Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
Der seltsame Springinsfeld,

Das ist
kurzweilige, lusterweckende und recht lächerliche Lebensbeschreibung

Eines weiland frischen,

wohlversuchten und tapfern Soldaten,

Nunmehro aber ausgemergelten, abgelebten, doch dabei recht verschlagnen Landstörzers und Bettlers.

Aus Anortnung des weit und breit bekannten Simplicissimi

[Motto]

[113]
Vor Zeiten nennt man mich den tollen Springinsfeld,
Da ich noch jung und frisch mich tummelt in der Welt,
Zu werden reich und groß durch Krieg und Kriegeswaffen
Oder, wann das nit glückt, soldatisch einzuschlaffen;
Mein Fatum, was tät das? die Zeit und auch das Glück?
Sie stimmten in ein Horn, zeigten mir ihre Tück!
Ich wurd des Glückes Ball, mußt wie das Glück umwälzen,
Mich lassen richten zu, daß ich nun brauch ein Stelzen;
Stelz jetzt vors Bauren Tür, im Land von Haus zu Haus,
Bitt den ums liebe Brot, den ich so oft jagt aus!
Und zeig der ganzen Welt durch mein armselig Leben,
Daß teils Soldaten jung alte Bettler abgeben.
[113]

Das 1. Kapitel

[114] [117]Das I. Kapitel.
Was vor eine schwer verdäuliche Veranlassung den Autor zu Verfassung dieses Werkleins befördert.

Als ich verwichne Weihnachtmeß in eines vornehmen Herrn Hof mit höchstverdrießlicher Patienz umb eine Resolution zu erlangen aufwartete auf eine Supplikation, darinnen ich gar beweglich umb einen Schreiberdienst gebetten und in derselben meinen hohen Fleiß mit den allerandächtigsten Worten gerühmt, auch die Beständigkeit meiner unvergleichlichen Treu genugsam versichert hatte, gleichwohl aber der gewünschte Bescheid dermaleins nicht kommen wollte, siehe, da wurde ich noch viel ungedultiger, vornehmlich als ich sahe, daß die schmutzige Kuchen- und stinkende Stallratzen in ihrer Ästimation passiert, ich aber wie ein ungesalzener Stockfisch, den man auch keiner fernerer Versuchung würdigt, verachtet wurde. Ich hatte damals allerlei Gedanken und grillenhaftige Einfäll, und wie ich in erstgedachter Bursche höhnischen Angesichtern lesen konnte, bedunkte mich, sie würden sich endlich underfangen, mir den Hut zu drehen und den Kunzen mit mir zu spielen, wann ich entweder nicht bald ein angenehme Resolution kriegte oder ohne dieselbige von mir selbst darvongienge. Bald sprach ich mir wiederumb ein anders zu und versichert mich selbst eines weit bessern Ausgangs. »Gedult, Gedult!« sagte ich zu mir, »gut Weil will Ding haben (dann ich brachte alles das Hinderst zum Vördersten vor, weil ich ganz verwirret ware); erlangst du diesen Dienst, so kannst du diesen Schindhunden diese Fachtung schon eintränken.« Ich wurde aber nicht allein von diesen unerträglichen innerlichen Anfechtungen, sonder auch von der damaligen grimmigen Kälte von außenhero dergestalt geplagt, daß ein jeder, der mich gesehen und die Kält nit selbst empfunden, tausend Eid geschworen hätte, ich wäre mit einem 3- oder 4tägigen Fieber behaft. Das Gesind liefe hin und wieder, ohne daß sie meiner viel geachtet oder mich besprochen. Als ich mich aber am allerbesten mit guter Hoffnung speisete und aufenthielte, da wurde ich eines [117] holdseligen Kammerkätzchens gewahr; deren schenkte ich gleich mein Herz; dann als sie recta gegen mich gieng, konnte ich mir nichts anders einbilden, als dieses wäre ein ohnzweifelbares Omen, daß ich ihr Serviteur werden würde. Das Herz hupfte mir gleichsam vor Freuden, weil mich der Wahn einer solchen künftigen Glückseligkeit versicherte. Da sie aber zu mir kam und ihr kirschenrotes Mäulchen auftät, sagte sie: »Guter Freund, was habt Ihr hier zu tun? Seid Ihr vielleicht ein armer Schüler, der etwan ein Almosen begehrt?« Da gedachte ich gleich: »Diese Wort schlagen alle deine Hoffnung zu Boden!« Dann weil wir Schreiber ebenso hoffärtige Geister, was sage ich hoffärtige? ich will sagen, gleich so großmütige Sinne haben und besitzen, als etwan die Schneider selbsten, die sich bei großen Herren zutäppisch machen, wann sie erstlich ihre Kammerdiener und entlich zu ihren Herrn (man denke doch nur, wie verwirrt ich damals in mir selbst gewesen, weil ich noch jetzt alles so irrig und verwirrt vorbringe); ich hatte sagen wollen, zu Herrn werden (dann große Herren werden ja weder Schreiber noch Schneider über sich zu Herrn setzen), als bedunkte mich, die Jungfer sollte sich nach meiner Einbildung akkommodiert und gesagt haben: »Was beliebt meinem hochgeehrten Herrn? oder was verlangt derselbe hier vor Geschäfte zu verrichten?« Nun was bedarfs vieler Wort? Ich wurde ganz bestürzt und konnte die Jungfer doch keiner Unbescheidenheit beschuldigen, weil sie ihre Frag mit einer wohlständigen Red vorgebracht; auch konnte ich kaum so viel Wort in meinem Capitolio (so der alten Römer Rüst- und Waffenkammer gewesen) aus allem Vorrat, den ich darinnen hatte, zusammenbringen, diesem ersten Streich, der mir empfindlicher als eine dichte Maulschell vorkam, der Gebühr nach zu begegnen: doch lallete ich endlich mit meiner aus Forcht, Hoffnung und Kälte verursachter zitterender oder babender Stimme so viel daher, daß ich derjenig Monsieur wäre, der auf Rekommendation ehrlicher Leute ihres Herrn Schreiber zu werden verhoffte. »Ach mein gar lieber Gott!« antwortet das Rabenaas, »ist Er derselbig? Ach, Er schlage solche Gedanken aus dem Sinn, dann ein solcher, der den Dienst haben will, welchen Er verlangt, muß meinem gnädigen Herren entweder umb 1000 Taler gesessen sein oder umb solche Summa einen Bürgen stellen. Mir ist allbereit vor dreien Tagen ein halber Reichstaler gegeben worden, ihme solchen zuzustellen, wann er sich anmeldet, und unser los Gesind hat mir nit einmal gesagt, daß Ihr da seiet; ich wollte Euch sonst so lang in dieser Kälte nit haben stehen lassen.« Man kann leicht gedenken, was ich [118] damal vor eine Nase hatte. Ich gedachte: »Halt, da schlag Venus zu, so darf Vulcanus eines Knechts weniger!« Ich hatte gar nit den Willen, angeregten halben Taler zu nemmen, maßen ich mich auch drum wehrete, weil ich mir einbildete, solche Abfertigung wäre meiner schreiberischen Reputation schimpflich und zuwider; doch gedachte ich: »Wer weiß, wo dir dieser Herr noch eine Gnad erweisen kann?« schob ihn derowegen in Sack und faßte eine Hoffnung, mit der Zeit durch die liebe Gedult den gebettenen Dienst noch zu erlangen, welchen ich mitsambt des Herrn Gnad verscherzen würde, wann ich so trutzig und halsstärrig dies geringe Gelt ausschlug.

Solchergestalt nahm ich meine Abfertigung, und die Jungfer selbst gab mir das Geleid bis under das Tor, weil sie dasselbe als gegen dem Mittagimbs gleich zu beschließen willens. Da machten wir nun nach als mithin wegen des halben Talers unsere Komplimenten, under welchen der Jungfer diese Wort entfuhren: »Er nehme ihn nur kecklich hin und versichere sich, daß mein gnädiger Herr und Frau auch das Geringste, so ihnen zu Dienst geschiehet, nit unbelohnt lassen, und sollte ihnen einer nur auf die Heimlichkeit mit einem Liecht vorgehen.« Das verdrosse mich so grausam übel und jagte mich so in Harnisch, daß ich der Jungfer mehr unbescheiden als vernünftig antwortet: »So saget Eurem gnädigen Herrn,« sprach ich, »wann er mir einen jeden s. h. Arschwisch, darzu er meine Supplikation unweislich brauchen möchte, ehe er sie gelesen, so teuer bezahlen wolle, so werde es ihm ehender an Geld als mir an Papier, Federn und Tinten manglen.« Darauf trollte ich mich eine lange Gasse hinauf vor Zorn mehr unsinnig als ohnwillig. Ich wußte es denen, so mich in litteris abgeführt hatten, so wenig Dank, daß mich auch reuete, daß ich meinen Präceptoribus mit dem Hindern nit ins Angesicht geloffen, wann sie mir etwan zuzeit einen Produkt geben. »Ach,« sagte ich, »warumb haben dich doch deine Eltern nicht ein Handwerk oder Dröschen, Strohschneiden oder dergleichen so etwas lernen lassen, so hättest du ja jetzunder auch bei jedem Bauren Arbeit und dörftest nicht vor großen Herren tun stehen, ihnen zu schmeicheln? Könntest doch nur jetz das allerverächtlichste Handwerk, das sein mag, so fändest du gleichwohl Meister, die dich des Handwerks halber aufnähmen und dir das Geschenk hielten, wann sie dir gleich keine Arbeit gäben etc. In diesem deinem Stand nimbt sich aber kein Mensch deiner an, und bist der allerverachteste Bärnhäuter, der sein mag!« In diesem meinem Unwillen passierte ich ein weiten Weg; gleichwie mir aber der Zorn nach und nach vergieng, [119] also empfande ich die damalige grausame Kälte je länger je mehr, deren ich bishero so hoch noch nit geachtet hatte. Ja sie quälte mich dergestalt, daß ich nach einer warmen Stub seufzete; und demnach eben ein Wirtshaus gegen mir stunde, gienge ich mehr der Wärme halber hinein als den Durst zu löschen.

Das 2. Kapitel

Das II. Kapitel.
Conjunctio Saturni, Martis & Mercurii.

Daselbst wurde ich viel höflicher empfangen als von obengedachter höflichen Jungfrauen; dann der Hausknecht kam gleich und fragte: »Was beliebt dem Herrn?« Ich gedachte zwar heut diesen ganzen Tag der Schreiberdienst, jetzt aber der Stubenofen, sagte aber doch zu ihm: »Ein gute halb Maß Wein!«, die er mir auch gleich langte, dann es war lein Badstub, darin man die Hitz bezahlte, sonder ein Ort der Zehrung, darin man die benötigte Wärme umsonst hatte oder wenigst in die Zech rechnete.

Ich setzte mich mit meiner halben Maß Wein sehr nahe zum Ofen, umb mich rechtschaffen auszubächeln, allwo sich an ebendemselbigen Tische ein Mann befande, der im Pfenningwert zehrete und dreschermäßigerweis mit beiden Backen so gewaltig zuhiebe, daß ich mich darüber verwunderte; er hatte allbereit eine Supp im Magen und vor zwei Kraut und Fleisch allerdings aufgerieben, da ich hinkam, und fragte noch darzu nach einem guten Stuck Gebrattens, welches verursachte, daß ich ihn besser betrachtete. Da sahe ich, daß er nicht nur zum Fressen, sondern auch an der Gestalt viel ein anderer Mensch war, als ich mein Lebtag jemals einen gesehen. Dann von Proportion des Leibs war er so groß, als wäre er in Chili oder Chica geboren worden; sein Bart war ebenso lang und breit als des Wirts Schiffertafel, dahin er der Gäste aufgetragene Zehrung annotierte; die Haupthaar aber kamen mir vor wie diejenige, die ich mir etwan hiebevor eingebildet, daß Nabuchodonosor dergleichen in seiner Verstoßung getragen habe. Er hatte einen schwarzen Kittel an von wüllenem Tuch, der gieng ihm bis an die Kniekehlen, auf ein ganz fremde und beinahe auf die alte antiquitätische Manier mit grünen wüllen Tuch an den Nähten underlegt, gefüttert und ausgemacht. Neben ihm lag sein langer Pilgerstab, oben mit zweien Knöpfen und unden mit einem langen eisernen Stachel versehen, so dick und[120] kräftig, daß man einem gar leicht in einem Streiche die letzte Ölung damit hätt reichen mögen.

Ich vergaffte mich schier zum Narren über diesem seltsamen Aufzug, und indeme ich ihn je länger je mehr betrachtete, wurde ich gewahr, daß sein ungeheurer Bart ganz widersinns, das ist, wider die europäischen Bärt geart und gefärbt war; dann die Haar, so ererst bei einem halben Jahr gewachsen, sahen ganz falb, was aber älter war, brandschwarz, da doch hingegen bei andern Bärten von solcher Farb die Haar zunächst an der Haut ganz schwarz und die übrige je älter je falber oder wetterfärbiger zu erscheinen pflegen. Ich gedachte der Ursach nach und konnte keine andere ersinnen, als daß die schwarze Haar in einem hitzigen Lande, die falbe aber in einem viel kältern müßten gewachsen sein; und solches war auch die Wahrheit. Dann nachdem dieser auf sein Gebratens warten und also mit dem Essen ein wenig pausieren mußte, ließe ers über das Trinken gehen, da er dann nit weniger tun konnte, als mir eines zuzubringen, wann er anders haben wollte, daß ihm jemand den Trunk gesegnen sollte, weil ohne mich noch kein anderer Gast vorhanden; und demnach mir das Maul, welches die grausame Kälte ganz starrhart zugefrört hatte, auch nunmehr wieder ein wenig begunnte aufzutauen, siehe, da kamen wir gar miteinander in ein Gespräch, warin ich ihn zum allerersten fragte, ob er nicht erst vor ungefähr einem halben Jahr aus India kommen wäre. Doch damit er keine Ursach haben möchte zu antworten: »Was gehets dich an?« brachte ichs meines Bedunkens gar höflich vor, dann ich sagte: »Mein hochgeehrter Herr beliebe meiner vorwitzigen Jugend zu vergeben, wann sie sich erkühnet zu fragen, ob derselbe nicht allererst vor einem halben Jahr aus India kommen?« Er verwundert sich, sahe mich an und antwortet: »Wann Ihr sonst keine Nachricht und Kundschaft von meiner Person habt, als daß Ihr mich jetzt das erstemal sehet, so messe ich Eurer Jugend keinen Vorwitz, sonder einen rechtschaffnen Verstand und ein solches Judicium zu, welche beide eine Begierde in Euch erwecken, dasjenig eigentlich zu wissen, was Euer Verstand von mir gefaßt und das Judicium beschlossen habe. Derowegen sagt mir zuvor, woraus Ihr abgenommen, daß ich vor einem halben Jahr noch in India gewesen, so will ich Euch hernach zu vernehmen geben, daß Ihr von mir und meiner Reise recht geurteilet.« Als ich ihm nun sagte, daß mir die Haar seines Barts solches zu verstehen geben, antwortet er, ich hätte recht und damit an Tag gelegt, daß noch mehr als nur dieses hinder mir stecke.

[121] Hierauf mahnet er mich, Bescheid zu tun; dieweil er aber seinen Wein mixtiert, scheuete ich mich zu trinken, dann er hatte aus seinem Sack ein zinnern Büchse gezogen, in deren ein Elektuarium war, das allerdings dem Theriak gleichsahe. Aus derselben nahm er eine Messerspitze voll derselbigen Materi und mischets under ein gemeines Trinkgläslein neuen Wein (dann er trank kein alten, sonder nur neuen Zweenbatzenwein), davon er so dick und gelb wurde, daß er schier einer widerwärtigen Purgation oder doch wenigest einem alten Baumöl sich vergliche. Wann er nun trinken wollte, so gosse er jederzeit ein einzigen Tropfen hiervon in das Glas, davon der milchfarbe neue Wein sich alsobalden veränderte, alle noch in sich habende unverjorne Fäces zu Boden fallen ließe und wie ein alter abgelegner Wein von Farb dem Gold gleich erschiene. Er sahe wohl, daß ich keinen sonderlichen Lust zu seinem Getränk trug, sagte derowegen, ich sollte kecklich trinken, es würde mir nichts schaden; und als ich mich überreden ließe, den Wein zu versuchen, befande ich ihn so lieblich, kräftig und gut, daß ich ihn vor Malvasierer oder spanischen Wein getrunken hätte, wann ich nicht gesehen, daß es ein neuer Elsasser gewesen. Darauf erzählte er mir, daß er diese Kunst bei den Armeniern gelernet, und erwiese im Werk, daß ein alter abgelegener, sonst an sich selbst sehr köstlicher Wein, wie ich damal vor mir stehen hatte, von diesem Elixier, wie ers nennet, bei weitem nicht so gut wurde als ein gemeiner neuer. Dessen gab er Ursach, daß der neue seine Kräfte noch völliger beieinander und, wie in etlichen Jahren dem alten geschehen, noch nichts darvon verloren hätte.

Wie wir nun so von dem Wein und dieser Kunst miteinander diskutierten, da trat ein alter Kronzer mit einem Stelzfuß zur Stuben hinein, den die eingenommene Kälte auch gleich wie mich zum Stubenofen triebe. Er hatte sich kaum ein wenig gewärmet, als er ein kleine Diskantgeige hervorzog, dieselbe stimmte, vor unsern Tisch trate und eins daherstriche, worzu er mit dem Maul so artlich humset und quickeliert, daß einer, der ihn nur gehört und nicht gesehen, hätt glauben müssen, es wäre dreierlei Saitenspiel untereinander gewesen. Er war ziemlich schlecht auf den Winter gekleidet und hatte auch allem Ansehen nach keinen guten Sommer gehabt, dann sein magere Gestalt bezeugte, daß er sich mit den Schmalhansen betragen, und seine ausgefallene Haar, daß er noch darzu eine schwere Krankheit überstehen müssen. Der Schwarzrock, so bei mir saße, sagte zu ihm: »Landsmann, wo hast du dein anders [122] Bein gelassen?« – »Herr,« antwortet dieser, »in Kandia.« Darauf sagte jener: »Das ist schlimm!« – »O nein, nit so gar schlimm!« antwortet der Stelzer, »dann jetzt freurt mich nur an ein Fuß, und ich bedarf auch nur einen Schuch und einen Strumpf.« – »Höre!« sagte der im schwarzen Rock ferner, »bist du nit der Springinsfeld?« – »Vorzeiten«, antwortet dieser, »war ichs, aber jetz bin ich der Stelzvorshaus nach dem gemeinen Sprichwort: ›Junge Soldaten, alte Bettler!‹ Aber wie kennet mich der Herr?« – »An deiner artlichen Musik,« antwortet jener, »als welche ich bereits vor mehr als dreißig Jahren zu Soest gehöret habe. Hast du nicht damals einen Kameraten gehabt under denen daselbst gelegenen Dragonern, der sich Simplicius genennet?« Da nun Springinsfeld solches bejahete, sagte der Schwarzrock: »Und ebenderselbe Simplicius bin ich!« hierüber sagte Springinsfeld vor Verwunderung: »Daß dich der Hagel erschlag!« – »Wie?« sprach Simplicius zu ihm, »schämest du dich nicht, daß du allbereit so ein alter Krüppel und dannoch noch so rohe, gottlos und ungeheißen bist, deinen alten Kameraten mit einem solchen Wunsch so zu bewillkommen?« – »Potz hunderttausend Sack voll Enten! du hasts gewiß besser gemacht,« sagte Springinsfeld, »oder bist du seither vielleicht zu einem Heiligen worden?« Simplicius antwortet: »Wann ich gleich kein Heiliger bin, so hab ich mich doch gleichwohl beflissen, mit Aussammlung der Jahr die böse Sitten der unbesonnenen Jugend abzulegen, und bin der Meinung, solches würde deinem Alter auch anständiger sein als fluchen und gotteslästern.« – »Mein Bruder,« antwortet Springinsfeld gar ehrerbietig, »vergebe mir vor diesmal und sei mit mir zufrieden! Ich begehr mit dir um nichts (es seien dann etwan ein paar Kändel Wein) zu disputieren.« Und indem er sich unter diesen Worten ganz ungeheißen zu uns an Tisch gesetzt hatte, zog er einen alten Lumpen hervor, knüpfte denselbigen auf, ferners sagende: »Und damit du nicht etwan vermeinen möchtest, der bettelhafte Springinsfeld wollte bei dir schmarotzen, so sehe, hier hab ich auch noch ein paar Batzen, die zu deinen Diensten stehen.« Und damit schütte er eine handvoll Dukaten auf den Tisch, welche ich etwas mehr als 200 zu sein schätzte, und befahl dem Hausknecht, ihme auch eine Maß Wein herzubringen, welches aber Simplicius nicht zugeben wollte, sonder brachte ihm eins und sagte, was es des Geprängs mit dem Gelde viel bedörfte, er sollte es nur wieder einstecken, weil er dergleichen wohl mehr hätte gesehen.

Das 3. Kapitel

[123] Das III. Kapitel.
Ein lächerlicher Poß, der einem Zechbruder widerfahren.

Ich mußte mich verwundern und freute mich, daß ich derjenigen unversehenen Zusammenkunft beiwohnen sollte, von welchen ich in Simplicissimi Lebensbeschreibung so viel seltsams Dings gelesen und von denen ich aus Anstalt der Courasche selbst dergleichen geschrieben. Als sich ihre Wortwechslung geendigt und Simplicius ein Glas voll Wein herausgehoben, das er dem Springinsfeld zum Willkomm zugetrunken hatte, da kam noch ein Gast herein, welchen ich der Kleidung und Jugend nach vor meinesgleichen, das ist vor einem Schreiberknecht hielte! Er stellete sich an eben den Ort zum Stubenofen, wo ich zuvor und nach mir auch Springinsfeld gestanden, gleichsam als wann alle ankommende Gäste zuvor dorthin hätten stehen müssen, ehe sie sich hätten niedersetzen dörfen; und gleich hernach folgte ein überrheinischer Bauer, der ohn Zweifel ein Rebmann war. Dieser ruckte vor jenem die Kappe und sagte: »Herr Schaffner, ich bitte, Ihr wollet mir einen Reichstaler geben, damit ich meinen Kärst aus der Schmidten lösen möge, allwo ich sie hab gerben lassen.« – »Ach! was zum Schinder ist das?« antwortet jener; »was machst du mit der Gerst in der Schmidten? Ich hab vermeinet, man gerbe sie in der Mühlen.« – »Meine Kärst! meine Kärst!« sagte der Bauer. – »Ich hörs wohl!« antwortet der Schaffner; »vermeinest du dann, ich sei taub? Mich wundert nur, was du damit in der Schmidten machst, sintemal man die Gersten in der Mühl zu gerben oder zu röllen pflegt!« – »Ei Herr Schaffner,« sagte der Bauer, »ich sage Euch von keiner Gersten, sonder von meinem Kärsten, damit ich hacke.« – »Ja so!« antwortet der Schaffner, »das wäre ein anders«, und zählet damit dem Bäuerlein einen Taler hin, den er auch gleich in seine Schreibtafel aufnotierte. Ich aber gedachte: »Sollest du ein Schaffner über Rebleut sein und weißt noch nichts von den Kärsten?« Dann er befahl dem Bauren, daß er solche zu ihm bringen sollte, um zu sehen, was es vor Kreaturen wären und was der Schmied daran gemacht hätte. Simplicius aber, der diesem Gespräch auch zugehöret, fieng an zu lachen, daß er hotzelte, welches auch das erste und letzte Gelächter war, das ich von ihm gehöret und gesehen; dann er verhielte sich sonst gar ernsthaftig und redet, obzwar mit einer groben und männlichen Stimme, viel lieblicher und freundlicher, als er aussahe, wiewohl er auch mit den Worten gar gesparsam umgieng. Springinsfeld hingegen verlangte die Ursach solches Lachens zu hören, [124] ließe auch nicht ab, am Simplicio zu bitten, bis er entlich sagte, die vom Schaffner letztverstandene Wort des Bauren hätten ihn an einen Possen erinnert, den er auch wegen eines mißverstandenen Worts in seiner unschuldigen Jugend zwar wider seinen Willen angestellet, wessentwegen er gleichwohl ziemliche Stöße eingenommen. »Ach, was war das?« fragte Springinsfeld. »Es ist unnötig,« antwortet Simplicius, »daß ich euch zu einer eitelen Torheit reize, darvor ich das übermäßige Gelächter halte, ohne welches ihr aber die Histori nit anhören könnet, dann ich würde mich auf solchen Fall mit fremder Sünde beladen.« Ich warf meine Karten mit unter und sagte: »Hat doch mein hochgeehrter Herr selbsten in seiner Lebensbeschreibung so manchen lächerlichen Schwang eingebracht, warumb wollte er dann jetzt seinen alten Kameraden zu Gefallen ein einzige lächerliche Geschicht nicht erzählen?« – »Jenes tät ich,« antwortet Simplicius, »weil fast niemand mehr die Wahrheit gern bloß beschauet oder hören will, ihr ein Kleid anzuziehen, dardurch sie bei den Menschen angenehm verbliebe, und dasjenig gutwillig gehöret und angenommen würde, was ich hin und wider an der Menschen Sitten zu korrigieren bedacht war. Und gewißlich, mein Freund, Er sei versichert, daß ich mir oft ein Gewissen drum mache, wann ich besorge, ich seie in ebenderselben Beschreibung an etlichen Orten allzu freigangen.« Ich repliziert hinwieder und sagte: »Das Lachen ist den Menschen angeborn und hat solches nit allein vor allen andern Tiern zum Eigentum, sonder es ist uns auch nutzlich, wie wir dann lesen, daß der lachende Democritus in guter Gesundheit 109 Jahr alt worden, dahingegen der weinende Heraclitus in frühem Alter eines elenden Tods und zwar in einer Kühhaut, darin er sich wickeln lassen, seine Glieder zu heilen, gestorben. Dahero dann auch Seneca in libro de tranquillitate vitae, allwo er dieser beiden Philosophen gedenkt, vermahnet, daß man mehr dem Democrito als dem Heraclite nachfolgen soll«. Simplicius antwortet: »Das Weinen gehöret dem Menschen sowohl als das Lachen eigentlich zu; aber gleichwohl allzeit zu lachen oder allzeit zu weinen, wie diese beide Männer getan, wäre ein Torheit, dann alles hat seine Zeit. Gleichwohl aber ist das Weinen dem Menschen mehr als das Lachen angeboren, dann nicht allein alle Menschen, wann sie auf die Welt kommen, weinen (man hat nur das einige Exempel des Königs Zoroastris, der, wie er geborn, alsbald gelacht, so zwar von Nerone auch gesagt wird), sonder es hat der Herr Christus unser Seligmacher selbst etlichmal geweinet; aber daß er jemals gelacht, [125] wird in Hl. Schrift nirgends gefunden, sondern hat vielmehr gesagt: ›Selig seind, die weinen und Leid tragen, dann sie werden getröst werden!‹ Seneca als ein Heid mag das Lachen dem Weinen wohl vorziehen; wir Christen aber haben mehr Ursach, über die Bosheit der Menschen zu weinen, als über ihr Torheit zu lachen, weil wir wissen, daß auf die Sünde der Lachenden ein ewiges Heulen und Wehklagen folgen wird.« – »Bei mein Eid,« sagte hierauf Springinsfeld, »wann ich nit glaube, du seiest ein Pfaff worden!« – »Du grober gEsell,« antwortet ihm Simplicius, »wie darfst du das Herz haben, so leichtfertig vor ein Ding zu schwören, wann du mit deinen eignen Augen das Widerspiel siehest? Weißt du auch wohl, was ein Eid ist?« Springinsfeld mußte sich ein wenig schämen und bat um Verzeihung; dann Simplici Mienen waren so ernsthaft und bedrohenlich, daß er einen jeden damit erschröcken konnte. Ich aber sagte zu demselbigen: »Weil meines hochgeehrten Herrn Reden und Schriften voller Sittenlehren stecken, so muß ohne Zweifel diejenige Geschichte, deren er sich mit einem so herzlichen Gelächter erinnert, beides, lustig zu hören und etwas Nützlichs daraus zu lernen, sein«; mit Bitte, er wollte sie doch ohnbeschwert erzählen. – »Nichts anders«, antwortet Simplicius, »lernet sie, als daß einer, so jemand etwas Nötiges fragt, solche Sprach und Wort gebrauchen soll, daß sie der, so gefragt wird, geschwind verstehe und in der Eil seinen richtigen Bescheid darüber geben könne; sodann, daß einer, der gefragt worden, die Frag aber nicht eigentlich und gewiß verstanden, nit alsobald antworten, sonder von dem Fragenden, vornehmlich wann er von höherer Qualität ist, noch einmal seine Frag zu vernehmen gebührend begehren soll. Die lächerliche Histori ist diese: Als ich noch Page beim Gouverneur in Hanau war, da hatte er einmals ansehnliche Offizier zu Gaste, darunter sich auch etliche Weimarische befanden, denen er mit dem Trunk trefflich zusprechen ließe. Die fremde und heimische waren gleichsam in zwo Parteien underschieden, einander wie in einer Battalia mit Saufen zu überwünden. Das Frauenzimmer stund auf und verfügte sich in sein Gemach, gleich nachdem man das Konfekt aufgestellt, weil ihnen mitzugehen die Gewohnheit verbotte; die Kavalier aber sprachen einander so scharf zu, sich stehend vollends aufzufüllen, daß sich auch etliche mit dem Rucken an die Stubtür lehneten, damit ja keiner aus dieser Schlacht entrunne (welches mich an diejenige Marter ermahnet, damit Tiberius, der römische Kaiser, viel Leut getötet, dann wann er solche umbbringen lassen wollte, [126] ließe er sie zuvor zu vielem Trinken nötigen, ihnen hernach die s. h. Harngäng dermaßen vernußbicklen, daß sie den Urin nicht lassen könnten, sondern endlich mit unaussprechlichen Schmerzen sterben mußten). Endlich entwischte einer, der damal kein größer Anliegen und Begierde hatte, als das Wasser zu lassen, und weil es ihn ohn Zweifel gewaltig dränget, liefe er wie ein Hund aus der Kuchen, der mit heißem Wasser gebrühet worden, in welcher Eil er mir zu seinem und meinem Unglück begegnete, fragende: ›Kleiner, wo ist das Sekret?‹ Ich wußte damal weniger als der Teutsche Michel, was ein Sekret war, sondern vermeinte, er fragte nach unserer Beschließerin, welche wir Gret nannten, die sonst aber Margreta hieße und sich eben damals beim Frauenzimmer befand, dahin sie die Jungfer rueffen lassen. Ich zeigte ihm hinten am Gang das Gemach und sagte: ›Dort drinnen!‹ Darauf rennete er darauf los wie einer, der mit eingelegter Lanzen in einem Turnier seinem Mann begegnet. Er war so fertig, daß das Türaufmachen, das Hineintretten und der Anbruch des strengen Wasserflusses in einem Augenblick miteinander geschahe in Ansehung und Gegenwart des ganzen Frauenzimmers. Was nun beide Teil gedacht und wie sie allerseits erschrocken, mag jeder bei sich selbst erachten. Ich kriegte Stöße, weil ich die Ohren nit besser aufgetan, der Offizier aber hatte Spott darvon, daß er nicht anders mit mir geredet.«

Das 4. Kapitel

Das IV. Kapitel.
Der Autor gerät unter einen Haufen Zigeiner und erzählet den Aufzug der Courasche.

