut geschwitzet? War er nicht anzusehen, als ob er mit lauter Feurflammen umgeben war, so daß ihn auch die Barbaren vor Furcht streitend verlassen mußten? Wer wollte ihn nicht höher und edler als andere Menschen schätzen, da doch Quintus Curtius von ihm bezeuget, daß sein Atem wie Balsam, der Schweiß nach Bisem und sein [108] toter Leib nach köstlicher Spezerei gerochen? Hier könnte ich auch einführen den Julium Cäsarem und den Pompejum, deren der eine über und neben den Viktorien, die er in den Bürgerlichen Kriegen behauptet, funfzigmal in offenen Feldschlachten gestritten, und 1152000 Mann erlegt und totgeschlagen hat. Der ander hat neben 940 den Meerräubern abgenommenen Schiffen vom Alpgebürg an bis in das äußerste Hispanien 876 Städte und Flecken eingenommen und überwunden. Den Ruhm Marci Sergii will ich verschweigen und nur ein wenig von dem Lucio Siccio Dentato sagen, welcher Zunftmeister zu Rom war, als Spurius Turpejus und Aulus Eternins Burgermeister gewesen. Dieser ist in 110 Feldschlachten gestanden und hat achtmal diejenigen überwunden, so ihn herausgesodert; er konnte 45 Wundmäler an seinem Leib zeigen, die er alle vor dem Mann und keine rückwarts empfangen; mit neun Obristfeldherren ist er in ihren Triumphen (die sie vornehmlich durch ihre Mannheit erlangt) eingezogen. Des Manlii Capitolini Kriegsehre wäre nicht geringer, wann er sie im Beschluß seines Lebens nicht selbst verkleinert; dann er konnte auch 33 Wundmäler zeigen, ohn daß er einsmals das Capitolium mit allen Schätzen allein vor den Franzosen erhalten. Wo bleiben die biblische Helden Josua, David, Joab, die Assamoner und andere mehr, deren die erste das Gelobte Land erobert und die letzte wieder in Freiheit gesetzt haben? Item, der starke Herkules, Theseus und andere, die beinahe beides zu erzählen und ihr unsterbliches Lob zu beschreiben unmüglich! Sollten diese in ihren Nachkömmlingen nicht zu ehren sein?«

»Ich will aber Wehre und Waffen fahren lassen und mich zu den Künsten wenden, welche zwar etwas geringer zu sein scheinen, nichtsdestoweniger aber ihre Meister ganz ruhmreich machen. Was findet sich nur für eine Geschicklichkeit am Zeuxe, welcher durch seinen kunstreichen Kopf und geschickte Hand die Vögel in der Luft betrog? item am Apelle, der eine Venus so natürlich, so schön, so ausbündig und mit allen Lineamenten so subtil und zart dahermalete, daß sich auch die Junggesellen darein verliebten? Plutarchus schreibet, daß Archimedes ein groß Schiff, mit Kaufmannswaren beladen, mitten über den Markt zu Syracusis nur mit einer Hand an einem einzigen Seil dahergezogen, gleich als ob er ein Saumtier an einem Zaum geführet, welches 20 Ochsen, geschweige 200 deinesgleichen Kälber, nicht hätten zu tun vermöcht. Sollte nun dieser rechtschaffene Meister nicht mit einem besondern Ehrentitul seiner Kunst gemäß zu begaben sein? Wer wollte nicht vor andern Menschen preisen [109] denjenigen, der dem persischen König Sapor ein gläsernes Werk machte, welches so weit und groß war, daß er mitten in demselben auf dessen Centro sitzen und unter seinen Füßen das Gestirn auf- und niedergehen sehen konnte? Sollte Archita nicht zu loben sein, der so künstliche hölzerne Tauben machte, daß sie auch gleich andern Vögeln in der Luft herumflogen? Albertus Magnus machte ein ehrines Haupt, welches ausdrückliche verständige Wort redete. So hat auch das Bild Memnonis, sooft es von der aufgehenden Sonne beschienen wurde, einen großen Ton oder Gebrümm von sich geben. Gedachter Archimedes machte einen Spiegel, damit er der Feinde Kriegsschiffe mitten im Meer anzündete. So gedenket auch Ptolomäus eine wunderliche Art Spiegel, die so viel Angesichter zeigten, als Stunden im Tag waren. Wer wollte die geschickte Hand desjenigen Schreibers nicht edel nennen, welcher die Iliadem Homeri, so etliche 100000 Vers in sich begriffen, uf ein so kleines Papier geschrieben, da in ein Nußschal mochte verborgen werden, maßen solches Plinius bezeuget. Ein anderer Künstler hatte ein ganz vollkommenes und mit aller Zugehör versehenes Schiff so künstlich zugerichtet, daß eine Biene solches unter ihre Flügel verbergen konnte. Welcher wollte den nicht preisen, der die Buchstaben zuerst erfunden? Ja, wer wollte nicht vielmehr den über alle Künstler erheben, welcher die edle und der ganzen Welt höchst nutzliche Kunst der Buchdruckerei erfunden? Ist Ceres, weil sie den Ackerbau und das Mühlwerk erfunden haben solle, vor eine Göttin gehalten worden, warum sollte dann unbillig sein, wann man andern ihren Qualitäten gemäß ihr Lob mit Ehrentituln berühmt? Zwar ist wenig daran gelegen, ob du, grobes Kalb, solches in deinem unvernünftigen Ochsenhirn fassest oder nicht. Es gehet dir eben wie jenem Hund, der auf einem Haufen Heu lag und solches dem Ochsen auch nicht gönnete, weil er es selbst nicht genießen konnte. Du bist keiner Ehre fähig, und eben dieser Ursachen halber mißgönnest du solches denenjenigen, die solcher wert sein.«

Da ich mich also gehetzt sahe, antwortete ich: »Die herrliche Heldentaten wären höchlich zu rühmen, wann sie nicht mit anderer Menschen Untergang und Schaden vollbracht wären worden. Was ist das aber vor ein Lob, welches mit so vielem unschuldig vergossenem Menschenblut besudelt? Und was ist das vor ein Adel, der mit so vieler tausend anderer Menschen Verderben erobert und zuwegen gebracht worden ist? Die Künste betreffend, was seinds anders, als lauter Vanitäten und Torheiten? Ja, sie seind ebenso leer, eitel und unnütz als die Titul selbst, die [110] einem von denselbigen zustehen mögen; dann entweder dienen sie zum Geiz, oder zur Wollust, oder zur Üppigkeit, oder zum Verderben anderer Leute, wie dann die schröckliche Dinger auch sind, die ich neulich auf den halben Wägen sahe. So könnte man der Druckerei und Schriften auch wohl entbehren, nach Ausspruch und Meinung jenes heiligen Manns, welcher davorhielt, die ganze weite Welt sei ihm Buchs genug, die Wunder seines Schöpfers zu betrachten und die göttliche Allmacht daraus zu erkennen.«

Das 11. Kapitel
Das elfte Kapitel.
Simplex erzählt das mühselige Leben
Eines Regenten, dem er ist ergeben.

Mein Herr wollte auch mit mir scherzen und sagte: »Ich merke wohl, weil du nicht edel zu werden getrauest, so verachtest du des Adels Ehrentitul.« Ich antwortete: »Herr! wannschon ich in dieser Stunde an deine Ehrenstell tretten sollte, so wollte ich sie doch nicht annehmen!« Mein Herr lachte und sagte: »Das glaube ich, dann dem Ochsen gehöret Haberstroh. Wann du aber einen hohen Sinn hättest, wie adelige Gemüter haben sollen, so würdest du mit Fleiß nach hohen Ehren und Dignitäten trachten. Ich meinenteils achte es für kein geringes, wann mich das Glück über andere erhebet.« Ich seufzete und sagte: »Ach, arbeitselige Glückseligkeit! Herr! ich versichere dich, daß du der allerelendeste Mensch in ganz Hanau bist.« – »Wie so? wie so? Kalb!« sagte mein Herr, »sage mir doch die Ursache; dann ich befinde solches bei mir nicht.« Ich antwortete: »Wann du nicht weißt und empfindest, daß du Gubernator in Hanau und mit wieviel Sorgen und Unruhe du deswegen beladen bist, so verblendet dich die allzu große Begierde der Ehre, deren du genießest, oder du bist eisern und ganz unempfindlich. Du hast zwar zu befehlen, und wer dir unter Augen kommt, muß dir gehorsamen; tun sie es aber umsonst? bist du nicht ihrer aller Knecht? mußt du nicht vor einen jedwedern insonderheit sorgen? Schaue, du bist jetzt rundumher mit Feinden umgeben, und die Konservation dieser Festung lieget dir allein auf dem Hals; du mußt trachten, wie du deinem Gegenteil einen Abbruch tun mögest, und mußt darneben sorgen, daß deine Anschläge nicht verkundschaftet werden. Bedörfte es nicht öfters, daß du selber wie ein gemeiner Knecht Schildwacht stündest? Überdas mußt du bedacht sein, daß kein Mangel an Geld, Munition, Proviant [111] und Volk im Posten erscheine, deswegen du dann das ganze Land durch stetiges Exequieren und Tribulieren in der Kontribution erhalten mußt. Schickest du die Deinige zu solchem Ende hinaus, so ist rauben, plündern, stehlen, brennen und morden ihre beste Arbeit; sie haben erst neulich Orb geplündert, Braunfels eingenommen und Staden in die Asche gelegt. Davon haben sie zwar ihnen Beuten, du aber eine schwere Verantwortung bei Gott gemachet. Ich lasse sein, daß dir vielleicht der Genuß neben der Ehre auch wohltut; weißt du aber auch, wer solche Schätze, die du etwan sammlest, genießen wird? Und gesetzt, daß dir solcher Reichtum verbleibt (so doch mißlich stehet), so mußt du sie doch in der Welt lassen und nimmst nichts davon mit dir als die Sünde, dadurch du selbigen erworben hast. Hast du dann das Glück, daß du dir deine Beuten zunutz machen kannst, so verschwendest du der Armen Schweiß und Blut, die jetzt im Elend Mangel leiden oder gar verderben und Hungers sterben. O wie oft sehe ich, daß deine Gedanken wegen Schwere deines Amts hin und wieder zerstreut sein, und daß hingegen ich und andere Kälber ohn alle Bekümmernüs ruhig schlafen. Tust du solches nicht, so kostet es deinen Kopf, dafern anders etwas verabsäumet wird, das zu Konservation deiner untergebenen Völker und der Festung hätte observiert werden sollen. Schaue, solcher Sorgen bin ich überhoben! Und weil ich weiß, daß ich der Natur einen Tod zu leisten schuldig bin, sorge ich nicht, daß jemand meinen Stall stürmet; oder daß ich mit Arbeit um mein Leben scharmützeln müsse. Sterbe ich jung, so bin ich der Mühseligkeit eines Zugochsens überhoben; dir aber stellet man ohn Zweifel auf tausendfältige Weise nach. Deswegen ist dein ganzes Leben nichts anders, als eine immerwährende Sorge und Schlafbrechens; dann du mußt Freunde und Feinde förchten, die dich ohn Zweifel, wie du auch andern zu tun gedenkest, entweder um dein Leben oder um dein Geld oder um deine Reputation oder um dein Kommando oder um sonsten etwas zu bringen nachsinnen. Der Feind setzt dir offentlich zu, und deine vermeinte Freunde beneiden heimlich dein Glück; vor deinen Untergebenen aber bist du auch nicht allerdings versichert. Ich geschweige hier, wie dich täglich deine brennende Begierden quälen und hin und wider treiben, wann du gedenkest, wie du dir einen noch größern Namen und Ruhm zu machen, höher in Kriegsämtern zu steigen, größern Reichtum zu sammlen, dem Feind einen Tuck zu beweisen, sein Meister zu werden, ein oder ander Ort zu überrumpeln, und in Summa fast alles zu tun, was andere Leute geheiet und deiner Seele schädlich, der göttlichen Majestät aber mißfällig ist. Und [112] was das allerärgste ist, so bist du von deinen Fuchsschwänzern so verwähnt, daß du dich selbsten nicht kennest, und von ihnen so eingenommen und vergiftet, daß du den gefährlichen Weg, den du gehest, nicht sehen kannst; dann alles, was du tust, heißen sie recht, und alle deine Laster werden von ihnen zu lauter Tugenden gemachet und ausgerufen. Deine Grimmigkeit ist ihnen eine Gerechtigkeit, und wann du Land und Leute verderben lässest, so sagen sie, du seist ein braver Soldat, hetzen dich also zu anderer Leute Schaden, damit sie deine Gunst behalten und ihre Beutel darbei spicken mögen.«

»Du Bärnhäuter! du Hudler!« sagte mein Herr, »wer lernet dich so predigen?« Ich antwortete: »Liebster Herr! sage ich nicht wahr, daß du von deinen Ohrenbläsern und Daumendrehern dergestalt verderbet seist, daß dir bereits nicht mehr zu helfen. Hingegen sehen andere Leute deine Laster gar bald und urteilen dich nicht allein in hohen und wichtigen Sachen, sondern finden auch genug in geringen Dingen, daran wenig gelegen, an dir zu tadeln. Hast du nicht Exempel genug an hohen Personen, so vor der Zeit gelebt? Die Athenienser murmelten wider ihren Simonidem nur darum, daß er zu laut redete; die Thebaner klagten über ihren Paniculum, dieweil er auswurf; die Lacedämonier schalten an ihrem Lycurgo, daß er allezeit mit niedergeneigtem Haupt dahergieng; die Römer vermeinten, es stünde dem Scipioni gar übel an, daß er im Schlaf so laut schnarche; es dünkte sie häßlich zu sein, daß sich Pompejus nur mit einem Finger kratzte; des Julii Cäsaris spotteten sie, weil er seinen Gürtel nicht artig und lustig antrug; die Uticenser verleumdeten ihren guten Catonem, weil er, wie sie bedünkte, allzu geizig auf beiden Backen aß; und die Karthaginenser redeten dem Hannibali übel nach, weil er immerzu mit der Brust aufgedeckt und bloß dahergieng. Wie dünket dich nun, mein lieber Herr? vermeinest du wohl noch, daß ich mit einem tauschen sollte, der vielleicht neben zwölf oder dreizehen Tischfreunden, Fuchsschwänzern und Schmarotzern mehr als 100 oder vermutlicher mehr als 10000 so heimliche als offentliche Feinde, Verleumder und mißgünstige Neider hat? Zu dem, was vor Glückseligkeit, was für Lust und was vor Freude sollte doch wohl ein solch Haupt haben können, unter welches Pfleg, Schutz und Schirm soviel Menschen leben? Ists nicht vonnöten, daß du vor alle die Deinige wachest, vor sie sorgest und eines jeden Klage und Beschwerden anhörest? Wäre solches allein nicht müheselig genug, wannschon du weder Feinde noch Mißgönner hättest? Ich sehe wohl, wie sauer du dirs mußt werden lassen und wieviel [113] Beschwerden du doch erträgst. Liebster Herr! was wird doch endlich dein Lohn sein? Sage mir, was hast du davon? Wann du es nicht weißt, so laß dirs den griechischen Demosthenem sagen, welcher, nachdem er den gemeinen Nutzen und das Regiment der Athenienser tapfer und getreulich befördert und beschützet, wider alles Recht und Billigkeit als einer, so eine greuliche Missetat begangen, des Landes verwiesen und in das Elend verjaget ward. Dem Socrati ward mit Gift vergeben; dem Hannibal ward von den Seinen so übel gelohnet, daß er elendiglich in der Welt landflüchtig herumschwaifen mußte. Also geschahe dem römischen Camillo; und dergestalt bezahlten die Griechen den Lycurgum und Solonem, deren der eine gesteiniget ward, dem andern aber, nachdem ihm ein Aug ausgestochen wurde, als einem Mörder endlich das Land verwiesen. So haben auch Moses und andere heilige Männer das Toben und Wüten des Pöbels oft erfahren. Darum behalte dein Kommando samt dem Lohn, den du davon haben wirst; du darfst deren keines mit mir teilen; dann wann alles wohl mit dir abgehet, so hast du aufs wenigste sonst nichts, das du davonbringest, als ein böses Gewissen. Wirst du aber dein Gewissen in acht nehmen wollen, so wirst du als ein Untüchtiger beizeiten von deinem Kommando verstoßen werden, nicht anders, als wann du auch wie ich zu einem dummen Kalb wärest worden.«

Das 12. Kapitel
Das zwölfte Kapitel.
Simplex zieht trefflich und rühmlich herfür
Den Verstand der unvernünftigen Tier.

Unter währendem meinem Diskurs sahe mich jedermann an und verwunderten sich alle Gegenwärtige, daß ich solche Reden sollte vorbringen können, welche, wie sie vorgaben, auch einem verständigen Mann genug wären, wann er solche so gar ohn allen Vorbedacht hätte vortragen sollen. Ich aber machte den Schluß meiner Rede und sagte: »Darum dann nun, mein liebster Herr, will ich nicht mit dir tauschen! Zwar ich bedarfs auch im geringsten nicht; dann die Quellen geben mir einen gesunden Trank anstatt deiner köstlichen Weine, und derjenige, der mich zum Kalb werden zu lassen beliebet, wird mir auch die Gewächse des Erdbodens dergestalt zu segnen wissen, daß sie mir, wie dem Nabuchodonosore, zur Speis und Aufenthalt meines Lebens auch nicht unbequem sein werden. So hat mich die Natur auch bereits [114] mit einem guten Pelz versehen, da dir hingegen oft vor dem Besten ekelt, der Wein deinen Kopf zerreißt und dich bald in diese oder jene Krankheit wirft.«

Mein Herr antwortete: »Ich weiß nicht, was ich an dir habe: du bedünkest mich vor ein Kalb viel zu verständig zu sein; ich vermeine schier, du seist unter deiner Kalbshaut mit einer Schalkshaut überzogen.« Ich stellete mich zornig und sagte: »Vermeinet ihr Menschen dann wohl, wir Tiere sein gar Narren? Das dörft ihr euch wohl nicht einbilden! Ich halte davor, wann ältere Tiere als ich, so wohl als ich reden könnten, sie würden euch wohl anderst aufschneiden. Wann ihr vermeinet, wir sein so gar dumm, so saget mir doch, wer die wilde Blochtauben, Häher, Amseln und Rebhühner gelernet hat, wie sie sich mit Lorbeerblättern purgieren sollen? und die Tauben, Turteltäublein und Hühner mit St. Peterskraut. Wer lehret Hunde und Katzen, daß sie das betaute Gras fressen sollen, wann sie ihren vollen Bauch reinigen wollen? Wer die Schildkrott, wie sie die Bisse mit Schierling heilen? und den Hirsch, wann er geschossen, wie er seine Zuflucht zu dem Dictamno oder wilden Polei nehmen solle? Wer hat das Wieselein unterrichtet, daß es Rauten gebrauchen sollte, wann es mit der Fledermaus oder irgendeiner Schlange kämpfen will? Wer gibet den wilden Schweinen den Efeu, und den Bären den Alraun zu erkennen und saget ihnen, daß es gut sei zu ihrer Arznei? Wer hat dem Adler geraten, daß er den Adlerstein suchen und gebrauchen soll, wann er seine Eier schwerlich legen kann? Und welcher gibet es der Schwalbe zu verstehen, daß sie ihrer Jungen blöde Augen mit Chelidonio arzneien solle? Wer hat die Schlange instruiert, daß sie soll Fenchel essen, wann sie ihre Haut abstreifen und ihren dunkeln Augen helfen will? Wer lehret den Storck, sich zu klüstieren? den Pelikan, sich Ader zu lassen? und den Bärn, wie er ihm von den Bienen solle schröpfen lassen? Was? ich dörfte schier sagen, daß ihr Menschen eure Künste und Wissenschaften von uns Tieren erlernet habet! Ihr freßt und sauft euch krank und tot: das tun wir Tiere aber nicht. Ein Löw oder Wolf, wann er zu fett werden will, so fastet er, bis er wieder mager, frisch und gesund wird. Welches Teil handelt nun am weislichsten? Über dieses alles, betrachtet das Geflügel unter dem Himmel! betrachtet die unterschiedliche Gebäue ihrer artlichen Nester! Und weil ihnen ihre Arbeit niemand nachmachen kann, so müßt ihr ja bekennen, daß sie beides, verständiger und künstlicher, sein als ihr Menschen selbst. Wer sagt den Sommervögeln, wann sie gegen dem Frühling zu uns kommen und Junge hecken? und gegen dem Herbst, [115] wann sie sich wieder von dannen in die warme Länder verfügen sollen? Wer unterrichtet sie, daß sie zu solchem Ende einen Sammelplatz bestimmen müssen? Wer führet sie, oder wer weiset ihnen den Weg? Oder leihet ihr Menschen vielleicht ihnen euren Seekompaß, damit sie unterwegs nicht irrfahren? Nein, ihr lieben Leute, sie wissen den Weg ohn euch, und wie lang sie darauf müssen wandern, auch wann sie von einem und dem andern Ort aufbrechen müssen; bedörfen also weder eures Kompasses noch eures Kalenders. Ferners beschauet die mühsame Spinne, deren Geweb beinahe ein Wunderwerk ist! Sehet, ob ihr auch einen einzigen Knopf in aller ihrer Arbeit finden möget? Welcher Jäger oder Fischer hat sie gelehret, wie sie ihr Netz ausspannen und sich, je nachdem sie sich eines Netzes gebrauchet, ihr Wildpret zu belaustern, entweder in den hintersten Winkel oder gar in das Zentrum ihres Gewebs setzen solle? Ihr Menschen verwundert euch über den Raben, von welchem Plutarchus bezeuget, daß er so viel Steine in ein Geschirr, so halb voll Wasser gewesen, geworfen, bis das Wasser so weit oben gestanden, daß er bequemlich habe trinken mögen. Was würdet ihr erst tun, wann ihr bei und unter den Tieren wohnen und ihre übrige Handlungen, Tun und Lassen ansehen und betrachten würdet? Alsdann würdet ihr erst bekennen, daß es sich ansehen lasse, als hätten alle Tiere etwas besonderer eigener natürlicher Kräften und Tugenden in allen ihren Affectionibus und Gemütsneigungen, in der Fürsichtigkeit, Stärke, Mildigkeit, Forchtsamkeit, Rauchheit, Lehre und Unterrichtung. Es kennet je eines das andere, sie unterscheiden sich vor einander, sie stellen dem nach, so ihnen nützlich, fliehen das Schädlich, meiden die Gefahr, sammlen zusammen, was ihnen zu ihrer Nahrung notwendig ist, und betrügen auch bisweilen euch Menschen selbst. Dahero viel alte Philosophi solches ernstlich erwogen und sich nicht geschämet haben, zu fragen und zu disputieren, ob die unvernünftigen Tiere nicht auch Verstand hätten? Zwar was darfs viel Grammanzens! Schickt euch der weise König Salomo doch selbst zu uns in die Schule, da er spricht, Sprüchw. 30: ›Es seind vier kleine Dinge auf Erden, doch sein sie viel weiser als die Weisesten. Die Ameisen, so ein schwach Völklein sein, doch sammlen sie im Sommer ihre Nahrung ein vor den Winter; die Königlein, nicht ein starkes Völklein, doch machen sie ihre Wohnungen in die Felsen; die Heuschrecken, welche keinen König haben und jedoch scharweis ausziehen; die Spinne ergreifet mit beiden Armen und wohnet in den Palästen der Könige.‹ Ich mag aber nichts mehr von diesen Sachen reden; gehet hin zu den Immen und sehet, [116] wie sie Wachs und Honig machen, und alsdann sagt mir eure Meinung wieder.«

Das 13. Kapitel
Das dreizehnte Kapitel.
Simplex erzählt viel, wers alles will wissen,
Laß es zu lesen ihm gar nicht verdrießen.

Hierauf fielen unterschiedliche Urteil über mich, die meines Herrn Tischgenossen gaben. Der Sekretarius hielt davor, ich sei vor närrisch zu halten, weil ich mich selbst vor ein unvernünftig Tier schätze und dargebe, maßen diejenige, so einen Sparren zu viel oder zu wenig hätten und sich jedoch weis zu sein dünkten, die allerartlichste oder visierlichste Narren wären. Andere sagten, wann man mir die Imagination benähme, daß ich ein Kalb sei, oder mich überreden könnte, daß ich wieder zu einem Menschen worden wäre, so würde ich vor vernünftig oder witzig genug zu halten sein. Mein Herr selbst sagte: »Ich halte ihn vor einen Narrn, weil er jedem die Wahrheit so ungescheut sagt; hingegen seind seine Diskursen so beschaffen, daß solche keinem Narrn zustehen.« Und solches alles redeten sie auf Latein, damit ichs nicht verstehen sollte. Er fragte mich, ob ich studiert hätte, als ich noch ein Mensch gewesen? »Ich wüßte nicht, was studieren sei,« war meine Antwort; »aber lieber Herr,« sagte ich weiters, »sage mir, was Studen vor Dinger sein, damit man studieret. Nennest du vielleicht die Kegel so, damit man keglet?« Hierauf antwortete der tolle Fähnrich: »Wat wolts meet deesem Kerl sin? hey hett den Tüfel in Liff, hey ist beseeten; de Tüfel, de kühret ut jehme.« Dahero nahm mein Herr Ursache, mich zu fragen, sintemal ich dann nunmehr zu einem Kalb worden wäre, ob ich noch, wie vor diesem, gleich andern Menschen zu beten pflege und in Himmel zu kommen getraue? »Freilich!« antwortete ich, »ich habe ja meine unsterbliche menschliche Seele noch, die wird ja, wie du leichtlich gedenken kannst, nicht in die Hölle begehren, vornehmlich weil mirs schon einmal so übel darin ergangen. Ich bin nur verändert, wie vor diesem Nabuchodonosor, und dörfte ich noch wohl zu einer Zeit wieder zu einem Menschen werden.« – »Das wünsche ich dir,« sagte mein Herr mit einem ziemlichen Seufzen, daraus ich leichtlich schließen konnte, daß ihn eine Reue ankommen, weil er mich zu einem Narrn zu machen unterstanden. »Aber laß hören,« fuhr er weiter fort, »wie pflegst du zu beten?«

[117] Darauf kniete ich nieder, hub Augen und Hände auf gut einsiedlerisch gen Himmel, und weilen meines Herrn Reue, die ich gemerkt hatte, mir das Herz mit trefflichem Trost berührte, konnte ich auch die Tränen nicht enthalten, bat also dem äußerlichen Ansehen nach mit höchster Andacht nach gesprochenem Vatterunser vor alles Anliegen der Christenheit, vor meine Freunde und Feinde, und daß mir Gott in dieser Zeitlichkeit nach seinem Willen also zu leben verleihen wolle, daß ich würdig werden möchte, ihn in ewiger Seligkeit zu loben; maßen mich mein Einsiedel ein solches Gebet mit andächtigen konzipierten Worten gelehret hat. Hiervon fiengen etliche weichherzige Zuseher auch beinahe an zu weinen, weil sie ein trefflich Mitleiden mit mir trugen; ja meinem Herrn selbst stunden die Augen voller Wasser, dessen er sich, wie mich deuchte, selbst schämte und dahero sich entschuldigt mit Vorwand, sein Herz im Leib möchte ihme zerspringen, wann er eine solche betrübte Gestalt sehe, die seine verlorne Schwester so natürlich vor Augen stelle.

Nach der Mahlzeit schickte mein Herr nach obgemeldtem Pfarrherrn; dem erzählte er alles, was ich vorgebracht hatte, und gab damit zu verstehen, daß er besorge, es gehe nicht recht mit mir zu, und daß vielleicht der Teufel mit unter der Decke läge, dieweil ich vor diesem ganz einfältig und unwissend mich erzeigt, nunmehr aber Sachen vorzubringen wisse, daß sich darüber zu verwundern. Der Pfarrer, dem meine Beschaffenheit am besten bekannt war, antwortete, man sollte solches bedacht haben, eh man mich zum Narrn zu machen unterstanden hätte; Menschen sein Ebenbilder Gottes, mit welchen, und bevorab mit so zarter Jugend, nicht wie mit Bestien zu scherzen sei. Doch wolle er nimmermehr glauben, daß dem bösen Geist zugelassen worden, sich mit in das Spiel zu mischen, dieweil ich mich jederzeit durch inbrünstiges Gebet Gott befohlen gehabt. Sollte ihm aber wider Verhoffen solches verhängt und zugelassen worden sein, so hätte man es bei Gott schwerlich zu verantworten, maßen ohnedas beinahe keine größere Sünde sei, als wann ein Mensch den andern seiner Vernunft berauben und also dem Lob und Dienst Gottes, darzu er vornehmlich erschaffen worden, entziehen wollte. »Ich habe hiebevor Versicherung getan, daß er Witz genug gehabt; daß er sich aber in die Welt nicht schicken können, war die Ursache, daß er bei seinem Vatter, einem groben Baur, und bei euerm Schwager in der Wildnüs in aller Einfalt erzogen worden. Hätte man sich anfänglich ein wenig mit ihm geduldet, so würde er sich mit der Zeit schon besser angelassen haben; es war eben ein fromm einfältig Kind, das die[118] boshaftige Welt noch nicht kannte. Doch zweifle ich gar nicht, daß er nicht wiederum zurechtzubringen sei, wann man ihm nur die Einbildung benehmen kann und ihn dahin bringet, daß er nicht mehr glaubet, er sei zum Kalb worden. Man lieset von einem, der hat festiglich geglaubt, er sei zu einem irdinen Krug worden, bat dahero die Seinige, sie sollten ihn wohl in die Höhe stellen, damit er nicht zerstoßen würde. Ein anderer bildete sich nicht anders ein, als er sei ein Hahn; dieser krähete in seiner Krankheit Tag und Nacht. Noch ein anderer vermeinte nicht anders, als er sei bereits gestorben und wandere als ein Geist herum, wollte derowegen weder Arznei noch Speise und Trank mehr zu sich nehmen, bis endlich ein kluger Arzt zween Kerl anstellete, die sich auch vor Geister ausgaben, darneben aber tapfer zechten, sich zu jenem geselleten und ihn überredeten, daß jetziger Zeit die Geister auch zu essen und zu trinken pflegen, wodurch er dann wieder zurechtgebracht worden. Ich habe selbsten einen kranken Baur in meiner Pfarr gehabt; als ich denselben besuchte, klagte er mir, daß er auf drei oder vier Ohm Wasser im Leib hätte; wann solches von ihm wäre, so getraute er wohl, wieder gesund zu werden, mit Bitte, ich wollte ihn entweder aufschneiden lassen, damit solches von ihm laufen könnte, oder ihn in Rauch hängen lassen, damit dasselbe auströckne. Darauf sprach ich ihm zu und überredete ihn, ich könnte das Wasser auf eine andre Manier wohl von ihm bringen, nahm demnach einen Hahn, wie man zu den Wein- oder Bierfässern brauchet, band einen Darm daran, und das andere Ende band ich an den Zapfen eines Bauchzubers, den ich zu solchem Ende voll Wasser tragen lassen, stellete mich darauf, als wann ich ihm den Hahn in Bauch steckte, welchen er überall mit Lumpen umwinden lassen, damit er nicht zerspringen sollte. Hierauf ließ ich das Wasser aus dem Zuber durch den Hahn hinweglaufen, darüber sich der Tropf herzlich erfreuete, nach solcher Verrichtung die Lumpen von sich tät und in wenig Tagen wieder allerdings zurechtkam. Auf solche Weise ist einem andern geholfen worden, der sich eingebildet, er habe allerhand Pferdgezeug, Zäume und sonst Sachen im Leib; demselben gab sein Doktor eine Purgation ein und legte dergleichen Dinge untern Nachtstuhl, also daß der Kerl glauben mußte, solches sei durch den Stuhlgang von ihm kommen. So saget man auch von einem Phantasten, der geglaubt habe, seine Nase sei so lang, daß sie ihm bis auf den Boden reiche; dem habe man eine Wurst an die Nase gehängt, dieselbe nach und nach bis an die Nase selbst hinweggeschnitten, und als er das Messer an der Nase empfunden, hätte er geschrieen, [119] seine Nase sei jetzt wieder in rechter Form; kann also, wie diesen Personen, dem guten Simplicio wohl auch wieder geholfen werden.«

»Dieses alles glaubte ich wohl,« antwortete mein Herr, »allein liegt mir an, daß er zuvor so unwissend gewesen, nunmehr aber von Sachen zu sagen weiß, solche auch so perfekt dahererzählet, dergleichen man bei älteren, erfahrnen und belesneren Leuten, als er ist, nicht leichtlich finden wird. Er hat mir viel Eigenschaften der Tiere erzählet und meine eigene Person so artlich beschrieben, als wann er sein Lebtag in der Welt gewesen, also daß ich mich darüber verwundern und seine Reden beinahe vor ein Orakul oder Warnung Gottes halten muß.«

»Herr!« antwortete der Pfarrer, »dieses kann natürlicherweise wohl sein. Ich weiß, daß er wohl belesen ist, maßen er sowohl als sein Einsiedel gleichsam alle meine Bücher, die ich gehabt, und deren zwar nicht wenig gewesen, durchgangen, und weil der Knabe ein gut Gedächtnüs hat, jetzo aber in seinem Gemüt müßig ist und seiner eigenen Person vergißt, kann er gleich hervorbringen, was er hiebevor ins Hirn gefaßt. Ich versehe mich auch, daß er mit der Zeit wieder zurechtzubringen sei.« Also satzte der Pfarrer den Gubernator zwischen Forcht und Hoffnung; er verantwortete mich und meine Sache auf das beste und brachte mir gute Tage, ihm selbst aber einen Zutritt bei meinem Herrn zuwege. Ihr endlicher Schluß war, man sollte noch eine Zeitlang mit mir zusehen; und solches tät der Pfarrer mehr um seines als meines Nutzens wegen; dann mit diesem, daß er so ab- und zugieng und sich stellete, als wann er meinethalben sich bemühe und große Sorge trage, überkam er des Gubernators Gunst; dahero gab ihm derselbige Dienste und machte ihn bei der Garnison zum Kaplan, welches in so schwerer Zeit kein Geringes war und ich ihm herzlich wohl gönnete.

Das 14. Kapitel
Das vierzehnte Kapitel.
Simplex nach einem glückseligen Leben
Muß sich den tollen Kroaten ergeben.

Von dieser Zeit an besaß ich meines Herrn Gnade, Gunst und Liebe vollkömmlich, dessen ich mich wohl mit Wahrheit rühmen kann; nichts mangelte mir zu meinem besserm Glück, als daß ich an meinem Kalbskleid zu viel und an Jahren noch zu wenig hatte, wiewohl ich solches selbst nicht wußte. So wollte[120] mich der Pfarrer auch noch nicht witzig haben, weil ihn solches noch nicht Zeit und seinem Nutzen vorträglich zu sein bedunkte. Und demnach mein Herr sahe, daß ich Lust zur Musik hatte, ließ er mich solche lernen und verdingte mich zugleich einem vortrefflichen Lautenisten, dessen Kunst ich in Bälde ziemlich begriff und ihn um so viel übertraf, weil ich besser als er darein singen konnte. Also dienete ich meinem Herrn zur Lust, Kurzweile, Ergetzung und Verwunderung. Alle Offizierer erzeigten mir ihren geneigten Willen, die reicheste Bürger verehrten mich, und das Hausgesind neben den Soldaten wollten mir wohl, weil sie sahen, wie mir mein Herr gewogen war. Einer schenkte mir hier, der ander dort, dann sie wußten, daß Schalksnarren oft bei ihren Herren mehr vermügen als etwas Rechtschaffenes, und dahin hatten auch ihre Geschenke das Absehen, weil mir etliche darum gaben, daß ich sie nicht verfuchsschwänzen sollte, andere aber eben deswegen, daß ich ihrentwegen solches tun sollte, auf welche Weise ich ziemlich Geld zuwegen brachte, welches ich mehrenteils dem Pfarrer wieder zusteckte, weil ich noch nicht wußte, worzu es nutzete. Und gleichwie mich niemand scheel ansehen dörfte, als hatte ich auch von nirgendsher keine Anfechtung, Sorge oder Bekümmernüs. Alle meine Gedanken legte ich auf die Musik, und wie ich dem einen und dem andern seine Mängel artlich verweisen möchte. Daher wuchs ich auf wie ein Narr im Zwiebelland: der Hurnspiegel wurde mir glatt, und meine Leibskräfte nahmen handgreiflich zu; man sahe mir in Bälde an, daß ich mich nicht mehr im Wald mit Wasser, Eicheln, Buchen, Wurzeln und Kräutern mortifizierte, sondern daß mir bei guten Bißlein der rheinische Wein und das hanauische Doppelbier wohl zuschlug, welches in so elender Zeit vor eine große Gnade von Gott zu schätzen war; dann damals stund ganz Teutschland in völligen Kriegsflammen, Hunger und Pestilenz; und Hanau selbst war mit Feinden umlagert, welches alles mich im geringsten nicht kränken konnte. Nach aufgeschlagner Belägerung nahm ihm mein Herr vor, mich entweder dem Kardinal Richelieu oder Herzog Bernhard von Weimar zu schenken; dann ohn daß er hoffte, einen großen Dank mit mir zu verdienen, gab er auch vor, daß ihm schier unmüglich wäre, länger zu ertragen, weil ich ihm seiner verlornen Schwester Gestalt, deren ich je länger je ähnlicher würde, in so närrischem Habit täglich vor Augen stellete. Solches widerriet ihm der Pfarrer; dann er hielt davor, die Zeit wäre kommen, in welcher er ein Mirakul tun und mich wieder zu einem vernünftigen Menschen machen wollte, gab demnach dem Gubernator den Rat, [121] er sollte ein paar Kalbfelle bereiten und solche andern Knaben antun lassen, hernach eine dritte Person bestellen, die in Gestalt eines Arztes, Propheten oder Landfahrers mich und bemeldte zween Knaben mit seltsamen Zeremonien ausziehe, und vorwenden, daß er aus Tieren Menschen und aus Menschen Tiere machen könnte. Auf solche Weise könnte ich wohl wieder zurechtgebracht und mir ohn sonderliche große Mühe eingebildet werden, ich sei wie andere mehr, wieder zu einem Menschen worden. Als ihm der Gubernator solchen Vorschlag belieben ließe, kommunizierte mir der Pfarrer, was er mit meinem Herrn abgeredet hätte, und überredete mich leicht, daß ich meinen Willen darein gab. Aber das neidige Glück wollte mich so leichtlich aus meinem Narrenkleid nicht schliefen, noch mich das herrliche gute Leben länger genießen lassen. Dann indem als Gerber und Schneider mit den Kleidern umgiengen, die zu dieser Komödia gehörten, terminierte ich mit etlichen andern Knaben von der Festung auf dem Eis herum; da führte, ich weiß nicht wer, unversehens eine Partei Kroaten daher, die uns miteinander anpackten, auf etliche leere Baurenpferde satzten, die sie erst gestohlen hatten, und miteinander davonführten. Zwar stunden sie erstlich im Zweifel, ob sie mich mitnehmen wollten oder nicht, bis endlich einer auf Böhmisch sagte: Mih weme doho Blasna sebao, bowe deme ho gbabo Oberstwoi. Dem antwortete ein anderer: Prschis am bambo ano, mi ho nagonie possadeime, wan rosumi niemezki, won bude mit Kratock wille sebao. Also mußte ich zu Pferd und inwerden, daß einem ein einzig unglückliches Stündlein aller Wohlfahrt entsetzen und von allem Glück und Heil dermaßen entfernen kann, daß es einem sein Lebtag nachgehet.

Das 15. Kapitel
Das fünfzehnte Kapitel.
Simplex muß bei den kroatischen Scharen
Unfalls und Übels genugsam erfahren.

Ob zwar nun die Hanauer gleich Lärmen hatten, sich zu Pferd herausließen und die Kroaten mit einem Scharmützel etwas aufhielten und bekümmerten, so mochten sie ihnen jedoch nichts abgewinnen; dann diese leichte Ware gieng sehr vorteilhaftig durch und nahm ihren Weg auf Büdingen zu, allwo sie fütterten und den Bürgern daselbst die gefangene hanauische reiche Söhnlein wieder zu lösen gaben, auch ihre gestohlene Pferde und andere Ware verkauften. Von dannen brachen sie wieder auf, schier [122] eh es recht Nacht, geschweige wieder Tag worden, giengen schnell durch den Büdinger Wald dem Stift Fulda zu und nahmen unterwegs mit, was sie fortbringen konnten. Das Rauben und Plündern hinderte sie an ihrem schleunigen Fortzug im geringsten nichts; dann sie konntens machen wie der Teufel, von welchem man zu sagen pflegt, daß er zugleich laufe und (s.v.) hofiere und doch nichts am Wege versaume; maßen wir noch denselben Abend im Stift Hirschfeld, allwo sie ihr Quartier hatten, mit einer großen Beute ankamen: das ward alles partiert, ich aber ward dem Obristen Corpes zuteil.

Bei diesem Herrn kam mir alles widerwärtig und fast spanisch vor: Die hanauische Schleckerbißlein hatten sich in schwarzes grobes Brot und mager Rindfleisch, oder, wanns wohl abgieng, in ein Stuck gestohlnen Speck verändert. Wein und Bier war mir zu Wasser worden, und ich mußte anstatt des Bettes bei den Pferden in der Streu vorliebnehmen. Vor das Lautenschlagen, das sonst jedermann belustiget, mußte ich zuzeiten gleich andern Jungen untern Tisch kriechen, wie ein Hund heulen und mich mit Sporen stechen lassen, welches mir ein schlechter Spaß war. Vor das hanauische Spazierengehen dorfte ich mit auf Furage reiten, Pferde striegeln und denselben ausmisten. Das Furagiern aber ist nichts anders, als daß man mit großer Mühe und Arbeit, auch oft nicht ohn Leib- und Lebensgefahr, hinaus auf die Dörfer schwaifet, drischt, mahlt, backt, stiehlt und nimmt, was man findet, drillt und verderbt die Bauern, ja schändet wohl gar ihre Mägde, Weiber und Töchter, zu welcher Arbeit ich aber noch zu jung war. Und wann den armen Bauren das Ding nicht gefallen will oder sie sich etwan erkühnen dörfen, einen oder den andern Furagierer über solcher Arbeit auf die Finger zu klopfen, wie es dann damals dergleichen Gäste in Hessen viel gab, so hauet man sie nieder, wann man sie hat, oder schicket aufs wenigste ihre Häuser im Rauch gen Himmel. Mein Herr hatte kein Weib (wie dann diese Art Krieger keine Weiber mitzuführen pflegen, weil die nächste die beste deren Stell vertretten müssen), keinen Page, keinen Kammerdiener, keinen Koch, hingegen aber einen Haufen Reutknechte und Jungen, welche ihm und den Pferden zugleich abwarteten, und schämte er sich selbst nicht, ein Roß zu satteln oder demselben Futter fürzuschütten. Er schlief allezeit auf Stroh oder auf der bloßen Erde und bedeckte sich mit seinem Pelzrock; daher sahe man oft die Müllerflöhe auf seinen Kleidern herumwandern, deren er sich im geringsten nicht schämete, sondern noch darzu lachte, wann ihm jemand eine herablas. Er trug kurze [123] Haupthaar und einen breiten Schweizerbart, welches ihm wohl zustatten kam, weil er sich selbst in Baurenkleider zu verstellen und darin auf Kundschaft auszugehen pflegte. Wiewohl er nun, wie gehöret, keine Grandezza speisete, so ward er jedoch von den Seinen und andern, die ihn kannten, geehrt, geliebt und geförchtet. Wir waren niemals ruhig, sondern bald hier, bald dort; bald fielen wir ein, und bald wurd uns eingefallen; so gar war keine Ruhe da, der Hessen Macht zu ringern; hingegen feirete uns Melander auch nicht, als welcher uns manchen Reuter abjagte und nach Kassel schickte.

Dieses unruhige Leben schmeckte mir ganz nicht, dahero wünschte ich mich oft vergeblich wieder nach Hanau. Mein größtes Kreuz war, daß ich mit den Burschen nicht recht reden konnte und mich gleichsam von jedwederm hin und wieder stoßen, plagen, schlagen und jagen lassen mußte. Die größte Kurzweile, die mein Obrister mit mir hatte, war, daß ich ihm auf teutsch singen und wie andere Reuterjungen aufblasen mußte, so zwar selten geschahe; doch kriegte ich alsdann solche dichte Ohrfeigen, daß der rote Saft hernach gieng und ich lang genug daran hatte. Zuletzt fieng ich an, mich des Kochens zu unterwinden und meinem Herrn das Gewehr, darauf er viel hielt, sauber zu halten, weil ich ohn das auf Furage zu reiten noch nichts nutz war. Das schlug mir so trefflich zu, daß ich endlich meines Herrn Gunst erwarb, maßen er mir wieder aus Kalbfellen ein neu Narrenkleid machen lassen mit viel größern Eselsohren, als ich zuvor getragen; und weil meines Herrn Mund nicht ekelicht war, bedorfte ich zu meiner Kochkunst desto weniger Geschicklichkeit. Demnach mirs aber zum öftern an Salz, Schmalz und Gewürz mangelte, ward ich meines Handwerks auch müde, trachtete derowegen Tag und Nacht, wie ich mit guter Manier ausreißen möchte, vornehmlich weil ich den Frühling wieder erlanget hatte. Als ich nun solches ins Werk setzen wollte, nahm ich mich an, die Schaf- und Kühkutteln, deren es voll um unser Quartier lag, fern hinwegzuschleifen, damit solche keinen so üblen Geruch mehr machten: solches ließ ihm der Oberste gefallen. Als ich nun damit umgieng, blieb ich, da es dunkel ward, zuletzt gar aus und entwischt in den nächsten Wald.

[124]
Das 16. Kapitel
Das sechzehnte Kapitel.
Simplex ein treffliche Beute erschnappet,
Als ein Waldbruder viel Speisen ertappet.

Mein Handel und Wesen ward aber allem Ansehen nach je länger je ärger, ja so schlimm, daß ich mir einbildete, ich sei nur zum Unglück geboren; dann ich war wenig Stunden von den Kroaten hinweg, da erhascheten mich etliche Schnapphahnen. Diese vermeinten ohn Zweifel, etwas rechts an mir gefangen zu haben, weil sie bei finstrer Nacht mein närrisch Kleid nicht sahen und mich gleich durch zween aus ihnen an einen gewissen Ort weit hinein in Wald führen lassen. Als mich diese dahin brachten und es zugleich stockfinster ward, wollte der eine Kerl kurzum Geld von mir haben. Zu solchem Ende legte er seine Handschuh samt dem Feuerrohr nieder und fieng an, mich zu visitieren, fragende: »Wer bist du? Hast du Geld?« Sobald er aber mein haarig Kleid und die lange Eselsohren an meiner Kappe (die er vor Hörner gehalten) begriff und zugleich die hellscheinende Funken (welche gemeiniglich der Tiere Häute sehen lassen, wann man sie in der Finstre streichet) gewahr ward, erschrak er, daß er ineinanderfuhr. Solches merkte ich gleich; derowegen striegelte ich, eh er sich wieder erholen oder etwas besinnen konnte, mein Kleid mit beiden Händen dermaßen, daß es schimmerte, als wann ich inwendig voller brennenden Schwefels gestocken wäre, und antwortete ihm mit erschröcklicher Stimme: »Der Teufel bin ich und will dir und deinem Gesellen die Hälse umdrehen!« welches diese Zween also erschreckte, daß sie sich alle beide durch Stöcke und Stauden so geschwind davontrolleten, als wann sie das höllische Feuer gejaget hätte. Die finstre Nacht konnte ihren schnellen Lauf nicht hindern, und obgleich sie oft an Stöcke, Steine, Stämme und Bäume liefen und noch öfter zuhaufen fielen, rafften sie sich doch geschwind wieder auf. Solches trieben sie, bis ich keinen mehr hören konnte; ich aber lachte unterdessen so schröcklich, daß es im ganzen Wald erschallete, welches ohn Zweifel in einer solchen finstern Einöde förchterlich anzuhören war.

Als ich mich nun abwegs machen wollte, strauchelte ich über das Feuerrohr; das nahm ich zu mir, weil ich bereits mit dem Geschoß umzugehen bei den Kroaten gelernet hatte. Da ich weiterschritte, stieß ich auch an einen Knappsack, welcher gleich meinem Kleid von Kalbfellen gemacht war; ich hub ihn ebenmäßig auf und fand, daß eine Patrontäsche, mit Pulver, Blei und aller Zugehör wohl versehen, unten daranhieng. Ich [125] hieng alles an mich, nahm das Rohr auf die Achsel wie ein Soldat und verbarg mich ohn weit davon in einen dicken Busch, der Meinung, daselbst eine Weile zu schlafen. Aber sobald der Tag anbrach, kam die ganze Partei auf vorbenannten Platz und suchten das verlorne Feuerrohr samt dem Knappsack; ich spitzte die Ohren wie ein Fuchs und hielt mich stiller als eine Maus. Wie sie aber nichts fanden, verlachten sie die Zween, so von mir entflohen waren. »Pfui, ihr feige Tropfen!« sagten sie, »schämet euch ins Herz hinein, daß ihr euch von einem einigen Kerl erschrecken, verjagen und das Gewehr nehmen lasset!« Aber der eine schwur, der Teufel sollt ihn holen, wanns nicht der Teufel selbst gewesen sei; er hätte ja die Hörner und seine rauhe Haut wohl begriffen. Der ander aber gehub sich gar übel und sagte: »Es mag der Teufel oder seine Mutter gewesen sein, wann ich nur meinen Ranzen wieder hätte.« Einer von ihnen, welchen ich vor den Vornehmsten hielt, antwortete diesem: »Was meinest du wohl, daß der Teufel mit deinem Ranzen und dem Feuerrohr machen wollte? ich dörfte meinen Hals verwetten, wo nicht der Kerl, den ihr so schändlich entlaufen lassen, beide Stücke mit sich genommen.« Diesem hielt ein ander Widerpart und sagte, es könne auch wohl sein, daß seither etliche Bauren da gewesen wären, welche die Sachen gefunden und aufgehoben hätten. Solchem ward endlich von allen Beifall gegeben und von der ganzen Partei festiglich geglaubt, daß sie den Teufel selbst unter Händen gehabt hätten, vornehmlich weil derjenige, so mich in der Finstere visitieren wollen, nicht allein solches mit grausamen Flüchen bekräftiget, sondern auch die rauhe funklende Haut und beide Körner als gewisse Wahrzeichen einer teuflischen Eigenschaft gewaltig zu beschreiben und herauszustreichen wußte. Ich vermeine auch, wann ich mich unversehens hätte wiederum sehen lassen, daß die ganze Partei entlaufen wäre.

Zuletzt, als sie lang genug gesuchet und doch nichts funden hatten, nahmen sie ihren Weg weiters; ich aber machte den Ranzen auf, zu frühstücken, und langte im ersten Griff einen Säckel heraus, in welchem dreihundert und etliche sechzig Dukaten waren. Ob ich nun hierüber erfreuet worden, bedarf zwar keines Fragens: aber der Leser sei versichert, daß mich der Knappsack viel mehr erfreuete, weil ich ihn mit Proviant so wohl versehen sahe, als diese schöne Summa Goldes selbst. Und demnach dergleichen Gesellen bei den gemeinen Soldaten viel zu dünn gesäet zu sein pflegen, daß sie solche mit sich auf Partei schleppen sollten, als mache ich mir die Gedanken, der Kerl müsse dies Geld auf ebenderselben Partei erst heimlich erschnappt und geschwind [126] zu sich in Ranzen geschoben haben, damit er solches mit den andern nicht partiern dörfe.

Hierauf zehrte ich fröhlich zu Morgen, fand auch bald ein lustig Brünnlein, bei welchem ich mich erquickte und meine schöne Dukaten zählete. Wann mirs allbereit das Leben gülte, ich sollte anzeigen, in welchem Land oder Gegend ich mich damals befunden, so könnte ichs nicht. Ich blieb anfangs so lang im Wald, als mein Proviant währete, mit welchem ich sparsam haushielt. Als aber mein Ranzen leer worden, jagte mich der Hunger in die Baurnhäuser: da kroch ich bei Nacht in Keller und Küchen und nahm von Essenspeise, was ich fand und tragen mochte; das schleppte ich mit mir in Wald, wo er am allerwildesten war. Darin führte ich wieder überall ein einsiedlerisch Leben wie hiebevor, ohn daß ich sehr viel stahl und destoweniger betete, auch keine stetige Wohnung hatte, sondern bald hie-, bald dorthin schweifte. Es kam mir trefflich wohl zustatten, daß es im Anfang des Sommers war; doch konnte ich auch mit meinem Rohr Feur machen, wann ich wollte.

Das 17. Kapitel
Das siebzehnte Kapitel.
Simplex sieht Hexen zum Tanz hinwegfahren,
Kommt auch zu ihren verteufelten Scharen.

Unter währendem diesem meinem Umschweifen haben mich hin und wieder in den Wäldern unterschiedliche Bauersleute angetroffen; sie seind aber allzeit vor mir geflohen, nicht weiß ich, wars die Ursache, daß sie ohndas durch den Krieg scheu gemacht, verjagt und niemals recht beständig zu Haus waren, oder ob die Schnapphahnen diejenige Abenteur, so ihnen mit mir begegnete, in dem Land ausgesprengt haben, also, daß hernach diese, so mich nachgehends gesehen, ingleichem geglaubt, der böse Feind wandere wahrhaftig in selbiger Gegend umher. Einsmals gieng ich in dem Wald etliche Tage in der Irr herum, derowegen mußte ich sorgen, das Proviant möchte mir aufgehen und ich dadurch endlich ins äußerste Verderben kommen, ich wollte dann wieder Wurzeln und Kräuter essen, deren ich nicht mehr gewohnt war. In solchen Gedanken hörete ich zween Holzhauer, so mich höchlich erfreuete; ich gieng dem Schlag nach, und als ich sie sahe, nahm ich eine Handvoll Dukaten aus meinem Säckel, schlich nahe zu ihnen, zeigte ihnen das anziehende Gold und sagte: »Ihr Herren, wann ihr meiner wartet, so will ich [127] euch die Handvoll Gold schenken!« Aber sobald sie mich und mein Gold sahen, ebenso bald gaben sie auch Fersengeld und ließen Schlegel und Keil samt ihrem Käs und Brotsack liegen. Mit solchem versahe ich meinen Ranzen wieder, verschlug mich in den Wald und verzweifelte schier, mein Lebtag wieder einmal zu Menschen zu kommen.

Nach langem Hin- und Hersinnen gedachte ich: »Wer weiß, wie dirs noch gehet; hast du doch Geld, und wann du solches zu guten Leuten in Sicherheit bringest, so kannst du ziemlich lang wohl darum leben.« Also fiel mir ein, ich sollte es einnähen; derowegen machte ich mir aus meinen Eselsohren, welche die Leute so flüchtig machten, zwei Armbänder, gesellete meine hanauische zu den schnapphahnischen Dukaten, tät solche in besagte Armbänder wohl arrestieren und oberhalb den Ellenbogen um meine Arme binden. Wie ich nun meinen Schatz dergestalt versichert hatte, fuhr ich den Bauren wieder ein und holte von ihrem Vorrat, was ich bedorfte und erschnappen konnte. Und wiewohl ich noch einfältig gewesen, so war ich jedoch so schlau, daß ich niemal, wo ich einst einen Partikul geholt, wieder an dasselbige Ort kam; dahero war ich sehr glückselig im Stehlen und ward niemals auf der Mauserei ertappt.

Einsmals, zu Ende des Mai, als ich abermal durch mein gewöhnlich, obzwar verbotenes Mittel, meine Nahrung holen wollte und zu dem Ende zu einem Baurnhof gestrichen war, kam ich auf das allerheimlichste in die Küche, merkte aber bald, daß noch Leute auf waren (Nota, wo sich Hunde befanden, da kam ich wohl nicht hin); derowegen sperrete ich die eine Küchentüre, die in Hof gieng, angelweit auf, damit, wann es etwan Gefahr setzte, ich stracks ausreißen könnte, blieb also mausstill sitzen, bis ich erwarten möchte, daß sich die Leute niedergeleget hätten. Unterdessen nahm ich eine Spalte gewahr, die das Küchenschälterlein hatte, welches in die Stube gieng; ich schlich hinzu, zu sehen, ob die Leute nicht bald schlafen gehen wollten. Aber meine Hoffnung war nichts, dann sie hatten sich erst angezogen und anstatt des Liechts eine schweflichte blaue Flamme auf der Bank stehen, bei welcher sie Stecken, Besem, Gablen, Stühle und Bänke schmierten und nacheinander damit zum Fenster hinausflogen. Ich verwunderte mich schröcklich und empfand ein großes Grauen; weil ich aber größerer Erschröcklichkeiten gewohnt war, zumal mein Lebtag von den Unholden weder gelesen noch gehöret hatte, achtete ichs nicht sonderlich, vornehmlich weil alles so still hergieng, sondern verfügte mich, nachdem alles davongefahren war, auch in die Stube, bedachte, was ich mitnehmen [128] und wo ich solches suchen wollte, und satzte mich in solchen Ge danken auf eine Bank schrittling nieder. Ich war aber kaum aufgesessen, da fuhr, ja schnurrte ich samt der Bank gleichsam augenblicklich zum Fenster hinaus und ließ meinen Ranzen und Feuerrohr, so ich von mir geleget hatte, vor den Schmierberlohn und so künstliche Salbe dahinten. Das Aufsitzen, Davonfahren und Absteigen geschahe gleichsam in einem Nu! Dann ich kam, wie mich bedunkte, augenblicklich zu einer großen Schar Volks, es sei dann, daß ich aus Schrecken nicht geachtet habe, wie lang ich auf dieser weiten Reise zugebracht. Diese tanzten einen wunderlichen Tanz, dergleichen ich mein Lebtag nie gesehen; dann sie hatten sich bei den Händen gefaßt und viel Ring ineinander gemacht mit zusammengekehrten Rücken, wie man die drei Grazien abmalet, also, daß sie die Angesichter herauswarts kehrten. Der inner Ring bestund etwan in 7 oder 8 Personen; der ander hatte wohl noch so viel, der dritte mehr als diese beide, und so fortan, also daß sich in dem äußern Ring über 200 Personen befanden. Und weil ein Ring oder Kreis um den andern links- und die andere rechtsherum tanzten, konnte ich nicht sehen, wieviel solcher Ringe gemachet, noch was sie in der Mitten, darum sie tanzten, stehen hatten. Es sahe eben greulich seltsam aus, weil die Köpfe so possierlich durcheinander haspelten. Und gleichwie der Tanz seltsam war, also war auch ihre Musik; auch sang, wie ich vermeinte, ein jeder am Tanz selber drein, welches eine wunderliche Harmoniam abgab. Meine Bank, die mich hintrug, ließ sich bei den Spielleuten nieder, die außerhalb der Ringe um den Tanz herum stunden; deren etliche hatten anstatt der Flöten, Zwerchpfeifen und Schalmeien nichts anders als Nattern, Vipern und Blindschleichen, darauf sie lustig daherpfiffen. Etliche hatten Katzen, denen sie in Hindern bliesen und auf dem Schwanz fingerten: das lautete den Sackpfeifen gleich. Andere geigeten auf Roßköpfen wie auf dem besten Diskant, und aber andere schlugen die Harfe auf einem Kühgerippe, wie solche auf dem Wasen liegen. So war auch einer vorhanden, der hatte eine Hündin unterm Arm, deren leierte er am Schwanz und fingerte ihr an den Dütten. Darunter trompeteten die Teufel durch die Nase, daß es im ganzen Wald erschallete; und wie dieser Tanz bald aus war, fieng die ganze höllische Gesellschaft an zu rasen, zu rufen, zu rauschen, zu brausen, zu heulen, zu wüten und zu toben, als ob sie alle toll und töricht gewesen wären. Da kann jeder gedenken, in was Schrecken und Forcht ich gesteckt.

In diesem greulichen Lärmen und abscheulichem Wesen kam ein Kerl auf mich dar, der hatte eine ungeheure Krotte unterm [129] Arm, gern so groß als eine Heerpauke; deren waren die Därme aus dem Hindern gezogen und wieder zum Maul hineingeschoppt, welches so garstig aussahe, daß mich darob kotzerte. »Sieh hin, Simplici,« sagte er, »ich weiß, daß du ein guter Lautenist bist, laß uns doch ein fein Stückchen hören.« Ich erschrak, daß ich schier umfiel, weil mich der Kerl mit Namen nannte, und in solchem Schrecken verstummte ich gar und bildete mir ein, ich läge in einem so schweren Traum, bat derowegen innerlich im Herzen Gott den Allmächtigen, daß er mich doch erwachen lassen und mir aus diesem Traum helfen wollte. Der mit der Krott aber, den ich steif ansahe, zog seine Nase aus und ein wie ein kalekutischer Hahn und stieß mich endlich auf die Brust, daß ich schier davon erstickte. Derowegen fieng ich an, überlaut zu Gott zu rufen, und sagte: »Herr Jesu Christe!« Kaum ward dies kräftige Wort ausgeredet, da verschwand das ganze Heer. In einem Hui ward es stockfinster und mir so förchterlich ums Herz, daß ich zu Boden fiel und wohl 100 Kreuz vor mich machte.

Das 18. Kapitel
Das achtzehnte Kapitel.
Simplex bitt, man woll ja etwan nicht meinen,
Als woll er mit großem Messer erscheinen.

Demnach es etliche, und zwar auch vornehme, gelehrte Leute darunter, gibt, die nicht glauben, daß Hexen oder Unholden sein, geschweige, daß sie in der Luft hin und wieder fahren sollten; als zweifele ich nicht, es werden sich etliche finden, die sagen werden, Simplicius schneide hier mit dem großen Messer auf. Mit denselben begehre ich nun nicht zu fechten, dann weil Aufschneiden keine Kunst, sondern jetziger Zeit fast das gemeinste Handwerk ist, als kann ich nicht leugnen, daß ichs nicht auch könnte, dann ich müßte ja sonst wohl ein schlechter Tropf sein. Welche aber der Hexen Ausfahren verneinen, die stellen ihnen nur Simonem den Zauberer vor, welcher vom bösen Geist in die Luft erhaben ward und auf St. Petri Gebet wieder heruntergefallen. Nikolaus Remigius, welcher ein tapferer, gelehrter und verständiger Mann gewesen und im Herzogtum Lothringen nicht nur ein halb Dutzet Hexen verbrennen lassen, erzählet von Johanne von Hembach, daß ihn seine Mutter, die eine Hexe war, im sechzehnten Jahr seines Alters mit sich auf ihre Versammlung genommen, daß er ihnen, weil er hatte lernen pfeifen, beim Tanz aufspielen sollte. Zu solchem Ende [130] stieg er auf einen Baum, pfiff daher und siehet dem Tanz mit Fleiß zu (vielleicht, weil ihm alles so wunderlich gedeuchte; dann da gehet alles auf eine närrische Weise zu); endlich spricht er: »Behüte, lieber Gott, woher kommt so viel närrisch und unsinniges Gesind?« Er hatte aber kaum diese Worte ausgesaget, da fiel er vom Baum herab, verrenkte eine Schulter und rufte ihnen um Hülfe zu; aber da war niemand als er. Wie er dieses nachmals ruchbar machte, hieltens die meiste vor ein Fabel, bis man kurz hernach Catharinam Prävotiam Zauberei halber fieng, welche auch bei selbigem Tanz gewesen; die bekannte alles, wie es hergangen, wiewohl sie von dem gemeinen Geschrei nichts wußte, das Hembach ausgesprengt hatte. Majolus setzet zwei Exempel, von einem Knecht, so sich an seine Frau gehängt, und von einem Ehebrecher, so der Ehebrecherin Büchsen genommen, sich mit deren Salbe geschmieret und also beide zu der Zauberer Zusammenkunft kommen sein. So sagt man auch von einem Knecht, der frühe aufgestanden und den Wagen geschmieret; weil er aber die unrechte Büchse in der Finstre ertappt, hat sich der Wagen in die Luft erhoben, also daß man ihn wieder herabziehen müssen. Olaus Magnus erzählet in lib. 3. Hist. de gentibus Septentrional. I. cap. 19., daß Hadingus, König in Dennemark, wieder in sein König reich, woraus er durch etliche Aufrührer vertrieben worden, fern über das Meer auf des Othini Geist durch die Luft gefahren, welcher sich in ein Pferd verstellet hätte. So ist auch mehr als genugsam bekannt, wasgestalt teils Weiber und ledige Dirnen in Böhmen ihre Beischläfer des Nachts einen weiten Weg auf Böcken zu sich holen lassen. Was Torquemadius in seinem Hexamerone von seinem Schulgesellen erzählet, mag bei ihm gelesen werden. Ghirlandus schreibt auch von einem vornehmen Mann, welcher, als er gemerkt, daß sich sein Weib salbe und darauf aus dem Haus fahre, habe er sie einsmals gezwungen, ihn mit sich auf der Zauberer Zusammenkunft zu nehmen. Als sie daselbst aßen und kein Salz vorhanden war, habe er dessen begehrt, mit großer Mühe auch erhalten und darauf gesagt: »Gott sei gelobt, jetzt kommt Salz!« darauf die Liechter erloschen und alles verschwunden. Als es nun Tag worden, hat er von den Hirten verstanden, daß er nahend der Stadt Benevento im Königreich Neapolis und also wohl 100 Meil von seiner Heimat sei. Derowegen, obwohl er reich gewesen, habe er doch nach Haus bettlen müssen; und als er heimkam, gab er alsbald sein Weib vor eine Zauberin bei der Obrigkeit an, welche auch verbrannt worden. Wie Doktor Faust neben noch andern mehr, die gleichwohl keine Zauberer [131] waren, durch die Luft von einem Ort zum andern gefahren, ist aus seiner Historie genugsam bekannt. So lieset man bei dem Boccaccio von einem Edelmann aus Lombardia, dessen Vatter vorzeiten den Sultan in Ägypten unbekannterweise beherberget; als dieser gefangen, dem Sultan überliefert und erkannt worden, habe er ihn in ein köstlich Bett legen, mit vielen Gold schlafend nach Pavia durch einen Zauberer führen und in die Hauptkirche daselbst niedersetzen lassen. So habe ich selbst auch eine Frau und eine Magd gekannt, seind aber, als ich dieses schreibe, beide tot, wiewohl der Magd Vatter noch im Leben. Diese Magd schmierte einsmals auf dem Herd beim Feuer ihrer Frau die Schuhe, und als sie mit einem fertig war und solchen beiseit setzte, den andern auch zu schmieren, fuhr der geschmierte unversehens zum Kamin hinaus; diese Geschicht ist aber vertuscht geblieben. Solches alles melde ich nur darum, damit man eigentlich darvorhalte, daß die Zauberinnen und Hexenmeister zuzeiten leibhaftig auf ihre Versammlungen fahren, und nicht deswegen, daß man mir eben glauben müsse, ich sei, wie ich gemeldet habe, auch so dahingefahren; dann es gilt mir gleich, es mags einer glauben oder nicht, und wers nicht glauben will, der mag einen andern Weg ersinnen, auf welchem ich aus dem Stift Hirschfeld oder Fulda (dann ich weiß selbst nicht, wo ich in den Wäldern herumgeschwaift hatte) in so kurzer Zeit ins Erzstift Magdeburg marschiert sei.

Das 19. Kapitel
Das neunzehnte Kapitel.
Simplex wird wieder zum Narren erlesen,
Wie er auch war zuvor einer gewesen.

Ich fange meine Historie wieder an und versichere den Leser, daß ich auf dem Bauch liegen blieb, bis es allerdings heller Tag war, weil ich nicht das Herz hatte, mich aufzurichten; zudem zweifelte ich noch, ob mir die erzählte Sachen geträumt hatten oder nicht. Und obzwar ich in ziemlichen Ängsten stak, so war ich doch so kühn zu entschlafen, weil ich gedachte, ich könnte an keinem ärgern Ort als in einem wilden Wald liegen, in welchem ich die meiste Zeit, sint ich von meinem Knän war, zubracht und dahero derselben ziemlich gewohnt hatte. Ungefähr um 9 Uhr vormittag war es, als etliche Furagierer kamen, die mich aufweckten; da sahe ich erst, daß ich mitten im freien Feld war. Diese nahmen mich mit ihnen zu etlichen Windmühlen, und nachdem sie ihre Früchte allda gemahlen hatten, folgends [132] in das Läger vor Magdeburg, allda ich einem Obristen zu Fuß zuteil ward. Der fragte mich, wo ich herkäme und was vor einem Herrn ich zugehörig wäre? Ich erzählte alles haarklein, und weil ich die Kroaten nicht nennen konnte, beschrieb ich ihre Kleidungen und gab Gleichnussen von ihrer Sprache, auch daß ich von denselben Leuten geloffen wäre; von meinen Dukaten schwieg ich still, und was ich von meiner Luftfahrt und dem Hexentanz erzählete, das hielt man vor Einfälle und Narrenteidungen, vornehmlich weil ich auch sonst in meinem Diskurs das Tausende ins Hunderte warf. Indessen sammlete sich ein Haufen Volks um mich her (dann ein Narr machet 1000 Narren): unter denselben war einer, so das vorige Jahr in Hanau gefangen gewesen und allda Dienste angenommen hatte, folgends aber wieder unter die Kaiserlichen kommen war. Dieser kannte mich und sagte gleich: »Hoho, dies ist des Kommandanten Kalb zu Hanau!« Der Obrist fragte ihn meinetwegen mehrere Umstände; der Kerl wußte aber nichts weiters von mir, als daß ich wohl auf der Laute schlagen könnte, item daß mich die Kroaten von des Obrist Corpes Regiment zu Hanau vor der Festung hinweggenommen hätten, sodann, daß mich besagter Kommandant ungern verloren, weil ich gar ein artlicher Narr wäre. Hierauf schickte die Obristin zu einer andern Obristin, die ziemlich wohl auf der Laute konnte und deswegen stetigs eine nachführete; die ließe sie um ihre Laute bitten. Solche kam und ward mir präsentieret mit Befelch, ich sollte eins hören lassen. Aber meine Meinung war, man sollte mir zuvor etwas zu essen geben, weil ein leerer und dicker Bauch, wie die Laut einen hatte, nicht wohl zusammenstimmen würden. Solches geschahe, und demnach ich mich ziemlich bekröpft und zugleich einen guten Trunk Zerbster Bier verschlucket hatte, ließ ich beides, mit der Lauten und meiner Stimme hören, was ich konnte; darneben redete ich allerlei untereinander, wie mirs einfiel, so daß ich mit geringer Mühe die Leute dahinbrachte, daß sie glaubten, ich wäre von derjenigen Qualität, die meine possierliche Kalbskleidung vorstellete. Der Obriste fragte mich, wo ich weiters hin wollte, und da ich antwortete, daß es mir gleich gelte, wurden wir des Handels eins, daß ich bei ihm bleiben und sein Hofjunker sein sollte. Er wollte auch wissen, wo meine Eselsohren hinkommen wären. »Ja,« sagte ich, »wann du wüßtest, wo sie wären, so würden sie dir nicht übel anstehen.« Aber ich konnte wohl verschweigen, was sie vermochten, weil all mein Reichtum darin lagen.

Ich ward in kurzer Zeit bei den meisten hohen Offizieren, [133] sowohl im kursächsischen als kaiserlichen Läger bekannt, sonderlich bei dem Frauenzimmer, welches meine Kappe, Ärmel und abgestutzte Ohren überall mit seidenen Banden zierte von allerhand Farben, so daß ich schier glaube, daß etliche Stutzer die jetzige Mode darvon abgesehen. Was mir aber von den Offizierern an Geld geschenkt ward, das teilte ich wieder mildiglich mit; dann ich verspendierte alles bei einem Heller, indem ichs mit guten Gesellen in Hamburger und Zerbster Bier, welche Gattungen mir trefflich wohl zuschlugen, versoffe; unangesehen ich an allen Orten, wo ich nur hinkam, genug zu schmarotzen hatte.

Als mein Obrister aber eine eigne Laute vor mich überkam, dann er gedachte ewig an mir zu haben, da dorft ich nicht mehr in den beiden Lägern so hin und wieder schwärmen, sondern er stellete mir einen Hofmeister dar, der mich beobachten und dem ich hingegen gehorsamen sollte. Dieser war ein Mann nach meinem Herzen, dann er war still, verständig, wohlgelehrt, von guter, aber nicht überflüssiger Konversation, und was das größte gewesen, überaus gottsförchtig, wohlbelesen und voll allerhand Wissenschaften und Künsten. Bei ihm mußte ich des Nachts in seiner Zelten schlafen, und bei Tag dorfte ich ihm auch nicht aus den Augen. Er war eines vornehmen Fürsten Rat und Beamter, zumal auch sehr reich gewesen; weil er aber von den Schwedischen bis in Grund ruinieret worden, zumaln auch sein Weib mit Tod abgangen und sein einziger Sohn Armut halber nicht mehr studieren konnte, sondern unter der kursächsischen Armee vor einen Musterschreiber dienete, hielt er sich bei diesem Obristen auf und ließ sich vor einen Stallmeister gebrauchen, um zu verharren, bis die gefährliche Kriegsläufe am Elbstrom sich änderten und ihm alsdann die Sonne seines vorigen Glücks wieder scheinen möchte.

Das 20. Kapitel
Das zwanzigste Kapitel.
Simplex geht mit seim Hofmeister spazieren,
Siehet Leut ihr Geld mit Würfeln verlieren.

Weil mein Hofmeister mehr alt als jung war, also konnte er auch die ganze Nacht nicht durchgehend schlafen; solches war eine Ursache, daß er mir in der ersten Woche hinter die Briefe kam und ausdrücklich vernahm, daß ich kein solcher Narr war, wie ich mich stellete, wie er dann zuvor auch etwas gemerkt und von mir aus meinem Angesicht ein anders geurteilet hatte, weil er sich wohl auf die Physiognomiam verstund. Ich [134] erwachte einsmals um Mitternacht und machte über mein eigen Leben und seltsame Begegnussen allerlei Gedanken, stund auch auf und erzählete Gott dem Allmächtigen danksagungsweise alle Guttaten, die er mir mein Lebtag erwiesen, und alle Gefahren, aus welchen er mich errettet hatte, befahle ihme auch ferner mein Tun und Lassen mit inbrünstiger Andacht und bat nicht allein um Vergebung meiner Sünden, die ich in meinem Narrenstand begienge, sondern auch, daß mich Gott aus meinem Narrenkleid erretten und unter andere vernünftige Menschen rechnen zu lassen gnädiglich belieben wolle; legte mich hernach wieder nieder mit schweren Seufzen und schlief vollends aus.

Mein Hofmeister hörete alles, tät aber, als wann er hart schliefe; und solches geschahe etliche Nächte nacheinander, also daß er sich gnugsam versichert hielt, daß ich mehr Verstand hätte als mancher Betagter, der sich viel einbilde; doch redete er nichts mit mir im Zelt hiervon, weil sie zu dünne Wände hätte und er gewisser Ursachen halber nicht haben wollte, daß noch zurzeit, und eh er meiner Unschuld versichert wäre, jemand anders dieses Geheimnus wüßte. Einsmals gieng ich hinter das Läger spazieren, welches er gern geschehen ließ, damit er Ursache hätte, mich zu suchen, und also die Gelegenheit bekäme, allein mit mir zu reden. Er fand mich nach Wunsch an einem einsamen Ort, da ich meinen Gedanken Audienz gab, und sagte: »Lieber guter Freund! weil ich dein Bestes zu suchen unterstehe, erfreue ich mich, daß ich hier allein mit dir reden kann. Ich weiß, daß du kein Narr bist, wie du dich stellest, zumalen auch in diesem elenden und verächtlichen Stand nicht zu leben begehrest. Wann dir nun deine Wohlfahrt lieb ist und du von Herzen wünschest, was du alle Nacht von Gott bittest, auch zu mir als einem ehrlichen Mann dein Vertrauen setzen willst, so kannst du mir deiner Sachen Vewandtnus erzählen; so will ich hingegen, wo müglich, mit Rat und Tat bedacht sein, wie dir etwan zu helfen sein möchte, damit du aus deinem Narrenkleid kommest.«

Hierauf fiel ich ihm um den Hals und erzeigte mich vor übriger Freude nicht anders, als wann er ein Engel oder wenigst Prophet gewesen wäre, mich von meiner Narrnkappe zu erlösen. Und nachdem wir auf die Erde gesessen, erzählete ich ihm mein ganzes Leben; er beschauete meine Hände und verwunderte sich beides, über die verwichene und künftige seltsame Zufälle, wollte mir aber durchaus nicht raten, daß ich in Bälde mein Narrenkleid ablegen sollte, weil er, wie er sagte, vermittelst der Chiromantia sahe, daß mir mein Fatum eine Gefängnus androhe, die Leib- und Lebensgefahr mit sich brächte. Ich bedankte [135] mich seiner guten Neigung und mitgeteilten Rats und bat Gott, daß er ihm seine Treuherzigkeit belohnen, ihn selber aber, daß er (weil ich von aller Welt verlassen wäre) mein getreuer Freund und Vatter sein und bleiben wollte.

Demnach stunden wir auf und kamen auf den Spielplatz, da man mit Würfeln turnieret und alle Schwüre mit hunderttausend mal tausend Galleen, Rennschifflein, Tonnen und Stadtgräben voll etc. herausfluchte. Der Platz war ungefähr so groß als der Alte Markt zu Köln, überall mit Mänteln überstreut und mit Tischen bestellt, die alle mit Spielern umgeben waren. Jede Gesellschaft hatte drei viereckichte Schelmenbeiner, denen sie ihr Glück vertrauten, weil sie ihr Geld teilen und solches dem einen geben, dem andern aber nehmen mußten. So hatte auch jeder Mantel oder Tisch einen Schunderer (Scholderer wollte ich sagen und hätte doch schier Schinder gesagt). Dieser Amt war, daß sie Richter sein und zusehen sollten, daß keinem unrecht geschehe; sie liehen auch Mäntel, Tische und Würfel her und wußten deswegen ihr Gebühr so wohl vom Gewinn einzunehmen, daß sie gewöhnlich das meiste Geld erschnappten; doch faselt es nicht, dann sie verspieltens gemeiniglich wieder; oder wanns gar wohl angelegt ward, so bekams der Marketender oder der Feldscherer, weil ihnen die Köpfe oft gewaltig geflickt wurden.

An diesen närrischen Leuten sahe man sein blaues Wunder, weil sie alle zu gewinnen vermeineten, welches doch unmüglich, sie hätten dann aus einer fremden Tasche gesetzt, und obzwar sie alle diese Hoffnung hatten, so hieß es doch: Viel Köpfe, viel Sinne, weil sich jeder Kopf nach seinem Glück sinnete; dann etliche trafen, etliche fehlten; etliche gewannen, etliche verspielten. Derowegen auch etliche fluchten, etliche donnerten, etliche betrogen, und andere wurden wieder über den Tölpel geworfen. Dahero lachten die Gewinner, und die Verspieler bissen die Zähne aufeinander; teils verkauften Kleider und was sie sonst liebhatten, andere aber gewannen ihnen das Geld wieder ab; etliche begehrten redliche Würfel, andere hin gegen wünschten falsche auf den Platz und führten solche unvermerkt ein, die aber andere wieder hinwegwurfen, zerschlugen und mit Zähnen zerbissen, und den Scholderern die Mäntel zerrissen. Unter den falschen Würfeln befanden sich Niederländer, welche man schleifend hineinrollen mußte; diese hatten so spitzige Rucken, darauf sie die Fünfer und Sechser trugen, als wie die magere Esel, darauf man die Soldaten setzt. Andere waren oberländisch; denselben mußte man die bayrische Höhe geben, wann man treffen wollte. Etliche waren von Hirschhorn, leicht oben und schwer unten [136] gemacht; andere waren mit Quecksilber oder Blei, und aber andere mit zerschnittenen Haaren, Schwämmen, Spreu und Kohlen gefüttert; etliche hatten spitzige Ecken, an andern waren solche gar hinweggeschliffen; teils waren lange Kolben und teils sahen aus wie breite Schildkrotten. Und alle diese Gattungen waren auf nichts anders als auf Betrug verfertigt; sie taten dasjenige, worzu sie gemacht waren, man mochte sie gleich wippen oder sanft schleichen lassen; da half kein Knüpfens, geschweige jetzt deren, die entweder zween Fünfer oder zween Sechser, und im Gegenteil entweder zwei Eß oder zwei Dauß hatten. Mit diesen Schelmenbeinern zwackten, laureten und stahlen sie einander ihr Geld ab, welches sie vielleicht auch geraubt oder wenigst mit Leib- und Lebensgefahr oder sonst saurer Mühe und Arbeit erobert hatten.

Als ich nun so stund und den Spielplatz samt den Spielern in ihrer Torheit betrachtete, sagte mein Hofmeister, wie mir das Wesen gefalle. Ich antwortete: »Daß man so greulich Gott lästert, gefällt mir nicht; im übrigen aber lasse ichs in seinem Wert und Unwert beruhen als eine Sache, die mir unbekannt ist und auf welche ich mich noch nichts verstehe.« Hierauf sagte mein Hofmeister ferner: »So wisse, daß dieses der allerärgste und abscheulichste Ort im ganzen Läger ist; dann hier suchet man eines andern Geld und verlieret das seinige darüber. Wann einer nur einen Fuß hieher setzt in Meinung zu spielen, so hat er das zehende Gebot schon übertretten, welches will: ›Du sollt deines Nächsten Gut nicht begehren!‹ Spielest du und gewinnest, sonderlich durch Betrug und falsche Würfel, so übertrittest du das siebend und achte Gebot. Ja, es kann kommen, daß du auch zu einem Mörder an demjenigen wirst, dem du sein Geld abgewonnen hast, wann nämlich dessen Verlust so groß ist, daß er darüber in Armut, in die äußerste Not und Desperation oder sonst in andere abscheuliche Laster gerät, davor die Ausrede nichts hilft, wann du sagest: ›Ich habe das Meinige darangesetzt und redlich gewonnen‹; dann du Schalk bist auf den Spielplatz gangen der Meinung, mit eines andern Schaden reich zu werden. Verspielest du dann, so ist es mit der Buße darum nicht ausgericht, daß du des Deinigen entbehren mußt, sondern du hast es, wie der reiche Mann, bei Gott schwerlich zu verantworten, daß du dasjenige so unnütz verschwendet, welches er dir zu dein und der Deinigen Lebensaufenthalt verliehen gehabt! Wer sich auf den Spielplatz begibt, zu spielen, derselbe begibt sich in eine Gefahr, darin er nicht allein sein Geld, sondern auch sein Leib, Leben, ja, was das allerschröcklichste ist, sogar seiner Seelen [137] Seligkeit verlieren kann. Ich sage dir dieses zur Nachricht, liebster Simplici, weil du vorgibst, das Spielen sei dir unbekannt, damit du dich all dein Leben lang davor hüten sollest.«

Ich antwortete: »Liebster Herr! wann dann das Spielen ein so schröcklich und gefährlich Ding ist, warum lassens dann die Vorgesetzte zu?« Mein Hofmeister antwortete mir: »Ich will nicht sagen darum, dieweil teils Offizierer selbst mitmachen; sondern es geschiehet deswegen, weil es die Soldaten nicht mehr lassen wollen, ja auch nicht lassen können; dann wer sich dem Spielen einmal ergeben, oder welchen die Gewohnheit oder vielmehr der Spielteufel eingenommen, der wird nach und nach (er gewinne oder verspiele) so verpicht darauf, daß ers weniger lassen kann als den natürlichen Schlaf; wie man da siehet, daß etliche die ganze Nacht durch und durch raßlen und vor das beste Essen und Trinken hineinspielen, und sollten sie auch ohn Hemd davongehen. Das Spielen ist bereits zu unterschiedlichen Malen bei Leib- und Lebensstrafe verboten und aus Befelch der Generalität durch Rumormeister, Profosen, Henker und Steckenknechte mit gewaffneter Hand offentlich und mit Gewalt verwehret worden. Aber das half alles nicht; dann die Spieler kamen anderwärts in heimlichen Winkeln und hinter den Hecken zusammen, gewannen einander das Geld ab, entzweiten sich und brachen einander die Hälse darüber, also daß man solcher Mord- und Totschläge halber, und vornehmlich auch, weil mancher sein Gewehr und Pferd, ja sogar sein weniges Kommißbrot verspielete, das Spielen nicht allein wieder offentlich erlauben, sondern sogar diesen eigenen Platz darzu widmen mußte, damit die Hauptwacht bei der Hand wäre, die allem Unheil, so sich etwan ereignen möchte, vorkäme, welche doch nicht allezeit verhüten kann, daß nicht einer oder der ander auf dem Platz bleibet. Und weil das Spielen des leidigen Teufels eigne Invention ist und ihm nicht wenig einträget, also hat er auch absonderliche Spielteufel geordnet und in der Welt herumschwärmen, die sonst nichts zu tun haben, als die Menschen zum Spielen anzureizen. Diesen ergeben sich unterschiedliche leichtfertige Gesellen durch gewisse Pakten und Bündnus, daß er sie gewinnen lasse; und wird man doch unter zehentausend Spielern selten einen reichen finden, sondern sie sind gewöhnlich im Gegenteil arm und dürftig, weil ihr Gewinn leicht geschätzet und dahero gleich entweder wieder verspielet oder sonst liederlich verschwendet wird. Hiervon ist das allzu wahre, aber sehr erbärmliche Sprichwort entsprungen, der Teufel verlasse keinen Spieler, er lasse sie aber blutarm werden; dann er [138] raubet ihnen Gut, Mut und Ehre, und verläßt sie alsdann nicht mehr, bis er sie endlich auch gar (Gottes unendliche Barmherzigkeit komme ihm dann zuvor) um ihrer Seelen Seligkeit bringt. Ist aber ein Spieler von Natur eines so lustigen Humors und so großmütig, daß er durch kein Unglück oder Verlust zur Melancholei, Grillen, Schwermütigkeit, Unmut und andere hieraus entspringende schädliche Laster gebracht werden mag, so läßt ihn der arglistige böse Feind deswegen tapfer gewinnen, damit er ihn durch Verschwendung, Hoffart, Fressen, Saufen, Huren und Buben endlich ins Netz bringe.«

Ich verkreuzigte und versegnete mich, daß man unter einem christlichen Heer solche Sachen üben ließe, die der Teufel erfunden sollte haben, sonderlich weil augenscheinlich und handgreiflich soviel zeitliche und ewige Schäden und Nachteile daraus folgeten. Aber mein Hofmeister sagte, das sei noch nichts, was er mir erzählt hätte; wer alles Unheil beschreiben wollte, das aus dem Spielen entstünde, der nähme ihm eine unmügliche Sache vor, weil man sagt, der Wurf, wann er aus der Hand gangen, sei des Teufels; so sollte ich mirs nicht anders einbilden, als daß mit jedem Würfel (wann er aus des Spielers Hand auf dem Mantel oder Tisch daherrolle) ein kleines Teufelchen daherlaufe, welches ihn regiere und Augen geben lasse, wie es seiner Prinzipalen Interesse erfordere. Dabei sollte ich bedenken, daß sich der Teufel freilich nicht umsonst des Spielens so eiferig annehme, sondern ohn Zweifel seinen trefflichen Gewinn darbei zu schöpfen wisse. »Dabei merke ferner, daß, gleichwie neben dem Spielplatz auch einzige Schacherer und Juden zu stehen pflegen, die von den Spielern wohlfeil aufkaufen, was sie etwan an Ringen, Kleidern oder Kleinodien gewonnen, oder, noch zu verspielen, versilbern wollen, daß eben also auch allhier die Teufel aufpassen, damit sie bei den abgefertigten Spielern, sie haben gleich gewonnen oder verloren, andere seelenverderbliche Gedanken erregen und hegen. Bei den Gewinnern zwar bauet er schreckliche Schlösser in die Luft, bei denen aber, so verspielt haben, deren Gemüt ohndas ganz verwirrt und desto bequemer ist, seine schädliche Eingebungen anzunehmen, setzet er ohn Zweifel lauter solche Gedanken und Anschläge, die auf nichts anders als das endliche Verderben zielen. Ich versichere dich, Simplici! daß ich willens bin, von dieser Materi ein ganz Buch zu schreiben, sobald ich wieder bei den Meinigen zu Ruhe komme: da will ich den Verlust der edlen Zeit beschreiben, die man mit dem Spielen unnütz hinbringet; nicht weniger die grausamen Flüche, mit welchen man Gott bei dem[139] Spielen lästert. Ich will die Scheltwort erzählen, mit welchen man einander antastet, und viel schröckliche Exempel und Historien mit einbringen, die sich bei, mit und in dem Spielen zutragen; dabei ich dann die Duell und Totschläge, so Spielens wegen entstanden, nicht vergessen will. Ja, ich will den Geiz, den Zorn, den Neid, den Eifer, die Falschheit, den Betrug, die Vortelsucht, den Diebstahl und mit einem Wort alle unsinnige Torheiten beides, der Würfel- und Kartenspieler, mit ihren lebendigen Farben dermaßen abmalen und vor Augen stellen, daß diejenige, die solches Buch nur einmal lesen, ein solch Abscheuen vor dem Spielen gewinnen sollen, als wann sie Säumilch (welche man den Spielsüchtigen wider solche ihre Krankheit unwissend eingibt) gesoffen hätten, und also damit der ganzen Christenheit dartun, daß der liebe Gott von einer einzigen Compagnia Spieler mehr gelästert als sonst von einer ganzen Armee bedienet werde.« Ich lobte seinen Vorsatz und wünschte ihm Gelegenheit, daß er solchen ins Werk setzen möchte.

Das 21. Kapitel
Das einundzwanzigste Kapitel.
Simplex macht mit dem Herzbruder Freundschaft,
Welche ihm gabe vortreffliche Kraft.

Mein Hofmeister ward mir je länger je holder und ich ihm hingegen wiederum; doch hielten wir unsere Verträulichkeit sehr geheim. Ich agierte zwar einen Narrn, brachte aber keine grobe Zotten noch Büffelspossen vor, so daß meine Gaben und Aufzüge zwar einfältig genug, aber jedoch mehr sinnreich als närrisch fielen. Mein Obrister, der eine treffliche Lust zum Weidwerk trug, nahm mich einsmals mit, als er ausspazierte, Feldhühner zu fangen mit dem Tyras, welche Invention mir trefflich wohlgefiel. Dieweil aber der vorstehende Hund so hitzig war, daß er einzufallen pflegte, ehe man tyrassieren konnte, deswegen wir dann wenig fangen konnten, da gab ich dem Obristen den Rat, er sollte die Hündin mit einem Falken oder Steinadler belegen lassen, wie man mit Pferden und Eseln zu tun pflege, wann man gerne Maultiere hätte, damit die jungen Hunde Flügel bekämen, so könnte man alsdann mit denselbigen die Hühner in der Luft fangen. Auch gab ich den Vorschlag, weil es mit Eroberung der Stadt Magdeburg, die wir belägert hielten, so schläferig hergienge, man sollte ein mächtig langes Seil so dick als ein halbfüderiges Faß verfertigen, solches um [140] die Stadt ziehen und alle Menschen samt dem Vieh in beiden Lägern daran spannen und dergestalt die Stadt in einem Tag übern Haufen schleifen lassen. Solcher närrischen Tauben und Grillen ersann ich täglich einen Überfluß, weil es meines Handwerks war, so daß man meine Werkstatt nie leer fand. So gab mir auch meines Herrn Schreiber, der ein arger Gast und durchtriebener Schalk war, viel Materi an die Hand, dadurch ich auf dem Weg, den die Narren zu wandern pflegen, unterhalten ward; dann was mich dieser Speivogel überredte, das glaubte ich nicht allein vor mich selbsten, sondern teilte es auch andern mit, wann ich etwan diskurierte und sich die Sache dahin schickte.

Als ich einsmals fragte, was unser Regimentskaplan vor einer sei, weil er mit Kleidungen von andern unterschieden, sagte er: »Er ist der Herr Dicis et non facis, das ist auf teutsch soviel geredt als ein Kerl, der andern Leuten Weiber gibet und selbst keine nimmt. Dieser ist den Dieben spinnenfeind, weil sie nicht sagen, was sie tun, er aber hingegen saget, was er nicht tut. So können ihm hingegen die Diebe auch nicht so gar hold sein, weil sie gemeiniglich gehenkt werden, wann sie die beste Kundschaft mit diesen Leuten haben.« Da ich nun nachgehends den guten ehrlichen Pater so nannte, ward er ausgelacht, ich aber vor einen bösen schalkhaftigen Narrn gehalten und seinetwegen gebaumölt. Ferners überredete er mich, man hätte die offentliche gemeine Häuser zu Prag hinter der Maur abgebrochen und verbrannt, davon die Funken und der Staub wie der Samen eines Unkrauts in alle Welt zerstoben wäre; item, es kämen von den Soldaten keine tapfere Helden und herzhafte Kerl in Himmel, sondern bloß einfältige Tropfen, feige Memmen, gutwillige Krapfen, Bärnhäuter und dergleichen, die sich an ihrem Sold genügen ließen; sodann keine politische Alamode-Cavaliers und galante Dames, sondern nur gedultige Job, Siemänner, langweilige Mönche, melancholische Pfaffen, Betschwestern, arme Bettelhurn, allerhand Auswürflinge, die in der Welt weder zu sieden noch zu braten taugen, und junge Kinder, welche die Bänke überall vollhofierten. Auch log er mir vor, man nenne die Gastgeber nur darum Würte, weil sie in ihrer Hantierung unter allen Menschen am fleißigsten betrachteten, daß sie entweder Gott oder dem Teufel zuteil würden. Vom Kriegswesen überredte er mich, daß man zuzeiten mit güldenen Kugeln schieße, und je kostbarer solche wären, je größern Schaden pflegten sie zu tun. »Ja«, sagte er, »man führet wohl eh ganze Kriegsheere mitsamt der Artollerei, Munition [141] und Bagage in güldenen Ketten gefangen daher.« Weiters überredete er mich von den Weibern, daß mehr als der halbe Teil Hosen trügen, obschon man sie nicht sähe, und daß viel ihren Männern, wannschon sie nicht zaubern könnten, noch Göttinnen wären, als Diana gewesen, größere Hörner auf die Köpfe gaukelten, als Aktäon getragen; item, daß ihrer gar viel den Ehestand ledigerweise trieben; welches ich ihm alles glaubte, so ein dummer Narr war ich.

Hingegen unterhielte mich mein Hofmeister, wann er allein bei mir war, mit viel einem andern Diskurs. Er brachte mich auch in seines Sohns Kundschaft, welcher, wie hiebevor bemeldet worden, bei der kursächsischen Armee ein Musterschreiber war und weit andere Qualitäten an sich hatte als meines Obristen Schreiber; dahero mochte ihn mein Obrister nicht allein gerne leiden, sondern er war auch bedacht, ihn von seinem Kapitän loszuhandeln und zu seinem Regimentssecretario zu machen, auf welche Stelle obgemeldter sein Schreiber sich auch spitzete.

Mit diesem Musterschreiber, welcher auch, wie sein Vatter, Ulrich Herzbruder hieß, machte ich eine solche Freundschaft, daß wir ewige Brüderschaft zusammen schwuren, kraft deren wir einander in Glück und Unglück, in Liebe und Leid nimmermehr verlassen wollten. Und weil dieses mit Wissen seines Vatters geschahe, hielten wir den Bund desto fester und steifer. Demnach lag uns nichts härter an, als wie wir meines Narrenkleids mit Ehren los werden und einan der rechtschaffen dienen möchten; welches aber der alte Herzbruder, den ich als meinen Vatter ehrete und vor Augen hatte, nicht guthieß, sondern ausdrücklich sagte, wann ich in kurzer Zeit meinen Stand änderte, daß mir solches eine schwere Gefängnüs und große Leib- und Lebensgefahr gebären würde. Und weil er auch ihm selbst und seinem Sohn einen großen bevorstehenden Spott prognostizierte und dahero Ursache zu haben vermeinete, desto vorsichtiger und behutsamer zu leben; als wollte er sich um soviel desto weniger in einer Person Sachen mischen, deren künftige große Gefahr er vor Augen sehen konnte. Dann er besorgte, er möchte meines künftigen Unglücks teilhaftig werden, wann ich mich offenbare, weil er bereits vorlängst meine Heimlichkeit gewußt und mich gleichsam in- und auswendig gekannt, meine Beschaffenheit aber dem Obristen nicht kundgetan hatte.

Kurz hernach merkte ich noch besser, daß meines Obristen Schreiber meinen neuen Bruder schröcklich neidete, weil er besorgte, er möchte vor ihm zu der Sekretariatstelle erhoben werden; [142] dann ich sahe wohl, wie er zuzeiten griesgramete, wie ihm die Mißgunst so gedrang tät, und daß er in schweren Gedanken allezeit seufzete, wann er entweder den alten oder den jungen Herzbruder ansahe. Daraus urteilete ich und glaubte ohn allen Zweifel, daß er Kalender machte, wie er ihm ein Bein vorsetzen und zu Fall bringen möchte. Ich kommunizierte meinem Bruder beides aus getreuer Affektion und tragender Schuldigkeit dasjenige, was ich argwähnete, damit er sich vor diesem Judasbruder ein wenig vorsehen sollte. Er aber nahm es auf die leichte Achsel, Ursache: weil er dem Schreiber sowohl mit der Feder als mit dem Degen mehr als genug überlegen war und darzu noch des Obristen große Gunst und Gnade hinweghatte.

Das 22. Kapitel
Das zweiundzwanzigste Kapitel.
Simplex sieht ein ganz leichtfertig Diebsstück,
Einen zu bringen ins äußerst Unglück.

Weil der Gebrauch im Krieg ist, daß man gemeiniglich alte versuchte Soldaten zu Profosen machet, also hatten wir auch einen dergleichen bei unserm Regiment, und zwar einen solchen abgefeumten Erzvogel und Kernböswicht, daß man wohl von ihm sagen konnte, er sei viel mehr als vonnöten erfahren gewesen; dann er war ein rechter Schwarzkünstler, Siebdreher und Teufelsbanner und von sich selbsten nicht allein so fest als Stahl, sondern auch überdas ein solcher Geselle, der andere fest machen und noch darzu ganze Eskadronen Reuter ins Feld stellen konnte. Sein Bildnus sahe natürlich aus, wie uns die Maler und Poeten den Saturnum vorstellen, außer daß er weder Stelzen noch Sense trug. Obzwar nun die arme gefangene Soldaten, so ihm in seine unbarmherzige Hände kamen, wegen dieser seiner Beschaffenheit und stetigen Gegenwart sich desto unglückseliger schätzten, so waren doch Leute, die gern mit diesem Wenddenschimpf umgiengen, sonderlich Olivier, unser Schreiber; und je mehr sich sein Neid wider den jungen Herzbruder (der eines sehr fröhlichen Humors war) vermehrete, je fester wuchs die große Verträulichkeit zwischen ihm und dem Profosen. Dahero konnte ich mir gar leichtlich die Rechnung machen, daß die Konjunktion Saturni und Mercurii dem redlichen Herzbruder nichts Gutes bedeuten würde.

Eben damals ward meine Obristin mit einem jungen Sohn erfreuet und die Taufsuppe fast fürstlich dargereichet, bei welcher [143] der junge Herzbruder aufzuwarten ersuchet war; und weil er sich aus Höflichkeit gern einstellete, war solches dem Olivier eine gewünschte Gelegenheit, seine Schelmenstücke, mit welchen er lang schwanger gangen, auf die Welt zu bringen. Dann als nun alles vorüber war, manglete meines Obristen großer vergüldter Tischbecher, welchen er so leichtlich nicht verloren haben wollte, weil er noch vorhanden gewesen, da alle frembde Gäste schon hinweg waren. Der Page sagte zwar, daß er ihn das letztemal bei dem Olivier gesehen, er war dessen aber nicht geständig. Hierauf ward der Profos geholet, der Sache Rat zu schaffen, und ward ihm benebens anbefohlen, wann er durch seine Kunst den Diebstahl wieder herzu könnte bringen, daß er das Werk so einrichten sollte, damit der Dieb sonst niemand als dem Obristen kund würde, weil noch Offizier von seinem Regiment vorhanden waren, welche er, wann sich vielleicht einer davon übersehen hätte, nicht gern zuschanden machen wollte.

Weil sich nun jeder unschuldig wußte, so kamen wir auch alle lustig in des Obristen großes Zelt, da der Zauberer die Sache vornahm. Da sahe je einer den andern an und verlangte zu vernehmen, was es endlich abgeben und wo der verlorne Becher doch herkommen würde. Als er nun etliche Worte gemurmelt hatte, sprangen einem hier, dem andern dort ein, zwei, drei, auch mehr junge Hündlein aus den Hosensäcken, Ärmeln, Stiefeln, Hosenschlitzen und wo sonst die Kleidungen offen waren. Diese wuselten behend in der Zelt hin und wieder herum, waren alle überaus schön, von mancherlei Farben und jeder auf eine sonderbare Manier gezeichnet, also daß es ein recht lustig Spektakul war. Mir aber wurden meine enge kroatische Kälberhosen so voll junger Hunde gegaukelt, daß ich solche abziehen, und weil mein Hemd im Wald vorlängst am Leib verfaulet war, nackend dastehen und alles sehen lassen mußte, was ich hinden und vornen vermochte. Zuletzt sprang eins dem jungen Herzbruder aus dem Schlitz, welches das allerhurtigste war und ein gölden Halsband anhatte; dieses verschlang alle andere Hündlein, deren es doch so voll im Zelt herumkrabbelte, daß man vor ihnen keinen Fuß weiterssetzen konnte. Wie es nun alle aufgerieben hatte, ward es selbsten je länger je kleiner, das Halsband aber nur desto größer, bis es sich endlich in des Obristen Tischbecher verwandelte.

Da mußte nun nicht allein der Obriste, sondern auch alle andere Gegenwärtige davorhalten, daß sonst niemand als der junge Herzbruder den Becher gestohlen; derowegen sagte der Obriste zu ihm: »Siehe da, du undankbarer Gast! hab ich [144] dieses Diebstücke, das ich dir nimmermehr zugetrauet hätte, mit meinen Guttaten umb dich verdienet? Schaue! ich habe dich zu meinem Secretario des morgenden Tags wollen machen, aber nun hast du verdienet, daß ich dich noch heut aufhängen ließe, welches auch unfehlbar geschehen sollte, wann ich deines ehrlichen alten Vatters nicht verschonete. Geschwind mache dich aus meinem Läger und laß dich die Tage deines Lebens vor meinen Augen nicht mehr sehen!« Er wollte sich entschuldigen, ward aber nicht gehört, dieweil seine Tat so sonnenklar am Tag lag; und indem er fortgieng, ward dem guten alten Herzbruder ganz ohnmächtig, also daß man genug an ihm zu laben und der Obrister selbst an ihm zu trösten hatte, welcher sagte, daß ein frommer Vatter seines ungeratenen Kindes gar nicht zu entgelten hätte. Also erlangte Olivier durch Hülfe des Teufels dasjenige, wornach er vorlängst gerungen, auf einem ehrlichen Weg aber nicht ereilen mögen.

Das 23. Kapitel
Das dreiundzwanzigste Kapitel.
Simplex gibt Herzbruder 100 Dukaten,
Macht dadurch, daß er kriegt Abschied in Gnaden.

Sobald des jungen Herzbruders Kapitän diese Geschicht erfuhr, nahm er ihm auch die Musterschreiberstelle und lud ihm eine Pike auf, von welcher Zeit an er bei männiglich so veracht ward, daß ihn die Hunde hätten anpissen mögen, darum er ihm dann oft den Tod wünschete! Sein Vatter aber bekümmerte sich dergestalt darüber, daß er in eine schwere Krankheit fiel und sich auf das Sterben gefaßt machte. Demnach er aber ihm ohndas hiebevor selbst prognostizieret hatte, daß er den 26. Julii Leib- und Lebensgefahr ausstehen müßte (welcher Tag dann nächst vor der Türe war), als erlangte er bei dem Obristen, daß sein Sohn noch einmal zu ihm kommen dorfte, damit er wegen seiner Verlassenschaft mit ihm reden und seinen letzten Willen eröffnen möchte. Ich ward bei ihrer Zusammenkunft nicht ausgeschlossen, sondern ward der dritte Mitgesell ihres Leides. Da sahe ich, daß der Sohn keiner Entschuldigung bedörft gegen seinem Vatter, weil er seine Art und gute Auferziehung wohl wußte und dahero seiner Unschuld genugsam versichert war. Er, als ein weiser, verständiger und tiefsinniger Mann, ermaß unschwer aus den Umständen, daß Olivier seinem Sohn dies Bad durch den Profos hatte zurichten lassen; was [145] vermochte er aber wider einen Zauberer, von dem er noch Ärgers zu besorgen hatte, wann er sich anders einziger Rache hätte unterfangen wollen. Überdies versahe er sich seines Todes und wußte doch nicht geruhiglich zu sterben, weil er seinen Sohn in solcher Schande hinter sich lassen sollte, in welchem Stand der Sohn desto weniger zu leben getrauete, um wieviel mehr er ohndas wünschete, vor dem Vatter zu sterben. Es war versichert dieser beiden Jammer so erbärmlich anzuschauen, daß ich von Herzen weinen mußte! Zuletzt war ihr gemeiner, einhelliger Schluß, Gott ihre Sache in Gedult heimzustellen, und der Sohn sollte auf Mittel und Wege gedenken, wie er sich von seiner Compagnia loswürken und anderwärts sein Glück suchen könnte. Als sie aber die Sache bei dem Liecht besahen, da manglets am Geld, mit welchem er sich bei seinem Kapitän loskaufen sollte, und indem sie betrachteten und bejammerten, in was vor einem Elend sie die Armut gefangen hielt und alle Hoffnung abschnitte, ihren gegenwärtigen Stand zu verbessern, erinnerte ich mich erst meiner Dukaten, die ich noch in meinen Eselsohren vernähet hatte, fragte derowegen, wieviel sie dann Gelds zu dieser ihrer Notdurft haben müßten? Der junge Herzbruder antwortete: »Wann einer käme und uns hundert Taler brächte, so getraute ich, aus allen meinen Nöten zu kommen.« Ich antwortete: »Bruder! wann dir damit geholfen wird, so habe ein gut Herz, dann ich will dir hundert Dukaten geben.« – »Ach Bruder!« antwortete er mir wiederum, »was ist das? bist du dann ein rechter Narr oder so leichtfertig, daß du uns in unsrer äußersten Trübseligkeit noch scherzest?« – »Nein, nein!« sagte ich, »ich will dir das Geld herschießen«; streifte darauf mein Wams ab und tät das eine Eselsohr von meinem Arm, öffnete es und ließ ihn selbst hundert Dukaten daraus zählen und zu sich nehmen; das übrige behielte ich und sagte: »Hiermit will ich deinen kranken Vatter auswarten, wann er dessen bedarf.« Hierauf fielen sie mir um den Hals, küßten mich und wußten vor Freuden nicht, was sie taten, nennten mich auch einen Engel, den ihnen Gott zum Trost gesendet hätte, wollten mir auch eine Handschrift zustellen und mich darin versichern, daß ich an dem alten Herzbruder neben seinem Sohn ein Miterb sein sollte oder daß sie mich, wann ihnen Gott wieder zu dem Ihrigen hülfe, um diese Summam samt dem Interesse wiederum mit großem Dank befriedigen wollten, deren ich aber keines annahm, sondern allein mich in ihre beständige Freundschaft befahl. Hierauf wollte der junge Herzbruder verschwören, sich an dem Olivier zu rächen oder darum zu sterben! Aber sein Vatter verbot ihm solches [146] und versicherte ihn, daß derjenige, der den Olivier totschlüge, wieder von mir, dem Simplicio, den Rest kriegen werde. »Doch«, sagte er, »bin ich dessen wohl vergewissert, daß ihr beide einander nicht umbringen werdet, weil keiner von euch durch Waffen umkommen solle.« Demnach hielte er uns an, daß wir eidlich zusammen schwuren, einander bis in den Tod zu lieben und in allen Nöten beizustehen. Der junge Herzbruder aber entledigte sich mit dreißig Reichstalern, davor ihm sein Kapitän einen ehrlichen Abschied gab, verfügte sich mit dem übrigen Geld und guter Gelegenheit nach Hamburg, mondierte sich allda mit zweien Pferden und ließ sich unter der schwedischen Armee vor einen Freireuter gebrauchen, mir indessen unsern Vatter befehlende.

Das 24. Kapitel
Das vierundzwanzigste Kapitel.
Simplex pflegt von zwei Wahrsagung zu sagen,
Welche mit Herzbruder sich zugetragen.

Keiner von meines Obristen Leuten schickte sich besser, dem alten Herzbruder in seiner Krankheit abzuwarten als ich; und weil der Kranke auch mehr als wohl mit mir zufrieden war, so ward mir auch solches Amt von der Obristin aufgetragen, welche ihm viel Guts erwiese; und demnach er neben so guter Pflege auch wegen seines Sohnes sattsam erquickt worden, besserte es sich von Tage zu Tage mit ihm, also daß er noch vor dem 26. Julii fast wieder überall zu völliger Gesundheit gelangte. Doch wollte er sich noch inhalten und krank stellen, bis bemeldter Tag, vor welchem er sich merklich entsatzte, vorbei wäre. Indessen besuchten ihn allerhand Offizierer von beiden Armeen, die ihr künftig Glück und Unglück von ihm wissen wollten; dann weil er ein guter Mathematikus und Nativitätensteller, benebens auch ein vortrefflicher Physiognomist und Chiromantikus war, fehlte ihm seine Aussag selten; ja er nannte sogar den Tag, an welchem die Schlacht vor Wittstock nachgehends geschahe, sintemal ihm viel zukamen, denen um dieselbige Zeit einen gewalttätigen Tod zu leiden angedrohet war. Die Obristin versicherte er, daß sie ihr Kindbette noch im Läger aushalten würde, weil vor Ausgang der Wochen Magdeburg an die Unsere nicht übergehen würde. Dem falschen Olivier, der sich gar zutäppisch bei ihm zu machen wußte, sagte er ausdrücklich, daß er eines gewalttätigen Todes sterben müßte und daß ich seinen Tod, er geschehe, wann er wolle, rächen und seinen Mörder wieder umbringen würde, [147] weswegen mich Olivier folgenderzeit hochhielt. Mir selbsten aber erzählte er meinen künftigen ganzen Lebenslauf so umständlich, als wann er schon vollendet und er allezeit bei mir gewesen wäre, welches ich aber wenig achtete und mich jedoch nachgehends vielen Dings erinnerte, das er mir zuvor gesagt, nachdem es schon geschehen oder wahr worden; vornehmlich aber warnete er mich vorm Wasser, weil er besorgte, ich würde meinen Untergang darin leiden.

Als nun der 26. Julii eingetretten war, vermahnete er mich und einen Furierschützen (den mir der Obrister auf sein Begehren denselben Tag zugegeben hatte) ganz treulich und zum öfternmal, wir sollten niemand zu ihm ins Zelt lassen. Er lag also allein darin und betete ohn Unterlaß; da es aber um den Nachmittag ward, kam ein Leutenant aus dem Reuterläger dahergeritten, welcher noch des Obristen Stallmeister fragte. Er ward zu uns und gleich darauf wieder von uns abgewiesen; er wollte sich aber nicht ab weisen lassen, sondern bat den Furierschützen mit untergemischten Verheißungen, ihn vor den Stallmeister zu lassen, mit welchem er noch diesen Abend notwendig reden müßte. Weil aber solches auch nicht helfen wollte, fieng er an zu fluchen, mit Donner und Hagel dreinzukollern und zu sagen, er sei schon so vielmal dem Stallmeister zu Gefallen geritten und hätte ihn noch niemals daheim angetroffen; so er nun jetzt einmal vorhanden sei, sollte er abermal die Ehre nicht haben, nur ein einzig Wort mit ihm zu reden; stieg darauf ab und ließ sich nicht verwehren, das Zelt selbst aufzuknüpfen, worüber ich ihn in die Hand biß, aber eine dichte Maulschelle davor bekam. Sobald er hineingekommen war, meinen Alten sahe, sagte er: »Der Herr sei gebeten, mir zu verzeihen, daß ich die Frechheit brauche, ein Wort mit ihm zu reden.« – »Wohl!« antwortete der Stallmeister, »was beliebt denn dem Herrn?« – »Nichts anders,« sagte der Leutenant, »als daß ich den Herrn bitten wollte, ob er sich ließe belieben, mir meine Nativität zu stellen.« Der Stallmeister antwortete: »Ich will verhoffen, mein hochgeehrter Herr werde mir vergeben, daß ich demselben vor diesmal meiner Krankheit halber nicht willfahren kann; dann weil diese Arbeit viel Rechnens brauchet, wirds mein blöder Kopf jetzo nicht verrichten können; wann Er sich aber bis morgen zu gedulten beliebet, will ich Ihm verhoffentlich genugsame Satisfaktion tun.« – »Herr!« sagte hierauf der Leutenant, »Er sage mir nur etwas dieweil aus der Hand.« – »Mein Herr!« antwortete der alte Herzbruder, »dieselbe Kunst ist gar mißlich und betrüglich; derowegen bitte ich, der Herr [148] wolle mich damit so weit verschonen; ich will morgen hergegen alles gern tun, was der Herr an mich begehret.« Der Leutenant wollte sich doch nicht abweisen lassen, sondern trat meinem Vatter vors Bette, streckte ihm die Hand dar und sagte: »Herr! ich bitte nur um ein paar Worte, meines Lebens Ende betreffend, mit Versicherung, wann solches etwas Böses sein sollte, daß ich des Herrn Rede als eine Warnung von Gott annehmen will, um mich desto besser vorzusehen; darum bitte ich um Gottes willen, der Herr wolle gerad herausgehen und mir die Wahrheit nicht verschweigen!« Der redliche Alte antwortete ihm hierauf kurz und sagte: »Nun wohlan, so sehe sich dann der Herr wohl vor, damit er nicht in dieser Stunde noch aufgehängt werde.« – »Was? du alter Schelm!« sagte der Leutenant, der eben einen rechten Hundssoff hatte, »solltest du einem Kavalier solche Worte vorhalten dürfen?« zog damit von Leder und stach meinen lieben alten Herzbruder im Bette zu Tode. Ich und der Furierschütze riefen alsbald Lärmen und Mordio, also daß alles dem Gewehr zulief; der Leutenant aber machte sich unverweilet auf seinen Schnellfuß, wäre auch ohn Zweifel entritten und davonkommen, wann nicht eben persönlich der Kurfürst zu Sachsen mit vielen Pferden vorbeigeritten wäre und ihn hätte einholen lassen. Als derselbe den Handel vernahm, wendte er sich zu dem von Hatzfeld als unserm General und sagte nichts anders als dieses: »Das wäre eine schlechte Disziplin in einem kaiserlichen Läger, wann auch ein Kranker im Bette vor den Mördern seines Lebens nicht sicher sein sollte!« Das war ein scharfer Sentenz und gnugsam, den Leutenant um das Leben zu bringen; gestalt ihn unser General alsobald an seinen allerbesten Hals aufhängen und also in der Luft verarrestieren ließe.

Das 25. Kapitel
Das fünfundzwanzigste Kapitel.
Simplex wird in eine Jungfer verwandelt,
Saget, was seine Buhlschaften gehandelt.

Aus dieser wahrhaftigen Histori ist zu ersehen, daß nicht sogleich alle Wahrsagungen zu verwerfen sein, wie etliche Gecken tun, die gar nichts glauben können. So kann man auch hieraus abnehmen, daß der Mensch sein aufgesetztes Ziel schwerlich überschreiten mag, wanngleich ihm sein Unglück lang oder kurz zuvor durch dergleichen Weissagungen angedeutet worden. Auf die Frage, die sich ereignen möchte, ob einem Menschen nötig, [149] nützlich und gut sei, daß er sich wahrsagen und die Nativität stellen lasse, antworte ich allein dieses, daß mir der alte Herzbruder so viel gesagt habe, daß ich oft gewünschet und noch wünsche, daß er geschwiegen hätte; dann die unglücklichen Fälle, die er mir angezeiget, habe ich niemals umgehen können, und diejenigen, die mir noch bevorstehen, machen mir nur vergeblich graue Haare, weil mir besorglich dieselbige auch wie die vorige zuhanden gehen werden, ich sehe mich gleich für denselben vor oder nicht. Was aber die Glücksfälle anbelanget, von denen einem geweissaget wird, davon halte ich, daß sie öfter betrügen oder aufs wenigste den Menschen nicht so wohl gedeihen als die unglückselige Prophezeiungen. Was half mich, daß mir der alte Herzbruder hoch und teuer schwur, ich wäre von edlen Eltern geboren und erzogen worden, da ich doch von niemand anderst wußte als von meinem Knän und meiner Meuder, die grobe Bauersleute im Spessert waren? Item, was halfs dem von Wallenstein, Herzog in Friedland, daß ihm prophezeiht ward, er werde gleichsam mit Saitenspiel zum König gekrönet werden? weiß man nicht, wie er zu Eger eingewieget worden? Mögen derowegen andere ihre Köpfe über dieser Frage zerbrechen; ich komme wieder auf meine Histori.

Als ich erzähltermaßen meine beide Herzbrüder verloren hatte, verleidete mir das ganze Läger vor Magdeburg, welches ich ohndas nur eine leinerne und ströherne Stadt mit irdenen Mauren zu nennen pflegte. Ich ward meines Narrenkleides und Standes so müd und satt, als wann ichs mit lauter eisernen Kochlöffeln gefressen hätte; einmal ich gedachte, mich nicht mehr von jedermann so foppen zu lassen, sondern meines Narrnkleides los zu werden, Gott gebe, was der alte Herzbruder gesaget hatte, und sollte ich gleich Leib und Leben darüber verlieren. Das setzte ich folgendergestalt sehr liederlich ins Werk, weil mir sonst keine bessere Gelegenheit anstehen wollte.

Olivier, der Secretarius, welcher nach des alten Herzbruders Tod mein Hofmeister worden war, erlaubte mir oft mit den Knechten auf Furage zu reiten. Als wir nun einsmals in ein groß Dorf kamen, darin etliche den Reutern zuständige Bagage logierte, und jeder hin und wieder in die Häuser gieng, zu suchen, was etwan mitzunehmen wäre, stahl ich mich auch hinweg und suchte, ob ich nicht ein altes Baurenkleid finden möchte, um welches ich meine Narrnkappe vertauschen könnte. Aber ich fand nicht, was ich wollte, sondern mußte mit einem Weiberkleid vorliebnehmen. Ich zog selbiges an, weil ich mich allein sahe, und warf das meinige in ein Sekret, mir nicht anders einbildende, [150] als daß ich nunmehr aus allen meinen Nöten errettet worden. In diesem Aufzug gieng ich über die Gasse gegen etlichen Offiziersweibern und machte so enge Schrittlein, als etwan Achilles getan, da ihn seine Mutter dem Lycomedi rekommandierte. Ich war aber kaum außer Dach hervorkommen, da mich etliche Furagierer sahen und besser springen lerneten. Dann als sie schrieen: »Halt! halt!« lief ich nur desto stärker, als wann mich höllisch Feur brennete, und kam ehender als sie zu obgemeldten Offiziererinnen; vor denselben fiel ich auf die Knie nieder und bat um aller Weiber Ehre und Tugend willen, sie wollten meine Jungferschaft vor diesen geilen Buben beschützen, allda meine Bitte nicht allein stattfand, sondern ich ward auch von einer Rittmeisterin vor eine Magd angenommen, bei welcher ich mich beholfen, bis Magdeburg, item die Werberschanze, auch Havelberg und Perleberg von den Unsern eingenommen worden.

Diese Rittmeisterin war kein Kind mehr, wiewohl sie noch jung war, und vernarrete sich dermaßen in meinen glatten Spiegel und geraden Leib, daß sie mir endlich nach langgehabter Mühe und vergeblicher umschwaifender Weitläufigkeit nur allzu teutsch zu verstehen gab, wo sie der Schuh am meisten drucke. Ich aber war damals noch viel zu gewissenhaft, tät, als wann ichs nicht merkte, und ließ keine andere Anzeigungen scheinen als solche, daraus man nichts anders als eine fromme Jungfer urteilen möchte. Der Rittmeister und sein Knecht lagen in gleichem Spital krank; derowegen befahl er seinem Weib, sie sollte mich besser kleiden lassen, damit sie sich meines garstigen Baurenküttels nicht schämen dörfte. Sie tät mehr, als ihr befohlen war, und butzte mich heraus wie eine französische Poppe, welches das Feur bei allen dreien noch mehr schürete; ja es ward endlich bei ihnen so groß, daß Herr und Knecht eiferigst von mir begehrten, was ich ihnen nicht leisten konnte und der Frau selbst mit einer schönen Manier verwaigerte. Zuletzt satzte ihm der Rittmeister vor, eine Gelegenheit zu ergreifen, bei deren er mit Gewalt von mir haben könnte, was ihm doch zu bekommen unmüglich war. Solches merkete sein Weib, und weil sie mich noch endlich zu überwinden verhoffte, verlegte sie ihm alle Pässe und lief ihm alle Ränke ab, also daß er vermeinte, er müsse toll und töricht darüber werden. Keines von ihnen dreien taurete mich mehr als unser Knecht, der arme Schöps, weil Herr und Frau einander selbst ihre geile Brunst löschen konnten, dieser Tropf aber nichts dergleichen hatte. Einsmals, als Herr und Frau schlafen war, stund der Knecht vor dem Wagen, in welchem ich alle Nacht schlafen mußte, klagte mir seine Liebe [151] mit heißen Tränen und bat ebenso andächtig um Gnade und Barmherzigkeit. Ich aber erzeigte mich härter als ein Stein und gab ihm zu verstehen, daß ich meine Keuschheit bis in Ehestand bewahren wollte. Da er mir nun die Ehe wohl tausendmal anbot und doch nichts anders dargegen vernahm, als daß ich ihn versicherte, daß es unmüglich sei, mich mit ihm zu verehlichen, verzweifelte er endlich gar oder stellete sich doch aufs wenigste nur so; dann er zog seinen Degen aus, satzte die Spitze an die Brust und den Knopf an Wagen und tät nicht anderst, als wann er sich jetzt erstechen wollte. Ich gedachte: »Der Teufel ist ein Schelm«, sprach ihm derowegen zu und gab ihm Vertröstung, am Morgen früh einen endlichen Bescheid zu erteilen. Davon war er kontent und gieng schlafen, ich aber wachte desto länger, dieweil ich meinen seltsamen Stand betrachtete. Ich befand wohl, daß meine Sache in die Länge kein gut tun würde, dann die Rittmeisterin ward je länger je importuner mit ihren Reizungen, der Rittmeister verwegener mit seinen Zumutungen und der Knecht verzweifelter in seiner beständigen Liebe; ich wußte mir aber darum nicht aus solchem Labyrinth zu helfen. Ich mußte oft meiner Frau bei hellem Tage Flöhe fangen nur darum, damit ich ihre alabasterweiße Brüste sehen und ihren zarten Leib genug betasten sollte, welches mir, weil ich auch Fleisch und Blut hatte, in die Läng zu ertragen schwer fallen wollte. Ließ mich dann die Frau zufrieden, so quälete mich der Rittmeister, und wann ich vor diesen beiden bei Nacht Ruhe haben sollte, so peinigte mich der Knecht, also daß mich das Weiberkleid viel saurer zu tragen ankam als meine Narrnkappe. Damal (aber viel zu spat) gedachte ich fleißig an meines sel. Herzbruders Weissag- und Warnung und bildete mir nichts anders ein, als daß ich schon würklich in derjenigen Gefängnüs, auch Leib- und Lebensgefahr stecke, davon er mir gesaget hatte; dann das Weiberkleid hielt mich gefangen, weil ich darin nicht ausreißen konnte, und der Rittmeister würde übel mit mir gespielet haben, wann er mich erkannt und einmal bei seiner schönen Frau über dem Flöhfangen ertappt hätte. Was sollte ich tun? Ich beschloß endlich, dieselbe Nacht mich dem Knecht zu offenbaren, sobald es Tag würde; dann ich gedachte: »Seine Liebsregungen werden sich alsdann legen, und wann du ihm von deinen Dukaten spendierest, so wird er dir wieder zu einem Mannskleid und also in demselben aus allen deinen Nöten helfen.« Es wäre wohl ausgesonnen gewesen, wann nur das Glück gewollt hätte; aber es war mir zuwider.

Mein Hans ließ ihm gleich nach Mitternacht tagen, das [152] Jawort zu holen, und fieng an, am Wagen zu rappeln, als ich eben anfieng, am allerstärksten zu schlafen, weil ich die ganze Nacht gewachet und meinen Sachen nachgedacht hatte. Er rief etwas zu laut: »Sabina! Sabina! Ach mein Schatz! stehet auf und haltet mir Euer Versprechen!«, also daß er den Rittmeister eher als mich damit erweckte, weil er sein Zelt am Wagen stehen hatte. Diesem ward ohn Zweifel grün und gelb vor den Augen, weil ihn die Eifersucht ohndas zuvor eingenommen; doch kam er nicht heraus, unser Tun zu zerstören, sondern stund nur auf, zu sehen, wie der Handel ablaufen wollte. Zuletzt weckte mich der Knecht mit seiner Importunität und nötigte mich, entweder aus dem Wagen zu ihm zu kommen oder ihn zu mir einzulassen; ich aber schalt ihn aus und fragte, ob er mich dann vor eine Hure ansehe; meine gestrige Zusage sei auf den Ehestand gegründet, außer dessen er meiner nicht teilhaftig werden könnte. Er antwortete, so sollte ich je dannoch auf stehen, weil es anfieng zu tagen, damit ich dem Gesind das Essen beizeiten verfertigen könnte; er wollte Holz und Wasser holen und mir das Feuer zugleich anmachen. Ich antwortete: »Wann du das tun willt, so kann ich desto länger schlafen; gehe nur hin, ich will bald folgen.« Weil aber der Narr nicht ablassen wollte, stund ich auf, mehr meine Arbeit zu verrichten, als ihm viel zu hofieren, sintemal, wie mich deuchte, ihn die gesterige verzweifelte Torheit wieder verlassen hatte. Ich konnte sonst ziemlich wohl vor eine Magd im Feld passieren, dann kochen, backen und wäschen hatte ich bei den Kroaten gelernet; so pflegen die Soldatenweiber ohndas im Feld nicht zu spinnen. Was ich aber sonst vor Frauenzimmerarbeit nicht konnte, als wann ich etwan die Frau bürsten (strählen) und Zöpfe machen (flechten) sollte, das übersahe mir meine Rittmeisterin gern, dann sie wußte wohl, daß ichs nicht gelernet.

Wie ich nun mit meinen hinter sich gestreiften Ärmeln vom Wagen herabstieg, ward mein veramorierter und mit Liebesschröten geschoßner Hans durch meine weiße Arme so heftig inflammiert, daß er ihm nicht abbrechen konnte, mich zu küssen; und weil ich mich nicht sonderlich wehrete, vermochte es der Rittmeister, vor dessen Augen es geschahe, nicht zu erdulten, sondern sprang mit bloßem Degen aus dem Zelt, meinem armen Liebhaber einen Fang zu geben; aber er gieng durch und vergaß das Wiederkommen. Der Rittmeister aber sagte zu mir: »Du Bluthure! ich will dich lernen etc.« Mehrers konnte er vor Zorn nicht sagen, sondern schlug auf mich zu, als wann er unsinnig gewesen wäre. Ich fienge an zu schreien; darum mußte er aufhören, [153] damit er keinen Alarm erregte; dann die beide Armeen, die sächsische und kaiserliche, lagen damals gegeneinander, weil sich die schwedische unter dem Banier näherte.

Das 26. Kapitel
Das sechsundzwanzigste Kapitel.
Simplex wird als ein Verräter gefangen,
Muß als ein Zaubrer in Fesselen prangen.

Als es nun Tag worden, gab mich mein Herr den Reuterjungen preis, eben als beide Armeen völlig aufbrachen; das war nun ein Schwarm von Lumpengesind, und dahero die Hatze desto größer und erschrecklicher, die ich auszustehen hatte. Sie eileten mit mir einem Busche zu, ihre viehische Begierden desto besser zu sättigen, wie dann die Teufelskinder im Brauch haben, wann ihnen ein Weibsbild dergestalt übergeben wird. So folgeten ihnen auch sonst viel Bursche nach, die dem elenden Spaß zusahen, unter welchen mein Hans auch war. Dieser ließ mich nicht aus den Augen, und als er sahe, daß es mir gelten sollte, wollte er mich mit Gewalt erretten, und sollte es seinen Kopf kosten. Er bekam Beiständer, weil er sagte, daß ich seine versprochne Braut wäre. Diese trugen Mitleiden mit mir und ihm und begehrten, ihm Hülfe zu leisten. Solches war aber den Jungen, die besser Recht zu mir zu haben vermeineten und eine so gute Beute nicht aus den Händen lassen wollten, allerdings ungelegen; derowegen gedachten sie, Gewalt mit Gewalt abzutreiben. Da fieng man an, Stöße auszuteilen von beiden Seiten her; der Zulauf und der Lärmen ward je länger je größer, also daß es schier einem Turnier gleichsahe, in welchem jeder um einer schönen Dame willen das Beste tut. Ihr schröcklich Geschrei lockte den Rumormeister herzu, welcher eben ankam, als sie mich hin und her zerreten, mir die Kleider vom Leib gerissen und gesehen hatten, daß ich kein Weibsbild war. Seine Gegenwart machte alles stockstill, weil er viel mehr geförchtet ward als der Teufel selbst; auch verstoben alle diejenige, die wider einander Hand ausgeleget hatten; er informierte sich der Sache kurz, und indem ich hoffte, er würde mich erretten aus allen meinen Nöten, nahm er mich dargegen gefangen, weil es ungewöhnliche und fast argwöhnische Sache war, daß sich ein Mannsbild bei einer Armee in Weiberkleidern sollte finden lassen. Dergestalt wanderten er und seine Bursch mit mir neben den Regimentern daher (welche alle im Feld stunden und [154] marschieren wollten), der Meinung, mich dem Generalauditor oder Generalgewaltiger zu überliefern. Da wir aber bei meines Obristen Regiment vorbeiwollten, wurde ich erkannt, angesprochen, schlechtlich durch meinen Obristen bekleidet und unserm alten Herrn Profosen gefänglich überliefert, welcher mich an Händen und Füßen an die Eisen schloß.

Es kam mich gewaltig sauer an, so in Ketten und Banden zu marschieren; so hätte mich auch der Schmalhans trefflich gequälet, wann mir der Secretarius Olivier nicht spendiert hätte; dann ich dorfte meine Dukaten, die ich noch bisher davonbracht hatte, nicht an des Tages Liecht kommen lassen, ich hätte dann solche miteinander verlieren und mich noch darzu in größere Gefahr stecken wollen. Gedachter Olivier kommunizierte mir noch denselbigen Abend, warum ich so hart gefangen gehalten würde, und unser Regimentsschultheiß bekam gleich Befelch, mich zu examinieren, damit meine Aussage dem Generalauditor desto ehender zugestellet werden möchte; dann man hielt mich nicht allein vor einen Kundschafter und Spionen, sondern auch gar vor einen, der hexen könnte, dieweil man kurz hernach, als ich von meinem Obristen ausgetretten, einige Zauberinnen verbrannt, die bekannt hatten und darauf gestorben wären, daß sie mich auch bei ihrer Generalzusammenkunft gesehen hätten, da sie beieinander gewesen, die Elbe auszutrücknen, damit Magdeburg desto eher eingenommen werden könnte. Die Punkten, darauf ich Antwort geben sollte, waren diese:

Erstlich, ob ich nicht studiert hätte oder aufs wenigste Schreibens und Lesens erfahren wäre.

Zweitens, warum ich mich in Gestalt eines Narrn dem Läger vor Magdeburg genähert, da ich doch in des Rittmeisters Diensten sowohl als jetzt witzig genug sei.

Drittens, aus was Ursachen ich mich in Weiberkleider verstellet.

Viertens, ob ich mich nicht auch neben andern Unholden auf dem Hexentanz befunden.

Fünftens, wo mein Vatterland und wer meine Eltern gewesen sein.

Sechstens, wo ich mich aufgehalten, ehe ich in das Läger vor Magdeburg kommen.

Siebendens, wo und zu was End ich die Weiberarbeit, als wäschen, backen, kochen etc. gelernet; item das Lautenschlagen.

Hierauf wollte ich mein ganzes Leben erzählen, damit die Umstände meiner seltsamen Begegnüssen alles recht erläutern und diese Fragen mit der Wahrheit fein verständiglich unterscheiden könnten. Der Regimentsschultheiß war aber nicht so [155] kurios, sondern vom Marschieren müd und verdrossen; derowegen begehrte er nur eine kurze runde Antwort auf das, was gefragt würde. Demnach antwortete ich folgendergestalt, daraus man nichts Eigentliches und Gründliches fassen konnte, und zwar

auf die erste Frage: Ich hätte zwar nicht studiert, könnte aber doch Teutsch lesen und schreiben;

auf die zweite: Weil ich kein ander Kleid gehabt, hätte ich wohl im Narrnkleid aufziehen müssen;

auf die dritte: Weil ich meines Narrnkleids müd gewesen und keine Mannskleider haben können;

auf die vierte: Ja, ich sei aber wider meinen Willen hingefahren, könnte aber gleichwohl nicht zaubern;

auf die fünfte: Mein Vatterland sei der Spessert und meine Eltern Bauersleute;

auf die sechste: Zu Hanau bei dem Gubernator und bei einem Kroatenobrist, Corpes genannt;

auf die siebende: Bei den Kroaten habe ich wäschen, backen und kochen wider meinen Willen müssen lernen, zu Hanau aber das Lautenschlagen, weil ich Lust darzu hatte.

Wie diese meine Aussage geschrieben war, sagte er: »Wie kannst du leugnen und sagen, daß du nicht studiert habest, da du doch, als man dich noch vor einen Narrn hielt, einem Priester unter währender Messe auf die Worte Domine, non sum dignus auch in Latein geantwortet, er dörfte solches nicht sagen, man wisse es zuvor wohl.« – »Herr!« antwortete ich, »das haben mich damals andere Leute gelernet und mich überredet, es sei ein Gebet, das man bei der Messe sprechen müßte, wann unser Kaplan den Gottesdienst verrichte.« – »Ja, ja,« sagte der Regimentsschultheiß, »ich sehe dich vor den Rechten an, dem man die Zunge mit der Folter lösen muß.« Ich gedachte: »So helfe Gott, wanns deinem närrischen Kopf nach gehet.«

Am andern Morgen früh kam Befehl vom Generalauditor an unsern Profos, daß er mich wohl in acht nehmen sollte, dann er war gesinnt, sobald die Armeen still lägen, mich selbst zu examinieren, aus welchen Fall ich ohn Zweifel an die Folter gemüßt, wann es Gott nicht anderst gefügt hätte. In dieser Gefangenschaft dachte ich stetigs an meinen Pfarrer zu Hanau und an den verstorbenen alten Herzbruder, weil sie beide wahrgesaget, wie mirs ergehen würde, wann ich wieder aus meinem Narrnkleid käme. Ich betrachtete auch, wie schwer und unmöglich es hergehe, wann ein armes Mägdlein seine Jungferschaft im Krieg unverletzt durchbringen und erhalten sollte.

[156]
Das 27. Kapitel
Das siebenundzwanzigste Kapitel.
Simplex bei Wittstock selbst sieht in der Schlacht,
Wie es Herzbruder dem Profosen macht.

Denselben Abend, als wir uns kaum gelägert hatten, ward ich zum Generalauditor geführet; der hatte meine Aussage samt einem Schreibzeug vor sich und fieng an, mich besser zu examinieren; ich hingegen erzählte meine Händel, wie sie an sich selbst waren. Es ward mir aber nicht geglaubt, und konnte der Generalauditor nicht wissen, ob er einen Narrn oder ausgestochenen Böswicht vor sich hatte, weil Frage und Antwort so artlich fiel und der Handel an sich selbst seltsam war. Er hieß mich eine Feder nehmen und schreiben, zu sehen, was ich könnte und ob etwan meine Handschrift bekannt oder doch so beschaffen wäre, daß man etwas daraus abnehmen möchte. Ich ergriff Feder und Papier so geschicklich als einer, der sich täglich damit übte, und fragte, was ich schreiben sollte. Der Generalauditor (welcher vielleicht unwillig war, weil sich mein Examen tief in die Nacht hinein verzog,) antwortete: »Hei! schreib: Deine Mutter, die Hure!« Ich satzte ihm diese Wort dahin, und da sie gelesen wurden, machten sie meinen Handel nur desto schlimmer; dann der Generalauditor sagte, jetzt glaube er erst, daß ich ein rechter Vogel sei. Er fragte den Profos, ob man mich visitiert und ob man nichts Argwöhnliches von Schriften bei mir funden hätte. Der Profos antwortete: »Nein! was sollte man an ihm visitieren, weil ihn der Rumormeister gleichsam nackend zu uns gebracht!« Aber ach! das half nichts; der Profos mußte mich in Gegenwart ihrer aller besuchen, und indem er solches mit Fleiß verrichtet, findet er, o Unglück! meine beide Eselsohren mit den Dukaten um meine Arme herumgemacht. Da hieß es: »Was dörfen wir ferner Zeugnus? Dieser Verräter hat ohn Zweifel ein groß Schelmstück zu verrichten auf sich genommen; dann warum sollte sich sonst ein Gescheider in ein Narrenkleid stecken oder ein Mannsbild in ein Weiberkleid verstellen? Warum vermeint man wohl, zu was End er sonst mit einem so ansehnlichen Stück Geld versehen sei, als etwas Großes zu verrichten? Saget er nicht selbst, er habe bei dem Gubernator zu Hanau, den allerverschlagnesten Soldaten in der Welt, lernen auf der Lauten schlagen? Was vermeinet ihr Herren wohl, was er sonst bei denselben Spitzköpfen vor listige Praktiken ins Werk zu setzen begriffen habe? Der nächste Weg ist, daß man morgen mit ihm auf die Folter und, wie ers wird verdient haben, dem Feuer zueile, maßen er [157] sich ohn das bei den Zauberern befunden und nichts Bessers wert ist.« Wie mir damals zumut gewesen, kann sich jeder leicht einbilden; ich wußte mich zwar unschuldig und hatte ein starkes Vertrauen zu Gott; aber dannoch sahe ich meine Gefahr und bejammerte den Verlust meiner schönen Dukaten, welche der Generalauditor zu sich steckte.

Aber ehe man diesen strengen Prozeß mit mir ins Werk satzte, gerieten die Banierische den Unserigen in die Haare; gleich anfänglich kämpften die Armeen um den Vorteil und gleich darauf um das schwere Geschütz, dessen die Unserige stracks verlustigt wurden. Unser sauberer und so schöne Hund machende Profos hielt zwar ziemlich weit mit seinen Leuten und den Gefangenen hinter der Batallia; gleichwohl aber waren wir unsrer Brigade so nahe, daß wir jeden von hinterwärts an den Kleidern erkennen konnten; und als eine schwedische Eskadron auf die unserige traf, waren wir sowohl als die Fechtende in Todsgefahr; dann in einem Augenblick flog die Luft so häufig voller singenden Kugeln über uns her, daß es das Ansehen hatte, als ob die Salve uns zu Gefallen wäre gegeben worden. Davon duckten sich die Forchtsame, als ob sie sich in sich selbst hätten verbergen wollen; diejenige aber, so Courage hatten und mehr bei dergleichen Scherz gewesen, ließen solche unverblichen über sich hinstreichen. Im Treffen selbst aber suchte ein jeder seinem Tod mit Niedermachung des Nächsten, der ihm aufstieß, vorzukommen. Das greuliche Schießen, das Gekläpper der Harnische, das Krachen der Piken und das Geschrei beides, der Verwundten und Angreifenden, machten neben den Trompeten, Trommeln und Pfeifen eine erschreckliche Musik! Da sahe man nichts als einen dicken Rauch und Staub, welcher schien, als wollte er die Abscheulichkeit der Verwundten und Toden bedecken. In demselbigen hörete man ein jämmerliches Wehklagen der Sterbenden und ein lustiges Geschrei derjenigen, die noch voller Mut staken; die Pferde selbst hatten das Ansehen, als wann sie zu Verteidigung ihrer Herren je länger je frischer würden, so hitzig erzeigten sie sich in dieser Schuldigkeit, welche sie zu leisten genötiget waren. Deren sahe man etliche unter ihren Herrn tot darniederfallen, voller Wunden, welche sie unverschuldterweise zu Vergeltung ihrer getreuen Dienste empfangen hatten; andere fielen um gleicher Ursache willen auf ihre Reuter und hatten also in ihrem Tod die Ehre, daß sie von denjenigen getragen wurden, welche sie in währendem Leben tragen müssen. Wiederum andere, nachdem sie ihrer herzhaften Last, die sie kommandiert hatte, entladen worden, [158] verließen die Menschen in ihrer Wut und Raserei, rissen aus und suchten im weiten Feld ihre erste Freiheit. Die Erde, deren Gewohnheit ist, die Toten zu bedecken, war damals an selbigem Ort selbst mit Toten überstreut, welche auf unterschiedliche Manier gezeichnet waren. Köpf lagen dorten, welche ihre natürliche Herrn verloren hatten, und hingegen Leiber, die ihrer Köpfe mangleten; etliche hatten grausam- und jämmerlicherweise das Ingeweid heraus, und andern war der Kopf zerschmettert und das Hirn zerspritzt. Da sahe man, wie die entseelte Leiber ihres eigenen Geblüts beraubet und hingegen die Lebendige mit frembdem Blut beflossen waren. Da lagen abgeschossene Arme, an welchen sich die Finger noch regten, gleichsam als ob sie wieder mit in das Gedräng wollten; hingegen rissen Kerles aus, die noch keinen Tropfen Bluts vergossen hatten. Dort lagen abgelöste Schenkel, welche, obwohl sie der Bürde ihres Körpers entladen, dannoch viel schwerer waren worden, als sie zuvor gewesen. Da sahe man zerstümmelte Soldaten um Beförderung ihres Tods bitten, ohnangesehen sie dem gewissen Tod nahe genug waren; hingegen fanden sich andere, die um Quartier und Verschonung ihres Lebens baten. Summa Summarum, das war nichts anders als ein elender, jämmerlicher Anblick! Die schwedische Sieger trieben unsere Überwundene von der Stelle, darauf sie so unglücklich gefochten, nachdem sie solche zuvor zertrennt hatten, sie mit ihrer schnellen Verfolgung vollends zerstreuende, bei welcher Bewandnus mein Herr Profos mit seinen Gefangenen auch nach der Flucht griff, wiewohl wir mit einziger Gegenwehr um die Überwinder keine Feindseligkeit verdienet hatten; und indem der Profos uns mit dem Tod bedrohete und also nötigte, samt ihm durchzugehen, jagte der junge Herzbruder daher mit noch fünf Pferden und grüßte ihn mit einer Pistoln: »Sehe da, du alter Hund!« sagte er, »ist es noch Zeit, junge Hündlein zu machen? Ich will dir deine Mühe bezahlen!« Aber der Schuß beschädigte den Profos so wenig als einen stählernen Amboß: »Oho, bist du der Haar?« sagte Herzbruder, »ich will dir nicht vergeblich zu Gefallen herkommen sein; du Hundsmacher mußt sterben, und wäre dir gleich die Seele angewachsen!« nötigte darauf einen Musketierer von des Profosen bei sich gehabter Wache, daß er ihn, dafern er anderst selbst Quartier haben wollte, mit einer Axt zu Tod schlug. Also bekam der Profos seinen Lohn; ich aber ward vom Herzbruder erkannt, welcher mich meiner Ketten und Bande entledigen, auf sein Pferd setzen und durch seinen Knecht in Sicherheit führen ließ.

[159]
Das 28. Kapitel
Das achtundzwanzigste Kapitel.
Simplex vermeldet, wie Herzbruder wird,
Als er obsieget, gefangen geführt.

Gleichwie mich nun meines Erretters Knecht aus fernerer Gefahr führete, also ließ sich sein Herr hingegen erst durch Begierde der Ehre und Beute recht hineintreiben, allermaßen er sich so weit verhauen, daß er gefangen ward. Demnach die sieghafte Überwinder die Beuten teilten und ihre Toden begruben, mein Herzbruder aber manglete, erbte dessen Rittmeister mich mitsamt seinem Knecht und Pferden, bei welchem ich mich vor einen Reuterjungen mußte gebrauchen lassen, wovor ich nichts hatte als diese Promessen, wann ich mich wohlhielte und ein wenig besser meiner Jugend entgienge, daß er mich alsdann aufsetzen, das ist, zu einem Reuter machen wollte, womit ich mich dann also dahin gedulten mußte.

Gleich hernach ward mein Rittmeister zum Obr. Leutenant vorgestellet; ich aber bekam das Amt bei ihm, welches David vor alten Zeiten bei dem König Saul vertretten; dann in den Quartieren schlug ich auf der Laute, und im Marschieren mußte ich ihm seinen Küriß nachführen, welches mir eine beschwerliche Sache war. Und obzwar die Waffen, ihren Träger vor feindlichen Püffen zu beschützen, erfunden worden, so befand ich jedoch allerdings das Widerspiel, weil mich meine eigene Jungen, die ich ausheckte, unter ihrem Schutz desto sicherer verfolgten. Darunter hatten sie ihren freien Paß, Spaß und Tummelplatz, so daß es das Ansehen hatte, als ob ich den Harnisch ihnen und nicht mir zur Beschützung antrüge, sintemal ich mit meinen Armen nicht darunterkommen und keinen Streif unter sie tun konnte. Der Soldaten Tageweis reimte sich damal trefflich auf mich, welche also lautete:


Jetzund will ich von Herzen singen eine Tageweis,
Uf meiner linken Achsel, da gehen bei 1000 Läus,
Und auf der rechten noch viel mehr,
Dahinden auf dem Buckel, da steht das ganze Heer.

Ich war auf allerhand Stratagemata bedacht, wie ich diese Armada vertilgen möchte; aber ich hatte weder Zeit noch Gelegenheit, sie durchs Feur (wie in den Backöfen geschiehet), noch durchs Wasser oder durch Gift (maßen ich wohl wußte, was das Quecksilber vermochte) auszurotten; viel weniger vermochte ich die Mittel, sie durch ein ander Kleid oder weiße Hemder abzuschaffen, [160] sondern mußte mich mit ihnen schleppen und Leib und Blut zum besten geben. Wann sie mich dann so unter dem Harnisch plagten und nagten, so wischte ich mit einer Pistoln heraus, als ob ich hätte Kugeln mit ihnen wechseln wollen, nahm aber nur den Ladstecken und stieß sie damit von der Kost. Endlich erfand ich diese Kunst, daß ich einen Pelzfleck darum wickelte und ein artlich Klebgarn vor sie zurichtete; wann ich dann mit diesem Lausangel unter den Harnisch fuhr, fischte ich sie duzetweis aus ihrem Vortel, unter welchen ich manchen fetten Prinzen gefangen bekam, welche ich wie die geringe traktierte und die Häls über das Pferd abstürzte; es mochte aber wenig erklecken.

Einsmals ward mein Obristleutenant kommandieret, eine Cavalcada mit einer starken Partei in Westfalen zu tun, und wäre er damals so stark an Reutern gewesen als ich an Läusen, so hätte er die ganze Welt erschreckt; weil solches aber nicht war, mußte er behutsam gehen, auch solcher Ursachen halber sich in der Gemmer Mark, das ist ein so genannter Wald zwischen Hamm und Soest, heimlich halten. Damals war es mit den Meinigen aufs höchste kommen; sie quäleten mich so hart mit Minieren, daß ich sorgte, sie möchten sich gar zwischen Fell und Fleisch hineinlogieren. Kein Wunder ist es, daß die Brasilianer ihre Läuse aus Zorn und Rachgier fressen, weil sie einen so drängen! Einmal ich getraute, meine Pein nicht länger zu gedulten, sondern gieng, als teils Reuter fütterten, teils schliefen und teils Schildwacht hielten, ein wenigs beiseits unter einen Baum, meinen Feinden eine Schlacht zu liefern. Zu solchem Ende zog ich den Harnisch aus, unangesehen andere denselben anziehen, wann sie fechten wollen, und fieng ein solches Würgen und Morden an, daß mir gleich beide Schwerder an den Daumen von Blut troffen und voller toten Körper oder vielmehr Bälge hiengen; welche ich aber nicht umbringen mochte, die verwies ich ins Elend und ließ sie unter dem Baum herumspazieren. Ich denke an das zweite Gesetzel der Tagweis; das hab ich folgender Gestalt hören singen:


Da ich anfieng zu schlachten, die Nägel wurden rot,
Sprach ein Laus zu der andern: »O wie ein bittrer Tod!
O daß er nicht herkommen wär!
So wär unmolestiert unser hochbetrübtes Heer.«

So oft mir diese Renkontre zu Gedächtnus kommt, beißt mich die Haut noch allenthalben, natürlich, als ob ich noch mitten in der Schlacht begriffen wäre. Ich dachte zwar, ich sollte nicht so [161] wider mein eigen Geblüt wüten wie Herodes, vornehmlich wider so getreue Diener, die sich mit einem hängen und radbrechen ließen, und auf deren Menge ich oft im freien Feld auf harter Erde sanft gelegen wäre. Aber ich fuhr doch in meiner Tyrannei so unbarmherzig fort, daß ich auch nicht gewahr ward, wie die Kaiserlichen meinen Obristenleutenant chargierten, bis sie endlich auch an mich kamen, die arme Läus entsetzten und mich selbst gefangennahmen; dann diese scheueten meine Mannheit gar nicht, vermittelst deren ich kurz zuvor viel tausend erlegt und den Titul eines Schneiders (sieben auf einen Streich) überstiegen hatte. Mich kriegte ein Dragoner, und die beste Beute, die er von mir hatte, war meines Obristenleutenants Küriß, welchen er zu Soest, da er im Quartier lag, dem Kommandanten ziemlich wohl verkaufte. Also ward er im Krieg mein sechster Herr, weil ich sein Jung sein mußte.

Das 29. Kapitel
Das neunundzwanzigste Kapitel.
Simplex erzählet, wie einem Soldaten
Alles im Paradies trefflich geraten.

Unsere Wirtin, wollte sie nicht, daß ich sie und ihr ganzes Haus mit meinen Völkern besetzte, so mußte sie mich auch davon entledigen; sie machte ihnen den Prozeß kurz und gut, steckte meine Lumpen in Backofen und brannte sie so sauber aus wie eine alte Tabakpfeife, also daß ich wieder dies Unziefers halber wie in einem Rosengarten lebte; ja es kann niemand glauben, wie mir so wohl war, daß ich aus dieser Qual war, in welcher ich etliche Monat wie in einem Ameishaufen gesessen. Hingegen hatte ich gleich ein ander Kreuz auf dem Hals, weil mein Herr einer von denjenigen Soldaten war, die in Himmel zu kommen getrauen; er ließ sich glatt an seinem Sold genügen und betrübte im übrigen kein Kind; seine ganze Prosperität bestund in dem, was er mit Wachen verdienete und von seiner wochentlichen Lehnung erkargete. Solches, wiewohl es wenig war, hub er höher auf als mancher die orientalische Perlen; einen jeden Blomeiser nähete er in seine Kleider, und damit er deren einzige in Vorrat kriegen möchte, mußte ich und sein armes Pferd daran sparen helfen. Davon kams, daß ich den treugen Pumpernickel gewaltig beißen und mich mit Wasser, oder wanns wohl gieng, mit dünn Bier behelfen mußte, welches mir eine abgeschmackte Sache war, maßen mir meine Kehle von [162] dem schwarzen truckenen Brot ganz rauh, und mein ganzer Leib ganz mager ward. Wollte ich aber besser fressen, so mochte ich stehlen, aber mit ausdrücklicher Bescheidenheit, daß er nichts davon inwürde. Seinethalben hätte man weder Galgen, Esel, Henker, Steckenknechte noch Feldscherer bedörft, auch keine Marketender noch Trommelschlager, die den Zapfenstreich getan hätten, dann sein ganzes Tun war fern von Fressen, Saufen, Spielen und allen Duellen. Wann er aber irgendshin auf Konvoi, Partei oder sonst einen Anschlag kommandieret ward, so schlenderte er mit dahin wie ein alt Weib am Stecken. Ich glaube auch gänzlich, wann dieser gute Dragoner solche heroische Soldatentugenden nicht an sich gehabt, daß er mich auch nicht gefangen bekommen hätte; dann er hätte mich lausigen Jungen ja nicht geachtet, sondern wäre meinem Obristleutenant nachgerennt. Ich hatte mich keines Kleides bei ihm zu getrösten, weil er selbst über und über zerflickt dahergieng, gleichsam wie mein Einsiedel. So war sein Sattel und Zeug auch kaum drei Batzen wert und das Pferd von Hunger so hinfällig, daß sich weder Schwede noch Hesse vor seinem dauerhaften Nachjagen zu förchten hatte.

Solches alles bewegte seinen Hauptmann, ihn ins Paradeis, ein so genanntes Frauenkloster, auf Salvaguardi zu legen, nicht zwar, als wäre er viel nutz darzu gewesen, sondern damit er sich begrasen und wieder mondieren sollte, vornehmlich aber auch, weil die Nonnen um einen frommen, gewissenhaften und stillen Kerl gebeten hatten. Also ritt er dahin, und ich gieng mit, weil er leider nur ein Pferd hatte. »Potz Glück! Simprecht« (dann er konnte den Namen Simplicius nicht behalten), sagte er unterwegs, »kommen wir in das Paradeis, wie wollen wir fressen!« Ich antwortete: »Der Name ist ein gut Omen. Gott gebe, daß der Ort auch so beschaffen sei!« – »Freilich,« sagte er (dann er verstand mich nicht recht), »wann wir alle Tage zwei Ohmen von dem besten Vier saufen könnten, so wirds uns nicht abgeschlagen. Halt dich nur wohl, ich will mir jetzt bald einen braven neuen Mantel machen lassen, alsdann hast du den alten, das gibet dir noch einen guten Rock.« Er nannte ihn recht den alten, dann ich glaube, daß ihm die Schlacht vor Pavia noch gedachte, so gar wetterfärbig und abgeschaben sahe er aus, also daß er mich wenig damit erfreuete.

Das Paradeis fanden wir, wie wirs begehrten und noch darüber; anstatt der Engel schöne Jungfern darin, welche uns mit Speise und Trank also traktierten, daß ich in Kürze wieder einen glatten Balg bekam; dann da satzte es das fetteste Bier, die beste westfälische Schinken und Knackwürste, wohlgeschmack [163] und sehr delikat Rindfleisch, das man aus dem Salzwasser kochte und kalt zu essen pflegte. Da lernete ich das schwarze Brod fingersdick mit gesalzener Butter schmieren und mit Käs belegen, damit es desto besser rutschte; und wann ich so über einen Hammelskolben kam, der mit Knoblauch gespickt war, und eine gute Kanne Bier darneben stehen hatte, so erquickte ich Leib und Seele und vergaß all meines ausgestandenen Leides. Kurzab, dies Paradeis schlug mir so wohl zu, als ob es das rechte gewesen wäre; kein ander Anliegen hatte ich, als daß ich wußte, daß es nicht ewig währen würde und daß ich so zerlumpt, zersetzt und zerlappet einhergehen mußte.

Aber gleichwie mich das Unglück haufenweis überfiel, da es anfieng, mich hiebevor zu reiten, also bedunkte mich auch jetzt, das Glück wollte es wieder wett spielen. Dann als mich mein Herr nach Soest schickte, seine Bagage vollends zu holen, fand ich unterwegs einen Pack und in demselbigen etliche Ehlen Scharlach zu einem Mantel samt rotem Sammet zum Futter. Das nahm ich mit und vertauschte es zu Soest mit einem Tuchhändler um gemein grünwüllen Tuch zu einem Kleid samt der Ausstaffierung mit dem Geding, daß er mir solches Kleid auch machen lassen und noch darzu einen neuen Hut aufgeben sollte. Und demnach mir nur noch ein Paar neuer Schuhe und ein Hemd abgieng, gab ich dem Krämer die silberne Knöpfe und Galaunen auch, die zu dem Mantel gehörten, wovor er mir dann schaffte, was ich noch brauchte, und mich also nagelneu herausbutzte. Also kehrete ich wieder ins Paradeis zu meinem Herrn, welcher gewaltig kollerte, daß ich ihm den Fund nicht gebracht hatte; ja, er sagte mir vom Brügeln und hätte ein geringes genommen (wann er sich nicht geschämt und ihm das Kleid gerecht gewesen wäre), mich auszuziehen und das Kleid selbst zu tragen, wiewohl ich mir eingebildet, gar wohl gehandelt zu haben.

Indessen mußte sich der karge Filz und Nagenranft schämen, daß sein Junge besser gekleidet war als er selbsten; derowegen ritt er nach Soest, borgte Geld von seinem Hauptmann und mondierte sich damit aufs beste mit Versprechen, solches von seinen wochentlichen Salvaguardigeldern wiederzuerstatten, welches er auch fleißig tät. Er hätte zwar selbsten noch wohl so viel Mittel gehabt; er war aber viel zu schlau, sich anzugreifen; dann hätte ers getan, so wäre ihm die Bärnhaut entgangen, auf welcher er denselbigen Winter im Paradeis liegen konnte, und wäre ein ander nackender Kerl an seine Statt gesetzt worden. Mit der Weise aber mußte ihn der Hauptmann wohl liegen [164] lassen, wollte er anders sein ausgeliehen Geld wiederhaben. Von dieser Zeit an hatten wir das allerfäuleste Leben von der Welt, in welchem Keglen unser allergrößte Arbeit war. Wann ich meines Dragoners Klepper gestriegelt, gefüttert und getränkt hatte, so trieb ich das Junkernhandwerk und lustwandelte. Das Kloster war auch von den Hessen, unserm Gegenteil, von der Lippstadt aus mit einem Musketier salvaguardiert; derselbe war seines Handwerks ein Kürschner und dahero nicht allein ein Meistersänger, sondern auch ein trefflicher Fechter; und damit er seine Kunst nicht vergäße, übte er sich täglich mit mir vor die Langeweile in allen Gewehren, wovon ich so fix ward, daß ich mich nicht scheuete, ihm Bescheid zu tun, wann er wollte. Mein Dragoner aber kegelte anstatt des Fechtens mit ihm, und zwar um nichts anders, als wer über Tisch das meiste Bier aussaufen mußte: damit gieng eines jeden Verlust übers Kloster.

Das Stift vermochte eine eigne Wildbahne und hielt dahero auch einen eigenen Jäger; und weil ich auch grün gekleidet war, gesellete ich mich zu ihm und lernete ihm denselben Herbst und Winter alle seine Künste ab, sonderlich was das kleine Waidwerk anbelanget. Solcher Ursachen halber und weil der Name Simplicius etwas ungewöhnlich und den gemeinen Leuten vergeßlich oder sonst schwer auszusprechen war, nannte mich jedermann »dat Jäjerken«. Darbei wurden mir alle Wege und Stege bekannt, welches ich mir hernach trefflich zunutz machte. Wann ich aber wegen üblen Wetters in Wäldern und Feldern nicht herum konnte schwärmen, so las ich allerhand Bücher, die mir des Klosters Verwalter liehe. Sobald aber die adeliche Klosterfrauen gewahr wurden, daß ich neben meiner guten Stimme auch auf der Laute und etwas wenigs auf dem Instrument schlagen konnte, ermaßen sie auch mein übriges Tun desto genauer, und weil eine ziemliche Leibsproportion und schönes Angesicht darzukam, hielten sie alle meine Sitten, Wesen, Tun und Lassen vor adelig und einer liebwerten Person sehr anständig. Dergestalt nun mußte ich unversehens ein sehr beliebter Junker sein, über welchem man sich verwunderte, daß er sich bei einem so liederlichen Dragoner behülfe.

Als ich nun solchergestalt denselben Winter in aller Wollust hingebracht hatte, ward mein Herr abgelöst, welches ihm auf das gute Leben so and tät, daß er darüber erkrankte; und weil auch ein starkes Fieber dazuschlug, zumalen auch die alte Mucken, die er sein Lebtag im Krieg aufgefangen, darzukamen, machte ers kurz, allermaßen ich in drei Wochen hernach etwas zu begraben hatte. Ich machte ihm diese Grabschrift:


[165]
Der Schmalhans lieget hier, ein tapferer Soldat,
Der all sein Lebetag kein Blut vergossen hat.

Von Rechts und Gewohnheit wegen hätte der Hauptmann Pferd und Gewehr, der Führer aber die übrige Verlassenschaft zu sich nehmen und erben sollen; weil ich aber damals ein frischer aufgeschossener Jüngling war und Hoffnung gab, ich würde mit der Zeit meinen Mann nicht förchten, ward mir alles zu überlassen angeboten, wann ich mich anstatt meines verstorbenen Herrn unterhalten lassen wollte. Ich nahms um soviel desto lieber an, weil mir bekannt, daß mein Herr in seinen alten Hosen eine ziemliche Anzahl Dukaten eingenähet verlassen, an welchen er sein Lebtag zusammengekratzt hatte; und als ich zu solchem Ende meinen Namen, nämlich Simplicius Simplicissimus, angab, der Musterschreiber (welcher Cyriacus genannt war) solchen aber nicht orthographice schreiben konnte, sagte er: »Es ist kein Teufel in der Hölle, der also heißt!« Und weil ich ihn hierauf geschwind fragte, ob dann einer in der Hölle wäre, der Cyriacus hieße, er aber nichts zu antworten wußte, obschon er sich klug zu sein dünkte, gefiel solches meinem Hauptmann so wohl, daß er gleich im Anfang viel von mir hielt und ihme gute Hoffnung von meinen künftigen Kriegstaten machte.

Das 30. Kapitel
Das dreißigste Kapitel.
Simplex heißt Jäger und wird ein Soldat,
Weist, was zu merken ein solcher wohl hat.

Weil dem Kommandanten in Soest ein Kerl im Stall mangelte, wie ich ihn einer zu sein gedünkte, sahe er nicht gern, daß ich ein Soldat worden war, sondern unterstund sich, mich noch zu bekommen, maßen er meine Jugend vorwandte und mich vor keinen Mann passieren lassen wollte. Und als er solches meinem Herrn vorhielt, schickte er auch nach mir und sagte: »Hör, Jägerchen, du sollt mein Diener werden.« Ich fragte, was dann meine Verrichtungen sein sollten? Er antwortete: »Du sollst meiner Pferde helfen warten.« – »Herr,« sagte ich, »wir sind nicht voreinander; ich hätte lieber einen Herrn, in dessen Diensten die Pferde auf mich warten; weil ich aber keinen solchen werde haben können, will ich ein Soldat bleiben.« Er sagte: »Dein Bart ist noch viel zu klein.« – »O nein!« sagte ich, »ich getraue einen Mann zu bestehen, [166] der achtzig Jahr alt ist; der Bart schlägt keinen Mann, sonst würden die Böcke hoch ästimieret werden.« Er sagte: »Wann die Courage so gut ist als das Maulleder, so will ich dich noch passieren lassen.« Ich antwortete: »Das kann in der nächsten Okkasion probiert werden«, und gab damit zu verstehen, daß ich mich vor keinen Stallknecht wollte gebrauchen lassen. Also ließ er mich bleiben, der ich war, und sagte, das Werk würde den Meister loben und in kurzem zu verstehen geben, ob ich dasjenige leisten werde, was ich mir einbilde.

Hierauf wischte ich hinter meines Dragoners alte Hosen her, und nachdem ich dieselbe anatomiert hatte, schaffte ich mir aus deren Eingeweid noch ein gut Soldatenpferd und das beste Gewehr, so ich kriegen konnte: das mußte mir alles glänzen wie ein Spiegel. Ich ließ mich wieder von neuem grün kleiden, weil mir der Name Jäger sehr beliebte; mein altes Kleid aber gab ich meinem Jungen, weil mirs zu klein worden. Also ritt ich selbander daher wie ein junger Edelmann und dünkte mich fürwahr keine Sau zu sein. Ich war so kühn, meinen Hut mit einem tollen Federbusch zu zieren wie ein Offizier; dahero bekam ich bald Neider und Mißgönner; zwischen denselben und mir satzte es ziemlich empfindliche Worte und endlich gar Ohrfeigen. Ich hatte aber kaum einem oder dreien gewiesen, was ich im Paradeis vom Kürschner gelernet hatte und daß ich Stöße auszuteilen gewohnt, wie man mir sie darzählte, da ließ mich nicht allein jedermann zufrieden, sondern es suchte auch ein jeglicher meine Freundschaft. Darneben ließ ich mich beides, zu Roß und Fuß, aufs Parteigehen gebrauchen, dann ich war wohlberitten und schneller auf den Füßen als einer meinesgleichen; und wann es etwas mit dem Feind zu tun gab, warf ich mich herfür wie das Böse in einer Wanne und wollte allzeit vorndran sein. Davon ward ich in kurzer Zeit bei Freunden und Feinden bekannt und so berühmt, daß beide Teile viel von mir hielten, allermaßen mir die gefährlichste Anschläge zu verrichten und zu solchem Ende ganze Parteien zu kommandieren anvertraut wurden. Da fieng ich an zuzugreifen wie ein Böhme, und wann ich etwas Namhaftes erschnappte, gab ich meinen Offizierern so reich Part davon, daß ich selbig Handwerk auch an verbotenen Orten treiben dorfte, weil mir überall durchgeholfen ward. Der General Graf von Götz hatte in Westfalen drei feindliche Garnisonen übriggelassen, nämlich zu Dorsten, Lippstadt und Koesfeld; denen war ich gewaltig molest, dann ich lag ihnen mit geringen Parteien bald hier, bald dort schier täglich vor den Toren und erhaschte manche [167] gute Beute; und weil ich überall glücklich durchkam, hielten die Leute von mir, ich könnte mich unsichtbar machen und wäre so fest wie Eisen und Stahl. Davon ward ich geförchtet wie die Pestilenz, und schämten sich 30 Mann vom Gegenteil nicht, vor mir durchzugehen, wann sie mich nur mit 15 in der Nähe wußten. Zuletzt kam es dahin, wo nur ein Ort in Kontribution zu setzen oder sonst mit Gefahr bei den saumseligen Kontribuenten militarisch zu exequieren war, daß ich solches alles verrichten mußte. Davon ward mein Beutel so groß als mein Name; meine Offizierer und Kameraden liebten ihren Jäger; die vornehmste Parteigänger vom Gegenteil entsatzten sich, und den Landmann hielt ich durch Forcht und Liebe auf meiner Seiten; dann ich wußte meine Widerwärtige zu strafen und die, so mir nur den geringsten Dienst täten, reichlich zu belohnen, allermaßen ich beinahe die Hälfte meiner Beuten wieder verspendierte und auf Kundschaften auslegte. Solcher Ursachen halber gieng keine Partei, keine Konvoi, noch keine Reis aus des Gegenteils Posten, deren Ausfahrt mir nicht zu wissen getan ward; alsdann konjekturierte ich ihr Vorhaben und machte meine Anschläge darauf, und weil ich solche mehrenteils durch Beistand des Glücks wohl ins Werk satzte, verwunderte sich jedweder über meine Jugend so gar, daß mich auch viel Offizierer und wackerer Soldaten vom Gegenteil nur zu sehen wünscheten. Darneben erzeigte ich mich gegen meine Gefangenen überaus diskret, also daß sie mich oft mehr kosteten, als meine Beuten wert waren; und wann ich einem vom Gegenteil, sonderlich den Offizierern, obschon ich sie nicht kannte, ohn Verletzung meiner Pflicht und Herrendienste eine Courtoisie tun konnte, unterließ ichs nicht.

Durch solch mein Verhalten wäre ich zeitlich zu Offizien befördert worden, wann meine Jugend es nicht verhindert hätte; dann welcher in solchem Alter, als ich trug, ein Fähnlein haben wollte, mußte ein guter von Adel sein; zudem konnte mich mein Hauptmann nicht befördern, weil keine ledige Stellen bei seiner Kompagnie waren, und keinem andern mochte er mich gönnen, weil er an mir mehr als eine melkende Kuhe verloren hätte; doch ward ich ein Gefreiter. Diese Ehre, daß ich alten Soldaten vorzogen ward, wiewohl es eine geringe Sache war, und das Lob, das man mir täglich verliehe, waren gleichsam wie Sporn, die mich zu höhern Dingen antrieben. Ich spekulierte Tag und Nacht, wie ich etwas anstellen möchte, mich noch größer, namhaftiger und verwunderlicher zu machen; ja ich konnte vor solchem närrischen Nachsinnen oft nicht schlafen. Und weil ich sahe, daß es mir an Gelegenheit manglete, im Werk zu erweisen, [168] was ich vor einen Mut trüge, bekümmerte ich mich, daß ich nicht täglich Gelegenheit haben sollte, mich mit dem Gegenteil in Waffen zu üben. Ich wünschte mir oft den Trojanischen Krieg oder eine Belägerung wie zu Ostende, und ich Narr gedachte nicht, daß der Krug so lang zum Brunnen gehet, bis er einmal zerbricht. Es gehet aber nicht anders, wann ein junger, unbesonnener Soldat Geld, Glück und Courage hat; dann da folget Übermut und Hoffart, und aus solcher Hoffart hielt ich anstatt eines Jungen zween Knechte, die ich trefflich herausstaffierte und beritten machte, womit ich mir aller Offizierer Neid aufbürdete, als welche mir mißgönneten, was sie selbst zu erobern das Herz nicht hatten.

Das 31. Kapitel
Das einunddreißigste Kapitel.
Simplex erzählt, wie der Teufel dem Pfaffen
Seinen Speck stiehlt und macht ihm viel zu schaffen.

Ich muß ein Stücklein oder etliche erzählen, die mir hin und wieder begegnet, eh ich wieder von meinen Dragonern kam; und obschon sie nicht von Importanz sein, sind sie doch lustig zu hören, dann ich nahm nicht allein große Dinge vor, sondern verschmähete auch die geringe nicht, wann ich nur mutmaßete, daß ich Ruhm und Verwunderung bei den Leuten dadurch erwecken möchte. Mein Hauptmann ward mit etlich und fünfzig Mann zu Fuß in das Vest von Recklinckhusen kommandiert, einen Anschlag daselbst zu verrichten; und weil wir gedachten, wir würden, eh wir solchen ins Werk setzen könnten, einen Tag oder etliche uns in den Büschen heimlich halten müssen, nahm jeder auf acht Tage Proviant zu sich. Demnach aber die reiche Caravana, deren wir aufpaßten, die bestimmte Zeit nicht ankam, gieng uns das Brod auf, welches wir nicht rauben dorften, wir hätten uns dann selbst verraten und unser Vorhaben zu nichts werden lassen wollen; dahero uns der Hunger gewaltig preßte. So hatte ich auch diesorts keine Kunden wie anderswo, die mir und den Meinigen etwas heimlich zutrugen; derowegen mußten wir, Fütterung zu bekommen, auf andere Mittel bedacht sein, wann wir anders nicht wieder lär heim wollten. Mein Kamerad, ein lateinischer Handwerksgesell, der erst kürzlich aus der Schule entloffen und sich unterhalten lassen, seufzete vergeblich nach den Gerstensuppen, die ihm hiebevor seine Eltern zum Besten verordnet, er aber verschmähet und verlassen hatte; und als er so an seine vorigen Speisen gedachte, [169] erinnerte er sich auch seines Schulsacks, bei welchem er solche genossen. »Ach Bruder!« sagte er zu mir, »ists nicht eine Schande, daß ich nicht so viel Künste erstudiert haben soll, vermittelst deren ich mich jetzund füttern könnte? Bruder! ich weiß revera, wann ich nur zum Pfaffen in jenes Dorf gehen dörfte, daß es ein trefflich Convivium bei ihm setzen sollte.« Ich überlief diese Worte ein wenig und ermaß unsern Zustand, und weil diejenige, so Wege und Stege wußten, nicht hinaus dörften, dann sie wären sonst erkannt worden, die Unbekannte aber keine Gelegenheit wußten, etwas heimlich zu stehlen oder zu kaufen, als machte ich meinen Anschlag auf unsern Studenten und hielt die Sache dem Hauptmann vor. Wiewohl nun dasselbige Gefahr auf sich hatte, so war doch sein Vertrauen so gut zu mir und unsere Sache so schlecht bestellet, daß er darein willigte und nach wenigem Tergiversieren den Konsens gab.

Ich verwechselte meine Kleider mit einem andern und zottelte mit meinem Studenten besagtem Dorf zu durch einen weiten Umschweif, wiewohl es nur eine halbe Stunde von uns lag. In demselben erkannten wir das nächste Haus bei der Kirche vor des Pfarrers Wohnung, weil es auf städtisch gebauet war und an einer Maur stund, die um den ganzen Pfarrhof gieng. Ich hatte meinen Kameraden schon instruiert, was er reden sollte, dann er hatte sein abgeschaben Studentenkleidlein noch an; ich aber gab mich vor einen Malergesellen aus; dann ich gedachte, ich würde dieselbe Kunst im Dorf nicht üben dörfen, weil die Bauren nicht bald gemalte Häuser haben. Der geistliche Herr war höflich; als ihm mein Gesell eine tiefe lateinische Reverenz gemachet und einen Haufen dahergelogen hatte, wasgestalt ihn die Soldaten auf der Reise geplündert und aller seiner Zehrung beraubt hätten, bot er ihm selbst ein Stück Butter und Brot neben einem Trunk Bier an; ich aber stellete mich, als ob ich nicht zu ihm gehörte und sagte, ich wollte im Wirtshaus etwas essen und ihm alsdann rufen, damit wir noch denselben Tag ein Stück Wegs hinter sich legen könnten. Also gieng ich dem Wirtshaus zu, mehr auszuspähen, was ich dieselbe Nacht holen wollte, als meinen Hunger zu stillen; hatte auch das Glück, daß ich unterwegs einen Baur antraf, der seinen Backofen zukleibte, welcher große Pumpernickel darin hatte, die 24 Stunden da sitzen und ausbacken sollten. Ich gedachte: »Klaib nur zu! wir wollen schon einen Weg als den andern einen Eingang zu diesem köstlichen Proviant finden.« Ich machte es beim Wirt kurz, weil ich schon wußte, wo Brot zu bekommen war, kaufte etliche Stutten (das ist ein so genanntes Weißbrot), solche meinem [170] Hauptmann zu bringen; und da ich in Pfarrhof kam, meinen Kameraden zu mahnen, daß er gehen sollte, hatte er sich auch schon gekröpft und dem Pfarrer gesagt, daß ich ein Maler sei und in Holland zu wandern vorhabens wäre, meine Kunst daselbsten vollends zu perfektionieren. Der Pfarrherr hieße mich sehr willkommen sein und bat mich, mit ihm in die Kirche zu gehen, da er mir etliche Stücke weisen wollte, die zu reparieren wären. Damit ich nun das Spiel nicht verderbte, mußte ich folgen. Er führete uns durch die Küchen, und als er das Nachtschloß an der starken eichenen Tür aufmachte, die auf den Kirchhof gieng, o mirum! da sahe ich, daß der schwarze Himmel auch schwarz voller Lauten, Flöten und Geigen hieng; ich vermeinet aber die Schinken, Knackwürste und Speckseiten, die sich im Kamin befanden. Diese blickte ich trostmütig an, weil mich bedünkte, als ob sie mit mir lachten, und wünschte sie, aber vergeblich, meinen Kameraden in Wald; dann sie waren so hartnäckig, daß sie mir zu Trotz hangen blieben. Da gedachte ich auf Mittel, wie ich sie obgedachtem Backofen voll Brod zugesellen möchte, konnte aber so leicht keines ersinnen, weil, wie obgemeldt, der Pfarrhof ummauret und alle Fenster mit eisernen Gittern genugsam verwahret waren; so lagen auch zween ungeheure große Hunde im Hof, welche, wie ich sorgte, bei Nacht gewißlich nicht schlafen würden, wann man dasjenige hätte stehlen wollen, daran ihnen auch zu Belohnung ihrer getreuen Hut zu nagen gebührete.

Wie wir nun in die Kirche kamen, von den Gemälden allerhand diskurierten und mir der Pfarrer etliche Stücke auszubessern verdingen wollte, ich aber allerhand Ausflüchte suchete und meine Wanderschaft vorwandte, sagte der Mesner oder Glöckner: »Du Kerl, ich sehe dich eh vor einen verloffenen Soldatenjungen an als vor einen Malergesellen.« Ich war solcher Reden nicht mehr gewohnt und sollte sie doch verschmerzen; doch schüttelte ich nur den Kopf ein wenig und antwortete ihm: »O du Kerl! gib mir nur geschwind Pensel und Farben her, so will ich dir in Hui einen Narrn dahergemalt haben, wie du einer bist, der dir in allem gleich und ähnlich sein soll.« Der Pfarrer machte ein Gelächter daraus und sagte zu uns beiden, es gezieme sich nicht, an einem so heiligen Ort einander wahrzusagen; gab damit zu verstehen, daß er uns beiden glaubte, ließ uns noch einen Trunk langen und also dahinziehen. Ich aber ließ mein Herz bei den Knackwürsten.

Wir kamen noch vor Nacht zu unsern Gesellen, da ich meine Kleider und Gewehr wieder nahm, dem Hauptmann meine Verrichtung erzählete und sechs gute Kerle auslase, die das Brod [171] heimtragen sollten helfen. Wir kamen um Mitternacht ins Dorf und huben in aller Stille das Brod aus dem Ofen, weil wir einen bei uns hatten, der die Hunde bannen konnte; und da wir bei dem Pfarrhof vorüber wollten, konnte ichs nicht übers Herz bringen, ohn Speck weiters zu passiern. Ich stund einmals stille und betrachtete mit Fleiß, ob nicht in des Pfaffen Küchen zu kommen sein möchte, sahe aber keinen andern Eingang als das Kamin, welches vor diesmal meine Tür sein mußte. Wir trugen Brod und Gewehr auf den Kirchhof ins Beinhaus und brachten ein Laiter und Sail aus einer Scheur zuwege, und weil ich so gut als ein Schornsteinfeger in den Kamin auf- und absteigen konnte (als welches ich von Jugend auf in den hohlen Bäumen gelernet hatte), stieg ich selbander aufs Dach, welches von hohlen Ziegeln doppelt belegt und zu meinem Vorhaben sehr bequem gebauet war. Ich wickelte meine lange Haare über dem Kopf auf einen Büschel zusammen, ließ mich mit einem End des Sails hinunter zu meinem geliebten Speck und besann mich daselbst nicht lang, sondern band einen Schinken nach dem andern und eine Speckseite nach der andern an das Seil, welches der auf dem Dach fein ordentlich zum Kamin hinausfischete und den andern in das Beinhäuslein zu tragen gab. Aber potz Unstern! da ich allerdings Feirabend gemacht hatte und wieder über sich wollte, brach eine Stange mit mir, also daß der arme Simplicius herunterfiele und der elende Jäger sich selbst wie in einer Mausfalle gefangen befand. Meine Kameraden auf dem Dach ließen das Seil herunter, mich wieder hinaufzuziehen, aber es zerbrach, ehe sie mich vom Boden brachten. Ich gedachte: »Nun Jäger, jetzt mußt du eine Hatze ausstehen, in welcher dir selbst wie dem Aktäon das Fell gewaltig zerrissen wird werden!« Dann der Pfarrer war von meinem Fall erwacht und befahl seiner Köchin alsbald ein Liecht anzuzünden. Sie kam im Hembd zu mir in die Küchen, hatte den Rock über der Achsel hangen und stund so nahe neben mich, daß sie mich damit rührete; sie griff nach einem Brand, hielt das Liecht daran und fieng an zu blasen; ich aber blies viel stärker zu als sie selbsten, davon das gute Mensch so erschrak, daß sie vor Ängsten zitterte und bebte, auch Feuer und Liecht fallen ließ und sich zu ihrem Herrn retirierte. Also bekam ich Luft, mich zu bedenken, durch was Mittel ich mir davonhelfen möchte; es wollte mir aber nichts einfallen. Meine Kameraden gaben mir durchs Kamin herunter zu verstehen, daß sie das Haus aufstoßen und mich mit Gewalt herausnehmen wollten; ich gabs ihnen aber nicht zu, sondern befahl, sie sollten ihr Gewehr in acht nehmen und allein den [172] Springinsfeld oben bei dem Kamin lassen und erwarten, ob ich ohn Lärmen und Rumor davonkommen könnte, damit unser Anschlag nicht zu Wasser würde; wofern aber solches nicht sein möchte, sollten sie alsdann ihr Bestes tun. Interim schlug der Geistliche selbst ein Liecht an; seine Köchin aber erzählete ihm, daß ein greulich Gespenst in der Küchen wäre, welches zween Köpfe hätte (dann sie hatte vielleicht meinen Büschel Haar auf dem Kopf gesehen und auch vor einen Kopf gehalten). Das hörete ich alles, machte mich derowegen mit meinen schmutzigen Händen, darin ich Asche, Ruß und Kohlen rieb, im Angesicht und an Händen so abscheulich, daß ich ohn Zweifel keinem Engel mehr (wie hiebevor die Klosterfrauen im Paradeis sagten) gleichsahe, und der Mesner, wann ers gesehen, mich wohl vor einen geschwinden Maler hätte passieren lassen. Ich fieng an, in der Küchen schröcklich zu poldern und mit Hin- und Wiederwerfen, Schmeißen und Schlagen mich gewaltig mausig zu machen und allerlei Küchengeschirr untereinander zu werfen; der Kesselring geriet mir in die Händ, den hieng ich an den Hals, den Feuerhaken aber behielt ich in den Händen, mich damit auf den Notfall zu wehren. Solches ließ sich aber der fromme Pfaffe nicht irren; dann er kam mit seiner Köchin prozessionsweis daher, welche zwei Wachsliechter in den Handen und einen Weihwasserkessel am Arm trug. Er selbsten aber war mit dem Chorrock bewaffnet samt den Stollen und hatte den Sprengel in der einen und ein Buch in der andern Hand; aus demselben fieng er an, mich zu exorzieren, fragende, wer ich sei und was ich da zu schaffen hätte. Weil er mich dann nun vor den Teufel selbst hielt, so gedachte ich, es wäre billig, daß ich auch wie der Teufel täte, daß ich mich mit Lügen behülfe; antwortete derowegen: »Ich bin der Teufel und will dir und deiner Köchin die Hälse umdrähen!« Er fuhr mit seinem Exorcismo weiter fort und hielt mir vor, daß ich weder mit ihm noch seiner Köchin nichts zu schaffen hätte, hieß mich auch mit der allerhöchsten Beschwörung wieder hinfahren, wo ich herkommen wäre. Ich aber antwortete mit ganz förchtlicher Stimme, daß solches unmüglich sei, wannschon ich gern wollte. Indessen hatte Springinsfeld, der ein abgefeumter Erzvogel war und kein Latein verstund, seine seltsame Tausendhändel auf dem Dach; dann da er hörete, um welche Zeit es in der Küche war, daß ich mich nämlich vor den Teufel ausgab, mich auch der Geistliche also hielt, wixte er wie eine Eule, bellete wie ein Hund, wieherte wie ein Pferd, blekte wie ein Geißbock, schrie wie ein Esel und ließ sich bald durch den Kamin herunter hören wie ein Haufen Katzen, die im Hornung [173] rammlen, bald wie eine Henne, die legen wollte; dann dieser Kerl konnte aller Tiere Stimmen nachmachen und, wann er wollte, so natürlich heulen, als ob ein ganzer Haufen Wölfe beieinander gewesen wäre. Solches ängstigte den Pfarrer und seine Köchin auf das höchste, ich aber machte mir ein Gewissen, daß ich mich vor den Teufel beschwören ließe, vor welchen er mich eigentlich hielt, weil er etwan gelesen oder gehöret hatte, daß sich der Teufel gern in grünen Kleidern sehen lasse.

Mitten in solchen Ängsten, die uns beiderseits, sonderlich die arme Köchin, umgeben hatten, ward ich zu allem Glück gewahr, daß das Nachtschloß an der Türe, die auf den Kirchhof gieng, nicht eingeschlagen, sondern der Riegel nur vorgeschoben war. Ich schob denselben geschwind zurück, wischte zur Türe hinaus auf den Kirchhof (da ich dann meine Gesellen mit aufgezogenen Hahnen stehen fand), und ließ den Pfaffen Teufel beschwören, solang er immer wollte. Und demnach Springinsfeld mir meinen Hut von dem Dach gebracht, wir auch unsern Proviant aufgesackt hatten, giengen wir zu unsrer Bursch, weil wir im Dorf nichts mehr zu verrichten hatten, als daß wir die entlehnte Laiter samt dem Sail wieder hätten heimliefern sollen.