Ich sagte zum Simplicio, es wäre schad, daß er diese Historia nicht auch in seine Lebensbeschreibung eingebracht hätte; er aber antwortet mir, wann er alle seine so beschaffne Begegnussen hineinbringen hätte sollen, so wäre sein Buch größer worden als des Stumpfen Schweizerchronik; überdas reue ihn, daß er so viel lächerlich Ding hineingesetzt, weil er sehe, daß es mehr gebraucht werde, anstatt des Eulenspiegels die Zeit dardurch zu verderben, als etwas Guts daraus zu lernen. Darauf fragte er mich, was ich selbst von seinem Buche hielte, und ob ich dardurch geärgert oder gebessert worden wäre. Ich antwortet, mein Judicium wäre viel zu gering, entweder dasselbige zu schelden oder zu loben, und ob ich gleich nit wider das Buch, sonder ihn, Simplicissimum, selbsten schreiben müssen, dabei [127] auch des Springinsfelds nicht zum rühmlichsten gedacht worden, so hätte ich doch das Buch weder gelobt noch getadelt, sonder damals gelernet, daß derjenig, so übermannet sei, sich nach derjenigen Willen und Anmutung schicken müßte, in deren Gewalt er sich befände. Als ich dieses gesagt und meiner Mutter Sprach nach ziemlich Schweizerisch geredet, welche Mundart andere Teutsche vor grob, ja zum Teil gar vor hoffärtig und unhöflich zu halten pflegen, Springinsfeld aber solches mit angehöret, als welcher die Ohren wie ein alter Wolf spitzte, da ich ihn nennete, sagte er: »Potz grütz, du Gölschnabel, hätt ich di dussa, ich wottar da garint rüra!« Aber Simplicius antwortet ihm: »Ich hätte schier gesagt, du alter Geck! es ist nit mehr um die Zeit, die wir zu Soest belebten und unserm Mutwillen nach gleichsam über das ganze Land herrschten. Du mußt jetzt mit deiner Stelzen nach einer andern Pfeifen tanzen oder gewärtig sein, wann du es zu grob machst, daß man dir einen steinernen oder wohl gar einen spanischen Mantel anlegt. In dieser freien Stadt stehet jedem zwar auch frei zu reden, was er will; wer aber über die Schnur hauet, der muß es auch verantworten oder büßen!« Mich hingegen fragte Simplicius, wer oder was mich dann gemüßiget hätte, wider seine Person zu schreiben, und sonderlich verwundere ihn, daß auch neben ihm des Springinsfelds gedacht werden müssen, neben welchem er doch die Tage seines Lebens über dreiviertel Jahr nicht zugebracht. Ich antwortet: »Wann ihm mein hochgeehrter Herr (wie ich mich dann keines andern versehe) die Wahrheit gefallen lassen und mir, was ich getan, verzeihen, zumalen auch vor diesem importunen Springinsfeld, dessen Humor und ohngewichtiger Sinn mir vorlängst andiktiert worden, versichern will, so will ich ihnen beeden so wunderliche Geschichten von ihnen selbsten erzählen, daß sie sich auch beide darüber selbst verwundern sollen; mit Versicherung, wann ich meinen hochgeehrten Herren von solchen löbl. Qualitäten beschaffen zu sein gewußt hätte, als ich jetzunder vor Augen sehe, daß ich seinetwegen keine Feder angesetzt haben wollte, und sollten mir gleich die Zigeiner den Hals zerbrochen haben.«

Ob nun gleich Simplicius ein groß Verlangen hatte, zu hören, was ich vorbringen würde, so sagte er doch zuvor: »Mein Freund, es wäre ein dumme Unbesonnenheit, ja wider alle Gerechtigkeit und die Darstellung eines tyrannischen Sinns, wann wir an andern strafen wollten um Sachen, die wir selbst begangen. Hat Er in seinem Schreiben meine Laster gerüttelt, so übertrage ichs billig mit Gedult; dann ich habe andern die [128] ihrige (doch daß es ihnen an ihren Ehren nicht nachteilig sein kann) unter fremden Namen auch rechtschaffen durchgehechelt. Verdreußt es diejenige, so ich getroffen, warum haben sie dann nicht tugendlicher gelebt? oder warum haben sie mir Ursach gegeben, solche Laster und Torheiten zu tadeln, die mir, ehe ich sie gesehen, in meiner Unschuld ganz unbekannt gewesen? Er erzähle nur her; ich versprich und versichere alles, was Er von mir begehrt und gebetten.« Ich antwortet, ich möchte gleich reden oder schweigen, so würde doch bald weltkündig werden, was ich zu schreiben mich zwingen lassen müssen.

Darauf wandt ich mich gegen dem Springinsfeld und fragte ihn, ob er in Italia nit eine Matresse gehabt, die Courasche genannt worden. Er antwortet: »Ach die Bluthex! Schlag sie der Donner! lebt das Teufelsviehe noch? Es ist kein leichtfertigere Bestia seit Erschaffung der Welt von der lieben Sonnen niemal beschienen worden!« – »Ei, ei!« sagte Simplicius zu ihm, »was seind das abermal vor leichtfertige unbesonnene Wort?« Zu mir aber sprach er: »Ich bitte, Er fahre doch nur fort, oder Er fahe doch vielmehr an zu erzählen, was ich so herzlich zu hören verlange.« Ich antwortet: »Mein hochgeehrter Herr wird sich bald müd gehört haben, dann dieses ist eben diejenige, deren er im sechsten Kapitul des fünften Buchs seiner Lebensbeschreibung selbst gedacht hat.« – »Es gilt gleich!« antwortet Simplicius, »Er sage nur, was Er von ihr weiß, und schone meiner auch nit.« Auf solches erzählete ich folgendergestalt, was Simplicius wissen wollte.

»Gleich auf nächst verstrichenen Herbst, da es, wie bekannt, einen ausbündigen Nachsommer setzte, war ich auf dem Weg begriffen, mich aus meinem Vatterland gegen den Rheinstrom, und zwar auf hieher zu begeben, entweder als ein armer Schüler präzeptorsweis, wie es hier gebräuchlich, meine Studien fortzusetzen, oder auf Rekommendation meiner Verwandten, von denen ich zu solchem Ende Schreiben bei mir hatte, einen Schreibersdienst zu bekommen. Da ich nun auf der Höhe des Schwarzwaldes von Krummenschiltach hieherwarts wanderte, sahe ich von weitem einen großen Haufen Lumpengesindel gegen mir avancieren, welches ich im ersten Anblick vor Zigeiner erkennete, mich auch nicht betrogen fande; und weil ich ihnen nit trauete, verbarg ich mich in eine Hecke, da sie zum allerdicksten war. Aber weil diese Bursch viel Hunde, sowohl Stauber als Winde, bei sich hatten, spürten mich dieselbigen gleich, umbstellten mich und schlugen an, als wann ein Stuck Wildbret verhanden gewest wäre. Das höreten ihre Herren alsobalden und eileten [129] mit ihren Büchsen oder langen Schnapphahnenröhren auf mich zu; einer stellte sich hieher, der andere dorthin, wie auf einem Gejaid, da man dem bestäten und aufgetriebenen Wild aufpasset. Als ich nun solche meine Gefahr vor Augen sahe, zumalen die Hunde auch allbereit an mir zu zwacken anfiengen, da fieng ich auch an zu schreien, als wann man mir allbereit das Weidmesser an die Gurgel gesetzt hätte. Hierauf liefen beides, Männer, Weiber, Knaben und Mägdlein herzu und stellten sich so werklich, daß ich nicht schließen konnte, ob mich das garstige Volk umbringen oder von den Hunden erretten wollte. Ja, ich bildete mir vor Forcht ein, sie ermordeten die Leute, die sie dergestalt wie mich an einsamen Orten betretten, und zehrten sie hernach selbst auf, damit ihre Todschläge verborgen blieben. Es gab mich auch, wie noch, Wunder, und ich verfluchte das Zusehen derjenigen, denen das Wild und die jagtbare Gerechtigkeiten zuständig, daß sie ihre Länder mit bei sich habenden Kunden und Gewehr von diesem beschreiten Diebsgesindel also durchstreichen lassen.

Da ich mich nun solchermaßen zwischen ihnen befande wie ein armer Sünder, den man jetzt aufknüpfen will, so daß er selbst nicht weiß, ob er noch lebendig oder bereits halb tot seie, siehe, da kam ein prächtige Zigeinerin auf einem Maulesel dahergeritten, dergleichen ich mein Tage nicht gesehen, noch von einer solchen gehöret hatte, wessenwegen ich sie dann, wo nicht gar vor die Königin, doch wenigst vor eine vornehme Fürstin aller anderer Zigeunerinnen halten mußte. Sie schiene eine Person von ungefähr sechzig Jahren zu sein, aber wie ich seithero nachgerechnet, so ist sie ein Jahr oder sechs älter. Sie hatte nicht so gar wie die andere ein pechschwarzes Haar, sonder etwas falb und dasselbe mit einer Schnur von Gold und Edelgesteinen wie mit einer Kron zusammengefaßt, an dessen Statt andere Zigeunerin nur einen schlechten Bändel oder, wanns wohl abgehet, einen Flor oder Schleier oder auch wohl gar nur eine Weide zu brauchen pflegen. In ihrem annoch frischem Angesicht sahe man, daß sie in ihrer Jugend nicht häßlich gewesen. In den Ohren trug sie ein Paar Gehenk von Gold und geschmelzter Arbeit, mit Diamanten besetzt, und um den Hals eine Schnur voll Zahlperlen, deren sich keine Fürstin hätte schämen dörfen. Ihre Serge war von keinem groben Teppich, sonder von Scharlach und durchaus mit grünem Plischsammet gefüttert, nebenher aber wie ihr Rock, der von kostbarem, grünem, englischen Tuch war, mit silbernen Posamenten verbrämt. Sie hatte weder Brust noch Wams an, aber wohl ein Paar lustiger polnischer Stiefel; ihr Hemt war schneeweiß, von reinem Auracher Leinwat, überall [130] um die Nähte mit schwarzer Seiden auf die böhmische Manier ausgenähet, woraus sie hervorschiene wie eine Heidelbeer in einer Milch. So trug sie auch ihr langes Zigeunermesser nicht verborgen underm Rock, sondern offentlich, weil sichs seiner Schöne wegen wohl damit prangen ließe. Und wann ich die Wahrheit bekennen soll, so bedunkt mich noch, der alten Schachtel seie dieser Habit sonderlich zu Esel (hätte schier zu Pferd gesagt) überaus wohl angestanden, wie ich sie dann auch noch bis auf diese Stund in meiner Einbildung sehen kann, wann ich will.«

Das 5. Kapitel

Das V. Kapitel.
Wo Courasche dem Autor ihre Lebensbeschreibung diktiert.

»Nun diese tolle Zigeunerin, welche von den andern eine Gnädige Frau genannt, von mir aber vor ein Ebenbild der Dame von Babylon gehalten wurde, wann sie nur auf einem siebenköpfigen Drachen gesessen und ein wenig schöner gewesen wäre, sagte zu mir: ›Ach mein schöner weißer junger Gesell, was machst du hier so gar allein und so weit von den Leuten?‹ Ich antwortet: ›Mein großmächtige, hochgeehrte Frau, ich komm von Haus aus dem Schweizerlande und bin willens, an den Rheinstrom in eine Stadt zu reisen, entweder daselbst ein mehrers zu studieren oder einen Dienst zu bekommen: dann ich bin ein armer Schuler.‹ – ›Daß dich Gott behüte, mein Kind!‹ fragte sie, ›wolltest du mir nicht ein Tag oder vierzehn mit deiner Feder dienen und etwas schreiba? Ich wollte dir alle Tag ein Reichstaler geben.‹ Ich gedachte: ›Alle Tag ein Taler wäre nicht zu verachten; wer weiß aber, was du schreiben sollst? So großes Anerbieten ist vor suspekt zu halten.‹ Und wann sie nicht selbst gesagt hätte, daß mich Gott behüten sollte, so hätte ich vermeinet, es wäre ein Teufelsgespenst gewesen, das mich durch solches Geld verblenden und in die leidige Kongregation der Hexenzunft hätt einverleiben wollen. Mein Antwort war: ›Wann es mir nichts schadet, so will ich der Frauen schreiben, was sie begehrt.‹ – ›Ei wohl nai, mein Kind!‹ sagt sie hierauf, ›es wird dir gar nichts schaden, behüt Gott! Komm nur mit uns; ich will dir darneben auch Essen und Trinken geben, so gut ichs hab, bis du fertig sein wirst.‹

Weil dann mein Magen ebenso leer von Speisen als der Beutel öd von Gelt, zumalen ich bei diesem Diebsgeschmeiß wie ein Gefangner war, siehe, so schlendert ich mit dahin, und [131] zwar in einem dicken Wald, da wir die erste Nacht logierten, allwo sich allbereit etliche Kerl befanden, die einen schönen Hirsch zerlegten. Da gieng es nun an ein Feuermachen, Siedens und Bratens; und soviel ich sahe, auch hernach vollkommen versichert wurde, so hat die Frau Libuschka, dann also nennete sich meine Zigeunerin, alles zu kommendiern. Dieser wurde ein Zelt von weißem Barchet aufgeschlagen, welches sie auf ihrem Maulesel underm Sattel führet. Sie aber führte mich etwas beiseits, setzte sich under einen Baum, hieße mich zu ihr sitzen und zog des Simplicissimi Lebensbeschreibung hervor. ›Seht da, mein Freund,‹ sagte sie, ›dieser Kerl, von dem dies Buch handelt, hat mir ehmalen den größten Schabernack angetan, der mir die Tage meines Lebens jemal widerfahren, welches mich dergestalt schmirzt, daß mir unmüglich fällt, ihme seine Buberei ungerochen hingehen zu lassen. Dann nachdem er meiner gutwilligen Freundlichkeit genug genossen, hat sich der undankbare Vogel (mein hochgeehrter Herr verzeihe mir, daß ich ihr eigne Wort brauche) nicht gescheut, nicht allein mich zu verlassen und durch einen zuvor nie erhörten schlimmen Possen abzuschaffen; sonder er hat sich auch nicht geschämet, alle solche Handlungen, die zwischen mir und ihm vorgangen, beides, mir und ihm zu ewiger Schand, der ganzen Welt durch den offentlichen Druck zu offenbaren. Zwar hab ich ihm seine erste an mir begangene Leichtfertigkeit bereits stattlich eingetränkt; dann als ich vernommen, daß sich der schlimme Gast verheuratet, hab ich ein Jungferkindchen, welches meine Kammermagd eben damals aufgelesen, als er im Sauerbrunnen mit mir zuhielte, auf ihn taufen und ihm vor die Tür legen lassen, mit Bericht, daß ich solche Frucht von ihm empfangen und geboren hätte, so er auch glauben, das Kind zu seinem großen Spott annehmen und erziehen und sich noch darzu von der Obrigkeit tapfer strafen lassen müssen, vor welchen Betrug, daß er mir so rechtschaffen angangen, ich nicht 1000 Reichstaler nähme, vornehmlich weil ich erst neulich mit Freuden vernommen, daß dieser Bankert des betrogenen Betriegers einiger Erb sein werde.‹«

Simplicius, so mir bisher andächtig zugehöret, fiele mir hier in die Red und sagte: »Wann ich noch wie hiebevor in dergleichen Torheiten meine Freude suchte, so würde mirs keine geringe Ergetzung sein, daß ihr diese Närrin einbildet, sie habe mich hiemit hinders Liecht geführt, da sie mir doch dardurch den allergrößten Dienst getan und sich noch mit ihrem eitlen Kützlen bis auf diese Stund selbst betreugt! Dann damals, als ich sie karessierte, lag ich mehr bei ihrer Kammermagd als bei [132] ihr selbsten; und wird mir viel lieber sein, wann mein Simplicius (dessen ich nicht verleugnen kann, weil er mir sowohl im Gemüt nachartet, als im Angesicht und an Leibsproportion gleichet) von derselben Kammermagd als einer losen Zigeunerin geboren sein wird. Aber hierbei hat man ein Exempel, daß oft diejenige, so andere zu betriegen vermeinen, sich selbst betriegen, und daß Gott die große Sünden (wo kein Besserung folgt) mit noch größern Sünden zu strafen pflege, davon endlich die Verdammnüs desto größer wird. Aber ich bitte, Er fahre in seiner Erzählung fort! Was sagte sie ferners?«

Ich gehorchte und redet weiters folgendermaßen: »Sie befahle mir, ich sollte mich, ein wenig in meines hochgeehrten Herrn Lebensbeschreibung informiern, um mich darnach zu richten, dann sie wäre willens, ihren Lebenslauf auf ebendiese Gattung durch mich beschreiben zu lassen, um solche gleichfalls der ganzen weiten Welt zu kommunizieren, und das zwar dem Simplicissimo zu Trutz, damit jedermann seine begangene Torheit belache. Ich sollte mir, sagte sie, alle andere Gedanken und Sorgen, die ich etwan vor diesmal haben möchte, aus dem Sinn schlagen, damit ich diesem Werk desto besser obliegen möchte; sie wollte indessen Schreibzeug und Papier zur Hand bringen und mich nach vollendter Arbeit derstalt belohnen, daß ich zufrieden mit ihr sein müßte.

Also hatte ich die zween erste Täge anderst nichts zu tun als zu lesen, zu fressen und zu schlafen, in welcher Zeit ich auch meines hochgeehrten Herrn Lebensbeschreibung ganz expedierte. Da es aber den dritten Tag an ein Schreibens gehen sollte, wurde es unversehens Alarm; nit daß uns jemand angegriffen oder verfolgt hätte; sonder als ein einzige Zigeinerin in Gestalt eines armen Bettelweibs ankam, die eine reiche Beut von Silbergeschirr, Ringen, Schaupfennigen, Göttelgeld und allerhand Sachen, so man den Kindern zur Zierde um die Hälse zu hängen pflegt, erschnappt hatte; da war ein seltsam Gewelsch zu hören und ein geschwinder Aufbruch zu sehen. Die Courasche (dann also nennet sich diese allervornehmste Zigeinerin selbst in ihrem Trutz Simplex) stellte die Ordre und teilet das Lumpengesinde in underschiedliche Troppen aus, mit Befelch, welche Wege diese oder jene brauchen, auch wie, wo und wann sie wieder an einem gewissen Ort, den sie ihnen bestimmte, zusammenkommen sollten. Als nun die ganze Kompagnie sich in einen Augenblick wie Quecksilber zerteilet und verschwunden, gieng Courasche selbst mit den fertigsten und zwar eitel wohlbewehrten Zigeinern und Zigeinerinnen den Schwarzwald [133] hinunder in solcher unsäglichen schneller Eil, als wann sie die Sach selbst gestohlen und ihro deswegen ein ganzes Heer nachgejagt hätte. Sie höret auch nicht auf zu fliehen, und zwar als auf der obersten Höhe des Schwarzwalds, bis wir das Schutter-, Kinzger-, Peters-, Oppenauers-, Kappler-, Saßbacher- und Bielertal passiert und die hohe und große Waldungen über der Murg erlangt hatten. Daselbst wurde abermal unser Lager aufgeschlagen. Mir ward auf derselben geschwinden Reise ein Pferd undergegeben, darauf mirs nach dem gemeinen Sprichwort ergieng: ›Wer selten reit etc.‹

Ich merkte wohl, daß diese Suite der Courasche, die mit mir in 13 Pferden und eitel Männern und Weibern, aber in keinen Kindern bestunde, alles Vermögen der übrigen Zigeiner, soviel sie an Gold, Silber und Kleinodien zusammengestohlen, mit sich führte und verwahrte; über nichts verwundert ich mich mehr, als daß diese Leute alle Rick, Weg und Steg an diesen wilden, unbewohnten Orten so wohl wußten, und daß bei diesem sonst unordentlichen Gesindel alles so wohl bestellt war, ja ordentlicher zugieng als in mancher Haushaltung. Noch dieselbe Nacht, als wir kaum ein wenig gessen und geruhet hatten, wurden zwei Weiber in die Landstracht verkleidet und gegen Horb geschickt, Brod zu holen, underm Vorwand, als wann sie solches vor einen Dorfwirt einkauften, wie dann ebenfalls ein Kerl gegen Gernsbach ritte, der uns gleich den andern Tag ein paar Lägel Wein brachte, die er seinem Vorgeben nach von einem Rebmann gekauft hatte.

An diesem Ort, mein hochgeehrter Herr Simplice, hat die gottlose Courasche angefangen, mir ihren Trutz Simplex, wie sie es intituliert, oder vielmehr ihres leichtfertigen Lebens Beschreibung in die Feder zu diktieren. Sie redete gar nicht zigeinerisch, sonder brauchte eine solche Manier, die ihren klugen Verstand und dann auch dieses genungsam zu verstehen gab, daß sie auch bei Leuten gewesen und sich mit wunderbarer Verwandelung der Glücksfäll weit und breit in der Welt umgesehen und viel darin erfahren und gelernet hätte. Ich fande sie überaus rachgierig, so daß ich glaube, sie sei zu dem Anacharse selbst in die Schul gangen, aus welcher gottlosen Neigung sie dann auch besagtes Traktätel, um den Herrn zu verehren, zu ihrer eignen Hand hat schreiben lassen, von welchem ich weiters nichts melden, sonder mich auf dasselbige, weil sie es ohn Zweifel bald drucken lassen wird, bezogen haben will.«

Das 6. Kapitel

[134] Das VI. Kapitel.
Der Autor kontinuiert vorige Materia und erzählet den Dank, den er von der Courasche vor seinen Schreiberlohn empfangen.

Simplicius fragte, wie dann Springinsfeld mit ins Gelag kommen wäre, und was sie mit ihm zu schaffen gehabt hätte. Ich antwortet: »Soviel ich mich noch zu erinnern weiß, ist sie, wie ich bereits gemeldet, in Italia seine Matreß oder allem Ansehen nach er vielmehr ihr Knecht gewesen; maßen sie ihm auch (wann es anders wahr ist, was mir diese Schandvettel angeben) den Namen Springinsfeld zugeeignet.« – »Schweig! daß dich der Hagel erschlag, du Schurk!« sagte Springinsfeld, »oder ich schmeiß dir, Plackscheißer, der Teufel soll sterben, die Kandel übern Kopf, daß dir der rote Saft hernachgehet.« Und seine Wort wahr zu machen, ertappte er die Kandel, aber Simplicius war ebenso geschwind und weit stärker als er, auch eines andern Sinns, enthielte ihne derowegen vorm Streich und bedrohete, ihn zum Fenster hinauszuwerfen, wann er nicht zufrieden sein wollte. Indessen kam der Wirt darzu und gebote uns den Frieden mit ausdrucklicher Anzeigung, wann wir nicht still wären, daß bald Turnhüter und Fausthämmer vorhanden sein würden, die den Ursächer solcher Händel oder wohl gar uns alle drei an ein ander Ort führen sollten. Ob ich nun gleich hierauf vor Angst zitterte und so still wurde wie ein Mäusel, so wollte ich doch gleichwohl die Scheltwort nicht auf mir haben, sonder zum Ammeister gehen und mich der empfangnen Injuri halben beklagen; aber der Wirt, so Springinsfelds Dukaten gesehen und einige davon zu kriegen verhoffte, sprach mir neben Simplicio so freundlich zu, daß ichs underwegen ließe, wie wohl Springinsfeld noch immerhin wie ein alter böser Hund gegen mir grißgrammete. Zuletzt wurde der Verglich gemacht, daß ich dem Springinsfeld auf beschehene Abbitt die empfangne Schmach vergeben und hingegen sein und Simplici Gast sein sollte, solang ich nur selber wollte.

Nach diesem Vertrag fragte mich Simplicius, wie ich dann wieder von den sogenannten Zigeinern hinwegkommen wäre, und mit was vor Geschäften dieselbige ihre Zeit in den Wäldern passiert hätten. Ich antwortet: »Mit Essen, Trinken, Schlafen, Tanzen, Herumrammlen, Tabak saufen, Singen, Ringen, Fechten und Springen. Der Weiber größte Arbeit war Kochen und Feuern, ohne daß etliche alte Hexen hie und da saßen, die junge im Wahrsagen oder vielmehr im Liegen [135] zu underrichten; teils Männer aber giengen dem Gewild nach, welches sie ohne Zweifel durch zauberische Segen zum Stillstehen zu bannen und mit abgetöten Pulver, das nicht laut kläpfte, zu fällen wußten, maßen ich weder an Wild noch Zahmen kein Mangel bei ihnen verspüren konnte. Wir waren kaum zween Tag dort stillgelegen, als sich wieder eine Partei nach der andern bei uns einfande, darunder auch solche waren, die ich bishero noch nicht gesehen, etliche (die zwar nit beim besten empfangen wurden) antizipierten bei der Courasche (ich schätze aus ihrem allgemeinen Säckel) Geld; andere aber brachten Beuten, und kein Teil gelanget an, das nicht entweder Brod, Butter, Speck, Hühner, Gäns, Enten, Spanferkel, Geißen, Hämmel oder auch wohlgemäste Schwein mit sich gebracht hätte, ohne eine arme alte Hex, welche anstatt der Beutten einen himmelblauen Buckel mitbracht, als die über der verbottenen Arbeit ertappt und mit trefflichen Stößen und Schlägen abgefertigt worden war. Und ich schätze, wie dann leicht zu gedenken, daß sie obengedachte zahme Schnabelweid und das kleine Viehe entweder in oder um die Dörfer und Baurenhöf hinweggefüchslet oder hin und wieder von den Herden hinweggewölfelt haben. Gleichwie nun täglich solche Kompagnien bei uns ankamen, also giengen auch alle Tag wieder einige von uns hinweg; zwar nicht alle als Zigeiner, sonder auch auf andere Manieren bekleidet, je nachdem sie meines Davorhaltens ein Diebsstück zu verrichten im Sinn hatten. Und dieses, mein hochgeehrter Herr, waren die Geschäfte der Zigeiner, die ich, solang ich bei ihnen gewesen, observiert habe.