Die ganze Partei erquickte sich mit demjenigen, das wir gestohlen hatten, und bekam doch kein einziger den Klucksen davon: so gesegnete Leute waren wir! Auch hatten alle über diese meine Fahrt genugsam zu lachen; nur dem Studenten wollte es nicht gefallen, daß ich den Pfaffen bestohlen, der ihm das Münkelspiel so grandig besteckt hatte; ja er schwur auch hoch und teur, daß er ihm seinen Speck gern bezahlen wollte, wann er die Mittel nur bei der Hand hätte, und fraß doch nichtsdestoweniger mit, als ob ers verdingt hätte. Also lagen wir noch zween Tage an selbigem Ort und erwarteten diejenige, denen wir schon so lang aufgepaßt hatten. Wir verloren keinen einzigen Mann im Angriff und bekamen doch über dreißig Gefangene und so herrliche Beuten, als ich jemals teilen helfen. Ich hatte wegen meiner Courage und sonderlichen Wohlverhaltens doppelt Part, weil ich das Beste getan: das waren drei schöner friesländischer Hengst, mit Kaufmannswaren beladen, was sie in Eil forttragen möchten; und wann wir Zeit gehabt, die Beuten recht zu suchen und solche in Salvo zu bringen, so wäre jeder vor sein Teil reich genug worden, maßen wir mehr stehen lassen, als wir davonbrachten, weil wir mit dem, was wir fortbringen konnten, sich in schnellster Eile tummlen mußten; und zwar so retirierten wir uns mehrer Sicherheit halber auf Rehnen, da wir fütterten und die Beuten teileten, weil unsers Volks [174] da lag, wiewohl es umb und unsers Wegs nicht war. Daselbst gedachte ich wieder an den Pfaffen, dem ich den Speck gestohlen hatte. Der Leser mag denken, was ich vor einen verwegenen, freveln und ehrgeizigen Kopf hatte, indem mirs nicht genug war, daß ich den frommen Geistlichen bestohlen und so schröcklich geängstiget, sondern ich wollte noch Ehre davon haben. Derowegen nahm ich einen Saphir, in einen güldenen Ring gefaßt, den ich auf selbiger Partei erschnappt hatte, und schickte ihn von Rehnen aus durch einen gewissen Boten meinem Pfarrer mit folgendem Brieflein:


»Wohlehrwürdiger etc.! Wann ich dieser Tagen im Wald noch etwas von Speisen zu leben gehabt hätte, so hätte ich nicht Ursache gehabt, E. Wohl-Ehrw. Ihren Speck zu stehlen, worbei Sie vermutlich sehr erschröckt worden. Ich bezeuge beim Höchsten, daß Sie solche Angst wider meinen Willen eingenommen, hoffe derowegen die Vergebung desto ehender. Was aber den Speck selbst anbelangt, so ists billig, daß selbiger bezahlt werde, schickte derohalben anstatt der Bezahlung gegenwärtigen Ring, den diejenige hergeben, um welcher willen die Ware ausgenommen werden müssen, mit Bitte, E. Wohl-Ehrwürd, belieben damit vorliebzunehmen; versichere darneben, daß dieselbe im übrigen auf alle Begebenheit einen dienstfertigen und getreuen Diener hat an dem, den dero Mesner vor keinen Maler hält, welcher sonst genannt wird

Der Jäger.«


Dem Bauren aber, welchem sie den Backofen ausgeleert hatten, schickte die Partei aus gemeiner Beute 16 Reichstaler vor seine Pumpernickel; dann ich hatte sie gelernet, daß sie solchergestalt den Landmann auf ihre Seite bringen müssen, als welche einer Partei oft aus allen Nöten helfen oder hingegen eine andere verraten, verkaufen und um die Hälse bringen könnten. Von Rehnen giengen wir auf Münster und von dar auf Hamm und heim nach Soest in unser Quartier, allwo ich nach wenig Tagen eine Antwort von dem Pfaffen empfieng, die also lautet:


»Edler Jäger etc.! Wann derjenige, dem Ihr den Speck gestohlen, hätte gewußt, daß Ihr ihm in teuflischer Gestalt erscheinen würdet, hätte er sich nicht so oft gewünscht, den landberufenen Jäger auch zu sehen. Gleichwie aber das geborgte Fleisch und Brod viel zu teuer bezahlt worden, also ist auch der eingenommene Schrecken desto leichter zu verschmerzen, vornehmlich weil er

[175]
Drittes Buch
Das 1. Kapitel
[176] [179]Das erste Kapitel.
Simplex, der Jäger, geht etwas zu weit
Wegen der Beuten auf die linke Seit.

Der günstige Leser wird in vorhergehendem Buch verstanden haben, wie ehrgeizig ich in Soest worden, und daß ich Ehre, Ruhm und Gunst in Handlungen suchte und auch gefunden, die sonst bei andern wären strafwürdig gewesen. Jetzt will ich erzählen, wie ich mich meine Torheit weiter verleiten lassen und dadurch in stetiger Leib- uud Lebensgefahr gelebet. Ich war (wie bereits erwähnet) so beflissen, Ehre und Ruhm zu erjagen, daß ich auch nicht davor schlafen konnte; und wann ich so Grillen hatte und manche Nacht lag, neue Fündichen und List zu ersinnen, hatte ich wunderliche Einfälle. Daher erfand ich eine Gattung Schuhe, die man das Hinderst zu vorderst anziehen konnte, also daß die Absätze unter den Zehen stunden. Deren ließe ich auf meinen Kosten bei dreißig unterschiedliche Paar machen, und wann ich solche unter meine Bursch austeilete und damit auf Partei gieng, wars unmüglich, uns auszuspüren; dann wir trugen bald diese und bald unsere rechte Schuhe an den Füßen und hingegen die übrige im Ranzen; und wann jemand an einen Ort kam, da ich die Schuhe verwechseln lassen, sahe es nicht anders in der Spure, als wann zwo Parteien allda zusammenkommen, auch miteinander wieder verschwunden wären. Behielt ich aber meine letzte Schuhe an, so sahe es, als ob ich erst hingangen wäre, wo ich schon gewesen, oder als ob ich von dem Ort herkäme, dahin ich erst gieng. So waren ohndas meine Gänge, wann es eine Spure hatte, viel verwirrter als in einem Irrgarten, also daß es denjenigen, die mich vermittelst der Spure hätten auskündigen oder sonst nachjagen sollen, unmüglich gefallen wäre, mich zu kriegen und in ihr Netz zu bringen. Ich war oft allernächst bei denen vom Gegenteil, die mich in der Fern sollten suchen, und noch öfters etliche Meil Wegs von demjenigen Busch, den sie jetzt umstelleten und durchstreiften, mich darin zu fangen. Und gleichwie ichs machte mit den Parteien [179] zu Fuß, also tät ich ihm auch, wann ich zu Pferd draußen war; dann das war mir nichts Seltsams, daß ich an Scheid-und Kreuzwegen unversehens absteigen und den Pferden die Eisen das Hinderst zu vörderst aufschlagen ließ. Die gemeine Vörtel aber, die man brauchet, wann man schwach auf Partei ist und doch vor stark aus der Spure judizieret, oder wann man stark ist und doch vor schwach gehalten werden will, waren mir so gemein, daß ich selbige zu erzählen nicht achte. Darneben erdachte ich ein Instrument, mit welchem ich bei Nacht, wann es windstill war, eine Trompete auf drei Stund Wegs von mir blasen, ein Pferd auf zwo Stunden schreien oder Hunde bellen, und auf eine Stunde weit die Menschen reden hören konnte, welche Kunst ich sehr geheimhielt und mir damit ein Ansehen machte, weil es bei jedermann unmüglich zu sein schien. Bei Tag aber war mir besagtes Instrument (welches ich gemeiniglich neben einem Perspektiv im Hosensack trug) nicht so viel nutz, es wäre dann an einem einsamen stillen Ort gewesen; dann man mußte von den Pferden und dem Rindvieh an bis auf den geringsten Vogel in der Luft oder Frosch im Wasser alles hören, was sich in der ganzen Gegend nur regte und eine Stimme von sich gab, welches dann nicht anderst lautete, als ob man sich (wie mitten auf einem Markt) unter viel Menschen und Tieren befände, deren jedes sich hören läßt, da man vor des einen Geschrei den andern nicht verstehen kann.

Ich weiß zwar wohl, daß auf diese Stunde Leute sein, die mir dieses nicht glauben, was ich jetzt erzählet habe; aber sie mögen es glauben oder nicht, so ists doch die Wahrheit. Ich will einen Menschen bei Nacht, der nur so laut redet, als seine Gewohnheit ist, an der Stimme durch ein solches Instrument erkennen, er sei gleich so weit von mir, als ihn einer durch ein Perspektiv bei Tag an den Kleidern erkennen mag. Ich kann aber keinen verdenken, wann er mir nicht glaubet, was ich jetzund schreibe; dann es wollte mir keiner glauben von denjenigen, die mit ihren Augen sahen, als ich mehr bedeut Instrument gebrauchte und ihnen sagte: »Ich höre Reuter reiten, dann die Pferde sein beschlagen; ich höre Bauren kommen, dann die Pferde gehen barfuß; ich höre Fuhrleute, aber es sind nur Bauren, ich kenne sie an der Sprache; es kommen Musketierer, ungefähr so viel, dann ich höre es am Gekläpper ihrer Bandelier; es ist ein Dorf um diese oder jene Gegend, ich höre die Hahnen krähen, Hunde bellen etc.; dort gehet eine Herde Vieh, ich höre Schafe bleken, Kühe schreien, Schweine grunzen, und so fortan. Meine eigene Kameraden hielten anfangs [180] diese Reden vor Possen, Torheiten und Aufschneiderei, und als sie im Werk befanden, daß ich jederzeit wahr sagte, mußte alles Zauberei und mir, was ich ihnen gesaget, vom Teufel und seiner Mutter offenbaret worden sein. Also, glaube ich, wird der günstige Leser auch gedenken. Nichtsdestoweniger bin ich dem Gegenteil hierdurch oftmals wunderlich und sehr artlich entronnen, wann er Nachricht von mir kriegte und mich aufzuheben kam; halte auch davor, wann ich diese Wissenschaft offenbaret hätte, daß sie seither sehr gemein worden wäre, weil sie denen im Krieg trefflich zustatten käme, sonderlich in Belägerungen, da die Belägerer und Belägerte ihnen solches zunutz machen könnten. Ich schreite aber zu meiner Histori.«

Wann ich nicht auf Partei dorfte, so gieng ich sonst aus zu stehlen, und dann waren weder Pferde, Kühe, Schweine noch Schafe in den Ställen vor mir sicher, welche ich auch etliche Meil Wegs holete; Rindviehe und Pferden wußte ich Stiefeln oder Schuhe anzulegen, bis ich sie auf eine gänge Straße brachte, damit man sie nicht spüren konnte. Alsdann schlug ich den Pferden die Eisen hinterst zuvörderst auf; oder wanns Küh und Ochsen waren, tät ich ihnen Schuh an, die ich dazu gemacht hatte, und brachte sie also in Sicherheit. Die große fette Schweinspersonen, die Faulheit halber bei Nacht nicht reisen mögen, wußte ich auch meisterlich fortzubringen, wann sie schon grunzten und nicht dranwollten; ich machte ihnen mit Mehl und Wasser einen wohlgesalzenen Brei, ließ solchen einen Baderschwamm in sich saufen, an welchen ich einen starken Bindfaden gebunden hatte, ließ nachgehends diejenige, um welche ich löffelte, den Schwamm voll Mus fressen und behielt die Schnur in der Hand, worauf sie ohn fernern Wortwechsel gedultig mitgiengen und mir die Zeche mit Schinken und Würsten bezahleten; und wann ich so was heimbrachte, teilete ich sowohl den Offizierern als meinen Kameraden getreulich mit. Dahero dorfte ich ein andermal wieder hinaus; und da mein Diebstahl verraten oder ausgekundschaftet ward, halfen sie mir hübsch durch. Im übrigen dünkte ich mich viel zu gut darzu sein, daß ich die Arme bestehlen oder Hühner fangen und andere geringe Sachen hätte mausen sollen. Dahero fieng ich an, nach und nach mit Fressen und Saufen ein epikurisch Leben zu führen, weil ich meines Einsiedlers Lehre vergessen und niemand hatte, der meine Jugend regierte oder auf den ich sehen dorfte; dann meine Offizierer machten selbst mit, wann sie bei mir schmarotzten; und die mich hätten strafen und abmahnen sollen, reizten mich vielmehr zu allen Lastern. Davon ward ich endlich so gottlos, [181] verwegen und verrucht, daß kein Schelmstück in der Welt war, welches zu begehen ich mich nicht unterstehen hätte dörfen. Zuletzt ward ich auch heimlich geneidet, zumal von meinen Kameraden, daß ich eine glücklichere Hand zu stehlen hatte als ein anderer, von meinen Offizierern aber, daß ich mich so toll hielt, glücklich auf Parteien handelte, und mir einen größern Namen und Ansehen machte, als sie selbst hatten. Ich halte auch gänzlich davor, daß mich ein ander Teil zeitlich aufgeopfert hätte, wann ich nicht so spendieret hätte.

Das 2. Kapitel
Das zweite Kapitel.
Simplex, der Jäger von Soest, schafft ab
Einen, der sich vor den Jäger ausgab.

Als ich nun so fort hausete und im Werk begriffen war, mir einzige Teufelslarven und darzu gehörige schröckliche Kleidungen mit Roß- und Ochsenfüßen machen zu lassen, vermittelst deren ich die Feinde erschrecken, zumal auch den Freunden als unerkannt das Ihrige zu nehmen, darzu mir dann die Begebenheit mit dem Speckstehlen Anlaß gab, bekam ich Zeitung, daß ein Kerl sich in Werle aufhielte, welcher ein trefflicher Parteigänger sei, sich grün kleiden lassen und hin und her auf dem Land, sonderlich aber bei unsern Kontribuenten, unter meinem Namen mit Weiberschänden und Plünderungen allerhand Exorbitantien verübe, maßen dahero greuliche Klagen auf mich einkamen, dergestalt, daß ich übel eingebüßt hätte, da ich nicht ausdrücklich dargetan und erwiesen, daß ich in denjenigen Zeiten, da er ein und ander Stücklein auf mich verrichtet, mich anderswo befunden. Solches gedachte ich ihm nicht zu schenken, viel weniger zu leiden, daß er sich länger meines Namens bedienen, unter meiner Gestalt Beuten machen und mich dadurch so schänden sollte. Ich ließ ihn mit Wissen des Kommandanten in Soest auf einen Degen oder paar Pistolen ins freie Feld zu Gast laden; nach dem er aber das Herz nicht hatte zu erscheinen, ließ ich mich vernehmen, daß ich mich an ihm revanchieren wollte, und sollte es zu Werle in desselbigen Kommandanten Schoß geschehen, als der ihn nicht drum strafe. Ja ich sagte offentlich, daß, so ich ihn auf Partei ertappte, er als ein Feind von mir traktiert werden sollte! Das machte, daß ich meine Larven liegen ließ, mit denen ich ein Großes anzustellen vorhatte, sondern auch mein ganz grünes Kleid in kleine Stücken zerhackte und in Soest vor meinem [182] Quartier offentlich verbrannte, unangesehen allein meine Kleider ohn Federn und Pferdgezeug über die 100 Dukaten wert waren. Ja ich fluchte in solcher Wut noch drüber hin, daß der nächste, der mich mehr einen Jäger nenne, entweder mich ermorden oder von meinen Händen sterben müsse, und sollte es auch meinen Hals kosten! Wollte auch keine Partei mehr führen (so ich ohndas nicht schuldig, weil ich noch kein Offizier war), ich hätte mich dann zuvor an meinem Widerpart zu Werle gerochen. Also hielt ich mich ein und tät nichts Soldatisches mehr, als daß ich meine Wacht versahe, ich wäre dann absonderlich irgendshin kommandieret worden, welches [ich] jedoch alles wie ein anderer Bärnhäuter sehr schläferig verrichtete. Dies erscholl gar bald in der Nachbarschaft und wurden die Parteien vom Gegenteil so kühn und sicher davon, daß sie schier täglich vor unsern Schlagbäumen lagen, so ich in die Länge auch nicht ertragen konnte. Was mir aber gar zu unleidlich fiel, war, daß der Jäger von Werle noch immerzu fortfuhr, sich vor mich auszugeben und ziemliche Beute in meinem Namen zu machen.

Indessen nun, als jedermann vermeinete, ich hätte mich auf eine Bärnhaut schlafen gelegt, von deren ich so bald nicht wieder aufstehen würde, kündigte ich meines Gegenteils von Werle Tun und Lassen aus und befand, daß er mir nicht nur mit dem Namen und in den Kleidern nachäffte, sondern auch bei Nacht heimlich zu stehlen pflegte, wann er etwas erhaschen kunnte; derhalben erwachte ich wieder unversehens und machte meinen Anschlag darauf. Meine beiden Knechte hatte ich nach und nach abgerichtet wie die Wachtelhunde; so waren sie mir auch dermaßen getreu, daß jeder auf den Notfall für mich durch ein Feur geloffen wäre, weil sie ihr gut Fressen und Saufen bei mir hatten und treffliche Beuten machten. Deren schickte ich einen nach Werle zu meinem Gegenteil; der wande vor, weil ich, als sein gewesener Herr, nunmehr anfienge zu leben wie ein Schlingel und ander Kujon und verschworen hätte, nimmermehr auf Partei zu gehen, so hätte er nicht mehr bei mir bleiben mögen, sondern sei kommen ihm zu dienen, weil er anstatt seines Herrn ein Jägerkleid angenommen und sich wie ein rechtschaffener Soldat gebrauchen lasse. Er wisse alle Wege und Stege im Lande und könnte ihm manchen Anschlag geben, gute Beuten zu machen etc. Mein guter einfältiger Narr glaubte meinem Knecht und ließ sich bereden, daß er ihn annahm und auf eine bestimmte Nacht mit seinem Kameraden und ihm auf eine Schäferei gieng, etliche fette Hammel zu holen, da ich und Springinsfeld mit einem andern Knecht schon aufpaßten und den Schäfer bestochen[183] hatten, daß er seine Hunde anbinden und die Ankömmlinge in die Scheure unverhindert minieren lassen sollte, so wollte ich ihnen das Hammelfleisch schon gesegnen. Da sie nun ein Loch durch die Wand gemachet hatten, wollte der Jäger von Werle haben, mein Knecht sollte gleich zum ersten hineinschliefen. Er aber sagte: »Nein, es möchte jemand darin aufpassen und mir eins vorn Kopf geben; ich sehe wohl, daß Ihr nicht recht mausen könnet, man muß zuvor visitieren«; zog darauf seinen Degen aus und hieng seinen Hut an die Spitze, stieß ihn also etlichemal durchs Loch und sagte: »So muß man zuvor sehen, ob Bläsi zu Haus sei oder nicht.« Als solches geschehen, war der Jäger von Werle selbst der erste, so hineinkroch. Aber Springinsfeld erwischte ihn gleich beim Arm, darin er seinen Degen hatte, und fragte ihn, ob er Quartier wollte. Das hörete sein Geselle und wollte durchgehen; weil ich aber nicht wußte, welches der Jäger, und geschwinder als dieser auf den Füßen war, eilete ich ihm nach und ertappte ihn in wenig Sprüngen. Ich fragte: »Was Volks?« Er antwortete: »kaiserisch!« Ich fragte: »Was Regiments? Ich bin auch kaiserisch, ein Schelm, der seinen Herrn verleugnet!« Jener antwortete: »Wir sein von den Dragonern aus Soest und kommen, ein paar Hämmel zu holen; Bruder, ich hoffe, wann Ihr auch kaiserisch seid, Ihr werdet uns passieren lassen.« Ich antwortete: »Wer seid Ihr dann aus Soest?« Jener antwortete: »Mein Kamerad im Stall ist der Jäger.« »Schelmen seid ihr!« sagte ich; »warum plündert ihr dann euer eigen Quartier? Der Jäger von Soest ist so kein Narr, daß er sich in einem Schafstall fangen lässet.« – »Ach, von Werle wollt ich sagen«, antwortete mir jener wiederum; und indem ich so disputierte, kam mein Knecht und Springinsfeld mit meinem Gegenteil auch daher. »Siehe da, du ehrlicher Vogel,« sagte ich zu ihm, »kommen wir hier zusammen? wann ich die kaiserliche Waffen, die du wider den Feind zu tragen aufgenommen hast, nicht respektierte, so wollte ich dir gleich eine Kugel durch den Kopf jagen! Ich bin der Jäger von Soest bis dahero gewesen, und dich halte ich vor einen Schelmen, bis du einen von gegenwärtigen Degen zu dir nimmst und den andern auf Soldatenmanier mit mir missest!« Indem legte mein Knecht (der, sowohl als Springinsfeld, ein abscheuliches Teufelskleid mit großen Bockshörnern anhatte) uns zween gleiche Degen vor die Füße, die ich mit aus Soest genommen hatte, und gab dem Jäger von Werle die Wahl, einen davon zu nehmen, welchen er wollte, davon der arme Jäger so erschrak, daß es ihm gieng wie mir zu Hanau, da ich den Tanz [184] verderbte. Dann er hofierte die Hosen so voll, daß schier niemand bei ihm bleiben konnte: er und sein Kamerad zitterten wie nasse Hunde, sie fielen nieder auf die Kniee und baten um Gnade! Aber Springinsfeld kollerte wie aus einem hohlen Hafen heraus und sagte zum Jäger: »Du mußt einmal raufen, oder ich will dir den Hals brechen!« – »Ach hochgeehrter Herr Teufel,« antwortete er hingegen, »ich bin nicht Raufens halber herkommen; der Herr Teufel überhebe mich dessen, so will ich hingegen tun, was du willt.« In solchen verwirrten Reden gab ihm mein Knecht den einen Degen in die Hand und mir den andern; er zitterte aber so sehr, daß er ihn nicht halten konnte. Der Mond schien sehr hell, so daß der Schäfer und sein Gesinde alles aus ihrer Hütten sehen und hören konnten. Ich rufte demselben, herbeizukommen, damit ich einen Zeugen dieses Handels hätte. Dieser, als er kam, stellete sich, als ob er die zween in den Teufelskleidern nicht sähe, und sagte, was ich mit diesen Kerlen lang in seiner Schäferei zu zanken; wann ich etwas mit ihnen hätte, sollte ichs an einem andern Ort ausmachen, unsere Händel giengen ihn nichts an; er gebe monatlich seine Konterbission, hoffte darum bei seiner Schäferei in Ruhe zu leben. Zu jenen zweien aber sagte er, warum sie sich nur so von mir geheien ließen und mich nicht niederschlügen. Ich sagte: »Du Flegel, sie haben dir deine Schafe wollen stehlen.« Der Baur antwortete: »So wollte ich, daß sie mich und meine Schafe müßten im Hindern lecken«, und gieng damit hinweg. Hierauf drang ich wieder auf das Fechten; mein armer Jäger aber konnte schier nicht mehr vor Forcht auf den Füßen stehen, also daß er mich daurete; ja, er und sein Kamerad brachten so bewegliche Worte vor, daß ich ihm endlich alles verziehe und vergab. Aber Springinsfeld war damit nicht zufrieden, sondern zwang den Jäger, daß er drei Schafe (dann so viel hatten sie stehlen wollen) mußte im Hindern küssen, und zerkratzte ihm noch dazu so abscheulich im Gesicht, daß er aussahe, als ob er mit den Katzen gefressen hätte, mit welcher schlechten Sache ich zufrieden war. Aber der Jäger verschwand bald aus Werle, weil er sich viel zu sehr schämte; dann sein Kamerad sprengte allerorten aus und beteuret es mit heftigen Flüchen, daß ich wahrhaftig zween leibhaftiger Teufel hätte, die mir auf den Dienst warteten, darum ich noch mehr geförchtet, hingegen aber desto weniger geliebet ward.

[185]
Das 3. Kapitel
Das dritte Kapitel.
Simplex bekommt den Gott Jovem gefangen,
Höret der Götter Ratschlag mit Verlangen.

Solches ward ich bald gewahr; derhalben stellete ich mein vorig gottlos Leben allerdings ab und befliß mich allein der Tugend mit Frömmigkeit. Ich gieng zwar wie zuvor wieder auf Partei, erzeigte mich aber gegen Freunden und Feinden so leutselig und diskret, daß alle diejenige, so mir unter die Hände kamen, ein anders glaubten, als sie von mir gehört hatten; überdas hielt ich auch inn mit den überflüssigen Verschwendungen und sammlete mir viel schöne Dukaten und Kleinodien, welche ich hin und wieder in der Soestischen Börde auf dem Land in hohle Bäume verbarg, weil mir solches die bekannte Wahrsagerin zu Soest riet und mich versicherte, daß ich mehr Feinde in derselben Stadt und unter meinem Regiment als außerhalb und in den feindlichen Garnisonen hätte, die mir und meinem Geld nachstelleten. Und indem man hin und her Zeitung hatte, daß der Jäger ausgerissen wäre, saß ich denen, die sich damit kützelten, wieder unversehens auf der Haube; und eh ein Ort recht erfuhr, daß ich an einem andern Schaden getan, empfand dasselbige schon, daß ich noch vorhanden war; dann ich fuhr herum wie eine Windsbraut, war bald hie, bald dort, also daß man mehr von mir zu sagen wußte als zuvor, da sich noch einer vor mich ausgab.

Ich saß einsmals mit 25 Feurröhren nicht weit von Dorsten und paßte einer Konvoi mit etlichen Fuhrleuten mit sonderlicher Verschlagenheit auf, die nach Dorsten kommen sollte. Ich hielt meiner Gewohnheit nach selbst Schildwacht, weil wir dem Feind nahe waren. Da kam ein einziger Mann daher, fein ehrbar gekleidet; der redte mit ihm selbst und hatte mit seinem Meerrohr, das er in Händen trug, ein seltsam Gefechte. Ich konnte nichts anders verstehen, als daß er sagte: »Ich will einmal die Welt strafen, es wolle mirs dann das große Numen nicht zugeben!«, woraus ich mutmaßete, es möchte etwan ein mächtiger Fürst sein, der so verkleidterweise herumgienge, seiner Untertanen Leben und Sitten zu erkündigen, und sich nun vorgenommen hätte, solche (weil er sie vielleicht nicht nach seinem Willen gefunden) gebührend zu strafen. Ich gedachte: »Ist dieser Mann vom Feind, so setzt es eine gute Ranzion; wo nicht, so wiltu ihn so höflich traktieren und ihm dadurch das Herz dermaßen abstehlen, daß es dir künftig dein Lebtag wohl bekommen soll«, sprang derhalben hervor, präsentierte mein Gewehr [186] mit aufgezogenem Hahn und sagte: »Der Herr wird ihm belieben lassen, vor mir hin in Busch zu gehen, wofern er nicht als ein Feind will traktiert sein.« Er antwortete sehr ernsthaftig: »Solcher Traktation ist meinesgleichen nicht gewohnt.« Ich aber tummelte ihn höflich fort und sagte: »Der Herr wird ihm nicht zuwider sein lassen, sich vor diesmal in die Zeit zu schicken!« Und als ich ihn in den Busch zu meinen Leuten gebracht und die Schildwachten wieder besetzt hatte, fragte ich ihn, wer er sei. Er antwortete gar großmütig, es würde mir wenig daran gelegen sein, wannschon ich es wüßte; er sei doch ein großer Gott. Ich gedachte, er möchte mich vielleicht kennen und etwan ein Edelmann von Soest sein und so sagen, mich zu hetzen, weil man die Soester mit dem großen Gott und seinem göldenen Fürtuch zu vexieren pfleget, ward aber bald innen, daß ich anstatt eines Fürsten einen Erzphantasten gefangen hätte, der sich überstudieret und sonderlich in der Poeterei gewaltig verstiegen; dann da er bei mir ein wenig erwarmete, gab er sich vor den Gott Jupiter aus.

Ich wünschte zwar, daß ich diesen Fang nicht getan; weil ich den Narrn aber hatte, mußte ich ihn wohl behalten, bis wir von dannen rückten, und demnach mir die Zeit ohndas ziemlich lang ward, gedachte ich, diesen Kerl zu stimmen und mir seine Gaben zunutz zu machen, sagte derowegen zu ihm: »Nun dann, mein lieber Jove, wie kommt es doch, daß deine hohe Gottheit ihren himmlischen Thron verlässet und zu uns auf Erden steiget? Vergib mir, o Jupiter, meine Frage, die du vor fürwitzig halten möchtest; dann wir seind den himmlischen Göttern auch verwandt und eitel Sylvani, von den Faunis und Nymphis geboren, denen diese Heimlichkeit billig unverborgen sein solle.« – »Ich schwöre dir beim Styx,« antwortete Jupiter, »daß du hiervon nichts erfahren solltest, wann du meinem Mundschenken Ganymede nicht so ähnlich sähest, und wannschon du Pans eigener Sohn wärest; aber von seinetwegen kommuniziere ich dir, daß ein groß Geschrei über der Welt Laster zu mir durch die Wolken gedrungen, darüber in aller Götter Rat beschlossen worden, ich könnte mit Billigkeit wie zu Lykaons Zeiten den Erdboden wieder mit Wasser austilgen. Weil ich aber dem menschlichen Geschlecht mit sonderbarer Gunst gewogen bin und ohndas allezeit lieber die Güte als eine strenge Verfahrung brauche, vagiere und terminiere ich jetzt herum, der Menschen Tun und Lassen selbst zu erkündigen; und obwohl ich alles ärger finde, als mirs vorkommen, so bin ich doch nicht gesinnt, alle Menschen zugleich und ohn Unterscheid auszureuten, sondern nur diejenige zu strafen, [187] die zu strafen sind, und hernach die übrige nach meinem Willen zu ziehen.«

Ich mußte zwar lachen, verbiß es doch, so gut ich konnte, und sagte: »Ach Jupiter! deine Mühe und Arbeit wird besorglich allerdings umsonst sein, wann du nicht wieder, wie vor diesem, die Welt mit Wasser oder gar mit Feur heimsuchest. Dann schickest du einen Krieg, so laufen alle böse verwegene Buben mit, welche die friedliebende fromme Menschen nur quälen werden; schickest du eine Teurung, so ists eine erwünschte Sache vor die Wucherer, weil alsdann denselben ihr Korn viel gilt; schickest du aber ein Sterben, so haben die Geizhälze und alle übrige Menschen ein gewonnen Spiel, indem sie hernach viel erben; wirst derhalben die ganze Welt mit Butzen und Stiel ausrotten müssen, wann du anderst strafen willt.«

Das 4. Kapitel
Das vierte Kapitel.
Simplex hört Jovem vom teutschen Held sagen,
Der die Welt zwingen werd und Fried erjagen.

Jupiter antwortete: »Du redest von der Sache wie ein natürlicher Mensch, als ob du nicht wüßtest, daß uns Göttern müglich sei, etwas anzustellen, daß nur die Bösen gestraft und die Guten erhalten werden. Ich will einen teutschen Helden erwecken, der soll alles mit der Schärfe des Schwerts vollenden; er wird alle verruchte Menschen umbringen und die fromme erhalten und erhöhen.« Ich sagte: »So muß ja ein solcher Held auch Soldaten haben, und wo man Soldaten braucht, da ist auch Krieg, und wo Krieg ist, da muß der Unschuldige sowohl als der Schuldige herhalten!« – »Seid ihr irdische Götter dann auch gesinnt wie die irdische Menschen,« sagte Jupiter hierauf, »daß ihr so gar nichts verstehen könnet? Ich will einen solchen Helden schicken, der keinen Soldaten bedarf und doch die ganze Welt reformieren soll; in seiner Geburtstunde will ich ihm verleihen einen wohlgestalten und stärkern Leib, als Herkules einen hatte, mit Fürsichtigkeit, Weisheit und Verstand überflüssig geziert; hier soll ihm Venus geben ein schön Angesicht, also daß er auch Narcissum, Adonidem und meinen Ganymedem selbst übertreffen solle; sie soll ihm zu allen seinen Tugenden eine sonderbare Zierlichkeit, Aufsehen und Anmütigkeit vorstrecken und dahero ihn bei aller Welt beliebt machen, weil ich sie eben der Ursachen halber in seiner Nativität desto freundlicher [188] anblicken werde. Mercurius aber soll ihn mit unvergleichlich sinnreicher Vernunft begaben, und der unbeständige Mond soll ihm nicht schädlich, sondern nützlich sein, weil er ihm eine unglaubliche Geschwindigkeit einpflanzen wird. Die Pallas soll ihn auf dem Parnasso auferziehen, und Vulcanus soll ihmin hora Martis seine Waffen, sonderlich aber ein Schwert schmieden, mit welchem er die ganze Welt bezwingen und alle Gottlosen niedermachen wird ohne fernere Hülfe eines einzigen Menschen, der ihm etwan als ein Soldat beistehen möchte: er soll keines Beistandes bedörfen. Eine jede große Stadt soll von seiner Gegenwart erzittern, und eine jede Festung, die sonst unüberwindlich ist, wird er in der ersten Viertelstunde in seinem Gehorsam haben und unter sein Joch bringen; zuletzt wird er den größten Potentaten in der Welt befehlen und die Regierung über Meer und Erden so löblich anstellen, daß beides, Götter und Menschen, ein Wohlgefallen darob haben sollen.«

Ich sagte: »Wie kann die Niedermachung aller Gottlosen ohn Blutvergießen und das Kommando über die ganze weite Welt ohn sonderbare große Gewalt und starken Arm beschehen und zuwegengebracht werden? O Jupiter, ich bekenne dir unverhohlen, daß ich diese Dinge weniger als ein sterblicher Mensch begreifen kann!« Jupiter antwortete: »Das gibt mich nicht Wunder, weil du nicht weißt, was meines Helden Schwert vor eine seltene Kraft an sich haben wird. Vulcanus wirds aus denen Materialien verfertigen, daraus er mir meine Donnerkeil machet, und dessen Tugenden dahin richten, daß mein großmütiger teutscher Held, wann er solches entblößet und nur einen Streich damit in die Luft tut, einer ganzen Armada, wanngleich sie hinter einem Berg eine ganze Schweizer Meil Wegs weit von ihm stünde, auf einmal die Köpfe herunterhauen kann, also daß die arme Teufel ohn Köpfe daliegen müssen, ehe sie einmal wissen, wie ihnen geschehen! Wann er dann nun seinem Lauf den Anfang machet und vor eine Stadt oder Festung kommt, so wird er des Tamerlanis Manier brauchen und zum Zeichen, daß er Friedens halber und zu Beförderung aller Wohlfahrt vorhanden sei, ein weißes Fähnlein aufstecken. Kommen sie dann zu ihm heraus und bequemen sich, wohl gut; wo nicht, so wird er von Leder ziehen und durch Kraft mehrgedachten Schwerts allen Zauberern und Zauberinnen, so in der ganzen Stadt sein, die Köpfe herunterhauen und ein rotes Fähnlein aufstecken; wird sich aber dannoch niemand einstellen, so wird er alle Mör der, Wucherer, Diebe, Schelmen, Ehebrecher, Huren und Buben auf die vorige Manier umbbringen und ein schwarzes Fähnlein sehen [189] lassen. Wofern aber nicht so bald diejenige, so noch in der Stadt übrigblieben, zu ihm kommen und sich demütig einstellen, so wird er die ganze Stadt und ihre Inwohner als ein halsstarrig und ungehorsam Volk ausrotten wollen, wird aber nur diejenige hinrichten, die den andern abgewehrt haben und eine Ursache gewesen, daß sich das Volk nicht eh ergeben. Also wird er von einer Stadt zur andern ziehen, einer jeden Stadt ihr Teil Landes, um sie her gelegen, im Frieden zu regieren übergeben und von jeder Stadt durch ganz Teutschland zween von den klügsten und gelehrtesten Männern zu sich nehmen, aus denselben ein Parlament machen, die Städte miteinander auf ewig vereinigen, die Leibeigenschaften samt allen Zöllen, Akzisen, Zinsen, Gülten und Umgelten durch ganz Teutschland aufheben und solche Anstalten machen, daß man von keinem Fronen, Wachen, Kontribuieren, Geld geben, Kriegen, noch einziger Beschwerung beim Volk mehr wissen, sondern viel seliger als in den Elysischen Feldern leben wird. Alsdann (sagte Jupiter ferner) werde ich oftmals den ganzen Chorum Deorum nehmen und herunter zu den Teutschen steigen, mich unter ihren Weinstöcken und Feigenbäumen zu ergötzen; da werde ich den Helikon mitten in ihre Grenzen setzen und die Musen von neuem darauf pflanzen; die drei Grazien sollen meinen Teutschen viel 1000 Lustbarkeiten erwecken. Ich werde Teutschland höher segnen mit allem Überfluß als das glückselige Arabiam, Mesopotamiam und die Gegend um Damasco. Die griechische Sprache werde ich alsdann verschwören und nur Teutsch reden, und mit einem Wort mich so gut teutsch erzeigen, daß ich ihnen auch endlich, wie vor diesem den Römern, die Beherrschung über die ganze Welt werde ankommen lassen.« Ich sagte: »Höchster Jupiter, was werden aber Fürsten und Herren darzu sagen, wann sich der künftige Held unterstehet, ihnen das Ihrige so unrechtmäßiger Weis abzunehmen und den Städten zu unterwerfen? Werden sie sich nicht mit Gewalt widersetzen oder wenigst vor Göttern und Menschen darwider protestieren?« Jupiter antwortete: »Hierum wird sich der Held wenig bekümmern! Er wird alle Große in drei Teile unterscheiden und diejenige, so unexemplarisch und verrucht leben, gleich den Gemeinen strafen, weil seinem Schwert keine irdische Gewalt widerstehen mag; denen übrigen aber wird er die Wahl geben, im Land zu bleiben oder nicht. Was bleibet und sein Vatterland liebet, die werden leben müssen wie andere gemeine Leute; aber das Privatleben der Teutschen wird alsdann viel vergnügsamer und glückseliger sein als jetzund das Leben und der[190] Stand eines Königs, und die Teutsche werden alsdann lauter Fabricii sein, welcher mit dem König Pyrrho sein Königreich nicht teilen wollte, weil er sein Vatterland neben Ehre und Tugend so hoch liebte; und das sein die andern. Die dritte aber, die ja Herrn bleiben und immerzu herrschen wollen, wird er durch Ungarn und Italien in die Moldau, Walachei, in Macedoniam, Thraciam, Gräciam, ja über den Hellespontum in Asiam hineinführen, ihnen dieselbe Länder gewinnen, alle Kriegsgurgeln in ganz Teutschland mitgeben und sie alldort zu lauter Königen machen. Alsdann wird er Konstantinopel in einem Tag einnehmen und allen Türken, die sich nicht bekehren oder gehorsamen werden, die Köpfe vor den Hindern legen; daselbst wird er das römische Kaisertum wieder aufrichten und sich wieder in Teutschland begeben und mit seinen Parlamentsherren (welche er, wie ich schon gesagt habe, aus allen teutschen Städten paarweis sammlen und die Vorsteher und Vätter seines teutschen Vatterlandes nennen wird) eine Stadt mitten in Teutschland bauen, welche viel größer sein wird als Manoah in Amerika und goldreicher, als Jerusalem zu Salomons Zeiten gewesen, deren Wälle sich dem tirolischen Gebürg und ihre Wassergräben der Breite des Meers zwischen Hispania und Afrika vergleichen soll. Er wird einen Tempel hineinbauen von lauter Diamanten, Rubinen, Smaragden und Saphiren; und in der Kunstkammer, die er aufrichten wird, werden sich alle Raritäten in der ganzen Welt versammlen von den reichen Geschenken, die ihm die Könige in China, in Persia, der große Mogol in den orientalischen Indien, der große Tartar Cham, Priester Johann in Afrika und der große Zar in der Moskau schicken. Der türkische Kaiser würde sich noch fleißiger einstellen, wofern ihm bemeldter Held sein Kaisertum nicht genommen und solches dem römischen Kaiser zu Lehen gegeben hätte.«

Ich fragte meinen Jovem, was dann die christlichen Könige bei der Sach tun und ausrichten würden. Er antwortete: »Der in Engelland, Schweden und Dennemark werden, weil sie teutschen Geblüts und Herkommens, der in Hispania, Frankreich und Portugal aber, weil die alte Teutschen selbige Länder hiebevor auch eingenommen und regieret haben, ihre Kronen, Königreiche und inkorporierte Länder von der teutschen Nation aus freien Stücken zu Lehen empfahen; und alsdann wird wie zu Augusti Zeiten ein ewiger beständiger Friede zwischen allen Völkern in der ganzen Welt sein.«

[191]
Das 5. Kapitel
Das fünfte Kapitel.
Simplex vernimmt, wie der teutsche Held werde
Alle Religion schlichten auf Erde.

Springinsfeld, der uns auch zuhörete, hätte den Jupiter schier unwillig gemacht und den Handel beinahe verderbet, weil er sagte: »Und alsdann wirds in Teutschland hergehen wie im Schlauraffenland, da es lauter Muskateller regnet und die Kreuzerpastetlein über Nacht wie die Pfifferlinge wachsen! Da werde ich mit beiden Backen fressen müssen wie ein Drescher und Malvasier saufen, daß mir die Augen übergehen.« – »Ja freilich!« antwortete Jupiter: »vornehmlich wann ich dir die Plage Erysichthonis anhängen würde, weil du, wie mich dünken will, meine Hoheit verspottest.« Zu mir aber sagte er: »Ich habe vermeint, ich sei bei lauter Sylvanis; so sehe ich aber wohl, daß ich den neidigen Momum oder Zoilum angetroffen habe. Ja man sollte solchen Verrätern das, was der Himmel beschlossen, offenbaren und so edle Perlen vor die Säue werfen! ja freilich! auf den Buckel geschissen vor ein Brusttuch!« Ich gedachte: »Dies ist mir wohl ein visierlicher und unflätiger Abgott, weil er neben so hohen Dingen auch mit so weicher Materi umgehet.« Ich sahe wohl, daß er nicht gern hatte, daß man lachte, verbiß es derowegen so gut, als ich immer konnte, und sagte zu ihm: »Allergütigster Jove, du wirst ja eines groben Waldgotts Unbescheidenheit halber deinem andern Ganymede nicht verhalten, wie es weiter in Teutschland hergehen wird.« – »O nein!« antwortete er, »aber befiehle zuvor diesem Theoni, daß er seine Hipponacis-Zunge fürderhin im Zaum halten solle, eh ich ihn (wie Mercurius den Battum) in einen Stein verwandele. Du selbst aber gestehe mir, daß du mein Ganymedes seist, und ob dich nicht mein eifersichtige Juno in meiner Abwesenheit aus dem himmlischen Reich gejaget habe.« Ich versprach, ihm alles zu erzählen, da ich zuvor würde gehört haben, was ich zu wissen verlange. Darauf sagte er: »Lieber Ganymede (leugne nur nicht mehr, dann ich sehe wohl, daß du es bist), es wird alsdann in Teutschland das Goldmachen so gewiß und so gemein werden als das Hafnerhandwerk, also daß schier ein jeder Roßbub den lapidem phliosophorum wird umschleppen!« Ich fragte: »Wie wird aber Teutschland bei so unterschiedlichen Religionen einen so langwierigen Frieden haben können? Werden so unterschiedliche Pfaffen nicht die Ihrige hetzen und wegen ihres Glaubens wiederum einen neuen Krieg über den andern anspinnen?« – »O nein!« sagte Jupiter, »mein Held wird dieser [192] Sorge weislich vorkommen und vor allen Dingen alle christliche Religionen in der ganzen Welt miteinander vereinigen.« Ich sagte: »O Wunder, das wäre ein groß, rares und recht vortreffliches Werk! Wie müßte das zugehen?« Jupiter antwortete: »Das will ich dir herzlich gern offenbaren. Nachdem mein Held den Universalfrieden der ganzen Welt verschafft, wird er die geist- und weltliche Vorsteher und Häupter der christlichen Völker und unterschiedlichen Kirchen mit einer sehr beweglichen Sermon anreden und ihnen die bisherige hochschädliche Spaltungen in den Glaubenssachen trefflich zu Gemüt führen, sie auch durch hoch vernünftige Gründe und unwidertreibliche Argumenta dahinbringen, daß sie von sich selbst eine allgemeine Vereinigung wünschen und ihm das ganze Werk seiner hohen Vernunft nach zu dirigiern übergeben werden. Alsdann wird er die allergeistreichste, gelehrteste und frömmste Theologos von allen Orten und Enden her aus allen Religionen zusammenbringen und ihnen einen Ort, wie vor diesem Ptolomäus Philadelphus den 72 Dolmetschern getan, in einer lustigen, doch stillen Gegend, da man wichtigen Sachen ungehindert nachsinnen kann, zurichten lassen, sie daselbst mit Speise und Trank, auch aller anderer Notwendigkeit versehen und ihnen auflegen, daß sie, sobald immer müglich und jedoch mit der allerreifsten und fleißigsten Wohlerwägung, die Strittigkeiten, so sich zwischen ihren Religionen enthalten, erstlich beilegen und nachgehends mit rechter Einhelligkeit die rechte, wahre, heilige und christliche Religion, der Hl. Schrift, der uralten Tradition und der probierten Hl. Vätter Meinung gemäß schriftlich verfassen sollen. Um dieselbige Zeit wird sich Pluto gewaltig hintern Ohren kratzen, weil er alsdann die Schmälerung seines Reichs besorgen wird; ja, er wird allerlei Fünd, Ränk, Bosheit und List erdenken, ein Que dareinzumachen und die Sache, wo nicht gar zu hintertreiben, jedoch solche ad infinitum oder indefinitum zu bringen, sich gewaltig bemühen. Er wird sich unterstehen, einem jeden Theologo sein Interesse, seinen Stand, sein geruhig Leben, sein Weib und Kinder, sein Ansehen und je so etwas, das ihm seine Opinion zu behaupten einraten möchte, vorzumalen. Aber mein tapferer Held wird auch nicht feiren; er wird, solang dieses Concilium währet, in der ganzen Christenheit alle Glocken läuten und damit das christliche Volk zum Gebet an das höchste Numen unablässig anmahnen und um Sendung des Geistes der Wahrheit bitten lassen. Wann er aber merken würde, daß sich einer oder ander von Plutone einnehmen läßt, so wird er die ganze Kongregation wie in einem Konklave mit Hunger quälen: und wann [193] sie noch nicht daran wollen, ein so hohes Werk zu befördern, so wird er ihnen allen vom Hängen predigen oder ihnen sein wunderbarlich Schwert weisen und sie also erstlich mit Güte, endlich mit Ernst, Erschrecken und Bedrohungen dahin bringen, daß sie ad rem schreiten und mit ihren halsstarrigen falschen Meinungen die Welt nicht mehr wie vor alters foppen. Nach erlangter Einigkeit wird er ein groß Jubelfest anstellen und der ganzen Welt diese geläuterte Religion publizieren; und welcher alsdann darwider glaubet, den wird er mit Schwefel und Pech martyrisieren oder einen solchen Ketzer mit Buchsbaum bestecken und dem Plutoni zum Neuen Jahr schenken. Jetzt weißt du, lieber Ganymede, alles, was du zu wissen begehret hast; nun sage mir aber auch, was die Ursache ist, daß du den Himmel verlassen, in welchem du mir so manchen köstlichen und vortrefflichen Trunk Nektar eingeschenkt hast.«

Das 6. Kapitel
Das sechste Kapitel.
Simplex hört weiter von Jove erdicht,
Was die Flöh haben bei ihm ausgericht.

Ich gedachte bei mir selbst: Der Kerl dörfte vielleicht kein Narr sein, wie er sich stellet, sondern mirs kochen, wie ichs zu Hanau gemacht, um desto besser von uns durchzukommen; gedachte ihn derowegen mit dem Zorn zu probieren, weil man einen Narrn am besten bei solchem erkennet, und sagte: »Die Ursache, daß ich aus dem Himmel kommen, ist, daß ich dich selbst darin mangelte, nahm derowegen des Dädali Flügel und flog auf Erden, dich zu suchen. Wo ich aber nach dir fragte, fand ich, daß man dir aller Orten und Enden ein schlechtes Lob verliehe, dann Zoilus und Moscus haben dich und alle andere Götter in der ganzen weiten Welt vor so verrucht, leichtfertig und stinkend ausgeschrieen, daß ihr bei den Menschen allen Kredit verloren. Du selbst, sagen sie, seist ein filzlausiger ehebrecherischer Hurenhengst. Mit was vor Billigkeit du dann die Welt wegen solcher Laster strafen mögest? Vulcanus sei ein gedultiger Hahnrei und habe den Ehebruch Martis ohn sonderbare namhafte Rache müssen hingehen lassen; was der hinkende Gauch dann vor Waffen werde schmieden können? Venus sei selbsten die verhaßteste Vettel von der Welt wegen ihrer Unkeuschheit; was sie dann vor Gnade und Gunst einem andern werde mitteilen können? Mars sei ein Mörder und Rauber, Apollo ein [194] unverschämter Hurenjäger, Mercurius ein unnützer Plauderer, Dieb und Kuppler, Priapus ein Unflat, Hercules ein hirnschelliger Wüterich, und kurzab, die ganze Schar der Götter sei so verrucht und leichtfertig, daß man sie sonst nirgendshin als in des Augei Stall logieren sollte, welcher ohndas durch die ganze Welt stinkt.« – »Ach!« sagte Jupiter, »wär es ein Wunder, wann ich meine Güte beiseitsetzte und diese heillose Ehrendiebe und Gott schändende Verleumder mit Donner und Blitz verfolgte? Was dünket dich, mein getreuer und allerliebster Ganymede? Soll ich diese Schwätzer mit ewigem Durst plagen wie den Tantalum? oder soll ich sie neben dem mutwilligen Plauderer Daphitas auf dem Berg Therace aufhängen lassen? oder sie mit Anaxarcho in einem Mörsel zerstoßen? oder soll ich sie zu Agrigento in Phalaris' glühenden Ochsen stecken? Nein, nein! Ganymede! diese Strafen und Plagen sind alle miteinander viel zu gering. Ich will der Pandorae Büchse von neuem füllen und selbe den Schelmen auf ihre heillose Köpfe ausleeren lassen; die Nemesis soll die Alecto, Megaera und Tesiphone erwecken und ihnen über den Hals schicken, und Hercules soll den Cerberum vom Pluto entlehnen und diese böse Buben damit hetzen wie die Wölfe. Wann ich sie dann dergestalt genugsam gejaget, gepeiniget und geplaget haben werde, so will ich sie erst neben den Hesiodum und Homerum in das höllische Haus an eine Säule binden und sie durch die Eumenides ohn einzige Erbarmung ewiglich abstrafen lassen.« Indem Jupiter so drohete, zog er in Gegenwart meiner und der ganzen Partei die Hosen herunter ohn einzige Scham und stöberte die Flöhe daraus, welche ihn, wie man an seiner sprenklichten Haut wohl sahe, schröcklich tribuliert hatten. Ich konnte mir nicht einbilden, was es abgeben sollte, bis er sagte: »Schert euch fort, ihr kleine Schinder! Ich schwöre euch beim Styx, daß ihr in Ewigkeit nicht erhalten sollet, was ihr so sorgfältig sollizitiert!« Ich fragte ihn, was er mit solchen Worten meine? Er antwortete, daß das Geschlecht der Flöhe, als sie vernommen, daß er auf Erden kommen sei, ihre Gesandten zu ihm geschickt hätten, ihn zu komplimentieren. Diese hätten ihm darneben angebracht, obzwar er ihnen die Hundshäute zu bewohnen assigniert, daß dannoch zuzeiten wegen etlicher Eigenschaften, welche die Weiber an sich hätten, teils aus ihnen sich verirreten und den Weibern in die Pelze gerieten; solche verirrete arme Tropfen aber würden von den Weibern übel traktieret, gefangen und nicht allein ermordet, sondern auch zuvor zwischen ihren Fingern so elendiglich gemartert und zerrieben, daß es einen[195] Stein erbarmen möchte. »Ja,« sagte Jupiter ferner, »sie brachten mir die Sache so beweglich und erbärmlich vor, daß ich Mitleiden mit ihnen haben mußte und also ihnen Hülfe zusagte, jedoch mit Vorbehalt, daß ich die Weiber zuvor auch hören möchte. Sie aber wandten vor, wann den Weibern erlaubet würde, Widerpart zu halten und ihnen zu widersprechen, so wüßten sie wohl, daß sie mit ihren giftigen Hundszungen entweder meine Frömmigkeit und Güte betäuben, die Flöhe selbsten aber überschreien oder aber durch ihre liebliche Worte und Schönheit mich betören und zu einem falschen, ihnen höchst nachteiligen Urteil verleiten würden; mit fernerer Bitte, ich wollte sie ihrer untertänigen Treue genießen lassen, welche sie mir allezeit erzeiget und ferner zu leisten gedächten, indem sie allezeit am nächsten darbei gewesen und am besten gewußt hätten, was zwischen mir und der Jo, Kallisto, Europa und andern mehr vorgangen, hätten aber niemals nichts aus der Schule geschwätzt, noch der Juno, wiewohl sie sich auch bei ihr pflegten aufzuhalten, einziges Wort gesagt, maßen sie sich noch solcher Verschwiegenheit beflissen, wie dann kein Mensch bis dato (unangesehen sie sich gar nahe bei allen Buhlschaften finden ließen) von ihnen wie Apollo von den Raben etwas dergleichen erfahren hätte. Wann ich aber je zulassen wollte, daß die Weiber sie in ihren Bann jagen, fangen und nach Waidmanns Recht metzeln dörften, so wäre ihre Bitte, zu verschaffen, daß sie hinfort mit einem heroischen Tod hingerichtet und entweder mit einer Axt wie Ochsen niedergeschlagen oder wie Wildpret gefället würden, und nicht mehr so schimpflich zwischen ihren Fingern zerquetschen und radbrechen sollten, wodurch sie ohndas ihre eigene Glieder, damit sie oft was anders berührten, zu Henkersinstrumenten machten, welches allen ehrlichen Mannsbildern eine große und unausleschliche Schande wäre. Ich sagte: ›Ihr Herren müßt sie greulich quälen, weil sie euch so schröcklich tyrannisieren!‹ – ›Jawohl,‹ gaben sie mir zur Antwort, ›sie sind uns sonst so neidig und vielleicht darum, daß sie sorgen, wir sehen, hören und empfinden zuviel, eben als ob sie unsrer Verschwiegenheit nicht genugsam versichert wären. Was wollte es sein? Können sie uns doch in unserm eigenen Territorio nicht leiden, gestalt manche ihr Schoßhündlein mit Bürsten, Kämmen, Seifen, Laugen und andern Dingen dermaßen durchstreift, daß wir unser Vatterland notdringlich quittieren und andere Wohnungen suchen müssen, unangesehen sie solche Zeit besser anlegen und etwan ihre eigene Kinder von den Läusen säubern könnten.‹ Darauf erlaubte ich ihnen, bei mir einzukehren und meinen menschlichen Leib [196] ihre Beiwohnung, Tun und Lassen empfinden zu machen, damit ich ein Urteil darnach fassen und aussprechen könnte. Da fieng das Lumpengesind an, mich zu geheien, daß ich sie, wie ihr gesehen habet, wieder abschaffen müssen. Ich will ihnen ein Privilegium auf die Nase hofieren, daß sie die Weiber verrieblen und vertrieblen mögen, wie sie wollen; ja wann ich selbst so einen schlimmen Kunden ertappe, will ichs ihm nicht besser machen.«

Das 7. Kapitel
Das siebente Kapitel.
Simplex, der Jäger, macht abermal Beuten
Und gelangt wieder nach Soest mit Freuden.

Wir dorften nicht rechtschaffen lachen, beides, weil wir sich stillhalten mußten und weils der Phantast nicht gern hatte, wovon Springinsfeld hätte zerbersten und zerspringen mögen. Eben damals zeigte unsere hohe Wacht an, die wir auf einem Baum hatten, daß er in der Ferne etwas kommen sehe. Ich stieg auch hinauf und sahe durch mein Perspektiv, daß es zwar die Fuhrleute sein müßten, denen wir aufpaßten; sie hatten aber niemand zu Fuß, sondern ungefähr etlich und dreißig Reuter zur Konvoi bei sich. Dahero konnte ich mir die Rechnung leicht machen, daß sie nicht oben durch den Wald, darin wir lagen, gehen, sondern sich im freien Feld behelfen würden, da wir ihnen nichts hätten abgewinnen mögen, wiewohl es daselbst einen bösen Weg hatte, der ungefähr 600 Schritte von uns und etwan 300 Schritte vom Ende des Waldes oder Berges durch die Ebne vorbeigieng. Ich wollte ungern so lang daselbst umsonst gelegen oder nur einen Narrn erbeutet haben, machte derhalben geschwind einen andern Anschlag, der mir auch wohl angienge.

Von unsrer Lägerstatt gieng eine Wasserrunze in einer Klämme hinunter (die bequem zu reiten war) gegen dem Feld warts. Deren Ausgang besatzte ich mit 20 Mann, nahm auch selbst meinen Stand bei ihnen und ließ den Springinsfeld schier an dem Ort, wo wir zuvor gelegen waren, sich in seinem Vorteil halten; befahl auch meiner Bursch, wann die Konvoi hinkomme, daß jeder seinen Mann gewiß nehmen sollte, sagte auch jedem, wer Feur geben und welcher seinen Schuß im Rohr zum Vorrat behalten sollte. Etliche alte Kerl sagten, was ich gedächte, und ob ich wohl vermeinte, daß die Konvoi an diesen Ort kommen würde, da sie nichts zu tun hätten und dahin wohl in hundert Jahren kein Baur kommen sei. Andere aber, die da glaubten, [197] ich könne zaubern (maßen ich damals deswegen in einem großen Ruf war), gedachten, ich würde den Feind in unsere Hände bannen. Aber ich brauchte hierzu keine Teufelskunst, sondern nur meinen wohlabgefeimten und durchtriebenen Springinsfeld; dann als die Konvoi, welche ziemlich Truppen hielte, recta gegen uns über vorbeipassieren wollte, fieng Springinsfeld aus meinem Befelch so schröcklich an zu brüllen wie ein Ochs und zu wiehern wie ein Pferd, daß der ganze Wald einen Widerschall davon gab und einer hoch geschworen hätte, es wären Rosse und Rinder vorhanden. Sobald die Konvoi das hörete, gedachten sie, Beuten zu ma chen und an diesem Ort etwas zu erschnappen, das doch in derselben ganzen Gegend nicht anzutreffen, weil das Land ziemlich erödet war. Sie ritten sämtlich so geschwind und unordentlich in unsern Halt, als wann ein jeder der erste hätte sein wollen, die beste Schlappe zu holen, welche es dann so dichte setzte, daß gleich im ersten Willkommen, den wir ihnen gaben, 13 Sättel geläret und sonst noch etliche aus ihnen gequetscht wurden.

Hierauf lief Springinsfeld gegen ihnen die Klämme herunter und schriee: »Jäger, hieher! hieher, Jäger!« davon die Kerl noch mehr erschreckt und so irr wurden, daß sie weder hinter sich, für sich, noch nebenaus reiten konnten, absprangen und sich zu Fuß davonmachen wollten. Aber ich bekam sie alle siebenzehen samt dem Leutenant, der sie kommandiert hatte, gefangen und gieng damit auf die Wägen los, spannete 24 Pferde aus und bekam nur etliche wenige Seidenware und holländische Tücher; dann ich dorfte nicht so viel Zeit nehmen, die Tode zu plündern, geschweige die Wägen recht zu durchsuchen, weil sich die Fuhrleute zu Pferd bald aus dem Staub gemacht, als die Aktion angieng, durch welche ich zu Dorsten hätte verraten und unterwegs wieder aufgehoben werden können. Da wir nun aufgepackt hatten, lief Jupiter auch aus dem Wald und schriee uns nach, ob ihn dann Ganymedes verlassen wollte? Ich antwortete ihm, ja, wann er den Flöhen das begehrte Privilegium nicht mitteilen wollte. »Ich wollte lieber (antwortete er wieder), daß sie miteinander im Cocytho lägen!« Ich mußte lachen, und weil ich ohndas noch läre Pferde hatte, ließ ich den Narren aufsitzen; demnach er aber nicht besser reiten konnte als eine Nuß, mußte ich ihn aufs Pferd binden lassen. Da sagte er, daß ihn unser Scharmützel an diejenige Schlacht gemahnet hätte, welche die Lapithae hiebevor mit den Centauris bei des Pirithoi Hochzeit angefangen hätten.

Wie nun alles vorüber war und wir mit unsern Gefangenen [198] davonpostierten, als ob jemand hinter uns her wäre und uns jagte, bedachte erst der gefangene Leutenant, was er vor einen groben Fehler begangen, daß er nämlich einen so schönen Trupp Reuter dem Feind so unvorsichtig in die Hände geführet und 13 so wackere Kerl auf die Fleischbank geliefert hätte, fieng derowegen an zu desperieren und kündete mir das Quartier wieder auf, das ich ihm selbsten gegeben hatte; ja er wollte mich gleichsam zwingen, ich sollte ihn totschießen lassen, dann er gedachte nicht allein, daß dieses übersehen ihm eine große Schande sein und unverantwortlich fallen, sondern auch an seiner künftigen Beförderung verhinderlich sein würde, wofern es anders nicht gar darzu käme, daß er den Schaden mit seinem Kopf bezahlen müßte. Ich aber sprach ihm zu und hielt ihm vor, daß manchem rechtschaffenem Soldaten das unbeständig Glück seine Tücke bewiesen; ich hätte aber darum noch keinen gesehen, der deswegen verzagt oder gar verzweifelt sei. Sein Beginnen sei ein Zeichen der Kleinmütigkeit; tapfere Soldaten aber gedächten, die empfangene Schäden ein andermal wieder einzubringen und wettzumachen; mich würde er nimmermehr dahin bringen, daß ich das Kartell verletze oder eine so schändliche Tat wider alle Billigkeit und löblicher Soldaten Gewohnheit und Herkommen begienge. Da er nun sahe, daß ich nicht dran wollte, fieng er an mich zu schmähen in Meinung, mich zum Zorn zu bewegen, und sagte, ich hätte nicht aufrecht und redlich mit ihm gefochten, sondern wie ein Schelm und Strauchmörder gehandelt und seinen bei sich gehabten Soldaten das Leben als ein Dieb und Erzkujon abgestohlen, worüber seine eigene Bursch, die wir gefangen hatten, mächtig erschraken, die Meinigen aber ebensosehr ergrimmten, also daß sie ihn wie ein Sieb durchlöchert hätten, wann ichs nur zugelassen, maßen ich genug abzuwehren bekam. Ich aber bewegte mich nicht einmal über seine Reden, sondern nahm beides, Freund und Feind, zum Zeugen dessen, was da geschahe, und ließ ihn, Leutenant, binden und als einen Unsinnigen verwahren; versprach auch ihn, Leutenant, sobald wir in unsern Posten kämen und es meine Offizier zulassen wollten, mit meinen eigenen Pferden und Gewehr, worunter er dann die Wahl haben sollte, auszustaffieren und ihm offentlich mit Pistolen und Degen zu weisen, daß Betrug im Krieg wider seinen Gegenteil zu üben, im Rechten erlaubt sei; warum er nicht bei seinen Wägen geblieben, darauf er bestellt gewesen, oder, da er ja hätte sehen wollen, was im Walde stecke, warum er dann zuvor nicht rechtschaffen hätte rekognoszieren lassen, welches ihm besser angestanden wäre, als daß er jetzund so unsinnige Narrenpossen[199] anfienge, daran sich doch niemand im geringsten kehren würde. Hierüber gaben mir beides, Freund und Feind, recht und sagten, sie hätten unter hundert Parteigängern nicht einen angetroffen, der auf solche Schmäheworte nicht nur den Leutenant totgeschossen, sondern auch alle Gefangene mit der Leiche geschickt hätte. Also brachte ich meine Beute und Gefangene den andern Morgen glücklich in Soest und bekam mehr Ehre und Ruhm von dieser Partei als zuvor nimmer. Jeder sagte: »Dies gibt wieder einen jungen Joh. de Werd!« welches mich trefflich kützelte; aber mit dem Leutenant Kugeln zu wechseln oder zu raufen, wollte der Kommandant durchaus nicht zugeben, dann er sagte, ich hätte ihn schon zweimal überwunden. Je mehr sich nun dergestalt mein Lob wieder vermehrte, je mehr nahm der Neid bei denen zu, die mir ohndas mein Glück nicht gönneten.

Das 8. Kapitel
Das achte Kapitel.
Simplex den Teufel im Weg siehet liegen,
Springinsfeld pflegt schöne Pferd zu kriegen.

Meines Jupiters konnte ich nicht los werden, dann der Kommandant begehrte ihn nicht, weil nichts an ihm zu ropfen war, sondern sagte, er wollte mir ihn schenken. Also bekam ich einen eigenen Narrn und dorfte keinen kaufen, wiewohl ich das Jahr zuvor selbst vor einen mich hatte gebrauchen lassen müssen. So wunderlich ist das Glück und so veränderlich die Zeit! Kurz zuvor tribulierten mich die Läuse, und jetzt hatte ich den Flöhegott in meiner Gewalt. Vor einem halben Jahr dienete ich einem schlechten Dragoner vor einen Jungen; nunmehro aber vermochte ich zween Knechte, die mich Herr hießen. Es war noch kein Jahr vergangen, daß mir die Buben nachliefen, mich zur Hure zu machen; jetzt war es an dem, daß die Mägdlein selbst aus Liebe sich gegen mir vernarrten. Also ward ich beizeiten gewahr, daß nichts Beständigers in der Welt ist als die Unbeständigkeit selbsten. Dahero mußte ich sorgen, wann das Glück einmal seine Mucken gegen mich auslasse, daß es mir meine jetzige Wohlfahrt gewaltig eintränken würde.

Damals zog der Graf von der Wahl als Obrister- Gubernator des Westfälischen Kreises aus allen Garnisonen einzige Völker zusammen, eine Cavalcada durchs Stift Münster gegen der Vecht, Meppen, Lingen und der Orten zu tun, vornehmlich [200] aber zwo Kompagnien hessische Reuter im Stift Paderborn auszuheben, welche zwo Meilen von Paderborn lagen und den Unserigen daselbst viel Dampfs antäten. Ich ward unter unsern Dragonern mitkommandiert, und als sie einzige Truppen zum Hamm gesammlet, giengen wir schnell fort und berannten bemeldter Reuter Quartier, welches ein schlechtverwahrtes Städtlein war, bis die Unserige hernachkamen. Sie unterstunden durchzugehen, wir jagten sie aber wieder zurück in ihr Nest. Es ward ihnen angeboten, sie ohn Pferd und Gewehr, jedoch mit dem, was der Gürtel beschließe, passieren zu lassen; aber sie wollten sich nicht darzu verstehen, sondern mit ihren Karbinern wie Musketierer wehren. Also kam es darzu, daß ich noch dieselbe Nacht probieren mußte, was ich vor Glück im Stürmen hätte, weil die Dragoner vorangiengen; da gelang es mir so wohl, daß ich samt dem Springinsfeld gleichsam mit den ersten ganz unbeschädigt in das Städtlein kam. Wir leerten die Gassen bald, weil niedergemacht ward, was sich im Gewehr befand, und sich die Bürger nicht hatten wehren wollen; also gieng es mit uns in die Häuser. Springinsfeld sagte, wir müßten ein Haus vornehmen, vor welchem ein großer Haufen Mist läge; dann in denselben pflegten die reichste und wohlhabenste Kauzen zu sitzen, denen man gemeiniglich die Offizierer einlogierte. Darauf griffen wir ein solches an, in welchem Springinsfeld den Stall, ich aber das Haus zu visitieren vornahm, mit dieser Abrede, daß jeder dasjenige, was er bekäm, mit dem andern parten sollte. Also zündete jeder seinen Wachsstock an; ich rufte nach dem Vatter im Haus, kriegte aber keine Antwort, weil sich jedermann versteckt hatte, geriet indessen in eine Kammer, fand aber nichts als ein lär Bette darin und einen beschlossenen Trog; den hämmerte ich auf, in Hoffnung, etwas Kostbares zu finden: aber da ich den Deckel auftät, richtete sich ein kohlschwarzes Ding gegen mir auf, welches ich vor den Luzifer selbst ansahe. Ich kann schwören, daß ich mein Lebtag nie so erschrocken bin als eben damals, da ich diesen schwarzen Teufel so unversehens erblickte. »Daß dich dieser und jener erschlage!« sagte ich gleichwohl in solchem Schröcken und zuckte mein Äxtlein, damit ich den Trog aufgemacht, und hatte doch das Herz nicht, ihm solches in Kopf zu hauen. Er aber knieete nieder, hub die Hände auf und sagte: »Min leve Heer, ick bidde ju doer Gott, schinckt mi min Levend!« Da hörete ich erst, daß es kein Teufel war, weil er von Gott redete und um sein Leben bat, sagte demnach, er sollte sich aus dem Trog geheien. Das tät er und gieng mit mir so nackend, wie ihn Gott erschaffen hatte. Ich schnitt ein Stück von meinem Wachsstock [201] und gabs ihm, mir zu leuchten; das tät er gehorsamlich und führete mich in ein Stüblein, da ich den Hausvatter fand, der samt seinem Gesind dies lustige Spektakul ansahe und mit Zittern und demütigen Worten umb sein Leben und um Gnade bat. Diese erhielte er leicht, weil wir den Bürgern ohndas nichts tun dorften und er mir des Rittmeisters Bagage, darunter ein ziemlich wohl gespickt verschlossen Felleisen war, einhändigte mit Bericht, daß der Rittmeister und seine Leute bis auf einen Knecht und gegenwärtigen Mohren, sich zu wehren, auf ihre Posten gangen wären. Indessen hatte der Springinsfeld besagten Knecht mit sechs gesattelten schönen Pferden auch im Stall erwischt; die stellten wir ins Haus, verriegelten solches und ließen den Mohren sich anziehen, den Wirt aber auftragen, was er vor seinen Rittmeister zurichten müssen. Als aber die Tore geöffnet, die Posten besetzt und unser Generalfeldzeugmeister, Herr Graf von der Wahl, eingelassen ward, nahm er sein Logiment in ebendemselben Haus, darin wir uns befanden; darum mußten wir bei finsterer Nacht wieder ein ander Quartier suchen. Das fanden wir bei unsern Kameraden, die auch mit Sturm ins Städtlein kommen waren; bei denselbigen ließen wir uns wohl sein und brachten den übrigen Teil der Nacht mit Fressen und Saufen und trefflichem Wohl leben zu, nachdem ich und Springinsfeld miteinander unsere Beuten geteilet hatten. Ich bekam vor mein Teil den Mohren und die zwei besten Pferde, darunter ein spanisches war, auf welchem ein Soldat sich gegen seinem Gegenteil dorfte sehen lassen, mit dem ich nachgehends nicht wenig prangte. Aus dem Felleisen aber kriegte ich unterschiedliche köstliche Ringe und in einer güldenen Kapsel, mit Rubinen besetzt, des Prinzen von Uranien Conterfait, weil ich dem Springinsfeld das übrige alles ließe; kam also, wann ich alles halber hinweg hätte schenken wollen, mit Pferden und allem über die 200 Dukaten; vor den Mohren aber, der mich am allersaursten ankommen war, ward mir vom Gen.-Feldzeugmeister, als welchen ich ihm präsentierte, nicht mehr als zwei Dutzet Taler verehret. Von dannen giengen wir schnell an die Ems, richteten aber wenig aus; und weil sichs eben traf, daß wir auch gegen Recklinghausen zu kamen, nahm ich Erlaubnus, mit Springinsfeld meinem Pfaffen zuzusprechen, dem ich hiebevor den Speck gestohlen hatte. Mit demselben machte ich mich lustig und erzählte ihm, daß mir der Mohr den Schröcken, den er und seine Köchin neulich empfunden, wieder eingetränkt hätte, verehrte ihm auch eine schöne schlagende Halsuhr zum freundlichen Valete, so ich aus des Rittmeisters Felleisen bekommen hatte; [202] pflegte also allerorten diejenige zu Freunden zu machen, so sonsten Ursache gehabt hätten, mich zu hassen.

Das 9. Kapitel
Das neunte Kapitel.
Simplex tut Meldung vom ungleichen Kampf,
Schießt einen, daß von ihm gehet der Dampf.

Meine Hoffart vermehrete sich mit meinem Glück, daraus endlich nichts anders als mein Fall erfolgen konnte. Ungefähr eine halbe Stunde von Rehnen kampierten wir, als ich mit meinem besten Kameraden Erlaubnus begehrte, in dasselbe Städtlein zu gehen, etwas an unserm Gewehr flicken zu lassen, so wir auch erhielten. Weil aber unsre Meinung war, sich einmal rechtschaffen miteinander lustig zu machen, kehreten wir im besten Wirtshaus ein und ließen Spielleute kommen, die uns Wein und Bier hinuntergeigen mußten. Da giengs in floribus her und blieb nichts unterwegen, was nur dem Geld wehe tun möchte, ja ich hielt Bursch von andern Regimentern zu Gast und stellete mich nicht anders als wie ein junger Prinz, der Land und Leute vermag und alle Jahr ein groß Geld zu verzehren hat. Dahero ward uns auch besser als einer Gesellschaft Reuter, die gleichfalls dort zehrete, aufgewartet, weils jene nicht so toll hergehen ließen; das verdroß sie und fiengen an, mit uns zu kippeln. »Woher kommts« sagten sie untereinander, »daß diese Stiegelhupfer« (dann sie hielten uns vor Musketierer, maßen kein Tier in der Welt ist, das einem Musketierer gleicher siehet als ein Dragoner, und wann ein Dragoner vom Pferd fällt, so stehet ein Musketierer wieder auf) »ihre Heller so weisen?« Ein anderer antwortet: »Jener Säugling ist gewiß ein Strohjunker, dem seine Mutter etliche Milchpfennige geschicket, die er jetzo seinen Kameraden spendiert, damit sie ihn künftig irgendswo aus dem Dreck oder etwan durch einen Graben tragen sollen.« Mit diesen Worten zieleten sie auf mich, dann ich ward vor einen jungen Edelmann bei ihnen angesehen. Solches ward mir durch die Kellerin hinterbracht; weil ichs aber nicht selbst gehört, konnte ich anders nichts darzu tun, als daß ich gleich darauf ein groß Bierglas mit Wein einschenken und solches auf Gesundheit aller rechtschaffenen Musketierer herumgehen, auch jedesmal solchen Alarm darzu machen ließ, daß keiner sein eigen Wort hören konnte. Das verdroß sie noch mehr, derowegen sagten sie offentlich: »Was Teufels haben doch die Stiegelhupfer [203] vor ein Leben?« Springinsfeld antwortete: »Was gehets die Stiefelschmierer an?« Das gieng ihm hin, dann er sahe so gräßlich drein und machte so grausame und bedrohliche Mienen, daß sich keiner an ihn reiben dorfte. Doch stieß es ihnen wieder auf, und zwar einen ansehnlichen Kerl, der sagte: »Und wann sich die Maurenscheißer auch auf ihrem Mist (er vermeinte, wir lägen da in der Garnison, weil unsere Kleidungen nicht so wetterfärbig aussahen wie derjenigen Musketierer, die Tag und Nacht im Felde liegen) nicht so breit machen dörften, wo wollten sie sich dann sehen lassen? Man weiß ja wohl, daß jeder von ihnen in offenen Feldschlachten unser Raub sein muß, gleichwie die Taube eines jeden Stoßfalken!« Ich antwortete ihm: »Wir müssen Städt und Festungen einnehmen, und solche werden uns auch zu verwahren vertrauet, dahingegen ihr Reuter auch vor dem geringsten Rattennest keinen Hund aus dem Ofen locken könnet. Warum wollten wir sich dann in dem, was mehr unser als euer ist, nicht dörfen lustig machen?« Der Reuter antwortete: »Wer Meister im Felde ist, dem folgen die Festungen; daß wir aber die Feldschlachten gewinnen müssen, folget aus dem, daß ich so drei Kinder, wie du eins, bist, mitsamt ihren Musketen nicht allein nicht forchten, sondern ein paar davon auf den Hut stecken und den dritten erst fragen wollte, wo deiner noch mehr wären? Und säße ich nur bei dir,« sagte er gar höhnisch, »so wollte ich dem Junker Glattmaul zu Bestätigung der Wahrheit ein paar Dachteln geben!« Ich antwortete ihm: »Obzwar ich vermeine, ein so gut paar Pistolen zu haben als du, wiewohl ich kein Reuter, sondern nur ein Zwidder zwischen ihnen und den Musketierern bin, schau! so hat doch ein Kind das Herz, mit seiner Musketen allein einem solchen Prahler zu Pferd, wie du einer bist, gegen all seinem Gewehr im freien Feld nur zu Fuß zu erscheinen.« – »Ach! du Kujon,« sagte der Kerl, »ich halte dich vor einen Erz-Bärnhäuter, wann du nicht, wie ein redlicher von Adel, alsbald deinen Worten eine Kraft gibest.« Hierauf warf ich ihm einen Handschuh zu und sagte: »Siehe da, wann ich diesen im freien Feld durch meine Muskete nicht zu Fuß wieder von dir bekomme, so habe gnugsame Macht und Gewalt, mich vor denjenigen zu halten und auszuschreien, wie mich deine Vermessenheit gescholten hat.« Hierauf zahlten wir den Wirt, und der Reuter, als mein Antagonist und Widerpart, machte seinen Karbiner und Pistolen, ich aber meine Muskete fertig; und da er mit seinen Kameraden von uns an den bestimmten Ort ritt, sagte er zu meinem Springinsfeld, er sollte mir nur allgemach das Grab bestellen. [204] Dieser aber antwortete ihm, er möchte solches auf eine Vorsorge seinen eigenen Kameraden vor ihn selbst zu bestellen anbefehlen; mir aber verwies er meine Frechheit und sagte unverhohlen, er besorge, ich werde aus dem letzten Loch pfeifen. Ich lachte hingegen, weil ich mich schon vorlängst besonnen hatte, wie ich einem wohlmondierten Reuter begegnen müsse, wann mich einmal einer zu Fuß mit einer Muskete im weiten Feld feindlich angreifen sollte. Da wir nun an den Ort kamen, wo der Betteltanz angehen sollte, hatte ich meine Muskete bereits mit zweien Kugeln geladen, frisch Zindkraut aufgerührt und den Deckel auf der Zündpfanne mit Unschlitt verschmiert, wie vorsichtige Musketierer zu tun pflegen, wann sie das Zindloch und Pulver auf der Pfannen im Regenwetter vor Wasser verwahren wollen.

Eh wir nun auf einander giengen, bedingten beiderseits Kameraden miteinander, daß wir uns im freien Feld angreifen und zu solchem Ende der eine von Ost, der ander aber von West in ein umgezäuntes Feld eintretten sollten, und alsdann möge ein jeder sein Bestes gegen dem andern tun, wie ein Soldat tun soll, welcher dergestalt seinen Feind vor Augen kriegt. Es sollte sich auch weder vor, in, noch nach dem Kampf keiner von beiden Parteien unterstehen, seinem Kameraden zu helfen, noch dessen Tod oder Beschädigung zu rächen. Als sie solches einander mit Mund und Hand versprochen hatten, gaben ich und mein Gegner einander auch die Hände und verziehe je einer dem andern seinen Tod; in welcher allerunsinnigsten Torheit, welche je ein vernünftiger Mensch begehen kann, ein jeder hoffte, seiner Gattung Soldaten das Prä zu erhalten, gleichsam als ob des einen oder andern Teils Ehre und Reputation an dem Ausgang unsers teuflischen und höchst freveln Beginnens gelegen gewesen wäre. Da ich nun an meinem bestimmten Ende mit doppeltbrennendem Lunden in angeregtes Feld trat und meinen Gegenteil vor Augen sahe, stellete ich mich, als ob ich das alte Zindkraut im Gang abschütte; ich täts aber nicht, sondern rührte Zindpulver nur auf den Deckel meiner Zindpfanne, blies ab und paßte mit zween Fingern auf der Pfanne auf, wie bräuchlich ist; und eh ich meinem Gegenteil, der mich auch wohl im Gesicht hielt, das Weiße in Augen sehen konnte, schlug ich auf ihn an und brannte mein falsch Zündkraut auf dem Deckel der Pfannen vergeblich hinweg. Mein toller Gegner vermeinte, die Muskete hätte mir versagt und das Zündloch wäre mir verstopft, sprengte derowegen mit einer Pistol in der Hand gar zu begierig recta auf mich dar in Meinung, mir meinen Frevel zu bezahlen und den letzten Rest[205] zu geben. Aber eh er sichs versahe, hatte ich die Pfanne offen und wieder angeschlagen, hieß ihn auch dergestalt willkommen sein, daß Knall und Fall eins war.

Ich retirierte mich hierauf zu meinen Kameraden, die mich gleichsam küssend empfiengen; die seinige aber entledigten ihn aus seinem Stegraif und täten gegen ihm und uns wie redliche Kerl, maßen sie mir auch meinen Handschuh mit großem Lob wieder schickten. Aber da ich mein Ehre am größten zu sein schätzte, kamen 25 Musketierer aus Rehnen, welche mich und meine Kameraden gefangennahmen. Ich zwar ward alsbald in Ketten und Banden geschlossen und der Generalität überschickt, weil alle Duell bei Leib- und Lebensstraf verbotten waren.

Das 10. Kapitel
Das zehnte Kapitel.
Simplex wird vom Feldzeugmeister befreiet,
Machet ihm Hoffnung, die ihm nicht gedeiet.

Demnach unser Generalfeldzeugmeister strenge Kriegsdisziplin zu halten pflegte, besorgte ich die Verlierung meines Kopfs. Hingegen hatte ich noch Hoffnung, davonzukommen, weil ich bereits in so blühender Jugend jederzeit mich gegen dem Feind wohl gehalten und einen großen Ruf und Namen der Tapferkeit erworben. Doch war solche Hoffnung ungewiß, weil dergleichen täglichen Händel halber die Notdurft erfodert, ein Exempel zu statuieren. Die Unserige hatten eben damals ein festes Rattennest berennet und auffodern lassen, aber eine abschlägige Antwort bekommen, weil der Feind wußte, daß wir kein grob Geschütz führten. Derowegen ruckte unser Graf von der Wahl mit dem ganzen Corpo vor besagten Ort, begehrte durch einen Trompeter abermal die Übergabe und drohete zu stürmen; es erfolgte aber nichts anders als dieses nachgesetzte Schreiben:


»Hochwohlgeborner Graf, etc. Aus E. Gräfl. Exzell. an mich Abgelassenem habe vernommen, was Dieselbe im Namen der Röm. Kais. Maj. an mich gesinnen. Nun wissen aber Euer Hoch-Gräfl. Exzell., Dero hohen Vernunft nach, wie übelanständig, ja unverantwortlich einem Soldaten fallen würde, wann er einen solchen Ort, wie dieser ist, dem Gegenteil ohn sonderbare Not einhändigte: wessentwegen Dieselbe mich dann verhoffentlich nicht verdenken werden, wann ich mich befleißige zu verharren, bis die Waffen Euer Exzell. dem Ort zusprechen. Kann aber E. Exzell. meine Wenigkeit außerhalb Herrendiensten [206] in ichtwas zu gehorsamen die Gelegenheit haben, so werde ich sein

Eu. Exzell.

Allerdienstwilligster Diener


N.N.«


Hierauf ward in unserm Läger unterschiedlich von dem Ort diskuriert; dann solches liegen zu lassen, war gar nicht ratsam, zu stürmen ohn eine Presse hätte viel Blut gekostet und wäre doch noch mißlich gestanden, ob mans übermeistert hätte oder nicht. Hätte man aber erst die Stücke und alle Zugehör von Münster oder Hamm herholen sollen, so wäre gar viel Mühe, Zeit und Unkosten darauf geloffen. Indem man nun bei Großen und Kleinen ratschlagte, fiel mir ein, ich sollte mir diese Okkasion zunutz machen, um mich zu erledigen. Also gebot ich meinem Witz und allen fünf Sinnen zusammen und bedachte mich, wie man den Feind betrügen möchte, weils nur an den Stücken mangelte. Und weil mir gleich zufiel, wie der Sache zu tun sein möchte, ließ ich meinen Obristleutenant wissen, daß ich Anschläge hätte, durch welche der Ort ohne Mühe und Unkosten zu bekommen wäre, wann ich nur Perdon erlangen und wieder auf freien Fuß gestellet werden könnte. Etliche alte und versuchte Soldaten lachten darüber und sagten: »Wer hangt, der langt! Der gute Gesell gedenket, sich loszuschwätzen!« Aber der Obristleutenant selbst und andere, die mich kannten, nahmen meine Reden an wie einen Glaubensartikul, weswegen er selbsten zum Generalfeldzeugmeister gieng und demselben mein Vorgeben anbrachte, mit Erzählung vielen Dings, das er von mir zu sagen wußte. Weil dann nun der Graf hiebevor vom Jäger gehöret hatte, ließ er mich vor ihn bringen und so lang meiner Bande entledigen. Der Graf hielt eben Tafel, als ich hinkam, und mein Obristleutenant erzählte ihm, als ich verwichenen Frühling meine erste Stunde unter St. Jakobspforte zu Soest Schildwacht gestanden, sei unversehens ein starker Platzregen mit großem Donner und Sturmwind kommen, deswegen sich jedermann aus dem Feld und den Gärten in die Stadt salviert, und weil das Gedräng beides, von Laufenden und Reitenden, ziemlich dick worden, hätte ich schon damals den Verstand gehabt, der Wacht ins Gewehr zu rufen, weil in solchem Geläuf eine Stadt am besten einzunehmen seie, welches manchem alten Soldaten nicht eingefallen wäre. »Zuletzt«, sagte der Obristleutenant ferner, »kam ein altes Weib ganz tropfnaß daher, die sagte, eben als sie[207] beim Jäger vorbeipassierte: ›Ja, ich habe dies Wetter schon wohl 14 Tage in meinem Rucken stecken gehabt!‹ Als der Jäger solches hörete und eben einen Stecken in Händen hatte, schlug er sie damit übern Buckel und sagte: ›Du alte Hex, hast dus dann nicht eher herauslassen können? Hast du eben müssen warten, bis ich anfahe, Schildwacht zu stehen?‹ Da ihm aber sein Offizier abwehrete, antwortete er: ›Es geschiehet ihr recht! Das alte Rabenaas hat schon vor vier Wochen gehört, daß jedermann nach einem guten Regen geschrien, warum hat sie ihn den ehrlichen Leuten nicht eher gegönnet? so wäre vielleicht Gerste und Hopfen besser geraten!‹, worüber der Generalfeldzeugmeister, wiewohl er sonst ein ernsthafter Herr war, trefflich lachte. Ich aber gedachte: ›Erzählt der Obristleutenant dem Grafen solche Schwachheiten und Narrnpossen, so hat er ihm gewiß auch nicht verschwiegen, was ich sonst angestellet habe.‹ Ich aber ward vorgelassen.«

Als mich nun der Generalfeldzeugmeister fragte, was mein Anbringen wäre, antwortete ich: »Gnädiger Herr! etc. Obzwar mein Verbrechen und E. Exzell. rechtmäßig Gebot und Verbot mir beide das Leben absprechen, so heißet mich jedoch meine alleruntertänigste Treue (die ich Dero Röm. Kais. Maj., meinem Allergnädigsten Herrn, bis in Tod zu leisten schuldig bin) einen Weg als den andern meines wenigen Orts dem Feind einen Abbruch tun und erst Allerhöchstgedachter Röm. Kais. Maj. Nutzen und Kriegswaffen befördern.« Der Graf fiel mir in die Rede und sagte: »Hast du mir nicht neulich den Mohren gebracht?« Ich antwortete: »Ja, gnädiger Herr!« Da sagte er: »Wohl! dein Fleiß und Treue möchte vielleicht meritiern, dir das Leben zu schenken; was hast du aber vor einen Anschlag, den Feind aus gegenwärtigem Ort zu bringen ohn sonderbaren Verlust der Zeit und Mannschaft?« Ich antwortete: »Weil der Ort vor grobem Geschütz nicht bestehen kann, so hält meine Wenigkeit davor, der Feind würde bald akkordiern, wann er nur eigentlich glaubte, daß wir Stücke bei uns haben.« – »Das hätte mir wohl ein Narr gesagt,« antwortete der Graf, »wer wird sie aber überreden, solches zu gläuben?« Ich antwortete: »Ihre eigene Augen. Ich habe ihre hohe Wacht mit einem Perspektiv gesehen; die kann man betrügen; wann man nur etliche Blöcher, den Brunnenteichlen gleich, auf Wägen ladet und dieselbe mit einem starken Gespann in das Feld führet, so werden sie schon glauben, es sein grobe Stück, vornehmlich wann E. Gräfl. Exzell. irgendswo im Feld etwas aufwerfen läßt, als ob man Stücke dahin pflanzen wollte.« – »Mein [208] liebes Bürschlein!« antwortete der Graf, »es sein keine Kinder darin; sie werden diesem Spiegelfechten nicht glauben, sondern die Stücke auch hören wollen; und wann der Posse dann nicht angehet,« sagte er zu den umstehenden Offizierern, »so werden wir von aller Welt verspottet!« Ich antwortete: »Gnädiger Herr! ich will schon Stücke in ihren Ohren lassen klingen, wann man nur ein paar Doppelhaken und ein ziemlich groß Faß haben kann; allein wird ohn den Knall sonst kein Effekt vorhanden sein. Sollte aber ja wider Verhoffen die Sache nicht angehen und man nur Spott damit erlangen, so werde ich, der Inventor, weil ich ohndas sterben muß, solchen Spott mit mir dahinnehmen und denselben mit meinem Leben aufheben.« Obzwar nun der Graf nicht daran wollte, so persuadierte ihn jedoch mein Obristleutenant dahin, dann er sagte, daß ich in dergleichen Sachen so glückselig sei, daß er im wenigsten zweifele, daß dieser Posse nicht auch angehen werde. Derowegen befahl ihm der Graf, die Sache anzustellen, wie er vermeinte, daß sichs tun ließe, und sagte im Scherz zu ihm, die Ehre, so er damit erwürbe, sollte ihm allein zustehen.

Also wurden drei solche Blöcher zuwegen gebracht und vor jedes 24 Pferde gespannet, wiewohl nur zwei genug gewesen wären; diese führten wir gegen Abend dem Feind ins Gesicht; indessen aber hatte ich auch drei Doppelhaken und ein Stückfaß, so wir von einem Schloß bekamen, unterhanden, und richtete ein und anders zu, wie ichs haben wollte; das ward bei Nacht zu unsrer visierlichen Artollerei verschafft. Den Doppelhaken gab ich zweifache Ladung und ließ sie durch berührtes Faß (dem der vördere Boden benommen war) losgehen, gleich ob es drei Losungschüsse hätten sein sollen; das donnerte dermaßen, daß jedermann Stein und Bein geschworen hätte, es wären Quartierschlangen oder halbe Kartaunen gewesen. Unser Generalfeldzeugmeister mußte der Gaukelfuhre von Herzen lachen und ließ dem Feind abermal einen Akkord anbieten mit dem Anhang, wann sie sich nicht noch diesen Abend bequemen würden, daß es ihnen morgen nicht mehr so gut werden sollte. Darauf wurden alsbald beiderseits Geisel geschickt, der Akkord geschlossen und uns noch dieselbige Nacht ein Tor der Stadt eingegeben, welches mir trefflich zugut kam, dann der Graf ließ alsobald sehen, wie hoch er mich ästimierte, schenkte mir nicht allein das Leben, das ich kraft seines Verbots verwürkt hatte, sondern ließ mich noch selbige Nacht auf freien Fuß stellen und befahl dem Obristleutenant in meiner Gegenwart, daß er mir das erste Fähnlein, so ledig würde, geben sollte, welches ihm aber ungelegen war, [209] dann er hatte der Vettern und Schwäger so viel, die aufpaßten, daß ich vor denselben nicht zugelassen werden konnte.

Das 11. Kapitel
Das elfte Kapitel.
Simplex erzählt unterschiedliche Sachen,
Die nicht gar wichtig, doch Lustbarkeit machen.

Es begegnete mir auf demselbigen Marsch nichts Merkwürdiges mehr. Da ich aber wieder nach Soest kam, hatten mir die lippstädtische Hessen meinen Knecht, den ich bei meiner Bagage im Quartier gelassen, samt einem Pferd auf der Waid hinweggefangen. Von demselben erkündigte der Gegenteil mein Tun und Lassen, dahero hielten sie mehr von mir als zuvor, weil sie hiebevor durch das gemeine Geschrei beredet worden, zu glauben, daß ich zaubern könnte. Er erzählte ihnen auch, daß er einer von denen Teufeln gewesen sei, die den Jäger von Werle auf der Schäferei so erschröckt hatten. Da solches erstbesagter Jäger erfuhr, schämte er sich so sehr, daß er abermal das Reißaus spielete und von Lippstadt zu den Holländern lief. Aber es war mein größtes Glück, daß mir dieser Knecht gefangen worden, maßen aus der Folge meiner Histori zu vernehmen sein wird.

Ich fieng an, mich etwas reputierlicher zu halten als zuvor, weil ich so stattliche Hoffnung hatte, in Bälde ein Fähnlein zu haben. Ich gesellete mich allgemach zu den Offizieren und jungen Edelleuten, die eben auf dasjenige spannten, was ich in Bälde zu kriegen mir einbildete. Diese waren deswegen meine ärgsten Feinde und stelleten sich doch gegen mir als meine beste Freunde; so war mir der Obristleutenant auch nicht so gar grün, weil er Befelch hatte, mich vor seinen Verwandten zu befördern. Mein Hauptmann war mir darum abhold, weil ich mich an Pferden, Kleidern und Gewehr viel prächtiger hielt als er und dem alten Geizhals nicht mehr wie hiebevor spendierte. Er hätte lieber gesehen, daß mir neulich der Kopf hinweggeschlagen, als ein Fähnlein versprochen worden wäre, dann er gedachte, meine schöne Pferde zu erben; so haßte mich mein Leutenant eines einzigen Worts halber, das ich neulich unbedachtsam laufen lassen. Das fügte sich also: Wir waren miteinander in letzter Cavalcada kommandiert, eine gleichsam verlorne Wacht zu halten. Als nun das Schildwachthalten an mir war (welches liegend geschehen mußte, unangesehen es stockfinstre Nacht war), kroch er, Leutenant, auch auf dem Bauch zu mir wie eine Schlange [210] und sagte: »Schildwacht, merkst du was?« Ich antwortete: »Ja Herr Leutenant!« – »Was da? was da?« sagte er. Ich antwortete: »Ich merke, daß sich der Herr förchtet.« Von dieser Zeit an hatte ich kein Gunst mehr bei ihm, und wo es am ungeheursten war, mußte ich fort und ward zum ersten hinkommandieret; ja er suchte an allen Orten und Enden Gelegenheit und Ursache, mir, noch eh ich Fähnrich würde, das Wams auszuklopfen, weil ich mich gegen ihm nicht wehren dörfte. Nicht weniger feindeten mich auch alle Feldwaibel an, weil ich ihnen allen vorgezogen ward. Was aber gemeine Knechte waren, die fiengen auch an, in ihrer Liebe und Freundschaft zu wanken, weil es das Ansehen hatte, als ob ich sie verachte, indem ich mich nicht sonderlich mehr zu ihnen, sondern, wie obgemeldt, zu größern Hansen gesellete, die mich drum nicht desto lieber sahen. Das allerärgste war, daß mir kein einziger Mensch sagte, wie jedermann gegen mir gesinnet; so konnte ichs auch nicht merken, weil mir mancher die besten Worte unter Augen gab, der mich doch lieber tot gesehen hätte! Ich lebte eben dahin wie ein Blinder in aller Sicherheit und ward je länger je hoffärtiger, und wannschon ich wußte, daß es ein oder andern verdroß, so ichs etwan denen von Adel und vornehmen Offizierern mit Pracht bevortät, so ließ ichs drum nicht unterwegen; ich scheuete mich nicht, nachdem ich Gefreiter worden, ein Koller von sechzig Reichstalern, rote scharlachne Hosen und weiße atlassene Ärmel, überall mit Gold und Silber verbrämt, zu tragen, welches damals eine Tracht der höchsten Offizierer war; darum stachs einen jeden in die Augen. Ich war aber ein schröcklich junger Narr, daß ich den Hasen so laufen ließ; dann hätte ich mich anders gehalten und das Geld, das ich aus Hoffart so unnützlich an den Leib hieng, an gehörige Ort und Ende verschmieret, so hätte ich nicht allein das Fähnlein bald bekommen, sondern mir auch nicht so viel zu Feinden gemacht. Ich ließ es aber hierbei noch nicht bleiben, sondern butzte mein bestes Pferd, das Springinsfeld vom hessischen Rittmeister bekommen hatte, mit Sattel, Zeug und Gewehr dergestalt heraus, daß man mich, wann ich darauf saß, gar wohl vor einen andern Ritter St. Georgen hätte ansehen mögen. Nichts vexierte mich mehr, als daß ich mich keinen Edelmann zu sein wußte, damit ich meinen Knecht und Jungen auch in meine Liberei hätte kleiden mögen. Ich gedachte: »Alle Dinge haben ihren Anfang; wann du ein Wappen hast, so hast du schon ein eigne Liberei, und wann du Fähnrich wirst, so mußt du ja ein Petschier haben, wannschon du kein Junker bist.« Ich war nicht lang mit solchen Gedanken schwanger gangen, als ich [211] mir durch einen Comitem Palatinum ein Wappen geben ließ; das waren drei rote Larven in einem weißen Feld und auf dem Helm ein Brustbild eines jungen Narrn in kälbernem Habit mit einem Paar Hasenohren, vorn mit Schellen gezieret; dann ich dachte, dies schickte sich am besten zu meinem Namen, weil ich Simplicius heiße. So wollte ich mich auch des Narrn gebrauchen, mich in meinem künftigen hohen Stand dabei stetigs und fleißig zu erinnern, was ich zu Hanau vor ein Gesell gewesen, damit ich nicht gar zu hoffärtig würde, weil ich mich schon jetzt keine Sau zu sein bedünken ließ. Also ward ich erst rechtschaffen der erste meines Namens, Stammens und Wappens, und wann mich jemand damit foppen wollen, so hätte ich ihm ohn Zweifel einen Degen oder paar Pistolen anpräsentieret.

Wiewohl ich damals noch nichts nach dem Weibervolk fragte, so gieng ich doch gleichwohl mit denen von Adel, wann sie irgends Jungfern besuchten, deren es dann viel in der Stadt gab, mich sehen zu lassen und mit meinen schönen Haaren, Kleidern und Federbüschen zu prangen. Ich muß bekennen, daß ich meiner Gestalt halber allen andern vorgezogen ward, mußte aber darneben hören, daß mich die verwehnte Schleppsäcke einem schönen und wohlgeschnitzten hölzernen Bild verglichen, an welchem außer der Schönheit sonst weder Kraft noch Saft wäre; dann es war sonst nichts an mir, das ihnen gefiele. So konnte ich auch ohn das Lautenschlagen sonst noch nichts machen oder vorbringen, das ihnen angenehm gewesen wäre, weil ich noch nichts vom Lieben wußte. Als mich aber auch diejenige, die sich um das Frauenzimmer umtun konnten, meiner holzböckischen Art und Ungeschicklichkeit halber anstachen, um sich selbst dadurch beliebter zu machen und ihre Wohlredenheit zu rühmen, sagte ich hingegen, daß mirs genug sei, wann ich noch zurzeit meine Freude an einem blanken Degen und einer guten Muskete hätte. Nachdem auch das Frauenzimmer diese meine Rede billigte, verdroß es sie so sehr, daß sie mir heimlich den Tod schwuren, unangesehen keiner war, der das Herz hatte, mich herauszufodern oder Ursache zu geben, daß ich einen von ihnen gefodert hätte, darzu ein paar Ohrfeigen oder sonst ziemlich empfindliche Worte genug wären gewesen, zudem ich mich auch ziemlich breit machte, woraus das Frauenzimmer mutmaßete, daß ich ein resoluter Jüngling sein müßte, sagten auch unverhohlen, daß bloß meine Gestalt und rühmlicher Sinn bei einer Jungfer das Wort besser tun könne als alle andere Komplimenten, die Amor je erfunden, welches die Anwesende noch mehr verbitterte.

[212]
Das 12. Kapitel
Das zwölfte Kapitel.
Simplex bekommt einen Schatz durch das Glück,
Bringet denselben mit Freuden zurück.

Ich hatte zwei schöne Pferde, die waren alle meine Freude, die ich selbiger Zeit in der Welt genoß. Alle Tage ritt ich mit denselben auf die Reitschule oder sonst spazieren, wann ich sonst nichts zu tun hatte; nicht zwar, als hätten die Pferde noch etwas bedörft zu lernen, sondern ich täts darum, damit die Leute sehen sollten, daß die schöne Kreaturen mir zugehörten. Wann ich dann so durch eine Gasse daherprangete oder vielmehr das Pferd mit mir dahintanzte und das albere Volk zusahe und zueinander sagte: »Sehet, das ist der Jäger! Ach! welch ein schön Pferd! Ach! wie ein schöner Federbusch!« oder: »Min God! wat vor en prave Kerl is mi dat!«, so spitzte ich die Ohren gewaltig und ließ mirs so sanft tun, als ob mich die Königin Nichaula dem weisen Salomon, in seiner höchsten Majestät sitzend, verglichen hätte. Aber ich Narr hörete nicht, was vielleicht damals verständige und erfahrne Leute von mir hielten oder meine Mißgönner von mir sagten. Diese letztere wünschten mir ohn Zweifel, daß ich Hals und Bein brechen sollte, weil sie mirs nicht gleichtun konnten. Andere aber gedachten gewißlich, wann jedermann das Seinige hätte, daß ich nicht so toll daherziehen würde. Kurz, die Allerklügste müssen mich ohn allen Zweifel vor einen jungen Lappen gehalten haben, dessen Hoffart notwendig nicht lang dauren noch Bestand haben würde, weil sie auf einem schlechten Fundament bestünde und nur aus ungewissen Beuten unterhalten werden müßte. Und wann ich selber die Wahrheit bekennen soll, muß ich gestehen, daß diese letztere nicht unrecht urteilten, wiewohl ichs damals nicht verstund, dann es war nichts anders mit mir, als daß ich meinem Mann oder Gegenteil, wann einer mit mir zu tun bekommen, das Hemd rechtschaffen heiß machen, also wohl vor einen einfachen guten Soldaten passieren hätte können, wiewohl ich gleichsam noch ein Kind war. Aber diese Ursache machte mich so groß, daß jetziger Zeit der geringste Roßbub den allertapfersten Held von der Welt totschießen kann; wäre aber das Pulver noch nicht erfunden gewesen, so hätte ich die Pfeife wohl im Sack müssen stecken lassen.

Meine Gewohnheit war, wann ich so herumterminierte, daß ich alle Wege und Stege, alle Gräben, Moräste, Büsche, Bühel und Wasser beritten, dieselbige mir bekannt machte und ins Gedächtnüs faßte, damit, wanns etwan an ein oder andern [213] Ort künftig eine Okkasion setzte, mit dem Feind zu scharmützeln, ich mir des Orts Gelegenheit beides offensive und defensive zunutz machen könnte. Zu solchem Ende ritt ich einsmals unweit der Stadt bei einem alten Gemäur vorüber, darauf vorzeiten ein Haus gestanden. Im ersten Anblick gedachte ich, dies wäre ein gelegener Ort, darin aufzupassen oder sich dahin zu retiriern, sonderlich vor uns Dragoner, wann wir von Reutern übermannt und gejagt werden sollten. Ich ritt in den Hof, dessen Gemäur ziemlich verfallen war, zu sehen, ob man sich auch auf den Notfall zu Pferd dahin salvieren und wie man sich zu Fuß daraus wehren könnte. Als ich nun zu solchem Ende alles genau besichtigen und bei dem Keller, dessen Gemäur noch rundumher aufrechtstund, vorüberreiten wollte, konnte ich mein Pferd, welches sonst im geringsten nichts scheuete, weder mit Liebe noch Leid nicht hinbringen, wo ich hin wollte. Ich sporte es, daß michs daurte, aber es half nichts, und konnte ichs im geringsten nicht fortbringen. Ich stieg ab und führte es an der Hand die verfallene Kellerstiegen hinunter, wovon es doch scheuete, damit ich mich ein andermal darnach richten könnte. Aber es hupfte zurück, so sehr es immer mochte; doch brachte ichs endlich mit guten Worten und Streichen hinunter, und indem ichs strich und ihm liebkoste, ward ich gewahr, daß es vor Angst schwitzte und die Augen stets in eine Ecke des Kellers richtete, dahin es am allerwenigsten wollte und ich auch das geringste nicht sahe, darob der schlimmste Kollerer hätte wetterläunisch werden mögen. Als ich nun so mit Verwunderung dastund und dem Pferd zusahe, wie es vor Furcht zitterte, kam mich auch ein solches Grausen an, daß mir nicht anderst ward, als ob man mich bei den Haaren über sich zöge und einen Kübel voll kalt Wasser über mich abgösse. Doch konnte ich nichts sehen; aber das Pferd stellte sich noch viel seltsamer, also daß ich mir nichts anders einbilden konnte, als ich müßte vielleicht samt dem Pferd verzaubert sein und in demselben Keller mein Ende nehmen. Derowegen wollte ich wieder zurück, aber mein Pferd wollte mir durchaus nicht folgen; dahero ward ich noch ängstiger und so verwirrt, daß ich schier nicht wußte, was ich tät. Zuletzt nahm ich eine Pistol auf den Arm und band das Pferd an einen starken Holderstock (der im Keller aufgewachsen war) der Meinung, aus dem Keller zu gehen und Leute in der Nähe zu suchen, die meinem Pferd wieder heraufhülfen; und indem ich hiermit umgehe, fällt mir ein, ob nicht vielleicht in diesem alten Gemäur ein Schatz verborgen läge, dahero es so ungeheur sein möchte. Ich glaubte meinem Einfall und sahe mich genauer um; und sonderlich in [214] der Ecke, dahin mein Pferd so gar nicht wollte, ward ich eines Stück Gemäuers gewahr, ungefähr so groß als ein gemeiner Kammerladen, welches dem andern alten Gemäur beides an der Farb und Arbeit nicht allerdings gleichte. Da ich aber hinzugehen wollte, ward mir abermal wie zuvor, nämlich als ob mir alle Haare gen Berg stünden, welches mich in meiner Meinung stärkte und bekräftigte, daß nämlich ein Schatz daselbst verborgen sein müßte.

Zehen-, ja hundertmal lieber hätte ich Kugeln gewechselt, als mich in solcher Angst befunden. Ich ward gequält und wußte doch nicht von wem, dann ich sahe oder hörte nichts. Ich nahm das ander Pistol auch von meinem Pferd und wollte damit durchgehen und das Pferd stehen lassen, vermochte aber die Stiegen nicht hinaufzukommen, weil mich, wie mich deuchte, eine starke Luft aufhielt; da lief mir erst die Katze den Buckel hinauf! Zuletzt fiel mir ein, ich sollte meine Pistolen lösen, damit die Bauren, so in der Nähe im Feld arbeiteten, mir zuliefen und mit Rat und Tat zu Hülf kämen. Das tät ich, weil ich sonst kein Mittel, Rat noch Hoffnung hatte oder wußte, aus diesem ungeheuren Wunderort zu kommen. Ich war auch so erzörnt oder vielmehr so desperat (dann ich weiß selber nicht mehr, wie mir gewesen ist), daß ich im Losschießen meine Pistolen gerad an den Ort kehrete, allwo ich vermeinte, daß die Ursache meiner seltsamen Begegnus stecke, und traf obangeregtes Stück Gemäuer mit zweien Kuglen so hart, daß es ein Loch gab, darein man zwo Fäuste hätte stecken mögen. Als der Schuß geschehen, wieherte mein Pferd und spitzte die Ohren, welches mich herzlich erquickte; nicht weiß ich, ist damals das Ungeheur oder Gespenst verschwunden oder hat sich das arme Tier über das Schießen erfreuet? Einmal, ich faßte wieder ein frisch Herz und gieng ganz unverhindert und ohn alle Furcht zu dem Loch, das ich erst durch den Schuß geöffnet hatte. Da fieng ich an, die Maur vollends einzubrechen und fand von Silber, Gold und Edelgesteinen einen solchen reichen Schatz, der mir noch auf diese Stunde wohl bekäme, wann ich ihn nur recht zu verwahren und anzulegen gewußt hätte. Es waren aber sechs Dutzet altfränkische silberne Tischbecher, ein groß gulden Pokal, etliche Duplet, vier silberne und ein guldenes Salzfaß, eine altfränkische guldne Kette, unterschiedliche Diamanten, Rubinen, Saphiren und Schmaragden, beides in Ringen und andern Kleinodien gefasset; item ein ganz Lädlein voll großer Perlen, aber alle verdorben oder abgestanden, und dann in einem versporten ledernen Sack achtzig von den ältisten Joachimstalern [215] aus feinem Silber, sodann 893 Goldstücke mit dem französischen Wappen und einem Adler, welche Münze niemand kennen wollte, weil man, wie sie sagten, die Schrift nicht lesen konnte. Diese Münze, die Ringe und Kleinodien steckte ich in meine Hosensäcke, Stiefeln, Hosen und Pistolhulftern, und weil ich keinen Sack bei mir hatte, sintemal ich nur spaßgeritten war, schnitt ich meine Schaberacke vom Sattel und packte in dieselbige (weil sie gefüttert war und mir gar wohl vor einen Sack dienen konnte) das übrige Silbergeschirr, hing die güldene Kette an Hals, saß fröhlich zu Pferd und ritt meinem Quartier zu. Wie ich aber aus dem Hof kam, ward ich zweier Bauren gewahr, welche davonlaufen wollten, sobald sie mich sahen; ich ereilte sie leichtlich, weil ich sechs Füße und ein eben Feld hatte, und fragte sie, warum sie hätten wollen ausreißen und warum sie sich so schrecklich förchteten. Da erzählten sie mir, daß sie vermeint hätten, ich wäre das Gespenst, das in gegenwärtigem öden Edelhof wohne, welches die Leute, wann man ihm zu nahe käme, elendiglich zu traktieren pflege. Und als ich ferner um dessen Beschaffenheit fragte, gaben sie mir zur Antwort, daß aus Furcht des Ungeheuers oft in vielen Jahren kein Mensch an denselben Ort komme, es sei dann jemand Fremder, der verirre und ungefähr dahin gerate. Die gemeine Sage gienge im Land, es wäre ein eiserner Trog voller Geldes darin, den ein schwarzer Hund hüte zusamt einer verfluchten Jungfer; und wie die alte Sage gienge, sie auch selbsten von ihren Großeltern gehört hätten, so sollte ein fremder Edelmann, der weder seinen Vatter noch Mutter erkenne, ins Land kommen, dieselbe Jungfer erlösen, den eisernen Trog mit einem feurigen Schlüssel aufschließen und das verborgene Geld davonbringen. Dergleichen albern Dings erzählten sie mir noch viel und sagten, es wäre nie gehört worden, daß jemand ohnverletzt oder sonst ohne Abenteur dort gewesen oder ohne überstandne schröckliche Angst, die ihm greuliche Ungeheur eingejaget, wieder glücklich darvon kommen wäre. Es hätten sich zwar noch bei Mannsgedenken einige fahrende Schuler oder Teufelsbanner dorthin begeben, den Platz zu graben, sie seien aber seltsam empfangen und wieder abgewiesen worden, daß seithero niemand gelüste, demselben weiters nachzusuchen, vornehmlich weil sie den Bescheid mitgebracht, daß der Schatz keinem zuteil werden möge, der nur ein einigsmal Weibermilch getrunken hätte. Ich sagte, so müßte er wohl ewig da liegen bleiben. »Wer sagt euch aber, daß eine verfluchte Jungfrau da wohne?« Die Bauren antworteten, es wäre vor wenig Jahren ein Mägdlein aus ihrem Dorf mit etlichen Gaißen derorten auf der Waid [216] gewesen, solche zu hüten. Als ihr aber eine davon entloffen und in besagten Hof kommen, hätte ihr das Mägdlein, als welches von dem Ungeheur nichts gewußt, nachgefolget, solche wieder zu den andern zu treiben; zu demselben seie die Jungfrau kommen und hätte es gefragt, was es da zu schaffen habe; und demnach das Mägdlein geantwortet, es wolle seine Gaiß wieder holen, die ihm wider seinem Willen daher geloffen wäre, hätte die Jungfrau demselben ein Körblein voller Kirschen gewiesen und gesagt: »So gehe und nimm dort von dem, was du vor dir siehest, mitsamt deiner Gaiß; komme mir aber nicht wieder und siehe dich auch nicht um, damit dir nichts Arges widerfahre.« Darauf seie das Mägdlein erschrocken und habe in solcher Angst sieben Kirschen ertappet, welche, sobald sie vor das Gemäuer kommen, zu Geld worden. Hernach fragte ich sie, was dann sie beide da gewollt hätten, da sie doch ohndas nicht in das Gemäur gehen dörften. Sie antworteten, sie hätten einen Schuß samt einem lauten Schrei gehöret; da sein sie zugeloffen, zu sehen, was da zu tun sein möchte. Als ich ihnen aber sagte, daß ich zwar geschossen hätte, der Hoffnung, es würden Leute zu mir ins Gemäur kommen, weil mir auch ziemlich angst worden, wüßte aber von keinem Geschrei nichts, da antworteten sie: »Man möchte in diesem Schloß lang hören schießen, bis jemand hineinlauft aus unsrer Nachbarschaft; dann es ist in Wahrheit so abenteurlich damit beschaffen, daß wir dem Junkern nicht glauben würden, wann er sagte, er wäre darin gewesen, dafern wir ihn nicht selbst wieder hätten sehen herausreuten.« Hierauf wollten sie viel Dings von mir wissen, vornehmlich wie es darin beschaffen wäre und ob ich die Jungfer samt dem schwarzen Hund auf dem eisernen Trog nicht gesehen hätte, also daß ich ihnen, wann ich nur aufschneiden wollen, seltsame Bären hätte anbinden können; aber ich sagte ihnen im geringsten nichts, auch nicht ein mal, daß ich den köstlichen Schatz ausgehoben, sondern ritt meines Wegs in mein Quartier und beschauete meinen Fund, der mich herzlich erfreuete.

Das 13. Kapitel
Das dreizehnte Kapitel.
Simplex hat törichte Grillen bei sich,
Läßt sein gefunden Geld nicht gern im Stich.

Diejenige, die wissen, was das Geld gilt, und dahero solches vor ihren Gott halten, haben dessen nicht geringe Ursache; [217] dann ist jemand in der Welt, der dessen Kräfte und beinahe göttliche Tugenden erfahren hat, so bin ichs. Ich weiß, wie einem zumut ist, der dessen einen ziemlichen Vorrat hat; so habe ich auch nicht nur einmal erfahren, wie derjenige gesinnet sei, der keinen einzigen Heller vermag. Ja, ich dörfte mich vermessen zu erweisen, daß es alle Tugenden und Würkungen viel kräftiger hat und vermag, als alle Edelgestein; dann es vertreibet alle Melancholei wie der Diamant; es machet Lust und Beliebung zu den Studiis wie der Smaragd; darum werden gemeiniglich mehr reicher als armer Leute Kinder Studenten. Es nimmt hinweg Forchtsamkeit, machet den Menschen fröhlich und glückselig wie der Rubin; es ist dem Schlaf oft hinderlich wie die Granaten; hingegen hat es auch eine große Kraft, die Ruhe und den Schlaf zu befördern wie der Hyazinth; es stärket das Herz, vertreibet vergebliches Erschröcken und machet den Menschen freudig, sittsam, frisch und mild wie der Saphir und Amethyst; es vertreibet böse Träume, machet fröhlich, schärfet den Verstand, und so man mit jemand zanket, machet es, daß man sieget wie der Sardus, vornehmlich wann man alsdann den Richter brav damit schmieret. Es löschet aus die geile und unkeuschen Begierden, sonderlich weil man schöne Weiber um Geld kriegen kann. In Kürze, es ist nicht auszusprechen, was das liebe Geld vermag, wie ich dann hiebevor in meinem »Schwarz und Weiß« etwas davon geschrieben, wann man es nur recht zu gebrauchen und anzulegen weiß.

Was das meinige anbelanget, das ich damals beides, mit Rauben und Findung dieses Schatzes, zuwegen gebracht, so hatte dasselbe eine seltsame Natur an sich; dann erstlich machte es mich hoffärtiger, als ich zuvor war, so gar, daß mich auch im Herzen verdroß, daß ich nur Simplicius heißen sollte. Es hinderte mir den Schlaf wie der Amethyst; dann ich lag manche Nacht und spekulierte, wie ich solches anlegen und noch mehr darzu bekommen möchte. Es machte mich zu einem perfekten Rechenmeister; dann ich überschlug, was mein ungemünztes Silber und Gold wert sein möchte, summierte solches zu demjenigen, das ich hin und wieder verborgen und noch bei mir im Säckel hatte, und befand ohn die Edelgesteine ein namhaftes Fazit. Es gab mir auch seine eigne angeborne Schalkheit und böse Natur zu versuchen, indem es mir das Sprichwort: wo viel ist, begehrt man immer mehr, rechtschaffen auslegte und mich so geizig machte, daß mir jedermann hätte feind werden mögen. Ich bekam von ihm wohl närrische Anschläge und seltsame Grillen ins Hirn und folgte doch keinem einzigen Einfall, den ich kriegte. [218] Einmal kam mirs in Sinn, ich sollte den Krieg quittieren, mich irgendhin setzen und mit einem schmutzigen Maul zum Fenster aussehen. Aber geschwind reuete michs wieder, vornehmlich da ich bedachte, was vor ein freies Leben ich führte und was vor Hoffnung ich hätte, ein großer Hans zu werden; da gedachte ich dann: »Hui, Simplici, laß dich adeln und wirb dem Kaiser eine eigene Kompagnie Dragoner aus deinem Säckel, so bist du schon ein ausgemachter junger Herr, der mit der Zeit noch hoch steigen kann.« Sobald ich aber zu Gemüt führete, daß meine Hoheit durch ein einzig unglücklich Treffen fallen oder sonst durch einen Friedenschluß samt dem Krieg in Bälde ein End nehmen könnte, ließ ich mir diesen Anschlag auch nicht mehr belieben. Alsdann fieng ich an, mir mein vollkommen männlich Alter zu wünschen. »Dann wann ich solches hätte,« sagte ich zu mir selber, »so nähmest du eine schöne, junge, reiche Frau; alsdann kauftest du irgendeinen adeligen Sitz und führtest ein geruhiges Leben.« Ich wollte mich auf die Viehzucht legen und mein ehrlich Auskommen reichlich haben können; da ich aber wußte, daß ich noch viel zu jung hierzu war, mußte ich diesen Anschlag auch fahren und unterwegen lassen. Solcher und dergleichen Einfälle hatte ich viel, bis ich endlich resolvierte, meine beste Sachen irgendhin in einer wohlverwahrten Stadt einem begüterten Mann in Verwahrung zu geben und zu verharren, was das Glück ferner mit mir machen würde. Damals hatte ich meinen Jupiter noch bei mir, dann ich konnte seiner nicht los werden; derselbe redte zuzeiten sehr subtil und war etliche Wochen gar klug, hatte mich auch über alle Maßen lieb, weil ich ihm viel Gutes täte; und demnach er mich immer in tiefen Gedanken gehen sahe, sagte er zu mir: »Liebster Sohn! schenket Euer Schindgeld, Gold und Silber hinweg!« Ich sagte: »Warum, mein lieber Jove?« – »Darum,« antwortete er, »damit Ihr Euch Freunde dadurch machet und Eurer unnützen Sorgen los werdet.« – Ich sagte, daß ich lieber gern mehr hätte. »Wer weiß, wo ichs noch brauche?« Darauf sagte er: »So sehet, wo Ihr mehr bekommt; aber auf solche Weise werdet Ihr Euch Euer Lebtag weder Ruhe noch Freunde schaffen. Lasset die alte Schabhälse geizig sein, Ihr aber haltet Euch, wie es einem jungen wackern Kerl zustehet; Ihr sollt noch viel eher Mangel an guten Freunden als Geld erfahren.« Ich dachte der Sache nach und befand zwar, daß Jupiter wohl von der Sache rede, der Geiz aber hatte mich schon dergestalt eingenommen, daß ich gar nicht gedachte, etwas hinzuschenken. Doch verehrte ich zuletzt dem Kommandanten ein paar silberne und übergoldte Duplet, [219] meinem Hauptmann aber ein paar silberne Salzfässer, damit ich aber nichts anders ausrichtete, als daß ich ihnen nur das Maul auch nach dem übrigen wässerig machte, weil es rare Antiquitäten waren. Meinem getreusten Kameraden Springinsfeld schenkte ich zwölf Reichstaler; der riet mir dargegen, ich sollte mein Reichtum von mir tun oder gewärtig sein, daß ich dadurch in Unglück käme, dann die Offizierer sähen nicht gern, daß ein gemeiner Soldat mehr Geld hätte als sie. So hätte er auch wohl ehmals gesehen, daß ein Kamerad den andern um Geldes halber heimlich ermordet; bisher hätte ich wohl heimlich halten können, was ich an Beuten erschnappt und erüberigt, dann jedermann glaubete, ich hätte alles wieder an Kleider, Pferde und Gewehr gehängt, nunmehr aber würde ich niemand kein Ding mehr verklaiben oder weismachen können, daß ich kein übrig Geld hätte, dann jeder machte den gefundenen Schatz jetzt größer, als er an sich selbst sei, und ich ohndas nicht mehr wie hiebevor spendierte. Er müsse oft hören, was unter der Bursch vor ein Gemurmel gehe; sollte er anstatt meiner sein, so ließe er den Krieg Krieg sein, setzte sich irgendhin in Sicherheit und ließe den lieben Gott walten. Seine Meinung wäre, ich sollte das Glück nicht weiters versuchen, ich hätte Ehr und Gut genug erworben und meine Sache so weit gebracht, daß es unter tausenden kaum einem so wohl geraten. Ich antwortete: »Höre Bruder! wie kann ich die Hoffnung, die ich zu einem Fähnlein habe, so leichtlich in Wind schlagen?« – »Ja, ja!« sagte Springinsfeld, »hole mich dieser und jener, wann du ein Fähnlein bekommst; die andere, so auch darauf hoffen, sollten dir eh tausendmal den Hals brechen helfen, wann sie sehen, daß eins ledig und du bekommen solltest. Lerne mich nur keine Karpfen kennen; dann mein Vatter war ein Fischer. Halt mirs zugut, Bruder! dann ich habe länger zugesehen, wie es im Krieg hergehet, als du! Siehest du nicht, wie mancher Feldwaibel bei seinem kurzen Gewehr grau wird, der vor vielen eine Kompagnie zu haben meritierte; vermeinest du, sie sein nicht auch Kerl, die etwas haben hoffen dörfen? zudem so gebühret ihnen von Rechts wegen mehr als dir solche Beförderung, wie du selber erkennest.« Ich mußte schweigen, weil Springinsfeld aus einem teutschen aufrichtigen Herzen mir die Wahrheit so getreulich sagte und nicht heuchelte; jedoch biß ich die Zähne heimlich übereinander, dann ich bildete mir damals trefflich viel ein.

Doch erwug ich diese und meines Jupiters Reden sehr fleißig und bedachte, daß ich keinen einzigen angebornen Freund [220] hätte, der sich meiner in Nöten an nehmen oder meinen Tod, so er geschehe, heimlich oder öffentlich rächen würde. Auch konnte ich mir leicht einbilden, wie die Sache umständlich und an sich selbsten war, dannoch aber ließ weder mein Ehr-noch Geldgeiz zu, viel weniger die Hoffnung, groß zu werden, den Krieg zu quittiern und mir Ruhe zu schaffen; sondern ich verblieb bei meinem ersten Vorsatz, und indem sich eben eine Gelegenheit auf Köln präsentierte (indem ich neben 100 Dragonern etliche Kaufleute und Güterwägen von Münster dorthin konvojirn helfen mußte), packte ich meinen gefundenen Schatz zusammen, nahm ihn mit und gab ihn einem von den vornehmsten Kaufleuten daselbst gegen Aushändigung einer spezifizierten Handschrift aufzuheben. Das waren vierundsiebenzig Mark ungemünzt fein Silber, fünfzehen Mark Gold, achtzig Joachimstaler und in einem verpetschierten Kästlein unterschiedliche Ringe und Kleinodien, so mit Gold und Edelgesteinen achthalb Pfund in allem gewogen, samt 893 antiquische gemünzte Goldstücke, deren jedes anderthalb Goldgülden schwer war. Meinen Jupiter brachte ich auch dahin, weil ers begehrte und in Köln ansehnliche Verwandten hatte. Gegen denselben rühmte er die Guttaten, die er von mir empfangen, und machte, daß sie mir viel Ehre erwiesen. Mir aber riet er noch allezeit, ich sollte mein Geld besser anlegen und mir Freunde davor kaufen, die mich mehr als das Gold in der Kisten nutzen würden.

Das 14. Kapitel
Das vierzehnte Kapitel.
Simplex, der Jäger, wird vom Feind gefangen,
Pfleget auch bald gute Gunst zu erlangen.

Auf dem Zuruckweg machte ich mir allerhand Gedanken, wie ich mich inskünftige halten wollte, damit ich doch jedermanns Gunst erlangen möchte, dann Springinsfeld hatte mir einen unruhigen Floh ins Ohr gesetzt und mich zu glauben persuadieret, als ob mich jedermann neide, wie es dann in der Wahrheit auch nicht anders war. So erinnerte ich mich auch dessen, was mir die berühmte Wahrsagerin zu Soest ehmals gesagt, und belud mich deshalber mit noch größern Sorgen. Mit diesen Gedanken schärfte ich meinen Verstand trefflich und nahm gewahr, daß ein Mensch, der ohne Sorgen dahinlebet, fast wie ein Vieh sei. Ich sann aus, welcher Ursache halber mich einer oder ander hassen möchte, und erwug, wie ich einem jeden[221] begegnen müsse, damit ich dessen Gunst wiedererlange, verwunderte mich darneben zum höchsten, daß die Kerl so falsch sein und mir lauter gute Worte geben sollten, da sie mich nicht liebten! Derowegen gedachte ich, mich anzustellen wie die andere und zu reden, was jedem aufs beste gefiel und am annehmlichsten war, auch jedem mit Ehrerbietung zu begegnen, ob schon es mir nicht ums Herz wäre; vornehmlich aber merkte ich klar, daß meine eigne Hoffart mich mit den meisten Feinden beladen hatte. Deswegen hielt ich vor nötig, mich wieder demütig zu stellen, obschon ichs nicht sei, mit den gemeinen Kerlen wieder unten und oben zu liegen, vor den Höhern aber den Hut in Händen zu tragen und mich des Kleiderprachts in etwas abzutun, bis sich etwan mein Stand änderte. Ich hatte mir von dem Kaufherrn in Köln 100 Taler geben lassen, solche samt Interesse wieder zu erlegen, wann er mir meinen Schatz aushändigte; dieselbe gedachte ich unterwegs der Konvoi halb zu verspendiern, weil ich nunmehr erkannte, daß der Geiz keine Freunde machet. Solchergestalt war ich resolviert, mich zu ändern und noch auf diesem Weg den Anfang zu machen. Ich machte aber die Zeche ohn den Wirt und wurde mein Anschlag aller auf einmal zu Wasser. Dann da wir durch das bergische Land passieren wollten, paßten uns an einem sehr vortelhaften Ort 80 Feurröhrer und 50 Reuter auf, eben als ich selbfünft mit einem Korporal geschickt ward, voranzureiten und die Straße zu partieren. Der Feind hielt sich still, als wir in ihren Halt kamen, ließ uns auch passieren, damit, wann sie uns angegriffen hätten, die Konvoi nicht gewarnet würde, bis sie auch zu ihnen in die Enge käme, schickte uns aber einen Kornett mit acht Reutern nach, die uns im Gesicht behielten, bis die ihrige unser Konvoi selbst angriffen und wir umkehrten, uns auch zun Wägen zu tun. Da giengen sie auf uns los und fragten, ob wir Quartier wollten? Ich vor meine Person war wohl beritten, dann ich hatte mein bestes Pferd unter mir; ich wollte aber gleichwohl nicht ausreißen, schwang mich herum auf eine kleine Ebne, zu sehen, ob da Ehre einzulegen sein möchte. Indessen hörte ich stracks an der Salve, welche die Unserigen empfiengen, was die Glocke geschlagen, trachtete derowegen nach der Flucht, aber der Kornett hatte alles vorbedacht und uns den Paß schon abgeschnitten; und indem ich durchzuhauen bedacht war, bot er mir, weil er mich vor einen Offizier ansahe, nochmals Quartier an. Ich gedachte: »Das Leben eigentlich davonzubringen, ist besser als eine ungewisse Hasart«; sagte derowegen, ob er mir Quartier halten wollte als ein redlicher Soldat. Er antwortet: »Ja rechtschaffen!« [222] Also präsentierte ich ihm meinen Degen und gab mich dergestalt gefangen. Er fragte mich gleich, was ich vor einer sei, dann er sähe mich vor einen Edelmann und also auch vor einen Offizierer an. Da ich ihm aber antwortete, ich würde der Jäger von Soest genannt, antwortete er: »So hat Er gut Glück, daß Er uns vor vier Wochen nicht in die Hände geraten; dann zu selbiger Zeit hätte ich Ihm kein Quartier geben noch halten dörfen, dieweil man Ihn damal bei uns vor einen offentlichen Zauberer gehalten hat.«

Dieser Kornett war ein tapferer junger Kavalier und nicht über zwei Jahre älter als ich. Er erfreuete sich trefflich, daß er die Ehre hatte, den berühmten Jäger gefangen zu haben; deswegen hielt er auch das versprochene Quartier sehr ehrlich und auf holländisch, deren Gebrauch ist, ihren gefangenen spanischen Feinden von demjenigen, was der Gürtel beschleußt, nichts zu nehmen; ja er war der Diskretion, daß er mich nicht einmal visitieren ließ, ich aber war selbst der Bescheidenheit, das Geld aus meinen Schubsäcken zu tun und ihnen solches zuzustellen, da es an ein Partens gieng; sagte auch dem Kornett heimlich, er sollte sehen, daß ihm mein Pferd, Sattel und Zeuch zuteil würde, dann er im Sattel 30 Dukaten finden würde und das Pferd ohndas seinesgleichen schwerlich hätte. Von deswegen ward mir der Kornett so hold, als ob ich sein leiblicher Bruder wäre; er saß auch gleich auf mein Pferd und ließ mich auf dem seinigen reiten. Von der Konvoi aber blieben nicht mehr als 6 tot, und 13 wurden gefangen, darunter 8 beschädigt; die übrige giengen durch und hatten das Herz nicht, dem Feind im freien Feld die Beute wieder abzujagen, das sie fein hätten tun können, weil sie alle zu Pferd waren.

Nachdem die Beuten und Gefangene geteilet worden, giengen die Schweden und Hessen (dann sie waren aus unterschiedlichen Garnisonen) noch selbigen Abend voneinander. Mich und den Korporal samt noch dreien Dragonern behielt der Kornett, weil er uns gefangen bekommen; dahero wurden wir in eine Festung geführet, die nicht gar zwei Meilen von unsrer Garnison lag. Und weil ich hiebevor demselben Ort viel Dampfs angetan, war mein Name daselbst wohl bekannt, ich selber aber mehr geförcht als geliebt. Da wir die Stadt vor Augen hatten, schickte der Kornett einen Reuter voran, seine Ankunft dem Kommandanten anzukündigen, auch anzuzeigen, wie es abgeloffen und wer die Gefangene sein, davon es ein Geläuf in der Stadt geben, das nit auszusagen, weil jeder den Wunder auszurichten gewohnten Jäger gern sehen wollte. Da sagte einer dies, der ander jenes von mir, [223] und war nicht anderst anzusehen, als ob ein großer Potentat seinen Einzug gehalten hätte.

Wir Gefangene wurden strack zum Kommandanten geführet, welcher sich sehr über meine Jugend verwunderte. Er fragte mich, ob ich nie auf schwedischer Seite gedienet hätte und was ich vor ein Landsmann wäre. Als ich ihm nun die Wahrheit sagte, wollte er wissen, ob ich nicht Lust hätte, wieder auf ihrer Seite zu bleiben. Ich antwortete ihm, daß es mir sonst gleich gülte; allein weil ich dem römischen Kaiser einen Eid geschworen hätte, so dünkte mich, es gebühre mir, solchen zu halten. Darauf befahl er, uns zum Gewaltiger zu führen, und erlaubte doch dem Kornett auf sein Anhalten, auf den Abend uns zu gastiern, weil ich hiebevor meine Gefangene (darunter sein Bruder sich befunden) auch solchergestalt traktieret hätte. Da nun der Abend kam, fanden sich unterschiedliche Offizierer, sowohl Soldaten von Fortun als geborne Kavaliers, beim Kornett ein, der mich und den Korporal auch holen ließ; da ward ich, die Wahrheit zu bekennen, von ihnen überaus höflich traktiert. Ich machte mich so lustig, als ob ich niemals verloren gehabt, und ließ mich so vertreulich und offenherzig vernehmen, als ob ich bei keinem Feind gefangen, sondern bei meinen besten Freunden wäre; darbei beflisse ich mich der Bescheidenheit, soviel mir immer müglich war, dann ich konnte mir leicht einbilden, daß dem Kommandanten mein Verhalten wieder notifiziert würde, so auch geschehen, maßen ich nachmals erfahren.

Den andern Tag wurden wir Gefangene, und zwar einer nach dem andern, vor den Regim. Schulzen geführet, welcher uns examinierte. Der Korporal war der erste und ich der ander. Sobald ich in den Saal trat, verwunderte er sich auch über meine Jugend und sagte, mir solche vorzurücken: »Mein Kind! was hat dir der Schwede getan, daß du wider ihn kriegest?« Das verdroß mich, vornehmlich da ich ebenso junge Soldaten bei ihnen gesehen, als ich war, antwortete derhalben: »Die schwedische Krieger haben mir meine Schnellkugeln oder Klicker genommen, die wollte ich gern wieder holen.« Da ich ihn nun dergestalt bezahlte, schämten sich seine beisitzende Offizierer, maßen einer anfieng, auf Latein zu sagen, er sollte von ernstlichen Sachen mit mir reden, er hörte wohl, daß er kein Kind vor sich hätte. Da merkte ich, daß er Eusebius hieße, weil ihn derselbe Offizier so nannte. Darauf fragte er mich um meinen Namen, und nachdem ich ihm denselben genennet, sagte er: »Es ist kein Teufel in der Hölle, der Simplicissimus heißet.« Da antwortete ich: »So ist auch vermutlich keiner in der Hölle, der Eusebius heißt!«, [224] bezahlte ihn also gar artlich, wie unsern Musterschreiber Cyriacum, so aber von den Offizierern nicht am besten aufgenommen ward, maßen sie mir sagten, ich sollte mich erinnern, daß ich ihr Gefangener sei und nicht Scherzens halber wäre hergeholet worden. Ich ward dieses Verweises wegen drum nicht rot, bat auch nicht um Verzeihung, sondern antwortete, weil sie mich vor einen Soldaten gefangen hielten und nicht vor ein Kind wieder laufen lassen würden, so hätte ich mich versehen, daß man mich auch nicht als ein Kind gefoppt hätte; wie man mich gefragt, so hätte ich geantwortet, hoffte auch, ich würde nicht unrecht daran getan haben. Darauf fragten sie mich um mein Vatterland, Herkommen und Geburt, und vornehmlich, ob ich nicht auch auf schwedischer Seiten gedient hätte, item, wie es in Soest beschaffen, wie stark selbige Garnison sei, und was des Dings mehr ist etc. Ich antwortete auf alles behend, kurz und gut, und zwar wegen Soest und selbiger Garnison so viel, als ich zu verantworten getrauete, konnte aber wohl verschweigen, daß ich das Narrnhandwerk getrieben, weil ich mich dessen schämte.

Das 15. Kapitel
Das fünfzehnte Kapitel.
Simplex von Schweden wird ledig gemacht,
Darnach er hatte gleich anfangs getracht.

Indessen erfuhr man zu Soest, wie es mit der Konvoi abgeloffen, und daß ich mit dem Korporal und andern mehr gefangen, auch wo wir hingeführet worden; derhalben kam gleich den andern Tag ein Trommelschläger, uns abzuholen; dem ward der Korporal und die drei andere gefolget und ein Schreiben mitgegeben, folgenden Einhalts, das mir der Kommandant zu lesen überschickte:


»Monsieur etc. Durch Wiederbringern, diesen Tambour, ist mir dessen Schreiben eingehändigt worden, schicke darauf hiermit gegen empfangener Ranzion den Korporal samt den übrigen dreien Gefangenen; was aber Simplicium den Jäger anbelanget, kann selbiger, weil er hiebevor auf dieser Seite gedienet, nicht wieder hinübergelassen werden. Kann ich aber dem Herrn im übrigen außerhalb Herrnpflichten in etwas bedient sein, so hat derselbe an mir einen willigen Diener, als der ich so weit bin und verbleibe

Des Herrn

Dienst-bereitwilliger

N. de S. A.«


[225] Dieses Schreiben gefiel mir nicht halb, und mußte mich doch vor diese Kommunikation bedanken. Ich begehrte, mit dem Kommandanten zu reden, bekam aber die Antwort, daß er schon selbst nach mir schicken würde, wann er zuvor den Trommelschlager abgefertigt hätte, so morgen früh geschehen sollte, bis dahin ich mich zu gedulten.

Da ich nun die bestimmte Zeit überwartet hatte, schickte der Kommandant nach mir, als es eben Essenszeit war. Da widerfuhr mir das erstemal die Ehre, zu ihm an seine Tafel zu sitzen. Solang man aß, ließ er mir mit dem Trunk ziemlich und sehr freundlich zusprechen und gedachte weder Klein- noch Großes von demjenigen, was er mit mir vorhatte, und mir wollte es auch nicht anstehen, etwas davon anzufangen. Demnach man aber abgegessen und ich einen ziemlichen Tummel hatte, sagte er: »Lieber Jäger! Ihr habet aus meinem Schreiben verstanden, unter was vor einem Prätext ich Euch hier behalte; und zwar so habe ich gar keine unrechtmäßige Sache oder etwas vor, das wider Räson oder Kriegsgebräuch wäre, dann Ihr habet mir und dem Regim. Schultheiß selbst gestanden, daß Ihr hiebevor auf unsrer Seite bei der Hauptarmee gedienet, werdet Euch derhalben resolvieren müssen, unter meinem Regiment Dienst anzunehmen; so will ich Euch mit der Zeit, und wann Ihr Euch wohl verhaltet, dergestalt akkommodieren, dergleichen Ihr bei den Kaiserl. nimmer hättet hoffen dörfen. Widrigenfalls werdet Ihr mich nicht verdenken, wann ich Euch wiederum demjenigen Obristleutenant überschicke, welchem Euch die Dragoner hiebevor abgefangen haben.« Ich antwortete: »Hochgeehrter Herr Obrister! (dann damals war noch nicht der Brauch, daß man Soldaten von Fortun ›Ihr Gnaden‹ titulierte, obgleich sie Obristen waren) ich hoffe, weil ich der Krone Schweden noch deren Konföderierten, viel weniger dem Obristleutenant niemalen mit Eid verpflichtet, sondern nur ein Pferdjung gewesen, daß dannenher ich nicht verbunden sei, schwedische Dienste anzunehmen und dadurch den Eid zu brechen, den ich dem Römischen Kaiser geschworen, derowegen meinen Hochg. Herrn Obristen allergehorsamst bittend, Er beliebe mich dieser Zumutung zu überheben.« – »Was?« sagte der Obrister, »verachtet Ihr dann die schwedische Dienste? Ihr müsset wissen, daß Ihr mein Gefangener seid, und eh ich Euch wieder nach Soest lasse, dem Gegenteil zu dienen, eh will ich Euch einen andern Prozeß weisen oder im Gefängnus verderben lassen; darnach wisset Euch einmal vor allemal zu richten!« Ich erschrak zwar über diese Worte, gab mich aber darum noch nicht, sondern antwortete, Gott wolle mich vor solcher [226] Verachtung so wohl als vor dem Meineid behüten. Im übrigen stünde ich in untertäniger Hoffnung, der Herr Obrister würde mich seiner weitberühmten Diskretion nach wie einen Soldaten traktieren. »Ja!« sagte er, »ich wüßte wohl, wie ich Euch traktieren könnte, da ich der Strenge nach prozedieren wollte. Aber bedenket Euch besser, damit ich nicht Ursachen ergreife, Euch etwas anders zu weisen.« Darauf ward ich wieder ins Stockhaus geführet.

Jedermann kann unschwer erachten, daß ich dieselbe Nacht nicht viel geschlafen, sondern allerhand Gedanken gehabt habe. Den Morgen aber kamen etliche Offizierer mit dem Kornett, so mich gefangen bekommen, zu mir unterm Schein, mir die Zeit zu kürzen, in Wahrheit aber mir weiszumachen, als ob der Obrister gesinnet wäre, mir als einem Zauberer den Prozeß machen zu lassen, da ich mich nicht anderst bequemen würde; wollten mich also erschröcken und sehen, was hinter mir stecke. Weil ich mich aber meines guten Gewissens tröstete, nahm ich alles gar kaltsinnig an und redete nicht viel, merkte dabei, daß es dem Obristen um nichts anders zu tun war, als daß er mich ungern in Soest sahe; so konnte er sich auch leicht einbilden, daß ich selbigen Ort, wann er mich ledig ließe, wohl nicht verlassen würde, weil ich meine Beförderung dort hoffte und noch zwei schöne Pferde und sonst köstliche Sachen allda hatte. Den folgenden Tag ließ er mich wieder zu sich kommen und fragte mich nochmals ernstlich, ob ich mich auf ein und anders resolviert hätte. Ich antwortete: »Dies, Herr Obrister! ist mein Entschluß, daß ich eh sterben als meineidig werden will! Wann aber mein Hochg. Herr Obrister mich auf freien Fuß zu stellen und mit keinen Kriegsdiensten zu belegen belieben wird, so will ich dem Herrn Obristen mit Herz, Mund und Hand versprechen, in sechs Monaten keine Waffen wider Schwed- und Hessische zu tragen oder zu gebrauchen.« Solches ließ ihm der Obrister stracks gefallen, bot mir darauf die Hand und schenkte mir zugleich die Ranzion, befahl auch dem Secretario, daß er deswegen einen Revers in Duplo aufsetzte, den wir beide unterschrieben, darin er mir Schutz, Schirm und alle Freiheit, solang ich in der ihm anvertrauten Festung verbliebe, versprach. Ich hingegen reversierte mich über obige zwei Punkten, daß ich, solang ich mich in derselben Festung aufhalten würde, nichts Nachteiliges wider dieselbige Garnison und ihren Kommandanten praktizieren noch etwas, das ihr zu Nachteil und Schaden vorgenommen würde, verhehlen, sondern vielmehr deren Nutzen und Frommen fördern und ihren Schaden nach Müglichkeit wenden, ja wann der Ort [227] feindlich attackieret würde, denselben defendieren helfen sollte und wollte.

Hierauf behielt er mich wieder bei dem Mittagimbiß und tät mir mehr Ehre an, als ich von den Kaiserlichen mein Lebtag hätte hoffen dörfen. Dadurch gewann er mich dergestalt nach und nach, daß ich nicht wieder nach Soest gangen wäre, wannschon er mich dahin lassen und meines Versprechens ledig zählen wollen. Das heißt dem Feind ohne Blutvergießung einen Abbruch getan; dann von dieser Zeit an war es mit den Soester Parteigängern soviel als nichts, weil sie mich nicht mehr hatten, welches ich ihnen zwar nicht zum Nachteil, noch mir zum Ruhm nachgeredet haben will.

Das 16. Kapitel
Das sechzehnte Kapitel.
Simplex will einen Freiherren abgeben,
Führet ein rechtes freigebiges Leben.

Wann ein Ding sein soll, so schickt sich alles darzu. Ich vermeinete, das Glück hätte mich zur Ehe genommen oder wenigst sich so eng zu mir verbunden, daß mir die allerwiderwärtigste Begegnussen zum besten gedeihen müßten, da ich über des Kommandanten Tafel saß und vernahm, daß mein Knecht mit meinen zwei schönen Pferden von Soest zu mir kommen wäre. Ich wußte aber nicht (wie ichs hernach im Auskehren befand), daß das tückische Glück der Syrenen Art an sich hat, die demjenigen am übelsten wollen, denen sie sich am geneigtesten erzeigen, und einen der Ursache halber desto höher hebet, damit es ihn hernach desto tiefer stürze.

Dieser Knecht (den ich hiebevor von den Schweden gefangen bekommen hatte) war mir über alle Maßen getreu, weil ich ihm viel Gutes tät; dahero sattelte er alle Tage meine Pferde und ritt dem Trommelschlager, der mich abholen sollte, ein gut Stück Wegs von Soest aus entgegen, solang er aus war, damit ich nicht allein nicht so weit gehen, sondern auch nicht nackend oder zerlumpt (dann er vermeinte, ich wäre aus gezogen worden) in Soest kommen dörfte. Also begegnete er dem Trommelschläger und seinen Gefangenen und hatte mein bestes Kleid aufgepackt. Da er mich aber nicht sahe, sondern vernahm, daß ich bei dem Gegenteil Dienste anzunehmen aufgehalten werde, gab er den Pferden die Sporn und sagte: »Adieu Tambour und Ihr Korporal; wo mein Herr ist, da will ich auch sein!« gieng also durch und kam zu mir, eben als mich der Kommandant ledig [228] gesprochen hatte und mir große Ehre antät. Er verschaffte darauf meine Pferde in ein Wirtshaus, bis ich mir selbsten ein Logiment nach meinem Willen bestellen möchte, und priese mich glückselig wegen meines Knechts Treue, verwunderte sich auch, daß ich als ein gemeiner Dragoner und noch so junger Kerl so schöne und vortreffliche Pferde vermögen und so wohl mondiert sein sollte, lobte auch das eine Pferd, als ich Valet nahm und in besagtes Wirtshaus gieng, so trefflich, daß ich gleich merkte, daß er mirs gern abgekauft hätte. Weil er mirs aber aus Diskretion nicht feil machte, sagte ich, wann ich die Ehre begehren dorfte, daß ers von meinetwegen behalten wollte, so stünde es zu seinen Diensten. Er schlugs aber anzunehmen rund ab, mehr darum, dieweil ich einen ziemlichen Rausch hatte und er die Nachrede nicht haben wollte, daß er einem Trunkenen etwas abgeschwätzt, so ihn vielleicht nüchtern reuen möchte, als daß er des edlen Pferdes gern gemangelt.

Dieselbige Nacht bedachte ich, wie ich künftig mein Leben anstellen wollte, entschloß mich derohalben, die sechs Monat über zu verbleiben, wo ich wäre, und also den Winter, der nunmehr vor der Tür war, in Ruhe dahinzubringen, worzu ich dann Geldes genug wußte, hinauszulangen, wannschon ich meinen Schatz zu Köln nicht angriffe. »In solcher Zeit«, gedachte ich, »wächst du vollends aus und erlangest deine völlige Stärke und kannst dich darnach auf den künftigen Frühling wieder desto tapferer unter die Kaiserliche Armee ins Feld begeben.«

Des Morgens frühe anatomierte ich meinen Sattel, welcher weit besser gespickt war als derjenige, den der Kornett von mir bekommen; nachgehends ließ ich mein bestes Pferd vor des Obristen Quartier bringen und sagte zu ihm, demnach ich mich resolviert, die sechs Monat, in welchen ich nicht kriegen dörfte, unter des Herrn Obristen Schutz allhier ruhig zuzubringen, als sein mir meine Pferde nichts nutz, um welche es schad wäre, wann sie verderben sollten, bitte ihn derowegen, er wollte belieben, gegenwärtigem Soldatenklepper einen Platz unter den seinigen zu gönnen und solches von mir als ein Zeichen dankbarer Erkanntnus vor empfangene Gnaden unschwer annehmen. Der Obrister bedankte sich mit großer Höflichkeit und sehr courtoisen Offerten, schickte mir auch, seine Gunstgewogenheit gegen mir scheinen zu lassen, denselben Nachmittag seinen Hofmeister mit einem gemästen lebendigen Ochsen, zwei fetten Schweinen, einer Tonnen Wein, vier Tonnen Bier, zwölf Fuder Brennholz, welches alles er mir vor mein neu Losament, das ich eben auf ein halb Jahr bestellet hatte, bringen und sagen [229] ließ, weil er sehe, daß ich bei ihm hausen wollte und sich leicht einbilden könnte, daß es im Anfang mit Viktualien schlecht bestellet sei, so schickte er mir zur Haussteur neben einem Trunk ein Stück Fleisch mitsamt dem Holz, solches dabei kochen zu lassen, mit fernerm Anhang, dafern er mir in etwas behülflichen sein könnte, daß ers nicht unterlassen wollte. Ich bedankte mich so höflich, als ich konnte, verehret dem Hofmeister zwo Dukaten und bat ihn, mich seinem Herrn bestens zu rekommandieren.

Da ich sahe, daß ich meiner Freigebigkeit halber bei dem Obristen so hoch geehret ward, gedachte ich, mir auch bei dem gemeinen Mann ein Ansehen und gutes Lob zu machen, damit man mich vor keinen kahlen Bärnhäuter hielte, ließ derowegen in Gegenwart meines Hauswirts meinen Knecht vor mich kommen; zu demselben sagte ich: »Lieber Niklas! du hast mir mehr Treue erwiesen, als ein Herr seinem Knecht zumuten darf; nun aber, da ichs um dich nicht zu verschulden weiß, weil ich dieser Zeit keinen Herrn und also auch keinen Krieg habe, daß ich etwas erobern könnte, dich zu belohnen, wie mirs wohl anstünde, zumalen auch wegen meines stillen Lebens, das ich hinfort zu führen gedenke, keinen Knecht mehr zu haben bedacht, als gebe ich dir hiemit vor deinen Lohn das ander Pferd samt Sattel, Zeug und Pistolen mit Bitte, du wollest damit vorliebnehmen und dir vor diesmal einen andern Herrn suchen. Kann ich dir inskünftige in etwas bedient sein, so magst du jederzeit mich darum ersuchen.« Darauf fieng mein guter Niklas an zu weinen und sagte: »Ach mein Herr! Ich habe in einem einzigen Vierteljahr so viel nicht um Euch verdienet; behaltet das Pferd zu Eurem Nutz und mich darzu, wann Euch beliebt; ich will ehe bei Euch Hunger leiden, als bei einem andern Herrn stattlich leben, wann ich nur weiß, daß ich Euch darmit wohl diene.« – »Nein!« sagte ich, »ich kann keinen Knecht vor mir sehen, wann ich nicht selbst wie ein Herr leben darf; suche dir eine bessere Gelegenheit, dann ich will einmal nicht haben, daß du ein Mitgenoß meines Unglücks seiest.« Also küssete er mir die Hände und konnte vor Weinen schier nicht reden, wollte auch durchaus das Pferd nicht annehmen, sondern hielt vor besser, ich sollte es versilbern und zu meinem Unterhalt gebrauchen. Zuletzt überredete ich ihn doch, daß ers annahm, nachdem ich ihm versprochen, ihn wieder in Dienste zu nehmen, sobald ich jemand brauche. Über diesem Abscheid ward mein Hausvatter so mitleidig, daß ihm auch die Augen übergiengen, und gleichwie mich mein Knecht bei der Soldateska, [230] also erhub mich mein Hausvatter bei der Bürgerschaft wegen dieser Tat mit großem Lob über alle schwangere Bauren. Der Kommandant hielt mich vor einen so resoluten Kerl, daß er auch getraute, Schlösser auf meine Parole zu bauen, weil ich meinen Eid, dem Kaiser geschworen, nicht allein treulich, sondern auch dasjenige, das ich mich gegen ihm verschrieben, desto steifer zu halten, mich selbst meiner herrlichen Pferde, Gewehrs und des getreuen Knechts entblößte. Also ward ich ein Herr vor mich selber, wie jeder Bettler, der niemand untertan ist. Dergestalt verkehrt sich alles in der verkehrten Welt, indem andere schweren müssen, wann sie Kriegsdienste annehmen; ich aber mußte mich verpflichten, da ich sie einstellte.

Das 17. Kapitel
Das siebzehnte Kapitel.
Simplex sagt, was er sechs Monat will machen,
Und die Wahrsagerin sagt ihm viel Sachen.

Ich glaube, es sei kein Mensch in der Welt, der nicht einen Hasen im Busen habe, dann wir sind ja alle einerlei Gemächts, und kann ich bei meinen Birn wohl merken, wann andere zeitig sein. »Hui Geck!« möchte mir einer antworten, »wann du ein Narr bist, meinest du darum, andere sein es auch?« Nein, das sage ich nicht; dann es wäre zu viel geredt. Aber dies halte ich davor, daß einer den Narrn besser verbirgt als der ander. Es ist einer darum kein Narr, wannschon er närrische Einfälle hat, dann wir haben in der Jugend gemeiniglich alle dergleichen: welcher aber solche herausläßt, wird vor einen gehalten, weil teils ihn gar nicht, andere aber nur halb sehen lassen. Welche ihren gar unterdrücken, sein rechte Saurtöpfe; die aber den ihrigen nach Gelegenheit der Zeit bisweilen ein wenig mit den Ohren herfürragen und Atem schöpfen lassen, damit er nicht gar bei ihnen ersticke, dieselbige halte ich vor die beste und verständigste Leute. Ich ließ den meinen nur zu weit heraus, da ich mich in einem so freien Stand sahe und noch Geld wußte, maßen ich einen Jungen annahm, den ich als einen Edelpage kleidete, und zwar in die närrischte Farben, nämlich veielbraun und gelb ausgemacht, so meine Liberei sein mußte, weil mirs so gefiel; derselbe mußte mir aufwarten, als wann ich ein Freiherr und kurz zuvor kein Dragoner oder vor einem halben Jahr ein armer lausiger Roßbub gewesen wäre.

Dies war die erste Torheit, so ich in dieser Stadt begieng, [231] welche, obgleich sie ziemlich groß war, ward sie doch von niemand gemerkt, viel weniger getadelt. Aber was machet es? Die Welt ist der Torheiten so voll, daß sie keiner mehr acht noch selbige verlacht oder sich darüber verwundert, weil sie deren gewohnt ist. So hatte ich auch den Ruf eines klugen und guten Soldaten, und nicht eines Narrn, der die Kinderschuhe noch träget. Ich dingte mich und meinen Jungen meinem Hausvatter in die Kost und gab ihm an Bezahlung auf Abschlag, was mir der Kommandant wegen meines Pferdes an Fleisch und Holz verehret hatte; zum Getränk aber mußte mein Jung den Schlüssel haben, weil ich denen, die mich besuchten, gern davon mitteilete, dann sintemal ich weder Bürger noch Soldat war und also keinen meinesgleichen hatte, der mir Gesellschaft leisten mögen, hielt ich mich zu beiden Teilen und bekam dahero täglich Kameraden genug, die ich ungetränkt nicht bei mir ließ. Zum Organisten allda machte ich aus den Bürgern die beste Kundschaft, weil ich die Musik liebte und (ohn Ruhm zu melden) eine treffliche gute Stimme hatte, die ich bei mir nicht verschimmlen lassen wollte. Dieser lehrete mich, wie ich komponieren sollte, item auf dem Instrument besser schlagen sowohl als auch auf der Harpfe; so war ich ohndas auf der Laute ein Meister, schaffte mir dahero eine eigne und hatte schier täglich meinen Spaß damit. Wann ich dann satt war zu musizieren, ließ ich den Kürschner kommen, der mich im Paradeis in allen Gewehren unterwiesen; mit demselben exerzierte ich mich, um noch perfekter zu werden. So erlangte ich auch beim Kommandanten, daß mich einer von seinen Konstablen die Büchsenmeistereikunst und etwas mit dem Feurwerk umzugehen um die Gebühr lernete. Im übrigen hielt ich mich sehr still und eingezogen, also daß sich die Leute verwunderten, wann sie sahen, daß ich stets über den Büchern saß wie ein Student, da ich doch Raubens und Blutvergießens gewohnt gewesen.

Mein Hausvatter war des Kommandanten Spürhund und mein Hüter, maßen ich merkte, daß er all mein Tun und Lassen demselben hinterbrachte. Zwar konnte ichs dem Obristen nicht verdenken, dann wann ich Kommandant gewesen wäre und einen solchen Gast gehabt hätte, wie ich geachtet wurde, so hätte ichs auch so gemacht. Ich konnte mich aber artlich darein schicken; dann ich gedachte des Kriegswesens kein einzig Mal, und wann man davon redte, tät ich, als wäre ich niemals kein Soldat gewesen und nur darumb da wäre, meinen täglichen Exerzitien, deren ich erst gedacht, abzuwarten. Ich wünschte zwar, daß meine sechs Monat bald herum wären; es konnte aber niemand abnehmen, [232] welchem Teil ich alsdann dienen wollte. Sooft ich dem Obristen aufwartete, behielt er mich auch an der Tafel; da setzte es dann je zuweilen solche Diskurse, dadurch mein Vorsatz, Sinn und Gedanken ausgeholt werden sollte; ich antwortete aber jederzeit so vorsichtig, daß man nicht wissen konnte, was Sinns ich sei und sich doch alles Gutes gegen mir versehen mußte. Einsmals sagte er zu mir: »Wie stehet es, Jäger? wollet Ihr noch nicht schwedisch werden? gestern ist mir ein Fähnrich gestorben.« Ich antwortete: »Hochg. Herr Obrister! stehet doch einem Weib wohl an, wann sie nach ihres Manns Tod nicht gleich wieder heuratet; warum sollte ich mich dann nicht sechs Monat patientieren?« Dergestalt entgieng ich jederzeit und kriegte doch des Obristen Gunst je länger je mehr, so gar, daß er mir sowohl in- als außerhalb der Festung herumzuspazieren [vergonnte]; ja ich dorfte endlich den Hasen, Feldhühnern und Vögeln nachstellen, welches seinen eigenen Soldaten nicht gegönnet war. So fischte ich auch in der Lippe und war so glücklich damit, daß es das Ansehen hatte, als ob ich beides, Fische und Krebse, aus dem Wasser bannen könnte. Darum ließ ich mir nur ein schlechtes Jägerkleid machen; in demselbigen strich ich bei Nacht (dann ich wußte alle Wege und Stege) in die Soestische Börde und holete meine verborgene Schätze hin und wieder zusammen, schleppte solche in gedachte Festung und ließ mich an, als ob ich ewig bei den Schweden wohnen wollte.

Auf demselbigen Weg kam die Wahrsagerin von Soest zu mir, die sagte: »Schaue, mein Sohn! habe ich dir hiebevor nicht wohl geraten, daß du dein Geld außerhalb der Stadt Soest verbergen solltest? Ich versichere dich, daß es dein größtes Glück gewesen, daß du gefangen worden; dann wärest du heimkommen, so hätten dich einzige Kerl, welche dir den Tod geschworen, weil du ihnen beim Frauenzimmer bist vorgezogen worden, auf der Jagt erwürgt.« Ich antwortete: »Wie kann jemand mit mir eifern, da ich doch dem Frauenzimmer nichts nachfrage?« – »Versichert!« sagte sie, »wirst du des Sinns nicht verbleiben, wie du jetzt bist, so wird dich das Frauenzimmer mit Spott und Schande zum Land hinausjagen. Du hast mich jederzeit verlacht, wann ich dir etwas zuvorgesagt habe; wolltest du mir abermal nicht glauben, wann ich dir mehr sagte? Findest du an dem Ort, wo du jetzt bist, nicht geneigtere Leute als in Soest? Ich schwöre dir, daß sie dich nur gar zu lieb haben und daß dir solche übermachte Liebe zum Schaden gereichen wird, wann du dich nicht nach derselbigen akkommodierest.« Ich antwortete ihr, wann sie ja soviel wüßte, als sie sich davor ausgebe, so sollte [233] sie mir davor sagen, wie es mit meinen Eltern stünde und ob ich mein Lebtag wieder zu denselben kommen würde, sie sollte aber nicht so dunkel, sondern sein teutsch mit der Sprache heraus. Darauf sagte sie, ich sollte alsdann nach meinen Eltern fragen, wann mir mein Pflegvatter unversehens begegne und führe meiner Säugammen Tochter am Strick daher, lachte darauf überlaut und hienge daran, daß sie mir von sich selbst mehr gesagt als andern, die sie darum gebeten hätten. Hinfort würde ich wenig von ihr vernehmen; dies wollte sie mir noch zu guter Letzt vertrauet haben, daß ich nämlich, wann ich wohl fahren wollte, tapfer schmieren und anstatt des Frauenzimmers Wehr und Waffen lieben müßte. »Alte Schelle,« sagte ich, »das tue ich ja!« Sie antwortete: »Ja, ja, es wird schon bald anderst kommen!« Hernach machte sie sich, weil ich sie nur anfieng zu foppen, geschwind von mir, als ich ihr zuvor etliche Taler verehret, weil ich doch schwer am Silbergeld zu tragen hatte. Ich hatte damals ein schön Stück Geld und viel köstliche Ringe und Kleinodien beieinander; dann wo ich hiebevor unter den Soldaten etwas von Edelgesteinen wußte oder auf Partei und sonst antraf, brachte ichs an mich, und darzu nicht einmal um halb Geld, was es gültig war. Solches schrie mich immerzu an, es wollte gern wieder unter die Leute; ich sollte es auslassen, wann ich angesehen sein wollte. Ich folgte auch gar gern; dann weil ich ziemlich hoffärtig war, prangte ich mit meinem Gut und ließ solches meinen Wirt ohn Scheu sehen, der bei den Leuten mehr daraus machte, als es war. Dieselbige aber verwunderten sich, wo ich doch alles hergebracht haben müßte, dann es war genugsam erschollen, daß ich meinen gefundenen Schatz zu Köln liegen hatte, weil der Kornett des Kaufmanns Handschrift gelesen, da er mich gefangen bekommen.

Das 18. Kapitel
Das achtzehnte Kapitel.
Simplex, der Jäger, zu buhlen fängt an,
Ihm sein die Jungfrauen gar sehr zugetan.

Mein Vorsatz, die Büchsenmeisterei und Fechtkunst in diesen sechs Monaten vollkommen zu lernen, war gut, und ich begriffs auch. Aber es war nit genug, mich vorm Müßiggang, der ein Ursprung vielen Übels ist, allerdings zu behüten, vornehmlich weil niemand war, der mir zu gebieten hatte. Ich saß zwar emsig über allerhand Büchern, aus denen ich viel Gutes lernete, es [234] kamen mir aber auch teils unter die Hände, die mir wie dem Hund das Gras gesegnet wurden. Die unvergleichliche Arcadia, aus deren ich die Wohlredenheit lernen wollte, war das erste Stück, das mich von den rechten Historien zu den Liebebüchern und von den wahrhaften Geschichten zu den Heldengedichten zog. Solcherlei Gattungen brachte ich zuwege, wo ich konnte, und wann mir eins zuteil ward, hörete ich nicht auf, bis ichs durchgelesen, und sollte ich Tag und Nacht darüber gesessen sein. Diese lerneten mich vor das Wohlreden mit der Leimstange laufen. Doch ward dieser Mangel damals bei mir nicht so heftig und stark, daß man ihn mit Seneca ein göttliches Rasen oder, wie es in Thomä Thomai Weltgärtlein beschrieben wird, eine beschwerliche Krankheit hätte nennen können; dann wo meine Liebe hinfiel, da erhielt ich leichtlich und ohne sonderbare Mühe, was ich begehrete, also daß ich keine Ursache zu klagen bekam wie andere Buhler und Leimstängler, die voller phantastischer Gedanken, Mühe, Begierden, heimlich Leiden, Zorn, Eifer, Rachgier, Rasen, Weinen, Protzen, Drohen und dergleichen tausendfältigen Torheiten stecken und ihnen vor Ungedult den Tod wünschen. Ich hatte Geld und ließ mich dasselbe nicht dauren, und überdas eine gute Stimme, übte mich stetig auf allerhand Instrumenten. Anstatt des Tanzens, dem ich nie bin hold worden, weil ich mich nicht recht darein [zu] schicken wußte, auch es ohnedas vor eine unsinnige Torheit hielte, wiese ich die Gerade meines Leibes, wann ich mit meinem Kürschner fochte. Überdas hatte ich einen trefflichen glatten Spiegel und gewöhnte mich zu einer freundlichen Lieblichkeit, also daß mir das Frauenzimmer, wannschon ich mich dessen nicht sonderlich annahm, (wie Aurora dem Clito, Cephalo und Tithoni, Venus dem Anchise, Atidi und Adoni, Ceres dem Glauco, Ulysse und Jasioni, und die keusche Diana selbst ihrem Endimione) von sich selbst nachlief, mehr als ich dessen begehrete.

Um dieselbige Zeit fiel Martini ein; da fängt bei uns Teutschen das Fressen und Saufen an und währet bei teils bis in die Faßnacht. Da ward ich an unterschiedliche Örter, sowohl bei Offizierern als Bürgern, die Martinsgans verzehren zu helfen, eingeladen. Da setzte es dann zuzeiten so etwas, weil ich bei solchen Gelegenheiten mit dem Frauenzimmer in Kundschaft kam. Meine Laute und Gesang, die zwangen eine jede, mich anzuschauen, und wann sie mich also betrachteten, wußte ich zu meinen neuen Buhlenliedern, die ich selber machte, so anmutige Blicke und Gebärden hervorzubringen, daß sich manches hübsches Mägdlein darüber vernarrte und mir unversehens hold [235] ward. Und damit ich nicht vor einen Hungerleider gehalten würde, stellete ich auch zwo Gastereien, die eine zwar vor die Offizierer und die andere vor die vornehmste Bürger, an, dadurch ich mir bei beiden Teilen Gunst und einen Zutritt vermittelte, weil ich kostbar auftragen und trefflich traktieren ließ. Es war mir aber alles nur um die liebe Jungfern zu tun; und obgleich ich bei einer oder der andern nicht fand, was ich suchte (dann es gab auch noch etliche, die es verhalten konnten) so gieng ich doch einen Weg als den andern zu ihnen, damit sie diejenige, die mir mehr Gunst erzeigeten, als ehrlichen Jungfern gebühret, in keinen bösen Verdacht bringen, sondern glauben sollten, daß ich mich bei denselbigen auch nur Diskurs halber aufhielte. Und das überredete ich eine jede insonderheit, daß sie es von den andern glaubte und nicht anders meinete, als wäre sie allein diejenige, die sich meiner erfreuete.

Ich hatte gerad sechs, die mich liebten und ich sie hinwiederum, doch hatte keine mein Herz gar oder mich allein; an der einen gefielen mir nur die schwarze Augen, an der andern die goldgelbe Haare, an der dritten die liebliche Holdseligkeit und an den übrigen auch so etwas, das die andere nicht hatte. Wann ich aber ohn diese andere besuchte, so geschahe es nur entweder aus obgesagter Ursache, oder weilen es fremd und neu war und ich ohndas nichts ausschlug oder verachtete, indem ich nicht immer an demselben Ort zu bleiben gedachte. Mein Jung, der ein Erzschelm war, hatte genug zu tun mit Kuppeln und Buhlenbrieflein hin und wieder zu tragen und wußte reinen Mund und meine lose Händel gegen einer und der andern so geheimzuhalten, daß nichts drüber war; davon bekam er von den Schleppsäcken ein Haufen Favor, so mich aber am meisten kosteten, maßen ich hierdurch ein Ansehnliches verschwendete und wohl sagen konnte: »Was mit Trommeln gewonnen wird, gehet mit Pfeifen wieder dahin.« Dabei hielt ich meine Sachen so geheim, daß mich der hunderte vor keinen Buhler halten konnte, ohn der Pfarrer, bei welchem ich nicht mehr so viel geistliche Bücher entlehnete als zuvor.

Das 19. Kapitel
Das neunzehnte Kapitel.
Simplex, der Jäger, machet ihm viel Freund,
Hört eine Predigt von eim, ders gut meint.

Wann das Glück einen stürzen will, so hebet es ihn zuvor in alle Höhe, und der gütige Gott lässet auch einen jeden vor [236] seinem Fall so treulich warnen. Das widerfuhr mir auch, ich nahms aber nicht an! Ich hielt in meinem Sinn gänzlich davor, daß mein damaliger glücklicher Stand so fest gegründet wäre, daß mich kein Unglück davon stürzen könnte, weil mir jedermann, insonderheit aber der Kommandant selbst, so wohl wollte. Diejenige, auf welche er viel hielt, gewann ich mit allerhand Ehrerbietungen, seine getreue Diener brachte ich durch Spendieren und Geschenke auf meine Seite, und mit denen, so etwas mehr als meinesgleichen waren, soff ich Brüderschaft und schwur ihnen unverbrüchliche Treue und Freundschaft; die gemeine Bürger und Soldaten waren mir deswegen hold, weil ich jedem freundlich zusprach. »Ach was vor ein freundlicher Mensch«, sagten sie oft zusammen, »ist doch der Jäger! er redet ja mit dem Kind auf der Gasse und erzörnt keinen Menschen!« Wann ich ein Häschen oder etliche Feldhühner fieng, so schickte ichs denen in die Küchen, deren Freundschaft ich suchte, lud mich darbei zu Gast und ließ etwan einen Trunk Wein, welcher derorten teuer war, darzu holen, ja ich stellte es also an, daß schier aller Kosten über mich gieng. Wann ich dann mit jemand bei solchen Gelachen in ein Gespräch kam, so redete ich, was jeder gern hörte, lobte jedermann, ohn mich selbst nicht, und wußte mich so demütig zu stellen, als ob ich die Hoffart nie gekannt hätte, wiewohl ich wußte, daß dieselbe im Krieg eine Ehre ist. Weil ich dann nun hierdurch eines jeden Gunst kriegte und jedermann viel von mir hielt, gedachte ich nicht, daß mir etwas Unglückliches widerfahren könnte, vornehmlich weil mein Säckel noch ziemlich gespickt war.

Ich gieng oft zum ältesten Pfarrer derselbigen Stadt, als der mir aus seiner Bibliothek viel Bücher lehnete, und wann ich ihm eins wiederbrachte, so diskurierte er von allerhand Sachen mit mir; dann wir akkommodierten uns so miteinander, daß einer den andern gern leiden mochte. Als nun nicht nur die Martinsgäns und Metzelsuppen hin und wieder, sondern auch die heilige Weihnachtfeiertäge vorbei waren, verehrete ich ihm eine Flaschen voll Straßburger Branntewein zum Neuen Jahr, welchen er, der Westfälinger Gebrauch nach, mit Kandelzucker gern einläpperte, und kam darauf hin, ihn zu besuchen, als er eben in meinem »Joseph« las, welchen ihm mein Wirt ohn mein Wissen geliehen hatte. Ich entfärbte mich, daß einem solchen gelehrten Mann meine Arbeit in die Hände kommen sollte, sonderlich weil man davorhält, daß einer am besten aus seinen Schriften erkannt werde. Er aber machte mich zu ihm sitzen und lobte zwar meine Invention, schalt aber, daß ich mich [237] so lang in der Seliche (die Potiphars Weib gewesen) Liebehändeln hätte aufgehalten. »Wessen das Herz voll ist, gehet der Mund über,« sagte er ferners; »wann der Herr nicht selbsten wüßte, wie einem Buhler ums Herz ist, so hätte Er dieses Weibes Passiones nicht so wohl ausführen oder vor Augen stellen können.« Ich antwortete, was ich geschrieben hätte, das wäre meine eigne Erfindung nicht, sondern hätte es aus andern Büchern, die Zeit zu vertreiben, extrahiert, mich um etwas im Schreiben zu üben. »Ja, ja,« antwortete er, »das glaub ich gern (scil.), aber Er versichere sich, daß ich mehr von Ihm weiß, als Er sich einbildet!« Ich erschrak, da ich diese Worte hörete, und gedachte: »Hat dirs dann St. Velten gesagt?« und weil er sahe, daß sich meine Farbe änderte, fuhr er ferner fort und sagte: »Der Herr ist frisch und jung, Er ist müßig und schön, Er lebet ohn Sorge und, wie ich vernehme, in allem Überfluß; darum bitte und ermahne ich Ihn im Herrn, daß Er bedenken wolle, in was vor einem gefährlichen Stand Er sich befindet; Er hüte sich vor dem Tier, das Zöpfe hat, will Er anders sein Glück und Heil beobachten. Der Herr möchte zwar gedenken: ›Was gehts den Pfaffen an, was ich tu und lasse (ich gedachte: Du hast es erraten!), oder was hat er mir zu befehlen?‹ Es ist wahr, ich bin ein Seelsorger! Aber Herr, seid versichert, daß mir Eure, als meines Guttäters, zeitliche Wohlfahrt aus christlicher Liebe so hoch angelegen ist, als ob Ihr mein eigener Sohn wäret. Immer schade ist es, und Ihr könnet es bei Euerm himmlischen Vatter in Ewigkeit nicht verantworten, wann Ihr Eur Talent, das er Euch verliehen, vergrabet und Euer edel Ingenium, das ich aus gegenwärtiger Schrift erkenne, verderben lasset. Mein getreuer und vätterlicher Rat wäre, Ihr legtet Eure Jugend und Eure Mittel, die ihr hier so unnützlich verschwendet, zum Studieren an, damit Ihr heut oder morgen beides, Gott und Menschen, und Euch selbst bedient sein könnet, und ließet das Kriegswesen, zu welchem Ihr, wie ich höre, so große Lust traget, sein, wie es ist, eh Ihr ohnversehens einmal eine Schlappe davontraget und dasjenige Sprüchwort wahr zu sein an Euch befindet, welches heißt: Junge Soldaten, alte Bettler.« Ich hörete diesen Sentenz mit großer Ungedult, weil ich dergleichen zu vernehmen nicht gewohnt war, jedoch stellete ich mich viel anders, als mirs ums Herz war, damit ich mein Lob, daß ich ein feiner Mensch wäre, nicht verliere; bedankte mich zumal auch sehr vor seine erwiesene Treuherzigkeit und versprach, mich auf sein Einraten zu bedenken, gedachte aber bei mir selbst wie des Goldschmieds Junge, und was es den Pfaffen geheie, wie [238] ich mein Leben anstelle, weil es damals mit mir aufs höchste kommen war und ich die nunmehr gekostete Liebewollüste nicht mehr entbehren wollte. Es gehet aber mit solchen Warnungen nicht änderst her, wann die Jugend schon des Zaums und der Sporen der Tugenden entwohnet ist und in vollen Sprüngen ihrem Verderben zurennet.

Das 20. Kapitel
Das zwanzigste Kapitel.
Simplex dem Pfarrer viel Händel fürmacht,
Und ihms darbei in die Faust hineinlacht.

Ich war in den Wollüsten doch nicht so gar ersoffen oder so dumm, daß ich nicht gedacht hätte, jedermanns Freundschaft zu behalten, solang ich noch in derselbigen Festung zu verbleiben (nämlich bis der Winter vorüber) willens war. So erkannte ich auch wohl, was es einem vor Unrat bringen könnte, wann er der Geistlichen Haß hätte, als welche Leute bei allen Völkern, sie sein gleich was Religion sie wollen, einen großen Kredit haben; derowegen nahm ich meinen Kopf zwischen die Ohren und trat gleich den andern Tag wieder auf frischem Fuß zu obgedachtem Pfarrer und log ihm mit gelehrten Worten einen solchen zierlichen Haufen daher, wasgestalten ich mich resolviert hätte, ihm zu folgen, daß er sich, wie ich aus seinen Gebärden sehen konnte, herzlich darüber erfreuete. »Ja,« sagte ich, »es hat mir seithero, auch schon in Soest, nichts anders als ein solcher engelischer Ratgeber gemangelt, wie ich einen an meinem hochgeehrten Herrn angetroffen habe. Wann nur der Winter bald vorüber oder sonst das Wetter bequem wäre, daß ich fortreisen könnte!« Bat ihn darneben, er wollte mir doch ferner mit gutem Rat beförderlich sein, auf welche Academiam ich mich begeben sollten. Er antwortete, was ihn anbelange, so hätte er zu Leyden studieret, mir aber wollte er nach Genf geraten haben, weil ich der Aussprache nach ein Hochteutscher wäre. »Jesus Maria!« antwortete ich, »Genf ist weiter von meiner Heimat als Leyden.« – »Was vernehme ich?« sagte er hierauf mit großer Bestürzung, »ich höre wohl, der Herr ist ein Papist! O mein Gott, wie finde ich mich betrogen!« – »Wie so, wie so, Herr Pfarrer?« sagte ich, »muß ich darum ein Papist sein, weil ich nicht nach Genf will?« – »O nein,« sagte er, »sondern daran höre ichs, weil Ihr die Mariam anrufet.« Ich sagte: »Sollte dann einem Christen nicht gebühren, die Mutter seines Erlösers zu nennen?« [239] – »Das wohl,« antwortete er, »aber ich ermahne und bitte Ihn, so hoch als ich kann, Er wolle Gott die Ehre geben und mir gestehen, welcher Religion Er beigetan sei. Dann ich zweifle sehr, daß Er dem Evangelio glaube (obzwar ich ihn alle Sonntage in meiner Kirche gesehen), weil Er das verwichene Fest der Geburt Christi weder bei uns noch den Lutherischen zum Tisch des Herrn gangen!« Ich antwortete: »Der Herr Pfarrer höret ja wohl, daß ich ein Christ bin, und wann ich keiner wäre, so würde ich mich nicht so oft in der Predigt eingefunden und dem Gottesdienst beigewohnt haben; im übrigen aber gestehe ich, daß ich weder Petrisch noch Paulisch bin, sondern allein simpliciter glaube, was die zwölf Artikul des allgemeinen Hl. christlichen Glaubens in sich halten, werde mich auch zu keinem Teil vollkommen verpflichten, bis mich ein oder ander durch genugsame Erweisungen persuadieret zu glauben, daß er vor den andern die rechte, wahre und alleinseligmachende Religion habe.« – »Jetzt«, sagte er, »glaube ich erst recht, daß Er ein kühnes Soldatenherz habe, sein Leben wacker dran zu wagen, weil Er gleichsam ohn Religion und Gottesdienst auf den alten Kaiser hinein dahinleben und so frevelhaftig seine Seligkeit in die Schanze schlagen darf! Mein Gott! wie kann aber ein sterblicher Mensch, der entweder verdammt oder selig werden muß, immermehr so keck sein? Ist der Herr in Hanau erzogen und nicht anders im Christentum unterrichtet worden? Er sage mir doch, warum Er seiner Eltern Fußstapfen in der reinen christlichen Religion nicht nachfolget. Oder warum Er sich ebensowenig zu dieser als zu einer andern begeben will, deren Fundamenta sowohl in der Natur als Hl. Schrift doch so sonnenklar am Tag liegen, daß sie auch in Ewigkeit weder Papist noch Lutheraner nimmermehr wird umstoßen können?« Ich antwortete: »Herr Pfarrer! das sagen auch alle andere von ihrer Religion; welchen soll ich aber Glauben zustellen? Vermeinet der Herr wohl, es sei so ein Geringes, wann ich einem Teil, den die andern zwei lästern und einer falschen Lehre bezüchtigen, meiner Seelen Seligkeit vertraute? Er sehe doch (aber mit meinen unparteischen Augen), was Konrad Vetter und Johannes Nas wider Lutherum und hingegen Luther und die Seinige wider den Papst, sonderlich aber Spangenberg wider Franziskum, der etliche hundert Jahre vor einen heiligen und gottseligen Mann gehalten worden, in offenen Druck ausgehen lassen. Zu welchem Teil soll ich mich dann tun, wann je eins das ander ausschreiet, es sei kein gut Haar an ihm? Vermeinet der Herr Pfarrer, ich tue unrecht, wann ich einhalte, bis ich [240] meinen Verstand völliger bekomme und weiß, was schwarz oder weiß ist? Sollte mir wohl jemand raten, hineinzuplumpen wie die Fliege in einen heißen Brei? O nein! das wird der Herr Pfarrer verhoffentlich mit gutem Gewissen nicht tun können. Es muß unumgänglich eine Religion recht haben und die andern beide unrecht; sollte ich mich nun zu einer ohn reiflichen Vorbedacht bekennen, so könnte ich ebensobald eine unrechte als die rechte erwischen, so mich hernach in Ewigkeit reuen würde. Ich will lieber gar von der Straße bleiben als nur irrlaufen; zudem seind noch mehr Religionen dann nur die in Europa, als die Armenier, Abyssiner, Griechen, Georgianer und dergleichen, und Gott geb, was ich vor eine davon annehme, so muß ich mit meinen Religionsgenossen den andern allen widersprechen. Wird nun der Herr Pfarrer mein Ananias sein, so will ich ihm mit großer Dankbarkeit folgen und die Religion annehmen, die er selbst bekennet.«

Darauf sagte er: »Der Herr steckt in großem Irrtum und herannahenden höchst schädlichem Seelenverderben; aber ich hoffe zu Gott, er werde ihn erleuchten und aus dem Schlamm helfen; zu welchem Ende ich ihm dann unsere Konfession inskünftige dergestalt aus hl. Schrift bewähren will, daß sie auch wider die Pforten der Hölle bestehen solle.« Ich antwortete, dessen würde ich mit großem Verlangen gewärtig sein, gedachte aber bei mir selber: »Wann du mir nur nichts mehr von meinen Liebchern vorhältest, so bin ich mit deinem Glauben wohl zufrieden!« Hierbei kann der Leser abnehmen, was ich damals vor ein gottloser böser Bub gewesen; dann ich machte dem guten Pfarrer deswegen vergebliche Mühe, damit er mich in meinem ruchlosen Leben ungehindert ließe, und gedachte: »Bis du mit deinen Beweistümen fertig bist, so bin ich vielleicht, wo der Pfeffer wächset.«

Das 21. Kapitel
Das einundzwanzigste Kapitel.
Simplex geht fenstern, wird darüber bekommen,
Sagt, was man weiter mit ihm vorgenommen.

Gegen meinem Quartier über wohnete ein reformierter Obristleutenant; der hatte eine überaus schöne Tochter, die sich ganz adelig trug. Ich hätte längst gern Kundschaft zu ihr gemachet, unangesehen sie mir anfänglich nicht beschaffen zu sein deuchte, daß ich sie allein lieben und auf ewig haben möchte; doch schenkte ich ihr manchen Gang und noch viel [241] mehr liebreicher Blicke; sie ward mir aber so fleißig verhütet, daß ich kein einzig Mal, als ich mir wünschete, mit ihr zu reden kommen konnte. So dorfte ich auch so unverschämt nicht hineinplatzen, weil ich mit ihren Eltern keine Kundschaft hatte und mir der Ort vor einen Kerl von so geringem Herkommen, als mir das meinige bewußt war, viel zu hoch vorkam. Am allernächsten gelangte ich zu ihr, wann wir etwan in oder aus der Kirche giengen; da nahm ich dann die Zeit so fleißig in acht, mich ihr zu nähern, daß ich oft ein paar Seufzer anbrachte, das ich meisterlich konnte, obzwar sie alle aus falschem Herzen giengen. Hingegen nahm sie solche auch noch kaltsinnig an, daß ich mir einbilden mußte, daß sie sich nicht so leicht wie eines schlechten Bürgers Tochter verführen lassen würde; und indem ich gedachte, sie würde mir schwerlich zuteil, wurden meine Begierden nach ihr nur desto heftiger.

Mein Stern, der mich das erstemal zu ihr vermittelte, war derjenige, den die Schüler zu immerwährendem Gedächtnüs um selbige Zeit des Jahrs herumtragen, damit anzuzeigen, daß die drei Weisen durch einen solchen nach Bethlehem begleitet worden, so ich anfänglich vor ein gut Omen hielt, weil mir dergleichen einer in ihre Wohnung leuchtete, da ihr Vatter selbst nach mir schickte: »Monsieur,« sagte er zu mir, »Seine Neutralität, die Er zwischen Bürgern und Soldaten hält, ist eine Ursache, daß ich Ihn zu mir bitten lassen, weil ich wegen einer Sache, die ich zwischen beiden Teilen ins Werk zu richten vorhabe, einen unparteischen Zeugen bedarf.« Ich vermeinte, er hätte was Wundergroßes im Sinn, weil Schreibzeug und Papier auf dem Tisch war, bot ihm derowegen zu allen ehrlichen Geschäften meine bereitfertigste Dienste an mit sondern Komplimenten, daß ich mirs nämlich vor eine große Ehre halten würde, wann ich so glückselig sei, ihm beliebige Dienste zu leisten. Es war aber nichts anders, als (wie an vielen Orten der Gebrauch ist) ein Königreich zu machen, maßen es eben an der hl. drei Könige Abend war; dabei sollte ich zusehen, daß es recht zugienge und die Ämter, ohn Ansehung der Personen, durch das Los ausgeteilet würden. Zu diesem Geschäft, bei welchem des Obristen Sekretarius auch war, ließ der Obristleutenant Wein und Konfekt langen, weil er ein trefflicher Zechbruder und es ohndas nach dem Nachtessen war. Der Sekretarius schrieb, ich las die Namen, und die in meinem Herzen eingewurzelte Jungfer zog die Zettel, ihre Eltern aber sahen zu; und ich mag eben nicht ausführlich erzählen, wie es hergangen, dann ich die erste Kundschaft an diesem Ort machte. Sie beklagten [242] sich über die lange Winternächte und gaben mir damit zu verstehen, daß ich, solche desto leichter zu passieren, wohl zu ihnen zu Liecht kommen dörfte, indem sie ohndas keine besonders große Geschäfte hätten. Dies war nun eben das, was ich vorlängsten gewünschet.