Wie ich aber wieder von ihnen kommen, das will ich meinem hochgeehrten Herrn, weil ers zu wissen verlangt, jetzunder auch erzählen, ob mir gleich die gehabte Kundschaft mit der Courasche zu ebenso geringen Ehren gereicht als dem Springinsfeld oder dem Simplicissimo selbsten.

Ich dorfte täglich über 3 oder 4 Stund nicht schreiben, weil Courasche nicht mehr Zeit nahm, mir zu diktieren; und alsdann mochte ich mit andern spazieren gehen, spielen oder andere Kurzweil haben, worzu sich dann alle gar geneigt und gesellig gegen mir erzeigten; ja die Courasche selbst leistete mir die mehriste Gesellschaft, dann bei diesen Leuten findet durchaus einige Traurigkeit, Sorg oder Bekümmernus keinen Platz; sie ermahnten mich an die Marder und Füchse, welche in ihrer Freiheit leben und auf den alten Kaiser, doch vorsichtig und listig genug, hinein stehlen, wann sie aber Gefahr vermerken, ebenso geschwind als vorteilhaftig sich aus dem Staub machen.[136] Einesmals fragte mich Courasche, wie mir dies freie Leben gefiele; ich antwortet: ›Überaus wohl!‹; und obgleich alles erlogen war, wao ich gesagt, so henkte ich jedoch noch ferner dran, daß ich mir schon nicht nur einmal gewünscht, auch ein Zigeiner zu sein. ›Mein Sohn,‹ sagte sie, ›wann du Lust hast, bei uns zu bleiben, so ist der Sach bald geholfen.‹ – ›Ja, mein Frau,‹ antwortet ich, ›wann ich auch die Sprach könnte.‹ – ›Dies ist bald gelernet,‹ sagte sie: ›ich hab sie ehe als in einem halben Jahr begriffen! Bleibet Ihr nur bei uns, ich will Euch ein schöne Beischläferin zum Heurat verschaffen.‹ Ich antwortet, ich wollte noch ein paar Tag mit mir selbst zu Rat gehen und bedenken, ob ich sonst irgends ein besser Leben als hier zu kriegen getraute. Des Studierens und Tag und Nacht über den Büchern zu hocken, wäre ich schon vor längsten müd worden; so möchte ich auch nicht arbeiten, viel weniger erst ein Handwerk lernen, ohne (welches das schlimmste wär) daß ich auch ein schlecht Patrimonium von meinen Eltern zu hoffen hätte. ›Du hast einen weisen Menschensinn, mein Sohn,‹ sagte das Rabenaas weiters, ›und kannst leicht hierbei abnehmen und probieren, was unser Manier zu leben vor anderer Menschen Leben vor einen Vorzug habe, wann du nämlich siehest, daß kein einzig Kind aus unserer Jugend zu dem allergrößten Fürsten gieng, der es aufnehmen und zu einem Herrn machen wollte; es würde alle solche hohe fürstliche Gnaden vor nichts schätzen, die doch andere knechtisch gesinnte Menschen so hoch verlangen.‹ Ich gab ihr gewonnen und gedachte doch bei mir selber, was ihr Springinsfeld gewünscht; und indem ich ihr diesergestalt das Maul machte, als wann ich bei ihr verbleiben wollte, hoffte ich desto ehender die Freiheit, mit andern auszugehen und also Gelegenheit zu bekommen, mich wieder von ihr abzuscheiblen.

Eben um dieselbige Zeit kam eine Schar Zigeiner; die brachten eine junge Zigeinerin mit sich, die schöner war, als die Allerschönste aus diesen Leuten zu sein pflegen. Diese machte sowohl als andere bald Kundschaft zu mir, (dann man muß wissen, daß unter dieses Volks ledigen Leuten wegen ihres Müßiggangs die Löffelei eine Gewohnheit ist, deren sie sich weder zu schämen noch zu scheuen pflegen) und erzeigte sich so freundlich, holdselig und liebreizend, daß ich glaube, ich wäre angangen, wann mich nicht die Sorg, ich wurde auch hexen lernen müssen, darvon abgeschröckt und ich nicht zuvor der Courasche Leichtfertigkeit und lasterhaftes Leben aus ihrem eignen Maul gehört hätte. Eben darumb traute ich destoweniger und sahe mich desto besser vor, doch erzeigte ich mich [137] gestältiger gegen ihr als gegen einer andern. Sie fragte mich gleich nach gemachter Kundschaft, was ich der Frau Gräfin, dann also nannte sie die Courasche, zu schreiben hätte; als ich ihr aber die Antwort gabe, es wäre ohnnötig, daß es die Jungfer wüßte, war sie nit allein wohl damit zufrieden, sonder ich merkte auch an der Courasche selbsten meiner Einbildung nach, daß sie solche Frag an mich zu tun befohlen und also meine Verschwiegenheit probiert hatte; dann sie ward mir immer je freundlicher, wie ich Narr vermeinte.

Damals war ich allbereit in 14 Tagen nicht mehr aus den Kleidern kommen, wessentwegen sich dann die Müllerflöhe häufig bei mir einfanden, welches heimliche Leiden ich meiner Jungfer Zigeinerin klagte. Dieselbe lachte mich anfänglich gewaltig aus und nannte mich einen einfaltigen Tropfen; aber den andern Morgen brachte sie eine Salbe, welche alle Läuse vertreiben würde, wann ich nur darmit nackent bei einem Feuer, der Zigeinergewohnheit nach, [mich] wollte schmieren lassen, welche Arbeit sie, die Jungfer, auch gern verrichten wollte. Ich schämbte mich aber viel zu sehr und sorgte darneben, es möchte mir gehen wie Apulejo, welcher durch dergleichen Schmiersalb in ein Esel verwandelt worden. Indessen quälte mich aber das Ungeziefer so greulich, daß ichs nicht mehr erleiden kunnde; dannenhero ward ich gezwungen, diese Salbung zu gebrauchen, doch mit dieser Kondition, daß sich die Jungfer zuvor von mir schmieren lassen sollte, und alsdann wollte ich ihr nachfolgen und ihr auch stillhalten. Zu solcher Verrichtung nun machten wir uns etwas fern von unserm Läger ein absonderlichs Feuer und täten dabei, was wir abgeredet hatten.

Die Läuse giengen zwar fort, aber den Morgen früh sahe ich mit haut und Haar so schwarz aus wie der Teufel selber. Ich wußte es noch nicht an mir, bis mich die Courasche vexierte und sagte: ›So, mein Sohn! ich sehe wohl, du bist deinem Wunsch nach schon ein Zigeiner worden.‹ – ›Ich weiß noch nichts darvon, mein hochgeehrte Frau Mutter‹, antwortet ich; sie aber sagte: ›Beschaue deine Hände!‹ und mit dem ließe sie einen Spiegel holen, in welchem sie mir eine Gestalt wiese, die ich wegen übermäßiger Schwärze selbst nicht mehr vor die meinige erkannte, sonder darvor erschrack. ›Diese Salbung, mein Kind!‹ sagte sie, ›gilt bei uns soviel als bei den Türken die Beschneidung, und welche dich gesalbet hat, die mußt du auch zum Weib haben, sie gefalle dir gleich oder nicht.‹ Und mit dem fieng das Teufelsgesindel miteinander an zu lachen, daß sie hätten zerbersten mögen.

[138] Als ich nun sahe, wie mein Handel stunde, hätte ich Stein und Bein zusammenfluchen mögen. Aber was wollte oder sollte ich anders tun, als nach deren Willen mich zu akkommodiern, in welcher Gewalt ich damals war. ›Hei!‹ sagte ich, ›was geschneids dann auch mich? Vermeinet ihr dann wohl, diese Veränderung sei mir so gar ein großer Kummer? höret nur auf zu lachen und sagt mir darvor, wann ich Hochzeit haben soll.‹ – ›Wann du wilt, wann du wilt,‹ antwortet Courasche, ›doch dergestalt, wann wir auch einen Pfaffen darbei werden haben können.‹

Ich war damals mit der Courasche Lebenslauf all bereit fertig, ohne daß ich noch ein paar, ich weiß aber nit was vor Diebsstück, darzu hätte setzen sollen, die sie verübet, seit sie eine Zigeinerin worden; derowegen begehrte ich gar höflich bie versprochene Bezahlung; sie aber sagte: ›Ho, mein Sohn! du bedarfst jetzt kein Geld, es wird dir noch wohl kommen, wann du Hochzeit gehalten haben wirst.‹ Ich gedachte: ›Hat dirs der Schinder in Sinn geben, daß du mich hiermit halten sollst?‹ und als sie merkte, daß ich etwas sauers darzu sehen wollte, setzte und ordnete sie mich vor der ägyptischen Nation obersten Secretarium durch ganz Teutschland und tat Promessen, daß mein heurat mit ihrer Jungfer Basen, sobald es nur Gelegenheit geben würde, vollzogen und mir zwei schöne Pferd zum Heuratgute mitgegeben werden sollten. Und damit ich dieses desto steifer glauben sollte, dorfte meine Jungfrau Hochzeiterin nit underlassen, mich mit ihrer gewöhnlichen Freundlichkeit zu underhalten. Diese Geschichte war kaum verloffen, als wir aufbrachen und mit guter Ordre fein gemach sambt Weib und Kind etwan selbe dreißigst das Vielertal herunder marschierten, auf welchem Weg Courasche ihren stattlichen Habit nicht anhatte, sonder auch wie sonst ein andere alte Hex aufzog. Ich war under den Furieren und halfe das Quartier auf etlichen Bauernhöfen machen, in welcher Verrichtung ich mich keine Sau, sonder ein vornehmes Mitglied der ansehenlichsten Zigeiner zu sein bedunken ließe. Den andern Tag marschierten wir vollents bis an den Rhein und blieben zunächst an einem Dorf, allwo ein Überfahrt war, in einem Busch bei der Landstraßen, über Nacht, um den folgenden Tag vollents über Rhein zu gehen. Aber des Morgens, da der schwarze Secretarius erwachte, siehe, da befande sich der gute Herr ganz allein, maßen ihn die Zigeiner und seine Braut so gar verlassen, daß er von ihnen auch sonst nichts als nur die holdselige Farbe zur freundlichen Gedächtnus noch übrig hatte.«

Das 7. Kapitel

[139] Das VII. Kapitel.
Simplicissimi Gaukeltasch und erhaltene treffliche Losung.

»Da saße ich nun, als wann mir Gott nit mehr hätte gnädig sein wollen, dem ich gleichwohl zu danken Ursach hatte, daß mich dies lose Gesindel nit gar ermordet und mich im Schlaf visitiert und mir mein wenig Geld, so ich noch zu der Zehrung bei mir trug, genommen. Und Ihr, Springinsfeld, was habt Ihr jetzt mehr vor Ursachen, über mich zu kollern, der ich doch so freiwillig erzähle, daß mich diese arge Bettel sowohl als Euch betrogen, als dern List und Bosheit gleichsamb kein Mensch, an den sie sich machen will, entgehen kann, wie dann gegenwärtigem ehrlichen Herrn Simplicissimo beinahe selbst widerfahren wäre.« Springinsfeld antwortet mir: »Nichts, nichts, gar nichts, guter Freund! Sei nur zufrieden, und hol der Teufel die Hex!« – »Mein!« antwortet ihm Simplicius, »wünsche doch der armen Tröpfin nichts Böses mehr! Hörest du nicht, daß sie allbereits ohne das der Verdamnus nahe, bis über die Ohren im Sündenschlamm, ja allerdings schon gar der Höllen im Rachen steckt? Bette darvor ein paar andächtiger Vatterunser vor sie, daß die Güte Gottes ihr Herz erleuchten und sie zu wahrer Buße bringen wolle.« – »Was?« sagte Springinsfeld, »ich wollte lieber, daß sie der Donner erschlüg!« – »Ach daß Gott walt,« antwortet Simplicius, »ich versichere dich, wann du nicht anders tust als so, daß ich umb die Wahl, die sich zwischen deiner und ihrer Seligkeit findet, keine Stiege hinunder fallen wollte.« Springinsfeld sagte darauf: »Was geheits mich?« Aber der gute Simplicius schüttelt den Kopf mit einem tiefen Seufzen.

Es war damals schier umb 2 Uhr nachmittag, und wir hatten alle drei überflüssig genug gefüttert, als Springinsfeld Simplicium fragte, womit er sich doch ernähre, und was sein Stand, Handel und Wandel wäre. Er antwortet ihm: »Das will ich dich sehen lassen, ehe ein halbe Stund vergehet.« Und als er kaum das Maul zugetan hatte, kam sein Knan und Meuder sambt einem starken Bauernknecht daher, welche zwei Paar ausgemäste Ochsen vor sich trieben und in Stall stelleten. Er verschaffte, daß besagte seine beide Alte alsobalden aus der Kälten in die warme Stub gehen mußten, welche in der Wahrheit aussahen wie ihre Bilder auf Simplicii Ewigem Kalender darstellen; und als der Knecht auch hineinkam, befahl er dem Wirt, daß er ihnen Essen und Trinken geben sollte; er selbst aber nahm den Sack, den sein Knecht getragen, und sagte dem [140] Springinsfeld: »Jetzt komm mit mir, damit du sehest, womit ich mich ernähre.« Mir aber sagte er, wann ich wollte, so könnte ich wohl auch mitgehen. Also zottelten wir alle drei auf einen volkreichen Platz, wohin Simplicius einen Tisch, eine Maß neuen Wein und ein halb Dutzend leere Gläser bringen ließe: das hatte ein Ansehen, als wann wir dorten auf offenem Markt in der größten Kälte hätten miteinander zechen wollen. Wir kriegten bald viel Zuseher, behielten aber keinen beständigen Umbstand, dieweil die grimmige Kälte einen jeden wieder fortzugehen drang. Das sahe Springinsfeld, sagte derohalben zum Simplicio: »Bruder, wilt du, daß ich dir diese Leute hier stillstehend mache?« Simplicius antwortet: »Die Kunst kann ich wohl selber, aber wann du wilt, so lasse sehen, was du kannst.« Hierauf wischte Springinsfeld mit seiner Geige herfür und fing an zu agieren und zugleich darunder zu geigen; er machte ein Maul von 3, 4, 5, 6, ja 7 Ecken, und indem er giege, musizierte er auch mit dem Maul darunter, wie er zuvor im Wirtshause getan hatte. Da aber die Geige, als welche in der Wärme gestimmt worden, kein gut in der Kälte mehr tun wollte, übte er allerhand Tierer Geschrei von dem lieblichen Waldgesang der Nachtigallen an bis auf das fürchterlich Geheul der Wölfe, beides inklusive, warvon wir dann ehender als in einer halben viertel Stund einen Umstand bekamen von mehr als 600 Menschen, die vor Verwunderung Maul und Augen aufsperrten und der Kälte vergaßen.

Simplicius befahl dem Springinsfeld zu schweigen, damit auch er dem Volk sein Meinung vorbringen könnte; als dies geschahe, sagte Simplicius zum Umstand: »Ihr Herren, ich bin kein Schreier, kein Storger, kein Quacksalber, kein Arzt, sonder ein Künstler! Ich kann zwar nit hexen, aber meine Künste seind so wunderbarlich, daß sie von vielen vor Zauberei gehalten werden; daß aber solches nit wahr sei, sonder alles natürlicherweis zugehe, ist aus gegenwärtigem Buche zu ersehen, als worinnen sich genugsame glaubwürdige Urkunden und Zeugnussen dessentwegen befinden werden.« Mit dem zog er ein Buch aus dem Sack und blättert darin herum, dem Umstand seine glaubwürdige Schein zu weisen; aber siehe, da erschienen eitel weiße Blätter. »So!« sagt er darüber, »so sehe ich wohl, ich stehe da wie Butter an der Sonnen! Ach,« sagte er zum Umstand, »ist kein Gelehrter unter euch, der mir einige Buchstaben hineinblasen könnte?« Und demnach zween Stutzer zunächst bei ihm stunden, batt er den einen, er sollte ihm nur ein wenig ins Buch blasen, mit Versicherung, daß es ihm weder an seinen Ehren noch an seiner [141] Seligkeit nichts schaden würde. Da derselbe solches getan, blättert Simplicius im Buch herum; da erschiene nichts anders als lauter Wehr und Waffen. »Ha!« sagte er, »diesem Kavalier gefallen Degen und Pistolen besser als Bücher und Buchstaben, er wird ehender ein braven Soldaten, als ein Doktor abgeben. Aber was soll mir das Gewehr in meinem Buch? es muß wieder hinaus!« Und mit dem bliese Simplicius selbst an das Buch, gleichsam als wann er dardurch geblasen, und wiese darauf dem Umstand wiederum im Umblättern nur weiße Blätter, worüber sich jedermann verwunderte. Der ander Stutzer, der neben erstgedachtem stunde, begehrte von sich selbst, auch in das Buch zu blasen; als selbiges geschehen, blättert Simplicius im Buche herum und wiese dem Stutzer und Umstand eitel Cavalliers und Dames. »Sehet,« saget er, »dieser Kavalier löffelt gern, dann er hat mir lauter junge Gesellen und Jungfern in mein Buch geblasen; was soll mir aber so viel müßige Bursch? Es seind fressende Pfänder, die mir nichts taugen; sie müssen wieder fort!« Und alsdann bliese er wieder durch das Buch und zeigte allem Umstand im Umblättern eidel Weißes. Diesem nach ließe Simplicius einen ansehenlichen Burger hineinblasen, aus dessen Ansehen ein großes Vermögen zu vermuten war; hernach umblättert er das Buch und wiese ihm und dem Umstand lauter Taler und Dukaten, sagende: »Dieser Herr hat entweder viel Geld oder wird bald viel bekommen oder wünscht doch aufs wenigst, ein ziemliche Summa zu haben; das, was er hereingeblasen, wird mein sein!« Und damit hieße er mich seinen Sack aufhalten, in welchem er wohl 300 zünnene Büchsen hatte. Dahinein bliese er durchs Buch und sagte: »So muß man diese Kerl aufheben!« wiese hernach dem Umstand abermal in seinem Buch nur weiß Papier, ließe darauf einen andern mittelmäßigen Stands hineinblasen, blättert im Buch herumer, und als eitel Würfel und Karten erschienen, sagte er: »Dieser spielt gern, hingegen ich nit; darum müssen mir die Karten wieder weg!« Und als er selbst wieder durch das Buch geblasen, zeigte er abermal dem Umstand nur weiße Blätter. Ein Fatzvogel unterm Umstand sagte, er könnte lesen und schreiben, er sollte ihn hineinblasen lassen, er wüßte, daß alsdann schöne Testimonia erscheinen würden. »O ja,« antwortet Simplicius, »diese Ehr kann Euch gleich widerfahren!« hielte ihm demnach das Buch vor, ließe ihn blasen, solang er wollte, und als es geschehen, zeigte er ihm und dem Umstand lauter Hasen-, Esels- und Narrenköpf im Umblättern und sagte: »Wann Ihr sonst nichts als meine und Eure Brüder habt hereinblasen wollen, so hättet [142] Ihrs auch wohl unterweg können lassen!« Das gab ein solches Gelächter, daß mans über das neunte Haus hörete; Simplicius aber sagte, er müsse dies Ungeziefer wieder abschaffen, könnt deren Stell wohl selbst vertretten; und mit dem bliese er wieder durch das Buch und zeigte dem Umstand wiederum wie zuvor nur weiße Blätter. »Ach!« sagt er, »wie bin ich doch so herzlich froh, daß ich dieser Narren wieder los bin worden!« Es stund einer dort, der allbereit mit Kupfer anfieng zu handlen; zu selbigem sagte Simplicius: »Mein! blaset doch auch herein, zu sehen, was Ihr könnet.« Er folgte, und als es geschehen war, wiese er ihm und andern sonst nichts als Trinkgeschirr. »Ha!« sagte Simplicius, »dies ist meinesgleichen, der trinkt gern, und ich mache gern Gesegne Gott.« Und damit klopfte er auf die Kandel und sagte ferner zu ihm: »Secht, mein Freund, in dieser Kandel steckt ein Ehrentrunk vor Euch, der Euch auch bald zuteil werden soll.« Zu mir aber sprach er, ich sollte die Gläser nacheinander einschenken, welches ich auch verrichtete. Indessen bliese er wieder durch das Buch, zeigte dem Umstand abermal weiße Blätter und sagte, so viel Trinkgeschirr könnte er vor diesmal nit füllen, er hätte selber Gläser genug zu gegenwärtiger seiner einzigen Maß Wein. Endlich ließe er einen jungen Studenten in das Buch blasen, blättert darauf um und zeigte dem Umstand lauter Schriften. »Haha!« sagte er, »bist du einmal da? Recht, ihr Herren, dies sein meine glaubwürdige Zeugnusse, davon ich euch zuvor gesagt; diese will ich in dem Buch lassen, gegenwärtigen jungen Herrn aber vor einen Gelehrten halten und ihm auch eins bringen, um daß er mir wieder zu meinen trefflichen Urkunden geholfen hat!« Und damit steckte er das Buch in Sack und machte seiner Gaukelei ein Ende.

Hingegen ließe er aus dem Umstand eine Büchse aus dem Sack langen und sagte: »Ihr Herren, habt verstanden, daß ich mich vor keinen Arzt, sonder vor einen Künstler ausgebe; das sag ich noch, aber gleichwohl kann man mich gar wohl vor einen Weinarzt halten; dann die Wein haben auch ihre Krankheiten und Mängel, die ich alle kuriern kann. Ist ein Wein weich und so zähe, daß man ihn aufhasteln könnte, so hilf ich ihm, ehe man zwanzig zählen kann, daß er im Einschenken rauschet und seine Geisterlein über das Glas hinausspringen. Ist er rahn und so rot wie ein Fuchs, so bring ich ihm seine natürliche Farb in dreien Tagen wieder. Schmeckt er nach einem schimmlichten Faß, so bring ich ihm in wenig Tagen einen solchen Geschmack zuwegen, daß man ihn vor Muskateller trinken [143] wird; ist er so sauer, als wann er in Bayern oder in Hessen gewachsen wäre, und darneben wegen seiner Jugend oder anderer Ursachen halber so trüb, daß er die Würmlöcher stopfen und beides, vor Speis und Trank, wie an teils Orten das nahrhaftig Bier gebrauchet werden könnte, sehet, ihr Herrn, so mache ich ihn alsobalden, daß ihr ihn entweder vor Malvasier oder vor spanischen oder sonst vor den allerbesten oder doch aufs wenigst vor einen guten alten Wein trinken sollet. Und diese Kunst, als die allerunglaublichste, will ich hie gegenwärtig probieren und euch deren Gewißheit vor Augen stellen.«

Demnach tät er einer Erbsen groß aus der Büchsen in ein Glas voll Wein und rühret alles untereinander; davon gosse er in das eine Glas einen Tropfen, in das ander 2, ins dritte 3 und ins 4te vier, davon sich der Wein in den Gläsern alsobalden in unterschiedliche Farben veränderte, je nachdem er wenig oder viel Tropfen in ein jedes gegossen hatte. Das fünfte Glas Wein aber, darin er nichts gegossen, verblieb, wie es war, nämlich ein neuer trüber roher Wein, wie er allererst dasselbe Jahr gewachsen. Alsdann ließe er die vornehmste aus dem Umstand diese Wein versuchen, welche sich alle über diese geschwinde Veränderung und underschiedliche Geschmack und Arten der Wein verwunderten. »Ja, ihr Herren,« fuhr er weiters fort, »nachdem ihr nun die Gewißheit dieser Kunst gesehen, so müßt ihr auch wissen, daß einer Erbsen groß dieses Elixiers in eine Maß und ein solche Büchse voll in einen Ohmen zuviel sei, den Wein aufs allerhöchste zu verbessern und ihn dem spanischen Wein oder Malvasier gleichzumachen, derjenige neue Wein, den man verändern will, seie dann gar zu sauer. Wer nun Lust hat, lieber einen delikaten als sauren Wein zu trinken, der mag mir heut von diesem Elixier abkaufen, dann morgen findet er ein Büchsel wohl nit mehr feil um 6 Batzen wie heut, sintemal was mir übrigbleibt, morgen einen halben Gulden gelten muß, zwar nit eben darum, daß ich so gar nötig Geld brauche, sondern weil ichs mit diesem Elixier mache wie die Sibylla mit ihren Büchern.« Wir hatten damals bei 1000 Personen zum Umstand, mehrenteils erwachsene Mannsbilder, und da es an ein Kaufens gieng, hatte Simplicius beinahe nicht Hände genung, Geld einzunemmen und Büchsen hinzugeben, ich aber verspendierte den vorhabenden Wein vollends, den er mir jeweils mit seiner Mixtur nachtemperierte. Und ehe ein halb Stund herum war, hatte er allbereit seine Büchsen versilbert und sein gut bar Geld darvor eingenommen, also daß er die halben Teil Leut, so deren noch begehrten, mußte leer hingehen lassen.

[144] Nach diesem Verlauf schaffte er Tischgläser und Kannen wieder an sein Ort, und als er dem Verleiher seinen Willen darvor gemacht, giengen wir wieder miteinander in unser Herberg, allwo Simplici Knan die 4 Ochsen allbereit um hundertunddreißig Reichstaler verkauft hatte und fertig war, Simplicio das Geld darzuzählen. »Siehest du nun,« sagte Simplicius zum Springinsfeld, »womit ich mich ernähre?« – »Freilich siehe ichs,« antwortet Springinsfeld; »ich hab vermeinet, ich sei ein Rabbi, Geld zu machen, aber jetzt sehe ich wohl, daß du mich weit übertriffst; ja ich glaube, der Teufel selbst sei nur vor ein spitzigs Lederlein gegen dir zu rechnen.«

Das 8. Kapitel

Das VIII. Kapitel.
Mit was vor einem Beding Simplicissimus den Springinsfeld die Kunst lernete.