Von diesem Abend an (da ich mich zwar nur ein wenig bei der Jungfer zutäppisch machte) fieng ich wieder auf ein neues an, mit der Leimstangen zu laufen und am Narrensail zu ziehen, also daß sich beides, die Jungfer und ihre Eltern, einbilden mußten, ich hätte den Angel geschluckt, wiewohl mirs nicht halber Ernst, sondern nur darum zu tun war, wie ich den Ehestand ledigerweise treiben möchte. Ich butzte mich alls nur gegen der Nacht, wann ich zu ihr wollte, wie die Hexen, und den Tag über hatte ich mit den Liebsbüchern (Liebegrillen) zu tun; daraus stellete ich Buhlenbrieflein an meine Liebste, eben als ob ich hundert Meil Wegs von ihr gewohnt hätte oder in viel Jahren nicht zu ihr käme. Zuletzt machte ich mich gar gemein, weil mir meine Löffelei nicht sonderlich von den Eltern gewehret, sondern zugemutet ward, ich sollte ihre Tochter auf der Laute lernen schlagen. Da hatte ich nun einen freien Zutritt bei Tag sowohl als hiebevor des Abends, also daß ich meinen gewöhnlichen Reimen:


»Ich und eine Fledermaus
Fliegen nur bei Nachtzeit aus«

änderte und ein Liedlein machte, in welchem ich mein Glück lobte, weil es mir auf so manchen guten Abend auch so freudenreiche Täge verliehe, an denen ich in meiner Liebsten Gegenwart meine Augen waiden und mein Herz um etwas erquicken könnte. Hingegen klagte ich auch in ebendemselbigen Lied über mein Unglück und bezüchtigte dasselbige, daß es mir die Nächte verbitterte und mir nicht gönnete, solche auch wie die Täge mit liebreicher Ergetzung hinzubringen! Und obzwar es um etwas zu frei kam, so sang ichs doch meiner Liebsten mit andächtigen Seufzen und einer lustreizenden Melodei, darzu die Laute das ihrige trefflich tät und gleichsam die Jungfer mit mir bat, sie wollte doch kooperieren, daß mir die Nächte so glücklich als die Täge bekommen möchten. Aber ich bekam ziemlich abschlägige Antwort, dann sie war trefflich klug und konnte mich auf meine Erfindungen, die ich bisweilen artlich anbrachte, gar höflich beschlagen. Ich nahm mich auf solche Weise künftig besser in acht, von der Verehlichung zu schweigen, ja, wann schon diskursweis davon geredet ward, stellete ich doch alle meine Worte auf [243] Schrauben. Welches meiner Jungfer Schwester, die schon verheuratet war, bald merkte und dahero mir und meinem lieber Mägdlein alle Pässe verlegte, damit wir nicht so oft wie zuvor allein beisammen sein sollten; dann sie sahe wohl, daß mich ihre Schwester von Herzen liebete und daß die Sache in die Länge kein gut tun würde.

Es ist unnötig, alle Torheiten meiner Löffelei umständlich zu erzählen, weil dergleichen Possen ohndas alle Liebsschriften voll sein. Genug ist es, wann der günstige Leser weiß, daß es zuletzt dahinkam, daß ich erstlich mein liebes Dingelchen zu küssen und endlich auch andere Narrenpossen zu tun mich erkühnen dorfte. Solchen erwünschten Fortgang verfolgte ich mit allerhand Reizungen, bis ich bei Nacht von meiner Liebsten eingelassen ward und mich so hübsch zu ihr ins Bette fügte, als wann ich zu ihr gehört hätte. Weil jedermann weiß, wie es bei dergleichen Kürben pfleget gemeiniglich herzugehen, so dörfte sich wohl der Leser einbilden, ich hätte etwas Ungebührliches begangen. Jawohl nein! Ich wußte zwar wohl, warum ich da war, weil es nicht das erstemal gewesen, daß ich mich dergestalt beim Frauenzimmer eingefunden; ich wußte auch wohl, was und wie ich suchen sollte, aber da war alles umsonst, alle meine Liebreizungen waren nichts und alle meine Verheißungen geschahen vergeblich. Ja, ich fand einen solchen Widerstand, dergleichen ich mir nimmermehr bei keinem Weibsbild anzutreffen gedenken können, weil ihr Absehen einzig und allein auf Ehre und den Ehestand gegründet war; und wanngleich ich ihr solchen mit den allergrausamsten Flüchen versprach, so wollte sie jedoch vor der ehelichen Kopulation kurzum nichts geschehen lassen; doch gönnete sie mir, auf ihrem Bette neben ihr liegen zu bleiben, auf welchem ich auch ganz ermüdet vor Unmut sanft einschlummerte. Ich ward aber gar ungestüm aufgeweckt; dann morgens um 4 Uhr stund der Obristleutenant vorm Bette mit einer Pistol in der einen und einer Fackel in der andern Hand. »Krabat,« schrie er überlaut seinem Diener zu, der auch mit einem bloßen Säbel neben ihm stund, »geschwind, Krabat, hole den Pfaffen!«, wovon ich dann erwachte und sahe, in was vor einer Gefahr ich mich befand. »O weh!« gedachte ich, »du sollst gewiß zuvor beichten, ehe er dir den Rest gibet!« Es ward mir ganz grün und gelb vor den Augen, und wußte nicht, ob ich sie recht auftun sollte oder nicht. »Du leichtfertiger Geselle!« sagte er zu mir, »soll ich dich finden, daß du mein Haus schändest? Tät ich dir unrecht, wann ich dir und dieser Vettel, die deine Hure worden ist, den Hals bräche? Ach du Bestia! wie [244] kann ich mich doch nur enthalten, daß ich dir nicht das Herz aus dem Leib herausreiße und, zu kleinen Stücken zerhackt, den Hunden darwerfe?« Damit biß er die Zähne übereinander und verkehrte die Augen als ein unsinnig Tier. Ich wußte nicht, was ich sagen sollte, und meine Beischläferin, die er auch schröcklich ausmachte, konnte nichts als weinen. Endlich, da ich mich ein wenig erholete, wollte ich etwas von unserer Unschuld vorbringen, er aber hieß mich das Maul halten und wollte kurzum kein Wort hören; also mußte ich schweigen und ihme das Wort allein lassen, allermaßen er wieder auf ein neues anfieng, mir aufzurucken, daß er mir viel ein anders vertrauet, ich aber hingegen ihn mit der allergrößten Untreue von der Welt gemeint hätte. Indessen kam seine Frau auch darzu, die fieng eine nagelneue Predigt an, also daß ich wünschte, ich läge irgends in einer Dornhecke; ich glaube auch, sie hätte in zweien Stunden nicht aufgehört, wann der Krabat mit dem Pfarrer nicht kommen wäre.

Eh dieser ankam, unterstund ich etlichemal aufzustehen, aber der Obristleutenant machte mich mit bedrohlichen Mienen liegend bleiben, also daß ich erfahren mußte, wie gar keine Courage ein Kerl hat, der auf einer bösen Tat ertappt wird, und wie einem Dieb ums Herz ist, den man erwischt, wann er eingebrochen, obgleich er nie nichts gestohlen hat. Ich gedenke der lieben Zeit, wann mir der Obr. Leutenant samt zwei solchen Kroaten aufgestoßen wäre, daß ich sie alle drei zu jagen unterstanden, aber jetzt lag ich da wie ein ander Bärnhäuter und hatte nicht das Herz, nur das Maul, geschweige die Fäuste, recht aufzutun. »Sehet, Herr Pfarrer!« sagte er, »das schöne Spektakul, zu welchem ich Euch zum Zeugen meiner Schande berufen muß!« Und kaum hatte er diese Worte ordentlich vorgebracht, da fieng er wieder an zu wüten und das Tausendste ins Hundertste zu werfen, daß ich nichts anders als vom Halsbrechen und Hände in Blut wäschen verstehen konnte. Er schaumte ums Maul wie ein Eber und stellte sich nicht anderst, als ob er gar von Sinnen kommen wollte, also daß ich alle Augenblick gedachte: »Jetzt jagt er dir eine Kugel durch den Kopf!« Der Pfarrer aber wehrte mit Händen und Füßen, daß nichts Tödliches geschähe, so ihn hernach reuen möchte. »Was?« sagte er, »Herr Obristleutenant, brauchet Eure hohe Vernunft und bedenket das Sprüchwort, daß man zu geschehenen Dingen das Beste reden soll. Dies schöne junge Paar, das seinesgleichen schwerlich im Land hat, ist nicht das erste und auch nicht das letzte, so sich von den unüberwindlichen Kräften der Liebe meistern lassen; dieser Fehler, den sie beide begangen, kann auch [245] durch sie, da es anders ein Fehler zu nennen, wieder leichtlich gebessert werden. Zwar lobe ichs nicht, sich auf diese Art zu verehlichen, aber gleichwohl hat dieses junge Paar hierdurch weder Galgen noch Rad verdienet, der Herr Obristleutenant auch keine Schande davon zu gewarten, wann er nur diesen geschehenen Fehler (der ohndas noch niemand bewußt) heimlich halten und verzeihen, seinen Konsens zu beider Verehlichung geben und diese Ehe durch den gewöhnlichen Kirchgang offentlich bestätigen lassen wird.« – »Was?« antwortete er, »sollte ich ihnen anstatt billiger Strafe erst noch hofieren und große Ehre antun? ich wollte sie eh morgenden Tags beide zusammenbinden und in der Lippe ertränken lassen! Ihr müsset mir sie in diesem Augenblick kopulieren, maßen ich Euch deswegen holen lassen, oder ich will sie alle beide wie die Hühner erwürgen.«

Ich gedachte: »Was willt du tun? es heißt: ›Vogel friß oder stirb‹; zudem, so ist es eine solche Jungfer, deren du dich nicht schämen darfst; ja wann du dein Herkommen bedenkest, so bist du kaum wert hinzusitzen, wo sie ihre Schuh hinstellet.« Doch schwur ich und bezeugte hoch und teuer, daß wir nichts Unehrliches miteinander zu schaffen gehabt hätten. Aber mir ward geantwortet, wir sollten uns gehalten haben, daß man nichts Böses von uns argwöhnen können, diesen Weg aber würden wir dem einmal gefaßten Verdacht niemand benehmen. Hierauf wurden wir von gemeldtem Pfarrer, im Bette sitzend, zusammengegeben, und nachdem solches geschehen, aufzustehen und miteinander aus dem Haus zu gehen gemüßiget. Unter der Tür sagte der Obristleutenant zu mir und seiner Tochter, wir sollten uns in Ewigkeit vor seinen Augen nicht mehr sehen lassen. Ich aber, als ich mich wieder erholte und den Degen auch an der Seite hatte, antwortete gleichsam im Scherz: »Ich weiß nicht, Herr Schwährvatter, warum Er alles so widersinns anstellet: wann andere neue Eheleute kopuliert werden, so führen sie die nächste Verwandte schlafen, Er aber jaget mich nach der Kopulation nicht allein aus dem Bette, sondern auch gar aus dem Haus, und anstatt des Glücks, das er mir in Ehestand wünschen sollte, will Er mich nicht so glückselig wissen, meines Schwähers Angesicht zu sehen und ihm zu dienen. Wahrlich, wann dieser Brauch aufkommen sollte, so würden die Verehlichungen wenig Freundschaft mehr in der Welt stiften.«

[246]
Das 22. Kapitel
Das zweiundzwanzigste Kapitel.
Simplex erzählt, wie ablief die Hochzeit,
Was er darzu auch geladen vor Leut.

Die Leute in meinem Losament verwunderten sich alle, da ich diese Jungfer mit mir heimbrachte, und noch viel mehr, da sie sahen, daß sie so ungescheut mit mir schlafen gieng; dann obzwar mir dieser Posse, so mir widerfahren, grandige Grillen in Kopf brachte, so war ich doch so närrisch nicht, meine Braut zu verschmähen. Ich hatte zwar die Liebste im Arm, hingegen aber tausenderlei Gedanken im Kopf, wie ich meine Sache heben und legen wollte. Bald gedachte ich: »Es ist dir recht geschehen!« und bald vermeinte ich, es wäre mir der allergrößte Schimpf von der Welt widerfahren, welchen ich ohn billige Rache mit Ehren nicht verschmerzen könnte. Wann ich aber besann, daß solche Rache wider meinem Schwährvatter, und also auch wider meine unschuldige fromme Liebste laufen müßte, fielen alle meine Anschläge dahin. Ich schämete mich so sehr, daß ich mir vornahm, mich einzuhalten und vor keinem Menschen mehr sehen zu lassen, befand aber, daß ich alsdann erst die allergrößte Narrheit begehen würde. Endlich war mein Schluß, ich wollte vor allen Dingen meines Schwährvatters Freundschaft wieder gewinnen und mich im übrigen gegen jedermann anlassen, als ob mir nichts Übels widerfahren und wegen meiner Hochzeit alles wohl ausgerichtet hätte. Ich sagte zu mir selber: »Weil alles auf eine seltsame ungewöhnliche Weise sich geschickt und seinen Anfang genommen, so mußt du es auch auf solche Gattung ausmachen. Sollten die Leute erfahren, daß du Verdruß an deiner Heurat hättest und wider deinen Willen kopuliert worden wärest, wie eine arme Jungfer an einen alten reichen Ehekrippel, so hättest du nur Spott davon.«

In solchen Gedanken ließ ich mir früh tagen, wiewohl ich lieber länger im Bette verblieben wäre. Ich schickte am allerersten nach meinem Schwager, der meines Weibes Schwester hatte, und hielt ihm kurz vor, wie nahe ich ihm verwandt worden, ersuchte ihn darneben, er wollte seine Liebste kommen lassen, um etwas zurichten zu helfen, damit ich den Leuten auch bei meiner Hochzeit zu essen geben könnte, er aber wollte belieben, unsern Schwähr und Schwieger meinetwegen zu begütigen, so wollte ich indessen ausgehen, Gäste zu bitten, die den Frieden zwischen mir und ihm vollends machten. Solches nahm er willig und gerne zu verrichten auf sich, und ich verfügte mich zum Kommandanten. Dem erzählte ich mit einer kurzweiligen und [247] artlichen Manier, was ich und mein Schwährvatter vor eine neue Mode angefangen hätten, Hochzeit zu machen, welche Gattung so geschwind zugehe, daß ich in einer Stunde die Heuratsabred, den Kirchgang und die Hochzeit auf einmal vollzogen; allein weil mein Schwährvatter die Morgensuppe gesparet hätte, wäre ich bedacht, anstatt deren ehrlichen Leuten von der Specksuppen mitzuteilen, zu deren ich ihn untertänig eingeladen haben wollte. Der Kommandant wollte sich meines lustigen Vortrags schier in Stücken lachen; und weil ich sahe, daß sein Kopf recht stund, ließ ich mich noch freier heraus und entschuldigte mich deswegen, daß ich notwendig jetzt nicht wohl klug sein müßte, weil andere Hochzeiter vier Wochen vor und nach der Hochzeit nicht recht bei Sinnen sein; andere Hochzeiter zwar hätten vier Wochen Zeit, in welchen sie allgemach ihre Torheiten unvermerkt herauslassen und also ihren Mangel an der Witz ziemlich verbergen könnten; weil mich aber die ganze Bräuterei vollkommen überfallen, so müßte ich auch die Narrenpossen häufig fliegen lassen, damit ich mich hernach desto vernünftiger im Ehestand anlassen könnte. Er fragte mich, wie es mit der Heuratsnotul beschaffen wäre und wieviel mir mein Schwährvatter Füchse, deren der alte Schabhals viel hätte, zum Heuratgut gäbe? Ich antwortete, daß unser Heuratsabrede nur in einem Punkt bestünde, der laute, daß ich und seine Tochter sich in Ewigkeit vor seinen Augen nicht mehr sollten sehen lassen; dieweil aber weder Notarien noch Zeugen dabei gewesen, hoffe ich, er sollte wieder revoziert werden, vornehmlich weil alle Heurat zu Fortpflanzung guter Freundschaft gestiftet würden, es wäre dann Sache, daß er mir seine Tochter wie Pythagoras die seinige verheuratet hätte, so ich aber nimmermehr glauben könnte, weil ich ihn meines Wissens niemal beleidiget.

Mit solchen Schwänken, deren man an mir diesorts sonst nicht gewohnt war, erhielt ich, daß der Kommandant samt meinem Schwährvatter, welchen er hierzu wohl persuadieren wollte, bei meiner Specksuppen zu erscheinen versprach. Er schickte auch gleich ein Faß köstlichen Wein und einen Hirsch in meine Küchen; ich aber ließ dergestalt zurichten, als ob ich viel Fürsten, Grafen und andere hohe Standspersonen hätte traktieren wollen, brachte auch eine ansehenliche Gesellschaft zuwege, die sich nicht allein miteinander recht lustig machten, sondern auch vor allen Dingen meinen Schwährvatter und Schwieger dergestalt mit mir und meinem Weib versöhneten, daß sie uns mehr Glücks wünschten, als sie uns die vorige Nacht fluchten. In der ganzen Stadt aber ward ausgesprengt, [248] daß unsre Kopulation mit Fleiß auf so eine fremde Gattung wäre angestellet worden, damit uns beiden kein Posse von bösen Leuten widerfahre. Mir aber war diese schnelle Hochzeit trefflich gesund, dann wann ich doch verehlichet und gemeinem Gebrauch nach über die Kanzel hätte abgeworfen werden sollen, so hätten sich besorglich Schleppsäcke gefunden, die mir ein verhinderliches Gewirr dreinzumachen unterstanden; dann ich hatte solcher unter den Bürgerstöchtern ein ganz halb Dutzet, die mich mehr als allzuwohl kannten und nunmehr recht in der Brühe saßen.

Den andern Tag traktierte mein Schwährvatter die Hochzeitgäste, aber bei weitem nicht so wohl als ich, dann er war karg; da ward erst mit mir geredet, was ich vor eine Handierung treiben und wie ich die Haushaltung anstellen wollte. Da merkte ich erst, daß ich meine edle Freiheit verloren hatte und unter einer Bottmäßigkeit leben sollte. Ich ließ mich gar gehorsamlich an und begehrte zuvor meines lieben Schwährvatters, als eines verständigen Kavaliers, getreuen Rat zu vernehmen und dem zu folgen, welche Antwort der Kommandant lobte und sagte: »Dieweil er ein junger frischer Soldat ist, so wäre es eine große Torheit, wann er mitten in jetzigen Kriegsläuften ein anders als das Soldatenhandwerk zu treiben vor die Hand nähme; es ist weit besser, sein Pferd in eines andern Stall zu stellen, als eines andern in dem seinigen zu füttern. Was mich anbelangt, so will ich ihm ein Fähnlein geben, wann er will.« Mein Schwäher und ich bedankten sich, und ich schlugs nicht mehr aus wie zuvor, wiese doch dem Kommandanten des Kaufmanns Handschrift, der meinen Schatz zu Köln in Verwahrung hat. »Dieses«, sagte ich, »muß ich zuvor holen, eh ich schwedische Dienste annehme; dann sollte man gewahr werden, daß ich ihrem Gegenteil diene, so werden sie mir zu Köln die Feige weisen und das Meinige behalten, welches sich so leichtlich nicht im Weg finden lässet.« Sie gaben mir beide recht, und ward also zwischen uns dreien abgeredet, zugesaget und beschlossen, daß ich in wenig Tagen mich nach Köln begeben, meinen Schatz dort erheben und nachgehend wieder damit in der Festung einstellen und ein Fähnlein annehmen sollte; dabei ward auch ein Tag ernennet, an welchem meinem Schwähervatter eine Kompagnie samt der Obristleutenantstelle bei des Kommandanten Regiment übergeben werden sollte, dann sintemal der Graf von Götz damals mit vielen kaiserlichen Völkern in Westfalen lag und sein Quartier zu Dortmund hatte, versahe sich der Kommandant auf den künftigen Frühling einer Belägerung [249] und bewarb sich dahero um gute Soldaten, wiewohl diese Sorge vergeblich war, dieweil ermeldter Graf von Götz, weil Johann de Werd in Brißgäu geschlagen worden, selbigen Frühling Westfalen quittieren und am Ober-Rheinstrom wegen Breisach wider den Fürsten von Weimar agieren mußte.

Das 23. Kapitel
Das dreiundzwanzigste Kapitel.
Simplex kommt in ein Stadt, die er Köllen heißt,
Sein Geld zu holen er da sich befleißt.

Es schicket sich ein Ding auf mancherlei Weise: Des einen Unstern kommt staffelweis und allgemach, und einen andern überfällt das seinige mit Haufen; das meinige aber hatte einen süßen und angenehmen Anfang, daß ich mirs wohl vor kein Unglück, sondern vor das höchste Glück rechnete. Kaum über acht Tage hatte ich mit meinem lieben Weib im Ehestand zugebracht, da ich in meinem Jägerkleid mit einem Feuerrohr auf der Achsel von ihr und ihren Freunden den Abschied nahm, dasjenige, was ich zu Köln in Verwahrung geben, wieder abzuholen. Ich schlich mich glücklich durch, weil mir alle Wege bekannt, also daß mir keine Gefahr unterwegs aufstieß; ja, ich ward von keinem Menschen gesehen, bis ich nacher Dütz, so gegen Köln über diesseits Rhein lieget, vor den Schlagbaum kam. Ich aber sahe viel Leute, sonderlich einen Bauren im bergischen Land, der mich allerdings an meinen Knän im Spessert gemahnete, sein Sohn aber dessen Simplicio sich am besten vergliche. Dieser Baurenbub hütete der Schweine, als ich bei ihm vorüberpassieren wollte, und weil die Säue mich spüreten, fiengen sie an zu grunzen, der Knabe aber über sie zu fluchen, daß sie der Donner und Hagel erschlagen und »de Tüfel dartho halen skolde«. Das höret die Magd und schriee dem Jungen zu, er sollte aufhören zu fluchen, oder sie wollts dem Vatter sagen. Deren antwortete der Knabe, sie sollte ihn im Hintern lecken und »ihr Mour dartho brühen«. Der Baur hörete seinem Sohn gleichfalls zu, lief derowegen mit seinem Brügel aus dem Haus und schrie: »Halt, du hunderttausend etc. Schelm, ick sall di lehren sweren, de Hagel schla di dan, dat di de Tüfel int Liff fahr!« erwischte ihn darmit bei der Kartause, brügelte ihn wie einen Tanzbär und sagte zu jedem Streich: »Du böse Bof, ick sall di leeren flocken; de Tüfel hat di dan, ick sal di im Arse lecken, ick sal di leeren dine Mour brühen etc.« Diese Zucht [250] erinnerte mich natürlich an mich und meinen Knän, und ich war doch nicht so ehrlich oder gottselig, daß ich Gott gedanket hätte, weil er mich aus solcher Finsternüs und Ignoranz gezogen und zu einer bessern Wissenschaft und Erkanntnus gebracht; warum wollte dann mein Glück, das er mir täglich zuschickete, in die Länge haben harren können? Da ich nun nach Köln kam, kehrete ich bei meinem Jupiter ein, so damals ganz klug und bei Sinnen war. Als ich ihm nun vertraute, warum ich da wäre, sagte er mir gleich, daß ich besorglich lär Stroh dreschen würde, weil der Kaufmann, dem ich das Meinige aufzuheben geben, Bankerott gespielet und ausgerissen wäre; zwar seien meine Sachen obrigkeitlich verpetschiert, er selbst aber sich wieder einzustellen zitieret worden; aber man zweifle sehr an seiner Wiederkunft, weil er das Beste, so fortzubringen gewesen, mit sich genommen; bis nun die Sache erörtert würde, könnte viel Wasser den Rhein hinunterlaufen. Wie angenehm mir diese Bottschaft war, kann ein jeder leicht ermessen; ich fluchte ärger als ein Fuhrmann, aber was halfs? ich hatte darum meine Sachen nicht wieder und überdas keine Hoffnung, solche zu bekommen. So hatte ich auch über zehn Taler Zehrgelt nicht zu mir genommen, daß ich also mich nit so lang aufhalten konnte, als es die Zeit erforderte. Überdas hatte es auch Gefahr auf sich, so lang dazubleiben, dann ich mußte sorgen, daß, weil ich einer feindlichen Garnison zugetan wäre, ich verkundschaft würde und also nicht allein gar um das Meinige, sondern noch darzu in größre Ungelegenheit kommen; sollte ich dann unverrichter Sache wieder zurück, das Meinige mutwillig dahinden lassen und den Hingang vor den Hergang haben, das dünkte mich auch nicht ratsam, sondern gar zu spöttisch sein. Zuletzt ward ich mit mir selber eins, ich wollte mich in Köln aufhalten, bis die Sache erörtert würde, und die Ursache meines Ausbleibens meiner Liebsten berichten, verfügte mich demnach zu einem Prokurator, der ein Notarius war, und erzählete ihm mein Tun, bat ihn, mir um die Gebühr mit Rat und Tat beizuspringen, ich wollte ihm neben dem Tax, wann er meine Sache beschleunigte, mit einer guten Verehrung begegnen. Weil er dann hoffte, es würde an mir etwas zu fischen sein, nahm er mich gutwillig an und dingte mich auch in die Kost; darauf gieng er andern Tags mit zu denjenigen Herren, welche die Fallimentssachen zu erörtern haben, gab vidimierte Kopei von des Kaufmanns Handschrift ein und legte das Original vor, worauf wir zur Antwort bekamen, daß wir uns bis zu gänzlicher Erörterung und Ausgang der Sache patientieren müßten, [251] weil die Sachen, davon die Handschrift sage, nicht alle vorhanden wären.

Also versahe ich mich des Müßiggangs wieder auf eine Zeitlang, bis ich sehen wollte, wie es in großen Städten hergehet. Mein Kostherr war, wie gehört, ein Notarius und Prokurator, darneben hatte er etwan ein halb Dutzet Kostgänger und hielt stets acht Pferde auf der Streu, welche er den Reisenden um Geld hinzuleihen pflegte, darbei hatte er einen teutschen und einen welschen Knecht, die sich beides, zum Fahren und Reiten, wie die Postillionen auf alle vorfallende Reisen gebrauchen ließen und der Pferde warteten, mit welcher drei- oder vierthalbfachen Handierung er nicht allein seine Nahrung reichlich gewann, sondern auch ohn Zweifel trefflich vorschlug; dann weil keine Juden in selbige Stadt kommen dörfen, konnte er mit allerlei Sachen desto besser wuchern.

Ich lernete viel in der geringen Zeit, die ich bei ihm war, vornehmlich aber alle Krankheiten kennen, so die größte Kunst an einem Doctor Medicinae ist; dann man sagt, wann man eine Krankheit recht erkenne, so sei dem Patienten schon halb geholfen. Daß ich nun solche Wissenschaft begriffe, daran war mein Wirt Ursacher; dann von seiner Person fieng ich an, auch auf andere zu sehen und ihre Komplexion zu betrachten. Da fand ich manchen totkrank, der seine Krankheit oft selbst nicht wußte und auch von andern Menschen, ja von den Doctoribus selbst, vor einen Gesunden gehalten ward. Ich fand Leute, die waren vor Zorn krank, und wann sie die Krankheit anstieß, so verstelleten sie die Gesichter wie die Teufel, brülleten wie die Löwen, kratzten wie die Katzen, schlugen um sich wie die Bären, bissen drein wie die Hunde, und damit sie sich ärger stellen möchten als die rasende Tiere, warfen sie auch mit allem, das sie in die Hände kriegten, um sich wie die Narren. Man saget, diese Krankheit komme von der Galle her, aber ich glaube, daß sie ihren Ursprung daher habe, wann ein Narr hoffärtig sei; derhalben wann du einen Zornigen rasen hörest, sonderlich über ein gering Ding, so halt kecklich davor, daß er mehr stolz als klug sei. Aus dieser Krankheit folget unzählig viel Unglück, sowohl dem Kranken selbst als andern; dem Kranken zwar endlich die Lähme, Gicht und ein frühzeitiger, wo nicht gar ewiger Tod! Und kann man diese Kranken, obschon sie gefährlich krank sein, mit gutem Gewissen keine Patienten nennen, weil ihnen die Patienz am allermeisten mangelt. Etliche sahe ich am Neid darniederliegen, von welchen man saget, daß sie ihr eigen Herz fressen, weil sie immer so bleich und traurig dahertretten. [252] Diese Krankheit halte ich vor die allergefährlichste, weil sie vom Teufel ihren Ursprung hat, wiewohl sie von lauter Glück herrühret, das des Kranken Feind hat; und welcher einen solchen von Grund aus kurieret, der dörfte sich beinahe rühmen,er hätte einen Verlornen zum christlichen Glauben bekehrt, weil diese Krankheit keinen rechtschaffenen Christen anstößt, als die da nur die Sünde und Laster neiden. Die Spielsucht hielte ich auch vor eine Krankheit, nicht allein weil es der Name mit sich bringet, sondern weil diejenige, so damit behaftet, ganz giftig darauf verpicht sein. Diese hat ihren Ursprung vom Müßiggang und nicht vom Geiz, wie etliche vermeinen, und wann du Wollust und Müßiggang hinwegnimmest, vergehet diese Krankheit von sich selbst. So befand ich, daß Fressen und Saufen auch eine Krankheit ist, und daß solche aus der Gewohnheit und nicht aus dem Überfluß herkommt. Armut ist zwar gut davor, aber sie wird dadurch nicht von Grund aus geheilet; dann ich sahe Bettler im Luder und reiche Filze Hunger leiden.Sie bringet ihre Arznei auf dem Rucken mit sich, der heißt Mangel, wo nicht am Gut, doch an der übrigen Gesundheit des Leibes, also daß endlich diese Kranke gemeiniglich von sich selbst gesund werden müssen, wann sie nämlich entweder aus Armut oder andrer Krankheit halber nicht mehr zehren können. Die Hoffart hielt ich vor eine Art der Phantasterei, welche ihren Ursprung aus der Unwissenheit habe; dann wann sich einer selbst kennet und weiß, wo er her ist und endlich hinkommt, so ists unmüglich, daß er mehr so ein hoffärtiger Narr sein kann. Wann ich einen Pfau oder welschen Hahn sehe, der sich ausspreitet und so etwas daher kollert, muß ich mich vernarren, daß diese unvernünftige Tiere dem armen Menschen in seiner großen Krankheit so artlich spotten können. Ich habe keine sonderliche Arznei darwider finden können, weil diese, so daran krank liegen, ohn die Demut ebensowenig als andere Narren zu kurieren sein. Ich fand auch, daß Lachen eine Krankheit ist; dann Philemon ist ja dran gestorben, und Democritus ist bis an sein Ende damit infiziert gewesen. So sagen auch noch auf den heutigen Tag unsere Weiber, sie möchten sich zu Tot lachen! Man saget, es habe seinen Ursprung von der Leber, aber ich glaube ehender, es komme aus übriger Torheit her; sintemal viel Lachen kein Anzeigen eines vernünftigen Mannes ist. Es ist unvonnöten und sich nicht viel zu bemühen, eine Arznei darwider zu verordnen, weil es nicht allein eine lustige Krankheit ist, sondern auch manchem vergehet, eh ers gern hat. Nicht weniger merkte ich, daß der Fürwitz auch eine Krankheit und sonderlich dem weiblichen [253] Geschlecht schier angeboren sei; ist zwar gering anzusehen, aber in Wahrheit sehr gefährlich, maßen wir noch alle an unsrer ersten Mutter Kuriosität zu däuen haben. Von den übrigen, als Faulheit, Rachgier, Eifer, Frevel, Gebrechen der Liebe und andern dergleichen Krankheiten und Lastern will ich vor diesmal schweigen, weil ich mir niemals vorgenommen, etwas davon zu schreiben, sondern wieder auf meinen Kostherrn kommen, der mir Ursach gab, dergleichen Gebrechen nachzusinnen, weil er vom Geiz bis aufs äußerste Haar eingenommen und besessen war.

Das 24. Kapitel
Das vierundzwanzigste Kapitel.
Simplex ein Hasen fängt selbst in der Stadt,
Dessen sich wohl wird, wers liest, lachen satt.

Dieser hatte, wie oben gemeldet, unterschiedliche Handierungen, dadurch er Geld zusammenkratzte; er zehrte mit seinen Kostgängern und seine Kostgänger nicht mit ihm, und er hätte sich und sein Hausgesind mit demjenigen, was sie ihm eintrugen, gar reichlich ernähren können, wann es der Schindhund nur darzu hätte angewendet; aber er mästete uns auf schwäbisch und hielt gewaltig zurück. Ich aß anfangs nicht mit seinen Kostgängern, sondern mit seinen Kindern und Gesind, weil ich nicht viel Geld bei mir hatte; da satzte es schmale Bißlein, so meinem Magen, der nunmehr zu den westfälischen Traktamenten gewöhnet war, ganz spanisch vorkam; kein gut Stück Fleisch kriegten wir auf den Tisch, sondern nur dasjenige, so acht Tage zuvor von der Studenten Tafel getragen, von denselben zuvor überall wohl benagt und nunmehr vor Alter so grau als Mathusalem worden war. Darüber machte dann die Kostfrau (welche die Küche selbst versehen mußte, dann er dingte ihr keine Magd) eine schwarze saure Brühe und überteufelts mit Pfeffer; da wurden dann die Beiner so sauber abgeschleckt, daß man alsbald Schachsteine daraus hätte drehen können, und doch waren sie alsdann noch nicht recht ausgenutzt, sondern sie kamen in einen hierzu verordneten Behalter, und wann unser Geizhals deren ein Quantität beisammen hatte, mußten sie erst klein zerhackt und das übrige Fett bis auf das alleräußerste herausgesotten werden; nicht weiß ich, wurden die Suppen daraus geschmälzt oder die Schuhe damit geschmieret. An den Fasttägen, deren mehr als genug einfielen und alle solenniter gehalten wurden, weil der Hausvatter diesfalls gar gewissenhaft war, [254] mußten wir uns mit stinkenden Bückingen, versalzenen Bolchen, faulen Stock- und andern abgestandenen Fischen herumbeißen; dann er kaufte alles der Wohlfeile nach und ließ sich die Mühe nicht dauren, zu solchem Ende selbst auf den Fischmarkt zu gehen und anzupacken, was jetzt die Fischer auszuschmeißen und hinzuwerfen im Sinn hatten. Unser Brod war gemeiniglich schwarz und altbacken, der Trank aber ein dünn saur Bier, das mir die Därme hätte zerschneiden mögen, wiewohl es mein Kostherr vor ein gut abgelegen Märzbier darstellte. Überdas vernahm ich von seinem teutschen Knecht, daß es Sommerszeit noch schlimmer hergehe; dann da sei das Brot schimmlig, das Fleisch voller Würme und ihre beste Speisen wäre irgends zu Mittag ein paar Rettiche und auf den Abend eine Handvoll Salat. Ich fragte, warum er dann bei dem Filz bleibe. Da antwortete er mir, daß er die meiste Zeit auf der Reise sei und derhalben mehr auf der Reisenden Trinkgelder als seinen Schimmeljuden bedacht sein müßte. Er getraute seinem Weib und Kindern nicht in Keller, weil er ihm selbst den Tropfwein kaum gönne, und sei in Summa ein solcher Geldwolf, dergleichen kaum noch einer zu finden. Das, so ich bisher gesehen, sei noch nichts; wann ich noch eine Weile da verbliebe, würde ich gewahr nehmen, daß er sich nicht schäme, einen Esel um einen Fettmönch zu schinden. Einsmals brachte er sechs Pfund Sülzen oder Rindernkutteln heim; das setzte er in seinen Speiskeller, und weil zu seiner Kinder großem Glück das Tagfenster offen stund, banden sie eine Eßgabel an einen langen Stecken und angelten damit alle Kuttelflecke heraus, welche sie alsobald und halb gekocht in großer Eil verschlangen, und vorgaben, die Katze hätte es getan. Aber der Erbsenzähler wollte es nicht glauben, sondern, nachdem er lang deswegen im Hause rumort hatte, fieng er die Katze, wug sie und befand, daß sie mit Haut und Haar nicht so schwer war, als seine Kutteln gewesen. Dieser kahlen Possen schämte er sich nicht allein [nicht], sondern wollte noch wegen solcher klugen Erfindung, die ihm sein Geiz gelernet, Ruhm haben. Weil er dann so gar unverschämt handlete, als begehrte ich nicht mehr an seiner Leute, sondern an gemeldter Studententafel, es koste auch, was es wolle, zu essen, worbei es zwar etwas herrlicher hergieng, ward mir aber wenig damit geholfen; dann alle Speisen, die man uns fürsatzte, waren nur halb gar, so unserm Kostherrn an zwei Orten zupaß kam, erstlich am Holz, so er gesparet, und daß wir nicht so viel verdauen konnten. Überdas, so dünkte mich, er zählete uns alle Mundvoll in Hals hinein, und kratzte sich hintern Ohren, wann wir recht fütterten. Sein Wein war ziemlich gewässert [255] und nicht derart, die Däuung zu befördern; der Käs, den man am Ende jeder Mahlzeit aufstellete, war gemeinlich steinhart, die holländische Butter aber dermaßen versalzen, daß keiner über ein Lot davon auf einen Imbiß genießen konnte. Das Obs mußte man wohl so lang auf und ab tragen, bis es mürbe und zu essen tauglich war; wann dann etwan ein oder ander darauf stichelte, so fieng er einen erbärmlichen Hader mit seinem Weibe an, daß wirs hörten; heimlich aber befahl er ihr, sie sollte nur bei ihrer alten Geigen bleiben. Sonsten wars sauber in seinem Haus und aufgeraumt, weil er nichts unter den Füßen litte, auch kein geringes Strohhälmlein oder Abschnützling vom Papier, noch sonst etwas, welches das Feuer verzehren kann; dann er hubs ehe selbst auf und trugs in die Küchen, sagend: »Viel kleine Wasser geben auch einen Bach«; dann er gedachte: »Viel Zahnsticher geben auch eine Hitz.« Die Asche hub er viel säuberer auf als mancher den Safran, weil er solche zu verkaufen wußte. Einsmals brachte ihm einer von seinen Klienten einen Hasen zur Verehrung, den sahe ich in der Speiskammer hangen und gedachte, wir würden einmal Wildpret essen dörfen; aber der teutsche Knecht sagte mir, daß er uns nicht an die Zähne brennen würde, dann sein Herr hätte den Kostgängern ausgedingt, daß er so keine Schnabelweide speisen dörfte; ich sollte nur nachmittag auf den Alten Markt gehen und sehen, ob ich ihn nicht dorten zu verkaufen finden würde. Darauf schnitt ich dem Hasen ein Stücklein vom Ohr, und als wir über dem Mittagimbiß saßen und unser Kostherr nicht bei uns war, erzählete ich, daß unser Geizhals einen Hasen zu verkaufen hätte, um den ich ihn zu betrügen gedächte, wann mir einer aus ihnen folgen wollte, also daß wir nicht allein Kurzweile anrichten, sondern den Hasen selbst kriegen wollen. Jeder sagte ja, dann sie hätten unserm Wirt gern vorlängst einen Schabernack angetan, dessen er sich nicht beklagen dorfte. Also verfügten wir uns den Nachmittag an denjenigen Ort, den ich vom Knecht erlernet hatte, da unser Kostherr zu stehen pflegte, wann er so etwas zu verkaufen hingab, um aufzupassen, was der Verkäufer lösete, damit er nicht etwan um ein Fettmönchlein betrogen würde. Wir sahen ihn bei vornehmen Leuten, mit denen er diskutierte. Ich hatte einen Kerl angestellet, der gieng zu dem Hocken, der den Hasen verkaufen sollte, und sagte: »Landsmann! der Has ist mein, und ich nehme ihn als ein gestohlen Gut auf Recht hinweg; er ist mir heunt nacht von meinem Fenster hinweggefischet worden, und läßt du ihn nicht gutwillig folgen, so gehe ich auf deine Gefahr und Unrechtskosten mit dir[256] hin, wo du willt.« Der Unterkäufer antwortete, er sollte sehen, was er zu tun hätte; dort stünde ein vornehmer Herr, der ihm den Hasen zu verkaufen geben hätte, welcher ihn ohn Zweifel nicht gestohlen haben würde. Als nun diese zween so wortwechselten, bekamen sie gleich einen Umstand, so unser Geizhals stracks in acht nahm und hörete, wieviel die Glocke schlug, winkte derowegen dem Unterkäufer, daß er den Hasen folgen lassen sollte, weil er sich gewaltig schämte und den Namen nicht haben wollte, daß er Hasen zu verkaufen und doch so viel Kostgänger hätte, zumalen auch nicht wüßte, wo der Kerl den Hasen hergebracht hätte, der ihme solchen verehret hatte. Mein Kerl aber, den ich hierzu angestellet hatte, wußte dem Umstand gar artlich das Stück vom Ohr zu weisen und dasselbe in dem Ritz zu messen, daß ihm also jedermann recht gab und den Hasen zusprach. Indessen näherte ich mich auch mit meiner Gesellschaft, als ob wir ungefähr daherkämen, stund an dem Kerl, der den Hasen hatte, und fieng an mit ihm darum zu marken, und nachdem wir des Kaufs eins wurden, stellte ich den Hasen meinem Kostherrn zu mit Bitte, solchen mit sich heimzunehmen und auf unsern Tisch zurichten zu lassen, dem Kerl aber, den ich hierzu bestellet, gab ich anstatt der Bezahlung vor den Hasen ein Trinkgeld zu zwei Kannen Bier. Also mußte uns unser Geizhals den Hasen wider seinen Willen zukommen lassen und dorfte noch darzu nichts sagen, dessen wir genug zu lachen hatten; und wann ich länger in seinem Haus hätte verbleiben sollen, wollte ich ihm noch viel dergleichen Stücklein bewiesen haben.

[257]

Zweiter Teil

Viertes Buch
[258] [9]Das erste Kapitel
Simplex wird praktiziert nacher Frankreich,
Gehet ihm wunderlich zu Anfangs gleich.

Allzucharf machet schartig, und wann man den Bogen überspannet, so muß er endlich zerbrechen. Der Bosse, den ich meinem Kostherrn mit dem Hasen riß, war mir nicht genug, sondern ich unterstund noch mehr, seinen unersättlichen Geiz zu strafen. Ich lernete seine Kostgänger, wie sie die versalzene Butter wässern und dadurch das überflüssige Salz herausziehen, die harte Käs aber wie die Barnesaner schaben und mit Wein anfeuchten sollten, welches dem Geizhals lauter Stiche ins Herz waren. Ich zog durch meine Kunststücke über Tisch das Wasser aus dem Wein und machte ein Lied, in welchem ich den Geizigen einer Sau vergliche, von welcher man nichts Gutes zu hoffen, bis sie der Metzger tot auf dem Schragen liegen hätte. Solches sang ich in eine Laute und verursachte meines damaligen Davorhaltens darmit, daß er mich mit folgender Untreue wieder hurtig bezahlete, weil ich solche Sachen in seinem Haus zu üben nicht bestellet war.

Die zween Zunge vom Adel bekamen einen Wechsel und Befelch von ihren Eltern, sich in Frankreich zu begeben und die Sprache zu lernen, eben als unsers Kostherrn teutscher Knecht anderwärts auf der Reise war, und dem welschen (sagte unser Kostherr) dörfte er die Pferde in Frankreich nicht vertrauen, weil er ihn noch nicht recht kennet, dann er besorge, wie er vorgab, er möchte das Wiederkommen vergessen und ihn um die Pferde bringen; bat mich derowegen, ob ich ihm nicht den großen Dienst tun und beide Edeleute mit seinen Pferden, weil ohndas meine Sache in vier Wochen noch nicht erörtert werden könnte, nach Paris führen wollte; er hingegen wollte indessen meine Geschäften, wann ich ihm deswegen vollkommen Gewalt geben würde, so getreulich urgieren und befördern, als ob ich persönlich gegenwärtig wäre. Die von Adel ersuchten mich deswegen auch, und mein eigener Fürwitz, [9] Frankreich zu besehen, riet mir solches gleichfalls, weil ichs jetzt ohn sondere Unkosten tun konnte und ich ohndas die vier Wochen auf der faulen Bärenhaut daliegen und noch Geld darzu verzehren müßte. Also machte ich mich mit diesen Edelleuten anstatt eines Postillions auf den Weg, auf welchem mir nichts Merk- und Schreibwürdiges zuhanden stieß. Da wir aber nach Paris kamen und bei unsers Kostherrn Korrespondenten, bei dem die Edelleute auch ihren Wechsel empfiengen, einkehreten, ward ich den andern Tag nicht allein mit den Pferden arrestiert, sondern derjenige, so vorgab, mein Kostherr wäre ihm eine Summa Geldes zu tun schuldig, griffe mit Gutheißung desselben Viertelscommissario zu und versilberte die Pferde, Gott gebe, was ich darzu sagte. Also saß ich da wie Matz von Dresden und wußte mir selbst nicht zu helfen, viel weniger zu raten, wie ich einen so weiten und damals sehr unsichern Weg wieder zurückkommen sollte. Die von Adel bezeugten ein groß Mitleiden mit meiner widerwärtigen Begegnus und verehreten mich desto ehrlicher mit einem guten Trinkgelt, wollten mich auch nicht ehender von sich lassen, bis ich entweder einen guten Herrn oder eine gute Gelegenheit hätte, wieder in Teutschland zu kommen. Sie dingten ihnen ein Losament, und ich hielt mich etliche Tage bei ihnen auf, damit ich dem einen, so wegen der fernen Reise, deren er nicht gewohnt, etwas unpäßlich worden, aufwartete. Und demnach ich mich so fein anließ, schenkte er mir sein Kleid, so er ablegte, dann er sich auf die neue Mode kleiden ließ. Ihr Rat war, ich sollte nur immer ein paar Jahre in Paris bleiben und die Sprache lernen; das ich zu Köln zu holen hätte, würde mir nicht entlaufen, als welches unser Kostherr zu seinen verwahrlichen Handen zu nehmen nicht unterlassen würde. Da ich nun so in der Wahl stund und noch zweifelte, was ich tun wollte, hörte mich einsmals der Medikus, so meinen kranken Junker zu kurieren alle Tage zu uns kam, auf der Laute schlagen und ein teutsch Liedlein dareinsingen, das ihm so wohl gefiel, daß er mir eine gute Bestallung anbot samt seinem Tisch, da ich mich zu ihm begeben und seine zween Söhne unterrichten wollte; dann er wußte schon besser, wie mein Handel stund, als ich selbst, und daß ich einen guten Herrn nicht ausschlagen würde. Also wurden wir des Handels miteinander bald eins, weil beide Edelleute das Beste darzu redeten und mich trefflich rekommandierten. Ich verdingte mich aber nicht länger als von einem Vierteljahr zum andern.

Dieser Doktor redte so gut Teutsch als ich und das Italienisch [10] wie seine Muttersprache; derhalben versprach ich mich desto lieber zu ihm. Als ich nun die Letze zehrte mit meinen Edelleuten, war er auch dabei, und mir giengen üble Grillen im Kopf herum; dann da lag mir mein frisch genommen Weib, mein versprochen Fähnlein und mein Schatz zu Köln im Sinn, von welchem allem ich mich so leichtfertig hinwegzubegeben bereden lassen; und da wir von unsers gewesenen Kostherrn Geiz zu reden kamen, fiel mir zu, und ich sagte auch über Tisch: »Wer weiß, ob vielleicht unser Kostherr mich nicht mit Fleiß hieherpraktizieret, damit er das Meinige zu Köln erheben und behalten möge.« Der Doktor antwortete, das könne wohl sein, vornehmlich wann er glaube, daß ich ein Kerl von geringen Herkommen sei. »Nein,« antwortete der eine Edelmann, »wann er zu solchem Ende hiehergeschickt worden ist, daß er hier bleiben solle, so ists darum geschehen, weil er ihm seines Geizes wegen so viel Drangsal antäte.« Der Kranke fieng an: »Ich glaube aber eine andere Ursache. Als ich neulich in meiner Kammer stund und unser Kostherr mit seinem Welschen ein laut Gespräch hielt, horchte ich, warum es doch zu tun sein möchte, und vernahm endlich aus des Welschen geradbrechten Worten, daß er seinen Abschied begehrte, dann der Jäger verfuchsschwänze ihn bei der Frau und sage, er warte der Pferde nicht recht, welches aber der eifersüchtige Gauch wegen seiner üblen Redkunst unrecht und auf etwas Unehrliches verstund und derowegen dem Welschen zusprach, er sollte nur bleiben, der Jäger müsse bald hinweg. Er hatte auch seither sein Weib scheel angesehen und mit ihr viel ernstlicher gekollert als zuvor, so ich an dem Narrn mit Fleiß in acht genommen.«

Der Doktor sagte: »Es sei geschehen, aus was vor einer Ursache es wolle, so lasse ich wohl gelten, daß die Sache so angestellet worden, daß Er hier bleiben muß. Er lasse sich aber das nicht irren: ich will Ihm schon wieder mit guter Gelegenheit nach Teutschland verhelfen; Er schreibe ihm nur, daß er den Schatz wohl beobachte, sonst werde er scharfe Rechenschaft darum geben müssen. Dies gibet mir einen Argwahn, daß es ein angestellter Handel sei, weil derjenige, so sich vor den Kreditor dargeben, Eures Kostherrn und seines hiesigen Korrespondenten sehr guter Freund ist, und ich will glauben, daß Ihr die Obligation, kraft deren er die Pferde angepacket und verkauft hat, jetzt erst mit Euch gebracht habet.«

[11]
Das 2. Kapitel
Das zweite Kapitel.
Simplex bekommt einen bessern Patron,
Dessen Gunst träget er völlig darvon.

Monsigneur Canard, so hieß mein neuer Herr, erbot sich, mir mit Rat und Tat beholfen zu sein, damit ich des Meinigen zu Köln nicht verlustigt würde; dann er sahe wohl, daß ich traurig war. Sobald er mich in seine Wohnung brachte, begehrte er, ich wollte ihm erzählen, wie meine Sachen beschaffen wären, damit er sich drein finden und Ratschläg ersinnen könnte, wie mir am besten zu helfen sei. Ich gedachte wohl, daß ich nicht viel gülte, wann ich mein Herkommen öffnen sollte, gab mich derhalben vor einen armen teutschen Edelmann aus, der weder Vatter noch Mutter, sondern nur noch etliche Verwandte in einer Festung hätte, darin schwedische Garnison läge, welches ich aber vor meinem Kostherrn und beiden von Adel, als welche Kaiserliche Partei hielten, verborgen halten müssen, damit sie das Meinige als ein Gut, so dem Feind zuständig, nicht an sich zögen. Meine Meinung wäre, ich wollte an den Kommandanten bemeldter Festung schreiben, als unter dessen Regiment ich die Stelle eines Fähnrichs hätte, und ihn nicht allein berichten, wasgestalten ich hieher praktiziert worden, sondern ihn auch bitten, daß er belieben wollte, sich des Meinigen habhaft zu machen und solches, bis ich wieder Gelegenheit kriege, zum Regiment zu kommen, indessen meinen Freunden zuzustellen. Canard befand mein Vorhaben ratsam und versprach mir, die Schreiben an ihren gehörigen Ort zu bestellen, und sollten sie gleich nach Mexiko oder in China lauten. Demnach verfertigte ich Schreiben an meine Liebste, an meinen Schwährvatter und an den Obristen de S.A., Kommandanten in L., an welchen ich auch das Kopert richtete und ihm die übrige beide beischloß. Der Einhalt war, daß ich mit ehistem mich wieder einstellen wollte, da ich nur Mittel an die Hand kriegte, eine so weite Reise zu vollenden, und bat beides, meinen Schwäher und den Obristen, daß sie vermittels der Militiae das Meinige zu bekommen unterstehen wollten, eh das Gras darüber wüchse, berichtete darneben, wieviel es an Gold, Silber und Kleinodien sei. Solche Briefe verfertigte ich in Duplo; ein Teil bestellte Mons. Canard, das ander gab ich auf die Post, damit, wann irgend das eine nicht überkäme, jedoch das ander einliefe. Also ward ich wieder fröhlich und instruierte meines Herrn zween Söhne desto leichter, die als junge Prinzen erzogen wurden; dann weil Mons. Canard sehr reich, als war er auch [12] überaus hoffärtig und wollte sich sehen lassen, welche Krankheit er von großen Herren an sich genommen, weil er gleichsam täglich mit Fürsten umgieng und ihnen alles nachäffte, was allein mächtigen Prinzen geziemet. Sein Haus war wie eines Grafen Hofhaltung, in welcher kein anderer Mangel erschien, als daß man ihn nicht auch einen gnädigen Herrn nannte, und seine Imagination war so groß, daß er auch einen Marquis, da ihn etwan einer zu besuchen kam, nicht höher als seinesgleichen traktierete. Es mußte ein Prinz vom Geblüt oder sonst ein gewaltiger Fürst sein und nicht allein viel zu spendieren haben, sondern auch sonst viel gelten, wann er von ihm rechtschaffen bedient hätte sein wollen. Er teilete zwar geringen Leuten auch von seinen Mitteln mit, er nahm aber kein gering Geld, sondern schenkte ihnen eher ihre Schuldigkeit, damit er einen großen Namen haben möchte. Wie er sich dann allerorten herfürzuwerfen und zutäppisch zu machen wußte und dahero nicht allein beim königlichen Hof und in der Stadt Paris, sondern auch sonst im ganzen Königreich hoch ästimieret wurde, also daß andere Doctores von ihme zu sagen pflegten, wann er seinen Patienten nur das verbrannte Mehl vom Brod schabe, so hätten sie einen bessern Glauben dran, als wann sie die quintam essentiam anbrächten. Solches trug ihm trefflich ein, und er lebte davon wie der reiche Mann, welches ich mitgenosse, dann da schneiete sowohl das Geld als alle andere Victualia von allen Orten überflüssig her, also daß ich wohl neben ihm mit einem schmutzigen Maul zum Fenster hinaussehen konnte. Weil ich ziemlich kurios war und wußte, daß er mit meiner Person prangte, wann ich neben andern Dienern hinter ihm her trat und er Kranke besuchte, als half ich ihm auch stets in seinem Laboratorio arzneien. Davon ward ich ziemlich gemein mit ihm, wie er dann ohndas die teutsche Sprache gern redete; sagte derowegen einsmals zu ihm, warumb er sich nicht von seinem adeligen Sitz schreibe, den er neulich nahend Paris um 20000 Kronen gekauft hätte? item, warum er lauter Doctores aus seinen Söhnen zu machen gedenke und sie so streng studieren lasse, ob nicht besser wäre, daß er ihnen (indem er doch den Adel schon hätte), wie andere Cavaliers, irgends Ämter kaufe und sie also vollkommen in den adeligen Stand tretten lasse. »Nein!« antwortete er, »wann ich zu einem Fürsten komme, so heißt es: ›Herr Doktor, Er setze sich nieder‹; zum Edelmann aber wird gesagt: ›Wart auf!‹« Ich sagte: »Weiß aber der Herr Doktor nicht, daß ein Arzt dreierlei Angesichter hat, das erste eines Engels, wann ihn der Kranke ansichtig wird, [13] das ander eines Gottes, wann er hilft, das dritte eines Teufels, wann man gesund ist und ihn wieder abschaffet? Also währt solche Ehre nicht länger, als solang dem Kranken der Wind im Leib herumgehet; wann er aber hinaus ist und das Rumpeln aufhöret, so hat die Ehre ein Ende und heißt alsdann auch: ›Doktor, vor der Tür ists dein!‹ Hat demnach der Edelmann mehr Ehre von seinem Stehen als ein Doktor von seinem Sitzen, weil er nämlich seinem Prinzen beständig aufwartet und die Ehr hat, niemals von seiner Seite zu kommen. Der Herr Doktor hat neulich etwas von einem Fürsten in Mund genommen und demselben seinen Geschmack abgewinnen müssen; ich wollte lieber zehen Jahr stehen und aufwarten, eh ich eines andern Kot versuchen wollte, und wanngleich man mich auf lauter Rosen setzen wollte.« Er antwortete: »Das mußte ich nicht tun, sondern tats gern, damit, wann der Fürst sähe, wie sauer michs ankäme, seinen Zustand recht zu erkündigen, meine Verehrung desto größer würde. Und warum wollte ich dessen Kot nicht versuchen, der mir etliche hundert Pistolen davor zu Lohn gibet, ich aber hingegen ihm nichts gebe, wann er noch gar was anders von mir muß fressen? Ihr redet von der Sache wie ein Teutscher; wann Ihr aber einer andern Nation wäret, so wollte ich sagen, Ihr hättet davon geredet wie ein Narr!« Mit diesem Sentenz nahm ich vorlieb, weil ich sahe, daß er sich erzörnen wollte, und damit ich ihn wieder auf einen guten Laun brächte, bat ich, er wollte meiner Einfalt etwas zugute halten, und brachte etwas Annehmlichers auf die Bahne.

Das 3. Kapitel
Das dritte Kapitel.
Simplex einen Komödianten abgibt,
Macht, daß viel Jungfern sich in ihn verliebt.

Gleichwie Monsigneur Canard mehr Wildpret hinwegzuwerfen als mancher zu fressen hatte, der eine eigne Wildbahne vermag, und ihm mehr zahmes verehrt ward, als er und die Seinigen verzehren konnten; also hatte er täglich viel Schmarotzer, so daß es bei ihm gleichsam einen ansahe, als ob er eine freie Tafel gehalten hätte. Einsmals besuchten ihn des Königs Zeremonienmeister und andere vornehme Personen vom Hof, denen er eine fürstliche Kollation darstellete, weil er wohl wußte, wen er zum Freund behalten sollte, nämlich diejenige, so stets um den König waren oder sonst bei demselbigen [14] wohl stunden. Damit er nun denselben den allergeneigtesten Willen erzeigte und ihnen alle Lust machen möchte, begehrte er, ich wollte ihm zu Ehren und der ansehnlichen Gesellschaft zu Gefallen ein teutsch Liedlein in meine Laute hören lassen. Ich folgte gern, weil ich eben in Laune war, wie dann dir Musici gemeiniglich seltsame Grillenfänger sind, befliß mich derhalben, das beste Geschirr zu machen, und kontentierte demnach die Anwesende so wohl, daß der Zeremonienmeister sagte, es wäre immer schade, daß ich nicht die französische Sprache könnte, er wollte mich sonst trefflich wohl beim König und der Königin anbringen. Mein Herr aber, so besorgte, ich möchte ihm aus seinen Diensten entzuckt werden, antwortete ihm, daß ich einer von Adel sei und nit lang in Frankreich zu verbleiben gedächte, würde mich demnach schwerlich vor einen Musikanten gebrauchen lassen. Darauf sagte der Zeremonienmeister, daß er seine Tage nicht eine so seltne Schönheit, eine so klare Stimme und einen so künstlichen Lautenisten an einer Person gefunden; es sollte ehist vorm König im Louvre eine Comödia gespielet werden; wann er mich darzu gebrauchen könnte, so verhoffte er, große Ehre mit mir einzulegen. Das hielt mir Mons. Canard vor; ich antwortete ihm, wann man mir saget, was vor eine Person ich präsentieren und was vor Lieder ich in meine Laute singen sollte, so könnte ich ja beides, die Melodeien und Lieder, auswendig lernen und solche in meine Laute singen, wannschon sie in französischer Sprache wären; es möchte ja leicht mein Verstand so gut sein als eines Schülerknabens, die man hierzu auch zu gebrauchen pflege, unangesehen sie erst beides, Worte und Gebärden, lernen müßten. Als mich der Zeremonienmeister so willig sahe, mußte ich ihm versprechen, den andern Tag ins Louvre zu kommen, um zu probieren, ob ich mich darzu schickte. Also stellete ich mich auf die bestimmte Zeit genommener Abrede nach ein. Die Melodeien der unterschiedlichen Lieder, so ich zu singen hatte, schlug ich gleich perfekt auf dem Instrument, weil ich das Tabulaturbuch vor mir hatte, empfieng demnach die französische Lieder, solche auswendig und die Aussprache recht zu lernen, welche mir zugleich verteutscht wurden, damit ich mich mit den Gebärden darnach richten könnte. Solches kam mich gar nicht schwer an, also daß ichs eher konnte, als sichs jemand versahe, und zwar dergestalt, wann man mich singen hörte (maßen mir Monsigneur Canard das Lob gab), daß der tausendste geschworen hätte, ich wäre ein geborner Franzos. Und da wir, die Comödia zu probieren, das erstemal zusammenkamen, wußte ich mich [15] so kläglich mit meinen Liedern, Melodeien und Gebärden zu stellen, daß sie alle glaubten, ich hätte des Orphei Person mehr agiert, als den ich damals präsentieren und mich um meine Euridice so übel gehaben mußte. Ich habe die Tage meines Lebens keinen so angenehmen und lieblichen Tag gehabt, als mir derjenige war, an welchem diese Comödia gespielet ward. Monsigneur Canard gab mir etwas ein, meine Stimme desto klärer zu machen, und da er meine Schönheit mit Oleo Talci erhöhern und meine halbkrause Haare, die von Schwärze glitzerten, verpudern wollte, fand er, daß er mich nur damit verstellte. Ich ward mit einem Lorbeerkranz bekrönet und in ein antiquisch meergrün Kleid angetan, in welchem man mir den ganzen Hals, das Oberteil der Brust, die Arme bis hinter die Ellenbogen und die Knie von den halben Schenkeln an bis auf die halbe Waden nackend und bloß sehen konnte. Um solches schlug ich einen leibfarben-taffeten Mantel, der sich mehr einem Feldzeichen vergliche. In solchem Kleid leffelte ich um meine Euridice, rufte die Venus mit einem schönen Liedlein um Beistand an und brachte endlich meine Liebste davon; in welchem Actu ich mich trefflich zu stellen und meine Liebste mit Seufzen und spielenden Augen anzublicken wußte. Nachdem ich aber meine Euridicen verloren, zog ich einen ganz schwarzen Habit an, auf die vorige Mode gemacht, aus welchem meine weiße Haut hervorschien wie der Schnee. In solchem beklagte ich meine verlorne Gemahlin und bildete mir die Sache so erbärmlich ein, daß mir mitten in meinen traurigen Liedern und Melodeien die Tränen herausrucken und das Weinen dem Singen den Paß verlegen wollte. Doch langte ich mit einer schönen Manier hinaus, bis ich vor Plutonem und Proserpinam in die Hölle kam; denselben stellete ich in einem sehr beweglichen Lied ihre Liebe, die sie beide zusammen trügen, vor Augen und erinnerte sie, dabei abzunehmen, mit was großem Schmerzen ich und Euridice voneinander wären geschieden worden; bat demnach mit den allerandächtigsten Augen und Gebärden, und zwar alles in meine Harfe singend, sie wollten mir solche wieder zukommen lassen. Und nachdem ich das Jawort erhalten, bedankte ich mich mit einem fröhlichen Lied gegen ihnen und wußte das Angesicht samt Gebärden und Stimme so fröhlich zu verkehren, daß sich alle anwesende Zuseher darüber verwunderten. Da ich aber meine Euridice wieder unversehens verlor, bildete ich mir die größte Gefahr ein, darein je ein Mensch geraten könnte, und ward davon so bleich, als ob mir ohnmächtig werden wollen. Dann weil ich damals allein auf der [16] Schaubühne war und alle Spectatores auf mich sahen, befliß ich mich meiner Sachen desto eiferiger und bekam die Ehre davon, daß ich am besten agieret hätte. Nachgehends satzte ich mich auf einen Fels und fieng an, den Verlust meiner Liebsten mit erbärmlichen Worten und einer traurigen Melodei zu beklagen und alle Kreaturen um Mitleiden anzurufen. Darauf stelleten sich allerhand zahme und wilde Tiere, Berge, Bäume und dergleichen bei mir ein, also daß es in Wahrheit ein Ansehen hatte, als ob alles mit Zauberei übernatürlicherweise wäre zugerichtet worden. Keinen andern Fehler begieng ich als zuletzt, da ich allen Weibern abgesagt, von den Bacchis erwürget und ins Wasser geworfen war (welches zugerichtet gewesen, daß man nur meinen Kopf sahe; dann mein übriger Leib stund unter der Schaubühne in guter Sicherheit), da mich der Drache benagen sollte, der Kerl aber, so im Drachen stak, denselben zu regieren, meinen Kopf nicht sehen konnte und dahero den Drachenkopf neben dem meinigen grasen ließ; das kam mir so lächerlich vor, daß ich mir nicht abbrechen konnte, darüber zu schmollen, welches die Dames, so mich gar wohl betrachteten, in acht nahmen.

Von dieser Comödia bekam ich neben dem Lob, das mir männiglich gab, nicht allein eine treffliche Verehrung, sondern ich kriegte auch einen andern Namen, indem mich forthin die Franzosen nicht anders als Beau Alman nannten. Es wurden noch mehr dergleichen Spiele und Ballett gehalten, dieweil man die Faßnacht zelebrierte, in welchen ich mich gleichfalls gebrauchen ließ, befand aber zuletzt, daß ich von andern geneidet ward, weil ich die Spectatores und sonderlich die Weiber gewaltig zog, ihre Augen auf mich zu wenden; tät michs derowegen ab, sonderlich als ich einsmals ziemlich Stöße bekam, da ich als ein Hercules gleichsam nackend in einer Löwenhaut mit Acheloo um die Deianiram kämpfete, da man mirs gröber machte, als in einem Spiel der Gebrauch ist.

Das 4. Kapitel
Das vierte Kapitel.
Simplex, Beau Alman geheißen, der wird
Ganz wider Willen in Venusberg geführt.

Hierdurch ward ich bei hohen Personen bekannt, und es schien, als ob mir das Glück wieder auf ein neues hätte leuchten wollen; dann mir wurden gar des Königs Dienste angebotten, [17] welches manchen großen Hansen nicht widerfähret.. Einsmals kam ein Lakai, der sprach meinen Monsigneur Canard an und brachte ihm meinetwegen ein Brieflein, eben als ich bei ihm in seinem Laboratorio saß und reverberierte (dann ich hatte aus Lust bei meinem Doktor schon perlutieren, resolvieren, sublimieren, koagulieren, digerieren, kalcinieren, filtrieren und dergleichen unzählig viel alkühmistische Arbeit gelernet, dadurch er seine Arzneien zuzurichten pflegte). »Monsieur Beau Alman,« sagte er zu mir, »dies Schreiben betrifft Euch. Es schicket ein vornehmer Herr nach Euch, der begehret, Ihr wollet gleich zu ihm kommen, er wolle Euch ansprechen und vernehmen, ob Euch nicht beliebe, seinen Sohn auf der Laute zu informieren. Er bittet mich, Euch zuzusprechen, daß Ihr ihm diesen Gang nit abschlagen wollet, mit sehr cortoisem Versprechen, Euch diese Mühe mit freundlicher Dankbarkeit zu belohnen.« Ich antwortete, wann ich seinet- (verstehe Monsigneur Canard) wegen jemand dienen könne, so würde ich meinen Fleiß nicht sparen. Darauf sagte er, ich sollte mich nur anders anziehen, mit diesem Lakaien zu gehen; indessen, bis ich fertig, wollte er mir etwas zu essen machen lassen, dann ich hätte einen ziemlich weiten Weg zu gehen, daß ich kaum vor Abend an den bestimmten Ort kommen würde. Also butzte ich mich ziemlich und verschluckte in Eil etwas von der herzugeschafften Kollation, sonderlich aber ein paar kleiner delikaten Würstlein, welche, als mich deuchte, ziemlich stark apothekerten; gieng demnach mit gedachtem Lakai durch seltsame Umwege einer Stunde lang, bis wir gegen Abend vor eine Gartentür kamen, die nur zugelehnt war. Dieselbe stieß der Lakai vollends auf, und demnach ich hinter ihm hineingetretten, schlug er selbige wieder zu und beschlosse das Nachtschloß, so inwendig an der Tür war, führete mich nachgehends in das Lusthaus, so in einer Eck des Gartens stund, und demnach wir einen ziemlich langen Gang passierten, klopfte er vor einer Tür, so von einer alten adeligen Dame stracks aufgemachet ward. Diese hieß mich in teutscher Sprache sehr höflich willkommen sein und zu ihr vollends hineintretten; der Lakai aber, so kein Teutsch konnte, blieb zurück, gegen welchem ich mich auch mit einem Kopfwinken bedankte, [und] nahm mit tiefer Reverenz seinen Abschied. Die Alte nahm mich bei der Hand und führete mich vollend ins Zimmer, das rundumher mit den köstlichsten Tapeten behängt, sonsten auch zumal schön gezieret war. Sie hieß mich niedersitzen, damit ich verschnauben und zugleich vernehmen könnte, aus was Ursachen ich an diesen Ort geholet worden wäre. Ich folgte gern und satzte mich auf [18] einen Sessel, den sie mir zu einem Feur stellete, so in demselben Saal wegen ziemlicher Kälte brannte; sie aber satzte sich neben mich auf einen andern und sagte: »Monsieur! wann Er etwas von den Kräften der Liebe weiß, daß nämlich solche die allertapferste, stärkste und klügste Männer überwältige und zu beherrschen pflege, so wird Er sich um so viel desto weniger verwundern, wann dieselbe auch ein schwaches Weibsbild meistert. Er ist nicht seiner Laute halber, wie man Ihn und Monsigneur Canard überredet gehabt, von einem Herrn, aber wohl seiner übertrefflichen Schönheit halber von der allervortrefflichsten Dame in Paris hieher berufen worden, die sich allbereit des Todes verstehet, da sie nicht bald des Herrn überirdische Gestalt zu beschauen und sich damit zu erquicken das Glück haben sollte. Derowegen hat sie mir befohlen, dem Herrn als meinem Landsmann solches anzuzeigen und ihn höher zu bitten, als Venus ihren Adonidem, daß er diesen Abend sich bei ihr einfinden und seine Schönheit genugsam von ihr betrachten lasse, welches er ihr verhoffentlich als einer vornehmen Damen nicht abschlagen wird.« Ich antwortete: »Madame! ich weiß nicht, was ich gedenken, viel weniger hierauf sagen solle. Ich erkenne mich nicht, darnach beschaffen zu sein, daß eine Dame von so hoher Qualität nach meiner Wenigkeit verlangen sollte. Überdas kommt mir in Sinn, wann die Dame, so mich zu sehen begehret, so vortrefflich und vornehm sei, als mir meine hochgeehrte Frau Landsmännin vorbracht und zu verstehen gegeben hat, daß sie wohl bei früher Tagszeit nach mir schicken dörfen und mich nicht erst hieher an diesen einsamen Ort bei so spätem Abend hätte berufen lassen. Warum hat sie nicht befohlen, ich solle strackswegs zu ihr kommen? Was habe ich in diesem Garten zu tun? Mein hochgeehrte Frau Landsmännin vergebe mir, wann ich als ein verlassener Fremder in die Forcht gerate, man wolle mich sonst hintergehen, sintemal man mir gesagt, ich sollte zu einem Herrn kommen, so sich schon im Werk anders befindet. Sollte ich aber merken, daß man mir so verräterisch mit bösen Tücken an Leib wollte kommen, würde ich vor meinem Tod meinen Degen noch zu gebrauchen wissen!« – »Sachte, sachte, mein hochgeehrter Herr Landsmann! Er lasse diese unnötige Gedanken aus dem Sinn,« antwortete sie mir; »die Weibsbilder sind seltsam und vorsichtig in ihren Anschlägen, daß man sich nicht gleich anfangs so leicht darein schicken kann. Wann diejenige, die ihn über alles liebet, gern hätte, daß Er Wissenschaft von ihrer Person haben sollte, so hätte sie Ihn freilich nicht erst hieher, sondern den geraden Weg zu sich kommen lassen. [19] Dort liegt eine Kappe (wiese damit auf den Tisch): die muß der Herr ohnedas aufsetzen, wann Er von hier aus zu ihr geführet wird, weil sie auch so gar nicht will, daß Er den Ort, geschweige, bei wem Er gesteckt, wissen sollte; bitte und ermahne demnach den Herrn, so hoch als ich immer kann, Er erzeige sich gegen diese Dame sowohl wie es ihre Hoheit als ihre gegen Ihm tragende unaussprechliche Liebe meritiret, da Er anders nicht gewärtig sein will, zu erfahren, daß sie mächtig genug sei, Seinen Hochmut und Verachtung auch in diesem Augenblick zu strafen. Wird Er sich aber der Gebühr nach gegen ihr einstellen, so sei Er versichert, daß Ihm auch der geringste Tritt, den Er ihrentwegen getan, nicht unbelohnt verbleiben wird.«

Es ward allgemach finster, und ich hatte allerhand Sorgen und forchtsame Gedanken, also daß ich dasaß wie ein geschnitzt Bild, konnte mir auch wohl einbilden, daß ich von diesem Ort so leicht nicht wieder entrinnen könnte, ich willigte dann in alles, so man mir zumutete, sagte derohalben zu der Alten: »Nun dann, meine hochgeehrte Frau Landsmännin, wann ihm dann so ist, wie Sie mir vorgebracht, so vertraue ich meine Person Ihrer angebornen teutschen Redlichkeit, der Hoffnung, Sie werde nicht zulassen, viel weniger selbst vermittlen, daß einem unschuldigen Teutschen eine Untreue widerfahre. Sie vollbringe, was Ihr meinetwegen befohlen ist; die Dame, von deren Sie mir gesagt, wird verhoffentlich keine Basiliskenaugen haben, mir den Hals abzusehen.« – »Ei behüte Gott!« sagte sie, »es wäre schade, wann ein solcher wohlproportionierter Leib, mit welchem unsre ganze Nation prangen kann, jetzt schon sterben sollte. Er wird mehr Ergetzung finden, als er sich sein Tag niemals einbilden dörfen.« Wie sie meine Einwilligung hatte, rufte sie Jean und Pierre; diese tratten alsobald, jeder in vollem blanken Küriß, von der Scheitel bis auf die Fußsohlen gewaffnet, mit einer Helleparten und Pistol in der Hand, hinter einer Tapezerei herfür, davon ich dergestalt erschrak, daß ich mich ganz entfärbte. Die Alte nahm solches wahr und sagte lächelnd: »Man muß sich so nicht förchten, wann man zum Frauenzimmer gehet!«, befahl darauf ihnen beiden, sie sollten ihren Harnisch ablegen, die Latern nehmen und nur mit ihren Pistolen mitgehen. Demnach streifte sie mir die Kappe, die von schwarzem Sammet war, übern Kopf, trug meinen Hut unterm Arm und führete mich durch seltsame Wege an der Hand. Ich spürete wohl, daß ich durch viel Türen und auch über einen gepflasterten Weg passierte. Endlich mußte ich etwan nach einer halben Viertelstunde eine kleine steinerne Stege [20] steigen. Da tät sich ein klein Türlein auf; von dannen kam ich über einen besetzten Gang und mußte eine Windelstege hinauf, folgends etliche Staffeln wieder hinab, allda sich etwa sechs Schritte weiters eine Tür öffnete. Als ich endlich durch solche kam, zog mir die Alte die Kappe wieder herunter; da befand ich mich in einem Saal, der da überaus zierlich aufgebutzet war. Die Wände waren mit schönen Gemälden, das Trysur mit Silbergeschirr und das Bette, so darin stund, mit Umhängen von güldenen Stücken gezieret. In der Mitten stund der Tisch prächtig gedeckt, und bei dem Feur befand sich eine Badwanne, die wohl hübsch war; aber meinem Bedünken nach schändete sie den ganzen Saal. Die Alte sagte zu mir: »Nun willkommen, Herr Landsmann! Kann Er noch sagen, daß man Ihn mit Verräterei hintergehe? Er lege nur allen Unmut ab und erzeige sich wie neulich auf dem Theatro, da Er Seine Euridicen vom Plutone wieder erhielt. Ich versichere Ihn, Er wird hier eine schönere antreffen, als er dort eine verloren.«

Das 5. Kapitel
Das fünfte Kapitel.
Simplex im Venusberg wird wohl traktiert,
Und nach 8 Tagen von dannen geführt.

Ich hörete schon an diesen Worten, daß ich mich nicht nur an diesem Ort beschauen lassen, sondern noch gar was anders tun sollte, sagte derowegen zu meiner alten Landsmännin, es wäre einem Durstigen wenig damit geholfen, wann er bei einem verbottenen Brunn säße. Sie aber sagte, man sei in Frankreich nicht so mißgünstig, daß man einem das Wasser verbiete, sonderlich wo dessen ein Überfluß sei. »Ja,« sagte ich, »Madame, Sie saget mir wohl davon, wann ich nicht schon verheuratet wäre!« – »Das sind Possen!« antwortete das gottlose Weib, »man wird Euch solches heunt nacht nicht glauben; dann die verehelichte Cavaliers ziehen selten in Frankreich; und obgleich dem so wäre, kann ich doch nicht glauben, daß der Herr so alber sei, eher Durst zu sterben, als aus einem fremden Brunn zu trinken, sonderlich wann er vielleicht lustiger ist und besser Wasser hat als sein eigener.« Dies war unser Diskurs, dieweil mir eine adelige Jungfer, so dem Feur pflegte, Schuhe und Strümpfe auszog, die ich überall im Finstern besudelt hatte, wie dann Paris ohndas eine sehr kotige Stadt ist. Gleich hierauf kam Befehl, daß man mich noch vor dem[21] Essen baden sollte, dann bemeldtes Jungfräulein gieng ab und zu und brachte das Badgezeug, so alles nach Bisem und wohlriechender Seife roch. Das Leinengerät war vom reinesten Cammertuch und mit teuren holländischen Spitzen besetzt. Ich wollte mich schämen und vor der Alten nicht nackend sehen lassen; aber es half nichts: ich mußte dran, mich ausziehen und von ihr ausreiben lassen; das Jungferchen aber mußte eine Weile abtretten. Nach dem Bad ward mir ein zartes Hemd gegeben und ein köstlicher Schlafpelz von veielblauem Taffet angelegt samt einem Paar seidener Strümpfe von gleicher Farben. So war die Schlafhaube samt den Pantoffeln mit Gold und Perlen gestickt, also daß ich nach dem Bad dort saß zu protzen wie der Herzkönig. Indessen mir nun meine Alte das Haar trücknete und kämpelte, dann sie pflegte meiner wie einem Fürsten oder kleinen Kind, trug mehrgemeldtes Jungfräulein die Speisen auf, und nachdem der Tisch überstellet war, tratten drei heroische junge Damen in den Saal, welche ihre alabasterweiße Brüste zwar ziemlich weit entblößt trugen, vor den Angesichtern aber ganz vermaskiert. Sie dünkten mich alle drei vortrefflich schön zu sein, aber doch war eine viel schöner als die andre. Ich machte ihnen ganz stillschweigend einen tiefen Bückling, und sie bedankten sich gegen mir mit gleichen Zeremonien, welches natürlich sahe, als ob etliche Stumme beieinander gewesen, so die Redende agieret hätten. Sie satzten sich alle drei zugleich nieder, daß ich also nicht erraten konnte, welche die vornehmste unter ihnen gewesen, viel weniger, welcher ich zu dienen da war. Die erste Rede war, ob ich nicht Französisch könnte? Meine Landsmännin sagte: »Nein!« Hierauf versetzte die andre, sie sollte mir sagen, ich wollte mir belieben niederzusitzen. Als solches geschehen, befahl die dritte meiner Dolmetschin, sie sollte sich auch setzen, woraus ich abermal nicht abnehmen mögen, welche die vornehmste unter ihnen war. Ich saß neben der Alten gerad gegen diesen dreien Damen über, und ist demnach meine Schönheit ohn Zweifel neben einem so alten Gerippe desto besser hervorgeschienen. Sie blickten mich alle drei sehr anmutig, lieb- und huldreich an, und ich dörfte schwören, daß sie viel hundert Seufzen gehen ließen. Ihre Augen konnte ich nicht sehen funklen wegen der Masken, die sie vor sich hatten. Meine Alte fragte mich (sonst konnte niemand mit mir reden), welche ich unter diesen dreien vor die schönste hielte. Ich antwortete, daß ich keine Wahl darunter sehen könnte. Hierüber fieng sie an zu lachen, daß man ihr alle vier Zähne sahe, die sie noch im Maul hatte, und fragte: »Warum [22] das?« Ich antwortete, weil ich sie nit recht sehen könnte; doch soviel ich sähe, wären sie alle drei nicht häßlich. Dieses, was die Alte gefraget und ich geantwortet, wollten die Damen alsobald auch wissen; meine Alte verdolmetschte es und log noch darzu, ich hätte gesagt, einer jeden Mund wäre hunderttausendmal küssenswert; dann ich konnte ihnen die Mäuler unter den Masken wohl sehen, sonderlich deren, so gerad gegen mir über saß. Mit diesem Fuchsschwanz machte die Alte, daß ich dieselbe vor die vornehmste hielt und sie auch desto eiferiger betrachtete. Dies war all unser Diskurs über Tisch, und ich stellete mich, als ob ich kein französisch Wort verstünde. Weil es dann so still hergieng und eine so stumme Mahlzeit nit lustig sein konnte, machten wir desto eher Feirabend. Darauf wünschten mir die Damen eine gute Nacht und giengen ihres Wegs, denen ich das Geleite nicht weiter als bis an die Tür geben dörfte, so die Alte gleich nach ihnen zuriegelte. Da ich das sahe, fragte ich, wo ich dann schlafen müßte. Sie antwortete, ich müßte bei ihr in gegenwärtigem Bette vorliebnehmen. Ich sagte, das Bette wäre gut genug, wann nur auch eine von jenen Dreien darin läge. »Ja,« sagte die Alte, »es wird Euch fürwahr heunt keine von ihnen zuteil, Ihr müßt Euch zuvor mit mir behelfen.« Indem wir so plauderten, zog eine schöne Dame, die im Bette lag, den Umhang etwas zurück und sagte zu der Alten, sie sollte aufhören zu schwätzen und schlafen gehen! Darauf nahm ich ihr das Liecht und wollte sehen, wer im Bette läge. Sie aber löschte solches aus und sagte: »Herr, wann Ihm Sein Kopf lieb ist, so unterstehe Er sich dessen nicht, was Er im Sinn hat! Er lege sich und sei versichert, da Er mit Ernst sich bemühen wird, diese Dame wider ihren Willen zu sehen, daß Er nimmermehr lebendig von hinnen kommt!« Damit gieng sie durch und beschloß die Tür; die Jungfer aber, so dem Feuer gewartet, leschte das auch vollend aus und gieng hinter einer Tapezerei durch eine verborgne Tür auch hinweg. Hierauf sagte die Dame, so im Bette lag: »Alle, Monsieur Beau Alman, gee schlaff, mein Herz! gom, rick su mir!« So viel hatte sie die Alte Teutsch gelernet. Ich begab mich zum Bette, zu sehen, wie dann dem Ding zu tun sein möchte; und sobald ich hinzukam, fiel sie mir um den Hals, bewillkommte mich mit vielem Küssen und bisse mir vor hitziger Begierde schier die unter Lefzen herab; ja sie fieng an, meinen Schlafpelz aufzuklöpfeln und das Hemde gleichsam zu zerreißen, zog mich also zu ihr und stellete sich vor unsinniger Liebe also an, daß nicht auszusagen. Sie konnte nichts anders Teutsch als »Rick su mir, mein Herz!« Das übrige[23] gab sie sonst mit Gebärden zu verstehen. Ich gedachte zwar heim an meine Liebste, aber was half es? Ich war leider ein Mensch und fand eine solche wohlproportionierte Kreatur und zwar von solcher Lieblichkeit, daß ich wohl ein Bloch hätte sein müssen, wann ich keusch hätte davonkommen sollen; überdas operierten die Würste, die mir mein Doktor zu fressen geben hatte, daß ich mich von selbst stellte, als ob ich ein Bock worden wäre.

Dergestalt brachte ich acht Täg und so viel Nächte an diesem Ort zu, und ich glaube, daß die andern drei auch bei mir gelegen sein; dann sie redeten nicht alle wie die erste und stelleten sich auch nicht so närrisch. Und weil man mir auch so Würste am selben Ort vorstellte, mußte ich glauben, daß Mons. Canard solche auch zugerichtet und gnugsame Wissenschaft umb meine Händel gehabt habe. Ich war damals in der besten Blüt meiner Jugend, und sahe man blößlich die schwarze Milchhaar über den Lefzen herausstäuben. Wiewohl ich nun acht ganzer Tage bei diesen vier Damen war, so kann ich doch nicht sagen, daß mir zugelassen worden, eine einzige anders als durch eine Florhauben, oder es sei dann finster gewesen, im bloßen Angesicht zu beschauen. Nach geendigter Zeit der acht Tage satzte man mich im Hof mit verbundenen Augen in eine zugemachte Kutsche zu meiner Alten, die mir unterwegs die Augen wieder aufband, und führete mich in meines Herrn Hof; alsdann fuhr die Kutsche wieder schnell hinweg. Meine Verehrung war 200 Pistolet, und da ich die Alte fragte, ob ich niemand kein Trinkgeld davon geben sollte, sagte sie: »Beileib nicht, dann wann Ihr solches tätet, so würde es die Dames verdrießen; ja sie würden gedenken, Ihr bildet Euch ein, Ihr wäret in einem Hurenhaus gewesen, da man alles belohnen muß.« Nachgehends bekam ich noch mehr dergleichen Kunden, welche es mir so grob machten, daß ich endlich aus Unvermügen der Narrenpossen ganz überdrüssig ward, weiln die gewürzte Würste schier nichts mehr helfen wollten, woraus ich abnahm, daß sich Mons. Canard auch vor einen halben Ruffianen gebrauchen ließe, weil er dieselbe zurichtete.

[24]
Das 6. Kapitel
Das sechste Kapitel.
Simplex sich heimlich aus Frankreich begibt,
Kriegt die Kindsblattern, wird höchlich betrübt.

Durch diese meine Hantierung brachte ich beides, an Geld und andern Sachen, so viel Verehrungen zusammen, daß mir angst dabei ward, und verwunderte ich mich nicht mehr, daß sich die Weibsbilder ins Bordell begeben und ein Handwerk aus dieser viehischen Unfläterei machen, weil es so trefflich wohl einträget. Aber ich fieng an und gieng in mich selber, nicht zwar aus Gottseligkeit oder Trieb meines Gewissens, sondern aus Sorge, daß ich einmal auf so einer Kürbe ertappt und nach Verdienst bezahlt werden möchte. Derhalben trachtete ich, wieder in Teutschland zu kommen, und das um so viel desto mehr, weil der Kommandant zur L. mir geschrieben, daß er etliche Kölnische Kaufleute bei den Köpfen gekriegt, die er nicht aus Händen lassen wollte, es sein ihm dann meine Sachen zuvor eingehändigt; item daß er mir das versprochene Fähnlein noch aufhalte und meiner noch vor dem Frühling gewärtig sein wollte, dann sonst, wo ich in der Zeit nit käme, müßte er die Stelle mit einem andern besetzen. So schickte mir mein Weib auch ein Brieflein dabei, das voll liebreicher Bezeugungen ihres großen Verlangens war. Hätte sie aber gewußt, wie ich so ehrbar gelebet, so sollte sie mir wohl einen andern Gruß hineingesetzt haben.

Ich konnte mir wohl einbilden, daß ich mit Monsign. Canard Konsens schwerlich hinwegkäme, gedachte derhalben, heimlich durchzugehen, sobald ich Gelegenheit haben könnte, so mir zu meinem großen Unglück auch angieng. Dann als ich einsmals etliche Offizierer von der weimarischen Armee antraf, gab ich mich ihnen zu erkennen, daß ich nämlich ein Fähnrich von des Obristen de S.A. Regiment und in meinen eigenen Geschäften eine Zeitlang in Paris gewesen, nunmehr aber entschlossen sei, mich wieder zum Regiment zu begeben, mit Bitte, sie wollten mich in ihre Gesellschaft zu einem Reisgefährten mitnehmen. Also eröffneten sie mir den Tag ihres Aufbruchs und nahmen mich willig auf; ich kaufte mir einen Klepper und mondierte mich auf die Reise so heimlich als ich konnte, packte mein Geld zusammen (so ungefähr bei 500 Duplonen waren, die ich alle den gottlosen Weibsbildern durch schändliche Arbeit abverdienet hatte), und machte mich ohn von Mons. Canard gegebne Erlaubnüs mit ihnen fort, schrieb ihm aber zurück und datierte das Schreiben zu Maastrich, damit er [25] meinen sollte, ich wäre auf Köln gangen. Darin nahm ich meinen Abschied mit Vermelden, daß mir unmüglich gewesen, länger zu bleiben, weil ich seine aromatische Würste nicht mehr hätte verdauen können.

Im zweiten Nachtläger von Paris aus ward mir natürlich wie einem, der den Rotlauf bekommt, und mein Kopf tät mir so grausam weh, daß mir unmüglich war aufzustehen. Es war in einem gar schlechten Dorf, darin ich keinen Medicum haben konnte, und was das Ärgste war, so hatte ich auch niemand, der mir wartete und mir beisprange, dann die Offizierer reisten des Morgens früh ihres Wegs fort gegen dem Elsaß zu und ließen mich als einen, der sie nichts angienge, gleichsam totkrank daliegen. Doch befahlen sie bei ihrem Abschied dem Wirt mich und mein Pferd, und hinterließen bei dem Schulzen im Dorf, daß er mich als einen Kriegsoffizier, der dem König diene, beobachten sollte.

Also lag ich ein paar Tage dort, daß ich nichts von mir selber wußte, sondern wie ein Hirnschelliger fabelte. Man brachte den Pfaffen; derselbe konnte aber nichts Verständiges von mir vernehmen. Und weil er sahe, daß er mir die Seele nicht arzneien konnte, gedachte er auf Mittel, dem Leib nach Vermögen zu Hülf zu kommen, allermaßen er mir eine Ader öffnen, einen Schweißtrank eingeben und in ein warmes Bette legen lassen, zu schwitzen. Das bekam mir so wohl, daß ich mich in derselben Nacht wieder besann, wo ich war, und wie ich dahin kommen und krank wor den wäre. Am folgenden Morgen kam obgemeldter Pfaff wieder zu mir und fand mich ganz desperat, dieweil mir nicht allein all mein Geld entführt war, sondern auch nicht anders meinete, als hätte ich (s.v.) die liebe Franzosen, weil sie mir billiger als so viel Pistolen gebühreten und ich auch über dem ganzen Leib so voller Flecken war als ein Tiger. Ich konnte weder gehen, stehen, sitzen noch liegen: da war keine Gedult bei mir, dann gleichwie ich nicht glauben konnte, daß mir Gott das verlorne Geld bescheret hätte, also war ich jetzt so ungehalten, daß ich sagte, der Teufel hätte mirs wieder weggeführet. Ich schwur, daß der Himmel hätte erschwarzen mögen, ja ich stellete mich nicht anders, als ob ich ganz hätte verzweifeln wollen, daß also der gute Pfarrer genug an mir zu trösten hatte, weil mir der Schuh an zwei Orten so heftig druckte. »Mein Freund!« sagte er, »stellet Euch doch als ein vernünftiger Mensch, wann Ihr Euch ja nicht in Euerm Kreuz anlassen könnet wie ein frommer Christ! Was machet Ihr? wollet Ihr zu Euerm Geld[26] auch das Leben, und was mehr ist, auch die Seligkeit verlieren?« Ich antwortete: »Nach dem Geld frage ich nichts, wann ich nur diese abscheuliche verfluchte Krankheit nicht am Hals hätte, oder wäre nur an Ort und Enden, da ich wieder kuriert werden könnte!« – »Ihr müßt Euch gedulden!« antwortete der Geistliche; »wie müssen die arme kleine Kinder tun, deren in hiesigem Dorf über 50 daran krank liegen?« Wie ich hörete, daß auch Kinder damit behaftet, war ich alsbald herzhafter; dann ich konnte ja leicht gedenken, daß selbige diese garstige Seuch nicht kriegen würden; nahm derowegen mein Felleisen zur Hand und suchte, was es etwan noch vermöchte; aber da war ohn das weiße Gezeug nichts Schätzbares in, als eine Kapsel mit einer Damen Conterfait, rund herum mit Rubinen besetzt, so mir eine zu Paris verehret hatte. Ich nahm das Conterfait heraus und stellete das übrige dem Geistlichen zu, mit Bitte, solches in der nächsten Stadt zu versilbern, damit ich etwas zu verzehren haben möchte. Dies gieng dahin, daß ich kaum den dritten Teil seines Werts davor kriegte; und weil es nicht lang daurte, mußte auch mein Klepper fort. Damit reichte ich kärglich hinaus, bis die Purpeln anfiengen zu dörren und mir wieder besser ward.

Das 7. Kapitel
Das siebente Kapitel.
Simplex hat Grillen, lernt schwimmen, dieweil
Ihm aus Maul gehet das Wasser in Eil.

Womit einer sündiget, damit pflegt einer auch gestraft zu werden. Diese Kindsblattern richteten mich dergestalt zu, daß ich hinfüro vor den Weibsbildern gute Ruhe hatte. Ich kriegte Gruben im Gesicht, daß ich aussahe wie eine Scheurtenne, darin man Erbsen gedroschen; ja ich ward so häßlich, daß sich meine schöne krause Haar, in welchen sich so manch Weibsbild verstrickt, meiner schämten und ihre Heimat verließen. Anstatt deren bekam ich andere, die sich den Säuborsten vergleichen ließen, daß ich also notwendig eine Parücke tragen mußte; und gleichwie auswendig an der Haut keine Zierde mehr übrigblieb, so gieng meine liebliche Stimme auch dahin, dann ich den Hals voller Blattern gehabt. Meine Augen, die man hiebevor niemal ohn Liebefeur finden können, eine jede zu entzünden, sahen jetzt so rot und triefend aus wie eines achtzigjährigen Weibes, das den Cornelium hat. Und über das alles so war ich in fremden Landen, kannte weder Hund noch Menschen, der [27] es treulich mit mir meinte, verstund die Sprache nicht und hatte allbereit kein Geld mehr übrig.

Da fieng ich erst an, hinter sich zu gedenken und die herrliche Gelegenheiten zu bejammern, die mir hiebevor zu Beförderung meiner Wohlfahrt angestanden, ich aber so liederlich und ohnachtsam hatte verstreichen lassen. Ich sahe erst zurück und merkte, daß mein extraordinari Glück im Krieg und mein gefundener Schatz nichts anders als eine Ursach und Vorbereitung zu meinem Unglück gewesen, welches mich nimmermehr so weit hinunter hätte werfen können, da es mich nit zuvor durch solche falsche Blick angeschauet und so hoch erhaben hätte; ja ich fand, daß dasjenige Gute, so mir begegnet und ich vor gut gehalten, bös gewesen und mich in das äußerste Verderben geleitet hatte. Da war kein Einsiedel mehr, der es treulich mit mir gemeinet, kein Obrister Ramsay, der mich in meinem Elend aufgenommen, kein Pfarrer, der mir das Beste geraten, und in Summa kein einziger Mensch, der mir etwas zugut getan hätte; sondern da mein Geld hin war, hieß es, ich sollte auch fort und meine Gelegenheit anderswo suchen, und hätte ich wie der verlorne Sohn mit den Säuen vorliebnehmen sollen. Damals gedachte ich erst an desjenigen Pfarrherrn guten Rat, der da vermeinte, ich sollte meine Mittel und Jugend zu den Studiis anwenden; aber es war viel zu spät mit der Scher, dem Vogel die Flügel zu beschneiden, weil er schon entflogen. O schnelle und unglückselige Veränderung! Vor vier Wochen war ich ein Kerl, der die Fürsten zur Verwunderung bewegte, das Frauenzimmer entzuckte und dem Volk als ein Meisterstück der Natur, ja wie ein Engel vorkam, jetzt aber so unwert, daß mich die Hunde anpißten. Ich machte wohl tausend und abertausenderlei Gedanken, was ich angreifen wollte; dann der Wirt wollte mich nicht mehr leiden und stieß mich aus dem Haus, da ich nichts mehr bezahlen konnte. Ich hätte mich gern unterhalten lassen, es wollte mich aber kein Werber vor einen Soldaten annehmen, weil ich als ein grindiger Kuckuck und schäbichter Leinenweber aussahe. Arbeiten konnte ich nit, dann ich war noch zu matt und überdas noch keiner Arbeit gewohnt. Sollte ich dann wieder ein Hirt werden, wie ich bei meinem Knan einer gewesen, oder gar betteln, dessen schämte ich mich. Nichts tröstete mich mehr, als daß es gegen den Sommer gieng und ich mich zur Not hinter einer Hecken behelfen konnte, weil mich niemand mehr im Haus wollte leiden. Ich hatte mein stattlich Kleid noch, das ich mir auf die Reise machen lassen, samt einem Felleisen voll kostbar Leinengezeug, [28] das mir aber niemand abkaufen wollte, weil jeder sorgte, ich möchte ihm auch eine Krankheit damit an Hals hängen. Solches nahm ich auf den Buckel, den Degen in die Hand und den Weg unter die Füße, der mich in ein klein Städtlein trug, so gleichwohl eine eigne Apotheke vermochte. In dieselbe gieng ich und ließ mir eine Salbe zurichten, die mir die Urschlechtenmäler im Gesicht vertreiben sollte; und weil ich kein Geld hatte, gab ich dem Apothekergesellen ein schön zart Hemd davor, der nicht so ekel war wie andere Narren, so keine Kleider von mir haben wollten. Ich gedachte, wann du nur der schandlichen Flecken los wirst, so wird sichs schon auch wieder mit deinem Elend bessern. Und weil mich der Apotheker tröstete, man würde mir über acht Tage ohn die tiefe Narben, so mir die Purpeln in die Haut gefressen, wenig mehr ansehen, war ich schon beherzter. Es war eben Markt daselbst, und auf demselben befand sich ein Zahnbrecher, der trefflich Geld lösete, da er doch liederlich Ding den Leuten dafür anhieng. »Narr,« sagte ich zu mir selber, »was machst du, daß du nicht auch so einen Kram aufrichtest bist du so lang bei Monsigneur Canard gewesen und hast nicht so viel gelernet, einen einfältigen Bauer zu betrügen und dein Maulfutter davon zu gewinnen, so mußt du wohl ein elender Tropf sein.«

Das 8. Kapitel
Das achte Kapitel.
Simplex ein Storcher und Landfahrer ist,
Bringet die Bauren um ihr Geld mit List.

Ich mochte damals fressen wie ein Drescher, dann mein Magen war nicht zu ersättigen und wollte immerzu mehr von mir haben, wiewohl ich nichts mehr im Vorrat hatte als noch einen einzigen güldenen Ring mit einem Diamant, der etwa zwanzig Kronen wert war. Den versilberte ich um zwölfe, und demnach ich mir leicht einbilden konnte, daß dies bald aus sein würde, da ich nichts darzu gewinnete, resolvierte ich mich, ein Arzt zu werden. Ich kaufte mir die Materialia zu dem Theriaca Diatesseron und richtete ihn zu, um denselben in kleinen Städten und Flecken zu verkaufen. Vor die Bauren aber nahm ich ein Teil Wacholder Latwerge, vermischte solche mit Eichenlaub, Weidenblättern und dergleichen herben Ingredienzien. Alsdann machte ich auch aus Kräutern, Wurzeln, Butter und etlichen Olitäten eine grüne Salbe zu allerhand Wunden, damit man auch wohl ein gedruckt Pferd hätte heilen können; [29] item aus Galmei, Kieselsteinen, Krebsaugen, Schmirgel und Trippel ein Pulver, weiße Zähne damit zu machen; ferner ein blau Wasser aus Lauge, Kupfer, Sal armoniacum und Camphor vor den Scharbock, Mundfäule, Zahn- und Augenwehe, bekam auch ein Haufen blecherne und hölzerne Büchslein, Papier und Gläslein, meine Ware dareinzuschmieren, und damit es auch ein Ansehen haben möchte, ließ ich mir einen französischen Zettel konzipieren und drucken, darin man sehen konnte, worzu ein und anders gut war. In dreien Tagen war ich mit meiner Arbeit fertig und hatte kaum drei Kronen in die Apotheke und vor Geschirr angewendet, da ich dies Städtlein verließ. Also packte ich auf und nahm mir vor, von einem Dorf zum andern bis in das Elsaß hinein zu wandern und meine Ware unterwegs an Mann zu bringen, folgends zu Straßburg, als in einer neutralen Stadt, mich mit Gelegenheit auf den Rhein zu sehen, mit Kaufleuten wieder nach Köln zu begeben und von dort aus meinen Weg zu meinem Weib zu nehmen. Das Vorhaben war gut, aber der Anschlag fehlete weit.

Da ich das erstemal mit meiner Quacksalberei vor eine Kirche kam und failhatte, war die Losung gar schlecht, weil ich viel zu blöd war, mir auch sowohl die Sprache als storgerische Aufschneiderei nicht vonstatten gehen wollte; sahe demnach gleich, daß ichs anderst angreifen müßte, wann ich Geld einnehmen und meinen Quark an den Mann bringen wollte. Ich gieng mit meinem Kram in das Wirtshaus und vernahm über Tisch vom Wirt, daß den Nachmittag allerhand Leute unter der Linden vor seinem Haus zusammenkommen würden, da dörfte ich dann wohl so etwas verkaufen, wann ich gute Ware hätte; allein es gäbe der Betrüger so viel im Land, daß die Leute gewaltig mit dem Geld zurückhielten, wann sie keine gewisse Probe vor Augen sehen, daß der Theriak ausbündig gut wäre. Als ich dergestalt vernahm, wo es mangele, bekam ich ein halbes Trünkgläslein voll guten Straßburger Branntewein und fing eine Art Krotten, die man Reling oder Möhmlein nennet, so im Frühling und Sommer in den unsaubern Pfützen sitzen und singen, sind goldgelb oder fast rotgelb und unten am Bauch schwarzgescheckigt, gar unlustig anzusehen. Ein solches satzte ich in ein Schoppenglas mit Wasser und stellets neben meine Ware auf einen Tisch unter der Linden. Wie sich nun die Leute anfiengen häufig zu versammeln und um mich herumstunden, vermeineten etliche, ich würde mit der Kluft, so ich von der Wirtin aus ihrer Küchen entlehnt, die Zähne ausbrechen; ich aber fieng an: »Ihr Herren und gueti Freund! [30] (dann ich konnte noch gar wenig Französisch reden). Bin ich kein Brech-dir-die-Zahn-aus, allein hab ich gut Wasser vor die Aug, es mag all die Flüß aus die rode Aug.« – »Ja,« antwortet einer, »man siehets an Euren Augen wohl; die sehen ja aus wie zween Irrwische.« Ich sagte: »Das ist wahr; wann ich aber der Wasser vor mich nicht hab, so wär ich wohl gar blind werd. Ich verkauf sonst der Wasser nit; der Theriak und der Pulver vor die weiße Zähn und das Wundsalb will ich verkauf und der Wasser noch darzuschenk. Ich bin kein Schreier oder Bescheiß-dir-die-Leut. Hab ich mein Theriak feil, wann ich sie habe probiert und sie dir nicht gefallt, so darfst du sie mir nit kauf ab.« Indem ließ ich einen von dem Umstand eins von meinen Theriakbüchslein auswählen; aus demselben tät ich etwan einer Erbse groß in meinem Brantewein, den die Leute vor Wasser ansahen, zertrieb ihn darin und kriegte hierauf mit der Kluft das Möhmlein aus dem Glas mit Wasser und sagte: »Secht, ihr gueti Freund! wann dies giftig Wurm kann mein Theriak trink und sterbe nit, so ist der Ding nit nutz, dann kauf ihr mir nit ab!« Hiemit steckte ich die arme Krotte, welche im Wasser geboren und erzogen und kein ander Element oder Liquorem leiden konnte, in meinen Branntewein und hielt es mit einem Papier zu, daß es nicht herausspringen konnte. Da fieng es dergestalt an darin zu wüten und zu zablen, ja viel ärger zu tun, als ob ichs auf glühende Kohlen geworfen hätte, weil ihm der Branntewein viel zu stark war; und nachdem es so eine kleine Weil getrieben, verreckte es allgemach und streckte alle viere von sich. Die Bauren sperreten Maul und Beutel auf, da sie diese so gewisse Probe mit ihren Augen angesehen hatten. Da war in ihrem Sinn kein besserer Theriak in der Welt als der meinige, und hatte ich gnug zu tun, den Plunter in die Zettel zu wickeln und Geld davor einzunehmen. Es waren etliche unter ihnen, die kauftens wohl drei-, vier-, fünf- und sechsfach, damit sie auf den Notfall mit so köstlicher Giftlatwerge versehen wären; ja sie kauften auch vor ihre Freunde und Verwandte, die an andern Orten wohneten, daß ich also mit der Narrnweise, da doch kein Marktag war, denselben Abend zehen Kronen löste und doch noch mehr als die Hälfte meiner Ware behielt. Ich machte mich noch dieselbe Nacht in ein ander Dorf, weil ich besorgte, es möchte etwan auch ein Bauer so kurios sein und eine Krotte in ein Wasser setzen, meinen Theriak zu probieren, und wann es dann mißlinge, mir der Buckel geraumt werden. Ich hatte nicht vonnöten, diejenige Betrügereien zu gebrauchen, die der hochgelehrte [31] Matthiolus im sechsten Buch Dioscoridis de Venenis von den Storgen und Markschreiern entdecket. Solange ich gedachte Möhmlein haben konnte, so bedorfte ich auch keines Affen oder anderer seltsamen Tier zum Stand, die närrische Leute herzuzubringen. Dann ich hatte zu Paris von einem teutschen Taschenspieler artliche Stücklein mit der Karten zu üben gelernet, damit ich die Leut herbeigaukeln und aufhalten konnte, bis ich meinen Theriak obigergestalt probierte und den Umstand bewegte, die Riemen zu ziehen. Damit ich aber gleich wohl auch die Vortrefflichkeit mainer Giftlatwerge auf eine andere Manier erweisen könnte, machte ich mir aus Mehl, Safran und Gallus einen gelben Arsenicum, und aus Mehl und Victril einen Mercurium Sublimatum. Und wann ich die Probe tun wollte, hatte ich zwei gleiche Gläser mit frischem Wasser auf dem Tisch, davon das eine ziemlich stark mit Aquafort oder Spiritus Victril vermischt war. In dasselbe zerrührte ich ein wenig von meinem Theriak und schabte alsdann von meinen beiden Giften so viel, als genug war, hinein. Davon ward das ein Wasser, so keinen Theriak und also auch kein Aquafort hatte, so schwarz wie eine Tinte; das ander aber blieb wegen des Scheidwassers, wie es war. »Ha!« sagten dann die Leut, »sehet, das ist fürwahr ein köstlicher Theriak so um ein gering Geld!« Wann ich dann beide untereinander goß, so ward wieder alles klar. Davon zogen dann die gute Bauren ihre Beutel und kauften mir ab, welches nicht allein meinem hungerigen Magen wohl zupaß kam, sondern ich machte mich auch wieder beritten, prosperierte noch darzu viel Geld auf meiner Reise und kam glücklich an die teutsche Grenze. Darum, ihr liebe Bauren, glaubet den fremden Marktschreiern so leicht nit! ihr werdet sonst von ihnen betrogen, als welche nicht eure Gesundheit, sondern euer Geld suchen.

Das 9. Kapitel
Das neunte Kapitel.
Simplex als Doktor nimmt eine Musketen,
Hilft ihm selbst durch Hasenfangen aus Nöten.

Da ich durch Lothringen passierte, gieng mir meine Ware aus; und weilen ich die Garnisonen scheuete, hatte ich keine Gelegenheit, andere zuzurichten. Derhalben mußte ich wohl was anders anfangen, bis ich wieder Theriak machen könnte. Ich kaufte mir zwei Maß Branntewein, färbte ihn mit Safran, füllete ihn in halblötige Gläslein und verkaufte solchen den Leuten[32] vor ein köstlich Göldenwasser, das gut vors Fieber sei, brachte also diesen Branntewein auf 30 fl. Demnach mirs auch an kleinen Gläslein zerrinnen wollte, ich aber von einer Glashütte hörete, die in dem Fleckensteinischen Gebiet läge, begab ich mich darauf zu, mich wieder zu mondieren; und indem ich so Abwege suchte, ward ich ungefähr von einer Partei aus Philippsburg, die sich auf dem Schloß Wagelnburg aufhielt, gefangen; kam also um all dasjenige, was ich den Leuten auf der Reise durch meine Betrügerei abgezwackt hatte. Und weil der Baur, so mir den Weg zu weisen mitgieng, zu den Kerln gesagt, ich wäre ein Doktor, ward ich wider des Teufels Dank vor einen Doktor nach Philippsburg geführet.

Daselbst ward ich examinieret und scheuete mich gar nicht zu sagen, wer ich wäre, so man mir aber nicht glauben, sondern mehr aus mir machen wollte, als ich hätte sein können; dann ich sollte und müßte ein Doktor sein. Ich mußte schwören, daß ich unter die kaiserliche Dragoner in Soest gehörig und von den Schwedischen in L. gefangen worden wäre. Item sagte ich, daß ich vom Gegenteil, so mich um die Ranzion nicht losgeben wollen, auf Köln durchgangen, mich wieder zu mondieren, von dannen ich wider meinen Willen in Frankreich, und also jetzt wieder herauskommen, mich wieder bei meinem Regiment einzustellen. Daß ich aber ein Weib beim Gegenteil genommen und Fähndrich alldort werden sollen, das konnte ich meisterlich verschweigen, der Hoffnung, mich ledig zu reden. So wollte ich alsdann den Rhein hinunter gewischet sein und die westfälische Schinken wieder einmal versuchet haben. Aber es hieße weit anders, dann mir wurde geantwortet, der Kaiser brauche sowohl in Philipptsburg als in Soest Soldaten; man würde mir bei ihnen Aufenthalt geben, bis ich gleichwohl mit guter Gelegenheit zu meinem Regiment kommen könnte. Wann mir aber dieser Vorschlag nicht schmecke, so möchte ich im Stockhaus vorliebnehmen und mich, bis ich wieder loskäme, als einen Doktor traktieren lassen, vor welchen sie mich dann auch gefangen bekommen hätten.

Also kam ich vom Pferd auf den Esel und mußte ein Musketierer werden wider meinen Willen. Das kam mich blutsaur an, weil der Schmalhans dort herrschte und das Kommißbrod daselbst schröcklich klein war. Ich sage nicht vergeblich: schröcklich klein; dann ich erschrak alle Morgen, wann ichs empfieng, weil ich wußte, daß ich mich denselben ganzen Tag damit behelfen mußte, da ich's doch ohn einzige Mühe auf einmal aufreiben konnte. Und die Wahrheit zu bekennen, so ist es wohl eine [33] elende Kreatur um einen Musketierer, der solchergestalt sein Leben in einer Garnison zubringen und sich allein mit dem lieben trocken Brod, und noch darzu kaum halb satt, behelfen muß. Dann da ist keiner anders als ein Gefangener, der mit Wasser und Brod der Trübsal sein armselig Leben verzögert. Ja, ein Gefangener hat es noch besser und ist weit glückseliger; dann er darf weder wachen, Runden gehen, noch Schildwacht stehen, sondern bleibet in seiner Ruhe liegen und hat so wohl Hoffnung als ein so elender Garnisoner, mit der Zeit einmal aus solcher Gefängnus zu kommen. Zwar waren auch etliche, die ihr Auskommen um ein kleines besser hatten, und auf unterschiedliche Gattungen, doch keine einzige Manier, die mir beliebte und, solchergestalt mein Maulfutter zu erobern, anständig sein wollte. Dann etliche nahmen (und sollten es auch verloffene Huren gewesen sein) in solchem Elend keiner andern Ursache halber Weiber, als daß sie durch solche entweder mit Arbeiten als Nähen, Wäschen, Spinnen oder mit Krämpeln und Schachern oder wohl gar mit Stehlen ernährt werden sollen. Da war eine Fähnrichin unter den Weibern, die hatte ihre Gage wie ein Gefreiter; eine andre war Hebamme und brachte dardurch sich selbsten und ihrem Mann manchen guten Schmaus zuwege. Eine andre konnte stärken und wäschen; diese wuschen den ledigen Offizierern und Soldaten Hemde, Strümpfe, Schlafhosen und ich weiß nicht was als mehr, davon sie ihre sondere Namen kriegten. Andere verkauften Toback und versahen der Kerl ihre Pfeifen, die dessen Mangel hatten; andere handelten mit Branntewein und waren im Ruf, daß sie ihn mit Wasser, so sich von ihnen selbsten distilliert, verfälschten, davon es doch seine Probe nicht verlor. Eine andre war eine Näherin und konnte allerhand Stich und Mödel machen, damit sie Geld erwarb; eine andre wußte sich blößlich aus dem Feld zu ernähren: im Winter grub sie Schnecken, im Frühling grasete sie Salat, im Sommer nahm sie Vogelnester aus, und im Herbst wußte sie sonst tausenderlei Schnabelwaide zu kriegen. Etliche trugen Holz zu verkaufen wie die Esel, und andere handelten auch mit etwas anders. Solchergestalt nun meine Nahrung zu haben und das Maulfutter zu erwerben, war nicht vor mich, dann ich hatte schon ein Weib. Etliche Kerl ernährten sich mit Spielen, weil sie es besser als Spitzbuben konnten und ihren einfältigen Kameraden das Ihrige mit falschen Würfeln und Karten abzuzwacken wußten; solche Profession aber war mir ein Ekel. Andere arbeiteten auf der Schanze und sonsten wie die Bestien; aber hierzu war ich zu faul. Etliche konnten und trieben etwan ein Handwerk; ich Tropf aber hatte [34] keins gelernet. Zwar wann man einen Musikanten vonnöten gehabt hätte, so wäre ich wohl bestanden; aber dasselbe Hungerland behalf sich nur mit Trommeln und Pfeifen. Etliche schillerten vor andere und kamen Tag und Nacht niemal von der Wacht; ich aber wollte lieber hungern als meinen Leib so abmergeln. Etliche brachten sich mit Parteigehen durch; mir aber ward nicht einmal vor das Tor zu gehen vertraut. Etliche konnten besser mausen als Katzen; ich aber haßte solche Hantierung wie die Pest. In Summa, wo ich mich nur hinkehrte, da konnte ich nichts ergreifen, das meinen Magen hätte stillen mögen. Und was mich am allermeisten verdroß, war dieses, daß ich mich noch darzu mußte foppen lassen, wann die Bursch sagten: »Solltest du ein Doktor sein und kannst anders keine Kunst als Hunger leiden?« Endlich zwang mich die Not, daß ich etliche schöne Karpfen aus dem Graben zu mir auf den Wall gaukelte; sobald es aber der Obrister inward, mußte ich den Esel darvor reiten, und war mir meine Kunst ferner zu üben bei Hängen verbotten. Zuletzt war anderer Unglück mein Glück; dann nachdem ich etliche Gelbsüchtige und ein paar Febrizitanten kurierte, die einen besondern Glauben an mir gehabt haben müssen, ward mir erlaubt, vor die Festung zu gehen, meinem Vorwand nach, Wurzeln und Kräuter zu meinen Arzneien zu sammlen. Da richtete ich hingegen den Hasen mit Stricken und hatte das sonderbare Glück, daß ich die erste Nacht zween bekam; dieselbe brachte ich dem Obristen und erhielt dadurch nicht allein einen Taler zur Verehrung, sondern auch Erlaubnüs, daß ich hinaus dörfte gehen, den Hasen nachzustellen, wann ich die Wacht nicht hätte. Weil dann nun das Land ziemlich erödet und niemand war, der diese Tiere auffieng, zumal sie sich trefflich gemehret hatten, als kam das Wasser wieder auf meine Mühle, maßen es das Ansehen hatte, als ob es mit Hasen schneiete oder ich in meine Strick bannen könnte. Da die Offizierer sahen, daß man mir trauen dörfte, ward ich auch mit andern hinaus auf Partei gelassen. Da fieng ich nun mein soestisch Leben wieder an, außer daß ich keine Parteien führen und kommandieren dörfte wie hiebevor in Westfalen; dann es war vonnöten, zuvor Wege und Stege zu wissen und den Rheinstrom zu kennen.

[35]
Das 10. Kapitel
Das zehnte Kapitel.
Simplex fällt aus einem Nachen in Rhein,
Wird doch errettet nach Angst, Not und Pein.

Noch ein paar Stücklein will ich erzählen, eh ich sage, wie ich wieder von der Muskete erlöset worden: eins von großer Leib- und Lebensgefahr, daraus ich durch Gottes Gnade entronnen, das ander von der Seelengefahr, darin ich hartnäckigerweise steckenblieb; dann ich will meine Untugenden so wenig verhehlen als meine Tugenden, damit nicht allein meine Histori ziemlich ganz sei, sondern der ungewanderte Leser auch erfahre, was vor seltsame Kauzen es in der Welt gibet, die sich nämlich wenig um Gott bekümmern.

Wie zu Ende des vorigen Kapitels gemeldet, so dorfte ich auch mit andern auf Partei, so in Garnisonen nit jedem liederlichen Kunden, sondern rechtschaffenen Soldaten, die das Pulver schmecken können, gegönnet wird. Also giengen nun unser neunzehn einsmals miteinander durch die Untermarkgrafschaft hinauf, oberhalb Straßburg einem Baslerischen Schiff aufzupassen, worbei heimlich etliche weimarische Offizierer und Güter sein sollten. Wir kriegten oberhalb Ottenheim einen Fischernachen, uns danit überzusetzten und in ein Werder zu legen, so gar vortelhaftig lag, die ankommende Schiff ans Land zu zwingen, maßen zehen von uns durch den Fischer glücklich übergeführet wurden. Als aber einer aus uns, der sonst wohl fahren konnte, die übrigne neune, darunter ich mich befand, auch holete, schlug der Nachen unversehens um, daß wir also urplötzlich miteinander im Rhein lagen und zwar am allergefährlichsten Ort, wo der Fluß am strengsten war. Ich sahe mich nicht viel nach den andern um, sondern gedachte auf mich selbst. Obzwar nun ich mich aus allen Kräften spreizte und alle Vörtel der guten Schwimmer brauchte, so spielte dannoch der Strom mit mir wie mit einem Ball, indem er mich bald über, bald unter sich in Grund warf. Ich hielt mich so ritterlich, daß ich oft über sich kam, Atem zu schöpfen; wäre es aber um etwas kälter gewesen, so hätte ich mich nimmermehr so lang enthalten und mit dem Leben entrinnen können. Ich versuchte oft, ans Ufer zu gelangen, so mir aber die Würbel nicht zuließen, als die mich von einer Seite zur andern warfen; und obzwar ich in Kürze unter Goldscheur kam, so ward mir doch die Zeit so lang, daß ich schier an meinem Leben verzweifelte. Demnach ich aber die Gegend bei dem Dorf Goldscheur passiert hatte und mich bereits drein ergeben, ich würde meinen Weg durch [36] die Straßburger Rheinbrücke entweder tot oder lebendig nehmen müssen, ward ich eines großen Baums gewahr, dessen Äste unweit vor mir aus dem Wasser herfürreichten. Der Strom gieng streng und recta darauf zu; derhalben wandte ich alle übrige Kräfte an, den Baum zu erlangen, welches mir dann trefflich glückte, also daß ich beides, durchs Wasser und meine Mühe, auf den größten Ast, den ich anfänglich für einen Baum angesehen, zu sitzen kam. Derselbe ward aber von den Strudeln und Wellen dergestalt tribuliert, daß er ohn Unterlaß auf und nieder knappen mußte, und derhalben mein Magen also erschüttert, daß ich Lung und Leber hätte ausspeien mögen. Ich konnte mich kümmerlich darauf halten, weil mir ganz seltsam vor den Augen ward: da mußte alles von mir heraus, was ich auch noch in Frankreich und Westfalen gefressen hatte; und indem ich kotzte wie ein Gerberhund, flossen auch die Hosen voll, welches doch der Rhein gleich wieder hinwegflosse, weil mich der Ast alle Augenblicke einmal hinunter tunkte. Ich hätte mich gern wieder ins Wasser gelassen, befand aber wohl, daß ich nit Manns genug wäre, nur den hunderten Teil solcher Arbeit auszustehen, dergleichen ich schon überstritten hatte; mußte derowegen verbleiben und auf eine ungewisse Erlösung hoffen, die mir Gott ungefähr schicken müßte, da ich anderst mit dem Leben davonkommen sollte. Aber mein Gewissen gab mir hierzu einen schlechten Trost, indem es mir vorhielt, daß ich solche gnadenreiche Hülfe nun ein paar Jahre her so liederlich verscherzt. Jedoch hoffte ich ein Bessers und fieng so andächtig an zu beten, als ob ich in einem Kloster wäre erzogen worden; ich satzte mir vor, inskünftige frömmer zu leben und tät unterschiedliche Gelübde. Ich widersagte dem Soldatenleben und verschwur das Parteigehen auf ewig, schmiß auch meine Patrontäsch samt dem Ranzen von mir und ließ mich nicht anderst an, als ob ich wieder ein Einsiedel werden, meine Sünden büßen und der Barmherzigkeit Gottes vor meine hoffende Erlösung bis in mein Ende danken wollte. Und indem ich dergestalt auf dem Ast bei zwei oder drei Stunden lang zwischen Furcht und Hoffnung zugebracht, kam dasjenige Schiff den Rhein herunter, dem ich hätte aufpassen helfen sollen. Ich erhub meine Stimme erbärmlich und schriee um Gottes und des Jüngsten Gerichts willen um Hülfe; und nachdem sie unweit von mir vorüberfahren mußten und dahero meine Gefahr und elenden Stand desto eigentlicher sahen, ward jeder im Schiff zur Barmherzigkeit bewegt, maßen sie gleich ans Land fuhren, sich zu unterreden, wie mir möchte zu helfen sein.

Weil dann wegen der vielen Strudel und Würbel, die es [37] rund um mich herum gab und von den Wurzeln und Ästen des Baums verursachet wurden, ohn Lebensgefahr weder zu mir zu schwimmen, noch mit großen und kleinen Schiffen zu mir zu fahren war, als erforderte meine Hülfe lange Bedenkzeit. Wie aber mir unterdessen zumut gewesen, ist leicht zu erachten. Zuletzt schickten sie zween Kerl mit einem Nachen oberhalb meiner in den Fluß, die mir ein Seil zufließen ließen und das eine End davon bei sich behielten; das andere Ende aber brachte ich mit großer Mühe ungefähr zuwege und band es um meinen Leib, so gut ich konnte, daß ich also an demselben wie ein Fisch an einer Angelschnur in den Nachen gezogen und auf das Schiff gebracht ward.

Da ich nun dergestalt dem Tod durch Gottes Gnad entronnen, hätte ich billig am Ufer auf die Kniee fallen und der göttlichen Güte vor meine Erlösung danken, auch sonst mein Leben zu bessern einen Anfang machen sollen, wie ich dann solches in meinen höchsten Nöten gelobet und versprochen. Aber ach leider! ich armer Mensch ließ es weit fehlen. Dann da man mich fragte, wer ich sei und wie ich in diese Gefahr geraten wäre, fieng ich an, diesen Burschen vorzulügen, daß der Himmel hätte erschwarzen mögen. Dann ich dachte: wann du ihnen sagst, daß du sie hast plündern helfen wollen, so schmeißen sie dich alsbald wieder in Rhein; gab mich also vor einen vertriebenen Organisten aus und sagte, nachdem ich auf Straßburg gewollt, um über Rhein irgendeinen Schul- oder andern Dienst zu suchen, hätte mich eine Partei ertappt, ausgezogen und in den Rhein geworfen, welcher mich auf gegenwärtigen Baum geführet. Und nachdem ich diese meine Lügen wohl füttern konnte, zumalen auch mit Schwören bekräftigte, ward mir festiglich geglaubt und mit Speis und Trank alles Gutes erwiesen, mich wieder zu erquicken, wie ichs dann trefflich vonnöten hatte.

Beim Zoll zu Straßburg stiegen die meiste ans Land und ich mit ihnen, da ich mich dann gegen dieselbe hoch bedankte und unter andern eines jungen Kaufherrn gewahr ward, dessen Angesicht, Gang und Gebärden mir zu erkennen gaben, daß ich ihn zuvor mehr gesehen, konnte mich aber nicht besinnen, wo, vernahm aber an der Sprache, daß es ebenderjenige Kornett war, so mich hiebevor gefangen bekommen. Ich wußte aber nicht zu ersinnen, wie er aus einem so wackern jungen Soldaten zu einem Kaufmann worden, vornehmlich weil er ein geborner Kavalier war. Die Begierde, zu wissen, ob mich meine Augen und Ohren betrügen oder nicht, trieben mich dahin, daß ich zu ihm gieng und sagte: »Monsieur Schönstein, ist ers oder ist ers [38] nicht?« Er aber antwortete: »Ich bin keiner von Schönstein, sondern ein Kaufmann.« Da sagte ich: »So bin ich auch kein Jäger von Soest nicht, sondern ein Organist oder vielmehr ein landläufiger Bettler.« – »O Bruder!« sagte hingegen jener, »was Teufels machst du? wo ziehest du herum?« Ich sagte: »Bruder, wann du vom Himmel versehen bist, mir das Leben erhalten zu helfen, wie nun zum zweitenmal geschehen ist, so erfodert ohn Zweifel mein Fatum, daß ich alsdann nicht weit von dir sei.« Hierauf nahmen wir einander in die Arme als zwei getreue Freunde, die hiebevor beiderseits versprochen, einander bis in Tod zu lieben. Ich mußte bei ihm einkehren und alles erzählen, wie mirs ergangen, sint ich von L. nach Köln verreist, meinen Schatz abzuholen, verschwieg ihm auch nicht, wasgestalt ich mit einer Partei ihrem Schiff hätte aufpassen wollen, und wie es uns darüber ergieng. Aber wie ich zu Paris gehaust, davon schwieg ich stockstill, dann ich sorgte, er möchte es zu L. ausbringen und mir deswegen bei meinem Weib einen bösen Rauch machen. Hingegen vertraute er mir, daß er von der hessischen Generalität zu Herzog Bernhard, dem Fürsten von Weimar, geschickt worden, wegen allerhand Sachen von großer Importanz, das Kriegswesen betreffend, Relation zu tun und künftiger Kampagne und Anschläg halber zu konferieren, welches er nunmehr verrichtet und in Gestalt eines Kaufmanns, wie ich dann vor Augen sehe, auf der Zurückreis begriffen sei. Benebens erzählte er mir auch, daß meine Liebste bei seiner Abreise großen Leibes und neben ihren Eltern und Verwandten noch in gutem Wohlstand gewesen; item daß mir der Obrister das Fähnlein noch aufhalte, und vexierte mich daneben, weil mich die Urschlechte so verderbt hätten, daß mich weder mein Weib noch das andre Frauenzimmer zu L. vor den Jäger mehr annehmen und mir einige Courtesie erweisen werde etc. Demnach redten wir miteinander ab, daß ich bei ihm verbleiben und mit solcher Gelegenheit wieder nach L. kehren sollte, so eine erwünschte Sache vor mich war. Und weil ich nichts als Lumpen an mir hatte, streckte er mir etwas an Geld vor, damit ich mich wie ein Gadendiener mondierte.

Man saget aber, wann ein Ding nit sein soll, so geschiehet es nicht. Das erfuhr ich auch; dann da wir den Rhein hinunterfuhren und das Schiff zu Rheinhausen visitiert ward, erkannten mich die Philippsburger, welche mich wieder anpackten und nach Philippsburg führeten, allda ich wieder wie zuvor einen Musketierer abgeben mußte, welches meinen guten Kornett ja so sehr verdroß als mich selbsten, weil wir uns wiederum scheiden [39] mußten. So dorfte er sich auch meiner nicht hoch annehmen, dann er hatte mit ihm selbst zu tun, sich durchzubringen.

Das 11. Kapitel
Das elfte Kapitel.
Simplex dem Geistlichen ist nicht gar günstig,
Welcher doch suchet sein Wohlfahrt ganz brünstig.

Also hat nun der günstige Leser vernommen, in was vor einer Lebensgefahr ich gesteckt. Betreffend aber die Gefahr meiner Seelen ist zu wissen, daß ich unter meiner Muskete ein recht wilder Mensch war, der sich um Gott und sein Wort nichts bekümmerte: keine Bosheit und schlimmes Stücklein war mir zuviel. Da waren alle Gnaden und Wohltaten, die ich von Gott jemals empfangen, allerdings vergessen; so bat ich auch weder um das Zeitliche noch Ewige, sondern lebete auf den alten Kaiser hinein wie ein Viehe. Niemand hätte mir glauben können, daß ich bei einem so frommen Einsiedel wäre erzogen worden. Selten kam ich in die Kirche und gar nicht zur Beichte, und gleichwie mir meiner Seelen Heil und alle göttliche Sachen nichts anlagen, als betrübte ich meinen Nebenmenschen desto mehr. Ich tadelte die Leute nicht nur heimlich, sondern offendierte sie auch öffentlich, wo ich nur zukommen konnte. Wo ich nur jemand berücken konnte, unterließ ichs nicht, ja ich wollte noch Ruhm davon haben, so daß schier keiner ungeschimpft von mir kam. Davon kriegte ich oft dichte Stöße und noch öfter den Esel zu reiten; ja man bedrohete mich mit Galgen und Wippe; aber es half alles nichts: ich trieb meine gottlose Weise fort, daß es das Ansehen hatte, als ob ich desperat spiele und mit Fleiß der Höllen zurenne. Und obgleich ich keine Übeltat begieng, dadurch ich das Leben verwürkt hätte, so war ich jedoch so ruchlos und lasterhaft, daß man (außer den Zauberern und Sodomiten) kaum einen wüstern Menschen antreffen mögen.

Dies nahm unser Regimentskaplan an mir in acht, und weil er ein rechter frommer Seeleneiferer war, schickte er auf die österliche Zeit nach mir, zu vernehmen, warum ich mich nicht bei der Beichte und Kommunion eingestellet hätte. Ich traktierte ihn aber nach seinen vielen treuherzigen Erinnerungen wie hiebevor den Pfarrer zu L., also daß der gute ehrliche Herr nichts mit mir ausrichten konnte. Und indem es schien, als ob Chrisam und Tauf an mir verloren wäre, sagte er zum Beschluß: »Ach, du elender Mensch! ich habe vermeint, du irrest aus [40] Unwissenheit, aber nun merke ich, daß du aus lauter Bosheit und gleichsam vorsätzlicherweis zu sündigen fortfährest. Ach, wer vermeinest du wohl, der ein Mitleiden mit deiner armen Seele und ihrer Verdammnus haben werde? Meinesteils protestiere ich vor Gott und der Welt, daß ich an deiner Verdammnus keine Schuld habe, weil ich getan und noch ferner gern unverdrossen tun wollte, was zu Beförderung deiner Seligkeit vonnöten wäre. Es wird mir aber besorglich künftig mehrers zu tun nicht obliegen, dann daß ich deinen Leib, wann ihn deine arme Seele in solchem verdammten Stand verläßt, an kein geweiht Ort zu andern frommen abgestorbenen Christen begraben, sondern auf den Schindwasen bei die Cadavera des verreckten Viehs hinschleppen lasse, oder an denjenigen Ort, da man andere Gottsvergessene und Verzweifelte hintut!«

Diese ernstliche Bedrohung fruchtete ebensowenig als die vorige Ermahnungen, und zwar nur der Ursache halber, weil ich mich vorm Beichten schämte. O ich großer Narr! Ich erzählte oft meine Bubenstücke bei ganzen Gesellschaften und log noch darzu; aber jetzt, da ich mich bekehren und einem einzigen Menschen anstatt Gottes meine Sünden demütig bekennen sollte, Vergebung zu empfangen, war ich ein verstockter Stummer! Ich sage recht: verstockt, blieb auch verstockt, dann ich antwortete: »Ich diene dem Kaiser vor einen Soldaten; wann ich nun auch sterbe als ein Soldat, so wirds kein Wunder sein, da ich gleich andern Soldaten (die nicht allezeit auf das Geweihte begraben werden können, sondern irgends auf dem Felde, in Gräben oder in der Wölf und Raben Mägen vorliebnehmen müssen) mich auch außerhalb des Kirchhofs behelfen werde.«

Also schied ich vom Geistlichen, der mit seinem heiligen Seeleneifer anders nichts um mich verdienet, als daß ich ihm einsmals einen Hasen abschlug, den er inständig von mir begehrte, mit Vorwand, weil er sich selbst an einem Strick erhangen und ums Leben gebracht, daß sich dannenhero nicht gebühre, daß er als ein Verzweifelter in ein geweihtes Erdreich sollte begraben werden.

Das 12. Kapitel
Das zwölfte Kapitel.
Simplex wird von dem Herzbruder erkennt,
Und zugleich damal sein Unfall gewendt.

Also folgte bei mir keine Besserung, sondern ich ward je länger je ärger. Der Obriste sagte einsmals zu mir, er wollte [41] mich, da ich kein gut tun wollte, mit einem Schelmen hinwegschicken. Weil ich aber wohl wußte, daß es ihm nicht Ernst war, sagte ich, dies könne ohne sondere Mühe und Unkosten, zumalen auch ohne meinen Verdruß leicht geschehen, wann er mir nur den Steckenknecht mitgebe. Also ließ er mich wieder passieren, weil er sich wohl einbilden konnte, daß ichs vor keine Strafe, sondern vor eine Wohltat halten würde, wann er mich laufen ließe; mußte demnach wider meines Herzens Willen ein Musketier bleiben und Hunger leiden bis in den Sommer hinein. Je mehr sich aber der Graf von Götz mit seiner Armee näherte, je mehrers näherte sich auch meine Erlösung. Denn als selbiger zu Bruchsal das Hauptquartier hatte, ward mein Herzbruder, dem ich im Läger vor Magdeburg mit meinem Geld getreulich geholfen, von der Generalität mit etlichen Verrichtungen in die Festung geschickt, da man ihm die höchste Ehre antät. Ich stund eben vor des Obristen Quartier Schildwacht, als er daselbst einen guten Rausch geholet hatte; und obzwar er einen schwarzen sammeten Rock antrug, so erkannte ich ihn jedoch gleich im ersten Anblick, hatte aber nicht das Herz, ihn sogleich anzusprechen, dann ich mußte sorgen, er würde der Welt Lauf nach sich meiner schämen oder mich sonst nicht kennen wollen, weil er den Kleidern nach in einem hohen Stand, ich aber nur ein lausiger Musketierer wäre. Nachdem ich aber abgelöst ward, erkundigte ich bei dessen Dienern seinen Stand und Namen, damit ich versichert sei, daß ich vielleicht keinen andern vor ihn anspräche, und hatte dannoch das Herz nicht, ihn anzureden, sondern schrieb dieses Brieflein und ließ es ihm am Morgen durch seinen Kammerdiener einhändigen:


»Monsieur etc. Wann meinem Hochg. Herrn beliebte, denjenigen, den er hiebevor durch Seine Tapferkeit in der Schlacht bei Wittstock aus Eisen und Banden errettet, auch anjetzo durch Sein vortrefflich Ansehen aus dem allerarmseligsten Stand von der Welt zu erlösen, wohinein er als ein Ball des unbeständigen Glücks geraten; so würde Ihm solches nicht allein nicht schwer fallen, sondern er würde Ihm auch vor einen ewigen Diener obligieren Seinen ohnedas getreu verbundenen, anjetzo aber allerelendesten und verlassenen

S. Simplicissimum.«


Sobald er solches gelesen, ließ er mich zu ihm hineinkommen, sagte: »Landsmann, wo ist der Kerl, der Euch dies Schreiben gegeben hat?« Ich antwortete: »Herr, er liegt in [42] hiesiger Festung gefangen.« – »Wohl!« sagte er, »so gehet zu ihm und saget, ich wolle ihm davonhelfen, und sollte er schon den Strick an Hals kriegen.« Ich sagte: »Herr, es wird solcher Mühe nicht bedörfen; doch bedanke ich mich vor die seltne Bereitfertigkeit.« – Und weil ich sahe, daß er so willfährig war, fuhr ich ferner fort und sagte: »Ich bin der arme Simplicius selbsten, der jetzt kommt, Demselben sowohl vor die Erlösung bei Wittstock zu danken, als ihn zu bitten, mich wieder von der Muskete zu erledigen, so ich wider meinen Willen zu tragen gezwungen wurde.« Er ließ mich nicht völlig ausreden, sondern bezeugte mit Umfahen, wie geneigt er sei, mir zu helfen. In Summa, er tät alles, was ein getreuer Freund gegen dem andern tun solle; und eh er mich fragte, wie ich in die Festung und in solche Dienstbarkeit geraten, schickte er seinen Diener zum Juden, Pferd und Kleider vor mich zu kaufen. Indessen erzählte ich ihm, wie mirs ergangen, sint sein Vatter vor Magdeburg gestorben, und als er vernahm, daß ich der Jäger von Soest (von dem er so manch rühmlich Soldatenstück gehöret) gewesen, beklagte er, daß er solches nicht eher gewüßt hätte, dann er mir damals gar wohl zu einer Kompagnie hätte verhelfen können.

Als nun der Jud mit einer ganzen Taglöhnerlast von allerhand Soldatenkleidern daherkam, las er mir das beste heraus, ließ michs anziehen und nahm mich mit ihm zum Obristen. Zu dem sagte er: »Herr, ich habe in Seiner Garnison gegenwärtigen Kerl angetroffen, dem ich so hoch verobligiert bin, daß ich ihn in so niedrigem Stand, wannschon seine Qualitäten keinen bessern meritierten, nicht lassen kann; bitte derowegen den Herrn Obristen, Er wolle mir den Gefallen erweisen, und ihn entweder besser akkommodieren, oder zulassen, daß ich ihn mit mir nehme, um ihm bei der Armee fortzuhelfen, worzu vielleicht der Herr Obrister hier die Gelegenheit nicht hat.« Der Obrister verkreuzigte sich vor Verwunderung, daß er mich einmal loben hörte, und sagte: »Mein hochgeehrter Herr vergebe mir, wann ich glaube, Ihm beliebe nur zu probieren, ob ich Ihm auch so willig zu dienen sei, als Er dessen wohl wert ist; und wofern Er so gesinnet, so begehre Er etwas anders, das in meiner Gewalt stehet, so wird Er meine Willfährigkeit im Werk erfahren. Was aber diesen Kerl anbelanget, ist solcher nit eigentlich mir, sondern seinem Vorgeben nach unter ein Regiment Dragoner gehörig, darneben ein solch abenteurlicher und schlimmer Gast, der meinen Profosen, sint er hier ist, mehr Arbeit geben, als sonst eine ganze Kompagnie, so daß ich von ihm glauben muß,[43] er könne in keinem Wasser ersaufen.« Endete damit seine Rede lächlende und wünschte mir Glück ins Feld.

Dies war meinem Herzbruder noch nicht genug, sondern er bat den Obristen auch, er wolle sich nicht zuwider sein lassen, mich mit an seine Tafel zu nehmen, so er auch erhielt. Er täts aber zu dem Ende, daß er dem Obristen in meiner Gegenwart erzähle, was er in Westfalen nur diskursent von dem Grafen von der Wahl und dem Kommandanten in Soest von mir gehöret hätte, welches alles er nun dergestalt herausstriche, daß alle Zuhörer mich vor einen von den besten Soldaten halten mußten. Dabei hielt ich mich so bescheiden, daß der Obrister und seine Leute, die mich zuvor gekannt, nicht anders glauben konnten, als ich wäre mit andern Kleidern auch ein ganz anderer Mensch worden. Und demnach der Obrister auch wissen wollte, woher mir der Name Doktor, wie man mich damals gemeiniglich nennet, zukommen wäre, erzählte ich ihm meine ganze Reise von Paris aus bis nach Philippsburg und wieviel Bauern ich betrogen, mein Maulfutter zu gewinnen, darüber sie ziemlich lachten. Endlich gestund ich unverhohlen, daß ich willens gewesen, ihn, Obristen, mit allerhand Bosheiten, Insolenzien und Plackereien dergestalt zu perturbiern und abzumatten, daß er mich endlich aus der Garnison hätte schaffen müssen, dafern er anders wegen der vielen Klagen in Ruhe vor mir leben wollen.

Darauf erzählte der Obrister viel Bubenstücklein, die ich begangen, solang ich in der Garnison gewesen, wie ich nämlich Erbsen gesotten, oben mit Schmalz übergossen und solche voi eitel Schmalz verkauft; item ganze Söck voll Sand für Salz, indem ich die Säcke unten mit Sand und oben mit Salz gefüllet; sodann, wie ich einem hier, dem andern dort einen Bärn angebunden und die Leute mit Pasquillen vexieret, also daß man die ganze Mahlzeit nur von mir zu reden hatte, welches alles zur Verwunderung und Gelächter taugte. Hätte ich aber keinen so ansehenlichen Freund gehabt, so wären alle meine Taten strafwürdig gewesen. Darbei nahm ich ein Exempel, wie es bei Hof hergehen müsse, wann ein böser Bub des Fürsten Gunst hat.

Nach geendigtem Imbiß hatte der Jud kein Pferd, so meinem Herzbruder vor mich gefallen wollte; weil er aber in solcher Ästimation war, daß der Obrister seine Gunst schwerlich entbehren konnte, als verehrete er ihm eins mit Sattel und Zeug aus seinem Stall, auf welches sich Herr Simplicius satzte und mit seinem Herzbruder freudenvoll zur Festung hinausritte. Teils seiner Kameraden riefen ihm nach: »Glück zu![44] Bruder, Glück zu!« teils aber aus Neid: »Je größer Schalk, je größer Glück!«, weil sie mich meines guten Glücks halber hasseten.

Das 13. Kapitel
Das dreizehnte Kapitel.
Simplex mit vielen weitläufigen Worten
Handelt von der Merodebrüder Orden.

Unterwegs redete Herzbruder mit mir ab, daß ich mich vor seinen Vetter ausgeben sollte, damit ich desto mehr geehret würde; hingegen wollte er mir noch ein Pferd samt einem Knecht verschaffen und mich zum Neuneckischen Regiment tun, bei dem ich mich als ein Freireuter aufhalten könnte, bis eine Offizierstelle bei der Armee ledig würde, zu deren er mir helfen könnte.

Also ward ich wider alle meine Hoffnung in Eil wieder ein Kerl, der einem braven Soldaten gleichsahe; ich tät aber denselben Sommer wenig Taten, als daß ich am Schwarzwald hin und wieder etliche Kühe stehlen half und mir das Brisgau und Elsaß ziemlich bekannt machte. Im übrigen hatte ich abermal wenig Stern; dann nachdem mir mein Knecht samt dem Pferd bei Kenzingen von den Weimarischen gefangen ward, mußte ich das ander desto härter strapeziern und endlich gar hinreuten, daß ich mich also in den Orden der Merodebrüder begeben mußte. Mein Herzbruder hätte mich zwar gern wieder mondieret; weil ich aber so bald mit den ersten zweien Pferden fertig worden, hielt er zurück und gedachte, mich zappeln zu lassen, bis ich mich besser vorzusehen lernete. So begehrte ich solches auch nicht; dann ich fand an meinen Mitkonsorten eine so angenehme Gesellschaft, daß ich mir bis an die Winterquartier keinen bessern Handel wünschte.

Ich muß nur ein wenig erzählen, was die Merodebrüder vor Leute sind, weilen sich ohn Zweifel etliche finden, sonderlich die Kriegsunerfahrne, so nichts davon wissen. So habe ich bisher noch keinen Skribenten angetroffen, der etwas von ihren Gebräuchen, Gewohnheiten, Rechten und Privilegien seinen Schriften einverleibt hätte, unangesehen es wohl wert ist, daß nicht allein die jetzige Feldherrn, sondern auch der Baursmann wisse, was es vor eine Zunft sei. Betreffend nun erstlich ihren Namen, will ich nicht hoffen, daß es demjenigen tapfern Kavalier, unter dem sie solchen bekommen, ein Schimpf sei, sonst wollte ichs nicht einem jeden so offentlich auf die Nase [45] binden. Ich habe eine Art Schuhe gesehen, die hatten anstatt der Löcher krumme Nähte; dieselbigen wurden Mansfelder Schuh genannt, weil dessen Kriegsknecht selbige erfunden, damit sie desto besser durch den Kot stampfen sollten. Sollte nun einer deswegen den Mansfelder selbst vor einen Pechfarzer schelten, den wollte ich vor einen Phantasten halten. Ebenso muß man diesen Namen auch verstehen, der nicht abgehen wird, solang die Teutsche kriegen. Es hat aber eine solche Beschaffenheit damit. Als dieser Kavalier einsmals ein neugeworben Regiment zur Armee brachte, waren die Kerl so schwacher, baufälliger Natur wie die französische Britannier, daß sie also das Marschieren und ander Ungemach, das ein Soldat im Feld ausstehen muß, nicht erleiden konnten, derowegen dann ihre Brigade zeitlich so schwach ward, daß sie kaum die Fähnlein mehr bedecken konnte; und wo man einen oder mehr kranke und lahme Leinenweber auf dem Markt, in Häusern und hinter den Zäunen und Hecken antraf und fragte: »Wes Regiments?« so war gemeiniglich die Antwort: »Von Merode!« Davon entsprang, daß man endlich alle diejenige, sie wären gleich krank oder gesund, verwundt oder nit, wann sie nur außerhalb der Zugordnung daherzottelten oder sonst nicht bei ihren Regimentern ihr Quartier im Feld nahmen, Merodebrüder nannte, welche Bursch man zuvor Säusenger und Immenschneider geheißen hatte. Dann sie sind wie die Brumser in den Immenfässern, welche, wann sie ihren Stachel verloren haben, nicht mehr arbeiten, noch Honig machen, sondern nur fressen können. Wann ein Reuter sein Pferd und ein Musketier seine Gesundheit verleurt oder ihm Weib und Kind erkrankt und zurückbleiben will, so ists schon anderthalb Paar Merodebrüder, ein Gesindlein, so sich mit nichts besser als mit den Zügeinern vergleichet, weil es nicht allein nach seinem Belieben vor, nach, neben und mitten unter der Armee herumstreicht, sondern auch demselben beides, an Sitten und Gewohnheit, ähnlich ist. Da siehet man sie haufenweis beieinander (wie die Feldhühner im Winter) hinter den Hecken, im Schatten oder nach ihrer Gelegenheit an der Sonne oder irgends um ein Feur herum liegen, Tabak zu saufen und zu faulenzen, wann unterdessen anderwärts ein rechtschaffener Soldat beim Fähnlein Hitze, Durst, Hunger, Frost und allerhand Elend überstehet. Dort gehet eine Schar neben dem Marsch her auf die Mauserei, wann indessen manch armer Soldat vor Mattigkeit unter seinen Waffen versinken und verschmachten möchte. Sie spolieren vor, neben und hinter der Armee alles, was sie antreffen; und was sie nicht genießen können, verderben sie, also [46] daß die Regimenter, wann sie in die Quartier oder ins Läger kommen, oft nicht einen guten Trunk Wasser finden; und wann sie alles Ernstes angehalten werden, bei der Bagage zu bleiben, so wird man oft beinahe dieselbe stärker finden, als die Armee selbst ist. Wann sie aber gesellenweis marschieren, quartieren, kampieren und hausieren, so haben sie keinen Wachtmeister, der sie kommandiert, keinen Feldwaibel oder Schergianten, der ihnen das Wams ausklopft oder vielmehr ausstäubt, keinen Korporal, der sie wachen heißt, keinen Tambour, der sie des Zapfenstreichs, der Schar- und Tagwacht erinnert, und in Summa niemand, der sie anstatt des Adjutanten in Battaglia stellet oder anstatt des Furiers einlogieret, sondern leben vielmehr wie die Freiherrn. Wann aber etwas an Kommiß der Soldateska zukommt, so sind sie die erste, die ihr Teil holen, obgleich sie es nicht verdienet. Hingegen sind die Rumormeister und Generalgewaltiger ihr allergrößte Pest, als welche ihnen zuzeiten, wann sie es zu bunt machen, eiserne Silbergeschirr an Hände und Füße legen oder sie wohl gar mit einem hänfinen Kragen zieren und an ihre allerbeste Hälse anhängen lassen.

Sie wachen nicht, sie schanzen nicht, sie stürmen nicht und kommen auch in keine Schlachtordnung, und sie ernähren sich doch! Was aber der Feldherr, der Landmann und die Armada selbst, bei deren sich viel solches Gesindes befindet, vor Schaden darvon haben, ist nicht zu beschreiben. Der heilloseste Reuterjung, der nichts tut als furagieren, ist dem Feldherrn nützer als tausend Merodebrüder, die ein Handwerk draus machen und ohn Not auf der Bärnhaut liegen. Sie werden vom Gegenteil hinweggefangen und von den Bauren an teils Orten auf die Finger geklopft. Dadurch wird die Armee gemindert und der Feind gestärkt; und wanngleich ein so liederlicher Schlingel (ich meine nicht die arme Kranke, sondern die unberittene Reuter, die unachtsamerweise ihre Pferde verderben lassen und sich auf Merode begeben, damit sie ihre Haut schonen und ihrer Faulheit auf der Bärnhaut pflegen können) durch den Sommer davonkommt, so hat man nichts anders von ihm, als daß man ihn auf den Winter mit großem Kosten wieder mondieren muß, damit er künftigen Feldzug wieder etwas zu verlieren habe. Man sollte sie zusammenkuppeln wie die Windhunde und sie in den Garnisonen kriegen lernen oder gar auf die Galeeren schmieden, wann sie nicht auch zu Fuß im Feld in ihres Herrn Dienst das ihrige tun wollten, bis sie gleichwohl wieder Pferde kriegten. Ich geschweige hier, wie manches Dorf durch sie sowohl unachtsamer- als vorsätzlicherweise verbrennt wird, wie manchen Kerl [47] sie von ihrer eigenen Armee absetzen, plündern, heimlich bestehlen und wohl gar niedermachen, auch wie mancher Spion sich unter ihnen aufhalten kann, wann er nämlich nur ein Regiment und Kompagnie aus der Armada zu nennen weiß. Ein solcher ehrbarer Bruder nun war ich damals auch und verbliebs bis den Tag vor der Wittenweier Schlacht, zu welcher Zeit das Hauptquartier in Schuttern war; dann als ich damals mit meinen Kameraden in das Geroldseckische gieng, Kühe oder Ochsen zu stehlen, wie unsre Gewohnheit war, ward ich von den Weimarischen gefangen, die uns viel besser zu traktieren wußten; dann sie luden uns Musketen auf und stießen uns hin un wieder unter die Regimenter. Ich zwar kam unter das Hattsteinische.

Das 14. Kapitel
Das vierzehnte Kapitel.
Simplex kämpft mit einem um Leib und Leben,
Der sich auch ihme hat endlich ergeben.

Ich konnte damals greifen, daß ich nur zum Unglück geboren; dann ungefähr vier Wochen zuvor, eh das gedachte Treffen geschahe, hörete ich etliche Götzische gemeine Offizier von ihrem Krieg diskurrieren; da sagte einer: »Ungeschlagen gehets diesen Sommer nicht ab! Schlagen wir dann den Feind, so müssen wir den künftigen Winter Freiburg und die Waldstädte einnehmen; kriegen wir aber Stöße, so kriegen wir auch Winterquartier.« Auf diese Prophezei machte ich meinen richtigen Schluß und sagte bei mir selbst: »Nun freue dich, Simplici, du wirst künftigen Frühling guten See- und Neckerwein trinken und genießen, was die Weimarische verdienen werden.« Aber ich betrog mich weit, dann weil ich nunmehr weimarisch war, so war ich auch prädestiniert, Breisach belägern zu helfen, maßen solche Belägerung gleich nach mehrbemeldter Wittenweier Schlacht völlig ins Werk gesetzt ward, da ich dann wie andere Musketier Tag und Nacht wachen und schanzen mußte und nichts davon hatte, als daß ich lernete, wie man mit den Approchen einer Festung zusetzen muß, darauf ich vor Magdeburg wenig Achtung geben. Im übrigen aber war es lausig bei mir bestellt, weil je zwo oder drei aufeinander saßen; der Beutel war leer und öd, Wein, Bier und Fleisch eine Rarität, Äpfel und hart schimmlig Brot (jedoch kümmerlich genug) mein bestes Wildpret.

Solches war mir saur zu ertragen, Ursache, wann ich zurück an die ägyptische Fleischtöpfe, das ist an die westfälischen [48] Schinken und Knackwürste zu L. gedachte. Ich gedachte niemal mehr an mein Weib, als wann ich in meinem Zelt lag und vor Frost halb erstarrt war. Da sagte ich dann oft zu mir selber: »Hui, Simplici, meinest du auch wohl, es geschehe dir unrecht, wann dir einer wieder wettspielte, was du zu Paris begangen?« Und mit solchen Gedanken quälte ich mich wie ein ander eifersichtiger Hahnrei, da ich doch meinem Weib nichts anders als Ehre und Tugend zutrauen konnte. Zuletzt war ich so ungedultig, daß ich meinem Kapitän eröffnete, wie meine Sachen bestellet wären, schrieb auch auf der Post nach L. und erhielt vom Obristen de S.A. und meinem Schwährvatter, daß sie durch ihre Schreiben bei dem Fürsten von Weimar zuwege brachten, daß mich mein Kapitän mit einem Paß mußte laufen lassen.

Ungefähr eine Woche oder vier vor Weihnachten marschierte ich mit einem guten Feurrohr vom Läger ab, das Brißgäu hinunter der Meinung, selbige Weihnachtmesse zu Straßburg 20 Taler, von meinem Schwähr übermacht, zu empfahen und mich mit Kaufleuten den Rhein hinunter zu begeben, da es doch unterwegs viel kaiserliche Garnisonen hatte. Als ich aber bei Endingen vorbeipassiert und zu einem einigen Haus kam, geschahe ein Schuß nach mir, so daß mir die Kugel den Rand am Hut verletzt, und gleich darauf sprang ein starker vierschrötiger Kerl aus dem Haus auf mich los, der schriee, ich sollte das Gewehr ablegen. Ich antwortete: »Bei Gott, Landsmann, dir zu Gefallen nicht!« und zog den Hahnen über. Er aber wischte mit einem Ding von Leder, das mehr einem Henkersschwert als Degen gleichete, und eilete damit auf mich zu. Wie ich nun seinen Ernst spürete, schlug ich an und traf ihn dergestalt an die Stirn, daß er herumdurmelte wie eine Garnwinde und endlich zu Boden fiel. Dieses mir zunutz zu machen, rang ich ihm geschwind sein Schwerd aus der Faust und wollts ihm in Leib stoßen; da es aber nicht durchgehen wollte, sprang er wieder unversehens auf die Füße, erwischte mich beim Haar und ich ihn auch; sein Schwert aber hatte ich schon weggeworfen, weil ich ihn nicht damit beschädigen konnte. Darauf fiengen wir ein solch ernstlich Spiel miteinander an, so eines jeden verbitterte Stärk genugsam zu erkennen gab, und konnt doch keiner des andern Meister werden. Bald lag ich, bald er oben, und im Hui kamen wir wieder auf die Füße, so aber nicht lang dauerte, weil je einer des andern Untergang und Tod suchte. Das Blut, so mir häufig zu Nas und Mund herauslief, speiete ich meinem Feind ins Gesicht, weil ers so hitzig begehrte: das war mir gut, dann es hinderte ihn am Sehen. Also zogen [49] wir einander bei anderthalb Stund im Kot und Schnee herum; davon wurden wir so matt, daß allem Ansehen nach des einen Unkräften des andern Müdigkeit allein mit den Fäusten nicht völlig überwinden, noch einer den andern aus eigenen Kräften und ohne Waffen vollends zum Tod hätte bringen mögen.

Die Ringkunst, darin ich mich zu L. oft übte, kam mir damals wohl zustatten, sonst hätte ich ohne Zweifel eingebüßt und den kürzern gezogen, dann mein Feind war viel stärker als ich und überdas eisenfest. Als wir einander fast tödlich abgemattet und ich meinen Gegenteil unter mir fast schwerlich mehr halten konnte, sagte er endlich: »Bruder, höre auf, ich ergebe mich dir zu eigen.« – Ich sagte: »Du solltest mich anfänglich haben passieren lassen!« – »Was hast du mehr,« antwortete jener, »wanngleich ich sterbe?« – »Und was hättest du gehabt,« sagte ich, »wann du mich hättest niedergeschossen, sintemal ich keinen Heller Geld bei mir habe?« Darauf bat er um Verzeihung, und ich ließ mich erweichen und ihn aufstehen, nachdem er mir zuvor teuer geschworen, daß er nicht allein Friede halten, sondern auch mein treuer Freund und Diener sein wollte. Ich hätte ihm aber weder geglaubt noch getraut, wann mir seine verübte leichtfertige Handlungen und greuliche Taten bekannt gewesen wären.

Da wir nun beide auf waren, gaben wir einander die Hände, daß alles, was geschehen, vergessen sein sollte, und verwunderte sich einer über den andern, daß er seinen Meister gefunden; dann jener meinete und bildete sich nicht anders ein, ich sei auch mit einer solchen Schelmenhaut wie er überzogen gewesen. Ich ließ ihn auch dabei bleiben, damit, wann er sein Gewehr bekäme, [er] sich nicht noch einmal an mich reiben dörfte. Er hatte von meinem Schuß eine große Beule an der Stirn, und ich hatte mich sehr verblutet; doch klagte keiner mehr als den Hals, welche so zugerichtet, daß keiner den Kopf aufrechttragen konnte: so langwierig hatten wir einander bei den Haaren herumgezauset.

Weil es dann gegen Abend war und mir mein Gegenteil erzählete, daß ich bis an die Kitzing weder Hund noch Katze, viel weniger einen Menschen antreffen würde, er aber hingegen unweit von der Straße in einem abgelegenen Häuslein ein gut Stück Fleisch und einen Trunk zum besten hätte, also ließ ich mich überreden und gieng mit ihm, da er dann unterwegs oft mit Seufzen bezeugte, wie leid ihm sei, daß er mich beleidigt habe.

[50]
Das 15. Kapitel
Das fünfzehnte Kapitel.
Simplex erfährt, daß Olivier war,
Welcher ihm kurz vorher kam in die Haar.

Ein resoluter Soldat, der sich darein ergeben, sein Leben zu wagen und gering zu achten, ist wohl ein dummes Vieh, welches sich wie ein Schaf zur Schlachtbank führen läßt. Man hätte tausend Kerl gefunden, darunter kein einziger das Herz gehabt hätte, mit einem solchen, der ihn erst als ein Mörder angegriffen, an ein unbekannt Ort zu Gast zu gehen. Ich fragte ihn auf dem Weg, wes Volks er sei; da sagte er, er hätte vor diesmal keinen Herrn, sondern kriege vor sich selbst und fragte zugleich, wes Volks dann ich sei. Ich sagte, daß ich weimarisch gewesen, nunmehr aber meinen Abschied hätte und gesinnet wäre, mich nach Haus zu begeben. Darauf fragte er, wie ich hieße, und da ich antwortete: »Simplicius«, kehrete er sich um (dann ich ließ ihn vorangehen, weil ich ihm nit traute) und sahe mir steif ins Gesicht. »Heißt du«, sagte er, nachdem er mich ein wenig betrachtet hatte, »nicht auch Simplicissimus?« – »Ja,« antwortete ich, »der ist ein Schelm, der seinen Namen verleugnet. Wie heißt aber du?« – »Ach Bruder,« antwortete er, »so bin ich Olivier, den du wohl vor Magdeburg wirst gekannt haben«; warf damit sein Rohr von sich und fiel auf die Kniee nieder, mich um Verzeihung zu bitten, daß er mich so übel gemeint hätte, sagend, er könnte sich wohl einbilden, daß er keinen bessern Freund in der Welt bekomme, als er an mir einen haben würde, weil ich nach des alten Herzbruders Prophezei seinen Tod so tapfer rächen sollte. Ich hingegen wollte mich über eine so seltsame Zusammenkunft verwundern; er aber sagte: »Das ist nichts Neues! Berg und Tal kommt nicht zusammen; das ist mir aber seltsam, daß wir beide uns so verändert haben, sintemal ich aus einem Secretario und braven Offizier ein Waldfischer, du aber aus einem Narrn zu so einem tapfern Soldaten worden! Sei versichert, Bruder, wann unserer zehentausend wären, daß wir morgenden Tags Breisach entsetzen und endlich [uns] zu Herrn der ganzen Welt machen wollten.«

In solchem Diskurs passierten wir, da es eben Nacht worden, in ein klein abgelegen Taglöhnerhäuslein; und obzwar mir solche Prahlerei nit gefiel, so gab ich ihm doch recht, vornehmlich weil mir sein schelmisch falsch Gemüt bekannt war. Ich mußte ihn in Laun behalten, damit er mir, bis ich wieder von ihm käme, kein Untreu bewiese. Und obzwar ich ihm im geringsten nichts Gutes zutrauete, so gieng ich doch mit ihm in besagtes [51] Häuslein, in welchem ein Bauer eben die Stube einhitzte. Zu dem sagte er: »Hast du etwas gekocht?« – »Nein,« sagte der Bauer, »ich habe ja den gebratenen Kalbsschlegel noch, den ich heute von Waldkirch brachte.« – »Nun dann,« antwortete Olivier, »so gehe und lang her, was du hast, und bringe zugleich das Fäßlein Wein mit!«

Als der Bauer fort war, sagte ich zu Olivier: »Bruder (ich nannte ihn so, damit ich desto sicherer vor ihm wäre, wiewohl ich ihme meines Herzbruders halber den Hals lieber zerbrochen, wann ichs nur vermocht hätte), du hast einen willigen Wirt!« – »Das dank,« sagte er, »dem Schelmen der Teufel; ich ernähre ihn ja mit Weib und Kindern, und er machet noch darzu vor sich selbst gute Beuten. Jch lasse ihm alle Kleider, die ich erobere, solche zu seinem Nutzen anzuwenden.« Ich fragte, wo er dann sein Weib und Kinder hätte, da sagte Olivier, daß er sie nach Freiburg geflehnet, die er alle Wochen zweimal besuche und ihm von dort aus sowohl die Victualia als Kraut und Lot zubringe. Ferner berichtete er mich, daß er diese Freibeuterei schon lang getrieben und ihm besser zuschlage, als wann er einem Herrn diene; er gedächte auch nit aufzuhören, bis er seinen Beutel rechtschaffen gespickt hätte. Ich sagte: »Bruder, du lebest in einem gefährlichen Stand, und wann du über solcher Rauberei ergriffen würdest, wie meinst du wohl, daß man mit dir umgieng?« – »Ha!« sagte er, »ich höre wohl, daß du noch der alte Simplicius bist: ich weiß wohl, daß derjenige, so kugeln will, auch aufsetzen muß. Du mußt aber das wissen, daß die Herrn von Nürnberg keinen henken lassen, sie haben ihn dann.« Ich antwortete: »Gesetzt aber, Bruder, du werdest nicht ertappt (das doch sehr mißlich stehet, dann der Krug gehet so lang zum Brunnen, bis er einmal zerbricht), so ist dannoch ein solch Leben, wie du führest, das allerschändlichste von der Welt, daß ich also nicht glaube, daß du darin zu sterben begehrest.« – »Was,« sagte er, »das schändlichste? Mein tapferer Simplici, ich versichere dich, daß die Rauberei das alleradeligste Exerzitium ist, das man dieser Zeit auf der Welt haben kann! Sage mir, wie viel Königreiche und Fürstentümer sind nicht mit Gewalt erraubt und zuwege gebracht worden? Oder wo wird einem König oder Fürsten auf dem ganzen Erdboden vor eine Schande gerechnet oder vor übel aufgenommen, wann er seiner Länder Intraden geneußt, die doch gemeinlich durch ihrer Vorfahren verübte Gewalt erraubt und zuwegen gebracht worden? Was könnte doch adeliger genennet werden als eben das Handwerk, dessen ich mich jetzt bediene? Siehest du nicht täglich vor Augen, [52] daß die höchste Potentaten meistenteils einander selbst berauben? Siehest du nicht, wie der Stärkste den Schwächern in Sack zu stecken trachtet? Ich merke dir an, daß du mir gern vorhalten wolltest, daß ihrer viel wegen Mordens, Raubens und Stehlens sein gerädert, gehängt und geköpft worden: das weiß ich zuvor wohl, dann das befehlen die Gesetze; du wirst aber keine andere als arme und geringe Diebe haben hängen sehen, welches auch billig ist, weil sie sich dieser vortrefflichen Übung haben unterfangen dörfen, die doch niemanden als herzhaften Gemütern gebührt und vorbehalten ist. Wo hast du jemals eine vornehme Standsperson durch die Justitiam strafen sehen, um daß sie ihr Land zu viel beschwert habe? Ja, was noch mehr ist, wird doch kein Wucherer gestraft, der diese herrliche Kunst heimlich treibet, und zwar unter dem Deckmantel der christlichen Liebe! Warum wollte dann ich strafbar sein, der ich solche offentlich auf gut Altteutsch ohn einzige Bemäntelung und Gleisnerei übe? Mein lieber Simplici, du hast den Machiavellum noch nicht gelesen. Ich bin eines recht aufrichtigen Gemüts und treibe diese Manier zu leben frei offentlich ohn alle Scheu. Ich fechte und wage mein Leben darüber wie die alte Helden, weiß auch, daß diejenige Hantierungen, dabei der, so sie treibt, in Gefahr stehen muß, zugelassen sind. Weil ich dann mein Leben in Gefahr setze, so folgt unwidersprechlich, daß mirs billig und erlaubt sei, diese Kunst zu üben.«

Hierauf antwortete ich: »Gesetzt, Rauben und Stehlen sei dir erlaubt oder nicht, so weiß ich gleichwohl, daß es wider das Gesetz der Natur ist, das da nicht will, daß einer einem andern tun solle, das er nicht will, daß es ihm geschehe. So ist solche Unbilligkeit auch wider die weltliche Gesetz, welche befehlen, daß die Dieb gehängt, die Räuber geköpft und die Mörder geradbrecht werden sollen. Und letztlich, so ist es auch wider Gott, so das Fürnehmste ist, weil er keine Sünde ungestraft läßt.« – »Es ist, wie ich vor gesagt,« antwort Olivier, »du bist noch Simplicius, der den Machiavellum noch nicht studiert hat. Könnte ich aber auf solche Art eine Monarchiam aufrichten, so wollte ich sehen, wer mir alsdann viel darwider predigte.« Wir hätten noch mehr miteinander disputiert; weil aber der Bauer mit dem Essen und Trinken kam, saßen wir zusammen und stilleten unsere Mägen, dessen ich dann trefflich hoch vonnöten hatte.

[53]
Das 16. Kapitel
Das sechzehnte Kapitel.
Simplex sich in des Oliviers Haus
Labet und wieder aufs neu putzt heraus.

Unser Essen war Weißbrot und ein gebratener kalter Kalbsschlegel; dabei hatten wir einen guten Trunk Wein und eine warme Stube. »Gelt, Simplici,« sagte Olivier, »hier ist es besser als vor Breisach in den Laufgräben!« Ich sagte: »Das wohl, wann man solch Leben mit gewisser Sicherheit und bessern Ehren zu genießen hätte.« Darüber lachte er überlaut und sagte: »Sind dann die arme Teufel in den Laufgräben sicherer als wir, die sich alle Augenblicke eines Ausfalls besorgen müssen? Mein lieber Simplici, ich sehe zwar wohl, daß du deine Narrnkappe abgeleget, hingegen aber deinen närrischen Kopf noch behalten hast, der nicht begreifen kann, was gut oder bös ist; und wann du ein anderer als derjenige Simplicius wärest, der nach des alten Herzbruders Wahrsagung meinen Tod rächen solle, so wollte ich dich bekennen lernen, daß ich ein edler Leben führe als ein Freiherr.« Ich gedachte: Was will das werden? Du mußt andere Worte hervorsuchen als bisher, sonst möchte dich dieser Unmensch, so jetzt den Bauern fein zu Hülf hat, erst kaput machen, sagte derohalben: »Wo ist sein Tag je erhört worden, daß der Lehrjung das Handwerk besser verstehe als der Lehrmeister? Bruder, hast du ein so edel glückselig Leben, wie du vorgibst, so mache mich deiner Glückseligkeit alter Bekanntschaft wegen auch teilhaftig, sintemal ich eines guten Glücks hoch vonnöten.« Darauf antwortete Olivier: »Bruder, sei versichert, daß ich dich so hoch liebe als mich selbsten, und daß mir die Beleidigung, so ich dir heut zugefüget, viel weher tut als die Kugel, damit du mich an meine Stirn getroffen, als du dich meiner wie ein tapferer rechtschaffener Kerl erwehrtest; warum wollt ich dir dann etwas versagen können? Wann dirs beliebet, so bleib bei mir; ich will vor dich sorgen als vor mich selbsten; hast du aber keine Lust, bei mir zu sein, so will ich dir ein gut Stück Geld geben und begleiten, wohin du willt. Damit du aber glaubest, daß mir diese Worte von Herzen gehen, so will ich dir die Ursache sagen, warum ich dich so herzlich liebe und so hoch halte, wiewohl meine Gewohnheit sonst nicht ist, einen Menschen groß zu achten. Du weißt dich zu erinnern, wie richtig der alte Herzbruder mit seinen Prophezeiungen zugetroffen; schaue, derselbe hat mir vor Magdeburg diese Worte geweissaget, die ich bishero fleißig im Gedächtnus behalten: ›Olivier, siehe unsern Narrn an, wie du willt, so wird er dannoch durch seine Tapferkeit [54] dich erschröcken und dir den größten Possen erweisen, der dir dein Lebtag je geschehen wird, weil du ihn darzu verursachest in einer Zeit, darin ihr beide einander nicht erkannt gehabt. Doch wird er dir nicht allein dein Leben schenken, so in seinen Händen gestanden, sondern er wird auch über eine Zeitlang hernach an dasjenige Ort kommen, da du erschlagen wirst; daselbst wird er glückselig als ein Überwinder deinen Tod rächen.‹ Dieser Weissagung halber, liebster Simplici, bin ich bereit, mit dir das Herz im Leib zu teilen; dann gleichwie schon ein Teil davon erfüllet, indem ich dir unbekannterweise Ursache gegeben, daß du mich als ein tapferer Soldat vor den Kopf geschossen und mir mein Schwerd genommen (das mir freilich noch keiner getan), mir auch das Leben gelassen, da ich unter dir lag und gleichsam im Blut erstickte, also zweifle ich nicht, daß das übrige von meinem Tod auch im wenigsten fehlgeschlagen werde. Aus solcher Rache nun, liebster Bruder, muß ich schließen, daß du mein getreuer Freund seist oder noch werden wirst; dann dafern du es nicht wärest, so würdest du solche Rache auch nicht über dich nehmen. Da hast du nun die Concepta meines Herzens: jetzt sage mir auch, was du zu tun gesinnet seist.« Ich gedachte: »Traue dir der Teufel, ich nicht! Nehme ich Geld von dir auf den Weg, so möchtest du mich erst niedermachen; bleib ich dann bei dir, so muß ich sorgen, ich dörfte mit dir gevierteilt werden.« Satzte mir demnach vor, ich wollte ihm eine Nase drehen, bei ihm zu bleiben, bis ich mit Gelegenheit von ihm kommen könnte; sagte derhalben, so er mich leiden möchte, wollte ich mich ein Tag oder acht bei ihm aufhalten, zu sehen, ob ich solche Art zu leben gewohnen könnte: gefiele mirs, so sollte er beides, einen getreuen Freund und guten Soldaten, an mir haben; gefiele mirs nicht, so sei allezeit gut voneinander scheiden. Darauf satzte er mir mit dem Trunk zu; ich getraute aber auch nicht und stellete mich voll, eh ichs war, zu sehen, ob er vielleicht an mich wollte, wann ich mich nicht mehr defendieren könnte.

Indessen plagten mich die Müllerflöhe trefflich, deren ich eine ziemliche Quantität von Breisach mit mir gebracht hatte; dann sie wollten sich in der Wärme nicht mehr in meinen Lumpen behelfen, sondern spazierten heraus, sich auch lustig zu machen. Dieses nahm Olivier an mir gewahr und fragte, ob ich Läuse hätte. Ich sagte: »Ja freilich, mehr als ich mein Lebtag Dukaten zu bekommen getraue.« – »So mußt du nit reden!« sagte Olivier. »Wann du bei mir bleibest, so kannst du noch wohl mehr Dukaten kriegen, als du jetzt Läuse hast.« Ich antwortete: »Das ist so unmüglich, als ich jetzt meine Läuse abschaffen [55] kann, die mich so grausam quälen.« – »O ja,« sagte er, »es ist beides müglich!« und befahl gleich dem Baur, mir ein Kleid zu holen, das unfern vom Haus in einem hohlen Baum stak. Das war ein grauer Hut, ein Koller von Elend, ein Paar rote scharlachne Hosen und ein grauer Rock; Strümpfe und Schuhe wollte er mir morgen geben. Da ich solche Guttat von ihm sahe, getraute ich ihm schon etwas Bessers zu als zuvor und gieng fröhlich schlafen.

Das 17. Kapitel
Das siebzehnte Kapitel.
Simplex im Rauben andächtiger ist,
Als wann Olivier in der Kirch liest.

Am Morgen gegen Tag sagte Olivier: »Auf, Simplici! wir wollen in Gottes Namen hinaus, zu sehen, was etwan zu bekommen sein möchte.« – »Ach Gott!« gedachte ich, »soll ich dann nun in deinem hochheiligen Namen auf die Rauberei gehen? und bin hiebevor, nachdem ich von meinem Einsiedel kam, nit so kühn gewesen, ohn Erstaunen zuzuhören, wann einer zum andern sagte: ›Komm, Bruder, wir wollen in Gottes Namen ein Maß Wein miteinander saufen!‹, weil ichs vor eine doppelte Sünde hielt, wann einer in deinem Namen sich vollsöffe. O himmlischer Vatter, wie habe ich mich verändert! O getreuer Gott, was wird endlich aus mir werden, wann ich nicht wieder umkehre? Ach hemme meinen Lauf, der mich so richtig zur Hölle bringet, da ich nicht aufhöre und Buße tue!« Mit dergleichen Worten und Gedanken folgete ich Olivier in ein Dorf, darin keine lebendige Kreatur war; da stiegen wir des fernen Aussehens halber auf den Kirchturn, und uns der heilige Ort anstatt eines Raubschlosses zur Mördergruben dienen mußte. Auf demselben hatte er die Strümpfe und Schuhe verborgen, die er mir den Abend zuvor versprochen, darneben zwei Laib Brad, etliche Stücke gesotten Dörrfleisch und ein Fäßlein halb voll Wein im Vorrat, mit welchem er sich allein gern acht Tag hätte behelfen können. Indem ich nun meine Verehrung anzog, erzählete er mir, daß er an diesem Ort pflege aufzupassen, wann er eine gute Beute zu holen gedächte, deswegen er sich dann so wohl proviantieret mit dem Anhang, daß er noch etliche solcher vorteilhaftiger Örter hätte, die mit Speis und Trank versehen wären, damit, wann Bläsi an einem Ort nicht zu Haus wäre, er ihn[56] am andern finden könnte. Ich mußte zwar seine Klugheit loben, gab ihm aber zu verstehen, daß es doch nicht schön stünde, einen so heiligen Ort, der Gott gewidmet sei, dergestalt zu beflecken. »Was,« sagte er, »beflecken? die Kirchen, da sie reden könnten, würden gestehen, daß sie dasjenige, was ich in ihnen begehe, gegen denen Lastern, so hiebevor in ihnen begangen worden, noch vor gar gering aufnehmen müßten. Wie mancher und wie manche meinest du wohl, die sint Erbauung dieser Kirche hereingetretten sein unter dem Schein, Gott zu dienen, da sie doch nur herkommen, ihre neue Kleider, ihre schöne Gestalt, ihre Präminenz und sonst so etwas sehen zu lassen? Da kommt einer zur Kirche wie ein Pfau und stellet sich vor den Altar, als ob er den Heiligen die Füße abbeten wollte; dort stehet einer in einer Eck, zu seufzen wie der Zöllner im Tempel, welche Seufzer aber nur zu seiner Liebsten gehen, in deren Angesicht er seine Augen weidet, um derentwillen er sich auch eingestellet. Ein ander kommt vor, oder wanns wohl gerät, in die Kirche mit einem Gebund Briefen, wie einer, der eine Brandsteur sammlet, mehr seine Zinsleute zu mahnen als zu beten; hätte er aber nicht gewußt, daß seine Debitores zur Kirche kommen müßten, so wäre er fein daheim über seinen Registern sitzen blieben. Ja es geschieht zuzeiten, wann teils Obrigkeiten einer Gemeinde im Dorf etwas anzudeuten hat, so muß es der Bote am Sonntag bei der Kirche tun, daher sich mancher Baur vor der Kirche ärger als ein armer Sünder vor dem Richthaus förchtet. Meinest du nicht, es werden auch von denenjenigen in die Kirche begraben, die Schwert, Galgen, Feur und Rad verdienet hätten? Mancher könnte seine Buhlerei nicht zu Ende bringen, da ihm die Kirche nicht beförderlich wäre. Ist etwas zu verkaufen oder zu verleihen, so wird es an teils Orten an die Kirchtür geschlagen. Wann mancher Wucherer die ganze Woche keine Zeit nimmt, seiner Schinderei nachzusinnen, so sitzt er unter währendem Gottesdienst in der Kirche, spindisieret und dichtet, wie der Judenspieß zu führen sei. Da sitzen sie hier und dorten unter der Messe und Predigt, miteinander zu diskurrieren, gerad als ob die Kirche nur zu dem Ende gebauet wäre: da werden dann oft Sachen beratschlaget und beschlossen, deren man an Privatörtern nicht gedenken dörfte. Teils sitzen dort und schlafen, als ob sie es verdingt hätten. Etliche tun nichts anders als Leut ausrichten und sagen: ›Ach, wie hat der Pfarrer diesen oder jenen so artlich in seiner Predigt getroffen!‹ Andere geben fleißig Achtung auf des Pfarrers Vorbringen, aber nicht zu dem Ende, daß [57] sie sich daraus bessern, sondern damit sie ihren Seelsorger, wann er nur im geringsten anstößt (wie sie es verstehen), durchziehen und tadeln möchten. Ich geschweige hier derjenigen Historien, so ich gelesen, was vor Buhlschaften durch Kupplerei in den Kirchen hin und wieder ihren Anfang und Ende genommen; so fället mir auch, was ich von dieser Materi noch zu reden hätte, jetzt nicht alles ein. Dies mußt du doch noch wissen, daß die Menschen nicht allein in ihrem Leben die Kirchen mit Lastern beschmitzen, sondern auch nach ihrem Tod dieselbe mit Eitelkeit und Torheit erfüllen. Sobald du in die Kirche kommest, so wirst du an den Grabsteinen und Epitaphien sehen, wie diejenige noch prangen, die doch die Würme schon längst gefressen. Siehest du dann in die Höhe, so kommen dir mehr Schilde, Helme, Waffen, Degen, Fahnen, Stiefeln, Sporn und dergleichen Dinge ins Gesicht als in mancher Rüstkammer, daß also kein Wunder, daß sich die Bauren diesen Krieg über an etlichen Orten aus den Kirchen wie aus Festungen um das Ihrige gewehret. Warum sollte mir nicht erlaubt sein, mir, sage ich, als einem Soldaten, daß ich mein Handwerk in der Kirche treibe, da doch hiebevor zween geistliche Vätter in einer Kirche nur des Vorsitzes halber ein solch Blutbad angestellet, daß die Kirche mehr einem Schlachthaus der Metzger als heiligen Ort gleichgesehen? Ich zwar ließe es noch unterwegen, wann man nur den Gottesdienst zu verrichten herkäme, da ich doch ein Weltmensch bin; jene aber als Geistliche respektieren doch die hohe Majestät des römischen Kaisers nicht. Warum sollte mir verbotten sein, meine Nahrung vermittelst der Kirche zu suchen, da sich doch sonst so viel Menschen von derselben ernähren? Ist es billig, daß mancher Reicher um ein Stück Geld in die Kirche begraben wird, seine und seiner Freundschaft Hoffart zu bezeugen, und daß hingegen der Arme, der doch so wohl ein Christ als jener, ja vielleicht ein frömmer Mensch gewesen, so nichts zu geben hat, außerhalb in einem Winkel verscharret werden muß? Es ist ein Ding, wie man es machet. Wann ich hätte gewußt, daß du Bedenken trügest, in der Kirche aufzupassen, so hätte ich mich bedacht, dir anderst zu antworten; indessen nimm eine Weile mit diesem vorlieb, bis ich dich einmal eines andern berede.«

Ich hätte dem Olivier gern geantwortet, daß solches auch liederliche Leute wären, sowohl als er, welche die Kirchen verunehren, und daß dieselbige ihren Lohn schon drum finden würden. Weil ich ihm aber ohnedas nicht trauete und ungern noch einmal mit ihm um mein Leben gefochten und gestritten [58] hätte, ließ ich ihn recht haben. Hernacher begehrte er, ich wollte ihm erzählen, wie mirs ergangen, sint wir vor Wittstock voneinander kommen, und dann warum ich Narrnkleider angehabt, als ich im magdeburgischen Läger angelanget? Weil ich aber wegen Halsschmerzen gar zu unlustig, entschuldigte ich mich mit Bitte, er wollte mir doch zuvor seinen Lebenslauf erzählen, der vielleicht possierliche Schnitzer genug in sich hielte, und solches hieße mich Gott reden, dann er war dessen willig und erzählte mir solche Sachen, daraus ich wohl urteilen konnte, daß, wofern ich ihme gesagt, was ich alles angestellet, seit ich ein Soldat gewesen, daß er mich ohne Zweifel über den Kirchturn herabgeworfen hätte, maßen der Leser aus nachfolgenden Kapiteln vernehmen wird.

Das 18. Kapitel
Das achtzehnte Kapitel.
Simplex hört von dem Olivier an,
Was er als ein Jung in der Schul getan.

»Mein Vatter«, sagte Olivier, »ist unweit der Stadt Aach von geringen Leuten geboren worden, derowegen er dann bei einem reichen Kaufmann, der mit dem Kupfer-Handel schacherte, in seiner Jugend dienen mußte. Bei demselben hielt er sich so fein, daß er ihn schreiben, lesen und rechnen lernen ließ und ihn über seinen ganzen Handel satzte, wie eherzeiten Potiphar den Joseph über alle Hausgeschäfte. Dies schlug auch beiden Teilen wohl zu, dann der Kaufmann ward wegen meines Vatters Fleiß und Vorsichtigkeit je länger je reicher, mein Vatter selbst aber der guten Tage halber je länger je stölzer, so gar, daß er sich auch seiner Eltern schämete und solche verachtete, das sie oft vergeblich beklagten. Wie nun mein Vatter das 25. Jahr seines Alters erreichte, starb der Kaufmann und verließ seine alte Witwe samt deren einzigen Tochter, die kürzlich in eine Pfanne getretten und ihr von einem Gadenhengst ein Junges zweigen lassen; selbiges aber folgte seinem Großvatter am Totenreihen bald nach. Da nun mein Vatter sahe, daß die Tochter vatter- und kinder-, aber nicht geldlos wor den, achtete er nicht, daß sie keinen Kranz mehr tragen dorfte, sondern erwug ihren Reichtum und machte sich bei ihr zutäppisch, so ihre Mutter gern zuließ, nit allein damit ihre Tochter wieder zu Ehren käme, sondern weil mein Vatter um den ganzen Handel alle Wissenschaft hatte, zumalen auch sonst [59] mit dem Judenspieß trefflich fechten konnte. Also ward mein Vatter durch solche Heurat unversehens ein reicher Kaufmann, ich aber sein erster Erbe, den er wegen seines überflusses zärtlich aufziehen ließ. Ich ward in Kleidungen gehalten wie ein Edelmann, in Essen wie ein Freiherr und in der übrigen Wartung wie ein Graf, welches ich alles mehr dem Kupfer und Galmei als dem Silber und Gold zu danken.

Eh ich das siebende Jahr völlig überlebte, erzeigte sich schon, was aus mir werden wollte, dann was zur Nessel werden soll, brennt beizeiten. Kein Schelmstücke und Buberei war mir zuviel, und wo ich einem konnte einen Possen reißen, unterließ ichs nicht, dann mich weder Vatter noch Mutter hierum strafte. Ich terminierte mit ältern als meinesgleichen bösen Buben durch dünn und dick auf der Gasse herum und hatte schon das Herz, mit stärkern, als ich war, herumzuschlagen; kriegte ich dann Stöße, so sagten meine Eltern: ›Was ist das? soll so ein großer Flegel sich mit einem Kind schlagen?‹ überwand dann ich (maßen ich kratzte, biß und warf), so sagten sie: ›Unser Olivierchen wird ein braver Kerl werden!‹ Davon wuchs mir der Mut gewaltig. Zum Beten war ich noch zu klein, wann ich aber fluchte wie ein Fuhrmann, so hieß, ich verstünde es nicht. Also ward ich immer ärger, bis man mich zur Schule schickte. Was dann andere böse Buben aus Bosheit ersannen und aus Furcht der Schläg nicht praktizieren dorften, das satzte ich ins Werk. Wann ich meine Bücher verkletterte oder zerriß, so schaffte mir die Mutter wieder andere, damit mein geiziger Vatter sich nicht erzörnte; stiftete ich aber gröbere Stücklein an, als wann ich etwan den Leuten die Fenster auswarf (dann solches war mir auch nicht zuviel), so wußte ich mich so kläglich zu entschuldigen, daß mir mein Vatter abermal nichts tun könnte. Meinem Schulmeister tät ich großen Dampf an, dann er dorfte mich nicht hart halten, weil er ziemliche Verehrungen von meinen Eltern bekam, als deren unziemliche Affenliebe gegen mir ihm wohl bekannt war. Im Sommer fieng ich Feldgrillen und satzte sie fein heimlich in die Schule, die uns ein lieblich Gesang machten; im Winter aber stahl ich Nieswurz und stäubte sie an den Ort, da man die Knaben zu kastigieren pflegte. Wann sich dann etwan ein Halsstarriger wehrte, wie oft geschahe, so stob mein Pulver herum und machte mir eine angenehme Kurzweile, weil alles nießen mußte. Ich kochte einsmals zwei Muser in einer Pfannen, und solches gieng mir gar glücklich vonstatten; als ich nämlich gern dem Schulmeister einen Possen gerissen und mich auch gern gleich [60] an einem, der mir meine Schlüsselbichsen verraten, gerochen hätte. Er höre nur, wie ichs so schlau angriffe. Ich nahme eine gefrorne Morchel, wie sie die Bauren hinter die Zäune legen; mit derselben machte ich mich zeitlich in die Schul und nähete sie dem Schulmeister in sein Stuhlküssen, welches ich zu solchem Ende aufgetrennet hatte. Die Nadel aber samt einem Stück grünen Zwirn, so sie noch im Ähr hatte, steckte ich meinem Feind unter seinen Mantelkragen, da wir beim Stubenofen stunden und uns wärmeten, also daß man den Faden herunterhängen sahe. Wie nun der Schulmeister mein Rauchwerk besaße, erwärmte und bewegte, fieng es an, so grausam zu stinken, daß kein Mensch schier mehr bei ihm bleiben konnte. Das gab nun einen artlichen Spaß, dann da mußte je einer den andern vorm Hintern schmecken wie bei Zusammenkunft der Hunde; zuletzt fand man den Senf an dem Ort, wohin ich ihn logiert hatte. Der Schulmeister sahe am grünen Faden wohl, daß er erst hinein genähet worden, zumaln auch an der Arbeit, daß es kein Schneider getan. Indem sich nun jeder entschuldiget, daß ers nicht getan hätte, ließe der Schulmeister visitieren, bei welchem man eine Nadel fände. Deren trafe man zwar etliche unter den Knaben an, solche hatten aber alle weißen Zwirn in sich, also daß der Schulmeister keinem von solchen ans Leder kommen konnte. Da nun alle vermeinten, die Gefahr wäre vorüber, sahen die Knaben erst den grünen Faden unter meines Feindes Mantelkragen herfürgucken; das wurde gleich angezeigt und darauf der Unschuldige, als genugsam überzeugt, erbärmlich herumgeschwungen, dessen ich in die Faust hineinlachte. Hernach dünkte ich mich viel zu gut sein, nur so gemeine Schelmstücke anzustellen, sondern all mein Tun gieng auf obigen Schlag. Ich stahl oft dem einen etwas und steckte es einem andern in Sack, dem ich gern Stöße angerichtet; und mit solchen Griffen konnte ich so behutsam umgehen, daß ich fast niemals darüber ertappt ward. Von den Kriegen, die wir damals geführet, bei denen ich gemeiniglich ein Obrister gewesen, item von den Stößen, die ich oft bekommen (dann ich hatte stets ein zerkratzt Gesicht und den Kopf voll Beulen), mag ich jetzt nichts sagen; es weiß ja jedermann ohnedas wohl, was die Buben oft anstellen. So kannst du auch an oberzählten Stücken leicht abnehmen, wie ich mich sonst in meiner Jugend angelassen.«

[61]
Das 19. Kapitel
Das neunzehnte Kapitel.
Simplex hört an des Oliviers Taten,
Was er zu Lüttich gestiftet vor Schaden.