»Mein Gott! Springinsfeld,« sagte Simplicius, »wie hast du doch so gar ein ungeschliffen Maul?« – »Das ist noch nichts!« antwortet Springinsfeld; »ich sage das Halbe nicht heraus, wie mirs ums Herz ist.« – »Wie ist dir dann?« fragte jener. – »Mir ist schier,« antwortet Springinsfeld, »(wann ichs nur sagen dörfte) du seiest ein halber Hexenmeister oder habest doch wenigst sonst einen trefflichen Lehrmeister gehabt.« – »Und mir,« sagte Simplicius, »ist ganz zu Sinn und glaube es auch festiglich, du seiest ein ganzer Narr und habest dein Handwerk auch ohne einen Lehrmeister gelernet. Mein! was geb ich dir vor Ursachen, so böse Gedanken von mir zu machen?« – »Ich«, antwortet Springinsfeld, »habe ja heut deine Verblendungen genugsamb gesehen.« Simplicius antwortet hingegen: »Es ist dir allerdings ein Schand, daß du allbereit so alt, so lang in der Welt herumgeloffen und gleichwohl noch so alber bist, daß du natürliche Kunststück und Wissenschaften, wie du heut an Veränderung des Weins, und schlechte Kinderpossen, davon du heut ein Exempel an meinem Buche gesehen hast, vor Zauberei und Verblendungen hältst!« – »Ja!« sagte Springinsfeld, »es ist nit nur das; ich siehe, daß dir das Geld gleichsam zuschneiet, da ich doch mit so großer Müh und Arbeit Pfenning erobern, und wann ich dessen einen Vorrat haben und behalten will, beides, an meinem Leib und an meinem Maul, ersparen muß.« – »Du Phantast,« sprach Simplicius; »vermeinest du dann, dies Geld komme mich ohne Schnaubens und Bartwischens [145] an? Meine beide Alte haben die 4 Ochsen mit Mühe und Kosten erziehen und ausmästen, ich aber auch laborieren müssen, bis ich die Materiam verfertigt, daraus ich heut Geld gelöst.« – »Was ists aber mit dem Buch?« fragte Springinsfeld; »ists keine Verblendung? Lauft nit das kleine Hexenwerk mit unter?« Simplicius antwortet: »Was ists mit den Taschenspielern und Gauklern? Narren- und Kinderwerk ists, darüber ihr einfältige Tropfen euch nur deshalber verwundert, weil es euer grober Verstand nicht begreifen kann!« Nach langer solcher Wortwechslung schätzte endlich Springinsfeld den Simplicium glückselig, wann er diese Künste natürlicherweis könnte, und botte ihm 20 Reichstaler an, wann er ihn die Kunst lernete, daß er auch wie er aus einem Buche wahrsagen oder gauklen könnte. »Dann,« sagte er, »lieber Bruder, ich muß mich mit Bettlen und meiner Geige ernähren; wie vermeinest du wohl, daß es mir so trefflich zustatten kommen würde, wann ich mich irgends bei einer Bauernkürbe oder einer Hochzeit einfinde und meine Zuhörer mit diesem artlichen Stückel belustigen und zur Verwunderung bringen könnte? Würde es nicht zehenmal mehr Heller bei mir setzen, als wann ich nur geige und meine alte Possen und Grillen übe?«

»Mein Freund,« antwortet Simplicius, »es wäre gut, wann du deine alte Possen und Grillen, wie du es nennest, gar underwegen ließest; dann siehe, du bist allerdings ein siebenzigjähriger Mann, der auf der Gruben gehet und allerdings kein Stund sicher vorm Tod ist. Hingegen hast du, wie ich gesehen, ein fein Stück Geld, darmit du dich, solang dir Gott das Leben noch gönnen möchte, gar wohl ausbringen kannst. Wann ich in deiner Haut steckte, so begäbe ich mich in einen geruhigen Stand, darin ich mein geführtes Leben bedenken, meine begangene Stücklein bereuen, mich zu Gott bekehren und ihme nunmehr allein dienen könnte, welches gar füglich irgents in einem Spital, darinnen du dir eine Pfründ kaufen könntest, oder etwan in einem Kloster, da du noch einen Torhüter abgeben möchtest, beschehen könnte. Es ist mehr als genug getobt und Gott versucht, wann wir bis in das Alter der Welt Torheiten angeklebet und in allerhand Sünden und Lastern gleichsamb wie ein Sau im Morast geschwembt und umbgewälzt haben! Aber viel ärger und noch eine größere Torheit ist, wann wir gar bis ans End darin verharren und nicht einmal an unsere Seligkeit oder an unsere Verdambnus, und also auch nicht un unsere Bekehrung gedenken!«

»Närrisch tät ich,« antwortet Springinsfeld, »wann ich [146] mein Geld, das ich mit großer Müh und Arbeit zusammengebracht, in ein Kloster oder Spital steckte, solches zu belohnen, damit es mich meiner Freiheit beraubte.« Simplicius hingegen sagte: »Alsdann tust du närrisch, wann du eine vermeinte Freiheit zu genießen gedenkest, indessen aber ein Knecht der Sünd, ein Sklav des Teufels und also, ach leider! auch ein Feind Gottes verbleibest. Ich beharre noch mein vorige Meinung, daß dir nemblich beides, ratsamb und nutzlich wäre, zur Bekehrung zu schreiten, ehe dich der Schlaf der ewigen Nacht und Finsternus überfällt! Dann siehe! der Tag hat sich bei dir umb mehr als 20 Jahr als bei mir geneiget, und dein spatter Abend erinnert dich, ehist schlafen zu gehen.«

Springinsfeld antwortet: »Bruder, empfang du zwanzig Taler von mir vor die begehrte Kunst und lasse die Pfaffen predigen denen, die ihnen gern zuhören; hingegen will ich dir versprechen, daß ich mich gleichwohl auch auf deine Erinnerung bedenken wolle.«

Gleichwie nun in der ganzen Welt sich nichts so eitel und unnütz befindet, das nicht zu etwas Guts könnte emploiert und verwendet werden, also gedachte auch Simplicius durch sein Buch, welches er seine Gaukeltasche nennet, den Springinsfeld zu bekehren; derowegen sagte er zu ihm: »Höre, mein Freund, hieltest du in Ernst darvor, es wäre Zauberei oder wenigst eine geringe Verblendung, als du mich die Kunst auf dem Mark mit dem Buch üben sahest?« Springinsfeld antwortet: »Ja! und ich glaubte es auch noch, wann ich dich jetzt nicht so gottselig reden hörete.« – »Nun dann,« sagte Simplicius, »dieser Rede und dieses Wahns, der dich betrogen, bleib eingedenk bis in dein End und versprech mir, dich aus desjenigen allweg, sooft du das Buch brauchest, zu erinnern, was ich dir ferner sagen werde; so will ich dich nit allein die vermeinte Kunst umsonst und ohne deine offerierte 20 Reichstaler lernen, sonder ich will dir noch das Buch darzu schenken, ohne welches du auch die Kunst nit wirst üben können.« Springinsfeld fragte, was dann dasjenige vor Sachen wären, deren er sich jederzeit bei dem Buch erinnern sollte? Simplicius antwortet: »Wann du erstlich den Zusehern lauter weiße Blätter zeigest, so erinnere dich, daß dir Gott in der heiligen Tauf das weiße Kleid der Unschuld wiederum geschenkt habe, welches du aber seither mit allerhand Sünden so vielmal besudelt habest. Weisest du dann die Kriegswaffen, so erinnere dich, wie ärgerlich und gottlos du dein Leben im Krieg zugebracht habest; kommst du an das Geld, so gedenke, mit was vor Leibs- und Seelengefahr du demselben [147] nachgestellt; also erinnere dich auch bei den Trinkgeschirren deiner verübten unflätigen Sauferei; bei den Würfeln und Karten, wie manche edle Zeit und Stund du unnützlich damit zugebracht, was vor Betrug darbei vorgeloffen, und mit was vor grausamen Gottslästerung der Allerhöchste dabei geunehret worden. Bei den Knaben und Jungfrauen erinnere dich deiner Hurenjägerei; und wann du an die Narrenköpfe kommst, so glaube sicherlich, daß diese ohn allen Zweifel Narren sein, die sich durch obenerzählte der Welt Lockungen betrügen und um ihre ewige Seligkeit bringen lassen. Weisest du aber die Schrift auf, so gedenke, daß die heilige Schrift nicht lüge, die da sagt, daß die Geizige, die Neidige, Zornsüchtige, Haderkatzen, Balger und Mörder, die Spieler, die Saufer und die Hurer und Ehebrecher schwerlich das Reich Gottes werden besitzen und daß dannenhero derjenig einem Narren gleich tue, der sich von solchen Lastern verführen und so schandlich umb sein Seligkeit bringen lasse. Gleichwie nun die meiste und zwar die einfältigste von deinen Zusehern vermeinen, sie werden durch dich verblendet, so doch in Wahrheit nit ist, also bedenke du hingegen und führe wohl zu Gemüt, daß die allermeiste von den unverständigen Menschen von dem Teufel und der Welt durch obige Laster unvermerkt verblendet und in die ewige Verdamnus gebracht werden.«

»Mein Bruder,« sagte hierauf Springinsfeld, »des Dings ist gar zuviel. Wer, zum St. Peter, wollte alles im Kopf behalten können?« Simplicius antwortet: »Mein Freund, wann du das nicht kannst, so wirst du auch nit behalten können, wie du recht geschicklich mit dem Buch umgehen sollest!« – »Ei!« sagte Springinsfeld, »das will ich schon lernen!« – »Und das Buch«, antwortet Simplicius, »wird dich alsdann auch schon selber an dasjenig erinnern, waran du meinet- oder vielmehr deinetwegen gedenken sollest.« – »Ich gäbe dir aber«, sagt Springinsfeld, »lieber die 20 Reichstaler und wäre dieser Obligation ledig.« Simplicius antwortet: »Dies will aber Simplicius nicht tun, nicht allein darumb, weil das Buch und die Wissenschaft, solches zu gebrauchen, ohne die begehrte Erinnerung nicht so viel Gelds wert ist, sonder weil sich Simplicius auch ein Gewissen macht, den geringsten Heller von dir zu nemmen, sintemal er nicht weiß, wie du dein Geld gewonnen und erobert hast. Ja, ich gebe dir das Buch nicht, du versprächest mir dann, dich allweg dessen zu erinnern, was ich dir gesagt, wann du mir gleich 100 Reichstaler bar daherzahltest.«

Springinsfeld kratzte sich im Kopf und sagte: »Du erweckest bei mir fast ängstige Gedanken; ich siehe, daß du deinen Nutzen [148] und auch meinen Schaden nicht begehrest. Ma foi, Bruder, es steckt etwas darhinder, das ich nicht verstehe! So viel kann ich schließen, weil du mir mit Annehmung des Gelds nit schädlich zu sein begehrest, daß du es treulich mit mir meinen und das Gebott der Erinnerung, welches ich vor eine schwere Bürde gehalten, zu meinem Frommen aufladen werdest. Derowegen verspriche ich hiemit, alles dessen eingedenk zu sein, was du von mir vor solche Kunst haben willst.« Hierauf zog Simplicius das Buch hervor und zeigte dem Springinsfeld alle Vorteil und Griff. Und demnach sie mich auch zusehen ließen, faßte ich die Beschaffenheit desselben so genau ins Gedächtnus, daß ich auch stracks eins dergleichen machen könnte, wie ich dann etliche Tag hernach tät, um solche Simplicianische Gaukeltasch der ganzen Welt gemein zu machen.

Das 9. Kapitel

Das IX. Kapitel.
Tisch- und Nachtgespräch, und warum Springinsfeld kein Weib mehr haben wollte.

Indessen dieser Diskurs und Handlung zwischen Simplicio und Springinsfelden vergieng, näherte sich die Zeit des Nachtessens. Ich wollte mir besonder anrichten lassen, aber Simplicius sagte, ich müßte so wohl als Springinsfeld sein Gast sein, jener zwar als ein alter Kamerat und jetziger neuangestandener Lehrjung, ich aber um dessentwillen, daß ich ihm heut so ein annehmliche Botschaft gebracht, daß nämlich sein Sohn Simplicius von der leichtfertigen Courasche nicht geboren worden seie; zudem seie auch billig, daß er mich beides, um den Schreiberlohn, und was ich sonst seinetwegen bei den Zigeinern ausgestanden, befriedige. Da wir nun so miteinander redeten, kam auch der junge Simplicius mit noch einem von seinen Kollegen, als welcher damals in dieser Stadt studierte und seines Vattern Ankunft vernommen hatte. Er war auch ein riesenmäßiger langer Kerl allerdings wie sein Vatter und sahe ihm von Angesicht so ähnlich, daß ein jeder, der es auch nicht gewußt hätte, unschwer abnehmen könnte, daß er sein natürlicher Sohn gewesen, ohnangesehen die elende Courasche sich einbildet, sie hätte ihn mit einem fremden Kind so meisterlich betrogen.

Also setzten sich zu Tisch der Knan und die Meuder, der alt und junge Simplicius sampt seinem Kameraten, dem Studenten, den er mitgebracht, ich, Springinsfeld und Simplicii Baurenknecht. Der Imbs war kurz und gut, weil beide Alte zu [149] Bett eileten, dann sie sagten, ob sie gleich nicht schlafen könnten, so tät ihnen doch die Ruhe wohl; und dannenhero setzte es auch destoweniger Diskursen. Eins gieng vor, woraus ich abnahm, daß Springinsfelds Gedächtnus und Verstand, etwas geschwind zu fassen, nit so gar hölzern war; dann als ermeldter Student verlangte, Simplicii Buch zu sehen, das er ihme von etlichen, die auf dem Mark damit agieren sehen, gar verwunderlich hatte beschreiben lassen, ließe er durch den jungen den alten Simplicium bitten, ob er nicht die Ehr haben könnte, solches zu sehen. Aber er antwortet, er hätte solches nicht mehr in seiner Possession; doch sagte er zum Springinsfeld, er sollte beiden Studenten weisen, was er heut gelernt hätte. Der zog alsobald das Buch herfür und blättert den Studenten die weiße Blätter vor den Augen herum, sagende: »Also glatt und unbeschrieben wie dies weiße Papier seind eure Seelen erschaffen und in diese Welt kommen, und derowegen haben euch euere Eltern hieher getan (mit solchen Worten wiese er ihnen die Schriften vor), die Schrift zu lernen und zu studieren; aber ihr Kerl pflegt, anstatt löbliche Wissenschaften zu ergreifen, das Geld vergeblich (hie wiese er ihnen die Geldsorten) durchzujagen und zu verschwenden, dasselbe zu versaufen (hie zeigte er die Trinkgeschirr), zu verspielen (und hie die Würfel und Karten), zu verhuren (hie die Dames und Kavaliers) und zu verschlagen (hie das Gewehr). Ich sage euch aber, daß alle diejenige, die solches tun, sein lauter solche Kerl, wie ihr hier vor Augen sehet«, und damit zeigte er ihnen, die Narren-, Hasen- und Eselsköpfe, und damit wischte er wieder mit dem Buch in Schubsack. Dem alten Simplicius gefiel dieses Stuck so wohl, daß er zum Springinsfeld sagte, wann er gewußt hätte, daß er die Kunst so bald und so wohl begreifen würde, so wollt er ihm nicht halber so viel Lehrgeld abgefordert haben.

Wir machtens mit dem Nachtessen, wie oben gemeldet, nicht lang, bei welchem ich in acht nahm, wie freundlich Simplicius seine beide Alte, und diese hinwiederum ihn und seinen Sohn ehreten und traktierten. Da sahe und verspürte man nichts als Lieb und Treu, und obzwar ein Teil das ander aufs höchste respektierte, so merkte man doch bei keinem einige Forcht, sonder bei jedem blickte ein aufrichtige Verträulichkeit herfür. Der junge Simplicius wußte sich gegen allen am artlichsten zu schicken, und der Baurenknecht, welches sonst plumpe Grobiani zu sein pflegen, erzeigte mehr Zucht und Ehrbarkeit als mancher eines andern Herkommens, der einen eignen Präceptorem gehabt, Mores zu lernen, so daß ich mich verwunderte, wie der ehemahl ganz rohe und gottlos gewesene Simplicissimus seine Haushaltung [150] auf einen solchen reputierlichen Fuß setzen und seine so einfältige als grobe Hausgenossen zu solchen löblichen Sitten gewöhnen können. Der Springinsfeld war ganz still; nicht weiß ich, verwundert er sich auch wie ich oder spintisiert er über die Geheimnussen, so in der Simplicianischen Gaukeltaschen stacken, welche ihm meines Davorhaltens allerhand Nachsinnungen verursachten. Im übrigen ists gewiß, daß selten ein Tisch mit so unterschiedlich bekleidten Leuten besetzt wird, miteinander zu speisen, als wie damals der unserige war. Der Knan sahe aus wie ein alter ehrbarer Baurenschultheiß, die Meuder wie seine Frau Schultheißin, der Baurenknecht wie ihr Sohn, der alt Simplicius, wie ich ihn bereits oben im zweiten Kapitel beschrieben, der jung und dessen Kamerrat wie zwei Stutzer, Springinsfeld wie ein Bettler und ich wie ein armer Plackscheißer oder Präzeptor in seinem abgeschabenen schwarzen Kleide zu sehen pflegt.

Wir wurden zusammen in eine Kammer logiert, weil es Simplicius also haben wollte und Springinsfeld den Wirt versicherte, daß er keine Läuse hätte. Diese beide lagen jeder allein, gleichwie hingegen der Knan und die Meuder, die beide Studiosi, und ich und der Baurenknecht beisammen schliefen. Dieser hielte mich so hart, daß ich ohnangesehen der großen Kälte dieselbige Nacht meine Nase wenig under der Decken behalten konnte; der alte Simplicius aber erwiese mit Schnarchen, daß er sowohl stark schlafen als viel essen und trinken verdauen könnte. Gleichwie wir nun gar zeitlich zu Bett gangen, also verbliebe uns an der winterlangen Nacht viel übrig, daß wir nicht durchzuschlafen vermöchten. Der Knan und die Meuder erwachten zum ersten, und indem jener kröchzet, diese aber mit ihm pappelt, wurden wir übrige allzusammen munder. Da nun Simplicius merkte, daß Springinsfeld wachte, fieng er an, mit ihm zu reden, weil er sich der Zeit ihrer alten Kameratschaft, und was sich da und dort zwischen ihnen beiden zugetragen, erinnerte. Dannenhero gab es Ursach zu fragen, wie es ihm seithero ergangen, wo er bisher in der Welt herumgestürzt, wo sein Vatterland wäre, ob er daselbsten keine Verwandten oder nicht auch Weib und Kind und etwan irgends eine häusliche Wohnung hätte, warumb er so armselig und zerrissen daherziehe, da er doch ein Stückel Geld beisammen hätte etc. »Ach, Bruder,« antwortet Springinsfeld, »wann ich dir alles erzählen müßte, so würde uns der siebenstündige Rest dieser langen Nacht viel zu kurz werden. In meinem Vatterland bin ich zwar kürzlich gewesen; gleichwie ich aber niemal nichts eigens darin besessen, also gönnete es mir auch vor diesmal kein bleibende [151] Statt, sonder ließe mir die Beschaffenheit meines Zustands raten, ich sollte noch ferner wie der flüchtige Mercurius herumwandern, wie ich dann auch daselbst keinen Verwandten von siebenzehen Graden, geschweige einige Brüder oder sonst nahe Freund angetroffen. Ja, es wollte beinahe niemand meinen Stiefvatter kennen, in dessen Heimat ich gleichwohl ihm und seinen Freunden gar genau nachgefragt. Wie wollte ich dann etwas von meines rechten Vatters und meiner rechten Mutter Freundschaft haben erfahren können, von welchen ich nicht eigentlich weiß, wo sie gebürtig gewesen? Weilen dann nun hieraus leicht abzunehmen, daß ich kein eigen Haus vermag, also ist auch leicht zu gedenken, daß ich keine Hausfrau noch Kinder hab. Und lieber! warumb sollte ich mich mit einer solchen Beschwerung beladen? Daß ich aber meine Batzen zusammenhalte, daran tue ich nit unrecht, seitemal ich beides weiß, wie schwerlich sie zu bekommen und wie tröstlich sie einem im verlassenen und mühseligen Alter seien. Und daß ich schließlich so schlecht bekleidet aufziehe, solches geschicht auch nicht ohne sonderbare Ursach, seitemal mein Stamm und Interesse dergleichen Kleidungen und noch wohl schlimmere erfordert.«

»Ich hätte gleichwohl vermeint,« antwortet Simplicius, »wann ich in deiner Haut steckte, es wäre mir ratsamer, wann ich ein Weib hätte, die mir in meinem gebrechlichen Alter vermittelst ehrlicher Lieb und Treu mit Hilf und Rat zu Trost und Statten käme, als dergestalt im Elend herumzukriechen und mich von aller Welt verlassen zu sehen. Wie vermeinest du wohl, daß dirs gehen wird, wann du irgends bettlägerig würdest?« – »O Bruder,« sagte Springinsfeld, »dieser Schuch ist an meinen Fuß nicht gerecht; dann hätte ich eine Alte, so müßte ich vielleicht mehr an ihr als sie an mir apothekern; wäre sie jung, so wäre ich nur der Deckmantel; wäre sie mittelmäßig, so wäre sie vielleicht bös und zanksüchtig; wäre sie reich, so wär ich veracht; wäre sie arm, so könnt ich ja wohl denken, daß sie nur meine paar Batzen genommen, geschweige, daß ein jeder sich einbilden kann, etwas Rechts werde leinen Stelzfuß nehmen.« – »Ach!« antwortet Simplicius, »wann du jede Hecken fürchten willst, so wirst du dein Lebtag in keinen Wald kommen!« – »Ja Bruder,« sagte Springinsfeld, »wann du wüßtest, wie übel mirs mit einem Weib gangen, so würdest du dich gar nit verwundern, wann verbrennte Kinder das Feuer förchten.« Simplicius fragte: »Vielleicht mit der leichtfertigen Courasche?« – »Wohl nein!« antwortet Springinsfeld; »bei derselbigen hatte ich ein güldene Herrnsach, ohnangesehen sie [152] mir gleichsamb offentlich aus dem Geschirr schlug. Aber was geheite es mich? sie war doch nicht meine Ehefrau.« – »Ei pfui!« sagte Simplicius. »Rede doch nicht so grob und unbescheiden! Denke, daß du bei ehrlichen Leuten seiest. Aber höre! wann dich eine etwan betrogen, vermeinest du drumb, es sei kein ehrlich Weib mehr, die treulich mit dir hausen werde?« Springinsfeld antwortet: »Das will ich nicht leugnen; gleichwohl aber ists gewiß, daß alle Wohltaten, die ein Weib dem Mann zu erzeigen pflegt, teuer genug bezahlt werden müssen. Ihre allerbeste Arbeiten, die sie verrichten, verkündigen dem Mann eitel Kösten und beschwerliche Ausgaben; dardurch dasjenig, was der Mann mit Mühe und Arbeit erworben, zum öftern unnützlich verschwendet wird. Hab ich ein Weib, so ist nichts Gewissers, als daß mir ein jeder von meinen Dukaten hinfort nit mehr als einen Taler gilt. Spinnet sie mir und ihr ein Stück Tuch an Leib, so muß ich Flachs, Woll und Weberlohn bezahlen; soll sie mir was kochen, so muß ich Speis, Holz, Salz und Schmalz sambt dem Kuchengeschirr herbeischaffen; wollte sie mir bachen, wer muß anders das Mehl hergeben als eben ich? Also auch, wer zahlt Holz, Seif und Wäscherlohn, wann sie mir und ihr das leinen Gerät saubern läßt? Und wie gehts allererst, wann man mit einem Haufen Kindern beladen wird, welches ich zwar nit erfahren habe, aber auch nicht zu erfahrn begehre, wann nemblich eins krank, das ander gesund, das dritte faul, das vierte mutwillig, das fünfte eselhaftig und das sechste sonst widerspenstig, ungehorsamb und nichts nutz ist?« Simplicius antwortet: »Du bist halt ein alter Kracher, der keines rechtschaffenen Weibs wert ist, du würdest sonst von dem heiligen, von Gott selbst eingesetzten und mit vielen Verheißungen gesegnetem Ehestand weit anderst reden; und gleichwie eine fromme, tugendhafte Frau eine Gabe Gottes und eine Kron und Zierd des Mannes ist, also verdrüßt dich, dah dich der gütige Himmel mit keiner solchen gewürdigt hat.« – »Wahrhaftig, Simplice,« antwortet Springinsfeld, »du kannst bei deinen Birn wohl merken, wann andere zeitigen.«

Das 10. Kapitel

Das X. Kapitel.
Springinsfelds Herkunft, und wie er anfangs in Krieg kommen.

»Nun, das sei dann genug von den Weibern geredet,« sagte Simplicius, »seitemal ich sehe, daß ich dich doch nicht anders oder eine zu heiraten persuadiern können; hingegen aber möchte [153] ich wohl von dir vernehmen, wo du gebürtig, wie du in Krieg kommen und wie es dir bishero darinnen ergangen, bis du aus einem so tapfern Soldaten zu einem solchen elenden Stelzer worden seiest.« Springinsfeld antwortet: »So du dich nit gescheuet hast, deinen eignen Lebenslauf aller Welt durch den offenen Druck vor Augen zu legen, so werde ich mich auch nit schämen, den meinigen hier im Finstern zu erzählen; vornehmblich weil bereits offenbar sein soll, was zwischen mir und der Courasche vorgangen, die gleichwohl uns beide, wie ich vernehme, miteinander verschwägert. Jetzt höre dann deines Schwagers Ankunft.

Meine Mutter ist eine Griechin aus Peloponneso von hohem altem Geschlecht und großen Reichtumben, mein rechter Vatter aber ein albanesischer Gaukler und Seiltanzer und darneben von schlechter Ankunft und geringen Mittlen gewesen. Als dieser mit einem zahmen Löwen und einem Dromedari in der Gegend, darin meiner Mutter Eltern gewohnet, herumbzohe und beides, diese Tier und seine Kunst, um Geld sehen ließe, gefiele besagter meiner Mutter, die damal ein junges Ding von 17 Jahren war, dessen Leibsproportion und Geradigkeit so wohl, daß sie sich gleich in ihn vernarrete, also daß sie mit Hülf ihrer Ammen einen Anschlag machte, ihren Eltern ein Stück Geld auszufischen und mit besagtem meinem Vatter wider ihrer Eltern Wissen und Willen darvonzuziehen. Und solches hat ihr auch zu ihrem Unglück geglückt, unangesehen sie einander aufrecht geehlicht. Also wurde meine Mutter aus einer seßhaften vornehmen Damen eine umschweifende Komödiantin, mein Vatter ein halber Junker und ich selbst die erste und letzte Frucht dieser ersten Ehe, sintemal mein Vatter, da ich kaum geboren worden, von einem Seil herunderstürzet und den Hals zerbrach, durch welchen leidigen Fall meine Mutter also zeitlich zu einer Wittib wurde.

Zu ihren erzürnten Eltern hatte sie das Herz nit wieder heimzukehren, ohne dah sie sich damaln auch über die hundert Meilen von denselbigen in Dalmatia bei einer Compagniä Komödianten befande. Hingegen war sie schön, jung und reich und hatte dannenhero under meines Vatters hinderlassenen Kameraten viel Werber. Von dem sie sich freien ließe, der war ein geborner Sclavonier, und der Allerfertigste in derjen'gen Profession, die mein Vatter geübt hatte. Dieser zohe mich auf, bis ich das eilfte Jahr erreichte, und lehrete mich alle Principia seiner Kunst, als Trompeten, Trommelschlagen, Geigen, Pfeifen, beides, auf der Schalmei und Sackpfeifen, aus der Taschen [154] spielen, durch den Reif springen und andere seltsame Aufzüg und andere närrische Affenposturen machen, also daß ein jeder leichtlich sehen konnte, daß mir das eine und das ander mehr angeborn als angeflogen oder durch fleißige Instruktion angewöhnet worden. Dabei lernete ich lesen und schreiben, Griechisch reden von meiner Mutter und Sclavonisch von meinem Vatter. So begriffe ich auch mithin in Steier, Kärnten und andern angrenzenden teutschen Provinzen um etwas die teutsche Sprach und wurde in Summa Summarum in Bälde ein solcher feiner kurzweiliger Gauklerknab, daß mich gedachter mein Vatter, bei seinem Handwerk zu missen, umb keine 1000 Dukaten verkauft hätte, wanngleich alle Tag Jahrmark gewesen wäre.

In solcher meiner blühenden Jugend vagierten wir mehrenteils in Dalmatia, Sclavonia, Macedonia, Servia, Wossen, Walasai, Siebenbürgen, Reußen, Polen, Littau, Mähren, Böhmen, Ungarn, Steir und Kärnten herumber; und da wir in diesen Ländern viel Gelds aufgehoben hatten und mein Stiefvatter willens war, seines Weibs Eltern auch zu besuchen (als vor denen zu erscheinen er sich nicht scheuete, weil er sich gar einen reichen Kerle zu sein bedunkte und wie ein Graf aufziehen konnte) siehe, so namb er seinen Weg aus Histria in Croatiam und Sclavoniam; von dannen führt ers durch Dalmatia und Albania per Gräciam in Moream zu gehen, allwo dann meiner Mutter Eltern sich befanden.