»Weilen sich meines Vatters Reichtum täglich mehrete, als bekam er auch desto mehr Schmarotzer und Fuchsschwänzer, die meinen guten Kopf zum Studieren trefflich lobten, sonsten aber alle meine Untugenden verschwiegen oder aufs wenigste zu entschuldigen wußten, dann sie spürten wohl, daß derjenige, so solches nicht tät, weder bei Vatter noch Mutter wohl dran sein könnte. Derowegen hatten meine Eltern eine größere Freude über ihren Sohn als die Grasmücke, die einen Guguck aufzeucht. Sie dingten mir einen eigenen Präceptorem und schickten mich mit demselben nach Lüttich, mehr daß ich dort Welsch lernen als studieren sollte, weilen sie keinen Theologum, sondern einen Handelsmann aus mir ziehen wollten. Dieser hatte Befelch, mich beileib nicht streng zu halten, daß ich kein forchtsam knechtisch Gemüt überkäme. Er sollte mich fein unter die Bursch lassen, damit ich nicht leutscheu würde, und gedenken, daß sie keinen Mönch, sondern einen Weltmann aus mir machen wollten, der wissen müsse, was schwarz oder weiß sei.

Ermeldter mein Präceptor aber war dieser Instruktion unbedürftig, sondern von sich selbsten auf alle Büberei geneigt; was hätte er mir dann solche verbieten oder mich um meine geringe Fehler hart halten sollen, da er selbst gröbere begieng? Aufs Buhlen und Saufen war er am meisten geneigt, ich aber von Natur aufs Balgen und Schlagen; daher gieng ich schon bei Nacht mit ihm und seinesgleichen gassatim und lernete ihm in Kürze mehr Untugenden ab als Latein. Soviel das Studieren anbelanget, verließ ich mich auf mein gut Gedächtnüs und scharfen Verstand und war deswegen desto fahrlässiger, im übrigen aber in allen Lastern, Bubenstücken und Mutwillen ersoffen; mein Gewissen war bereits so weit, daß ein großer Heuwagen hindurch hätte fahren mögen. Ich fragte nichts darnach, wann ich in der Kirche unter der Predigt den Bernium, Burchiellum oder den Aretinum lase, und hörete nichts Liebers vom ganzen Gottesdienst, als wann man sagete: ›Ite, missa est.‹ Darneben dünkte ich mich keine Sau zu sein, sondern hielt mich recht stutzerisch. Alle Tage war mirs Martinsabend oder Faßnacht; und weil ich mich dergestalt hielte wie ein gemachter Herr und nicht nur das, so mein Vatter zur Notdurft reichlich schickte, sondern auch meiner Mutter fette Milchpfennige tapfer durchgehen ließe, lockte uns auch das Frauenzimmer an sich, [62] sonderlich meinen Präceptorem. Bei diesen Schleppsäcken lernete ich leffeln, buhlen und spielen; hadern, balgen und schlagen konnte ich zuvor, und mein Präceptor wehrte mir das Fressen und Saufen auch nicht, weil er selbsten gern mitmachte und mit mir schmarotzen mußte. In solchem edlen freien Studentenleben behenkten wir uns mit mehr Huren als die Jakobsbrüder mit Muscheln, wiewohl ich noch ziemlich jung war. Es währete dieses herrliche Leben anderthalb Jahr, eh es mein Vatter erfuhr, welches ihn sein Faktor zu Lüttich, bei dem wir auch anfangs zu Kost giengen, berichtet. Der bekam hingegen Befelch, auf uns genauer Achtung zu geben, den Präceptorn abzuschaffen, mir den Zügel fürterhin nicht mehr so lang zu lassen und mich ferner mit Geldgeben genauer zu halten. Solches verdroß uns alle beide, und obschon er, Präceptor, geurlaubt ward, so staken wir jedoch ein als den andern Weg Tag und Nacht beieinander. Demnach wir aber nicht mehr wie hiebevor spendieren konnten, geselleten wir uns zu einer Bursch, die den Leuten des Nachts auf der Gasse die Mäntel abzwacken oder sie gar in der Maas ersäuften. Was wir dann solchergestalt mit höchster Gefahr eroberten, verschlemmeten wir mit unsern Huren und ließen das Studieren beinahe ganz unterwegen.

Als wir nun einsmals unsrer Gewohnheit nach bei der Nacht herumschlingelten, den Studenten ihre Mäntel hinwegzuvulpinieren, wurden wir überwunden, mein Präceptor erstochen und ich neben andern fünfen, die rechte Spitzbuben waren, ertappt und eingezogen. Als wir nun den folgenden Tag examiniert wurden und ich meines Vatters Faktor nannte, der ein ansehnlicher Mann war, ward derselbe beschickt, meinetwegen befragt und [ich] auf seine Verbürgung losgelassen; doch daß ich bis auf weitern Bescheid in seinem Haus im Arrest verbleiben sollte. Indessen ward mein Präceptor begraben, jene fünf als Spitzbuben, Räuber und Mörder gestraft, mein Vatter aber berichtet, wie mein Handel stünde. Der kam eiligst selbst auf Lüttich, richtete meine Sache mit Geld aus, hielt mir eine scharfe Predigt und verwiese mir, was ich ihm vor Kreuz, Herzeleid und Unglück machte, item daß sich meine Mutter stelle, als ob sie wegen meines Übelverhaltens verzweifeln wollte, bedrohete mich auch, dafern ich mich nicht bessere, daß er mich enterben und vorn Teufel hinwegjagen wollte. Ich versprach Besserung und ritte mit ihm nach Haus; und also hat mein Studieren ein Ende genommen.«

[63]
Das 20. Kapitel
Das zwanzigste Kapitel.
Simplex hört, wie der Olivier wird
Im Krieg befördert nach seiner Begierd.

»Da mich mein Vatter heimbrachte, befand er, daß ich in Grund verderbt wäre. Ich war kein ehrbarer Domine worden, als er wohl gehofft hatte, sondern ein Disputierer und Schnarcher, der sich einbildete, er verstehe trefflich viel und sei superklug! Ich war kaum ein wenig daheim erwarmet, als er zu mir sagte: ›Höre, Olivier, ich sehe deine Eselsohren je länger je mehr herfürreichen; du bist eine unnütze Last der Erden, ein Schlingel, der nirgends zu mehr taug! Ein Handwerk zu lernen, bist du zu groß; einem Herrn zu dienen, bist du zu flegelhaftig, und meine Hantierung zu begreifen und zu treiben, bist du nichts nutz. Ach, was habe ich doch mit meinem großen Kosten, den ich an dich gewendet, ausgericht? Ich habe gehofft, Freude an dir zu erleben und dich zum Mann zu wachen; so habe ich dich hingegen jetzt aus des Henkers Händen kaufen müssen, und nun sehe ich mit höchster Betrübnus dich vor meinen Augen herumbgehen, faulenzen, als wann du zu keinem andern End da wärest, als mir mein Kreuz größer zu machen. Pfui der Schande! Das beste wird es sein, daß ich dich in eine Kelmüßmühl tue und Miseriam cum aceto schmelzen lasse, bis dir ohndas ein besser Glück aufstößt, wann du dein übel Verhalten abgebüßt haben würdest.‹

Solche und dergleichen Lectiones mußte ich täglich hören, bis ich zuletzt auch ungedultig ward und zu meinem Vatter sagte, ich wäre an allem nicht schuldig, sondern er und mein Präceptor, der mich verführet hätte; daß er keine Freude an mir erlebe, wäre billig, sintemal seine Eltern sich auch seiner nicht zu erfreuen, als die er gleichsam im Bettel verhungern lasse. Er aber ertappte einen Prügel und wollte mir um meine Wahrsagung lohnen, hoch und teur sich verschwörend, er wollte mich nach Amsterdam ins Zuchthaus tun. Da gieng ich durch und verfügte mich selbige Nacht auf seinen unlängst erkauften Meierhof, sahe meinen Vortel aus und ritte seinem Meier den besten Hengst, den er im Stall hatte, auf Köln zu.

Denselben versilberte ich und kam abermal in eine Gesellschaft der leichtfertigsten Schelmen, Spitzbuben und Diebe, wie ich zu Lüttich eine verlassen hatte. Diese erkannten mich gleich am Spielen und ich sie hinwieder, weil wirs beiderseits so wohl konnten. Ich verfügte mich gleich in ihre Zunft und half bei Nacht einfahren, wo ich zukommen möchte. Demnach aber [64] kurz hernach einer aus uns ertappt ward, als er einer vornehmen Frau auf dem Alten Markt ihren schweren Beutel toll machen wollte, zumal ich ihn einen halben Tag mit einem eisern Halskragen am Pranger stehen, ihm auch ein Ohr abschneiden und mit Ruten aushauen sahe, erleidet mir das Handwerk, ließ mich derowegen vor einen Soldaten unterhalten, weil eben damals unser Obrister, bei dem wir vor Magdeburg gewesen, sein Regiment zu verstärken, Knechte annahm. Indessen hatte mein Vatter erfahren, wo ich hinkommen, schrieb derhalben seinem Faktor zu, daß er mich auf das genaueste auskündigen sollte. Dies geschahe eben, als ich bereits Geld auf die Hand empfangen hatte; der Faktor berichtete solches meinem Vatter wieder, der befahl, er sollte mich wieder ledig kaufen, es koste auch, was es wolle. Da ich solches hörete, förchtete ich das Zuchthaus und wollte einmal nicht ledig sein. Hierdurch vernahm mein Obrister, daß ich eines reichen Kaufherrn Sohn wäre, spannete derhalben den Bogen gar zu hoch, daß mich also mein Vatter ließe, wie ich war, der Meinung, mich im Krieg eine Weile zappeln zu lassen, ob ich mich vielleicht bessern möchte.

Nachgehends stund es nicht lang an, daß meinem Obristen sein Schreiber mit Tod abgieng, an dessen Statt er mich zu sich nahm, maßen du mich in solchem Stand bei ihme angetroffen. Damal fieng ich an, hohe Gedanken zu machen, der Hoffnung, von einer Staffel zur andern höher zu steigen und endlich gar zu einem General zu werden. Ich lernete von unserm Secretario, wie ich mich halten sollte, und mein Vorsatz, groß zu werden, verursachete, daß ich mich ehrbar und reputierlich einstellete und nicht mehr wie hiebevor meiner Art nach mich mit Lumpenpossen, Buben und Bärnhäutern schleppete. Es wollte aber gleichwohl nicht hotten, bis unser Secretarius starb; da gedachte ich: Du mußt sehen, daß du dessen Stelle bekommst. Ich schmierte und spendierte, wo ich konnte; dann als meine Mutter erfuhr, daß ich anfienge, gutzutun, schickte sie mir noch immer Geld. Diese Mutterpfennige wandte ich überall an, wo ich vermeinte, daß es etwas fruchten möchte. Weil aber der junge Herzbruder meinem Obristen gar ins Hemd gebacken war und mir vorgezogen ward, trachtete ich, ihn aus dem Weg zu räumen, vornehmlich da ich inward, daß der Obrister gänzlich gewillet, ihm die Sekretariatstelle zu geben. In Verzögerung solcher meiner Beförderung, die ich so heftig suchte, ward ich so ungedultig, daß ich mich von unserm Profos so fest als Stahl machen ließ des Willens, mit dem Herzbruder[65] zu duellisieren und ihn durch die Klinge hinzurichten. Aber ich konnte niemals mit Manier an ihn kommen. So wehrete mir auch unser Profos mein Vorhaben und sagte: ›Wanngleich du ihn aufopferst, so wird es dir doch mehr schäd- als nützlich sein, weil du des Obristen liebsten Diener würdest ermordet haben‹; gab mir aber den Rat, daß ich etwas in Gegenwart des Herzbruders stehlen und ihm solches zustellen sollte, so wollte er schon zuwege bringen, daß er des Obristen Gnade verliere. Ich folgte, nahm bei des Obristen Kindtauf seinen übergöldten Becher und gab ihn dem Profos, mit welchem er dann den jungen Herzbruder abgeschafft hat, als du dich dessen noch wohl wirst zu erinnern wissen, als er dir in des Obristen großen Zelt die Kleider auch voll junger Hündlein gaukelte.«

Das 21. Kapitel
Das einundzwanzigste Kapitel.
Simplex hört aus des Oliviers Mund,
Was ihm Herzbruder zuvor gemacht kund.

Es ward mir grün und gelb vor den Augen, als ich aus Olivier eigenem Maul hören mußte, wie er mit meinem allerwertesten Freund umgangen, und gleichwohl keine Rache vornehmen dorfte. Ich mußte noch darzu mein Anliegen verbeißen, damit ers nicht merkte, sagte derowegen, er sollte mir auch erzählen, wie es ihm nach der Schlacht vor Wittstock, sintemal mir sein Lebenslauf bis dahin wohlbekannt, ferner ergangen wäre.

»In demselben Treffen,« sagte Olivier, »hielt ich mich nicht wie ein Federspitzer, der nur auf das Tintenfaß bestellt ist, sondern wie ein rechtschaffener Soldat, dann ich war wohlberitten und so fest als Eisen, zumal in keine Squadron eingeschlossen, ließ derhalben meinen Valor sehen als einer, der durch den Degen hochzukommen oder zu sterben gedenket. Ich vagierte um unsere Brigade herum wie ein Windsbraut, mich zu exerzieren und den Unsern zu weisen, daß ich besser zu den Waffen als zu der Feder tauge. Aber es half nichts: das Glück der Schweden überwand, und ich mußte der Unsern Unglückseligkeit teilhaftig werden, allermaßen ich Quartier nehmen mußte, wiewohl ich es kurz zuvor keinem geben wollte.

Also ward ich nun wie andere Gefangene unter ein Regiment zu Fuß gestoßen, welches, sich wieder zu erholen, in Pommern gelegt ward; und demnach es viel neugeworbene Bursche gab, [66] ich aber eine treffliche Courage verspüren ließ, ward ich gleich befördert und zum Korporal gemacht. Aber ich gedachte, da nicht lang Mist zu machen, sondern bald wieder unter die Kaiserlichen zu kommen, als deren Partei ich besser affektionieret war, da ich doch ohn Zweifel bei den Schweden bessere Beförderung gefunden hätte. Mein Ausreißen satzte ich folgendergestalt ins Werk. Ich ward mit sieben Musketierern ausgeschickt, in unsern abgelegenen Quartieren die ausständige Kontribution durch militarische Exekution zu erpressen. Als ich nun über 800 Gülden zuwegen gebracht, zeigte ich meinen Burschen das Geld und machte ihre Augen nach demselben lüsterend, also daß wir des Handels miteinander einig wurden, solches unter uns zu teilen und damit durchzugehen. Als solches geschehen, persuadierte ich ihrer drei, daß sie mir halfen, die andere vier totschießen, und nach solcher Verrichtung teilten wir das Geld, nämlich jedem 200 Gülden. Damit marschierten wir gegen Westfalen. Unterwegs überredete ich noch einen aus denselben dreien, daß er auch die zween übrige niederschießen half, und als wir das Geld abermal miteinander teilen sollten, erwürgte ich den letzten auch und kam mit dem Geld glücklich nach Werle, allwo ich mich unterhalten ließ und mit diesem Geld ziemlich lustig machte.

Als solches auf die Neige gieng und ich ein als den andern Weg gern Tag und Nacht bankettiert hätte, zumaln viel von einem jungen Soldaten in Soest hört rühmen, was treffliche Beuten und großen Namen er ihm mit Parteigehen machte, ward ich angefrischt, ihm nachzufolgen. Man nannte ihn wegen seiner grünen Kleidung den Jäger, derhalben ich auch eins machen ließ und stahl auf ihn in seinen und unsern eignen Quartieren mit Verübung sonst allerhand Exorbitantien dermaßen, daß uns beiden das Parteigehen niedergelegt werden wollte. Jener zwar blieb daheim, ich aber mausete noch immerfort in seinem Namen, soviel ich konnte, also daß besagter Jäger um solcher Ursache willen mich auch herausfodern ließ; aber der Teufel hätte mit ihm fechten mögen, den er auch, wie mir gesagt ward, in Haaren sitzen hatte; er würde mir meine Festigkeit schön aufgetan haben.

Doch konnte ich seiner List nicht entgehen; dann er praktizierte mich mit Hülfe und Beistand seines Knechts in eine Schäferei samt meinem Kameraden, und wollte mich zwingen, ich sollte daselbst beim Mondenschein in Gegenwart zweier leibhafter Teufel, die er als Sekundanten bei sich hatte, mit ihm raufen. Weil ichs aber nicht tun wollte, zwangen sie [67] mich zu der spöttlichsten Sache von der Welt, so mein Kamerad unter die Leute brachte, davon ich mich dergestalt schämte, daß ich von dort hinweg auf Lippstadt lief und bei den Hessen Dienst annahm; verblieb aber auch daselbst nicht lang, weil man mir nicht trauete, sondern trabete fürters in holländische Dienste, allwo ich zwar richtigere Bezahlung, aber einen langweiligen Krieg vor meinen Humor fand; dann da wurden wir eingehalten wie die Mönche und sollten züchtiger leben als die Nonnen.

Weil ich mich dann nun weder unter Kaiserlich-, Schwedisch- noch Hessischen nicht mehr dorfte sehen lassen, ich hätte mich dann mutwillig in Gefahr geben wollen, in der freien Luft arrestiert zu werden, indem ich bei allen dreien ausgerissen, zumal unter den Holländern nicht länger zu bleiben hatte, weil ich ein Mägdlein mit Gewalt entunehrt hatte, welches allem Ansehen nach in Bälde seinen Ausbruch nehmen würde, gedachte ich, meine Zuflucht bei den Spanischen zu haben, der Hoffnung, von denselben heimzugehen und zu sehen, was meine Eltern machten. Aber als ich solches ins Werk zu setzen ausgieng, ward mir der Kompaß so verruckt, daß ich unversehens unter die Bayrische geriet. Mit denselben marschierte ich unter den Merodebrüdern aus Westfalen bis ins Brißgäu und ernährte mich mit Spielen und Stehlen. Hatte ich etwas, so lag ich bei Tags damit auf dem Spielplatz und bei Nacht bei den Marketentern; hatte ich aber nichts, so stahl ich hinweg, was ich kriegen konnte. Ich stahl oft auf einen Tag zwei oder drei Pferde, beides, von der Waid und aus den Quartieren, verkaufte und verspielte hinwieder, was ich löste, und minierte alsdann bei Nacht den Leuten in die Zelten und zwackte ihnen ihr Bestes unter den Köpfen herfür. War es aber auf dem Marsch, so hatte ich an den engen Pässen ein wachtsames Auge auf die Felleisen, so die Weiber hinter sich führeten; die schnitte ich ab und brachte mich also durch, bis das Treffen vor Wittenweier vorübergieng, in welchem ich gefangen, abermal unter ein Regiment zu Fuß gestoßen und also zu einem weimarischen Soldaten gemacht ward. Es wollte mir aber im Läger vor Breisach nicht gefallen; darum quittierte ichs auch beizeiten und gieng davon, vor mich selbst zu kriegen, wie du dann siehest, daß ich tue. Und sei versichert, Bruder, daß ich seithero manchen stolzen Kerl niedergelegt und ein herrlich Stück Geld prosperieret habe, gedenke auch nicht aufzuhören, bis daß ich sehe, daß ich nichts mehr bekommen kann. Jetzund nun wird es an dir sein, daß du mir auch deinen Lebenslauf erzählest.«

[68]
Das 22. Kapitel
Das zweiundzwanzigste Kapitel.
Simplex hört, was es sei, und klar versteht,
Wanns einem katzen- und hundsübel geht.

Als Olivier seinen Diskurs dergestalt vollführete, konnte ich mich nicht gnugsam über die göttliche Vorsehung verwundern. Ich konnte greifen, wie mich der liebe Gott hiebevor in Westfalen vor diesem Unmenschen nicht allein vätterlich bewahret, sondern noch darzu versehen hatte, daß er sich vor mir entsetzt. Damals sahe ich erst, was ich dem Olivier vor einen Possen erwiesen, davon ihm der alte Herzbruder prophezeiet, welches er, Olivier, aber selbst, wie hiervon im 16. Kapitel zu sehen, zu meinem großen Vortel anders ausgeleget. Dann sollte diese Bestia gewußt haben, daß ich der Jäger von Soest gewesen wäre, so hätte er mir gewißlich wieder eingetränkt, was ich ihm hiebevor auf der Schäferei getan. Ich betrachtete auch, wie weislich und obskur Herzbruder seine Weissagungen geben, und gedachte bei mir selber, obzwar seine Wahrsagungen gemeinlich unfehlbar einzutreffen pflegten, daß es dannoch schwer fallen würde und seltsam hergehen müßte, da ich eines solchen Tod, der Galgen und Rad verdient hätte und seines leichtfertigen Sinnes halber nicht wert sei, daß er den Erdboden betrette, rächen sollte. Ich befand auch, daß mirs trefflich gesund gewesen, daß ich ihm meinen. Lebenslauf nicht zuerst erzählt; dann mit der Weise hätte ich ihm ja selber gesagt, womit ich ihn hiebevor beleidiget; schlosse auch hieraus, daß mir der liebe Gott noch wohlwollte und fieng an zu hoffen, daß er mich wieder mit Glück und guten Ehren von ihme bringen werde. Indem ich nun solche Gedanken machte, ward ich in Oliviers Angesicht etlicher Ritze gewahr, die er vor Magdeburg noch nicht gehabt, bildete mir derhalben ein, dieselbe Narben sein noch die Wahrzeichen des Springinsfeld, als er ihm hiebevor in Gestalt eines Teufels das Angesicht so zerkratzte; fragte ihn derhalben, woher ihm solche Zeichen kämen, mit dem Anhang, ob er mir gleichwohl seinen ganzen Lebenslauf erzähle, baß ich jedoch unschwer abnehmen müsse, er verschweige mir das beste Teil, weil er mir noch nicht gesagt, wer ihn so gezeichnet hätte. »Ach Bruder,« antwortete er, »wann ich dir alle meine Bubenstücke und Schelmerei erzählen sollte, so würde beides, mir und dir, die Zeit zu lang werden. Damit du aber gleichwohl sehest, daß ich dir von meinen Begegnussen nichts verhehle, so will ich dir hievon auch die Wahrheit sagen, obschon es scheinet, als gereiche es mir zum Spott.

[69] Ich glaube gänzlich, daß ich von Mutterleib an zu einem gezeichneten Angesicht prädestinieret gewesen sei: dann gleich in meiner Jugend ward ich von meinesgleichen Schülerjungen so zerkratzt, wann ich mit ihnen ropfte. So hielt mich auch einer von denen Teufeln, die dem Jäger von Soest aufwarteten, überaus hart, maßen man seine Klauen wohl sechs Wochen in meinem Gesicht spürete; aber solches heilete ich wieder alles sauber hinweg. Die Striemen aber, die du jetzt noch in meinem Angesicht siehest, haben einen andern und zwar diesen Ursprung: Als ich noch unter den Schweden in Pommern in dem Quartier lag und eine schöne Matresse hatte, mußte mein Wirt aus seinem Bette weichen und uns hineinliegen lassen. Seine Katze, die auch alle Abend in demselbigen Bette zu schlafen gewohnt war, kam alle Nacht und machte uns große Ungelegenheit, indem sie ihre ordentliche Liegerstatt nit so schlechtlich entbehren wollte, wie ihr Herr und Frau getan. Solches verdroß meine Matresse (die ohndas keine Katze leiden konnte) so sehr, daß sie sich hoch verschwur, sie wollte mir in keinem Fall mehr Liebes erweisen, bis ich ihr zuvor die Katze hätte abgeschafft. Wollte ich nun ihrer Freundlichkeit länger genießen, so gedachte ich, ihr nicht allein zu willfahren, sondern mich auch dergestalt an der Katze zu rächen, daß ich auch eine Lust daran haben möchte, steckte sie derhalben nicht ohne große Mühe in einen Sack, nahm meines Wirts beide starke Baurenhunde (die den Katzen ohndas ziemlich grämisch, bei mir aber wohlgewohnt waren) mit mir und die Katze im Sack auf eine breite lustige Wiese und gedachte, da meinen Spaß und lustige Kurzweil zu haben; dann ich vermeinte, weil kein Baum in der Nähe war, auf den sich die Katze retirieren konnte, würden sie die Hunde eine Weile auf der Ebne hin und wieder jagen, wie einen Hasen raumen und mir eine treffliche Kurzweile anrichten. Aber potz Stern! es gieng mir nit allein hundsübel, wie man zu sagen pfleget, sondern auch katzenübel (welches Übel wenig erfahren haben werden, dann man hätte sonst ohn Zweifel vorlängsten auch ein Sprüchwort daraus gemacht), maßen die Katze, sobald ich den Sack auftäte, nur ein weites Feld und auf demselbigen ihre zwei starke Feinde und nichts Hohes vor ihr sahe, dahin sie ihre Zuflucht hätte nehmen können. Derowegen wollte sie sich nicht so schlechtlich in die Niedere begeben und ihr das Fell zerreißen lassen, sondern sie begab sich auf meinen eigenen Kopf, weil sie keinen höhern Ort wußte; und als ich ihr wehrte, fiel mir der Hut herunter. Je mehr ich sie nun herunterzuzerren trachtete, je fester schlug sie ihre Nägel [70] ein, sich zu halten. Solch unserm Gefecht konnten beide gierige und ohnedas zum Katzenkrieg abgerichtete Hunde nicht lang zusehen, sondern mengten sich mit ins Spiel; sie sprangen mit offenem Rachen hinden, vorne und zur Seite nach der Katze, die sich aber gleichwohl von meinem Kopf nicht hinwegbegeben wollte, sondern sich beides, sowohl in meinem Angesicht als sonsten auf dem Kopf, mit Einschlagung ihrer Klauen hielt, so gut sie konnte. Tät sie aber mit ihrem Dornhandschuh ein Fehlstreich nach den Hunden, so traf mich derselbe gewiß. Weil sie aber auch bisweilen die Hunde auf die Nase schlug, beflissen sich dieselbige, sie mit ihren Talpen herunterzubringen, und gaben mir damit manchen unfreundlichen Griff ins Gesicht. Wann ich aber selbst mit beiden Händen nach der Katze tastete, sie herabzureißen, biß und kratzte sie nach ihrem besten Vermügen. Also ward ich beides, von den Hunden und von der Katze, zugleich bekriegt, zerkratzt und dergestalt schröcklich zugerichtet, daß ich schwerlich einem Menschen mehr gleichsahe; und was das allerschlimmste war, mußte ich noch darzu in der Gefahr stehen, wann sie so nach der Katze schnappten, es möchte mir etwan einer ungefähr die Nase oder ein Ohr erwischen und ganz hinwegbeißen. Mein Kragen und Koller sahe so blutig aus als wie vor eines Schmieds Notstall an St. Stefanstag, wann man den Pferden zur Ader läßt; und wußte ich ganz kein Mittel zu ersinnen, mich aus diesen Ängsten zu erretten. Zuletzt so mußte ich von freien Stücken auf die Erde niederfallen, damit beide Hunde die Katze erwischen könnten, wollte ich anderst nicht, daß mein Capitolium noch länger ihr Fechtplatz sein sollte. Die Hunde erwürgten zwar die Katze, ich hatte aber bei weitem keinen so herrlichen Spaß davon, als ich gehofft, sondern nur Spott und ein solch Angesicht, wie du noch vor Augen siehest. Dessentwegen ward ich so ergrimmt, daß ich nachgehends beide Hunde totschoß und mein Matreß, die mir zu dieser Torheit Anlaß geben, dergestalt abprügelte, daß sie hätte Öl geben mögen und darüber von mir hinweglief, weil sie ohn Zweifel keine so abscheuliche Larve länger lieben konnte.«

Das 23. Kapitel
Das dreiundzwanzigste Kapitel.
Simplex Oliviers Grausamkeit siehet,
Von ihm zu kommen sich ernstlich bemühet.

Ich hätte über dieser des Oliviers Erzählung gern gelacht und mußte mich doch mitleidentlich erzeigen. Und als ich eben [71] auch anfieng, meines Lebens Lauf zu erzählen, sahen wir eine Kutsche samt zweien Reutern das Land heraufkommen; derohalben stiegen wir vom Kirchturn und satzten uns in ein Haus, das an der Straße lag und sehr bequem war, die Vorüberreisende anzugreifen. Mein Rohr mußte ich zum Vorrat geladen behalten; Olivier aber legte mit seinem Schuß gleich den einen Reuter und das Pferd, eh sie unsrer inwurden, weswegen dann der ander gleich durchgieng; und indem ich mit überzognem Hahn den Kutscher halten und absteigen gemachet, sprang Olivier auf ihn dar und spaltete ihm mit seinem breiten Schwert den Kopf voneinander bis auf die Zähne hinunter, wollte auch gleich darauf das Frauenzimmer und die Kinder metzgen, die in der Kutschen saßen und bereits mehr den toten Leichen als den Lebenden gleichsahen. Ich aber wollte es rund nicht gestatten, sondern sagte, wofern er solches ja ins Werk setzen wollte, müßte er mich zuvor erwürgen. »Ach!« sagte er, »du närrischer Simplici, ich hätte mein Tage nicht gemeint, daß du so ein heilloser Kerl wärest, wie du dich anläßt.« Ich antwortete: »Bruder, was willst du die unschuldige Kinder zeihen? Wann es Kerl wären, die sich wehren könnten, so wäre es ein anders.« – »Was?« antwortete er, »Eier in die Pfannen, so werden keine Junge draus. Ich kenne diese junge Blutsauger wohl; ihr Vatter, der Major, ist ein rechter Schindhund und der ärgste Wamsklopfer von der Welt.« Und mit solchen Worten wollte er immer fortwürgen und die armen Kinder abschlachten; doch enthielt ich ihn so lang, bis er sich endlich erweichen ließe. Es waren aber eines Majors Weib, ihre Mägde und drei schöne Kinder, die mich von Herzen daureten; diese sperreten wir in einen Keller, auf daß sie uns so bald nicht verraten sollten, in welchem sie sonst nichts als Obs und weiße Rüben zu beißen hatten, bis sie gleichwohl wiederum von jemanden erlöst würden. Demnach plünderten wir die Kutschen und ritten mit sieben schönen Pferden in Wald, wo er zum dicksten war.

Als wir solche angebunden hatten und ich mich ein wenig umschauete, sahe ich unweit von uns einen Kerl stockstill an einem Baum stehen; solchen wiese ich dem Olivier und vermeinte, es wäre sich vorzusehen, »Ha, Narr!« antwortet er, »es ist ein Jud, den hab ich hingebunden; der Schelm ist aber vorlängsten erfroren und verreckt.« Und indem gieng er zu ihm, klopfte ihm mit der Hand unten aus Kinn und sagte: »Ha! du Hund, hast mir auch viel schöne Dukaten gebracht.« Und als er ihm dergestalt das Kinn bewegte, rolleten ihm noch etliche Duplonen zum Maul heraus, welche der arme Schelm [72] noch bis in seinen Tod davonbracht hatte. Olivier griff ihm darauf in das Maul und brachte zwölf Duplonen und einen köstlichen Rubin zusammen. »Diese Beute,« sagte er, »habe ich dir, Simplici, zu danken!« schenkte mir darauf den Rubin, stieß das Geld zu sich, und gieng hin, seinen Bauern zu holen, mit Befelch, ich sollte indessen bei den Pferden verbleiben, sollte aber wohl zusehen, daß mich der tote Jud nicht beiße, womit er mir meine Weichherzigkeit einriebe, daß ich keine solche Courage hätte wie er.

Als er nun nach dem Bauer aus war, machte ich indessen sorgsame Gedanken und betrachtete, in was vor einem gefährlichen Stand ich lebe. Ich nahm mir vor, auf ein Pferd zu sitzen und durchzugehen, besorgte aber, Olivier möchte mich über der Arbeit ertappen und erst niederschießen; dann ich argwöhnte, daß er meine Beständigkeit vor diesmal nur probiere und irgends stehe, mir aufzupassen. Bald gedachte ich, zu Fuß davonzulaufen, mußte aber doch sorgen, wann ich dem Olivier gleich entkäme, daß ich nichtsdestoweniger den Bauren auf dem Schwarzwald, die damals im Ruf waren, daß sie den Soldaten auf die Hauben klopften, nicht würde entrinnen können. Nimmst du aber, gedachte ich, alle Pferde mit dir, auf daß Olivier kein Mittel hat, dir nachzujagen, und würdest von den Weimarischen erwischt, so wirst du als ein überzeugter Mörder aufs Rad gelegt. Kurzab, ich konnte kein sicher Mittel zu meiner Flucht ersinnen, vornehmlich da ich mich in einem wilden Wald befand und weder Weg noch Steg wußte; überdas wachte mir mein Gewissen auch auf und quälete mich, weil ich die Kutsche aufgehalten und ein Ursacher gewesen, daß der Kutscher so erbärmlich ums Leben kommen und beide Weibsbilder und unschuldige Kinder in Keller versperret worden, worin sie vielleicht wie dieser Jude auch sterben und verderben müßten. Bald wollte ich armer Mensch mich meiner Unschuld getrösten, weil ich wider Willen und gleichsam gezwungen angehalten würde; aber mein Gewissen hielt mir vor, ich hätte vorlängsten mit meinen andern begangenen bösen Stücken verdienet, daß ich in Gesellschaft dieses Erzmörders in die Händ der Justiz gerate und meinen billigen Lohn empfange, und vielleicht hätte der gerechte Gott versehen, daß ich solchergestalt gestraft werden sollte. Zuletzt fieng ich an, ein Bessers zu hoffen, und bat die Güte Gottes, daß sie mich aus diesem Stand erretten wollte; und als mich so eine Andacht ankam, sagte ich zu mir selber: »Du Narr, du bist ja nicht eingesperrt oder angebunden; die ganze weite Welt stehet dir ja offen. Hast du jetzt nicht Pferde [73] genug, zu deiner Flucht zu greifen? oder da du nicht reuten willt, so sein deine Füße ja schnell genug, dich davonzutragen.« Indem ich mich nun selbst so marterte und quälete und doch nichts entschließen konnte, kam Olivier mit unserm Bauer daher. Der führte uns mit den Pferden auf einen Hof, da wir fütterten und einer um den andern ein paar Stunden schliefen. Nach Mitternacht ritten wir weiters und kamen gegen Mittag an die äußerste Grenzen der Schweizer, allwo Olivier wohl bekannt war und uns stattlich auftragen ließ. Und dieweil wir uns lustig machten, schickte der Wirt nach zweien Juden, die uns die Pferde gleichsam nur um halb Geld abhandelten. Es war alles so nett und just bestellet, daß es wenig Wortwechselns brauchte. Der Juden größte Frage war, ob die Pferde kaiserisch oder schwedisch gewesen. Und als sie vernahmen, daß sie von den Weimarischen herkämen, sagten sie: »So müssen wir solche nicht nach Basel, sondern in das Schwabenland zu den Bayrischen reuten!«, über welche große Kundschaft und Verträulichkeit ich mich nicht wenig verwundern mußte.

Wir bankettierten edelmännisch, und ich ließ mir die gute Waldforellen und köstliche Krebs daselbst wohlschmecken. Wie es nun Abend war, so machten wir uns wieder auf den Weg, hatten unsern Bauer mit Gebratens und andern Viktualien wie einen Esel beladen; damit kamen wir den andern Tag auf einen einzeln Baurnhof, allwo wir freundlich bewillkommt und aufgenommen wurden und uns wegen ungestümmen Wetters ein paar Tage aufhielten, weil es mit Wind, Regen und Schnee ein widerwärtiges Wetter gab. Folgends kamen wir durch lauter Wald und Abwege wieder in ebendasjenige Häuslein, dahin mich Olivier anfänglich führte, als er mich zu sich bekam.

Das 24. Kapitel
Das vierundzwanzigste Kapitel.
Simplex ist bei des Oliviers Tod,
Rächet denselben mit äußerster Not.

Wie wir nun so dasaßen, unserer Leiber zu pflegen und auszuruhen, schickte Olivier den Bauer aus, Essenspeise samt etwas von Kraut und Lot einzukaufen. Als selbiger hinweg, zog er seinen Rock aus und sagte zu mir: »Bruder, ich mag das Teufelsgeld nicht mehr allein so herumschleppen«; band demnach ein paar Würste oder Wülste, die er auf bloßem Leib trug, herunter, warf sie auf den Tisch und sagte ferner: »Du [74] wirst dich hiemit bemühen müssen, bis ich einmal Feierabend mache und wir beide gnug haben; das Donnergeld hat mir Beulen gedruckt, so daß ichs nicht mehr tragen kann.« Ich antwortete: »Bruder, hättest du so wenig als ich, so würde es dich nicht drücken.« – »Was?« fiel er mir in die Rede, »was mein ist, das ist auch dein, und was wir ferner miteinander erobern, soll gleiche Part gelten.« Ich ergriff beide Wülste und befand sie trefflich gewichtig, weil es lauter Goldsorten waren. Ich sagte, es sei alles gar unbequem gepackt: da es ihm gefiele, wollte ichs also einnähen, daß einen das Tragen nicht halb so saur ankäme. Als er mirs heimstellete, gieng ich mit ihm in einen hohlen Eichbaum, allda er Schere, Nadeln und Faden brachte; da machte ich mir und ihm ein Skapulier oder Schulterkleid aus einem Paar Hosen und versteppte manchen schönen roten Batzen darein. Demnach wir nun solche unter die Hemden anzogen, war es nicht anders, als ob wir vorn und hinten mit Gold bewaffnet gewesen wären, wie wir dann dessentwegen gar wohl, wo nicht schuß-, doch wenigst stichfrei gewesen. Und demnach mich wundernahm und fragte, warum er kein Silbergeld hätte, bekam ich zur Antwort, daß er mehr als 1000 Taler in einem Baum liegen hätte, aus welchem er den Bauer hausen ließe, und um solches nie keine Rechnung begehret, weil er solchen Schafmist nicht hochachte.

Als dies geschehen und das Geld eingepackt war, giengen wir nach unserm Logiment, darin wir dieselbe Nacht über kochten und uns beim Ofen ausbäheten. Und demnach es eine Stund Tag war, kamen, als wir uns dessen am wenigsten versahen, sechs Musketierer samt einem Korporal mit fertigem Gewehr und aufgepaßten Lunden ins Häuslein, stießen die Stubentür auf und schrieen, wir sollten uns gefangen geben! Aber Olivier (der sowohl als ich jederzeit seine gespannte Musket neben sich liegen und sein scharf Schwert allzeit an der Seite hatte und damals eben hinterm Tisch saß, gleichwie ich hinter der Tür beim Ofen stund) antwortete ihnen mit einem paar Kuglen, durch welche er gleich zween zu Boden fällete; ich aber erlegte den dritten und beschädigte den vierten durch einen gleichmähigen Schuß. Darauf wischte Olivier mit seinem notfesten Schwert, welches Haar schure (und wohl des Königs Arturi in England Caliburn verglichen werden möchte) von Leder und hieb den fünften von der Achsel an bis auf den Bauch hinunter, daß ihme das Eingeweid heraus- und er neben demselben abscheulicherweis darniederfiel. Indessen schlug ich den sechsten mit meinem umgekehrten Feurrohr auf den Kopf, daß er alle [75] vier von sich streckte. Einen solchen Streich kriegte Olivier von dem siebenden, und zwar mit solcher Gewalt, daß ihm das Hirn herausspritzte; ich aber traf denselben, ders ihm getan, wiederum dermaßen, daß er gleich seinen Kameraden am Totenreihen Gesellschaft leisten mußte. Als der Beschädigte, den ich anfänglich durch meinen Schuß getroffen, dieser Püffe gewahr ward und sahe, daß ich ihm mit umgekehrten Rohr auch ans Leder wollte, warf er sein Gewehr hinweg und fieng an zu laufen, als ob ihn der Teufel selbst gejaget hätte. Und dieses Gefecht währte nicht länger als eines Vatterunsers Länge, in welcher kurzen Zeit diese sieben tapfere Soldaten ins Gras bissen.

Da ich nun solchergestalt allein Meister auf dem Platz blieb, beschauete ich den Olivier, ob er vielleicht noch einen lebendigen Atem in sich hätte; da ich ihn aber ganz entseelet befand, dünkte mich ungereimt zu sein, einem toten Körper so viel Gelds zu lassen, dessen er nicht vonnöten, zog ihm derowegen das gölden Fell ab, so ich erst gestern gemacht hatte, und hieng es auch an Hals zu dem andern. Und demnach ich mein Rohr zerschlagen hatte, nahm ich Oliviers Muskete und scharfes Schlachtschwerd zu mir; mit demselben versahe ich mich auf allen Notfall und machte mich aus dem Staub, und zwar auf den Weg, da ich wußte, daß unser Bauer darauf herkommen müßte. Ich satzte mich beiseit an ein Ort, seiner zu erwarten und mich zugleich zu bedenken, was ich ferner anfangen wollte.

Das 25. Kapitel
Das fünfundzwanzigste Kapitel.
Simplex bereichert sich, trifft an drauf bald
Seinen Herzbruder in armer Gestalt.

Ich saß kaum eine halbe Stunde in meinen Gedanken, so kam unser Bauer daher und schnaubte wie ein Bär; er lief von allen Kräften und ward meiner nicht gewahr, bis ich ihm auf den Leib kam. »Warum so schnell?« sagte ich; »was Neues?« Er antwortete: »Geschwind machet Euch abwegs! es kommt ein Korporal mit sechs Musketierern, die sollen Euch und den Olivier aufheben und entweder tot oder lebendig nach Liechteneck liefern. Sie haben mich gefangen gehabt, daß ich sir zu Euch führen sollte, bin ihnen aber glücklich entronnen und hieherkommen, Euch zu warnen.« Ich gedachte: O Schelm! du hast uns verraten, damit dir Oliviers Geld, so im Baum [76] liegt, zuteil werden möge; ließe mich aber doch nichts merken, weil ich mich seiner als eines Wegweisers gebrauchen wollte, sondern sagte ihm, daß beides, Olivier und diejenige, so ihn hätten fangen sollen, tot wären. Da es aber der Bauer nicht glauben wollte, war ich noch so gut und gieng mit ihm hin, daß er das Elend an den sieben Körpern sehen konnte. »Den siebenden, die uns fangen sollen,« sagte ich, »habe ich laufen lassen, und wollte Gott, ich könnte auch diese wieder lebendig machen, so wollte ichs nicht unterlassen!« Der Bauer erstaunte vor Schröcken und Entsetzen und sagte: »Was Rats?« Ich antwortete: »Der Rat ist schon beschlossen. Unter dreien Dingen geb ich dir die Wahl: entweder führe mich alsbald durch sichere Abwege über den Wald hinaus nach Villingen, oder zeige mir Oliviers Geld, das in Baum liegt, oder stirb hier und leiste gegenwärtigen Toten Gesellschaft! Führest du mich nach Villingen, so bleibt dir Oliviers Geld allein; wirst du mirs aber weisen, so will ichs mit dir teilen; tust du aber deren keines, so schieß ich dich tot und gehe gleichwohl meines Wegs.« Der Bauer wäre gern entloffen, aber er forchte die Muskete, fiele derhalben auf die Kniee nieder und erbot sich, mich über Wald zu führen. Also wanderten wir eilend fort, giengen denselben Tag und folgende ganze Nacht, weil es zu allem Glück trefflich hell war, ohn Essen, Trinken und einzige Ruhe immer hin, bis wir gegen Tag die Stadt Villingen vor uns liegen sahen, allwo ich meinen Bauer wieder von mir ließ. Auf diesem Weg trieb den Bauer die Todesforcht, mich aber die Begierde, mich selbst und mein Geld davonzubringen, und muß fast glauben, daß einem Menschen das Gold große Kräften mitteilet; dann obzwar ich schwer genug daran trug, so empfand ich jedoch keine sonderbare Müdigkeit.

Ich hielt es vor ein glücklich Omen, daß man die Pforte eben öffnete, als ich vor Villingen kam. Der Offizier von der Wacht examinierte mich, und als er vernahm, daß ich mich vor einen Freireuter ausgab von demjenigen Regiment, wobei mich Herzbruder getan, als er mich zu Philippsburg von der Muskete erlöste, wie auch, daß ich aus dem Läger vor Breisach von den Weimarischen herkäme, unter welche ich vor Wittenweir gefangen und untergestoßen worden, und nunmehr wieder zu meinem Regiment unter die Bayrische begehrte, gab er mir einen Musketierer zu, der mich zum Kommandanten führte. Derselbe lag noch in seiner Ruhe, weil er wegen seiner Geschäften mehr als die halbe Nacht wachend zugebracht hatte, also daß ich wohl anderthalbe Stunde vor seinem Quartier[77] aufwarten mußte und, well eben die Leute aus der Frühmeß giengen, einen großen Umstand von Bürgern und Soldaten bekam, die alle wissen wollten, wie es vor Breisach stünde, von welchem Geschrei der Kommandant erwachte und mich ohn länger Verweilen vor ihn kommen ließ.

Er fieng an, mich zu examinieren, und meine Aussage war wie unterm Tor. Hernach fragte er mich sonderliche Partikularitäten von der Belagerung und sonsten, und damit bekannte ich alles, wie daß ich nämlich ein Tag oder vierzehen mich bei einem Kerl aufgehalten, der auch durchgangen, und mit demselben eine Kutsche angegriffen und geplündert hätte der Meinung, von den Weimarischen so viel Beuten zu holen, daß wir uns daraus beritten machen und rechtschaffen mondiert wieder zu unsern Regimentern kommen möchten; wir sein aber erst gestern von einem Korporal mit noch sechs andern Kerlen, die uns aufheben sollen, ohnversehens überfallen worden, dadurch mein Kamerad mit noch sechsen vom Gegenteil auf dem Platz geblieben: der siebende aber sowohl als ich, und zwar jeder zu seiner Partei, entloffen sei. Von dem aber, daß ich nacher L. in Westfalen zu meinem Weib gewollt, und daß ich zwei so wohlgefütterte Hinder- und Vorderstücke anhatte, schwieg ich stockstill, und zwar so machte ich mir auch kein Gewissen darum, daß ichs verhehlete, dann was gieng es ihn an? Er fragte mich auch nicht einmal darum, sondern verwunderte sich vielmehr und wollte es fast nicht glauben, daß ich und Olivier sollten sechs Mann niedergemachet und den siebenden verjagt haben, obzwar mein Kamerad mit eingebüßt. Mit solchem Gespräch gab es Gelegenheit, von Oliviers vortrefflichen Schwerd zu reden, so ich lobte und an der Seite hatte. Das gefiel ihm so wohl, daß ichs ihm, wollte ich anders mit guter Manier von ihm kommen und Paß erlangen, gegen einem andern Degen, den er mir gab, überlassen mußte. In Wahrheit aber so war dasselbe trefflich schön und gut, es war ein ganzer ewigwährender Kalender daraufgeätzet, und laß ich mir nicht ausreden, daß es nicht in hora Martis von Vulcano selbst geschmiedet und allerdings zugerichtet worden sei, wie im Heldenschatz eines beschrieben wird, wovon alle andere Klingen entzweispringen und die beherzteste Feinde und Löwengemüter wie forchtsame Hasen entlaufen müssen. Nachdem er mich nun entließ und befohlen, einen Paß vor mich zu schreiben, gieng ich den nächsten Weg ins Wirtshaus und wußte nicht, ob ich am ersten schlafen oder essen sollte, dann es war mir beides nötig. Doch wollte ich zuvor meinen Magen stillen, ließ mir [78] derhalben etwas zu essen und einen Trunk langen und machte Gedanken, wie ich meine Sachen anstellen, daß ich mit meinem Geld sicher nach L. zu meinem Weib kommen möchte, dann ich hatte so wenig im Sinn, zu meinem Regiment zu gehen, als den Hals abzufallen.

Indem ich nun so spekulierte und ein und andern listigen Anschlag bei mir aussanne, hinkte ein Kerl an einem Stecken in der Hand in die Stube; der hatte einen verbundenen Kopf, einen Arm in der Schlinge und so elende Kleider an, daß ich ihm keinen Heller darum geben hätte. Sobald ihn der Hausknecht sahe, wollte er ihn austreiben, weil er übel stank und so voll Läuse war, daß man die ganze Schwabenheide damit besetzen könnte. Er aber bat, man wollte ihm doch um Gottes willen zulassen, sich nur ein wenig zu wärmen, so aber nichts half. Demnach ich mich aber seiner erbarmete und vor ihn bat, ward er kümmerlich zum Ofen gelassen. Er sahe mir, wie mich dünkte, mit begierigem Appetit und großer Andacht zu, wie ich draufhieb, und ließ etliche Seufzer laufen; und als der Hausknecht gieng, mir ein Stück Gebratenes zu holen, gieng er gegen mir zum Tisch zu und reichte ein irden Pfennighäfelein in der Hand dar. Als ich mir wohl einbilden konnte, warum er käme, nahm derhalben die Kanne und goß ihm seinen Hafen voll, eh er hiesch. »Ach Freund,« sagte, er, »um Herzbruders willen, gebet mir auch zu essen!« Da er solches sagte, gieng mirs durchs Herz, und befand, daß es Herzbruder selbsten war. Ich wäre beinahe in Ohnmacht gesunken, da ich ihn in einem so elenden Stand sahe; doch erhielt ich mich, fiel ihm um den Hals und satzte ihn zu mir, da uns dann beiden, mir aus Mitleiden und ihm aus Freude, die Augen übergiengen.

Das 26. Kapitel
Das sechsundzwanzigste Kapitel.
Simplex hört von dem Herzbruder mit Schmerzen,
Seinen Zustand, der ihm gehet zu Herzen.

Unsre unversehene Zusammenkunft machte, daß wir fast weder essen noch trinken konnten; nur fragte einer den andern, wie es ihm ergangen, sint wir das letztemal beisammen gewesen. Dieweil aber der Wirt und Hausknecht stets ab- und zugiengen, konnten wir einander nichts Verträuliches erzählen. Der Wirt wunderte, daß ich einen so lausigen Kerl bei mir litte, ich aber sagte, solches sei im Krieg unter rechtschaffenen Soldaten, die Kameraden wären, der Brauch. Da ich auch [79] verstund, daß sich Herzbruder bisher im Spital aufgehalten, vom Almosen sich ernähret und seine Wunden liederlich verbunden worden, dingte ich dem Wirt ein sonderlich Stüblein ab, legte Herzbrudern in ein Bette und ließ ihm den besten Wundarzt kommen, den ich haben konnte, wie auch einen Schneider und eine Näherin, ihn zu kleiden und den Läufen aus den Zähnen zu ziehen. Ich hatte eben diejenige Duplonen, so Olivier einem toten Juden aus dem Maul bekommen, bei mir in einem Säckel; dieselbe schlug ich auf den Tisch und sagte dem Wirt zu Gehör zu Herzbrudern: »Schau, Bruder, das ist mein Geld; das will ich an dich wenden und mit dir verzehren!«, davon der Wirt uns wohl aufwartete. Dem Barbier aber wies ich den Rubin, der auch des bedeuten Juden gewesen und ungefähr 20 Taler wert war, und sagte, weil ich mein wenig Geld, so ich hätte, vor uns zur Zehrung und meinem Kamerad zur Kleidung aufwenden müßte, so wollte ich ihm denselben Ring geben, wann er besagten meinen Kamerad in Bälde von Grund aus darvor kurieren wollte; dessen er dann wohl zufrieden und seinen besten Fleiß zur Kur anwandte.

Also pflegte ich Herzbrudern wie meinem andern Ich und ließ ihm ein schlecht Kleidlein von grauem Tuch machen; zuvor aber gieng ich zum Kommandanten wegen des Passes und zeigte ihm an, daß ich einen übelbeschädigten Kameraden angetroffen hätte, auf den wollte ich warten, bis er vollend heilete; dann ihn hinter mir zu lassen, getraue ich bei meinem Regiment nicht zu verantworten. Der Kommandant lobte meinen Fürsatz und gönnete mir zu bleiben, solang ich wollte, mit fernerm Anerbieten, wann mir mein Kamerad würde folgen können, daß er uns beide alsdann mit gnugsamem Paß versehen wollte.

Demnach ich nun wieder zu Herzbrudern kam und allein neben seinem Bette bei ihm saß, bat ich ihn, er wollte mir unbeschwert erzählen, wie er in einen so armseligen Stand geraten wäre; dann ich bildete mir ein, er möchte vielleicht wichtiger Ursachen oder sonst eines Übersehens halber von seiner vorigen Dignität verstoßen, unredlich gemachet und in gegenwärtig Elend gesetzt worden sein. Er aber sagte: »Bruder, du weißt, daß ich des Grafen von Götz Faktotum und allerliebster geheimster Freund gewesen; hingegen ist dir auch gnugsam bekannt, was die verwichene Kampagne unter seinem Generalat und Kommando vor eine unglückliche Endschaft erreichet, indem wir nicht allein die Schlacht bei Wittenweier verloren, sondern noch darzu das belagerte Breisach zu entsetzen nicht [80] vermöcht haben. Weil dann nun deswegen hin und wieder vor aller Welt sehr ungleich geredet wird, zumalen wohlermeldter Graf, sich zu verantworten, nach Wien zitiert worden, so lebe ich beides, vor Scham und Forcht, freiwillig in dieser Niedere und wünsche mir oft, entweder in diesem Elend zu sterben oder doch wenigst mich so lang verborgen zu halten, bis mehr wohlbesagter Graf seine Unschuld an Tag gebracht; dann soviel ich weiß, ist er dem Römischen Kaiser allezeit getreu gewesen. Daß er aber diesen verwichenen Sommer so gar kein Glück gehabt, ist meines Erachtens mehr der göttlichen Vorsehung (als welcher die Siege gibet, wem er will) als des Grafen Übersehen beizumessen.«

Da wir Breisach zu entsetzen im Werk waren und ich sahe, daß es unserseits so schläferig hergieng, armierte ich mich selbst und gieng dergestalt auf die Schiffbrücke mit an, als ob ichs allein hätte vollenden wollen, da es doch damals weder meine Profession noch Schuldigkeit war; ich täts aber den andern zum Exempel, und weil wir den vergangenen Sommer so gar nichts ausgerichtet hatten, wollte mir das Glück oder vielmehr das Unglück, daß ich unter den ersten Angängern dem Feind auch am ersten auf der Brücke das Weiße in Augen sahe, da es dann scharf hergieng. Und gleichwie ich im Angriff der erste gewesen, also ward ich, da wir der Franzosen ungestümmen Ansetzen nicht mehr widerstunden, der allerletzte und kam dem Feind am ersten in die Hände. Ich empfieng zugleich einen Schuß in meinen rechten Arm und den andern in Schenkel, also daß ich weder ausreißen noch meinen Degen mehr gebrauchen konnte; und als die Enge des Orts und der große Ernst nicht zuließ, viel vom Quartiergeben und -nehmen zu parlementieren, kriegte ich einen hieb in Kopf, davon ich zu Boden fiel, und weil ich sein gekleidet war, von etlichen in der Furie ausgezogen und vor tot in Rhein geworfen ward. In solchen Nöten schriee ich zu Gott und stellete alles seinem heiligen Willen heim, und indem ich unterschiedliche Gelübde tät, spürete ich auch seine Hülfe: Der Rhein warf mich an Land, allwo ich meine Wunden mit Moos verstopfte; und obzwar ich beinahe erfror, so verspürte ich jedoch eine absonderliche Kraft, davonzukriechen, maßen mir Gott half, daß ich, zwar jämmerlich verwundet, zu etlichen Merodebrüdern und Soldatenweibern kam, die sämtlich ein Mitleiden mit mir hatten, obzwar sie mich nicht kannten. Diese verzweifelten bereits an einem glücklichen Entsatz der Festung, das mir weher tät als meine Wunden. Sie erquickten und bekleideten mich bei ihrem Feur, und eh [81] ich ein wenig meine Wunden verband, mußte ich sehen, daß sich die Unserige zu einem spöttlichen Abzug rüsteten und die Sache vor verloren gaben, so mich trefflich schmerzte; resolvierte derhalben bei mir selbsten, mich niemand zu offenbaren, damit ich mich keinen Spotts teilhaftig machte, maßen ich mich zu etlichen Beschädigten von unsrer Armee gesellet, welche einen eigenen Feldscherer bei sich hatten; denen gab ich ein gülten Kreuzlein, das ich noch am Hals davongebracht, vor welches er mir bis hieher meine Wunden verbunden. In solchem Elend nun, werter Simplici, hab ich mich bisher beholfen, gedenke, mich auch keinem Menschen zu offenbaren, bis ich zuvor sehe, wie des Grafen von Götz seine Sache einen Ausgang gewinnet. Und demnach ich deine Gutherzigkeit und Treue sehe, gibt mir solches einen großen Trost, daß der liebe Gott mich noch nicht verlassen, maßen ich heut morgen, als ich aus der Frühmesse kam und dich vor des Kommandanten Quartier stehen sahe, mir eingebildet, Gott hätte dich anstatt eines Engels zu mir geschickt, der mir in meiner Armseligkeit zu Hülf kommen sollte.«

Ich tröstete Herzbrudern, so gut ich konnte, und vertraute ihm, daß ich noch mehr Geld hätte als diejenige Duplonen, die er gesehen, welches alles zu seinen Diensten stünde; und indem erzählete ich ihm auch Oliviers Untergang, und wasgestalt ich seinen Tod rächen müssen, welches sein Gemüt dermaßen erquickte, also daß es ihm auch an seinem Leib wohl zustatten kam, gestalt es sich an allen Wunden täglich mit ihm besserte.

[82][85]
Fünftes Buch
Das 1. Kapitel
Das erste Kapitel.
Simplex ein Pilger wirb, läßt ihm gefallen,
Mit dem Herzbruder herumberzuwallen.

Nachdem Herzbruder wieder allerdings erstärkt und an seinen Wunden geheilet war, vertrauere er mir, daß er in den höchsten Nöten eine Wallfahrt nach Einsiedlen zu tun gelobt. Weil er dann jetzt ohndas so nahe am Schweizerland wäre, so wollte er solche verrichten, und sollte er auch dahin bettlen! Das war mir sehr angenehm zu hören; derhalben bot ich ihm Geld und meine Gesellschaft an, ja ich wollte gleich zween Klepper kaufen, auf selbigen die Reise zu verrichten, nicht zwar der Ursache, daß mich die Andacht darzu getrieben und angehalten, sondern die Eidgnoßschaft als das einzige Land, darin der liebe Friede noch grünete, zu besehen. So freuete mich auch nicht wenig, daß ich die Gelegenheit hatte, Herzbrudern auf solcher Reise zu dienen, maßen ich ihn fast höher als mich selbst liebte; er aber schlug beides, meine Hülfe und meine Gesellschaft, ab, mit Vorwand, seine Wallfahrt müßte zu Fuß und darzu auf Erbsen geschehen. Sollte ich nun in seiner Gesellschaft sein, so würde ich ihn nicht allein an seiner Andacht verhindern, sondern auch mir selbst wegen seines langsamen mühseligen Gangs große Ungelegenheit aufladen. Das redete er aber, mich von ihm zu schieben, weil er sich ein Gewissen machte, auf einer so heiligen Reise von demjenigen Geld zu zehren, das mit Morden und Rauben erobert worden; überdas wollte er mich auch nicht in allzu große Unkosten bringen und sagte unverhohlen, daß ich bereits mehr bei ihm getan, als weder ich schuldig gewesen und er zu erwidern getraue. Hierüber gerieten wir in ein freundlich Gezänke; das war so lieblich, daß ich dergleichen noch niemals habe hören hadern; dann wir brachten nichts anders vor, als daß jeder sagte, er hätte gegen dem andern noch nicht getan, was ein Freund dem andern tun sollte, ja bei weitem die Guttaten, so er vom andern empfangen, noch nicht wettgemachet. Herzbruders größte Klage über mich war diese, daß er saget, ich überhäufe [85] ihn dergestalt mit Wohltaten, Dienstbezeugungen und Erweisung wahrer Freundschaft, daß er solches nimmermehr verdienen könnte; hingegen warf ich ihm vor, jetzt da ich Gelegenheit hätte, ihme zu dienen und die empfangene Guttaten dankbarlich zu erkennen, ihm auch im Werk zu erweisen, daß ich sein wahrer Freund und Diener wäre, so verwerfe er mich als einen, der zu seinen Diensten unwürdig seie, erinnerte ihn damit seines Vattern sel. letzten Willens, und wasgestalten wir uns vor Magdeburg eidlich zusamm verbunden, von welcher Freundschaft er mich ausschließen und dardurch uns beide gleichsam meineidig machen wollte. Solches alles aber wollte ihn noch nicht bewegen, mich vor einen Reisgefährten zu gedulten, bis ich endlich merkte, daß er beides, an Oliviers Geld und meinem gottlosen Leben, ein Ekel hatte. Derhalben behalf ich mich mit Lügen und überredete ihn, daß mich mein Bekehrungsvorsatz nach Einsiedlen triebe; sollte er mich nun von einem so guten Werk abhalten und ich darüber sterben, so würde ers schwerlich verantworten können. Hierdurch persuadierte ich ihn, daß er zuließ, den heiligen Ort mit ihm zu besuchen, sonderlich weil ich (wiewohl alles erlogen war) eine große Reue über mein böses Leben von mir scheinen ließ, als ich ihn dann auch überredete, daß ich mir selbst zur Buße aufgelegt hätte, sowohl als er auf Erbsen nach Einsiedlen zu gehen.

Dieser Zank war kaum vorbei, da gerieten wir schon in einen andern; dann Herzbruder war gar zu gewissenhaft. Er wollte kaum zugeben, daß ich einen Paß vom Kommandanten nahm, der nach meinem Regiment lautete. »Was?« sagte er, »haben wir nit im Sinn, unser Leben zu bessern und nach Einsiedlen zu gehen? Und nun siehe um Gottes willen, du willst den Anfang mit Betrug machen und den Leuten mit Falschheit die Augen verkleiden! Wer mich vor der Welt verleugnet, den will ich auch vor meinem himmlischen Vatter verleugnen, saget Christus! Was seind wir vor verzagte Maulaffen? Wann alle Martyrer und Bekenner Christi so getan hätten, so wären wenig Heilige im Himmel! Laß uns in Gottes Namen und Schutzempfehlung gehen, wohin uns unser heiliger Vorsatz und Begierden hintreiben, und im übrigen Gott walten, so wirb uns Gott schon hinführen, wo unsere Seelen Ruhe finden.« Als ich ihm aber vorhielt, man müßte Gott nicht versuchen, sondern sich in die Zeit schicken und die Mittel gebrauchen, deren wir nicht entbehren könnten, vornehmlich weil das Wallfahrtengehen bei der Soldateska ein ungewöhnlich Ding sei, und wann wir unser Vorhaben entdeckten, eher vor Ausreißer als Pilger gehalten [86] würden, das uns dann große Ungelegenheit und Unglück bringen könnte, und wir darüber in Leibs- und Lebensgefahr geraten möchten, zumalen auch der heilige Apostel Paulus, dem wir noch bei weitem nicht zu vergleichen, sich wunderlich in die Zeit und Gebräuche dieser Welt geschicket, ließ er endlich zu, daß ich einen Paß bekam, nach meinem Regiment zu gehen. Mit demselben giengen wir bei Beschließung des Tors samt einem getreuen Wegweiser aus der Stadt, als wollten wir nach Rottweil, wandten uns aber kurz durch Nebenwege und kamen noch dieselbige Nacht über die schweizerische Grenze und den folgenden Morgen in ein Dorf, allda wir uns mit schwarzen langen Röcken, Pilgerstäben und Rosenkränzen mondierten und den Boten mit guter Bezahlung wieder zurückschickten.

Das Land kam mir so fremd vor gegen andern teutschen Ländern, als wann ich in Brasilia oder in China gewesen wäre. Da sahe ich die Leut in dem Frieden handeln und wandeln; die Ställe stunden voll Viehe, die Bauernhöfe liefen voll Hühner, Gäns und Enten; die Straßen wurden sicher von den Reisenden gebrauchet, die Wirtshäuser saßen voll Leute, die sich lustig machten. Da war ganz keine Forcht vor dem Feind, keine. Sorge vor der Plünderung und keine Angst, sein Gut, Leib noch Leben zu verlieren: ein jeder lebte sicher unter seinem Weinstock und Feigenbaum, und zwar, gegen andern teutschen Ländern zu rechnen, in lauter Wollust und Freude, also daß ich dieses Land vor ein irdisch Paradies hielt, wiewohln es von Art rauh genug zu sein schiene. Das machte, daß ich auf dem ganzen Weg nur hin und her gaffte, wann hingegen Herzbruder an seinem Rosenkranz betete; deswegen ich dann auch manchen Filz bekam, dann er wollte haben, ich sollte wie er an einem Stück beten, welches ich aber nicht gewohnen konnte.

Zu Zürch kam er mir recht hinter die Briefe, und dahero sagte er mir die Wahrheit auch am tröcknesten heraus, dann als wir zu Schaffhausen (allwo mir die Füße von den Erbsen sehr weh täten) die vorige Nacht geherberget und ich mich den künftigen Tag wieder auf den Erbsen zu gehen förchtete, ließ ich sie kochen und tät sie wieder in die Schuhe, deswegen ich dann Wohl zu Fuß nach Zürch gelangte; er aber gehub sich gar übel und sagte zu mir: »Bruder, du hast große Gnade von Gott, daß du unangesehen der Erbsen in den Schuhen dannoch so wohl fortkommen kannst.« – »Ja,« sagte ich, »hochgeehrter und liebster Herzbruder, ich habe sie gekocht, sonst hätte ich so weit nicht drauf gehen können.« – »Ach daß Gott erbarme!« antwortet er, »was hast du getan? du hättest sie lieber gar [87] aus den Schuhen gelassen, wann du nur dein Gespötte damit treiben willt. Ich muß sorgen, daß Gott dich und mich zugleich strafe. Halt mirs nicht vor ungut, Bruder, wann ich dir aus brüderlicher Liebe teutsch heraussage, wie mirs ums Herz ist, nämlich dies, daß ich besorge, wofern du dich nicht anderst gegen Gott schickest, es stehe deine Seligkeit in höchster Gefahr. Ich bekenne gerne und versichere dich in der Wahrheit, daß ich keinen Menschen in der Welt mehr liebe als eben dich, leugne aber auch nit, daß, wofern du dich nicht bessern würdest, ich mir ein Gewissen machen muß, solche Liebe zu kontinuieren.« Ich verstummte vor Schrecken, daß ich mich schier nit wieder erholen konnte; zuletzt bekannte ich ihm frei, daß ich die Erbsen nit aus Andacht, sondern allein ihm zu Gefallen in die Schuhe getan, damit er mich mit ihm auf die Reise genommen hätte. »Ach Bruder!« antwortet er, »ich sehe, daß du weit vom Weg der Seligkeit bist, wann gleich die Erbsen nit wären. Gott verleihe dir Besserung, dann ohne dieselbe kann unsre Freundschaft nit bestehen.«

Von dieser Zeit an folgte ich ihm traurig nach, gleichsam als einer, den man zum Galgen führet; mein Gewissen fiengt an, mich zu drücken, und indem ich allerlei Gedanken machte, stelleten sich alle meine Bubenstücke vor meine Augen, die ich mein Lebtag je begangen. Da beklagte ich erst die verlorne Unschuld, die ich aus dem Wald gebracht und in der Welt so vielfältig verscherzt hatte; und was meinen Jammer vermehrete, war dieses, daß Herzbruder nicht viel mehr mit mir redete und mich nur mit Seufzen anschauete, welches mir nicht anders vorkam, als hätte er meine Verdammnus gewußt und an mir bejammert.

Das 2. Kapitel
Das zweite Kapitel.
Simplex tut Buß, klagt und will frömmer werden,
Als ihm der Satan antät viel Beschwerden.

Solchergestalt langten wir zu Einsiedlen an und kamen eben in die Kirche, als ein Priester einen Besessenen exorzisieret; das war mir nun auch etwas Neues und Seltsams, derowegen ließ ich Herzbrudern knieen und beten, solang er mochte, und gieng hin, diesem Spektakul aus Fürwitz zuzusehen. Aber ich hatte mich kaum ein wenig genähert, da schriee der böse Geist aus dem armen Menschen: »Oho, du Kerl, schlägt dich der Hagel auch her? Ich habe vermeint, dich zu meiner Heimkunft bei dem [88] Olivier in unsrer höllischen Wohnung anzutreffen; so sehe ich wohl, du läßt dich hier finden, du ehebrecherischer, mörderischer Hurenjäger. Darfst du dir wohl einbilden, uns zu entrinnen? O ihr Pfaffen! nehmet ihn nur nicht an, er ist ein Gleisner und ärgerer Lügner als ich, er foppt sich nur und spottet beides, Gott und der Religion.« Der Exorzist befahl dem Geist zu schweigen, weil man ihm als einen Erzlügner ohndas nicht glaube. »Ja ja!« antwortete er, »fraget dieses ausgesprungenen Mönchs Reisgesellen, der wird euch wohl erzählen können, daß dieser Atheist sich nit gescheuet, die Erbsen zu kochen, auf welchen er hieher zu gehen versprochen.« Ich wußte nit, ob ich auf dem Kopf oder Füßen stund, da ich dieses alles hörete und mich jedermann ansahe; aber der Priester strafte den Geist und machte ihn stillschweigen, konnte ihn aber denselben Tag nicht austreiben. Indessen kam Herzbruder auch herzu, als ich eben vor Angst mehr einem Toten als Lebendigen gleichsahe und zwischen Hoffnung und Verzweiflung vor Furcht nicht wußte, was ich tun sollte. Dieser tröstete mich, so gut als er konnte, versicherte darneben die Umstehende und sonderlich die Patres, daß ich mein Tage nie kein Mönch gewesen, aber wohl ein Soldat, der vielleicht mehr Böses als Gutes getan haben möchte, sagte darneben, der Teufel wäre ein Lügner, wie er dann auch das von den Erbsen viel ärger gemachet hätte, als es an sich selbst wäre. Ich aber war in meinem Gemüt dermaßen verwirret, daß mir nicht anders war, als ob ich allbereit die höllische Pein selbst empfände, also daß die Geistlichen genug an mir zu trösten hatten. Sie vermahnten mich zur Beichte und Kommunion, aber der Geist schrie abermal aus dem Besessenen: »Ja ja, er wird fein beichten! er weiß nicht einmal, was beichten ist! Und zwar, was wollet ihr aus ihm machen? Er ist einer ketzerischen Art und uns zuständig, seine Eltern sein mehr wiedertäuferisch als kalvinisch gewesen etc.« Der Exorzist befahl dem Geist abermal stillzuschweigen und sagte zu ihm: »So wird dichs nur desto mehr verdrießen, wann dir das arme verlorne Schäflein wieder aus dem Rachen gezogen und der Herde Christi einverleibet wird.« Darauf fieng der Geist so grausam an zu brüllen, daß es schröcklich zu hören war; aus welchem greulichen Gesang ich meinen größten Trost schöpfte, dann ich gedachte, wann ich keine Gnade von Gott mehr erlangen könnte, so würde sich der Teufel nicht so übel gehaben.

Wiewohl ich mich damals auf die Beichte nicht gefaßt gemachet, auch mein Lebtag nie in Sinn genommen zu beichten, sondern mich jederzeit aus Scham davor gefürchtet, wie der [89] Teufel vorm hl. Kreuz, so empfand ich jedoch in selbigem Augenblick in mir eine solche Reue über meine Sünden und eine solche Begierde zur Buße und mein ärgerliches und recht gottloses Leben zu bessern, daß ich alsobald einen Beichtvatter begehrte, über welcher gählingen Bekehrung und Besserung sich Herzbruder höchlich erfreuete, weil er wahrgenommen und wohl gewußt, daß ich bisher noch keiner Religion beigetan gewesen. Demnach bekannte ich mich öffentlich zu der katholischen Kirche, gieng zur Beichte und kommunizierte nach empfangener Absolution, worauf mir dann so leicht und wohl ums Herz ward, daß ichs nicht aussprechen kann. Und was das verwunderlichste war, ist dieses, daß mich der Geist in dem Besessenen fürterhin zu frieden ließ, da er mir doch vor der Beicht und Absolution unterschiedliche Bubenstücke, die ich begangen gehabt, so eigentlich vorgeworfen, als wann er auf sonst nichts als meine Sünden anzumerken bestellet gewesen wäre: doch glaubten ihm als einem Lügner die Zuhörer nichts, sonderlich weil mein ehrbarer Pilgerhabit ein anders vor die Augen stellete.

Wir verblieben vierzehen ganzer Tage an diesem gnadenreichen Ort, allwo ich Gott um meine Bekehrung dankte und die Wunder, so allda geschehen, betrachtete, welches alles mich zu ziemlicher Andacht und Gottseligkeit reizete. Doch währete solches auch solang, als es mochte, dann gleichwie meine Bekehrung ihren Ursprung nicht aus Liebe zu Gott genommen, sondern aus Angst und Furcht verdammt zu werden, also ward ich auch nach und nach wieder ganz lau und träg, weil ich allmählich des Schreckens vergaß, den mir der böse Feind eingejaget hatte; und nachdem wir die Reliquien der Heiligen, die Ornat und andere sehenswürdige Sachen des Gotteshauses gnungsamen beschauet, begaben wir uns nach Baden, alldorten vollends auszuwintern.

Das 3. Kapitel
Das dritte Kapitel.
Simplex erzählet und zeigt deutlich an,
Was er im Winter mit seim Freund getan.

Ich dingete daselbst eine lustige Stube und Kammer vor uns, deren sich sonsten, sonderlich Sommerszeit, die Badgäste zu gebrauchen pflegen, welches gemeiniglich reiche Schweizer sein, die mehr hinziehen, sich zu erlustieren und zu prangen als einiger Gebrechen halber zu baden. So verdingte ich uns auch zugleich in die Kost, und als Herzbruder sahe, daß ichs so herrlich [90] angriff, vermahnete er mich zur Gesparsamkeit und erinnerte mich des langen rauhen Winters, den wir noch zu überstehen hätten, maßen er nicht getraue, daß mein Geld so weit hinauslangen würde. Ich würde meinen Vorrat, sagte er, auf den Frühling wohl brauchen, wann wir wieder von hinnen wollen; viel Geld sei bald vertan, wann man nur davon und nichts darzu tue; es stäube hinaus wie der Rauch und verspreche nimmermehr wiederzukommen etc. Auf solche treuherzige Erinnerung konnte ich Herzbrudern nicht länger verbergen, wie reich mein Säckel wäre, und daß ich bedacht, uns beiden Gutes davon zu tun, sintemal dessen Ankunft und Erwerbung ohndas alles Segens so unwürdig wäre, daß ich keinen Meierhof daraus zu erkaufen gedächte: und wannschon ichs nicht anlegen wollte, meinen liebsten Freund auf Erden damit zu unterhalten, so wäre doch billig, daß er, Herzbruder, aus Oliviers Geld vergnüget würde um diejenige Schmach, die er hiebevor von ihm vor Magdeburg empfangen. Und demnach ich mich in aller Sicherheit zu sein wußte, zog ich meine beide Skapulier ab, trennete die Dukaten und Pistoleten heraus und sagte zu Herzbrudern, er möge nun mit diesem Geld nach seinem Belieben disponieren und solches anlegen und austeilen, wie er vermeine, daß es uns beiden am nützlichsten wäre.

Da er neben meinem Vertrauen, das ich zu ihm trug, so viel Geld sahe, mit welchem ich auch ohn ihn Wohl ein ziemlicher Herr hätte sein können, sagte er: »Bruder, du tust nichts, solang ich dich kenne, als deine gegen mir habende Liebe und Treue zu bezeugen! Aber sage mir, womit vermeinst du wohl, daß ichs wieder um dich werde beschulden können? Es ist nicht nur um das Geld zu tun, damit du mich dir obligierest, dann solches ist vielleicht mit der Zeit wieder zu bezahlen, sondern umb deine Liebe und Treue, vornehmlich aber um dein zu mir habendes hohes Vertrauen, so nicht zu schätzen ist. Dasselbe machet mich schamrot, wann ich bekennen muß, daß ich nimmermehr so viel einem einzigen Menschen in der Welt vertrauet hätte, als du mir vertrauet hast. Bruder, mit einem Wort, dein tugendhaft Gemüt machet mich zu deinem Sklaven, und was du gegen mir tust, ist mehr zu verwundern, als zu widergelten müglich. O ehrlicher Simplici, dem bei diesen gottlosen Zeiten, in welchen die Welt voll Untreue stecket, nicht in Sinn kommt, der arme und hochbedörftige Herzbruder möchte mit einem so ansehnlichen Stück, Geld fortgehen und ihn anstatt seiner in Mangel setzen! Versichert, Bruder, dieser Beweistum deiner wahren Freundschaft verbindet mich mehr gegen dir als [91] ein reicher Herr, der mir viel tausend verehrete. Allein bitte ich, mein Bruder, bleib selber Herr, Verwahrer und Austeiler über dein Geld; mir ist gnug, daß du mein Freund bist!« Ich antwortete: »Was wunderliche Reden sein das, hochgeehrter Herzbruder! Er gibt mündlich zu vernehmen, daß er mir verbunden sei, und will doch nicht davor sein, daß ich unser Geld, beides ihm und mir zu Schaden, nicht unnütz verschwende.« Also redeten wir beiderseits gegeneinander läppisch genug, weil je einer in des andern Liebe trunken war, welches mich schier glauben machte, daß eine schlechte Liebe und Vertraulichkeit zwischen denenjenigen Menschen seie, zwischen denen die Reden zuzeiten nicht auch fein närrischen fallen. Also ward Herzbruder zugleich mein Hofmeister, mein Säckelmeister, mein Diener und mein Herr, und in solcher müßigen Zeit erzählete er mir seinen Lebenslauf, und durch was Mittel er bei dem Grafen von Götz bekannt und befördert worden, worauf ich ihm auch erzählete, wie mirs ergangen, sint sein Vatter sel. gestorben, dann wir uns bisher noch niemal so viel Zeit genommen; und da er hörete, daß ich ein junges Weib zu L. hatte, verwiese er mir, daß ich mich nicht ehender zu derselbigen als mit ihm in das Schweizerland begeben; dann solches wäre mir anständiger und auch meine Schuldigkeit gewesen. Demnach ich mich aber entschuldiget, daß ich ihn als meinen allerliebsten Freund in seinem Elend zu verlassen nicht übers Herz bringen können, beredete er mich, daß ich meinem Weib schrieb und ihr meine Gelegenheit zu wissen machte, mit Versprechen, mich mit ehistem wieder zu ihr zu begeben; tät auch meines langen Ausbleibens halber meine Entschuldigungen, daß ich nämlich allerhand widriger Begegnüssen halber, wie gern ich auch gewollt, mich nicht ehender bei ihr hätte einfinden können.

Dieweil dann Herzbruder aus den gemeinen Zeitungen erfuhr, daß es um den Grafen von Götz wohl stünde, sonderlich daß er mit seiner Verantwortung bei der Kaiserl. Majestät hinauslangen, wieder auf freien Fuß kommen und gar wiederum das Kommando über eine Armee kriegen würde, berichtete er demselben seinen Zustand nach Wien, schrieb auch nach der kurbayrischen Armee wegen seiner Bagage, die er noch dort hatte, und fieng an zu hoffen, sein Glück und Aufkommen würde wieder grünen; derhalben machten wir den Schluß, künftigen Frühling voneinander zu scheiden, indem er sich zu bemeldtem Grafen, ich aber mich nach L. zu meinem Weib begeben wollte. Damit wir aber denselben Winter nicht müßig zubrächten, lerneten wir von einem Ingenieur auf dem Papier mehr fortifizieren, [92] als die Könige in Hispanien und Frankreich ins Werk setzen können. Darneben kam ich mit etlichen Alchimisten in Kundschaft. Die wollten mich, weil sie Geld hinter mir merkten, Gold machen lernen, da ich nur den Verlag darzu hergeben wollte, und ich glaube, sie hätten mich überredet, wann ihnen Herzbruder nicht abgedankt hätte, dann er sagte, wer solche Kunst könnte, würde nicht so bettelhaftig dahergehen, noch andere um Geld ansprechen.

Gleichwie nun Herzbruder von hochermeldtem Grafen eine angenehme Wiederantwort und treffliche Promessen von Wien aus erhielt, also bekam ich von L. keinen einzigen Buchstaben, unangesehen ich unterschiedliche Posttäge in duplo hinschriebe. Das machte mich unwillig und verursachete, daß ich denselben Frühling meinen Weg nicht nach Westfalen antrat, sondern von Herzbrudern erhielt, daß er mich mit ihm nach Wien nahm, mich seines verhoffenden Glücks genießen zu lassen. Also mondierten wir uns aus meinem Geld wie zwei Kavaliers, beides mit Kleidungen, Pferden, Dienern und Gewehr, giengen durch Konstanz auf Ulm, allda wir uns auf die Donau satzten und von dort aus in acht Tagen zu Wien glücklich anlangeten. Auf demselben Weg observierte ich, weil wir eilten, sonst nichts, als daß die Weibsbilder, so an dem Strand wohnen, den Vorüberfahrenden, so ihnen zuschrieen, nicht mündlich, sondern schlechthin mit dem Beweistum selbst antworten, davon ein Kerl manch seines Einsehen haben kann.

Das 4. Kapitel
Das vierte Kapitel.
Simplex und Herzbruder in den Krieg kommen,
Kommen bald los, wie wird deutlich vernommen.

Es gehet wohl seltsam in der veränderlichen Welt her! Man pfleget zu sagen: Wer alles wüßte, der würde bald reich; ich aber sage: Wer sich allweg in die Zeit schicken könnte, der würde bald groß und mächtig. Mancher Schindhund oder Schabhals (dann diese beide Ehrentitul werden den Geizigen gegeben) wird wohl bald reich, weil er einen und andern Vorteil weiß und gebrauchet, er ist aber darum nicht groß, sondern ist und verbleibet vielmals von geringrer Ästimation, als er zuvor in seiner Armut war. Wer sich aber weiß groß und mächtig zu machen, dem folget der Reichtum auf dem Fuß nach. Das Glück, so Macht und Reichtum zu geben pfleget, blickte [93] mich trefflich holdselig an und gab mir, nachdem ich ein Tag oder acht zu Wien gewesen, Gelegenheit genug an die Hand, ohne einzige Verhinderungen auf die Staffeln der Hoheit zu steigen; ich täts aber nicht. Warum? Ich halte, weil mein Fatum ein anders beschlossen, nämlich dasjenige, dahin mich meine Fatuitas leitete.

Der Graf von der Wahl, unter dessen Kommando ich mich hiebevor in Westfalen bekannt gemacht, war eben auch zu Wien, als ich mit Herzbrudern hinkam; dieser ward bei einem Bankett, da sich verschiedene kaiserliche Kriegsräte neben dem Grafen von Götz und andern mehr befanden, als man von allerhand seltsamen Köpfen, unterschiedlichen Soldaten und berühmten Parteigängern redete, auch des Jägers von Soest eingedenk und erzählete etliche Stücklein von ihm so rühmlich, daß sich teils über einen so jungen Kerl verwunderten und bedaureten, daß der listige hessische Obrister S.A. ihm ein Wehbengel angehängt, damit er entweder den Degen beiseits legen oder doch schwedische Waffen tragen sollte. Dann wohlbesagter Graf von der Wahl hatte alles erkündiget, wie derselbige Obrister zu L. mit mir gespielet. Mein treuer Herzbruder, der eben dort stund und mir meine Wohlfahrt gern befördert hätte, bate um Verzeihung und Erlaubnus zu reden und sagte, daß er den Jäger von Soest besser kenne als sonst einen Menschen in der Welt; er sei nicht allein ein guter Soldat, der Pulver riechen könnte, sondern auch ein ziemlicher Reuter, ein perfekter Fechter, ein trefflicher Büchsenmeister und Feuerwerker und über dies alles einer, der einem Ingenieur nichts nachgeben würde; er hätte nicht nur sein Weib, weil er mit ihr so schimpflich hintergangen worden, sondern auch alles, was er gehabt, zu L. hinterlassen und wiederum kaiserliche Dienste gesuchet, maßen er in verwichener Kampagne sich unter dem Grafen von Götz befunden, und als er von den Weimarischen gefangen worden und von denselben sich wieder zu den Kaiserlichen begeben wollen, neben seinem Kamerad einen Korporal samt sechs Musketierern, die ihnen nachgesetzet und sie wieder zurückführen sollen, niedergemacht und ansehenliche Beuten davongebracht, maßen er mit ihm selbsten nach Wien kommen, des Willens, sich abermal wider der Römischen Kaiserlichen Majestät Feinde gebrauchen zu lassen, doch sofern er solche Conditiones haben könnte, die ihm anständig sein, dann keinen gemeinen Knecht begehre er mehr zu agieren.

Damals war diese ansehnliche Kompagnie mit dem lieben Trunk schon dergestalt begeistert, daß sie ihre Kuriosität, den Jäger zu sehen, kontentiert haben wollte, maßen Herzbruder [94] geschickt ward, mich in einer Kutsche zu holen. Derselbe instruierte mich unterwegs, wie ich mich bei diesen ansehenlichen Leuten halten sollte, weil meine Beförderung und künftig Glück daran gelegen wäre. Ich antwortete derhalben, als ich hinkam, auf alles sehr kurz und apophthegmatisch, also, daß man sich über mich zu verwundern anfieng, dann ich redete nichts, es müßte dann sein; und wann ich was redete, so mußte es einen klugen Nachdruck haben. In Summa, ich erschien dergestalt, daß ich jedem angenehm war, weil ich ohnedas vom Herrn Grafen von der Wahl auch das Lob eines guten Soldaten hatte. Mithin kriegte ich auch einen Rausch und glaube wohl, daß ich alsdann auch habe scheinen lassen, wie wenig ich bei Hof gewesen. Endlich war dieses das Ende, daß mir ein Obrister zu Fuß eine Kompagnie unter seinem Regiment versprochen, welches ich dann gar nicht ausschlug; dann ich dachte: »Ein Hauptmann zu sein, ist fürwahr kein Kinderspiel!« Aber Herzbruder verwiese mir den andern Tag meine Leichtfertigkeit und sagte, wann ich nur noch länger gehalten hätte, so wäre ich noch wohl höher ankommen.

Also ward ich einer Kompagnie vor einen Hauptmann vorgestellet, welche, obzwar sie samt mir in prima plana ganz komplett, aber nicht mehr als sieben Schillergäste hatte. Ich sagte zu mir selbsten, als ich solche betrachtete: »Wann ich Feldherr wäre und einen Hauptmann hätte, der nicht mehr Soldaten vermöchte als du, so wollte ich ihn vorn Teufel wegjagen.« Zudem waren meine Unteroffizierer mehrenteils alte Krachwedel, darüber ich mich hintern Ohren kratzte; als ward ich mit ihnen bei der unlängst hernach vorgangenen scharfen Okkasion desto leichter gemartscht, in welcher der Graf von Götz das Leben, Herzbruder aber seine Testiculos einbüßte, die er durch einen Schuß verlor; ich bekam meinen Teil in einen Schenkel, so aber gar eine geringe Wunde war. Dannenhero begaben wir uns auf Wien, um sich kurieren zu lassen, weil wir ohnedas unser Vermögen dort hatten. Ohn diese Wunden, so zwar bald geheilet, ereignete sich an Herzbrudern ein ander gefährlicher Zustand, den die Medici anfänglich nicht gleich erkennen konnten, dann er ward lahm an allen vieren wie ein Cholericus, den die Galle verderbt, und war doch am wenigsten, selbiger Komplexion nach, dem Zorn beigetan. Nichtsdestoweniger ward ihm die Sauerbrunnenkur geraten und hierzu der Grießbacher an dem Schwarzwald vorgeschlagen.

Also veränderte sich das Glück unversehens: Herzbruder hatte kurz zuvor den Willen gehabt, sich mit einem vornehmen [95] Fräulein zu verheuraten und zu solchem Ende sich zu einem Freiherrn, mich aber zu einem Edelmann machen zu lassen. Nunmehr aber mußte er andere Gedanken konzipieren; dann weil er dasjenige verloren, damit er ein neues Geschlecht propagieren wollen, zumalen von seiner Lähme mit einer langwierigen Krankheit bedrohet ward, in deren er guter Freunde vonnöten, machte er sein Testament und satzte mich zum einzigen Erben aller seiner Verlassenschaft, vornehmlich weil er sahe, daß ich seinetwegen mein Glück in Wind schlug und meine Kompagnie quittiert, damit ich ihn in Saurbrunn begleiten und daselbsten, bis er seine Gesundheit wiedererlangen möchte, auswarten könnte.

Das 5. Kapitel
Das fünfte Kapitel.
Simplex lauft bottenweis wie Merkur, höret,
Was ihn der Jupiter von dem Krirg lehret.

Als nun Herzbruder wieder reuten konnte, übermachten wu unser Barschaft (dann wir hatten nunmehr nur ein Säckel miteinander) per Wechsel nach Basel, mondierten uns mit Pferden und Dienern und begaben uns die Donau hinauf nacher Ulm und von dannen in den obgesagten Sauerbrunnen, weil es eben im Mai und lustig zu reisen war. Daselbst dingten wir eir Losament, ich aber ritte nach Straßburg, unser Gelt, welches wir von Basel aus dorthin übermachet, nicht allein zum Teil zu empfangen, sondern auch mich um erfahrne Medicos umzusehen, die Herzbrudern Recepta und Badordnung vorschreiben sollten. Dieselben begaben sich mit mir und befanden, daß Herzbrudern vergeben worden; und weil das Gift nicht stark genug gewesen, ihn gleich hinzurichten, daß solches ihm in die Glieder geschlagen wäre, welches wieder durch Pharmaca, Antidota, Schweißbäder evacuieret werden müßte, und würde sich solche Kur auf ungefähr eine Woche oder acht belaufen. Da erinnerte sich Herzbruder gleich, wann und durch wen ihm wäre vergeben worden, nämlich durch diejenige, die gern seine Stelle im Krieg betretten hätten; und weil er auch von den Medicis verstunde, daß seine Kur eben keinen Sauerbrunn erfordert hätte, glaubte er festiglich, daß sein Medicus im Feld durch ebendieselbe seine Aemulos mit Gelt bestochen worden, ihn so weit hinwegzuweisen: jedoch resolvierte er sich, im Saurbrunn seine Kur zu vollenden, weil es nicht allein eine gesunde Luft, sondern auch allerhand anmutige Gesellschaften unter den Badgästen hatte.