Als wir nun durch Dalmatiam passierten, wollte mein Vatter seine Kunst auch in der berühmten Stadt Ragusa sehen lassen oder vielmehr dieselbige auch um einen guten Zehrpfenning schätzen, als welche damal in völligem Flor und Reichtum stunde. Wir kehrten daselbst zu solchem Ende ein, und zwar nicht in der Kirchen, sonder unserer Gewohnheit nach in dem allerbesten Wirtshause; und als wir blößlich eine Nacht ausgeruhet, gieng mein Stiefvatter hin, um Konsens anzuhalten, daß er beides, seine bei sich habende fremde Tier und seine Kunst, um die Gebühr dem Volk möchte weisen. Es wurde erlaubt; und ehe solche Erlaubnus kaum erbetten ward, wurde ich samt meinem Stiefbruder, der mir weder in Dexterität unserer Kunst noch in andern Stücken bei weitem nicht zu vergleichen, mit einem Reif, einer Gaukeltaschen und andern Instrumenten geschickt, zu sehen, ob ich nicht auf den Schiffen, die damals im Hafen lagen, ein Stuck Geld verdienen könnte. Ich gehorsamte gern, der Meinung, dem Schiff- und Wasservolk durch meine krumme und seltsame Luftsprüng Freud und Lust zu machen. Aber ach! ich gelangte an ein Ort, das alles meines Jammers, Elends und [155] eignen Unlusts ein Anfang war. Dann nachdem etliche Schiffe außer dem Hafen segelfertig auf der Reide lagen, die nur auf guten Wind warteten, etliche neugeworbene Völker, darunter zwo Kompagnien albanesische Speerreuter waren, nach Hispanien zu führen, siehe, da gerieten wir unversehens auf dieselbe Schiffe, weil wir durch einen der ihrigen Nachen überredet worden waren, es würde daselbst ein trefflich Trinkgeld setzen, maßen uns auch derselbe Nache mit überführte. Wir hatten unsere Exerzitia kaum angefangen, als sich aus Mitternacht ein Wind erhub, der bequem war, aus dem Adriatischen Meer in das Sicilianische zu laufen. Demselben vertrauten sie die Segel, nachdem die Anker gelupft waren, und lehreten mich und meinen Bruder das Schiffen wider unsern Willen erdulden. Jener tät, als wollte er verzweifeln; ich aber ließe mich noch trösten, nicht allein darum, weil ich von Natur alles gern auf die leichte Achsel nehme, sonder auch weil mir der eine Rittmeister, der sich ganz in meine Gestuosität verliebt, gleichsamb güldene Berge versprach, wann ich bei ihm bleiben und sein Page abgeben würde. Was sollte ich tun? Ich konnte wohl gedenken, daß kein Schiff unserthalben wieder zurückfahren noch die Raguser zweier entführten Gauklerbuben wegen, wann sie nicht geliefert wurden, diesen Schiffen nachjagen und mit ihnen eine Seeschlacht angehen oder einen Krieg anfahen würden. Derowegen gab ich mich nur desto gedultiger drein, genosse es auch besser als mein Bruder, welcher sich dergestalt kränkte, daß er starb, ehe wir wieder von Sicilia abfuhren, allwo wir noch einige Fußvölker einnahmen.

Von dannen gelangten wir in das Mailändische und so fort zu Land durch Saphoiam, Burgund, Lotharingen, ins Land von Lützenburg, und also in die Spanische Niederlande, allwo wir neben andern Völkern mehr under dem berühmten Ambrosio Spinola wider des Königs Feinde agierten. Um dieselbige Zeit befande ich mich noch ziemlich wohlkontent: ich war noch jung, mein Herr liebte mich und ließe mir allen Mutwillen zu; ich wurde weder durch strenges Marschieren noch andere Kriegsarbeiten abgemattet; so wußte ich auch noch nichts vom verdrüßlichen Schmalhansen, als welcher damals bei weiten noch nicht so bekannt bei unser Soldateska war, als er sich nachgehends im teutschen Krieg gemacht hat, in welchem ihn auch Obriste und Generalspersonen haben kennen lernen.«

Das 11. Kapitel

[156] Das XI. Kapitel.
Von dreien merkwürdigen Verschwendern wahrhafte Historien.

»Es gehet gemeiniglich denen, so in den Krieg kommen, wie denjenigen, so hexen lernen. Dann gleichwie dieselbige, so einmal zu solcher unseligen Kongregation gelangen, schwerlich oder wohl gar nit mehr darvon kommen können, also gehets auch dem mehrenteils von den Soldaten, welche, wann sie gut Sach haben, nicht aus dem Krieg begehren, und wann sie Not leiden, gemeiniglich nicht draus kommen können. Von denen, welche sich im Krieg wider ihren Willen ferners gedulten müssen, bis sie entweders durch eine Okkasion bleiben oder sonst krepieren, verderben und gar Hungers sterben müssen, könnte man darvorhalten, daß es ihr Fatum oder Verhängnus so mit sich brächte; von denen aber, so reiche Beut machen und gleichwohl solche wieder unnützlich verschleudern, kann man gedenken, dah ihnen der gütige Himmel nicht gönne, sich ihr großes Glück zunutz, sonder vielmehr das Sprichwort wahr zu machen ›So gewonnen, so zerronnen‹; und ›was mit Trommeln erobert wird, gehet mit Pfeifen wieder fort‹. Ich weiß von dreien gemeinen Soldaten auch drei underschiedliche denkwürdige Exempel, welche solches bestätigen, und derselbigen muß ich hier weitläuftiger gedenken. Des ersten: Der berühmte Tilly, nachdem er die Stadt Magdenburg ihres jungfräulichen Kränzels, seine Unterhabende aber dieselbe ihrer Zierd und Reichtum beraubt gehabt, erfuhr, dah ein gemeiner Soldat von den seinigen eine große Beut von Barschaft, so in lauter Geldsorten bestanden, erobert und alsogleich wieder mit Würfeln verloren hätte. Die Wahrheit zu erfahren, ließe er solchen vor sich kommen, und nachdem er von diesem unglückseligen Spieler selbsten verstanden, daß die gewonnene und wieder verschwendete Summa größer gewesen, als er von andern vernommen (etliche sagten wohl von 30000, andere von weit mehrern Dukaten), sagte der Graf zu ihme: ›Du hättest an diesem Geld die Tag deines Lebens genug haben und wie ein Herr darbei leben können, wann du dirs nur selber hättest gönnen wollen; dieweil du aber dir selbsten nichts nutzen noch zu gut tun wollen, so kann ich nicht sehen, was du meinem Kaiser nutz zu sein begehrest.‹ Und damit erkannte dieser General, der sonst den Ruhm eines Soldatenvatters gehabt, daß dieser Kerl als eine unnütze Last der Erden in freien Luft gehenkt werden sollte, welches Urteil auch alsobalden vollzogen worden. Des andern: Als der schwedische Königsmark die kleine Seit der Stadt Prag überrumpelt und gleichmäßig [157] ein gemeiner Soldat über 20000 Dukaten in Specie darin erwischt, solche aber bald hernach auf einen Sitz wiederum verspielt hatte, wurde solches dem Königsmarck gleichfalls zu Ohren getragen, welcher auch diesen Soldaten vor sich kommen ließe, um ihn erstlich zu sehen und ihm alsdann nach Erkundigung der Wahrheit ebenmäßig obenangeregten Tillyschen Prozeß machen zu lassen, wie er ihm dann auch auf ebendieselbige Manier zusprach. Als aber dieser Soldat seines Generals Ernst vermerkte, sagte er mit einer unerschrockenen Resolution: ›Euer Exzellenz können mich mit Billigkeit um dieses Verlusts willen nicht aufhängen lassen, weil ich Hoffnung hab, in der Altstadt noch wohl eine größere Beute zu erhalten!‹ Diese Antwort, welche vor ein Omen gehalten wurde, erhielte dem guten Gesellen zwar das Leben, aber gleichwohl nicht die eingebildte Beut, viel weniger den Schweden die Stadt, welche damals von deren Exercitu hart bedrängt wurde. Des dritten: Wer bei der kurbayrischen Armada unter dem Holtzischen Regiment zu Fuß bekannt gewesen ist, der wird ohn Zweifel den sogenannten Obristen Lumpus entweder gesehen oder doch wenigst viel von ihm gehöret haben. Er war bei besagtem Regimente ein Musketierer, und kurz vorm Friedenschluß trug er eine Pike, wie ich ihn dann in solchem Stand, und zwar sehr übel bekleidet, also daß ihm das Hembd hinden und vornen zu den Hosen heraushieng, under währendem Stillstand der Waffen bei selbigem Regiment selbst gesehen. Diesem geriete in dem Treffen vor Herbsthausen in einem Fäßlein voller französischen Dublonen eine solche Beut in die Hände, daß er selbige schwerlich ertragen, weniger zählen und noch weniger aus ihrer Zahl die Substanz seines damaligen Reichtums wissen und rechnen könnte. Was tät dieser liederliche Lumpus aber, da er den übermäßigen Anfall seines großen Glücks nicht erkannte? Er verfügte sich in eine Stadt und Festung der Bayern, über welche ehemalen der große Gustavus Adolphus die Zähne zusammengebissen, daß er sie nach so viel erhaltenen herrlichen Siegen ungewonnen mußte liegen lassen. Daselbst staffierte er sich heraus wie ein Freiherr und lebte täglich wie ein Prinz, der jährlich etliche Millionen zu verzehren hat. Er hielte zween Kutscher, zween Lakaien, zween Page, ein Kammerdiener in schöner Liberei, und nachdem er sich auch mit einer Kutschen und sechs schönen Pferden versehen, reiste er auch in die Hauptstadt desselbigen Landes über die Donau hinüber, allwo er in der besten Herberg einkehrte, die Zeit mit Essen, Trinken und täglichem Spazierenfahren [158] zubrachte und sich selbsten mit einem neuen Namen, nämlich den Obristen Lumpus nennete. Solches herrliche Leben währete ungefähr sechs Wochen, in welcher Zeit sein eigner und rechter Obrister, der General von Holtz, auch dorthin kam und eben in derselbigen Herberg einkehrte, weilen er ein sonderbares lustigs Zimmer darin hatte, in welchem er zu seiner Hinkunft zu logieren pflegte. Der Wirt sagte ihm gleich, daß ein fremder Kavalier sein gewöhnlich Logement einhätte, welchem er zu weichen nicht zumuten dörfte, weil er ein ansehenlich Stuck Geld bei ihm verzehrte. Dieser tapfere General war auch viel zu diskret, solches zu gestatten; demnach ihm aber besser als dem großen Atlante sowohl alle Weg und Steg, Wälder und Felder, Berge und Täler, Päß und Wasserflüsse, als auch alle adelige Familien des Römischen Reichs bekannt waren, als fragte er nur nach dieses Kavaliers Namen. Als er aber verstunde, daß er sich den Obristen Lumpus nennete und sich weder eines alten adeligen Geschlechts noch eines Soldaten von Fortun von solchem Namen zu erinnern wußte, bekam er ein Begierde, mit diesem Herrn zu konversiern und sich mit ihm bekannt zu machen. Er fragte den Wirt um seine Qualitäten; und da er verstunde, daß er zwar sehr gesellig, eines lustig Humeurs, gleichsam die Freigebigkeit selber, doch aber von wenig Worten wäre, wurde seine Begierde desto größer. Derowegen verfügte er mit dem Wirt, des Lumpi Konsens zu erhalten, daß er denselben Abend mit ihm über einer Tafel speisen möchte.

Der Herr Obriste Lumpus ließe ihm solches wohl gefallen und bei dem Konfekt in einer Schüssel 500 neue französische Pistolen und eine göldene Ketten von 100 Dukaten auftragen. ›Mit diesem Traktament‹, sagte er zu seinem Obristen, ›wollen Euer Exzellenz verliebnehmen und meiner dabei im besten gedenken!‹ Der von Holtz verwundert sich über dies Anerbieten und antwortet, daß er nicht wisse, womit er ein solch Präsent um den Herrn Obristen verdienet oder inskünftig würde verdienen können; derowegen wollte ihm nicht gebühren, solches anzunehmen. Aber Lumpus bat hingegen, er wollte ihn nicht verschmähen; er hoffte, [es] würde sich die Zeit bald ereignen, in deren Ihr Exzellenz selbst erkennen würden, daß er diese Verehrung zu tun obligiert sei, und alsdann verhoffe er hinwiederumb von Seiner Exzellenz eine Gnad zu erhalten, die zwar keinen Pfennig kosten würde, daraus er aber erkennen könnte, daß er diese Schenkung nit übel angelegt. Gleichwie nun dergleichen göldene Streich viel seltener ausgeschlagen als [159] jemanden versetzt werden, also wehrete sich auch der von Holtz nicht länger, sonder akzeptierte beides, Ketten und Geld (weil es Lumpes überein so haben wollte) mit courtoisen Promissen, solches auf begebende Fäll zu remeritiern.

Nach seiner Abreis verschwendete Lumpes immerfort; er passierte nie bei keiner Wacht vorüber, da er nicht der Soldateska, die ihme zu Ehren ins Gewehr stunde, ein Dutzet oder wenigst ein halb Dutzet Taler zuwarf; und also machte ers überall, wo er Gelegenheit hatte, sich als ein reicher Herr zu erzeigen. Alle Tag hatte er Gäst und zahlte auch alle Tag den Wirt aus, ohne daß er ihm jemals den geringsten Heller abgebrochen oder über eine allzu teure Rechnung sich beschwert hätte. Gleichwie aber ein Brunnen bald zu erschöpfen, also wurde er auch mit seiner Barschaft bald fertig, und zwar, wie ich schon erwöhnet, in sechs Wochen. Darauf versilbert er Kutschen und Pferd; das gieng auch bald hindurch. Endlich mußten seine stattliche Kleider sambt dem weißen Zeug daran. Das jagte er alles durch die Gurgel, und da seine Diener sahen, daß es auf der Neige war, nahmen sie nacheinander ihren Abschied, welche er auch gern passiern ließe. Zuletzt, da er nichts mehr hatte, als wie er gieng und stunde, nemblich in einem schlechten Kleid, ohne einigen Heller oder Pfenning, schenkte ihm der Wirt 50 Reichstaler (weil er so viel Geld bei ihm verzehret hatte) auf den Weg; er aber wiche nicht, bis solche auch allerdings wiederumb verzehret waren. Der Wirt, entweder daß er sich bei ihm wohl begraset oder ihn übernommen und sich deswegen ein Gewissen macht, oder anderer Ursachen halber, gab ihm wieder 25 Reichstaler mit Bitt, sich damit seines Wegs zu machen; aber er gieng nicht, bis er selbe auch verzehrt hatte. Und als er nun fertig war, schenkte ihm der Wirt wiederumb 10 Reichstaler zum Zehrpfennig auf den Weg; er aber antwortet, weil es Zehrgeld sein sollte, so wollte ers lieber bei ihm als einem andern verzehrn, hörete auch nit auf, bis solche wiederumb bis auf den letzten Heller hindurch waren, worüber sich der Wirt mit wunderlichen Gedanken ängstigte und ihm gleichwohl noch 5 Reichstaler gab, sich damit fortzumachen; und den er zuvor ›Ihr Gnaden‹ genennet und anfänglich untertänlich willkommen sein heißen, den mußte er damal dutzen, wollte er anders seiner los werden; dann als er sahe, daß er auch diese letztere 5 Reichstaler verzehren wollte, verbotte er seinem Gesinde, daß sie ihm weder eins nochs ander darvor geben sollten. Da er nun solchergestalt gezwungen, dasselbe Wirtshaus zu quittiern, siehe, da gieng er in ein anders [160] und verlöschte in demselbigen das noch übrige kleine Fünklein seines großen Schatzes folgents mit Bier. Folgents kam er wiederumb bei Heilbrunn zu seinem Regiment, allwo er alsobalden in die Eisen geschlossen und ihm vom Henken gesagt worden, weil er bei acht Wochen lang ohne Erlaubnus vom Regiment verblieben war. Wollte nun der gute Obriste Lumpes seiner Band und Eisen, wie auch der Gefahr des Stricks entübrigt sein, so mußte er sich wohl seinem Obristen, den er deswegen stattlich verehret, offenbaren, welcher ihn auch alsobalden von beiden befreien ließe, doch mit einem großen Verweis, daß er so viel Gelds so unnützlich verschwendet, worauf er anders nichts antwortet, als daß er zu seiner Entschuldigung sagte, er hätte alle sein Tag nichts mehrers gewünscht als zu wissen, wie einem großen Herrn zumut wäre, der alles genug hätte, und solches hätte er auf solche Weis durch seine Beut erfahren müssen.«

Das 12. Kapitel

Das XII. Kapitel.
Springinsfeld wird ein Trommelschlager, darnach ein Muskedierer; item wie ihn ein Bauer zaubern lernet.

Als Springinsfeld obiges von diesen dreien namhaften Verschwendern erzählt hatte und nun ein wenig pausierte, sagte Simplicissimus: »Dieser letzte tät zwar törlich gnug, aber gleichwohl weislicher als die zween erstere; und ich kann mir keine größere Torheit unter den Menschen einbilden, als derjenige eine begehet, der viel Gelds hat und mit einem anfahet zu spielen, der wenig vermag. Aber mit dieser Erzählung bist du aus dem Gleis deines eignen Lebenslaufs gefahren, welchen ich so herzlich zu vernehmen verlange. Wir verblieben bei den Spanischen in Niederland; wie gieng dirs daselbst weiters?«

Springinsfeld antwortet: »Ich kann nicht anders sagen als wohl; dann wann ich denselben Krieg gegen dem letzteren vergleichen soll, so war jener gülden und dieser eisern. In jenem wurden die Soldaten ausbezahlt und gebraucht, doch aber ihr Leben nicht leichtlich hazardiert; in diesem aber wurden sie ohnbezahlt gelassen, die Länder ruiniert und beides, Bauern und Soldaten, durch Schwerd und Hunger aufgeopfert, also daß man auf die letzte schier nit mehr kriegen konnte.« Simplicius fiele ihm in die Rede und sagte: »Entweder redest du im Schlaf oder willst wieder aus dem Weg tretten; du willst den Krieg unterscheiden [161] und vergißt abermal deiner eigenen Person. Sage darvor, wie es dir selbst gangen.« – »Ich muß ja wohl«, antwort Springinsfeld, »ein wenig Umstände machen, wann ich der vorigen guten Täge gedenke und mich zugleich des nachfolgenden Elends erinnere. Aber die Folge meiner Histori ist diese: Ich kam mit den Spanischen in die untere Pfalz, als Ambrosius Spinola dasselbige glückselige Land gleichwie mit einer Sündflut überfiele und in kurzer Zeit wunder viel Städte unter seinen Gewalt brachte. Da machte ichs mit unordentlichen Leben so grob, daß ich darüber erkrankte und zu Worms (allwohin sich Don Gonsales de Cordua retiriert, nachdem er die Frankenthalische Belägerung wegen Ankunft des Mansfelders, welchen Tilly zu Mannheim über den Rhein gejagt, aufheben müssen) krank zuruckgeblieben, allwo ich den ersten Tuck empfand, den mir das Glück im Krieg erwiesen; dann ich mußte mich mit Betteln behelfen und viel schmähliche Reden hören, weil ich nichts zu verzehren hatte. Sobald ich aber wieder ein wenig erstarkte, ließe ich mich durch zween andere Kerl überreden, daß ich mit ihnen gegen der Tillyschen Armee gieng, welche wir durch Abweg erreichten, eben als sie auf Wiseloch zugleich dem Mansfelder, und ihrem Unglück entgegenmarschierte.

Ich war damals ein aufgeschossen Bürschlein von 17 Jahren, und gleichwohl wurde ich noch nicht vor kapabel gehalten, mich unter die Tirones aufzunehmen; aber zu einem Tambour hätte man keinen ärgern Ausbund kriegen können; maßen ich auch vor einen solchen aufgenommen und, solang ich mich darzu gebrauchen ließe, auch darvor gehalten wurde. Wir bekamen damal zwar ein wenig Stöße, es war aber nichts gegen denen zu rechnen, die wir hernach vor Wimpfen wieder austeileten. Hier kam unser Regiment nicht einmal zum Treffen, weil es sich in dem Nachzug befande; dort aber erwiese es seinen Valor desto tapferer. Ich selbst tät damals etwas Ohngewöhnliches: ich henkte meine Trommel auf den Buckel und nahm hingegen eines Totbliebenen Musket und Bandelier und gebrauchte mich damit im allervördersten Glied dermaßen, daß es mein Hauptmann nicht allein geschehen, sondern ihm auch mein Obrister selbst gefallen lassen mußte; und damit erlangte ich dasselbige mal nicht allein Beuten, sondern auch ein ziemlich Ansehen, und daß ich meine Trommel gar ablegen und fürterhin ein Muskete tragen dörfte.

Unter diesem Regiment half ich den Braunschweiger bei dem Main schlagen: item bei Stadtloh, und kam auch endlich mit demselbigen im Dännemärkischen Krieg in Holstein, ohne [162] daß ich noch ein einzig Härlein Bart oder eine empfangene Wunden aufzuweisen gehabt hätte. Und nachdem ich bei Lutter den König selbst besiegen helfen, wurde ich kurz hernach in ebensolcher Jugend gebraucht, Steinbruck, Verden, Langwedel, Rotenburg, Ottersberg und andere Ort mehr einnehmen zu helfen, und endlich um meines Wohlverhaltens, auch meiner Offizierer Gunst willen, ein lange Zeit an ein fettes Ort auf Salva Quardi gelegt, allwo ich beides, meinen Leib erquickte und meinen Beutel spickte. So kriegte ich auch unter diesem Regiment drei seltsame Nachnamen. In der erste nannte man mich den General-Farzer, weil ich, da ich noch ein Trommelschlager war, auf einer Bank liegend, den Zapfenstreich ein ganze Stund lang, auch wohl länger, mit dem Hindern verrichten oder hören lassen konnte; zum andern wurde ich der hörnen Seifried genannt, weil ich mich einsmals allein mit einem breiten Banddegen, den ich in beiden Händen führte, dreier Kerl erwehrete und sie übel zuschanden hauete; den dritten brachte mir ein Diebsbaur auf, als welcher verursachte, daß man der ersten beiden Namen vergaß und mich wegen eines lächerlichen Possens, den ich mit ihm anstellete, forthin den Teufelsbanner nennete. Das fügte sich also: Demnach ich einsmals etliche Roßhändler mit friesländischen Pferden aus unserm Quartier in ein anders convoierte und selbigen Tag nicht wieder heimkommen konnte, übernachtet ich bei gedachtem Bauren, der auch ein paar Kerl von unserm Regiment bei sich in Quartier liegen und ebendenselbigen Tag ein paar feister Schwein gemetzelt hatte. Er war nicht wohl mit übrigem Bettwerk versehen und hatte auch keine warme Stub, wie dann selbigerorten der gemeine Brauch auf dem Land ist, und derowegen logierte ich im Heu, nachdem er mich zuvor mit allerhand Sorten guter neugebachener Würste abgespeiset hatte. Dieselbige schmeckten mir so wohl, daß ich nicht darvor schlafen konnte, sondern lag und spintisierte, wie ich auch der Schweine selbst teilhaftig werden möchte. Und weil ich wohl wußte, wo sie hiengen, nahm ich die Mühe, stunde auf und trug ein halb Schwein nach dem andern in einen Nebenbau und verbarg sie daselbst unter das Stroh, der Meinung, solche die künftige Nacht mit Hülfe meiner Kameraten zu holen. Des Morgens aber, als es tagen wollte, nahm ich beides, von dem Bauren und seinen Söhnen, das ist, den Soldaten, die bei ihm lagen, einen freundlichen Abschied und gieng meines Wegs. Aber der Bauer war so bald in meinem Quartier als ich selbsten und klagte mir, daß ihm die verwichne Nacht zwei Schwein gestohlen worden wären. ›Was?‹ sagte ich, ›du schlimmer Vogel, willst [163] du mich mit Diebsaugen ansehen?‹ Ich machte auch so gräßliche Mienen, daß dem Tropfen angst und bang bei mir wurde, sonderlich als ich ihn fragte, ob er Stöße von mir haben wollte? Weil er ihm nun leicht die Rechnung machen konnte, wo es hinauslaufen würde, wann er mich desjenigen, so ich verrichtet, bezüchtigte, das zwar auch sonst niemand als eben ich getan haben, er aber gleichwohl nicht auf mich erweisen könnte, da kam der schlaue Vokativus auf ein andern Schlag und sagte: ›Min Heer, ik vertruwe ju nichtes Böse, mär iken hebbe mi segen laten, dat welche Kriegers wat Künste konden macken, derlichen Sachen weder bytobrengen. Wann gii dat künnt, ik fall ju twen Richstaler gewen.‹ Ich überschlug die Sach, weil wir gleichwohl alls in unsern Quartiern Ordre halten mußten, und ersanne bald, wie ihm zu tun wäre, damit ich die zween Taler mit Manier bekommen möchte, sagte derohalben zum Bauern: ›Mein Vatter, das wäre ein anders! Er bitte meinen Offizier, daß er mir erlaube, mit dir heimzugehen, so will ich sehen, was ich kann ausrichten.‹ Dessen war er zufrieden und gieng alsobalden mit mir zu meinem Korporal, der mir um so viel desto ehender erlaubte, mitzugehen, weil ei mir an dem Winken meiner Augen ansahe, daß ich den Bauren betriegen wollte; dann wir hatten in den Quartiern sonst nichts zu tun als zu kurzweilen, sintemal wir den König von Dännemark aus dem Feld gejagt und alle Belägerung geendigt hatten, maßen wir damals der Cimbrier ganzen Chersonesum, alles, was zwischen dem Baltischen Meer und Großen Oceano, zwischen Norwegen, der Elb und Weser lag, geruhiglich beherrschten.

Zu unserer Hinkunft ins Baurenhaus fanden wir den Tisch schon gedeckt und mit einem Botthast, einem Stück kalten Rindfleisch aus dem Salz mit trögen Schunken, Knackwürsten und dergleichen Dings, wie auch mit einem guten Trunk Hamburger Bier gezieret; mir aber beliebte, zuvor die Kunst zu brauchen und alsdann erst zu schlampampen. Zu solchem Ende machte ich mit einem bloßen Degen en mits oper deelen zween Ring ineinander und zwischen dieselbige etliche Pentalpes und ander närrisch Gribis-Grabes, wie mirs einfiele; und als ich fertig damit war, sagte ich zum Umstand, wer sich förchte oder zum Erschröcken geneigt sei und derohalben den leibhaftigen Teufel und sein Mutter selbst in grausamer Gestalt nicht anzusehen getraue, der möge wohl abtretten. Darauf gieng alles von mir weg bis auf einen Böhmen, der auch bei dem Bauren in Quartier lag, welcher bei mir verblieb, mehr weil er auch gern zaubern[164] gelernet, wann er nur einen Lehrmeister gehabt, als daß er vor anderen beherzter gewesen wäre. Wir wurden beide beschlossen und verriegelt, damit ja niemand das Werk verhinderte, und nachdem ich dem Böhmen bei Leib- und Lebensgefahr stillzuschweigen auferlegt, tratte ich mit ihm in den Ring, wie er eben anfieng wie ein Espenlaub zu zittern. Weil ich dann nun einen Zuseher hatte, so mußte ich der Sach auch ein Ansehen machen und eine Beschwerung brauchen, so in einer fremden Sprach geschehen mußte; derowegen tät ich solche auf Sclavonisch und sagte mit verkehrten Augen und seltsamen Gebärden: ›Hier stehe ich zwischen den Zeichen, welche die Einfältige betören und Narren den Kolben lausen; derohalben so sag du mir, du General Farzer, wohin der hörnen Seifried die vier halbe Schwein versteckt, welche er verwichene Nacht diesen närrischen Bauren gestohlen, um solche künftige Nacht mit seinen guten Brüdern vollends abzuholen.‹ Und nachdem ich solche Beschwerung ein paarmal wiederholet, machte ich so seltsame Gauklerspring in meinem Ring und ließe so vielerlei Tierer Stimme mithin hören, daß der Böhm, wie er mir hernach selbst bekannt, vor Angst in die Hosen getan hätte, wann er meine schnackische Beschwerung nicht verstanden. Wie ich nun des Dings bald müd wurde, antwortet ich mir selber mit einer hohlen dümpern Stimme, gleichsam als wann sie von fernen gehöret würde: ›Die 4 halbe Schwein liegen im Nebenbau auf dem Stall unterm Stroh verborgen.‹ Und damit hatte das ganze Werk meiner Zauberei ein Ende. Der Böhm aber konnte das Lachen kaum verhalten, bis wir aus dem Ring kamen. ›O Bruder,‹ sagte er auf Böhmisch zu mir, ›du bist wohl ein Schalk, die Leute zu äffen.‹ Ich aber antwortet ihm in gleicher Sprach: ›Und du bist wohl ein Schelm, wann du die Geheimnus dieses Stücks nicht verschweigest, bis wir aus diesen Quartieren kommen; dann solchergestalt muß man die Bauren kratzen, wo sie es bedörfen.‹ Er versprach, reinen Mund zu halten, und hielte es nicht nur schlechthinweg, sondern log noch einen solchen Haufen Dings darzu, was er nämlich in währender Aktion vor Spektra gesehen, daß die, so mich vorm Hause nur gehöret hatten, alles glaubten und mit ihrer Autorität so viel bezeugten, daß man mich vor ein Schwarzkünstler hielte und mich beides, Baurn und Soldaten, den Teufelsbanner nenneten. Ich bekam auch bald mehr Kundenarbeit und glaube, wann ich noch länger bei demselbigen Regiment verblieben wäre, es hätten mir etliche auch zugemutet, ich sollte Reuter in Feld und hingegen ganze Parteien und Eskadronen unsichtbar machen. Der Bauer, nachdem [165] er sein schweinen Fleisch wieder, gab mir die zween Reichstaler mit großen Dank und samt seinen Soldaten den ganzen Tag Fressen und Saufen vollauf.«

Das 13. Kapitel

Das XIII. Kapitel.
Durch was vor Glücksfäll Springinsfeld wieder ein Musketierer unter den Schweden, hernach ein Pikenierer unter den Kaiserlichen und endlich ein Freireuter worden.