[96] Solche Zeit mochte ich nicht vergeblich hinbringen, weil ich eine herzliche Begierd hatte, dermalen eins mein Weib auch wiederum zu sehen; und weil Herzbruder meiner nicht sonderlich vonnöten, eröffnete ich ihm mein Anliegen. Der lobte meine Gedanken und gab mir den Rat, ich sollte mich ja weiters nichts abhalten lassen, sondern sie je eher je besser besuchen, gab mir auch etliche kostbare Kleinodien, die ich ihr seinetwegen verehren und sie damit um Verzeihung bitten sollte, daß er ein Ursache gewesen sei, daß ich sie nicht ehender besuchet. Also ritt ich nach Straßburg und machte mich nicht allein mit Geld gefaßt, sondern erkundigte auch, wie ich meine Reise anstellen möchte, daß ich am sichersten fortkäme, befand aber, daß es so alleinzig zu Pferde nicht geschehen könne, weilen es zwischen so vielen Garnisonen der beiderseits kriegenden Teilen von den Parteien ziemlich unsicher war; erhielt derowegen einen Paß vor einen Straßburger Bottenläufer und machte etliche Schreiben an mein Weib, ihre Schwester und Eltern, als wann ich ihn damit nach L. schicken wollte, stellete mich aber, als wann ich wieder andern Sinns wäre worden, erpraktizierte also den Paß vom Botten, schickte meine Pferd und Diener wieder zurück, verkleidete mich in eine weiße und rote Liberei und fuhr also in einem Schiff hin und bis nach Köln, welche Stadt damals zwischen den kriegenden Parteien neutral war.

Ich gieng zuvorderst hin, meinen ehemals bekannten Jovem zu besuchen, der mich hiebevor zu seinem Ganymede erkläret hatte, um zu erkundigen, wie es mit meinen hinterlegten Sachen eine Bewandnüs hätte. Der war aber damals wiederum ganz hirnschellig und unwillig über das menschliche Geschlecht. »O Mercuri,« sagte er zu mir, als er mich sahe, »was bringst du Neues von Münster? vermeinen die Menschen wohl ohn meinen Willen Friede zu machen? Nimmermehr! Sie hatten ihn, warum haben sie ihn nicht behalten? Giengen nicht alle Laster im Schwang, als sie mich bewegten, ihnen den Krieg zu senden? womit haben sie seithero verdienet, daß ich ihnen den Frieden wiedergehen sollte? haben sie sich dann selbigerzeit her bekehret? seind sie nicht ärger worden und selbst mit in Krieg geloffen wie zu einer Kirchmeß? oder haben sie sich vielleicht wegen der Teurung bekehret, die ich ihnen zugesandt, darin so viel tausend Seelen Hungers gestorben? Oder hat sie vielleicht das grausame Sterben erschröcket (das so viel Millionen hingerafft), daß sie sich gebessert? Nein, nein, Mercuri, die übrig verbliebene, die den elenden Jammer mit ihren Augen angesehen, haben sich nicht allein nicht gebessert, sondern [97] seind viel ärger worden, als sie zuvor jemals gewesen! Haben sie nun sich wegen so vieler scharfen Heimsuchungen nicht bekehret, sondern unter so schwerem Kreuz und Trübsal gottlos zu leben nicht aufgehöret was werden sie dann erst tun, wann ich ihnen den wohl-lustbarlichen goldenen Frieden wieder zusendete? Ich müßte sorgen, daß sie mir, wie hiebevor die Riesen getan, den Himmel abzustürmen unterstehen würden. Aber ich will solchem Mutwillen wohl beizeit steuren und sie im Krieg eine gute Zeit kümmerlich genug hocken lassen.«

Weil ich nun wußte, wie man diesen Gott lausen mußte, wann man ihn recht stimmen wollte, sagte ich: »Ach großer Gott, es seufzet aber alle Welt nach dem Friede und versprechen eine große Besserung, warum wolltest du ihnen dann solchen noch länger verweigern können?« – »Ja, ja!« antwortete Jupiter, »sie seufzen wohl, aber nicht meinet-, sondern umb ihrentwillen; nicht daß jeder unter seinem Weinstock und Feigenbaum Gott loben, sondern daß sie deren edle Früchte mit guter Ruhe und in aller Wollust genießen möchten. Ich fragte neulich einen grindigen Schneider, ob ich den Frieden geben sollte? Aber er antwortete mir, was er sich darum geheie, er müsse sowohl zu Kriegs- als Friedenszeiten mit der stählernen Stange fechten. Eine solche Antwort kriegte ich auch von einem Rotgießer, der sagte, wann er im Friede keine Glocken zu gießen hätte, so hätte er im Krieg genug mit Stücken und Feurmörseln zu tun. Also antwortete mir auch ein Schmied und sagte: ›Habe ich keine Pflüge und Baurenwägen im Krieg zu beschlagen, so kommen mir jedoch genug Reuterpferde und Heerwägen unter die Hände, also daß ich des Friedens wohl entbehren kann.‹ Siehe nun, lieber Mercuri, warumb sollte ich ihnen dann den Frieden verleihen? Ja, es sind zwar etliche, die ihn wünschen, aber nur, wie gesagt, um ihres Bauchs Wollust und guten Gemachs willen; hingegen aber sind auch andere, die den Krieg behalten wollen, nicht zwar weil es mein Wille ist, sondern weil er ihnen eintraget. Und gleichwie die Mäurer und Zimmerleute den Frieden wünschen, damit sie in Auferbauung und Reparierung der eingeäscherten Häuser Geld verdienen, also verlangen andere, die sich im Friede mit ihrer Hand Arbeit nicht zu ernähren getrauen, die Kontinuation des Kriegs, in selbigem zu stehlen.«

Weilen dann nun mein Jupiter mit diesen Sachen umgieng, konnte ich mir leicht einbilden, daß er mir in solchem verwirrten Stand von dem Meinigen wenig Nachricht würde geben können, entdeckte mich ihm derhalben nicht, sondern nahm meinen Kopf zwischen die Ohren und gieng durch Abwege, die mir dann alle[98] wohl bekannt waren, nach L., fragte daselbst nach meinem Schwähervatter allerdings wie ein fremder Botte und erfuhr gleich, daß er samt meiner Schwieger bereits vor einem halben Jahr diese Welt gesegnet, und dann daß meine Liebste, nachdem sie mit einem jungen Sohn niederkommen, den ihre Schwester bei sich hätte, gleichfalls stracks nach ihrem Kindbette diese Zeitlichkeit verlassen. Darauf lieferte ich meinem Schwager diejenige Schreiben, die ich selbst an meinen Schwäher, an meine Liebste und an ihn, meinen Schwager, geschrieben; derselbe nun wollte mich selbst herbergen, damit er von mir als einem Botten erfahren könnte, was Standes Simplicius sei und wie ich mich verhielte. Zu dem Ende diskurrierte meine Schwägerin lang mit mir von mir selbsten, und ich redete auch von mir, was ich nur Löbliches von mir wußte, dann die Urschlechten hatten mich dergestalt verderbt und verändert, daß mich kein Mensch mehr kannte außer der von Schönstein, welcher aber als mein getreuster Freund reinen Mund hielt.

Als ich ihr nun nach der Länge erzählete, daß Herr Simplicius viel schöner Pferde und Diener hätte, in großem Ansehen wäre und in einem schwarzen sammeten Mutzen aufzöge, der überall mit Gold verbrämt wäre, sagte sie: »Ja, ich habe mir jederzeit eingebildet, daß er keines so schlechten Herkommens sei, als er sich davor ausgeben. Der hiesige Kommandant hat meine Eltern sel. mit großen Verheißungen persuadiert, daß sie ihm meine Schwester sel., die wohl eine fromme Jungfer gewesen, ganz vortelhaftigerweise aufgesattelt, davon ich niemalen ein gutes Ende habe hoffen können; nichtsdestoweniger hat er sich wohl angelassen und resolviert, in hiesiger Garnison schwedische oder vielmehr hessische Dienste anzunehmen, maßen er zu solchem Ende seinen Vorrat, was er zu Köln gehabt, hieher holen wollen, das sich aber gesteckt, und er darüber ganz schelmischerweise in Frankreich praktiziert worden, meine Schwester, die ihn noch kaum vier Wochen gehabt, und sonst noch wohl ein halb Dutzet Bürgerstöchter schwanger hinterlassend; wie dann eine nach der andern (und zwar meine Schwester am allerletzten) mit lauter jungen Söhnen niederkommen. Weil dann nunmehr mein Vatter und Mutter tot, ich und mein Mann aber keine Kinder miteinander zu hoffen, haben wir meiner Schwester Kind zum Erben aller unser Verlassenschaft angenommen und mit Hülfe des hiesigen Herrn Kommandanten seines Vatters hab zu Köln erhoben, welches sich ungefähr auf 3000 Gülden belaufen möchte, daß also dieser junge Knab, wann er einmal zu seinen Jahren kommt, sich unter die Arme zu rechnen keine Ursache haben wird. Ich [99] und mein Mann lieben das Kind auch so sehr, daß wirs seinem Vatter nicht ließen, wannschon er selbst käme und ihn abholen wollte; überdas, so ist er der Schönste unter allen seinen Stiefbrüdern und siehet seinem Vatter so gleich, als wann er ihm aus den Augen geschnitten wäre; und ich weiß, wann mein Schwager wüßte, was er vor einen schönen Sohn hier hätte, daß er ihm nicht abbrechen könnte, hieherzukommen (da er schon seine übrige Hurenkinder scheuen möchte), nur das liebe Herzchen zu sehen.«

Solche und dergleichen sehr viel andere Sachen brachte mir meine Schwägerin vor, woraus ich ihre Liebe gegen meinem Kind leicht spüren können, welches dann dort in seinen ersten Hosen herumlief und mich im Herzen erfreuete. Derhalben suchte ich die Kleinodien herfür, die mir Herzbruder geben, solche seinetwegen meinem Weib zu verehren; dieselbige (sagte ich) hätte mir Herr Simplicius mitgeben, seiner Liebsten zum Gruß einzuhändigen; weil aber selbige tot wäre, schätzte ich, es wäre billig, daß ich sie seinem Kind hinterließe, welche mein Schwager und seine Frau mit Freuden empfiengen und daraus schlossen, daß ich an Mitteln keinen Mangel haben, sondern viel ein ander Gesell sein müßte, als sie sich hiebevor von mir eingebildet. Mithin drang ich auf meine Abfertigung, und als ich dieselbe bekam, begehrete ich im Namen Simplicii den jungen Simplicium zu küssen, damit ich seinem Vatter solches als ein Wahrzeichen erzählen könnte. Als es nun auf Vergünstigung meiner Schwägerin geschahe, fieng beides, mir und dem Kind, die Nase an zu bluten, darüber mir das Herz hätte brechen mögen; doch verbarg ich meine Affekten, und damit man nicht Zeit haben möchte, der Ursache dieser Sympathiae nachzudenken, machte ich mich stracks aus dem Staub und kam nach vierzehn Tagen durch viel Mühe und Gefahr wieder in Bettlersgestalt in Saurbrunn, weil ich unterwegs ausgeschotet worden.

Das 6. Kapitel
Das sechste Kapitel.
Simplex ein artliches Stücklein verricht
In dem Saurbrunnen, das gar nicht erdicht.

Nach meiner Ankunft ward ich gewahr, daß es sich mit Herzbrudern mehr gebösert als gebessert hatte, wiewohl ihn die Doctores und Apotheker strenger als eine fette Gans gerupft; überdas kam er mir auch ganz kindisch vor und konnte kümmerlich [100] mehr recht gehen. Ich ermunterte ihn zwar, so gut ich konnte, aber es war schlecht bestellt; er selbst merkte an Abnehmung seiner Kräften wohl, daß er nicht lang mehr würde dauren können. Sein größter Trost war, daß ich bei ihm sein sollte, wann er die Augen würde zutun.

Hingegen machte ich mich lustig und suchte meine alte leichtfertige Freude, wo ich solche zu finden vermeinete, doch solchergestalt, daß meinem Herzbruder an seiner Pflege nichts manglete. Und weil ich mich einen Witwer zu sein wußte, reizten mich die guten Täge und meine Jugend wiederum zur Buhlerei, deren ich dann trefflich nachhieng, weil mir der zu Einsiedlen eingenommene Schröcken allerdings wieder vergessen war. Es befand sich im Saurbrunn eine schöne Dame, die sich vor eine von Adel ausgab und meines Erachtens doch mehr mobilis als nobilis war. Derselben Mannsfallen wartete ich trefflich auf den Dienst, weil sie ziemlich glatthärig zu sein schiene, erhielt auch in kurzer Zeit nicht allein einen freien Zutritt, sondern auch alle Vergnügung, die ich hätte wünschen und begehren mögen. Aber ich hatte gleich ein Abscheuen ab ihrer Leichtfertigkeit, trachtete derhalben, wie ich ihrer wieder mit Manier los werden könnte, dann wie mich dünkte, so gieng sie mehr darauf umb, meinen Säckel zu scheren als mich zur Ehe zu bekommen. Zudem übertrieb sie mich mit liebreizenden feurigen Blicken und andern Bezeugungen ihrer brennenden Affektion, wo ich gieng und stund, daß ich mich beides, vor mich und sie, schämen mußte.

Nebendem befand sich auch ein vornehmer reicher Schweizer im Bad; dem ward nicht nur sein Geld, sondern auch seines Weibes Geschmuck, der in Gold, Silber, Perlen und Edelgesteinen bestund, entfremdet. Weil dann nun solche Sachen ebenso ungern verloren werden, als schwer sie zu erobern sein, derhalben suchte bemeldter Schweizer allerhand Rat und Mittel, dadurch er selbige wieder zur Hand bringen möchte, maßen er den berühmten Teufelsbanner aus der Geißhaut kommen ließ, der durch seinen Bann den Dieb dergestalt tribulierte, daß er das gestohlene Gut in eigener Person wieder an seine gehörige Örter liefern mußte, deswegen der Hexenmeister dann 10 Reichstaler zur Verehrung bekam.

Diesen Schwarzkünstler hätte ich gern gesehen und mit ihm konferiert, es möchte aber, wie ich davorhielt, ohn Schmälerung meines Ansehens (dann ich dünkte mich damals keine Saue sein) nicht geschehen; derhalben stellete ich meinen Knecht an, mit ihm denselben Abend zu saufen, weil ich vernommen, [101] daß er ein Ausbund eines Weinbeißers sein sollte, um zu sehen, ob ich vielleicht hierdurch mit ihm in gute Kundschaft kommen und eins und anders mir nicht Undienliches erfahren möchte; dann es wurden mir so viel seltsame Sachen von ihm erzählet, die ich nicht glauben konnte, ich hätte sie dann selbst von ihm vernommen. Ich verkleidete mich wie ein Landfahrer, der Salben feilhat, satzte mich zu ihm an Tisch und wollte vernehmen, ob er erraten oder ihm der Teufel eingeben würde, wer ich wäre. Aber ich konnte nit das geringste an ihm spüren, dann er soff immer hin und hielt mich vor einen, wie meine Kleider anzeigten, also daß er mir auch etliche Gläser zubrachte und doch meinen Knecht höher als mich respektierte. Demselben erzählte er vertraulich, wann derjenige, so den Schweizer bestohlen, nur das geringste davon in ein fließend Wasser geworfen und also dem leidigen Teufel auch Partem geben hätte, so wäre unmüglich gewesen, weder den Dieb zu nennen, noch das Verlorne wieder zur Hand zu bringen.

Diese närrische Possen hörete ich an und verwunderte mich, daß der heimtückische und tausendlistige Feind den armen Menschen durch so geringe Sachen in seine Klauen bringet. Ich konnte leicht ermessen und ohnschwer schließen, daß dieses Stücklein ein Teil des Pakts sei, den er mit dem Teufel getroffen, und konnte wohl gedenken, daß solche Kunst den Dieb nichts helfen würde, wann ein ander Teufelsbanner geholt würde, den Diebstahl zu offenbaren, in dessen Pakt diese Klausul nicht stünde; befahl demnach meinem Knecht, welcher ärger stehlen konnte als ein Böhme, daß er ihn gar vollsaufen und ihm hernach seine zehen Reichstaler stehlen, alsobalden aber ein paar Batzen davon in die Rench werfen sollte. Dies tät mein Kerl gar fleißig. Als nun dem Teufelsbanner am Morgen frühe sein Geld mangelte, begab er sich gegen der wüsten Rench in einen Busch, ohn Zweifel seinen Spiritum familiarem deswegen zu besprechen; er ward aber so übel abgefertigt, daß er mit einem blauen und zerkratzten Angesicht wieder zurückkam; weswegen mich dann der arme alte Schelm dergestalt daurete, daß ich ihm sein Geld wiedergeben und darbei sagen ließe, weil er nunmehr sähe, was vor ein betrüglicher böser Gast der Teufel sei, könnte er hinfort dessen Dienst und Gesellschaft wohl aufkünden und sich wieder zu Gott bekehren. Aber solche Vermahnung bekam mir wie dem Hund das Gras; dann ich hatte von dieser Zeit an weder Glück noch Stern mehr, maßen mir gleich hernach meine schöne Pferde durch Zauberei hinfielen. Und zwar, was hätte davor sein sollen? Ich lebte gottlos wie ein Epikurer und befahl das [102] Meine niemal in Gottes Schutz; warum hätte sich dann dieser Zauberer nicht wiederum an mir sollen rächen können?

Das 7. Kapitel
Das siebente Kapitel.
Simplex vertrauter Freund Herzbruder stirbt,
Und er viel liebliche Buhlen erwirbt.

Der Saurbrunn schlug mir je länger je besser zu, weil sich nicht allein die Badgäste gleichsam täglich mehreten, sondern weil der Ort selbst und die Manier zu leben mich anmutig zu sein dunkte. Ich machte mit den Lustigsten Kundschaft, die dahin kamen, und fieng an courtoise Reden und Komplimenten zu lernen, deren ich mein Tage sonst niemal viel geachtet hatte.

Ich ward vor einen vom Adel gehalten, weil mich meine Leute Herr Hauptmann nannten, sintemal dergleichen Stellen kein Soldat von Fortun so leichtlich in einem solchen Alter erlanget, darin ich mich damals befand. Dannenhero machten die reichen Stutzer mit mir und hingegen ich hinwiederum mit ihnen nicht allein Kund-, sondern auch gar Brüderschaft, und war alle Kurzweile, Spielen, Fressen und Saufen meine allergrößte Arbeit und Sorge, welches aber manchen schönen Dukaten hinwegnahm, ohn daß ich es sonderlich wahrgenommen und geachtet hätte; dann mein Säckel von dem Olivierischen Erbgut war noch trefflich schwer.

Unterdessen ward es mit Herzbrudern je länger je ärger, also daß er endlich die Schuld der Natur bezahlen mußte, nachdem ihn die Medici und Ärzte verlassen, als sie sich zuvor genugsam an ihm begraset hatten. Er bestätigte nachmalen sein Testament und letzten Willen und machte mich zum Erben über dasjenige, so er von seines Vatters sel. Verlassenschaft zu empfangen; hingegen ließ ich ihn ganz herrlich begraben und seine Diener mit Traurkleidern und einem Stück Geld ihres Wegs laufen.

Sein Abschied tät mir schmerzlich weh, vornehmlich weil ihm vergeben worden, und obzwar ich solches nicht ändern konnte, so änderts doch mich, weil ich mich von Tag zu Tag mehr und mehr bekümmerte; dann ich flohe alle Gesellschaften und suchte nur die Einsamkeit, meinen betrübten Gedanken Audienz zu geben. Zu dem Ende verbarg ich mich etwan irgends in einen Busch und betrachtete nicht allein, was ich vor einen Freund verloren, sondern auch, daß ich mein Lebtag [103] seinesgleichen nicht mehr bekommen würde. Mithin machte ich auch von Anstellung meines künftigen Lebens allerhand Anschläge und beschloß doch nichts Gewisses. Bald wollte ich wieder in Krieg, und unversehens gedachte ich, es hättens die geringste Bauern in selbiger Gegend besser als ein Obrister; dann in dasselbe Gebürg kamen keine Parteien. So konnte ich mir auch nit einbilden, was eine Armee darin zu schaffen haben müßte, dieselbe Landsart zu ruinieren, maßen noch alle Bauernhöfe, gleich als zu Friedenszeiten, in trefflichem Bau und alle Ställe voll Viehe waren, unangesehen auf dem ebenen Land in den Dörfern weder Hund noch Katze anzutreffen.

Einsmals hatte ich mich zwischen dem Weg und dem Wasser unter einem dicken schattigten Baum ins Gras niedergelegt, den Nachtigallen zuzuhören, welcher Gesang mich dann in meiner Betrübnus am allermeisten belustigte; dann ich hörte dieser lieblichen Melodei nicht nur ohnachtsamlich, sondern mit großem Fleiß zu und erwoge aus angenommener Gewohnheit gleichsam täglich, wie doch eine so helle hohe Stimme und wohllautender Klang aus einem so kleinen Pfeiflein oder Kanälchen kommen könnte. Als ich mich nun mit Anhörung des lieblichsten Vogelgesangs also eine ziemliche Zeit ergötzte und mir einbildete, daß die Nachtigall durch ihre Lieblichkeit andere Vögel banne, stillzuschweigen und ihnen zuzuhören, entweder aus Scham oder ihr etwas von solchem anmutigen Klang abzustehlen, da näherte sich jenseit dem Wasser eine Schönheit an das Gestad, die mich mehr bewegte (weil sie nur den Habit einer Bauerndirne antrug), als eine stattliche Damoiselle sonst nicht hätte tun mögen. Diese hub einen Korb vom Kopf, darin sie einen Ballen frische Butter trug, solchen im Sauerbrunnen zu verkaufen; denselben erfrischte sie im Wasser, damit er wegen der großen Hitze nicht schmelzen sollte; unterdessen satzte sie sich nieder ins Gras, warf ihren Schleier und Bauernhut von sich und wischte den Schweiß vom Angesicht, also daß ich sie genug betrachten und meine vorwitzige Augen an ihr weiden konnte. Da dünkte mich, ich hätte die Tage meins Lebens kein schöner Mensch gesehen, die Proportion des Leibes schien vollkommen und ohn Tadel, Arme und Hände schneeweiß, das Angesicht frisch und lieblich, die schwarze Augen aber voller Feur und liebreizender Blicke. Als sie nun ihre Butter wieder einpackte schrie ich hinüber: »Ach Jungfer! Ihr habt zwar mit Euren schönen Händen Eure Butter im Wasser abgekühlt, hingegen aber mein Herz durch Eure klare Augen ins Feur gesetzt!« Sobald sie mich sahe und hörete, lief sie davon, als ob man sie [104] gejagt hätte, ohn daß sie mir ein Wörtlein geantwortet hatte, mich mit all denjenigen Torheiten beladen hinterlassend, damit die verliebte Phantasten gepeinigt zu werden pflegen.

Aber meine Begierden, von dieser Sonne mehr beschienen zu werden, ließen mich drum nicht in meiner Einsamkeit, die ich mir auserwählt, sondern machten, daß ich den Gesang der Nachtigallen nicht höher achtete als ein Geheul der Wölfe. Derhalben trollete ich auch dem Saurbrunn zu und schickte meinen Jungen voran, die Butterverkäuferin anzupacken und mit ihr zu marken, bis ich hernach käme. Dieser tät das seinige und ich nach meiner Ankunft auch das meinige; aber ich fand ein steinern Herz und eine solche Kaltsinnigkeit, dergleichen ich hinter einem Baurnmägdlein nimmermehr zu finden getrauet hätte, welches mich aber viel verliebter machte, unangesehen ich als einer, der mehr in solchen Schulen gewesen, mir die Rechnung leicht machen können, daß sie sich nicht so leicht würde betören lassen.

Damals hätte ich entweder einen strengen Feind oder einen guten Freund haben sollen: einen Feind, damit ich meine Gedanken gegen demselbigen hätte richten und der närrischen Liebe vergessen müssen, oder einen Freund, der mir ein anders geraten und mich von meiner Torheit, die ich vornahm, hätte abmahnen mögen. Aber, ach leider! ich hatte nichts als mein und Herzbruders Geld, das mich verblendete, meine blinde Begierden, die mich verführeten, weil ich ihnen den Zaum schießen ließ, und meine grobe Unbesonnenheit, die mich verderbete und in alles Unglück stürzete. Ich wendete viel auf Kuppler und Kupplerinnen, ob ich vielleicht durch dieselbe meinen Zweck erreichen und durch eine noch größere Sünde meinen sündlichen Begierden Satisfaktion erlangen könnte: aber ich traf nit, wornach ich zielte, sondern fande, daß ein Baurendirne dasjenige verschmähet, was etwan vor diesem andere gewünschet, welches mich schier halb unsinnig machte. Ich Narr hätte ja aus unsern Kleidungen, als aus einem bösen Omen, judizieren sollen, daß mir ihre Liebe nicht wohl ausschlagen würde; dann weil mir Herzbruder, diesem Mägdlein aber ihre Eltern gestorben und wir dahero alle beide in Traurkleidern aufzogen, als wir einander das erstemal sahen, was hätte unsre Buhlschaft vor eine Fröhlichkeit bedeuten sollen? Mit einem Wort, ich war mit den Stricken Veneris oder besser zu sagen mit dem Narrnsail rechtschaffen verstrickt und derhalben ganz blind und ohn Verstand wie das Kind Cupido selbsten, und weil ich meine viehische Begierden nicht anders zu sättigen getrauet, [105] entschloß ich, sie zu heuraten. »Was?« gedachte ich, »du bist deines Herkommens doch nur ein Baurensohn und wirst deine Tage kein Schloß besitzen; diese Revier ist ein edel Land, das ich gleichwohl dies grausame Kriegswesen hindurch, gegen andern Orten zu rechnen, im Wohlstand und Flor befunden; überdas hast du noch Geld genug, auch den besten Baurnhof in dieser Gegend zu bezahlen; du willst dies ehrliche Baurngretlein heuraten und dir einen geruhigen Herrnhandel mitten unter den Bauren schaffen. Wo wolltest du dir eine lustigere Wohnung aussehen können als bei dem Saurbrunn, da du wegen der zu- und abreisenden Badgäste gleichsam alle sechs Wochen eine neue Welt sehen und dir dabei einbilden kannst, wie sich der Erdkreis von einem Säculo zum andern verändert?« Solche und dergleichen mehr tausendfältige Gedanken machte ich, bis ich endlich meine Geliebte zur Ehe begehrete und, wiewohl nicht ohn Mühe, das Jawort erhielt.

Das 8. Kapitel
Das achte Kapitel.
Simplex zum andernmal freiet, hört an,
Wer seine Eltern gewesen, vom Knan.

Ich ließ trefflich zur Hochzeit zurüsten, dann der Himmel hieng mir voller Geigen: das Baurengut, darauf meine Braut geboren worden, lösete ich nicht allein ganz an mich, sondern fieng noch darzu einen schönen neuen Bau an, gleich als ob ich daselbst mehr hof- als haushalten hätte wollen; und ehe ich die Hochzeit vollzogen, hatte ich bereits über dreißig Stücke Viehe dastehen, weil man so viel das Jahr hindurch auf demselben Gut erhalten konnte. In Summa, ich bestellet alles auf das beste, auch sogar mit köstlichem Hausrat, wie es mir nur meine Torheit eingab. Aber die Pfeife fiel mir bald in Dreck, dann da ich nunmehr vermeinete, mit gutem Wind in Engeland zu schiffen, kam ich wider alle Zuversicht in Holland, und damals, aber viel zu spat, ward ich erst gewahr, was Ursache mich meine Braut so ungern nehmen wollen; das mich aber am allermeisten schmerzete, war, daß ich mein spöttlich Anliegen keinem Menschen klagen dorfte. Ich konnte zwar wohl erkennen, daß ich nach dem Maß der Billigkeit Schulden bezahlen mußte, aber solche Erkänntnus machte mich darum nichts desto gedultiger, viel weniger frömmer; sondern weil ich mich so betrogen befand, gedachte ich, meine Betrügerin wieder zu betrügen, maßen ich anfieng, grasen zu gehen, wo ich immer [106] mehr zukommen konnte; überdas stak ich mehr bei guter Gesellschaft im Saurbrunn als zu Haus: in Summa, ich ließ meine Haushaltung allerdings ein gut Jahr haben. Andernteils war meine Frau Gemahlin ebenso liederlich: sie hatte einen Ochsen, den ich ins Haus schlagen lassen, in etliche Körbe eingesalzen; und als sie mir auf eine Zeit ein Spänsau zurichten sollte, unterstund sie, solche wie einen Vogel zu ropfen, wie sie mir dann auch Krebse auf dem Rost, einen Hasen brühen und Forellen an einem Spieß braten wollen. Bei diesen paar Exempeln kann man unschwer abnehmen, wie ich im übrigen mit ihr bin versorgt gewesen. Nicht weniger trank sie auch das liebe Weinchen gern und teilete andern guten Leuten auch mit, das mir dann in mein künftig Verderben prognostizierte.

Einsmals spazierte ich mit etlichen Stutzern das Tal hinunter, eine Gesellschaft im untern Bad zu besuchen; da begegnete uns ein alter Baur mit einer Geiß am Strick, die er verkaufen wollte; und weil mich dünkte, ich hätte dieselbe Person mehr gesehen, fragte ich ihn, wo er mit dieser Geiß herkäme. Er aber zog sein Hütlein ab und sagte: »Gnädiger Hearr, eich darffs ouch werli neit sän.« Ich sagte: »Du wirst sie ja nicht gestohlen haben?« – »Nein,« antwortete der Baur, »sondern ich bringe sie aus dem Städtechen unten im Tal, welches ich eben gegen dem Herrn nicht nennen darf, dieweil wir von einer Geiß reden.« Solches bewegte meine Gesellschaft zum Lachen, und weil ich mich im Angesicht entfärbte, gedachten sie, ich hätte einen Verdruß oder schämte mich, weil mir der Baur so artlich eingeschenkt. Aber ich hatte andere Gedanken; dann an der großen Warze, die der Baur gleichsam wie das Einhorn mitten auf der Stirn stehen hatte, ward ich eigentlich versichert, daß es mein Knän aus dem Spessert war, wollte derhalben zuvor einen Wahrsager agieren, eh ich mich ihm offenbaren und mit einem so stattlichen Sohn, als damals meine Kleider auswiesen, erfreuen wollte, sagte derhalben zu ihm: »Mein lieber alter Vatter, seid Ihr nicht im Spessert zu Haus?« – »Ja Hearr!« antwortete der Baur. Da sagte ich weiter: »Haben Euch nicht vor ungefähr 18 Jahren die Reuter Euer Haus und Hof geplündert und verbrannt?« – »Ja, Gott erbarms!« antwortete der Baur, »es ist aber noch nicht so lang.« Ich fragte weiter: »Habet Ihr nicht damals zwei Kinder, nämlich eine erwachsene Tochter und einen jungen Knaben, gehabt, der Euch der Schaf gehütet?« – »Hearr,« antwortete mein Knän, »die Tochter war mein Kind, aber der Bub nicht; ich habe ihn aber an Kindes Statt aufziehen wollen.« [107] Hieraus verstunde ich wohl, daß ich dieses groben Knollfinken Sohn nicht sei, welches mich einenteils erfreuete, hingegen aber auch betrübete, weil mir zugefallen, ich müßte sonsten ein Bankert oder Findling sein, fragte derowegen meinen Knän, wo er dann denselben Buben aufgetrieben, oder was vor Ursache er gehabt, denselben an Kindes Statt zu erziehen. »Ach,« sagte er, »es ist mir seltsam mit ihm gangen: der Krieg hat mir ihn geben, und der Krieg hat mir ihn wieder genommen.« Weil ich dann besorgte, es dürfte wohl ein wunderliches Fazit herauskommen, das mir wegen meiner Geburt nachteilig sein möchte, verwandte ich meinen Diskurs wieder auf die Geiß und fragte, ob er sie der Wirtin in die Küche verkauft hätte, das mich befremde, weil die Sauerbrunngäste kein alt Geißfleisch zu genießen pflegten. »Ach nein, Hearr,« antwortete der Baur, »die Wirtin hat selber Geißen genug und gibt auch nichts vor ein Ding. Ich bringe sie der Gräfin, die im Saurbrunn badet, und hat ihr der Doktor Hans in allen Gassen etliche Kräuter geordnet, so die Geiß essen muß, und was sie dann vor Milch davon gibt, die nimmt der Doktor und machet der Gräfin noch so ein Ärtznei drüber; so muß sie die Milch trinken und wieder gesund davon werden. Man säit, es mangle der Gräfin am Gehäng, und wann ihr die Geiß hilft, so vermag sie mehr als der Doktor und seine Abdecker miteinander.« Unter währender solcher Relation besann ich, auf was Weise ich mehr mit dem Baur reden möchte, bot ihm derhalben einen Taler mehr um die Geiß, als der Doktor oder die Gräfin darum geben wollten; solches gieng er gleich ein (dann ein geringer Gewinn persuadieret die Leute bald anders), doch mit dem Beding, er sollte der Gräfin zuvor anzeigen, daß ich ihm einen Taler mehr darauf gebotten; wollte sie dann so viel darum geben als ich, so sollte sie den Vorkauf haben, wo nicht, so wollte er mir die Geiß zukommen lassen und, wie der Handel stünde, auf den Abend anzeigen.

Also gieng mein Knän seines Wegs, und ich mit meiner Gesellschaft den unserigen auch; doch wußte, konnte und mochte ich nicht länger bei der Kompagnie bleiben, sondern drehete mich ab und gieng hin, wo ich meinen Knän wiederfand: der hatte seine Geiß noch, weil ihm andere nicht so viel als ich darum geben wollten, welches mich an so reichen Leuten wunderte und doch nicht kärger machte. Ich führte ihn auf meinen neu erkauften Hof, bezahlte ihm seine Geiß, und nachdem ich ihm einen halben Rausch angehängt, fragte ich ihn, woher ihm derjenige Knab zugestanden wäre, von dem wir heut geredet. [108] »Ach Herr,« sagte er, »der Mansfelder Krieg hat mir ihn beschert, und die Nördlinger Schlacht hat mir ihn wieder genommen.« Ich sagte: »Das muß wohl eine lustige Histori sein!«, mit Bitte, weil wir doch sonst nichts zu reden hätten, er wollte mirs doch vor die Langeweile erzählen. Darauf fieng er an und sagte: »Als der Mansfelder bei Höchst die Schlacht verlor, zerstreuete sich sein flüchtig Volk weit und breit herum, weil sie nicht alle wußten, wohin sie sich retirieren sollten. Viel kamen in Spessert, weil sie die Büsche suchten, sich zu verbergen; aber indem sie dem Tod auf der Ebne entgiengen, fanden sie ihn bei uns in den Bergen, und weil beide kriegende Teile vor billig achteten, einander auf unserm Grund und Boden zu berauben und niederzumachen, griffen wir ihnen auch auf die Hauben. Damals gieng selten ein Bauer in den Büschen ohne Feuerrohr, weil wir zu Haus bei unsern Hauen und Pflügen nicht bleiben konnten. In demselben Tumult bekam ich nicht weit von meinem Hof in einem wilden ungeheuren Wald eine schöne junge Edelfrau samt einem stattlichen Pferd, als ich zuvor nicht weit davon etliche Büchsenschüsse gehöret hatte. Ich sahe sie anfänglich vor einen Kerl an, weil sie so mannlich daherritt; aber indem ich sie beides, Händ und Augen, gegen dem Himmel aufheben sahe und auf Welsch mit einer erbärmlichen Stimme zu Gott rufen hörete, ließ ich mein Rohr, damit ich Feuer auf sie geben wollte, sinken und zog den Hahn wieder zurück, weil mich ihr Geschrei und Gebärden versicherten, daß sie ein betrübtes Weibsbild wäre und mich alsobald zum Mitleiden bewegte. Mithin näherten wir uns einander, und da sie mich sahe, sagte sie: ›Ach! wann Ihr ein ehrlicher Christenmensch seid, so bitte ich Euch um Gottes und seiner Barmherzigkeit, ja um des Jüngsten Gerichts willen, vor welchem wir alle um unser Tun und Lassen Rechenschaft geben müssen, Ihr wollet mich zu ehrlichen Weibern führen, die mich durch göttliche Hülfe von meiner Leibesbürde entledigen helfen!‹ Diese Worte, die mich so großer Dinge erinnerten, samt der holdseligen Aussprache und zwar betrübten, doch überaus schönen und anmutigen Gestalt der Frau zwangen mich zu solcher Erbärmde, daß ich ihr Pferd beim Ziegel nahm und sie durch Hecken und Stauden an den allerdicksten Ort des Gesträuchs führete, da ich selbst mein Weib, Kind, Gesind und Viehe hingeflehnt hatte. Daselbst genaß sie ehender als in einer halben Stunde desjenigen jungen Knaben, von dem wir heut miteinander geredet haben.«

Hiermit beschloß mein Knän seine Erzählung, weil er eins [109] trank; dann ich sprach ihm gar gütlich zu. Da er aber das Glas ausgeleeret hatte, fragte ich: »Und wie ist es darnach weiter mit der Frau gangen?« Er antwortete: »Als sie dergestalt Kindbetterin worden, bat sie mich zu Gevattern, und daß ich das Kind ehistens zu der Taufe fördern wollte, sagte mir auch ihres Manns und ihren Namen, damit sie möchten in das Taufbuch geschrieben werden; und indem tät sie ihr Felleisen auf, darin sie wohl vortreffliche und sehr köstliche Sachen hatte, und schenkte mir, meinem Weib und Kind, der Magd und sonst noch einer Frau so viel, daß wir wohl mit ihr zufrieden sein können. Aber indem sie so damit umgieng und uns von ihrem Mann erzählete, starb sie uns unter den Händen, als sie uns ihr Kind zuvor wohl befohlen hatte. Weil es dann nun so gar ein großer Lärmen im Land war, daß niemand bei Haus bleiben konnte, vermochten wir kaum ein Pfarrherrn, der bei der Begräbnus war und das Kind taufte; da aber endlich beides geschehen, ward mir von unserm Schulzen und Pfarrherrn befohlen, ich sollte das Kind aufziehen, bis es groß würde, und vor meine Mühe und Kosten der Frauen ganze Verlassenschaft behalten, ausgenommen etliche Paternoster, Edelgesteine und so Geschmeiß, welches ich vor das Kind aufbehalten sollte. Also ernährte mein Frau das Kind mit Gaißmilch, und wir behielten den Buben gar gern und dachten, wir wollten ihm, wann er groß würde, unser Mädchen zur Frau geben; aber nach der Nördlinger Schlacht habe ich beides, das Mägdlein und den Buben, verloren samt allem dem, was wir vermochten.«

»Ihr habet mir«, sagte ich zu meinem Knän, »eine artliche und recht annehmliche Geschicht erzählet und doch das Beste vergessen; dann Ihr habet nicht gesagt, weder wie die Frau, noch ihr Mann oder das Kind geheißen.« – »Herr,« antwortete er, »ich habe nicht gemeint, daß Ihrs auch gern hättet wissen mögen. Die Edelfrau hieße Susanna Ramsi, ihr Mann Kapitän Sternfelß von Fuchsheim; und weil ich Melchior hieß, so ließ ich den Buben bei der Taufe auch Melchior Sternfelß von Fuchsheim nennen und ins Taufbuch schreiben.«

Hieraus vernahm ich umständlich, daß ich meines Einsiedlers und des Gubernator Ramsay Schwester leiblicher Sohn gewesen; aber ach leider! viel zu spat, dann meine Eltern waren beide tot, und von meinem Vetter Ramsay konnte ich anders nichts erfahren, als daß die Hanauer ihn mitsamt der schwedischen Garnison ausgeschafft hätten, weswegen er dann vor Zorn und Ungedult ganz unsinnig worden wäre.

[110] Ich deckte meinen Petter vollends mit Wein zu und ließ den andern Tag sein Weib auch holen. Da ich mich ihnen nun offenbarete, wollten sie es nicht eher glauben, bis ich ihnen zuvor einen schwarzen haarigen Flecken aufgewiesen, den ich vorn auf der Brust hatte.

Das 9. Kapitel
Das neunte Kapitel.
Simplex bekommt Kindsweh, die ihn anstoßen,
Er wird zum Witwer, das acht er vor Possen.

Ohnlängst hernach nahm ich meinen Petter zu mir und tät mit ihm einen Ritt hinunter in Spessert, glaubwürdigen Schein und Urkund meines Herkommens und ehelicher Geburt halber zuwege zu bringen, welches ich ohnschwer aus dem Taufbuch und meines Petters Zeugnus erhielt. Ich kehrte auch gleich bei dem Pfarrer ein, der sich zu Hanau aufgehalten und meiner angenommen; derselbe gab mir einen schriftlichen Beweis mit, wo mein Vatter sel. gestorben, und daß ich bei demselben bis in seinen Tod und endlich unter den Namen Simplicii eine Zeitlang bei Herrn Ramsay, dem Gubernator in Hanau, gewesen wäre; ja ich ließ über meine ganze Histori aus der Zeugen Mund durch einen Notarium ein Instrument aufrichten, dann ich gedachte: »Wer weiß, wo du es noch einmal brauchest.« Solche Reise kostete mich über 400 Taler, dann auf dem Zurückweg ward ich von einer Partei erhascht, abgesetzt und geplündert, also daß ich und mein Knän oder Petter allerdings nackend und kaum mit dem Leben davonkamen.

Indessen gieng es daheim auch schlimm zu; dann nachdem mein Weib vernommen, daß ihr Mann ein Junker sei, spielte sie nicht allein der großen Frauen, sondern verliederlichte auch alles in der Haushaltung, welches ich, weil sie großen Leibes war, stillschweigend übertrug; überdas war mir ein Unglück in den Stall kommen, so mir das meiste und beste Viehe hingerafft.

Dies alles wäre noch zu verschmerzen gewesen, aber o mirum! kein Unglück allein! in der Stunde, darin mein Weib genase, ward die Magd auch Kindbetterin. Das Kind zwar, so sie brachte, sahe mir allerdings ähnlich; das aber, so mein Weib gebar, sahe dem Knecht so gleich, als wann es ihm aus dem Gesicht wäre geschnitten worden. Zudem hatte diejenige Dame, deren oben gedacht, in ebenderselben Nacht auch eins [111] vor meine Tür legen lassen mit schriftlichem Bericht, daß ich der Vatter wäre, also daß ich auf einmal drei Kinder zusammenbrachte, und war mir nicht anders zu Sinn, als es würde aus jedem Winkel noch eins herfürkriechen, welches mir nicht wenig graue Haar machte. Aber es gehet nit anders her, wann man in einem so gottlosen und verruchten Leben, wie ich eins geführet, seinen viehischen Begierden folget.

Nun was halfs? Ich mußte taufen und mich noch darzu von der Obrigkeit rechtschaffen strafen lassen; und weil die Herrschaft damals eben schwedisch war, ich aber hiebevor dem Kaiser gedienet, ward mir die Zeche desto höher gemachet, welches lauter Präludia meines abermaligen gänzlichen Verderbens waren. Gleichwie mich nun so vielerlei unglückliche Zufälle höchlich betrübten, also nahm es andernteils mein Weibchen nur auf die leichte Achsel, ja sie trillete, tribulierte und plagte mich noch darzu Tag und Nacht wegen des schönen Fundes, der mir vor die Tür geleget, und daß ich um so viel Geldes wäre gestraft worden. Hätte sie aber gewußt, wie es mit mir und der Magd beschaffen gewesen, so würde sie mich noch wohl ärger gequälet haben; aber das gute Mensch war so aufrichtig, daß sie sich durch so viel Geld, als ich sonst ihrentwegen hätte Strafe geben müssen, bereden ließ, ihr Kind einem Stutzer zuzuschreiben, der mich das Jahr zuvor unterweilen besuchet und bei meiner Kochzeit gewesen, den sie aber sonst weiters nit gekannt. Doch mußte sie aus dem Haus, dann mein Weib argwähnete, was ich ihrentwegen vom Knecht gedachte und dorfte doch nichts ahnden, dann ich hätte ihr sonst vorgehalten, daß ich in einer Stunde nicht zugleich bei ihr und der Magd sein können. Indessen ward ich mit dieser Anfechtung heftig gepeiniget, daß ich meinem Knecht ein Kind aufziehen und die meinige nicht meine Erben sein sollten, und daß ich noch darzu stillschweigen und froh sein mußte, daß gleichwohl sonst niemand nichts davon wußte.

Mit solchen Gedanken marterte ich mich täglich, aber mein Weib delektierte sich stündlich mit Wein, dann sie hatte ihr das Kännchen sint unsrer Hochzeit dergestalt angewehnt, daß es ihr selten vom Maul und sie selbsten gleichsam keine Nacht ohne einen ziemlichen Rausch schlafen gieng. Davon soff sie ihrem Kind zeitlich das Leben ab und entzündete ihr selbsten das Gehäng dergestalt, daß es ihr auch bald hernach entfiel und mich wiederum zu einem Witwer machte, welches mir so zu Herzen gieng, daß ich mich fast krank hierüber gelachet hätte.

[112]
Das 10. Kapitel
Das zehnte Kapitel.
Simplex hört an von den Bauern mit Lust,
Was ihnen vom Mummelsee ist bewußt.

Da ich mich nun solchergestalt wieder in meine erste Freiheit gesetzt befand, mein Beutel aber von Geld ziemlich geläret, hingegen meine große Haushaltung mit vielem Biehe und Gesind beladen, nahm ich meinen Petter Melchior vor einen Vatter, meine Göt, seine Frau, vor meine Mutter und den Bankert Simplicium, der mir vor die Tür geleget worden, vor meinen Erben an und übergab diesen beiden Alten Haus und Hof samt meinem ganzen Vermögen bis auf gar wenig gelbe Batzen und Kleinodien, die ich noch auf die äußerste Not gesparet und hinterhalten; dann ich hatte einen Ekel ab aller Weiber Beiwohnung und Gemeinschaft gefaßt, daß ich mir vornahm, weil mirs so übel mit ihnen gangen, mich nicht mehr zu verheuraten. Diese beide alte Eheleute, welche in re rusticorum nicht wohl ihresgleichen mehr hatten, gossen meine Haushaltung gleich in ein ander Modell; sie schafften von Gesind und Viehe ab, was nichts nutzte, und bekamen hingegen auf den Hof, was etwas eintrug. Mein alter Knän oder neuer Vatter samt meiner alten Meuder vertrösteten mich alles Guten und versprachen, wann ich sie nur hausen ließe, so wollten sie mir allweg ein gut Pferd auf der Streu halten und so viel verschaffen, daß ich je zuzeiten mit einem ehrlichen Biedermann ein Maß Wein trinken könnte. Ich spürete auch gleich, was vor Leute meinem Hof vorstunden: mein Petter bestellte mit dem Gesind den Feldbau, schacherte mit Viehe und mit dem Holz- und Harzhandel ärger als ein Jud, und meine Göttel legte sich auf die Viehzucht und wußte die Milchpfennige besser zu gewinnen und zusammenzuhalten als zehen solcher Weiber, wie ich eins gehabt hatte. Auf solche Weise ward mein Baurenhof in kurzer Zeit mit allerhand notwendigem Vorrat, auch groß und kleinem Viehe genugsam versehen, also daß er in Bälde vor den besten in der ganzen Gegend geschätzet ward. Ich aber gieng dabei spazieren und wartete allerhand Kontemplationen ab; dann weil ich sahe, daß meine Göttel mehr aus den Immen an Wachs und Honig vorschlug, als mein Weib hiebevor aus Rindviehe, Schweinen und anderm eroberte, konnte ich mir leicht einbilden, daß sie im übrigen nichts verschlafen würde.

Einsmals spazierte ich im Sauerbrunn, mehr einen Trunk frisch Wasser zu tun, als mich meiner vorigen Gewohnheit [113] nach mit den Stutzern bekannt zu machen; dann ich fieng an, meiner angenommenen Eltern Kargheit nachzuöhmen, welche mir nicht rieten, daß ich mit den Leuten viel umgehen sollte, die ihre und ihrer Eltern Hab so unnützlich verschwendeten. Gleichwohl aber geriet ich zu einer Gesellschaft mittelmäßigen Standes, weil sie von einer seltenen Sache, nämlich von dem Mummelsee, diskurierten, welcher unergründlich und in der Nachbarschaft auf einem von den höchsten Bergen gelegen sei; sie hatten auch unterschiedliche alte Bauersleute beschickt, die erzählen mußten, was einer oder der ander von diesem wunderbarlichen See gehöret hätte, deren Relation ich dann mit großer Lust zuhörete, wiewohl ichs vor eitel Fabuln hielt, dann es lautete also lügenhaftig und lächerlich in meinen Ohren als etliche Schwänke des Plinii.

Einer sagte, wann man ungerad, es sein gleich Erbsen, Steinlein oder etwas anders, in ein Nastüchlein binde und hineinhänge, so verändere es sich in gerad; also auch wann man gerad hineinhänge, so finde man ungerad. Ein anderer, und zwar die meiste, gaben vor und bestätigten es auch mit Exempeln: wann man einen oder mehr Steine hineinwürfe, so erhebe sich gleich, Gott gebe, wie schön auch der Himmel zuvor gewesen, ein grausam Ungewitter mit schröcklichem Regen, Schloßen und Sturmwinden. Von diesem kamen sie auch auf allerhand seltsame Historien, so sich darbei zugetragen, und was sich vor wunderbarliche Spektra von Erd- und Wassermännlein darbei hätten sehen lassen und was sie mit den Leuten geredet. Einer erzählete, daß auf eine Zeit, da etliche Hirten ihr Viehe bei der See gehütet, ein brauner Stier herausgestiegen, welcher sich zu dem andern Rindviehe gesellet, dem aber gleich ein kleines Männlein nachgefolget, ihn wieder zurück in See zu treiben; er hätte aber nicht parieren wollen, bis ihm das Männlein gewünscht hätte, es sollte ihn aller Menschen Leiden ankommen, wann er nicht wieder zurückkehre, auf welche Worte er und das Männlein sich wieder in den See begeben hätten. Ein ander sagte, es sei auf eine Zeit, als der See überfroren gewesen, ein Baursmann mit seinen Ochsen und etlichen Blöchern, daraus man Dielen schneidet, über den See gefahren ohn einzigen Schaden; als ihm aber sein Hund nachkommen, sei das Eis mit ihm gebrochen und der arme Hund allein hinuntergefallen und von selbiger Zeit an nicht mehr gesehen worden. Noch ein ander behauptete bei großer Wahrheit, es sei ein Schütze auf der Spur des Wildes bei der See vorübergangen, der hatte auf demselben ein Wassermännlein [114] sitzen sehen, das einen ganzen Schoß voll gemünzte Goldsorten gehabt und gleichsam damit gespielet hätte; und als er nach demselbigen Feur geben wollen, hätte sich das Männlein geduckt und diese Stimme hören lassen: »Wann du mich gebeten, deiner Armut zu Hülf zu kommen, so wollte ich dich und die Deinige reich genug gemachet haben. Auf solche Weise aber wirst du und deine Nachkömmlinge wohl in der Armut verbleiben müssen.« Das Allerfabelhaftigste aber, das sie erzählten, war dieses: Es seie vor Jahren ein kleines Männlein auf einen späten Abend zu einem Bauren auf die Heidenhöf kommen mit Bitt, er wollte ihn doch über Nacht behalten; der Baur hätte sich entschuldiget, daß er keine übrige Bette vermöchte; wollte er aber in der Stube auf der Bank oder in der Scheur im Heu vorliebnehmen, so wollte er ihme die Nachtherberg gern gönnen. Darauf hätte das Männlein gebeten, er sollte ihm nur erlauben, in seiner Hanfräzen zu schlafen, die ihm lieber sei, als wann er ihn in das beste Bett legte. »Meinethalben,« hätte der Bauer geantwortet, »wann dir damit gedienet ist, so magst du wohl gar in den Weihr oder Brunnentrog schliefen.« Auf solche Bewilligung hätte sich das Männlein in Gegenwart des Bauren in die Hanfräzen begeben und zwischen das binzechtig Grasgewächs im Wasser und Morast hineingewühlet wie ein Frosch, oder als einer, der sich zu kalter Zeit ins Heu vergräbet, darinnen über Nacht zu schlafen. Demnach nun der Bauer des Morgens früh am Tag aufgestanden, sein Gesind zur Arbeit aufzuwecken, da seie das bemeldte Männlein auch aus dem Wasser hervorkommen und vor dem Bauern allerding mit trucknen Kleidern erschienen, wie er sich damit ins Wasser gelegt, dessen sich dann der Bauer nicht unbillig verwundert und gesagt: »Du mußt mir wohl ein seltsamer und wunderbarlicher Gast sein!« – »Ja,« hätte das Männlein geantwortet, »es kann wohl sein, daß meinesgleichen in etlich 100 Jahren hier nicht übernachtet.« Von solchen Reden sei das Männlein mit dem Bauren endlich so weit ins Gespräch kommen, daß es ihme vertrauet, wasmaßen er ein Wassermännlein seie, welches sein Gemahl verloren und in den Mummelsee wollte, dasselbe darinnen zu suchen mit Bitt, er, der Bauer, wollte ihme so viel zu Gefallen sein und ihme den Weg dahin weisen, worzu sich dann der Bauer gern bewegen lassen, weil er bereits an seinen Kleidern gesehen, daß etwas Seltnes an der Person selbst sein müßte, und daß noch mehr verwunderliche Sachen an ihm zu sehen sein würden. Unterwegs hätte der Kleine dem Bauren viel wunderliche Sachen [115] erzählet, wie es hin und wieder in den Seen, darinnen er sein entführtes Weib bereits gesuchet und nicht gefunden, beschaffen, vornehmlich, daß es viel Ungeziefer und sonderlich im Schwarzen See Krotten gebe so groß als ein Bachofen. Als sie aber zum Mummelsee kommen, hätte sich das Männlein hinuntergelassen, doch zuvor den Bauren gebeten, er wollte darbei bis zu seiner Wiederkunft oder bis er ihme ein Wahrzeichen schicke, verziehen. Wie er nun ohngefähr ein paar Stunden bei dem See aufgewartet, seie der Stecken, den das Männlein gehabt, samt ein paar Handvoll Bluts mitten im See durchs Wasser heraufkommen und etliche Schuh hoch in die Luft gesprungen, darbei der Bauer wohl hätte abnehmen mögen, daß dieses das Wahrzeichen gewesen, welches das Männlein zu geben versprochen, auf welche Geschicht dann der Bauer den See wieder quittiert und sich nacher Hause begeben hätte.

Solche und dergleichen mehr Historien, die mir alle als Märlein vorkamen, damit man die Kinder aufhält, hörete ich an, verlachte sie und glaubte nicht einmal, daß ein solcher unergründlicher See auf einem hohen Berge sein könnte; aber es fanden sich noch andere Baursleute, und zwar alte glaubwürdige Männer, die erzähleten, daß noch bei ihrem und ihrer Vätter Gedenken hohe fürstliche Personen den besagten See zu beschauen sich erhoben, wie dann ein regierender Herzog zu Württenberg etc. einen Floß machen und mit demselbigen darauf hineinfahren lassen, seine Tiefe abzumessen; nachdem die Messer aber bereits neun Zwirnnetz (ist ein Maß, das die Schwarzwälder Baurenweiber besser als ich oder ein ander Geometra verstehen) mit einem Senkel hinuntergelassen und gleichwohl noch keinen Boden gefunden, hätte das Floß wider die Natur des Holzes ansahen zu sinken, also daß die, so sich darauf befunden, von ihrem Vornehmen abstehen und sich aus Land salvieren müssen, maßen man noch heutzutag die Stücken des Floß es am Ufer des Sees und zum Gedächtnus dieser Geschicht das fürstliche württenbergische Wappen und andere Sachen mehr in Stein gehauen vor Augen sehe. Andere bewiesen mit vielen Zeugen, daß ein Erzherzog von Österreich etc. den See gar hätte wollen abgraben lassen, es sei ihm aber von vielen Leuten widerraten und durch Bitte der Landleute sein Vornehmen hintertrieben worden aus Forcht, das ganze Land möchte untergehen und ersaufen. Überdas hätten höchstgedachte Fürsten etliche Lägeln voll Forellen in den See sehen lassen; die sein aber alle eh als in einer Stunde in ihrer Gegenwart abgestanden und zum Auslauf des Sees hinausgeflossen, unangesehen [116] das Wasser, so unter dem Gebürg, darauf der See liege, durch das Tal, so von dem See den Namen habe, hinfleußt, von Natur solche Fische hervorbringe, da doch der Auslauf des Sees in dasselbe Wasser sich ergieße.

Das 11. Kapitel
Das elfte Kapitel.
Simplex recht wunderlich Danksagen höret,
Drauf er zu heiligen Gedanken sich kehret.

Dieser letztern Aussage machte, daß ich denen zuerst beinahe völligen Glauben zustellete, und bewog meinen Fürwitz, daß ich mich entschloß, den wunderbaren See zu beschauen. Von denen, so neben mir alle Erzählung gehöret, gab einer dies, der ander jenes Urteil darüber, daraus dann ihre unterschiedliche und wider einander laufende Meinungen gnugsam erhelleten. Ich zwar sagte, der teutsche Name Mummelsee gebe gnugsam zu verstehen, daß es um ihn wie um eine Maskarade ein verkapptes Wesen sei, also daß nicht jeder seine Art sowohl als seine Tiefe ergründen könne, die doch auch noch nicht wäre erfunden worden, da doch so hohe Personen sich dessen unterfangen hätten; gieng damit an denjenigen Ort, allwo ich vorm Jahr mein verstorbenes Weib das erstemal sahe und das süße Gift der Liebe einsoff.

Daselbsten legte ich mich auf das grüne Gras in Schatten nieder; ich achtete aber nicht mehr als hiebevor, was die Nachtigallen daherpfiffen, sondern ich betrachtete, was vor Veränderung ich seithero erduldet. Da stellete ich mir vor Augen, daß ich an eben demselbigen Ort den Anfang gemachet, aus einem freien Kerl zu einem Knecht der Liebe zu werden, daß ich seithero aus einem Offizier ein Baur, aus einem reichen Baur ein armer Edelmann, aus einem Simplicio ein Melchior, aus einem Witwer ein Ehemann, aus einem Ehemann ein Gauch und aus einem Gauch wieder ein Witwer worden wäre; item, daß ich aus eines Baurs Sohn zu einem Sohn eines rechtschaffenen Soldaten und gleichwohl wieder zu einem Sohn meines Knäns worden. Da führete ich zu Gemüt, wie mich seithero mein Fatum des Herzbruders beraubet und hingegen vor ihn mit zweien alten, Eheleuten versorget hätte. Ich gedachte an das gottselige Leben und Absterben meines Vatters, an den erbärmlichen Tod meiner Mutter und darneben auch an [117] die vielfältige Veränderungen, deren ich mein Lebtag unterworfen gewesen, also daß ich mich des Weinens nicht enthalten konnte. Und indem ich zu Gemüt führete, wieviel schön Geld ich die Tage meines Lebens gehabt und unnützlich durch die Gurgel gejaget und verschwendet, zumal solches zu bedauren anfieng, kamen zween gute Schlucker oder Weinbeißer, denen die Colica in die Glieder geschlagen, deswegen sie dann erlahmet und das Bad samt dem Saurbrunn brauchten. Die satzten sich zunächst bei mir nieder, weil es eine gute Ruhestatt hatte, und klagte je einer dem andern seine Not, weil sie vermeineten, allein zu sein. Der eine sagte: »Mein Doktor hat mich hieher gewiesen als einen, an dessen Gesundheit er verzweifelt, oder als einen, der neben andern dem Wirt um das Fäßlein mit Butter, so er ihm neulich geschickt, Satisfaktion tun solle; ich wollte, daß ich ihn entweder die Tage meines Lebens niemals gesehen oder daß er mir gleich anfangs in Saurbrunn geraten hätte, so würde ich entweder mehr Geld haben oder gesünder sein als jetzt, dann der Saurbrunn schlägt mir wohl zu.« – »Ach!« antwortete der ander, »ich danke meinem Gott, daß er mir nicht mehr überflüssig Geld bescheret hat, als ich vermag; dann hätte mein Doktor noch mehr hinter mir gewußt, so hätte er mir noch lang nicht in Saurbrunn geraten, sondern ich hätte zuvor mit ihm und seinen Apothekern, die ihn deswegen alle Jahr schmieren, teilen müssen, und hätte ich darüber sterben und verderben sollen. Die Schabhälse raten unsereinem nicht eher an ein so heilsam Ort, sie getrauen dann nit mehr zu helfen oder wissen nichts mehr an einem zu ropfen. Wann man die Wahrheit bekennen will, so muß ihnen derjenige, so sich hinter sie läßt, und hinter welchem sie Geld wissen, nur lohnen, daß sie einen krank erhalten.«

Diese zween hatten noch viel Schmähens über ihre Doctores, aber ich mags darum nicht alles erzählen, dann die Herren Medici möchten mir sonst feind werden und künftig eine Purgation eingeben, die mir die Seele austreiben möchte. Ich melde dies allein deswegen, weil mich der letztere Patient mit seiner Danksagung, daß ihm Gott nicht mehr Geld bescheret, dergestalt tröstete, daß ich alle Anfechtungen und schwere Gedanken, die ich damals des Geldes halber hatte, aus dem Sinn schlug. Ich resolvierte mich, weder mehr nach Ehren noch Geld noch nach etwas anders, das die Welt liebet, zu trachten. Ja, ich nahm mir vor zu philosophieren und mich eines gottseligen Lebens zu befleißen, zumalen meine Unbußfertigkeit [118] zu bereuen und mich zu erkühnen, gleich meinem Vatter sel., auf die höchste Staffeln der Tugenden zu steigen.

Das 12. Kapitel
Das zwölfte Kapitel.
Simplex mit Sylphis ins Zentrum der Erden
Fähret urplötzlich und ohne Beschwerden.

Die Begierde, den Mummelsee zu beschauen, vermehrete sich bei mir, als ich von meinem Petter verstund, daß er auch dabei gewesen und den Weg darzu wisse. Da er aber hörete, daß ich überein auch darzu wollte, sagte er: »Und was werdet Ihr dann davontragen, wann Ihr gleich hinkommt? Der Herr Sohn und Petter wird nichts anders sehen als ein Ebenbild eines Weihers, der mitten in einem großen Wald liegt, und wann er seine jetzige Lust mit beschwerlicher Unlust gebüßet, so wird er nichts anders als Reue, müde Füße (dann man kann schwerlich hinreuten) und den Hergang vor den Hingang davon haben. Es sollte mich kein Mensch hingebracht haben, wann ich nicht hätte hinfliehen müssen, als der Doktor Daniel (er wollte Duc d'Anguin sagen) mit seinen Kriegern das Land hinunter vor Philippsburg zog.« Hingegen kehrete sich mein Fürwitz nicht an seine Abmahnung, sondern ich bestellete einen Kerl, der mich hinführen sollte. Da er nun meinen Ernst sahe, sagte er, weil die Habersaat fürüber und auf ôem Hof weder zu hauen noch zu ernten, wollte er selbst mit mir gehen und den Weg weisen; dann er hatte mich so lieb, daß er mich ungern aus dem Gesicht ließ, und weil die Leute im Land glaubten, daß ich sein leiblicher Sohn sei, prangte er mit mir und tät gegen mir und jedermann, wie etwan ein gemeiner armer Mann gegen seinem Sohn tun möchte, den das Glück ohn sein Zutun und Befürderung zu einem großen Herrn gemachet hätte.

Also wanderten wir miteinander über Berg und Tal und kamen zu dem Mummelsee, eh wir sechs Stunden gegangen hatten, dann mein Petter war noch so käfermäßig und so wohl zu Fuß als ein Junger. Wir verzehreten daselbst, was wir von Speis und Trank mit uns genommen, dann der weite Weg und die Höhe des Bergs, auf welchem der See liegt, hatte uns hungerig und hellig gemacht. Nachdem wir sich aber erquickt, beschauete ich den See und fand gleich etliche gezimmerte Hölzer darin liegen, die ich und mein Knän vor Rudera des württenbergischen [119] Floßes hielten. Ich nahm oder maß die Länge und Breite des Wassers vermittelst der Geometriae, weil gar beschwerlich war, um den See zu gehen und denselben mit Schritten und Schuhen zu messen, und brachte seine Beschaffenheit vermittelst des verjüngten Maßstabs in mein Schreibtäfelein; und als ich damit fertig, zumaln der Himmel durchaus hell und die Luft ganz windstill und wohltemperiert war, wollte ich auch probieren, was Wahrheit an der Sagmär wäre, daß ein Ungewitter entstehe, wann man einen Stein in die See werfe; sintemal ich allbereit die Hörsage, daß der See keine Forellen leide, am mineralischen Geschmack des Wassers wahr zu sein befunden.

Solche Probe nun ins Werk zu setzen, gieng ich gegen der linken Hand am See hin an denjenigen Ort, da das Wasser, welches sonst so hell ist als ein Kristall, wegen der abscheulichen Tiefe des Sees gleichsam kohlschwarz zu sein scheinet und deswegen so förchterlich aussiehet, daß man sich auch nur vor dem Anblick entsetzet. Daselbst fieng ich an, so große Steine hineinzuwerfen, als ich sie immermehr erheben und ertragen konnte. Mein Petter oder Knän wollte mir nicht allein nicht helfen, sondern warnete und bat mich, davon abzustehen, soviel ihm immer müglich; ich aber kontinuierete meine Arbeit emsig fort, und was ich von Steinen ihrer Größe und Schwere halben nicht ertragen mochte, das walgerte ich herbei, bis ich deren über 30 in See brachte. Da fieng die Luft an, den Himmel mit schwarzen Wolken zu bedecken, in welchen ein grausames Donnern gehöret ward, also daß mein Petter, welcher jenseit des Sees bei dem Auslauf stund und über meine Arbeit lamentierte, mir zuschriee, ich sollte mich doch salvieren, damit uns der Regen und das schröckliche Wetter nicht ergreife oder noch wohl ein größer Unglück betreffe. Ich aber antwortete ihm hingegen: »Vatter, ich will bleiben und des Endes erwarten, und sollte es auch Helleparten regnen.« – »Ja,« antwortete mein Knän, »Ihr macht es wie alle verwegene Buben, die sich nichts darum geheien, wanngleich die ganze Welt untergienge.«

Indem ich nun diesem seinem Schmälen so zuhörete und mich doch nichts daran kehrte, verwandte ich die Augen nicht von der Tiefe des Sees, in Meinung, etwan etliche Blattern oder Blasen vom Grund desselbigen aufsteigen zu sehen, wie zu geschehen pfleget, wann man in andere tiefe, so stillstehende als fließende Wasser, Steine wirft; aber ich ward nichts dergleichen gewahr, sondern sahe sehr weit gegen den Abyssum etliche Kreaturen im Wasser herumfladern, die mich der Gestalt [120] nach an Frösche ermahneten und gleichsam wie Schwärmerlein aus einer aufgestiegenen Raket, die in der Luft ihre Würkung der Gebühr nach vollbringet, herumvagierten; und gleichwie sich dieselbige mir je länger je mehr näherten, also schienen sie auch in meinen Augen je länger, je größer und an ihrer Gestalt den Menschen desto ähnlicher, weswegen mich dann erstlich eine große Verwunderung und endlich, weil ich sie so nahe bei mir hatte, ein Grausen, Schrecken und Entsetzen ankam. »Ach!« sagte ich damal vor Schrecken und Verwunderung zu mir selber und doch so laut, daß es mein Knän, der jenseit dem See stund, wohl hören konnte, wiewohl es schröcklich donnerte, »wie seind die Wunderwerke des Schöpfers auch sogar im Bauch der Erden und in der Tiefe des Wassers so groß!« Kaum hatte ich diese Wort recht ausgesprochen, da war schon eins von diesen Sylphis oben auf dem Wasser, das antwortete: »Siehe, das bekennest du, ehe du etwas davon gesehen hast; was würdest du wohl sagen, wann du erst selbst im Centro terrae wärest und unsre Wohnung, die dein Fürwitz beunruhiget, beschauetest?« Unterdessen kamen noch mehr dergleichen Wassermännlein hier und dort, gleichsam wie die Tauchentlein, hervor, die mich alle ansahen und die Steine wieder herausbrachten, die ich hineingeworfen, worüber ich ganz erstaunete. Der erste und vornehmste aber unter ihnen, dessen Kleidung wie lauter Gold und Silber glänzete, warf mir einen leuchtenden Stein zu, so groß als ein Taubenei und so grün und durchsichtig als Schmaragd, mit diesen Worten: »Nimm hin dies Kleinod, damit du etwas von uns und diesem See zu sagen wissest!« Ich hatte ihn aber kaum aufgehoben und zu mir gesteckt, da ward mir nicht anderst, als ob mich die Luft hätte ersticken oder ersäufen wollen, derhalben ich mich dann nicht länger aufrechtbehalten konnte, sondern herumtaumelte wie eine Garnwinde und endlich gar in See hinunterfiel. Sobald ich aber ins Wasser kam, erholete ich mich wieder aufs neue und brauchte aus Kraft des Steins, den ich bei mir hatte, im Atmen das Wasser anstatt der Luft; ich konnte auch gleich so wohl als die Wassermännlein mit geringer Mühe im See herumwebern, maßen ich mich mit denselben in Abgrund hinabtät, so mickh an nichts anders ermahnete, als wann sich eine Schar Vögel mit Umschweifen aus dem obersten Teil der temperierten Luft gegen der Erde niederlässet.

Da mein Knän dies Wunder zum Teil (nämlich soviel oberhalb des Wassers geschehen) samt meiner gählingen Verzückung gesehen, trollete er sich vom See hinweg und heim [121] zu, als ob ihm der Kopf brennte. Daselbst erzählte er allen Verlauf, vornehmlich aber, daß die Wassermännlein diejenige Steine, so ich in See geworfen, wieder in vollem Donnerwetter heraufgetragen und an ihre vorige Statt gelegt, hingegen aber mich mit ihnen hinuntergenommen hätten. Etliche glaubten ihm, die meiste aber hielten es vor eine Fabel; andere bildeten sich ein, ich hätte mich wie ein anderer Empedokles Agrigentinus (welcher sich in den Berg Aetnam gestürzt, damit jedermann gedenken sollte, wann man ihn nirgend finde, er wäre gen Himmel gefahren) selbst im See ertränkt und meinem Vatter befohlen, solche Fabuln von mir auszugeben, um mir einen unsterblichen Namen zu machen; man hätte eine Zeitlang an meinem melancholischen Humor wohl gesehen, daß ich halber desperat gewesen wäre, etc. Andere hätten gern geglaubt, wann sie meine Leibskräften nicht gewußt, mein angenommener Vatter hätte mich selbst ermordet, damit er als ein geiziger alter Mann meiner los würde und allein Herr auf meinem Hof sein möchte, also, daß man um diese Zeit von sonsten nichts als von dem Mummelsee, von mir und meiner Hinfahrt und von meinem Petter beides, im Saurbrunn und auf dem Land, zu sagen und zu raten wußte.

Das 13. Kapitel
Das dreizehnte Kapitel.
Simplex vom Prinzen der Mummelsee höret
Wunderding, dran er sich nicht wenig kehret.

Plinius schreibet im Ende des zweiten Buchs vom Geometra Dionysio Doro, daß dessen Freunde einen Brief in seinem Grab gefunden, den er, Dionysius, geschrieben und darin berichtet, daß er aus seinem Grab bis in das mittelste Zentrum der Erden sei kommen und befunden, daß 42000 Stadia bis dahin sein. Der Fürst über die Mummelsee aber, so mich begleitet und obigergestalt vom Erdboden hinweggeholet hatte, sagte mir vor gewiß, daß sie aus dem Centro terrae bis an die Luft durch die halbe Erde just 900 teutscher Meilen hätten, sie wollten gleich in Teutschland oder zu denen Antipodibus, und solche Reisen müßten sie alle durch dergleichen See nehmen, deren hin und wieder so viel in der Welt als Tage im Jahr sein, welcher Ende oder Abgründe alle bei ihres Königs Wohnung zusammenstießen. Diese große Weite nun passierten wir eh als in einer Stunde, also daß wir mit unserer schnellen Reise des Monden Lauf sehr wenig oder gar nichts bevor gaben; und [122] dannoch geschahe solches so gar ohne alle Beschwerung, daß ich nicht allein keine Müdigkeit empfand, sondern auch in solchem sanften Abfahren mit obgemeldten Mummelseeerprinz allerhand diskurieren konnte; dann da ich seine Freundlichkeit vermerkte, fragte ich ihn, zu was Ende sie mich einen so weiten, gefährlichen und allen Menschen ungewöhnlichen Weg mit sich nähmen. Da antwortete er mir gar bescheiden, der Weg sei nicht weit, den man in einer Stunde spazieren könnte, und nicht gefährlich, dieweil ich ihn und seine Gesellschaft mit dem überreichten herrlichen Stein bei mir hätte; daß er mir aber ungewöhnlich vorkomme, sei sich nichts zu verwundern; sonst hätte er mich nicht allein aus seines Königs Befelch, der etwas mit mir zu reden, abgeholet, sondern daß ich auch gleich die seltsame Wunder der Natur unter der Erde und in Wassern beschauen sollte, deren ich mich zwar bereits auf dem Erdboden verwunderte, eh ich noch kaum einen Schatten davon gesehen. Darauf bat ich ihn ferner, er wollte mich doch berichten, zu was Ende der gütige Schöpfer so viel wunderbarliche Seen erschaffen, sintemal sie, wie mich dünkte, keinem Menschen nichts nutzten, sondern viel ehender Schaden bringen könnten. Er antwortete: »Du fragst billig um dasjenige, was du nicht weißt oder verstehest. Diese Seen sind dreierlei Ursachen willen erschaffen: dann erstlich werden durch sie alle Meere, wie die Namen haben, und sonderlich der große Oceanus, gleichsam wie mit Nägeln an die Erde geheftet; zweitens werden von uns durch diese See (gleichsam als wie durch Teichel, Schläuche oder Stiefeln bei einer Wasserkunst, deren ihr Menschen euch gebrauchet) die Wasser aus dem Abyssu des Oceani in alle Quellen des Erdbodens getrieben (welches dann unser Geschäft ist), wovon alsdann alle Brünnen in der ganzen Welt fließen, die großen und kleinen Wasserflüsse entstehen, der Erdboden befeuchtiget, die Gewächse erquicket und beides, Menschen und Viehe, getränket werden; drittens, daß wir als vernünftige Kreaturen Gottes hierin leben, unser Geschäfte verrichten und Gott den Schöpfer in seinen großen Wunderwerken loben sollen. Hierzu nun seind wir und solche Seen erschaffen und werden auch bis an den Jüngsten Tag bestehen. Wann wir aber gegen derselben letzten Zeit unsere Geschäfte, darzu wir von Gott und der Natur erschaffen und verordnet sind, aus einer oder andern Ursache unterlassen müssen, so muß auch notwendig die Welt durchs Feur untergehen, so aber vermutlich nicht ehender geschehen kann, es sei dann, daß ihr den Mond (donec auferatur luna, Psal. 71), Venerem oder [123] Martem als Morgen- und Abendstern verlieret; dann es müßten die generationes fructuum et animalium erst vergehen und alle Wasser verschwinden, eh sich die Erde von sich selbst durch der Sonnen Hitze entzünde, calciniere und wiederum regeneriere. Solches aber gebühret uns nicht zu wissen, ist auch allein Gott bekannt, außer was wir etwan mutmaßen und eure Chymici aus ihrer Kunst daherlallen.«

Da ich ihn so reden und die Hl. Schrift anziehen hörete, fragte ich, ob sie sterbliche Kreaturen wären, die nach der jetzigen Welt auch ein künftiges Leben zu hoffen hätten, oder ob sie Geister sein, welche, solang die Welt stünde, nur ihre anbefohlene Geschäfte verrichten. Darauf antwortete er: »Wir sind keine Geister, sondern sterbliche Leutlein, die zwar von Gott wie ihr Menschen mit vernünftigen Seelen begabet, welche aber samt den Leibern dahinsterben und vergehen. Gott ist zwar so wunderbar in seinen Werken, daß sie keine Kreatur auszusprechen vermag; doch will ich dir, soviel unsre Art anbelanget, simpliciter erzählen, daß du daraus fassen kannst, wieweit wir von den andern Kreaturen Gottes zu unterscheiden sein. Die heilige Engel sind Geister zum Ebenbild Gottes, gerecht, verständig, frei, keusch, hell, schön, klar, geschwind und unsterblich, zu dem Ende erschaffen, daß sie in ewiger Freude Gott loben, rühmen, ehren und preisen, in dieser Zeitlichkeit aber der Kirche Gottes hier auf Erden auf den Dienst warten und die allerheiligste göttliche Befelche verrichten sollen deswegen sie dann auch zuzeiten Nuncii genennet werden. Und ihrer seind auf einmal so viel hundert tausendmal tausend Millionen erschaffen worden, als der göttlichen Weisheit wohlgefällig gewesen. Nach dem aber aus ihrer großen Anzahl unaussprechlich viel, die sich ihres hohen Adels überhoben, aus Hoffart gefallen, seind erst euere erste Eltern von Gott mit einer vernünftigen und unsterblichen Seele zu seinem Ebenbild erschaffen und deswegen mit Leibern begabet worden, daß sie sich aus sich selbsten vermehren sollten, bis ihr Geschlecht die Zahl der gefallenen Engel wiederum erfülle. Zu solchem Ende nun ward die Welt erschaffen mit allen andern Kreaturen, daß der irdische Mensch, bis sich sein Geschlecht so weit vermehrete, [daß] die angeregte Zahl der gefallenen Engel damit ersetzt werden könnte, darauf wohnen, Gott loben und sich aller anderer erschaffenen Dinge auf der ganzen Erdkugel, als worüber ihn Gott zum Herrn gemachet, zu Gottes Ehren und zu seines Nahrung bedörftigen Leibes Aufenthaltung bedienen sollte. Damals hatte der Mensch diesen Unterscheid [124] zwischen ihm und den hl. Engeln, daß er mit der irdischen Bürde seines Leibes beladen und nicht wußte, was gut und böse war, und dahero auch nicht so stark und geschwind als ein Engel sein konnte, hatte hingegen aber auch nichts Gemeines mit den unvernünftigen Tieren. Demnach er aber durch den Sündenfall im Paradeis seinen Leib dem Tod unterwarf, schätzten wir ihn das Mittel zu sein zwischen den heiligen Engeln und den unvernünftigen Tieren. Dann gleichwie eine heilige entleibte Seele eines zwar irdischen, doch himmlisch gesinnten Menschen alle gute Eigenschaft eines heiligen Engels an sich hat, also ist der entseelte Leib eines irdischen Menschen, der Verwesung nach, gleich einem andern Aas eines unvernünftigen Tiers. Uns selbsten aber schätzen wir vor das Mittel zwischen euch und allen andern lebendigen Kreaturen der Welt, sintemal, obgleich wir wie ihr vernünftige Seelen haben, so sterben jedoch dieselbige mit unsern Leibern gleich hinweg, gleichsam als wie die lebhafte Geister der unvernünftigen Tiere in ihrem Tod verschwinden. Zwar ist uns kundbar, daß ihr durch den ewigen Sohn Gottes, durch welchen wir dann auch erschaffen, aufs allerhöchste geadelt worden, indem er euer Geschlecht angenommen, der göttlichen Gerechtigkeit genuggetan, den Zorn Gottes gestillet und euch die ewige Seligkeit wiederum erworben, welches alles euer Geschlecht dem unserigen weit vorziehet. Aber ich rede und verstehe hier nichts von der Ewigkeit, weil wir deren zu genießen nicht fähig sein, sondern allein von dieser Zeitlichkeit, in welcher der allergütigste Schöpfer uns gnugsam beseligt, als mit einer guten gesunden Vernunft, mit Erkenntnüs des allerheiligsten Willens Gottes, soviel uns vonnöten, mit gesunden Leibern, mit langem Leben, mit der edlen Freiheit, mit gnugsamer Wissenschaft, Kunst und Verstand aller natürlichen Dinge; und endlich, so das allermeiste ist, sind wir keiner Sünde, und dannenhero auch keiner Strafe, noch dem Zorn Gottes, ja nicht einmal der geringsten Krankheit unterworfen, welches alles ich dir darum so weitläufig erzählet und auch deswegen der hl. Engel, irdischen Menschen und unvernünftigen Tieren gedacht, damit du mich desto besser verstehen könnest.« Ich antwortete, es wollte mir dannoch nicht in Kopf, da sie keiner Missetat und also auch keiner Strafe unterworfen, worzu sie dann eines Königs bedürftig; item, wie sie sich der Freiheit rühmen könnten, wann sie einem König unterworfen; item, wie sie geboren werden und wieder sterben könnten, wann sie gar keinen Schmerzen oder Krankheit zu leiden geartet wären. Darauf antwortete mir das [125] Prinzlein, sie hätten ihren König nicht, daß er Justitiam administrieren, noch daß sie ihm dienen sollten, sondern daß er wie der König oder Weisel in einem Immenstock ihre Geschäfte dirigiere, und gleichwie ihre Weiber in coitu keine Wollust empfänden, also sein sie hingegen auch in ihren Geburten keinen Schmerzen unterworfen, welches ich etlichermaßen am Exempel der Katzen abnehmen und glauben könnte, die zwar mit Schmerzen empfahen, aber mit Wollust gebären. So stürben sie auch nicht mit Schmerzen oder aus hohem gebrechlichem Alter, weniger aus Krankheit; sondern gleichsam als ein Liecht verlösche, wann es seine Zeit geleuchtet habe, also verschwinden auch ihre Leiber samt der Seelen. Gegen der Freiheit, deren er sich gerühmt, sei die Freiheit des allergrößten Monarchen unter uns irdischen Menschen gar nichts, ja nicht soviel als ein Schatten zu rechnen; dann sie könnten weder von uns noch andern Kreaturen getötet noch zu etwas Unbeliebigem genötiget, viel weniger befängnüst werden, weil sie Feuer, Wasser, Luft und Erde ohn einzige Mühe und Müdigkeit (von deren sie gar nichts wüßten) durchgehen könnten. Darauf sagte ich: »Wann es mit euch so beschaffen, so ist euer Geschlecht von unserm Schöpfer weit höher geadelt und beseligt als das unserige.« – »Ach nein!« antwortete der Fürst, »ihr sündiget, wann ihr dies glaubet, indem ihr die Güte Gottes einer Sache beschuldiget, die nicht so ist; dann ihr seid weit mehrers beseligt als wir, indem ihr zu der seligen Ewigkeit, um das Angesicht Gottes unaufhörlich anzuschauen, erschaffen, in welchem seligen Leben eurer einer, der selig wird, in einem einzigen Augenblick mehr Freude und Wonne als unser ganzes Geschlecht von Anfang der Erschaffung bis an den Jüngsten Tag geneußt.« Ich sagte: »Was haben darum die Verdammte davon?« Er antwortete mir mit einer Widerfrage und sagte: »Was kann die Güte Gottes davor, wann euer einer sein selbst vergisset, sich der Kreaturen der Welt und deren schändlichen Wollüsten ergiebet, seinen viehischen Begierden den Zügel schießen lässet, sich dadurch dem unvernünftigen Viehe, ja durch solchen Ungehorsam gegen Gott mehr den höllischen als seligen Geistern gleichmachet? Solcher Verdammten ewiger Jammer, worein sie sich selbst gestürzt haben, benimmt darum der Hoheit und dem Adel ihres Geschlechts nichts, sintemal sie so wohl als andere in ihrem zeitlichen Leben die ewige Seligkeit hätten erlangen mögen, da sie nur auf dem darzu verordneten Weg hätten wandlen wollen.«

[126]
Das 14. Kapitel
Das vierzehnte Kapitel.
Simplex noch weiter sehr viel diskuriert,
Als er vom Prinzen wird weitergeführt.

Ich sagte zu dem Fürstlein, weil ich auf dem Erdboden ohndas mehr Gelegenheit hätte, von dieser Materia zu hören, als ich mir zunutz machte, so wollte ich ihn gebeten haben, er wollte mir doch davor die Ursache erzählen, warum zuzeiten ein so groß Ungewitter entstehe, wann man Steine in solche See werfe; dann ich erinnerte mich von dem Pilatussee im Schweizerland ebendergleichen gehört, und vom See Camarina in Sicilia ein solches gelesen zu haben, von welchem die Phrasis entstanden »Camarinam movere«. Er antwortete: »Weil alles, das schwer ist, nicht eher gegen dem Centro terrae zu fallen aufhöret, wann es in ein Wasser geworfen wird, es treffe dann einen Boden an, darauf es unterwegs liegen verbleibe, hingegen diese Seen alle miteinander bis auf das Zentrum ganz bodenlos und offen seind, also daß die Steine, so hineingeworfen werden, notwendig und natürlicherweise in unsere Wohnung fallen und liegen bleiben müßten, wann wir sie nicht wieder zu ebendem Ort, da sie herkommen, von uns hinausschafften; als tun wir solches mit einer Ungestüme, damit der Mutwille derjenigen, so sie hineinzuwerfen pflegen, abgeschreckt und im Zaum gehalten werden möge, so dann eins von den vornehmsten Stücken unsers Geschäfts ist, darzu wir erschaffen. Sollten wir aber gestatten oder gleichsam stillschweigend leiden, daß ohn dergleichen Ungewitter die Steine eingeschmissen und wieder ausgeschafft würden, so käme es endlich darzu, daß wir nur mit denen mutwilligen Leuten zu tun hätten, die uns täglich von allen Orten der Welt her aus Kurzweile Steine zusendeten. Und an dieser einzigen Verrichtung, die wir zu tun haben, kannst du die Notwendigkeit unsers Geschlechts abnehmen, sintemal, da obigergestalt die Steine von uns nicht ausgetragen und doch täglich durch soviel dergleichen unterschiedliche Seen, die sich hin und wieder in der Welt befinden, dem Centro terrae, darin wir wohnen, so viel zugeschickt würden, so müßten endlich zugleich die Gebäude, damit das Meer an die Erde geheftet und befestiget, zerstöret, und die Gänge, dadurch die Quellen aus dem Abgrund des Meers hin und wieder auf die Erde geleitet, verstopft werden, das dann nichts anders als eine schädliche Konfusion und der ganzen Welt Untergang mit sich bringen könnte.«

Ich bedankte mich dieser Kommunikation und sagte: »Weil [127] ich verstehe, daß euer Geschlecht durch solche See alle Quellen und Flüsse auf dem ganzen Erdboden mit Wasser versiehet, so werdet ihr auch Bericht neben können, warum sich die Wasser nicht alle gleich befinden, beides, an Geruch, Geschmack etc. und der Kraft und Würkung, da sie doch ihre Wiederkehrung, wie ich verstanden, ursprünglich alle aus dem Abgrund des großen Oceani hernehmen, darein sich alle Wasser wiederum ergießen. Dann etliche Quellen seind liebliche Saurbrünnen und taugen zu der Gesundheit; etliche sind zwar saur, aber unfreundlich und schädlich zu trinken, und andere seind gar tödlich und vergift, wie derjenige Brunn in Arcadia, damit Jolla dem Alexandro Magno vergeben haben solle. Etliche Brunnquellen seind laulicht, etliche siedent heiß, und andere eiskalt; etliche fressen durch Eisen als Aqua fort, wie einer in Zepusio oder der Grafschaft Zips in Ungarn; andere hingegen heilen alle Wunden, als sich dann einer in Thessalia befinden solle; etliche Wasser werden zu Stein, andere zu Salz und etliche zu Victriol. Der See bei Zirknitz in Kärnten hat nur Winterszeit Wasser, und im Sommer liegt er allerdings trocken; der Brunn bei Aengstlen lauft nur Sommerszeit und zwar nur zu gewissen Stunden, wann man das Viehe tränket; der Schändlebach bei Obernähenheim lauft nicht eher, als wann ein Unglück übers Land kommen solle. Und der Fluvius Sabbaticus in Syria bleibet allezeit den siebenden Tag gar aus, worüber ich mich oftermal, wann ich der Sache nachgedacht und die Ursache nit ersinnen können, zum allerhöchsten verwundern mußte.«

Hierauf antwortete der Fürst, diese Dinge alle miteinander hätten ihre natürliche Ursachen, welche dann von den Naturkündigern unsers Geschlechtes mehrenteils aus denen unterschiedlichen Gerüchen, Geschmacken, Kräften und Würkungen der Wasser genugsam erraten, abgenommen und auf dem Erdboden wären offenbaret und bekannt gemacht worden. Wann ein Wasser von ihrer Wohnung an bis zu seinem Auslauf, welchen wir die Quelle nenneten, nur durch allerhand Steine laufe, so verbleibe es allerdings kalt und süß; dafern es aber auf solchem Weg durch und zwischen die Metalla passiere (dann der große Bauch der Erden sei innerlich nicht an einem Ort wie am andern beschaffen), als da sei Gold, Silber, Kupfer, Zinn, Blei, Eisen, Quecksilber etc., oder durch die halbe Mineralia, nämlich Schwefel, Salz mit allen seinen Gattungen, als naturale, sal gemmae, sal petrae, sal nativum, sal radicum, sal nitrum, sal armoniacum, sal petrae, etc. weiße, rote, gelbe und grüne Farben, Victril, marchasita aurea, [128] argentea, plumbea, ferrea, lapis lazuli, alumen, arsenicum, antimonium, risigallum, Electrum naturale, Chrisocolla, sublimatum etc., so nehme es deren Geschmack, Geruch, Art, Kraft und Würkung an sich, also daß es den Menschen entweder heilsam oder schädlich werde. Und ebendaher hätten wir so unterschiedlich Salz; dann etliches sei gut und etliches schlecht. »Zu Cervia und Comachio ist es ziemlich schwarz, zu Memphis rötlich, in Sicilia schneeweiß, das centaropische ist purpurfärbig und das cappadocische gelblecht. Betreffend aber die warme Wasser,« sagte er, »so nehmen dieselbe ihre Hitze von dem Feuer an sich, das in der Erde brennet, welches sowohl als unsere See hin und wieder seine Luftlöcher und Kamine hat, wie man am berühmten Berg Ätna in Sicilia, Hekla in Island, Gumapi in Banda, und andern mehr abnehmen mag. Was aber den Zirknitzer See anlanget, so wird dessen Wasser Sommerszeit bei der Kärntner Antipodibus gesehen und der Aengstlerbrunn an andern Orten des Erdbodens zu gewissen Stunden und Zeiten des Jahrs und Tags anzutreffen sein, ebendasjenige zu tun, was er bei den Schweizern verrichtet. Gleiche Beschaffenheit hat es mit der Obernäheimer Schändlibach, welche Quellen alle durch unsers Geschlechtes Leutlein nach dem Willen und Ordnung Gottes, um sein Lob dadurch bei euch zu vermehren, solchergestalt geleitet und geführet werden. Was den Fluvium Sabbaticum in Syria betrifft, pflegen wir in unsrer Wohnung, wann wir den siebenden Tag feiern, uns in dessen Ursprung und Kanal, als das lustigste Ort unsers ganzen Aequatori, sich zu lägern und zu ruhen, deswegen dann ermeldter Fluß nicht laufen mag, solang wir daselbst dem Schöpfer zu Ehren feierlich verharren.«

Nach solchem Gespräch fragte ich den Prinz, ob auch müglich sein könnte, daß er mich wieder durch einen andern als den Mummelsee auch an ein ander Ort der Erden auf die Welt bringen könnte. »Freilich,« antwortete er, »warum das nicht, wann es nur Gottes Wille ist? Dann auf solche Weise haben unsere Voreltern vor alten Zeiten etliche Kananäer, die dem Schwert Josua entronnen und sich aus Desperation in einen solchen See gesprenget, in Americam geführet, maßen deren Nachkömmlinge noch auf den heutigen Tag den See zu weisen wissen, aus welchem ihre Ureltern anfänglich entsprungen und hervorgekommen.« Als ich nun sahe, daß er sich über meine Verwunderung verwunderte, gleichsam als ob seine Erzählung nicht verwundernswürdig wäre, sagte ich zu ihm, ob sie sich dann nicht auch verwunderten, da sie etwas Seltenes und Ungewöhnliches von uns Menschen sahen. Hierauf antwortete er: »Wir [129] verwundern uns an euch nichts mehrers, als daß ihr euch, da ihr doch zum ewigen seligen Leben und den unendlichen himmlischen Freuden erschaffen, durch die zeitliche und irdische Wollüste, die doch so wenig ohne Unlust und Schmerzen als die Rosen ohn Dörner sind, dergestalt betören lassen, daß ihr dardurch eure Gerechtigkeit am Himmel verlieret, euch der fröhlichen Anschauung des allerheiligsten Angesichtes Gottes beraubet und zu den verstoßenen Engeln in die ewige Verdammnüs stürzet! Ach, möchte unser Geschlecht an eurer Stelle sein, wie würde sich jeder befleißen, in dem Augenblick eurer nichtigen und flüchtigen Zeitlichkeit die Probe besser zu halten als ihr. Dann das Leben, so ihr habet, ist nicht euer Leben; sondern euer Leben oder der Tod wird euch erst gegeben, wann ihr die Zeitlichkeit verlasset; das aber, was ihr das Leben nennet, ist gleichsam nur ein Moment und Augenblick, so