Die alte Meuder, welche sowohl als der Knan dieser Erzählung zuhörete, ließe sich hier hören und sagte: »O du alter Scheißer, wie bist du gewißlich so ein arger Baurenschinder, so ein schlauer Hühnerfänger gewesen!« – »Was? Mutter,« antwortet Springinsfeld, »Hühnerfänger? Wollet Ihr Euch dann einbilden, ich seie mit solchen Kinderpossen, mit solchem Bubenspiel umgangen? Es mußten vierfüßige Tierer sein, und darzu keine kranke, wann ich sie würdigen sollte, selbige mir zuzuschreiben. Und zwar so waren alte Kühe die allerschlechtiste War, deren ich mich annahm zu beuten; und gleichwohl hab ich ihrer hin und wieder so viel, rauben und stehlen helfen, daß, wann eine nach der andern und also sie allesammen mit den Schwänzen an die Hörner zusammengebunden wären, sie gewißlich von hier bis auf Euren Baurenhof reichen würden, ohnangesehen er, wie ich höre, bei vier Schweizer Meilen von hier entlegen sein soll. Was vermeint Ihr dann wohl, was ich vor Pferd, Ochsen, Mastschwein und fette Hämmel gestohlen? Bedeucht Euch auch wohl, daß ich vor dem großen Viehe hab Zeit gehabt, an das kleiner, als Hühner, Gäns und Enten, zu gedenken?« – »Ja ja!« sagte die Meuder, »drum hat dir der liebe Gott auch das Handwerk niedergelegt und dich eines Fußes beraubt, damit du hinfort des Kriegs müßig stehen, die ehrliche Bauren ungeplagt lassen und dich, deine alte Diebsgriff zu büßen, mit Betteln ernähren müssest!« Springinsfeld lachte hierüber einen großen Schollen und sagte: »Schweigt nur still, liebe Mutter! Euer Simplicius hats kein Haar besser gemacht und gleichwohl noch seine beide Füße übrig, woraus Ihr genugsam abnehmen könnet, daß ich mich nit an den Bauren versündigt und ihrentwegen meinen Fuß verloren. Die Soldaten seind darum erschaffen, daß sie die Bauren trillen sollen, und welchers nicht tut, der tut auch seinen Beruf nicht genug.« Die Meuder antwortet, der Teufel in der Höllen würde ihnen den Lohn schon darum geben; dann wann der gütige Vatter das Kind gnugsam gezüchtigt hätte, so pflege er alsdann, die Rute[166] ins Feuer zu werfen. »Nein, Mutter, Ihr werdet Euch irren«, sagte Springinsfeld, »nach dem alten Sprichwort oder Reimen der ehrlichen Soldaten, welcher also lautet:


›Sobald ein Soldat wird geboren,
Sein ihm drei Bauren auserkoren,
Der erste, der ihn ernährt,
Der ander, der ihm ein schönes Weib beschert,
Und der dritt, der vor ihn zur Höllen fährt‹;

und das zwar nit unbillig, dann es habens in verwichenen Kriegstrublen etliche Bauren viel ärger gemacht als die fromme Soldaten selbsten, indem sie nicht nur die Krieger beides, schuldige und unschuldige, wo sie ihrer mächtig worden, ermordet, sondern auch ihre eigne Nachbarn, ja sogar ihre Vettern und Gevattern bestohlen, wo sie nur zukommen können.« Simplicius sagte: »Was darfs viel des Disputierens? Es war halt Gaul als Gurr, vier Hosen eins Tuchs. Die Bauren wurden von den Soldaten Schelmen, und hingegen diese von jenen Diebe genannt, so daß diesen Reden nach kein ehrlicher oder redlicher Mann im Land sich mehr befande. Und dannenhero war nötig, daß der edel Friedenschluß alles Beschehene aufhube, verbesserte und einen jeden wieder redlich machte. Erzähle du vor diesmal darvor, wie dirs hernach weiter ergieng, und vornehmlich, wo du den heroischen Namen Springinsfeld aufgetrieben habest.«

»Den hat mir,« antwortet Springinsfeld, »die Courasche, das Rabenaas, aufgesattelt, von welcher Hex ich wenig reden wollte, wann es nicht die Folge meiner Histori erfordert. In dieser Vettel kam ich, nach dem ich mich ihrentwegen bei obengedachten Regiment mit einem Stück Geld ledig gemacht hatte. Ich kann aber nicht sagen, ob ich ihr Mann oder ihr Knecht gewesen sei; ich schätze, ich war beides und noch ihr Narr darzu, und ebendeswegen wollte ich lieber die Geschichten, so sich zwischen mir und ihr verloffen, verschwiegen als offenbar wissen. Hat sie aber ihr Schreiberknecht auch in ihrem ehrbaren Lebenslauf entdeckt, so mag sie dort lesen, wer will; ich mag einmal mein eigne Guckgaugerei nicht selbst ausblasen; sondern es ist mir genug, wann ich glauben muß, sie werde meiner sowenig als deiner verschonet haben. Das ist gewiß, mein Simplice, daß ihre damalige liebreizende Schönheit von solchen Kräften war, daß sie noch wohl andere Kerl, als ich gewesen, an sich zu ziehen vermochte; ja sie hätte auch meritiert, von den allervornehmsten und ehrlichsten Kavaliern bedient zu werden, wann sie nicht so gottlos und verrucht gewesen wäre; aber sie war [167] in den Begierden nach Geld so ersoffen, in allerlei Schelmstücken und Diebsgriffen, solches zu erobern, so abgeführt und fertig und in Vergnügung ihrer brünstigen Geilheit so gar insationabilis, daß ich gänzlich darvor halte, es hätte niemand keine Sünde daran getan, wann er ihr zur Ersparung Holzes einen halben Mühlstein an Hals gehängt und sie ohne Urteil und Recht in ein Wasser geworfen hätte. Diese Unholde, als sie meiner müd worden, brachte beides, durch Schmieralia und ohn Zweifel auch durch ihre tapfere Faust, darauf sie saß, zuwegen, daß ich sie wider meines Herzen Willen quittieren mußte. Sie gab mir zwar ein Stuck Geld, Pferd, Kleider und Gewehr mit, hingegen aber auch den Teufel im Glas, wessentwegen ich grohe Angst ausstunde, bis ich seiner wieder ohne Schaden los wurde.

Nachdem ich nun diese Bestia solchergestalt verlassen und unter dem Generalwachtmeister von Altringen erstlich ins Württenbergische, folgends in Thüringen und endlich in Hessen kommen, haben wir sich daselbst mit andern Völkern mehr konjungiert, und doch sonst nichts ausgericht, als daß wir wiederum wie der Schnee vergiengen. Ich selbst wurde auf einer Partei unter die Schwedische gefangen, unter denen ich auch ein Musketierer werden mußte, bis mich die Kaiserlichen ohnweit Bacherach wieder erwischten, nachdem ich zuvor dem Schweden Würzburg, Wertheim, Aschaffenburg, Mainz, Worms, Mannheim und andere Ort mehr einnehmen helfen. Da wurde ich in Westfalen geschickt, des Kurfürsten von Köln selbige Bistumer unter dem berühmten Pappenheimer vor den Hessen beschützen zu helfen. Ich mußte eine Pike tragen, welches mir so widerwärtig war, daß ich mich ehe hätt aufhenken lassen, als mit solchen Waffen lang zu kriegen. Es war mir gar nicht wie jenem Schwaben, der ein halb Dutzet solcher Stänglein auf sich nehmen wollte; dann ich hatte 18 Schuh lang zu viel an einer; derowegen trachtete ich auch alle Stund darnach, wie ich ihrer wieder mit Ehren los werden möchte; ein Musketierer ist zwar ein wohlgeplagte arme Kreatur, aber wann ich ihn gegen einen elenden Pikenierer schätze, so besitzt er noch gegen ihm eine herrliche Glückseligkeit. Es ist verdrießlich zu gedenken, geschweige zu erzählen, was die gute Tropfen vor Ungemach ausstehen müssen, und es kanns auch keiner glauben, ders nicht selber erfahret; und dannenhero glaube ich, daß derjenige, der einen Pikenierer niedermacht, den er sonst verschonen könnte, einen Unschuldigen ermordet und solchen Totschlag nimmermehr verantworten kann. Dann ob diese arme Schiebochsen (mit diesem spöttischen Namen werden sie genennet) gleich kreiert sein, ihre [168] Brigaden vor dem Einhauen der Reuter im freien Feld zu beschützen, so tun sie doch vor sich selbst niemand kein Leid, und geschicht dem allererst recht, der einem oder dem andern in seinen langen Spieß rennet. In Summa, ich habe mein Tage viel scharfe Okkasionen gesehen, aber selten wahrgenommen, daß ein Pikenierer jemand umgebracht hätte.

Wir lagen an der Weser, dort um Hameln, als ich meinen Kameraten überredet, daß er mir seine Muskete auf die Mauserei verliehe und so lang mein Pike trug, bis ich wiederkäme und eine Beut mitbrächte. Es glückte mir; dann unserer drei, darunter ein Landskind war, der alle Weg und Winkel wohl wußte, erkundigten einen Güterwagen, so von Bremen nach Kassel zu gehen willens und nur einen einzigen hessischen Musketierer zur Convoi bei sich hatte. Demselben giengen wir zu Gefallen allerdings bis an Harzwald, und da er an den Ort kam, wohin wir ihn gewünscht, schossen wir gleich im Angriff den Musketierer, den Fuhrmann und den Knecht nieder, weil jeder seinen Mann gewiß vor sich genommen, spannten hernach 6 schöner Pferde aus und öffneten in der Eil von Ballen und Fassen, was wir konnten, worinnen es viel Seidenwar und englisch Tuch setzte. Das allerbeste aber vor uns stak in einem Fäßlein voller Karten, nämlich ungefähr bei 1200 Reichstalern, welches ich zwar fande, aber mit meinen Kameraten treulich teilete. Wir sprachen den Pferden gleichsam über ihr Vermögen zu, und indem wir in kurzer Zeit einen langen Weg hinder sich legten, entronnen wir aller Gefahr und langten eben bei den Unserigen an, als Pappenheim sich fertig gemacht, den Bannier vor Magdenburg hinwegzuschlagen.

Gleichwie nun dieser in Unordnung aufbrach, davonzufliehen, ehe wir recht an ihn kamen, also konnte solches so eilends nicht geschehen, daß er uns von seinem Nachzug nicht etlich hundert Mann auf dem Platz lassen mußte; und nachdem wir alles wohl ausgerichtet, die Garnison zu uns genommen und der Stadt oder vielmehr des Steinhaufens Befestigung an Wällen und Bollwerken ziemlich ruiniert und zersprengt hatten, brachte ich von meinem Hauptmann, weil ich ohnedas nicht ihm, sondern unter ein Regiment Dragoner gehörig, welches sich damals bei den Tillyschen befande, mit einer leidentlichen Verehrung zuwegen, daß er mich entließe.

Also wurde ich meiner verdrießlichen Pike wieder los, mondierte mich und einen Knecht zum besten und nahm bei einem Regiment zu Pferd vor einen Freireuter Aufenthalt, so lang bis ich wieder zu meinem Regiment, darunter ich gehörte, gelangen möchte.«

Das 14. Kapitel

[169] Das XIV. Kapitel.
Erzählet Springinsfeld ferner Glück und Unglück.

»Bei diesem Corpo genosse ich des Pappenheimers Glückseligkeit, der nach diesem glücklichen Streich in Westfalen herumfuhr wie eine Windsbraut; und das war ein Leben vor mich, dergleichen ich mir vorlängst eins gewünscht hatte. Als er die Städte Lengau, Herfort, Bielefeld und andere um Geld schätzte, bestahl ich hingegen da und dort die Dörfer und Bauren auf dem Land; als wir aber Paderborn einnahmen, setzte es bei mir zwar keine Beut; aber da wir den Bannier mit seinen vier Regimentern überfielen und Herzog Georg von Lüneburg butzten, folgte das Glück meiner gewohnlichen Verwegenheit und schaffte mir desto mehr Raubs. Vor Stade, allwo wir den schwedischen General Tott hinwegschlugen und es allerdings machten wie hiebevor zu Magdeburg, bekam ich einen Rittmeister gefangen und mit demselbigen ein güldene Kette von 300 Dukaten; darneben brachten ich und mein Knecht so viel Pferde zusammen, daß ich mich gar wohl vor einen Roßhändler hätte ausgeben dörfen; und dieweil sich mein Geld und Glück zugleich mit vermehrte, fieng ich an zu gedenken, ob ich nicht auch ein Offizier abgeben würde.

Nirgendhin gelangten wir, da wir nit siegten und Ehr einlegten, außer daß wir die Holländer aus ihren Schanzen vor Mastricht nicht schlagen konnten. Den Hessen und den Bavadis berupften wir gleichsam, wie wir wollten, und den Lüneburger, der Wolfenbüttel einzunehmen sich bemühete, lehreten wir einen Sprung, daß er sich selbst unter das braunschweigische Geschütz in Schutz geben müßte. Nachdem wir aber Hildesheim bezwungen, eilete unser Pappenheimer zu dem Wallensteiner und künftiger Schlacht vor Lützen wie zu einer Hochzeit, in welcher aber beiderseits allertapferste Helden und berühmteste Generalen ihrer Zeit gleichsam mitten in ihrem Glückslauf anstatt der Lorbeerkränze mit Myrrhen und Rauten bekrönet worden.

Nachdem nun daselbsten der große Gustavus Adolphus und unser berühmter Pappenheimer, beide ritterlich streitend, ihr Leben zu einer Zeit in einem Flügel gelassen, wie dann der Graf kaum eine viertel oder halbe Stund länger als der König gelebt haben soll, siehe, da erhub sich allererst die wütende Grausamkeit beiderseits fechtender Soldaten. Jedwedere Seite stund vor sich selbst so fest als eine unbewegliche Maur, und was von der Battalia tod niederfiele, machte mit den entseeleten Körpern seiner standhaften Partei eine Brustwehr bis [170] an den Nabel, gleichsam als wann selbige Walstatt, um weilen sie mit zweier so tapferer Helden martialischen Blut angefeuchtet worden, eine sonderbare Kraft und Würkung empfangen, beides, die auf sich habende Tote und Lebendige, zu demjenigen anzufrischen und zu entzünden, was ein rechtschaffner Soldat in dergleichen Okkasionen zu leisten schuldig, maßen beide Teil in solcher Beständigkeit verharrten, bis die stockfinstere Nacht den übrigverbliebenen abgematteten Rest selbiger streitbaren Kriegsheer voneinander sonderte.

Wir giengen noch dieselbige Nacht gegen Leipzig und folgends in Böhmen wie die Flüchtlinge, unangesehen unser Gegenteil die Kräfte nit hatte, uns zu jagen; und da ichs beim Liecht besahe, wurde ich gewahr, daß ich in der Schlacht meinen Knecht und bei der Bagage meinen Jungen samt allem, was ich vermöcht, verloren. Den letztern Schaden zwar hatten mir unsere eigne Völker zugefügt, und demnach solches auch andern mehr widerfahren, als seind von den Tätern auch viel aufgeknüpft worden, wordurch ich gleichwohl das Meinige nicht wiederbekam.

Diese Schlacht und darin erlittener Verlust war nur der Anfang und gleichsam nur ein Omen oder Präludium desjenigen Unglücks, das noch länger bei mir kontinuieren sollte; dann nachdem mich die Altringische erkannten, mußte ich wieder unter demjenigen Regiment ein Dragoner sein, worunter ich mich anfänglich vor einen unterhalten lassen; und solchergestalt hatte nicht allein meine Freireuterschaft ein End, sondern weil ich auch alles verloren außer dem, was ich am Leib darvon gebracht, so war auch die Hoffnung pritsch, ein Offizier zu werden.

In diesem Stand hab ich wie ein redlicher Soldat Memmingen und Kempten einnehmen und den schwedischen Forbus striegeln helfen, in allen diesen dreien Okkasionen aber kein andere Beut als die Pest an Hals bekommen, und zwar allererst, als wir mit dem Wallenstein in Sachsen und Schlesien gangen. Unserer zween von meiner Kompagnie verblieben an dieser abscheulichen Krankheit zuruck, leisteten einander auch in unserm Elend getreue Gesellschaft. Wann ich die erbärmliche Zufäll betrachte, denen ein Soldat unterworfen, so gibt mich wunder, daß dem einen und andern der Lust, in Krieg zu ziehen, nit vergehet. Aber viel ein mehrers verwundert mich, wann ich sehe, daß alte Soldaten, die allerhand Unglück, Leiden und Not ausgestanden, viel erfahren und zum öftern ihrem Verderben kümmerlich entronnen, dannoch den Krieg nicht quittieren, es seie [171] dann, daß er selbst ein Loch gewinne oder ihre Personen nichts mehr taugen, ferners in demselbigen fortzukommen und auszuharren. Nicht weiß ich, was vor eine Art einer sonderbaren unbesonnenen Unsinnigkeit uns behaftet; schätze wohl, es seie eine Art derjenigen Torheit, damit sich die Hofleute schleppen, welche dem Hofleben, darwider sie doch täglich murren, nicht ehender resignieren, als bis sie solches mit ihres Prinzen Ungnad aufgeben müssen, sie wollen oder wollen nicht.

Wir verharreten in einem Städtlein, welches auch mit unserer Kontagion behaftet war, und zwar bei einem Barbierer, der unsers Gelts, gleich wie wir seiner Arzneimittel bedörftig, wiewohl beide Teil desjenigen, so das ander mangelte, wenig übrig hatten; dann der Barbierer war arm, und wir waren nicht reich. Derowegen mußte meine güldene Kette, die ich hiebevor vor Stade erwischt, täglich ein Glaich nach dem andern hergeben, bis wir wieder gesund wurden; und als wir wieder zu reuten getrauten, machten wir sich auf den Weg, uns durch Mähren in Österreich zu begeben, allwo unser Regiment gute Winterquartier genosse.

Aber siehe, kein Unglück allein, wann es anfangt zu wüten. Wir beide Schwach und noch halb Kranke wurden von einer Rott Räuber, die wir mehr vor Bauren als Soldaten [hielten], angegriffen, abgesetzt, bis auf die nackende Haut ausgezogen und noch darzu mit Stößen übel traktiert, und konnten schwerlich unser eigen Leben und vor unsere Kleider etwas von ihren alten Lumpen von ihnen erhalten, uns vor der damaligen grausamen Winterskälte zu beschützen, welches aber nicht viel mehrers tät, als wann wir uns in zerrissene Fischergarn bekleidet gehabt hätten, weil gleichsam Stein und Bein zusammengefroren war. Ich hatte noch etliche Glaich von meiner göldenen Ketten verschluckt; darauf bestund all mein übriger Trost und Hoffnung, aber ich glaub, daß ihnen der Teufel gesagt haben muß, dann sie behielten uns 2 Tag bei ihnen, bis sie solche alle aus dem Exkrement bekommen, und mußte ichs noch vor einen großen Gewinn halten, daß sie mir den Bauch nicht aufgeschnitten, anstatt daß sie uns endlich wieder lebendig von sich ließen. In solchem elenden Zustand, da uns zugleich Gelt, Kleider, Gewöhr, Gesundheit und bequem Wetter zu unserer Reis mangelte, bewegten wir kaum etliche Leute, daß sie uns mit Nachtherberg und einem Stück Brot zu Hülf kamen, und war uns trefflich gesund, daß ich wie mein Kamerad kein Niemezy oder Niemey gewesen, der die sclavonische Sprach nicht gekönnt; sintemalen ich durch solches Parlaren vom mährischen [172] Landmann beides, Essenspeis und alte Kleider, erbettelte, damit wir sich, ob zwar nit ansehnlicher ziert, jedoch dicker wider die grimmige Winterskälte bewaffneten. Also armselig haben wir Mähren allgemach durchkrochen, viel Elend erlitten und von dem Bauersmann, der dem Soldaten niemals hold wird, mehr spitzige Schmachreden als willige Steur und Almosen eingenommen.«

Das 15. Kapitel

Das XV. Kapitel.
Wie heroisch sich Springinsfeld in der Schlacht vor Nördlingen gehalten.

»Zu unserer Hinkunft zu unserem Regiment wurden wir wieder beritten gemacht und mondiert, der Wallensteiner aber zu Eger umgebracht, weil er, wie man sagte, mit der ganzen Armada zum Gegenteil übergehen, das Erzhaus Österreich vertilgen und sich selbst zum König in Böhmen machen wollen. Hierdurch wurde zwar dies hochlöbliche erzfürstliche Haus errettet, aber zugleich auch das kaiserliche Kriegsheer (dessen Obriste zum Teil um der verfluchten Wallensteinischen Zusammenverschwerung halber vor verdächtig gehalten werden wollten), zum Gebrauch vor untüchtig geschätzt, weil man ihre Treu zuvor probieren mußte; und ebendeswegen mußten wir auf ein neues dem Kaiser wiederum schwören. Aber dieser Verzug verursachte, daß es liederlich um den kaiserlichen Krieg anfieng zu stehen, maßen die schwedische Generalen da und dort mit Einnehmung unterschiedlicher Städte gewaltig um sich griffen, bis endlich der unüberwündlichste dritte Ferdinand, damaliger Ungar- und böhaimischer König, die Waffen selbst ergriffen. Dieser mustert uns und führte uns bei 60000 stark samt einer unvergleichlichen Artigleria in Bayern vor Regenspurg, welche Stadt ich hiebevor, nachdem ich mich von der Courasche scheiden lassen müssen, mit List einnehmen helfen, von dannen ich mit meinem General, dem Altringer, und Joan de Werdt denen Schwedischen unter Gustav Horn entgegenkommandiert worden, da es dann sonderlich zu Landshut auf der Brücke ziemlich heiß hergienge, allwo mir nicht allein mein Pferd unterm Leib, sondern auch (an welchem ein mehrers gelegen) besagter unser rechtschaffene General von Altringen totgeschossen wurde.

Nachdem nun Regenspurg und Donawerth an uns übergangen und sich der Hispanische Ferdinandus Kardinalinfant mit uns völlig konjungiert, zogen wir auf das Ries und belägerten Nördlingen. Damals war ich ein unberittener und auch sonst [173] (weil ich die Winterquartier schlecht genossen, eine Krankheit ausgestanden und lang nichts Beuthaftigs erschnappt hatte) Vermögens halber ein fast armer Schelm, so gar, daß man meiner auch nicht achtete, noch mich irgendhin kommandierte, als die Schweden kamen, die belägerte Stadt zu entsetzen. Indem es aber hierüber zu einem fast blutigen Treffen geriete, gedachte ich auch, eine Beut zu holen oder das Leben darüber zu verlieren, dann ich wollte viel lieber tot als ein solcher Bärnhäuter sein, der nur dastehet und zusiehet, wie tapfer an dere ehrliche und wohlmondierte Soldaten sich um den Barchet jagen, und demnach mirs gleich golte, ob Kaiser oder Schwed siegen würde, wann ich nur mein Teil auch darvon kriegte, siehe, so mischte ich mich ganz ohne Waffen ins Gedräng, als die Viktori noch in der Wag stunde und der meiste Teil der Kriegsheer mit Rauch und Staub bedeckt war. Gleich hierauf kehrte die schwedische Reuterei der Battalia den Rucken, weil sie sahen, daß ihr Sach allerdings verloren. Nachdem sie aber vom Lothringer, Joan de Werdt, den Ungern und Kroaten wieder zurückgejagt wurden über eben denjenigen Ort, da ich mich befande, des Willens, in Eil die da und dort liegende Tode zu besuchen und zu plündern, wurd ich gezwungen niederzufallen und mich denjenigen gleichzustellen, die ich zu berauben im Sinn hatte. Das tät ich etlichmal, bis beiderseits einander jagende Truppen den Ort passiert, quittiert und den Toten und noch halb Lebenden, deren sie abermal daselbst ziemlich sitzen ließen, allein überlassen.

Ich hatte mich kaum wieder aufgerichtet, als mir ein ansehenlicher wohlmondierter Offizier (der dort lag, sein Pferd beim Zaum hielte und den einen Schenkel entzweigeschossen, den andern aber noch im Stegreif stecken hatte) mir um Hülf zuschriee, weil er ihm selbst nicht helfen künnte: ›Ach Bruder!‹ sagte er, ›hilf, mir!‹ – ›Ja,‹ gedachte ich, ›jetzt bin ich dein Bruder, abet vor einer Viertelstund hättest du mich nicht gewürdigt, nur ein einziges Wort mir zuzusprechen, du hättest mich dann etwan einen Hund genannt.‹ Ich fragte: ›Was Volks?‹ Er antwort: ›Gut schwedisch!‹ Darauf erwischte ich das Pferd beim Zaum und mit der andern Hand eine Pistole von seinem eignen Gewöhr und endet damit den wenigen Rest des bittenden Lebens; und dies ist die Würkung des verfluchten Geschützes, daß nämlich ein geringer Bärnhäuter dem allertapfersten Helden, nach dem er zuvor vielleicht auch durch einen liederlichen Stallratzen ungefähr beschädigt worden, das Leben nehmen kann. Ich fande Goldstücker bei ihm, die ich nicht kannte, weil ich von dergleichen [174] Größe meine Tag noch niemalen gesehen; sein Wehrgehenk war mit Gold und Silber gestickt, das Degengefäß von Silber gemacht und sein Hengst ein solches unvergleichliches Soldatenpferd, dergleichen ich meine Tage niemalen überschritten. Solches alles nahm ich zu mir, und nachdem ich Gefahr merkte, also daß ich nit länger Mist bei ihm zu machen oder ihn gar auszuziehen getraute, setzte ich mich aufs Pferd; und da ich die eroberte Pistolen wieder lude, dann die Pistolenhalftern oder Büchsenscheiden, wie sie die Bauren nennen, waren nach damaligem Gebrauch genugsam mit Patronen versehen, mußte ich gleichwohl bei mir selbst erseufzen und gedenken, wann der unüberwündliche starke Herkules jetziger Zeit selbst noch lebte, so könnte er solchergestalt so wohl als dieser brave Offizier auch von dem allergeringsten Roßbuben erlegt werden.

Ich rennete im vollem Galopp hinder die Unserige und fand, daß sie sonst nichts mehr zu tun hatten, als todzuschlagen, gefangenzunehmen und Beuten zu machen, welches lauter Zeichen der erhaltenen Viktori waren. Ich machte mir anderer gehabte Mühe zunutz und stund zu den Siegern in ihr Arbeit, da es mir zwar sonderlich nit glückte, ohne daß ich blößlich noch so viel erschnappte, daß ich mich daraus kleiden konnte. Dergleichen geringes Glück hatten auch die übrige Kerl von meinem ganzen Regiment, doch einer mehr als der ander, ohnangesehen sie tapfer gefochten hatten.«

Das 16. Kapitel

Das XVI. Kapitel.
Wo Springinsfeld nach der Nördlinger Schlacht herumvagiert und wie er von etlichen Wölfen belägert wird.

»Gleichwie nun nach Erhaltung dieser gewaltigen und namhaften Schlacht das große sieghafte kaiserliche Kriegsheer in unterschiedliche Länder geschickt wurde, also empfiengen auch alle Provinzen, dahin diese gelangten, die Würkung des gedachten blutigen Treffens, und zwar nicht allein was das Schwerd, sondern auch was der Hunger und was die Pest jedes absonderlich zu tun vermöchte, ja wie grausam die zusammengestimmte erschröckliche Harmonia dieser gesammten dreien Hauptstrafen die Menschen zum Grab tanzen machen könne. Den Anteil meines Unglücks, damit die damalige armselige Zeit gleichsam ganz Europam heimsuchte, überstunde ich an den allerunglückseligsten Örtern, nämlich am Rheinstrom, der vor allen andern teutschen Flüssen mit Triebsal überschwemmt wurde, sintemal [175] er erstlich das Schwerd, darauf den Hunger, drittens die Pest und endlich alle drei Plagen zu einer Zeit und auf einmal tragen mußte, in welcher unruhigen Zeit, die zwar viel zur ewigen Ruhe oder Unruhe beförderte, ich dem Kaiser wiederum Speyr, Worms, Mainz und andere Ort mehr einnehmen halfe; und demnach der weimarische Herzog Bernhardus damals durch die Kräfte der französischen Flügel am Rhein herumschwebte und durch sein stetigs Agiern (indem er an besagtem Fluß wie auf einer Fickmühl zu spielen wußte) nit nur zu der anstoßenden Länder Ruin Ursach gabe, sondern auch zum Teil die seinige selbsten, vornehmlich aber unsere Armee, die damals Graf Philipps von Mansfeld kommandierte, äußerist und zwar ohne sonderliche Schwerdstreich ruinierte, siehe, da büßte ich mit ein nit nur mein Pferd, das mir vor Nördlingen zugestanden (deren es, wo wir nur hin marschierten, aller Orten voll lag, den Untergang unserer Armee bezeugen zu helfen), sondern auch mein gutes Geld, das ich daselbsten bekommen. Dann wann mir ein Pferd verreckte, so erhandelte ich ein anders und gab darvor meine spanische Real und Jakobiner, Umgicker etc. vor guldene spanische und englische Kopfstücker aus, deren ein zwei oder drei silberne in meinem Sinn golte und wert war, welche auch jedermann in solchem Preis gern von mir annahm, solang ich deren auszugeben hatte.

Als ich nun solchergestalt mit meinem Reichtum gleichwie das ganze Land mit dem seinigen in Bälde fertig worden, gieng der kleine Rest unsers vor diesem unvergleichlichen Regiments in Westfalen, allwo wir unter dem Grafen von Götz die Städte Dortmund, Paderborn, Hamm, Unne, Kammen, Werl, Soest und andere Ort mehr einnehmen helfen. Und damals kam ich in Soest in Garnison zu liegen, allwo ich, mein Simplice, Kund- und Kameradschaft mit dir bekommen; und weil du selber zuvor weißt, wie ich daselbst gelebt, ist unnötig, etwas darvon zu erzählen.

Du bist aber nicht über dreiviertel Jahr zuvor vom Feind gefangen, und der Graf von Götz ist kaum ein viertel Jahr aus Westfalen hinwegmarschiert gewesen, als der Obriste S. Andreas, Kommandant in der Lippstadt, durch einen Anschlag Soest einnahm. Damals verlore ich alles, was ich in langer Zeit zusammengeraspelt und vorm Maul erspart hatte. Solches und mich selbst bekamen zween Kerl von der Garnison in Coesfeld, allwo ich mich auch vor einen Musketierer gebrauchen lassen und mich so lange hinter der Maur patientiern mußte, bis beides, die Hessen und Französische, Weimarische, über [176] Rhein in das Erzstift Köln giengen, allwo es ein Leben setzte, dergleichen ich lang nach geseufzet.

Dann wir fanden gleichsam ein volles Land und unter dem Lampoy ein solche Armatur, die wir leicht übermeisterten, und von der Kemper Landwehr ja gar aus dem Feld hinwegschlugen. Diesem Sieg folgten Neuß, Kempen und andere Örter mehr ohne die gute Quartier, die wir genossen, und ohne die gute Beuten, die hin und wieder gemacht wurden. Doch wurde ich armer Tropf gleichwohl anfangs nicht reich darbei, weil ich unter meiner Muskete gemeiniglich bei der Kompagnie verbleiben mußte. Demnach wir aber Gülch plünderten und mit den Leuten auf dem Land, sowohl im Erzstift Köln als Herzogtum Gülch, unsers Gefallens prozediern dörften, erschunde ich so viel Gelds zusammen, daß ich mich wieder von der Muskete loszukaufen und mich zu Pferd zu mondiern getraute.

Solches setzte ich ins Werk, da es beinahe selbiger Orten schon ausgemauset war, da wir nämlich Lechnich vergeblich zu Übergab ängstigten und uns nicht nur die Kurbayerische, die bei Zons lagen, sondern auch die Spanische ans Leder wollten. Dannenhero schlupfte Guebrian den Kopf aus der Schlinge, quittierte den Rheinstrom und führte uns durch den Thüringer Wald in Franken, allwo wir wiederum zu rauben, zu plündern, zu stehlen und gleichwohl nichts zu fechten gefunden, bis wir in das Würtenbergische kommen, da uns zwar Joan de Werdt nächtlicherzeit ohnweit Schorndorf in die Haar geraten und einen Biß versetzt, aber gleichwohl das Fell nicht grob zerrissen. Aber wer kein Glück hat, der fällt die Nas ab, wann er gleich auf den Rucken zu liegen kommt; dann ich wurde kurz hernach von dem Obristleutenant von Kürnried, welchen die gemeine Pursch den Kirbereuter zu nennen pflegten, auf einer Partei gefangen und zu Hechingen, wo damals das bayerische Hauptquartier war, wiederum demjenigen Regiment Dragoner zugestellt, darunter ich anfänglich gedienet.

Also wurde ich wieder ein Dragoner, aber nur zu Fuß, weil ich noch kein Pferd vermochte. Wir lagen damals zu Balingen, und widerführe mir ein Poß um selbige Zeit, welcher zwar von keiner Importanz, gleichwohl aber so seltsam, verwunderlich und mir so eine schlechte Kurzweil gewesen, daß ich ihn erzählen muß, ohnangesehen ihrer viel, denen der damalige elende Stand des ruinierten Teutschlandes unbekannt, mir solches nicht glauben werden.

Demnach unser Kommandant in Balingen Kundschaft bekommen, [177] daß die Weimarische unter Reinholden von Rose, 1200 Pferd stark, ausgangen, uns aufzuheben, gedachte er, solches an Ort und End zu notifiziern, von dannen sukkurriert werden könnte. Weil ich dann wie obgemeldet, noch ohnberitten, zumalen mir Weg und Steg wohlbekannt, auch meine Person so beschaffen war, daß man mir kecklich zutrauen konnte, ich würde die Sach wohl ausrichten, als wurde ich in Baurenkleidern mit einem Schreiben nach Villingen geschickt, von dieser obhandenen Rosischen Cavalcata Nachricht dorthin zu bringen; und golte gleich, ob ich vom Gegenteil unterwegs gefangen würde oder nicht, dann wann solches geschehen wäre, so hätte der Feind erfahren, daß sein Anschlag entdeckt gewesen, und derowegen solchen wieder eingestellt. Aber ich kam glücklich durch und ließe mich auch gegen Abend wieder abfertigen, um die Nacht über wieder auf Balingen zu kommen. Als ich nun durch ein Dorf passierte, darinnen keine Mäus, geschweige Katzen, Hund und ander Vieh, viel weniger Menschen sich befunden, sahe ich gegen mir einen großen Wolf avancieren, welcher recta mit aufgesperrtem Rachen auf mich zugieng. Ich erschrak, wie leicht zu gedenken, weil ich kein ander Gewehr als einen Stecken bei mir hatte, retirierte mich derowegen in das nächste Haus und hätte die Tür hinder mir gern zugeschlagen, wann es nur eine gehabt; aber es mangelte deren so wohl als der Fenster und des Stubenofens. Ich gedachte wohl nicht, daß mir der Wolf in das Haus nachfolgen würde, aber er war so unverschämt, daß er den Ort nicht respektierte, der zur menschlichen Wohnung gewidmet worden, sondern zottelte in einem reputierlichen Wolfgang fein allgemach hernach, dannenhero ich notwendig mein Refugium die erste und andere Stiege hinauf nehmen mußte; und weil mich der Wolf sehen ließe, daß er auch Stiegen steigen konnte so wohl als ich, wurde ich gezwungen, mich in aller Eil, welches zwar kümmerlich und mit großer Not geschahe, durch ein Dachloch hinauf auf das Dach zu begeben. Da mußte ich eilends die Ziegel rucken und zerbrechen, um mich auf den Latten zu behelfen, auf welchen ich je länger je höher hinaufkletterte. Und als ich mich hoch genug daroben und also vor dem Wolf in Sicherheit zu sein befande, öffnete ich im Dach ein größere Luken, um dardurch zu sehen, wann der Wolf die Stiege wieder hinabspazieren oder was er sonsten tun wollte.

Da ich nun hinunter schauete, siehe, da hatte er noch mehr Kameraten bei sich, welche mich ansahen und sich mit Gebärden stelleten, als ob sie einen Anschlag zu erstimmen [178] begriffen, wie sie mir beikommen möchten. Ich hingegen chargierte mit halben und ganzen Ziegeln auf sie hinunter, konnte aber durch die Latten weder gewisse noch satte oder starke Würf tun; und wann ich gleich den einen oder andern auf den Pelz traf, so bekümmerten sie sich doch nichts darum, sondern behielten mich also belägert oder blokiert. Indessen ruckte die stockfinstere Nacht herbei, welche mich, solang sie unsern Horizont bedeckte, mit scharpfen durchschneidenden Winden und untermischten Schneeflocken gar unfreundlich traktierte, dann es war im Anfang des Novembri und dannenhero ziemlich kalt Wetter, so daß ich mich kümmerlich dieselbe winterlange Nacht auf dem Dach behelfen konnte; überdas fiengen die Wölfe nach Mitternacht eine solche erschreckliche Musik an, daß ich vermeinte, ich müßte von ihrem grausamen Geheul übers Dach herunterfallen. In Summa, es ist unmüglich zu glauben, was vor eine elende Nacht ich damals überstanden; und eben um solcher äußersten Not willen, darinnen ich stak, fienge ich an zu bedenken, in was vor einem jämmerlichen Zustand die trostlose Verdammte in der Höllen sich befinden müßten, bei denen ihr Leiden ewig währet, welche nicht nur bei etlichen Wölfen, sondern bei den schröcklichen Teufeln selbsten, nicht nur auf einem Dach, sondern gar in der Höllen, nicht nur in gemeiner Kälte, sondern in ewig brennendem Feur, nicht nur eine Nacht in Hoffnung, erlöst zu werden, sondern ewig, ewig gequält würden. Diese Nacht war mir länger als sonst vier, so gar, daß ich auch sorgte, es würde nimmermehr wieder Tag werden, dann ich hörete weder Hahnen krähen, noch die Uhr schlagen, und saße so unsanft und erfroren dorten im rauhen Luft, daß ich gegen Tag all Augenblick vermeinte, ich müßte herunderfallen.«

Das 17. Kapitel

Das XVII. Kapitel.
Springinsfeld bekommt Sukkurs und wird wiederum ein reicher Dragoner.

»Ich erlebte zwar auf meinem Dach den lieben Tag wiederum, ich sahe aber drum nichts, daraus ich einige Hoffnung zu meiner Erlösung hätte schöpfen mögen, sondern hatte vielmehr Ursach, gleichsam gar zu verzagen; dann ich war müd, matt, schläferig und noch darzu auch hungerig. Ich beflisse mich sonderlich, mich des Schlafens zu enthalten, weil die geringste Einnickung der Anfang meines ewigen Schlafs gewesen wäre, sintemal ich alsdann entweder erfrieren oder über das Dach [179] herunterpurzeln müssen. Indessen bewachten mich die Wölfe noch immer fort, obzwar bisweilen deren etliche die Stiege auf und ab spazierten. Nach denjenigen, die oben im Hause unterm Dach verblieben, warf ich zwar ohne Unterlaß mit Ziegeln, ob ich sie vielleicht vertreiben möchte; es nutzte mir aber zu nichts anders, als daß ich mich durch dasselbige Exerzitium des Schlafs erwehrte und mir den Schatten oder eine Kopei einer geringen Wärme in die Glieder schaffte. Und dergestalten brachte ich beinahe den ganzen Tag zu.

Gegen Abend aber, da ich mich schier allbereit in mein gänzliches Verderben ergeben hatte, kamen fünf Kerl in sachtem Galopp dahergeritten, welchen ich gleich an Fertighaltung ihres Gewehrs ansahe, daß sie zu Rekognoszierung des Dorfs vorhanden. Den letzten kannte ich am Pferd, daß es ein Wachtmeister vom Sporckischen Regiment war, der mich gar wohl kennet. Die erste wurden meiner von fernen gewahr und sahen mich anfänglich vor eine Schiltwach, und da sie sich besser näherten, vor einen Bauren an, befahlen mir derowegen auch als einem Bauren, ich sollte heruntersteigen, oder sie wollten mich herunterschießen. Als ich aber gedachten Wachtmeister mit Namen nennete, mich damit zu erkennen gab und darneben versicherte, daß in 24 Stunden kein vernünftige Seele im Dorf gewesen, sintemal ich so lange auf dem Dach Schiltwache gehalten, erzählet ich ihnen auch zugleich mein Geschäfte, und was vor Kreaturen mich in meinem beschwerlichen Arrest hielten. Hierauf folgte gleich der Obriste Sporck selbsten mit einem starken Truppen; und als er meine Beschaffenheit vernahm, ließe er alsobalden zehen Reuter mit ihren Karbinern absteigen, in das Haus gehen und sonst das Haus umstellen, auch Schildwachten außerhalb dem Dorf aufführen. Als nun jene ins Haus gestürmt, wurden 8 Wölfe so erschossen, als sonsten niedergemacht, und im Keller fünf menschliche Körper gefunden, von welchen sie auch sogar etliche Gebein aufgefressen hatten. Vermög eines Gesteck Messers, eines Stahles, zweier Paßzedel und eines Wechselbriefs, der nach Ulm lautet, wie auch eines Gürtels, darinnen Dukaten vernähet waren, ist ein Metzger unter diesen gewesen, der die Donau hinunter gewollt, etliche ungarische Ochsen zu kaufen; und ohne diese fünf Menschenköpfe fanden wir auch Aas von andern Tieren, also daß es in diesem Keller einer alten Schindgruben ähnlich sahe.

Gedachter Obriste war mit 500 Pferden aus, um Rothweil zu erkündigen, was die Weimarische im Sinn hätten; und da er solchergestalten von mir erfuhr, was des Rose Intention [180] wäre, befahl er alsobalden in demselbigen Dorf zu füttern, das ist, den Pferden zu fressen zu geben, was jeder von kurzem Futter hinter sich führte; dann in demselbigen Dorf war nichts verhanden, das die Pferde genießen konnten, als das Stroh auf etlichen Dächern. Und alsdann fütterte auch ein jeder sich selbsten, mich aber des Obristen kalte Küche, von deren mir mildiglich mitgeteilt wurde, als dessen ich damals auch trefflich vonnöten.

Der Obriste hielte die Begegnus mit den Wölfen vor ein gut Omen, noch ferners ein unverhoffte Beut zu erhalten. Er gedachte, auf Balingen zu gehen und mit Zuziehung unserer daselbst liegenden Dragoner dem Rosa einen Streich zu versetzen. Ich wurde auf ein Handpferd gesetzt, den richtigsten Weg zu weisen; aber ehe wir gar zwo Stund in die Nacht marschiert hatten, kriegten wir Kundschaft, daß Rosa sich zwar bei Balingen sehen lassen, aber nicht der Meinung, die Dragoner auszuheben, sondern den Ort, den er vor leer gehalten, zu besetzen; weil er aber zu spat kommen, hätte er sich in das Dorf Geislingen logiert, um über Nacht daselbst liegen zu bleiben. Hierauf änderte der Obriste alsobald seinen Anschlag und nahm seinen Weg gerad auf Geislingen zu, allwo wir auch unversehens um eilf Uhr ankamen und den Rose mit bei sich habenden vier Regimentern gar unsäuberlich aus dem ersten Schlaf weckten. Bei 300 Reutern setzten ins Dorf, die übrigen aber hielten darvor haußen und zündeten es an vier Orten an. Darauf wurden gleichsam in einem Augenblick diese 4 Regimenter zerstöbert und ruiniert; 200 wurden gefangen ohne die Offizierer, und sonst viel schöne Beuten gemacht; und demnach ich von dem Obristen erhalten, daß ich auch in das Dorf laufen und mich um eine Beut umschauen möchte, als durchschliche ich die Häuser zu äußerst am Dorf; und zunächst an einem Ort, da es brannte, bekam ich drei schöne gesattelte Pferd mit aller Zugehör und einem Jungen, dessen Herr sich mit samt dem Knecht entweder zu Fuß darvon gemacht oder sich sonst versteckt hatte, weil er das Niederbichsen unserer im Feld haltenden Reuter gefürchtet, als die gemeiniglich nur den Flüchtigen zu Pferd zusetzten.

Des Morgens frühe ließe mich der Obriste mit meiner Beut wiederum nach Balingen reiten, unserm Kommandanten und seinen Dragonern die Bottschaft seines glücklich verrichten Einfalls zu bringen. Ich war willkommen, nicht allein wegen der Bottschaft, die ich brachte, sondern auch wegen der guten Rekommendationschreiben, die mir der Obriste beides, meines [181] Wohlverhaltens und meiner ausgestandenen Gefahr halber, mitgeteilet hatte. Der Kommandant hatte mir ein Dutzet Taler versprochen, wann ich zu meiner Wiederkunft die Bottschaft recht ausgerichtet haben würde; weil ich aber jetzt so wohl heimkam, verehrte er mir deren zwei und machte mich noch drüberhin zu einem Korporal. Derowegen versilberte ich das eine Pferd und mondierte mich und einen Knecht aus dem erlösten Geld desto stattlicher, machte auch abermal hohe Gedanken, ob ich nicht noch mit der Zeit ein Kerl von Ästimation abgeben würde. Eben auf denselbigen Tag, daran ich so groß worden, gieng Rothweil an den Guebrian über, aber die Weimarische haben diese Stadt nicht viel länger behauptet, als bis die Tuttlinger Kirchmeß gehalten worden (auf deren ich zwar wenig Beuten einkramen können, weil ich als ein Unteroffizier anders zu tun hatte); dann nachdem solche vorüber, nahm sie unser General von Mercy mit Akkord wieder hinweg, und weil ich damals auch etwas von der ausziehenden Bagage angepackt, wäre ich beinahe, wie andern Mausern mehr widerfuhr, harquebusiert oder wohl gar als ein Korporal, der andern abwehren sollen, aufgehenket worden, dafern mich mein gutes Pferd nicht beizeiten aus der Gefahr getragen und zehen Taler, die ich den Nachjagenden spendierte, aus den Händen des Profosen und Steckenknechts errettet hätten.

Gleich hierauf bekamen wir gute Winterquartier; und obgleich Herr Korporal Springinsfeld anfänglich in denselbigen eine herbe Hauptkrankheit überstunde, also daß ihm auch kein Härlein Heu auf der obern Bühne übrig verbliebe, so schlug es ihme dannoch hernach so wohl zu, daß er mitten im Krieg einen solchen fetten Kopf überkam wie ein Dorfschultheiß mitten in Friedenszeiten.«

Das 18. Kapitel

Das XVIII. Kapitel.
Wie es dem Springinsfeld von der Tuttlinger Kirchmeß an bis nach dem Treffen vor Herbsthausen ergangen.

»Den folgenden Sommer führete uns der kluge General Freiherr von Mercy wieder mit einer schönen und zwar fast auf eine altfränkische oder holländische Manier, da alles mit guter Ordre zugehet, zu Felde. Das vornehmste, das wir gleich anfangs verrichteten, war die Einnehmung der Stadt Überlingen, deren Garnison nun eine Zeitlang große Ungelegenheit auf und um den Bodensee herummer gemacht hatte: dieser folgte Freiburg [182] im Breisgau, die nun etliche Jahr nacheinander mit Einziehung der Kontributionen gleichsam wie eine militarische Königin über den ganzen Schwarzwald geherrschet und sich aus ihm bereichert. Wir hatten aber dieselbige Stadt kaum in unsern Gewalt, als der Duc de Anguin und Tourenne ankommen, uns in unserm wohlbefestigten Läger auf die Finger zu klopfen, maßen sie auf die Schanzen gestürmet und weder ihrer Soldaten Blut noch deren Lebens verschonet, gleichsam als wann sie nur wie die Pfifferling über Nacht gewachsen wären. Sie stürmten mit ungläubiger Furi gegen uns hinauf wie resolute Helden, wurden aber jedesmal beides, zu Roß und Fuß dermaßen bewillkommt und wieder abgefertigt, daß sie mit ihrem häufigem Herunterpurzeln der überstreuten Walstatt ein Ansehen machten, als wann es Soldaten geschneiet hätte. Es war auch billig, daß diejenige, deren Leben gering geachtet wurde, dasselbe auch gering verlieren sollten. Den andern Tag gieng es noch hitziger her, und kann ich wohl schweren, daß ich mein Tage niemals darbei gewesen, da man schärpfer einander zugesprochen als eben vor diesem Freiburg. Es hatte das Ansehen, als wann die Franzosen nicht übers Herz wollten oder könnten bringen, uns ohnüberwunden von sich zu lassen; und eben dahero fochten sie desto tapferer, ja unsinniger. Hingegen stritten wir vernünftig und mit großem Vorteil; dahero kams, daß unserer nicht viel über 1000, jene aber über 6000 erschlagen und verwundet worden.

Wir Dragoner haben neben den Kürassierern unter Johann von Werths Anführung das beste getan, und wann unserer mehr zu Pferd gewesen wären, so würde den Franzosen ihre Frechheit übel eingetränkt sein worden. Wir kamen zwar mit einem blauen Aug darvon, aber mit großer Ehr, dieweil wir sich eines solchen starken Feinds ritterlich erwehret und ihm allerdings den dritten Teil soviel Volks zunichte gemacht, als wir selbst stark gewesen. Hingegen hatten die Franzosen auch keine Schand darvon, als die ihre verwegene Tapferkeit genugsam sehen lassen, es seie dann einem aufzuheben oder vorzurucken, wann er so vieler Soldaten Blut unnützlich verschwendet oder sonst ohne Not mit dem Kopf wider eine Mauer lauft.

Da wir sich nun in unserm württenbergischen Lande ein wenig erschnaubet und zugleich marschierend sich um einen Raub umschaueten, vermuteten wir, solchen in der untern Pfalz zu erhaschen; derowegen rumpelten wir hinein und gleich darauf in Mannheim mit stürmender Hand, worinnen ich abermal, weil ich einer unter den ersten war, der hineinkam, eine ansehnliche [183] Beut von Geld, Kleidern und Pferden machte. Diesem nach säuberten wir Höchst von der hessischen Besatzung per Akkord und nahmen Bensheim mit Sturm ein, allwo mein Obrister das Leben durch einen Schuß einbüßte. Darinnen hauseten wir etwas rigoroser als kurbayerisch und machten, daß sich Weinheim auch auf Gnad und Ungnad an uns ergab.

Um diese Zeit stunde es um unsere Armee überaus wohl, dann wir hatten an dem Mercy einen verständigen und tapfern General, an dem von Holtz gleichsam einen Atlantem, der die Beschaffenheit aller Wege, Stege, Pässe, Berge, Flüsse, Wälder, Felder und Täler durch ganz Teutschland wohl wußte, dahero er das Heer beides, im Marschiern und Logiern, zum allervortelhaftigsten führen und einquartieren, auch wann es an ein Schmeißen gehen sollte, seinen Vortel bald absehen konnte. Am Joan de Werth hatten wir einen braven Reutersmann ins Feld, mit welchem die Soldaten lieber in eine Okkasion als in ein schlechtes Winterquartier giengen, weil er den Ruhm hatte, daß er beides, in öffentlichen Fechten und Verrichtung seiner heimlichen Anschläge, sehr glückselig sei. An dem Württenberger Land und dessen Nachtbarschaft hatten wir einen guten Brodkorb, welches schiene, als wann es nur zu unserem Unterhalt, und unsere jährliche Winterquartier darinnen zu nehmen, erschaffen worden. Der Kurfürst aus Bayern selbst, wahrlich ein erfahrner Feldherr und weiser Kriegsfürst, war gleichsam unser Vatter und Versorger, welcher uns gleichsam von weitem zusahe, dirigierte und von Haus aus mit seiner klugen und vorsichtigen Feder führte; und was das allermeiste war, so hatten wir lauter versuchte und tapfere Obriste, beides, zu Roß und zu Fuß, und von denselbigen an bis auf den geringsten Soldaten eitel geübte, herz- und standhafte Krieger; und ich dörfte beinahe kecklich sagen, wann ein Potentat im Anfang seines Kriegs gleich eine solche Armee beisammen hätte, daß er sein Gegenteil, der noch zweimal so viel Tirones beieinander, dannoch leichtlich besiegen möchte.

Aber ich muß wieder auf meine Histori kommen; die verhält sich kürzlich also, daß nämlich nachgeen digtem Winterquartier die meiste von uns in Böhmen zu den Kaiserlichen giengen und von den Schwedischen vor Jankau ihr Teil Stöße holeten, und haben wir solchergestalt ihrer Unglückseligkeit oft entgelten und die Scharte ihrer Waffen, die sie, ich weiß nit aus was Ursachen oder Übersehen, hier und da empfangen, mit Darstreckung unserer Hälse öfters auswetzen, ja zuzeiten ihrentwegen gar einbüßen müssen, wie dann vor diesmal auch geschehen. [184] Ich befande mich damals nicht in obbesagtem Treffen, sondern im Württenbergischen, in welcher Gegent mein Obrister zu Nagolt die Schanze häßlich übersehen und zum Lohn seiner Unvorsichtigkeit das Leben erbärmlicherweise eingebüßt. Und damals kam es darzu, daß ich aus einem Korporal zu einem Forier gemacht wurde, eben als der von Mercy unsere Völker hin und wieder zusammenzoge, um dem Tourenne zu wehren, daß er sich in unserm Gäu, in Schwaben und Franken, daraus wir uns selbst zu erhalten gewohnet waren, nicht zu heimisch und gemein machen sollte.

Und dieses ist dem von Mercy vor diesmal auch noch gelungen, maßen er ohnversehens auf die Französische losgangen und sie bei Herbsthausen dermaßen geklopft, daß ihm Tourenne das Feld raumen und viel vornehme Offizier und Generalspersonen hinterlassen müssen. Ich wurde in diesem Treffen zeitlich durch einen Schenkel, doch nicht gefährlich, geschossen, gleichwohl aber dardurch etwas zu erbeuten untüchtig gemacht, weil ich die noch Stehende weder bestreiten helfen noch den Flüchtigen nachjagen konnte, welches mich so blutübel verdrosse, daß ich zween ganzer Tag mit allem meinen Fluchen kein Vatterunser zusammenbringen konnte. Dann weil mein harte Haut bishero nur mit den ankommenden Kuglen gescherzt, vermeinte ich, es sollte nicht sein, daß ein anderer mehr als ich können und mich eben jetzt, da etwas zu errappen, beschädigen sollte.«

Das 19. Kapitel

Das XIX. Kapitel.
Springinsfelds fernere Historia bis auf das bayrische Armistitium.

»Die Früchte dieser erhaltenen ansehenlichen Viktori waren ohne die Beuten und die Gefangene nichts anders, als daß unsere Armee bis an die niederhessische Grenze hinuntergieng und Amöneburg entsetzte, vor Kirchheim sich vergeblich bemühete und dardurch in ein Wespennest stache, das ist, daß sie den Tourenne, sich mit dem Hessen zu konjungiern, verursachten, wessentwegen sie dann den Rückweg wieder dahin nehmen mußte, woher sie kommen waren. Ich lag damals im Taubergrund mit andern Beschädigten mehr und ließe mich an meiner empfangenen Wunden kuriern; aber als sich unsere Armee mit einem Sukkurs von ungefähr fünfthalbtausend Mann, den ihr der Graf von Geleen zugebracht, nach Heilbrunn zoge und selbige Stadt mit Völkern unter dem Obristen Fugger, Obristen [185] Caspar und meinem Obristen verstärkte, muhte ich auch dort liegen bleiben.

Indessen giengen die konjungierte hessische, Tourennische und Königsmarckische Völker in die Unterpfalz, nahmen den Duc de Anguin zu sich und marschierten dem Neckar hinauf, uns und die unserige zu erfolgen. Zwar ließen sie uns zu Heilbrunn wohl liegen, aber Wimpfen wurde ihr erster Raub, als welches sie beschossen, mit stürmenter Hand eingenommen und auf 600 Mann von uns darinnen so gefangen bekommen als niedergemacht haben. Daselbst seind sie über den Neckar an die Tauber gangen und haben sich vieler ohnbesetzten Örter, auch der Stadt Rothenburg bemächtiget. Endlich brachten sie unsere Armee zum Stand, erhielten von ihnen einen blutigen Sieg bei Allerheim, warbei unser tapferer Generalfeldmarschall von Mercy das Leben auch eingebüßt. Folgends nahmen sie Nördlingen mit Akkord ein und zwangen den Obristwachtmeister von meinem Regiment, der mit 400 von unsern Dragonern und 200 Musketierern in Dinckelspiel lag, daß er sich ihnen nicht mit Akkord, sondern auf Gnad und Ungnad ergeben mußte; und weilen sich die Völker mußten unterstellen, wurde unser Regiment mehr dardurch geschwächt, als wann es auch in dem Treffen gewesen wäre. Von dar giengen sie über Schwäbischen Hall gegen uns los, weil es uns auch gelten sollte, und fiengen an, gegen uns zu agiern und sich zu verschanzen. Sobald sie aber der Unseren Ankunft vermerkten, als welche Erzherzog Leopold Wilhelm mit 16 Kaiserlichen Regimentern verstärkt hatte, siehe, da verschwanden sie wie Quecksilber oder zerstoben doch aufs wenigst von einander, als wann sie die Schlacht vor Allerheim nicht erhalten hätten; und ich kann auch nicht sehen, was sie diese teure Viktori anders genutzt, als daß sie die Unserige ein wenig geschwächt und den berühmten Mercy aus den Weg geraumet; dann sie wurden bis nach Philippsburg verfolget und verloren alle Örter wiederum, die sie zuvor erobert hatten. Wir bekamen auch zu Wimpffen 8 schöne halbe Kartaunen, 1 Feldstuck, 1 Feurmörsel und hin und wieder viel Mannschaft von ihnen, davon sich die Teutsche alle unterstellen und also unsere Armee wieder verstärken mußten. Folgends giengen wir wieder in unseren gewöhnlichen Gäu, das ist in Franken, im ansbachischen und württenbergischen Lande in die Winterquartier, die Kaiserlichen aber in Böhmen.

Ehe das Jahr gar zu End liefe, marschierte der Kern unserer Armee in Böhmen zu den Kaiserlichen, der Hoffnung, denen daselbst befindlichen Schweden einen guten Streich zu versetzen; [186] weil es aber außer der Zeit und hierzu gar unbequem Wetter war, zumalen die Schweden auch von sich selbsten dasselbe Königreich quittierten, wurde nichts anders draus, als daß wiederum etliche Örter von den Schweden in der Kaiserlichen Hände kamen.

Den folgenden Sommer aber, als das Gegenteil zwischen den Fürstentumen des niedern und obern Hessen anfieng, um sich zu greifen, seind wir auch gegen denselben mit Ernst zu Feld gangen und durch die Wetterau bis zwischen Kirchheim und Amöneburg ihme entgegengezogen, da es zwar zu keiner Hauptaktion kommen, aber gleichwohl durch kommandierte Völker an der Ohm ein lustiges Soldatenexerzitium gesetzt, worin ich einen Leutenant von den Hessen gefangen und ein schönes Pferd samt 60 Reichstalern an Geld von ihm kriegte. Weil dann der Feind nicht schlagen wollte, sondern Kirchheim in seinem verschanzten und wohlproviantierten Läger verbliebe, wir aber an Fourage Mangel litten, zogen wir uns zuruck in die Wetterau. Uns folgten die Schweden und Hessen, als die sich mit dem Tourenne konjungiert hatten; da stunde ein Seit dies-, das ander Teil jenseit der Nidda in Battalia, spielten mit Stücken zusammen und sahen einander an wie zween zähnbleckende Hunde, die einander ohne Vorteil nicht anfallen wollen. Endlich ließen sie uns gegen dem Kamberger Grund marschiern, sie aber giengen in vollen Sprüngen über den Main und der Donau zu und ließen uns das Nachsehen.

Unser Obrister wurde geschickt samt den Jungen-Kolbischen, den vereinigten Feindsarmeen vorzukommen, um ein und anders der unserigen Örter zu besetzen; und ob uns gleich Königsmark bei Schrobenhausen zwackte, so seind wir jedoch noch in 800 Pferd stark in Augsburg angelangt, eben als sich die Schweden vergebliche Hoffnung gemacht, selbe Stadt in Güte einzubekommen. Gleich darauf kam der Obriste Rouyer noch mit Vierthalbhundert Dragonern zu uns, worauf die Schweden uns in aller Eil belägerten und in kurzer Zeit mit Approchieren unter die Stücke auf den Graben kamen; und ich glaube auch, sie würden uns gewaltig heiß gemacht und endlich auch die Stadt gar überkommen haben, wann sich die Unserige nicht bald darvor präsentiert hätten, als welche sich nunmehr wieder mit neuem Sukkurs verstärkt hatten und die Feindsvölker desto kühner von der Belägerung hinwegschröckten.

In dieser Stadt mußte ich neben andern kommandierten Dragonern liegen, bis Bayern und Köln mit den Franzosen, Schweden und Hessen einen halben Frieden oder wenigst (ich [187] weiß selbst nit, was es war) ein Stillstand der Waffen machte. Als solcher geschlossen, wurde ich und andere mehr durch Fußvölker abgelöst und kam wieder zu meinem Regiment, als es um Deggendorf herum auf der faulen Bärenhaut müßig lag.

Es konnten aber etliche unserer Generalspersonen und Obristen eine solche Ruhe schwerlich ertragen, also daß sie sich unterstunden, mit ihren unterhabenden Völkern zu den Kaiserlichen überzugehen, zuvor aber ihres eignen Feldherrn Länder, vor welche sie bishero so ritterlich gefochten, zu plündern, unter welchen vornehmlich mein Obrister auch gewesen, der doch ein Soldat von Fortun und in seinem Stand durch seines größten Kurfürsten Mildigkeit und Gnad befördert worden war. Er erlangte aber anderster nichts damit, als daß ihm ein schändlicher Ehrentitul konzipiert und hin und wieder in Bayern an einem aufgerichteten Holz mit einem Arm angeschlagen wurde, maßen ich ein Exemplar solcher Ehrensäulen zu S. Nicolao bei Passau gesehen. Andern wurde solches Unterfangen wegen ihrer hohen Verdienste und großer Ästimation nachgesehen, als welche um ihrer Treu und Tapferkeit willen auch ein bessers meritierten. Nachdem solcher Lärme wieder gestillt, weiß ich nichts Denkwürdigs von mir zu erzählen, ich wollte dann sagen, wie ich löffeln gangen und den bayerischen Dirnen aufgewartet, bis wir die Degen wieder in die Hände genommen.«

Das 20. Kapitel

Das XX. Kapitel.
Kontinuation solcher Histori bis zum Friedenschluß und endlicher Abdankung.

»Der alte Stern wollte uns aber zur Erneuerung unsers alten Kriegs wie etwan hiebevor zum alten Glück nicht mehr leuchten. Mercy war tot; Joan de Werth nicht mehr unser, und der Holzapfel, sonst Melander, den Schweden und Franzosen nicht so herb und handig wie etwan zuvor den Kaiserischen da er noch den Hessen dienete, wiewohl der rechtschaffene Soldat das seinige tät, ja sein Leben dargab, als uns der Feind über den Lech und über die Isar jagte. Damals schrieen uns etliche vom Gegenteil über das Wasser zu (als wir nämlich wie eine Maur stunden und uns durch des Feinds Geschütz so viel als nichts bewegen ließen), wir sollten nur eilen mit der Flucht, so wollten sie uns an Örter jagen, allwo eine Kuh einen halben Batzen gelten sollte. Diese haben erraten, was sie so wahrsagten; und als wir, ihrem Rat zu folgen, durch ihre [188] Menge gezwungen wurden, hab ich endlich erlebt, daß unter den Unserigen eine Kuh nicht nur um einen halben Batzen, sondern auch sogar um eine verächtliche Pfeife Tabak hingegeben worden. Damals stund unser Sach liederlich, der von Gronsfeld konnte sowenig als Melander zuwegen bringen, daß jemand aus den Unserigen füglich mit Lorbeerkränzen bekrönt werden möchte, sondern wir mußten, was nicht in den wehrlichen Örtern liegen bliebe, auch sogar über den Innstrom hinüberpassieren, welchen zu überstreiten auch das Gegenteil erkühnete.

Aber an diesem strengen Fluß hat sich der strenge Siegslauf und das Glück der Schweden und Franzosen gestoßen. Ich lag unter sieben doch schwachen Regimentern in Wasserburg, als beide Feindsarmeen suchten, denselbigen Ort zu bezwingen und über besagtem Fluß in das gegenüberliegende volle Land zu gehen, in welchem etliche steinalte Leute die Tag ihres Lebens noch niemalen keine Soldaten gesehen hatten. Weil aber wegen unserer tapferer Gegenwehr unmüglich war, etwas daselbst auszurichten, unangesehen sie uns mit glühenden Kugeln zusprachen, giengen sie auf Mühldorf und wollten dort ins Werk setzen, was sie zu Wasserburg nicht zu tun vermocht; aber ihnen widerstund daselbst einer von Hunoltstein, ein Kaiserliche Generalsperson, bis sie der vergeblichen Arbeit müd wurden und ihr Hauptquartier zu Pfarrkirchen nahmen, allwo sie erstlich der Hunger und endlich die Pest zu besuchen anfieng, die sie auch endlich zwischen dem tirolischen Gebirg und der Donau, zwischen dem Inn und der Isar hinausgetrieben, wann sie das Generalarmistitium, so dem völligen Frieden vor gieng, nicht veranlaßt hätte, bessere Quartier zu beziehen.

Unter währendem Stillstand wurde unser Regiment nach Hilperstein, Heydeck und selbiger Orten herum gelegt, da sich ein artliches Spiel unter uns zugetragen. Dann es fande sich ein Korporal, der wollte Obriste sein, nicht weiß ich, was ihn vor eine Narrheit darzu angetrieben. Ein Musterschreiber, so allererst aus der Schul entloffen, war sein Sekretarius, und also hatten auch andere von seinen Kreaturen andere Officia und Ämpter; viel neigten sich zu ihm, sonderlich junge unerfahrne Leute, und jagten die höchste Offizier zum Teil von sich oder nahmen ihnen sonst ihr Kommando und billigen Gewalt; meinesgleichen aber von Unteroffizieren ließen sie gleichwohl gleichsam wie neutrale Leut in ihren Quartieren noch passieren; und sie hätten auch ein Großes ausgerichtet, wann ihr Vorhaben zu einer andern Zeit, nämlich in Kriegsnöten, wann der Feind in der Nähe und man unserer beiseits nötig [189] gewesen, ins Werk gesetzt worden wäre. Dann unser Regiment war damals eins von den stärksten und vermochte eitel geübte, wohlmondierte Soldaten, die entweder alt und erfahren oder junge Wagehäls waren, welche alle gleichsam im Krieg auferzogen worden. Als dieser von seiner Torheit auf gütlichs Ermahnen nicht abstehen wollte, kam Lapier und der Obriste Elter mit kommandierten Völkern, welche zu Hilperstein ohn alle Mühe und Blutvergießung Meister wurden und den neuen Obristen vierteilen oder, besser zu sagen, fünfteilen (dann der Kopf kam auch sonder) und an vier Straßen auf Räder legen, 18 ansehenliche Kerl aber von seinen Prinzipalanhängern zum Teil köpfen und zum Teil an ihre allerbeste Hälse aufhenken, dem Regiment aber die Musketen abnehmen und uns alle auf ein neues dem Feldherrn wieder schwören ließen. Also wurde ich noch vor meinem Ende oder vor dem völligen Frieden aus einem Forier zu einem Quartiermeister und das Regiment aus Dragonern zu Reutern gemacht; und dieses ist das letzte, was ich dir, mein Simplice, von meiner teutschen Kriegshistori zu erzählen weiß, ohne daß wir bald hernach abgedankt worden, zu welcher Zeit ich drei schöne Pferd, einen Knecht und einen Jungen, auch ohngefähr bei 300 Dukaten in barem Geld ohne die drei Monatsold vermöchte, die ich bei der Abdankung empfieng; dann ich hatte nun ein geraume Zeit hero kein Unglück gehabt, sondern Geld gesammlet. Und also mußte ich aufhören zu kriegen, da ich vermeinte, ich könnte es zum besten. Den Knecht und Jungen fertigte ich ab, so gut als ich konnte, versilberte zwei Pferd und sonst alles, was Geld golte, und begab mich mit dem Überrest nach Regensburg, um zu sehen, wie ich meinen Handel ferner anstellen oder was mir sonst vor ein Glück zustehen möchte.«

Das 21. Kapitel

Das XXI. Kapitel.
Springinsfeld verheuratet sich, gibt einen Wirt ab, welches Handwerk er mißbraucht, wird wieder ein Witwer und nimmt sein ehrlichen Abschied hinter der Tür.

»Ich war damals ein Mann von ungefähr 50 Jahren und traf zu bemeltem Regensburg eine verwittibte Leutenantin an, die war nit viel jünger, hatte auch nicht viel weniger Geld als ich; und weil wir einander öfters bei der Armee gesehen, machten wir desto ehender Kundschaft miteinander. Sie merkte Geld hinter mir, und ich hinter ihr auch; und dannenhero fieng [190] gleich eins das ander an zu vexieren, ob es nicht mit uns beiden ein Paar geben könnte, sagten auch beiderseits, wers nicht glauben wollte, der möchte es zählen. Sie war in dem Land zu Haus, darinnen man allerhand Religionen passieren läßt, und solches war vor mich, weil ich noch keiner zugetan; sintemal ich alsdann die Wahl haben konnte, unter so vielen eine anzunehmen, die mir am besten gefiele. Sie konnte von ihren Reichtumen zu Haus nicht genug aufschneiden, viel weniger genug beklagen, daß sie in ihrer Jugend gleich im Anfang des Kriegs von ihrem Manne seligen von denselbigen hinweggeraubet und bei Einnehmung ihres Heimats zu seinem Weib wider ihren Willen gemacht worden wäre, worbei man unschwer abnehmen kann, daß sie nicht mehr jung gewesen, weil sie sowohl als ich die erste Einnehmung der Festung Frankenthal gedachte. Was darfs aber vieler Umstände? Wir machtens gar kurz miteinander und tratten nicht allein mit der Heuratsabred, sondern auch mit der Kopulation geschwind zusammen. Beiderseits Zubringens halber ward unter andern auch dies abgehandelt und verschrieben, daß ich, wann sie vor mir absterben sollte ohne Leibserben, darzu bei ihr dann ohne das keine Hoffnung mehr war, alsdann die Tage meines Lebens den Sitz und Genuß auf ihrem Gut haben, ihren Sohn aber, den sie von ihrem ersten Mann hatte, ehrlich aussteuren sollte; 100 Gulden behielte ich mir vor, dieselbe hin zu vermachen und zu verschenken, wohin ich wollte. Als nun diese Glock dergestalt gegossen, eileten wir in ihr Vatterland, allwo ich zwar ein wohlgelegen steinern Wirtshaus fande wie ein Schloß, aber darin weder Öfen, Türen, Läden noch Fenster, also daß ich beinahe so viel zu bauen hatte, als wann ichs von neuem hätte angefangen. Das überstunde ich mit feiner Gedult und wendet mein Geltchen und was mein Weibchen hatt, getreulich an, so daß ich vor einen braven Wirt in einem braven Wirtshause gehalten werden konnte; und mein Weib konnte auch den Judenspieß so wohl führen, als ein sechzigjäriger Burger von Jerusalem hätte tun mögen, also daß unser Säckel, ohnangesehen der schweren Ausgaben (dann ich mußte auch Friedengeld geben, da ich doch viel lieber noch länger Krieg haben mögen) nicht leichter, sondern viel schwerer wurde, vornehmlich darum, weil es damals viel reisende Leut gab beides, von Handelsleuten, Exulanten und abgedankten Soldaten, die ihr Vatterland wieder suchten, welchen allen mein Weib gar ordentlich zu schröpfen wußte, weil ihr Haus hierzu sehr gelegen war.

Hier beneben schachert ich auch mit Pferden, welcher Handel [191] mir trefflich wohl zuschlug; und gleichwie mein Weib ein lebendiges Erzmuster eines Geizwansts war, also gewöhnte sie mich auch nach und nach, daß ich ihr nachöhmte und alle meine Sinne und Gedanken anlegte, wie ich Geld und Gut zusammenscharren möchte; ich wäre auch zeitlich zu einem reichen Mann worden, wann mich das Unglück nicht anderwärtlicher Weise geritten.

Es werden gemeiniglich diejenige, so prosperiern, von andern Leuten beneidet und angefeindet, und das um so viel desto mehr, je mehr bei denen, so reich werden, der Geiz verspürt wird; dahingegen die Freigebigkeit bei männiglich Gunst erwirbt, vornehmlich wann sie mit der Demut begleitet wird. Solchen Neid verspüret ich nicht ehender, als bis seine Würkung ausbrach; dann gleich wie meine Nachbarn sahen, daß meine Reichtum zusehens grüneten und aufwuchsen, also fienge ein jeder an nachzusinnen, durch welchen Weg mir doch solche so häufig zufallen möchten, sogar daß auch etliche entblödeten zu gedenken, ich und mein Weib könnten hexen; und also gab ein jeder ohne Wissen auf mein Tun und Lassen heimlich genaue Achtung. Unter andern war ein Erzfunk an demselbigen Ort, dem ich ehemalen ein schön groß Stück wohlgelegener und fast lustiger Wiesen abpraktiziert, das er mir nicht gönnete, wiewohl ichs ihm ehrlich bezahlet hatte. Derselbe beriete sich mit einem Holländer und einem Schweizer, dann es wohneten allerlei Nationen an selbigem Ort, wie sie mir doch hinter die Quelle meiner Reichtum kommen und mir eins anmachen möchten; und hierauf waren sie desto geflissener, weil bereits etliche deren Landsleute darauf gewohnet hatten und verdorben waren, als welche sich nicht in dieselbe Landesart schicken konnten. Einesmals kamen mir zween Wägen voller Wein, der durch die Umgelter gleich angeschnitten und in Keller geleget wurde, eben als ich den folgenden Tag eine ansehenliche Hochzeit traktieren sollte. Weil nun gedachte meine drei Neider mir zugetraueten, ich könnte aus Wasser Wein machen, schütteten sie mir noch denselben Abend etwas von geschnittenem Stroh, das man den Pferden unter den Habern zu füttern pflegt, in meinen Brunnen, und als sich dasselbige den andern Tag auch in dem Wein fande, siehe, da war mir die Hand im Sack erwischt. Man visitierte alle Faß und fande mehr Wein, als ich eingelegt hatte, und in jedwedem Faß etwas von dem Häckerling; und ob ich gleich schwören konnte, daß ich von dieser Mixtur nichts gewußt, dann mein Weib und ihr Sohn waren ohne mich vor diesmal so endelich gewest, so half es doch nichts, sondern der [192] Wein ward mir genommen und ich noch darzu um 1000 fl. gestraft, welches meinem Weibchen dermaßen zu Herzen gieng, daß sie vor Scham und Bekümmernus darüber erkrankte und den Weg aller Welt gieng. Es wäre mir auch die Wirtschaft ferners zu treiben gar niedergelegt worden, wann desselbigen Orts ein andere solche ansehenliche Gelegenheit vorhanden gewesen wäre, die sich zu einer Wirtschaft geschickt hätte.

Nach dieser Geschichte wurde ich allererst gewahr, was vor Freunde und was Feinde ich bisher gehabt. Ich wurde so veracht, daß kein ehrlicher Mann etwas mehr mit mir zu schaffen wollte haben; niemand grüßte mich mehr, und wann ich jemand einen guten Tag wünschte, so wurde mir nicht gedankt; ich kriegte schier keine Gäste mehr, ausgenommen wann etwan irgends ein Fremdling verirret oder ein solcher noch nichts von meiner Kunst gehöret hatte. Solches alles war mir schwer zu ertragen, und weil ich ohnedas auch eine Kurzweil mit zweien Mägden angestellt hatte, welches in Bälde seinen Ausbruch mit Händen und Füßen nehmen würde, so packte ich von Geld und Geldswert zusammen, was sich packen ließe, setzte mich auf mein bestes Pferd; und als ich vorgeben, ich hätte meiner Gewohnheit nach Geschäfte zu Frankfort zu verrichten, nahm ich meinen Weg auf die rechte Hand der Donau zu, dem Grafen von Serin, der damal fast die ganze Welt mit dem Ruf seiner Tapferkeit erfüllet, wider den Türken zu dienen.«

Das 22. Kapitel

Das XXII. Kapitel.
Türkenkrieg des Springinsfeld in Ungarn und dessen Verehlichung mit einer Leirerin.

»Was ich mir gewünscht, das hab ich auch gefunden und erhalten, ohne daß ich nicht dem Serin, sondern dem Römischen Kaiser selbst gedienet. Ich kam eben, als etliche freiwillige Franzosen sich eingefunden, ihrem König zu Gefallen wider die türkische Säbel Ehr einzulegen. Derselbe Krieg gefiele mir nicht halber, und ich hatte auch weder ganzes noch halbes Glück darinnen, weil ich mich anfänglich nicht darein richten oder den Brief recht finden konnte zu lernen, wie mans machen müßte, daß man sich auch reich und groß kriegete. Doch schlendert ich so mit und suchte jederzeit in den allerschärpfsten Okkasionen entweder meinen Tod oder Ehre und Beuten zu erlangen, verblieb aber allezeit in dem Pfad der Mittelmaß, und wann ich gleich zuzeiten irgendseine Beute machte, so [193] hatte ich doch niemals weder das Glück noch die Witz noch die Gelegenheit, solches zu meinem Nutz aufzuheben und zu verwahren. Und solchergestalt brachte ich mich durch solche Biß in die allerletzte Hauptaktion, in deren die Unserige zwar oben lagen, ich aber mein vortrefflich Pferd durch einen Schuß verlor und unter demselben liegen verbleiben mußte mit gesundem Leibe, bis beides, Freund und Feind, das Feld geteilt und sich etlichemal über mich hinübergeschwenkt hatten, da ich dann von den Pferden so elend zertretten worden, daß ich alle Kräfte meiner Sinnen verloren, von den Siegern selbst vor tod gehalten und auch als ein Toder gleich andern Toten meiner Kleider beraubt wurde, in denen ich etliche schöne Dukaten versteppet hatte.

Da ich nun wieder zu mir selber kam, war mir nicht anders, als wann ich geradbrecht oder mir sonst Arm und Bein entzweigeschlagen worden wären; ich hatte nichts mehr an als das Hembd und konnte weder gehen, sitzen noch stehen, und weil jeder verpicht war, die Tode zu plündern und Beuten zu machen, als ließe mich auch ein jeder liegen, wie ich lag, bis mich endlich einer von meinem Regiment fande, durch dessen Anstalt ich zu unserer Bagage gebracht und da von diesem, dort von jenem, mit Kleidern und einem Feldscherer versehen wurde, der mich hin und wieder mit seinem Oleum Bapolium schmierete.

Da war ich nun zum allerelendesten Tropfen von der Welt worden. Der Markedenter, so mich führen, und der Feldscherer, so mich kurieren sollte, waren beide unwillig, und überdas mußte ich Hunger leiden um einen geringen Pfenning; dann mit dem Kommißbrod wurde meiner mehrmals vergessen, und bettlen zu gehen hatte ich die Kräften nicht. Indem ich mich nun allerdings darein ergeben hatte, ich müßte auf dem Markedenterwagen endlich krepiern, blickte mich wieder ein geringes Glück an, daß ich nämlich mit andern Kranken und Beschädigten mehr in die Steiermark mußte, allwo wir verlegt wurden, unsere Gesundheit wieder zu erholen. Das währete, bis wir nach dem unversehenen Friedenschluß zum Teil unseren Abschied kriegten, unter welchen Abgedankten ich mich auch befande, und nachdem ich meine Schulden bezahlt, weder Heller noch Pfenning und noch darzu kein gut Kleid auf dem Leib behielte.

Überdas war es mit meiner Gesundheit auch noch nicht gar richtig; in Summa, da war guter Rat teuer und bei mir Bettlen das beste Handwerk, das ich zu treiben getraute. [194] Dasselbe schlug mir auch besser zu als der ungarische Krieg; dann ich fande ein faules Leben und süßes Brod, bei welchem ich bald wieder meine vorige Kräfte eroberte, weil diejenige gerne gaben, die bedachten, daß ich um Erhaltung der Christenheit Vormaur willen in Armut und Krankheit geraten war.

Als ich nun meine Gesundheit wieder völlig erhalten, kam mir drum nit in Sinn, mein angenommenes Leben wieder zu verlassen und mich ehrlich zu ernähren, sondern ich machte vielmehr mit allerhand Bettlern und Landstörzern gute Bekannt- und Kameradschaft, vornehmlich mit einem Blinden, der viel bresthafte Kinder und gleichwohl unter denselbigen eine einzige gerade Tochter hatte, die auf der Leier spielte und nicht allein sich selbst damit ernährete, sondern noch Geld zurücklegte und ihrem Vatter davon mitteilte. In diese verliebte ich mich alter Geck, dann ich gedachte: ›Diese wird in deiner angenommenen Profession ein Stab deines vorhandenen und nunmehr verwiesenen Alters sein.‹ Und damit ich auch ihre Gegenlieb und also sie selbsten zu einem Weib bekommen möchte, überkam ich eine Diskantgeige ihr zu Gefallen, und half ihr beides, vor den Türen und auf den Jahrmärken, Baurentänzen und Kirchweihen in ihre Leier spielen, welches uns trefflich eintrug; und was wir so miteinander eroberten, teilete ich mit ihr ohne allen Vortel. Die allerweißeste Stücklein Brod ließe ich ihr zukommen, und was wir an Speck, Eier, Fleisch, Butter und dergleichen bekamen, ließe ich allein ihren Eltern, dahingegen ich bisweilen bei ihnen etwas Warms schmarotzete, insonderheit wann ich etwan da oder dort einem Bauren eine Henne abgefangen, die uns ihre Altmutter auf gut bettlerisch (das ist beim allerbesten) zu säubern, zu füllen, zu spicken und entweder gesotten oder gebraten zuzurichten wußte. Und damit bekam ich so wohl der Alten als der Jungen ihre Gunst; ja sie wurden so verträulich mit mir, daß ich mein Vorhaben nicht länger verbergen oder aufschieben konnte, sondern um die Tochter anhielte, darauf ich dann auch das Jawort stracks bekam, doch mit dem ausdrücklichen Geding und Vorbehalt, daß ich mich, solang ich seine Tochter hätte, nirgendshin häuslich niederlassen noch den freien Bettlerstand verlassen und mich unter dem Namen eines ehrlichen Burgersmann irgendseinem Herrn untertänig zu machen nicht verführen lassen sollte. Zweitens sollte ich auch fürterhin des Krieges müßig stehen, und drittens mich jeweils auf des Blinden Ordre mit seiner Familia aus einem friedsamen guten Land in das andere begeben. Dahingegen versprach er mir, mich auf solchen Gehorsam also [195] zu leiten und zu führen, daß ich und seine Tochter keinen Mangel leiden sollten, ob wir gleich bisweilen in einer kalten Scheuer verliebnehmen müßten.

Unsere Hochzeit wurde auf einem Jahrmarkt begangen, da sich allerhand Landstörzer von guten Bekannten beifanden, als Pupaper, Seiltänzer, Taschenspieler, Zeitungssinger, Haftenmacher, Scherenschleifer, Spengler, Leirerinnen, Meisterbettler, Spitzbuben und was des ehrbaren Gesindels mehr ist. Ein einzige alte Scheuer war genug beides, Tafel und das Beilager, darin zu halten, in deren wir auf türkisch auf der Erden herumsaßen und gleichwohl auf altteutsch herumsoffen. Der Hochzeiter und seine Braut mußte selbst in Stroh verliebnehmen, weil ehrlichere Gäste die Wirtshäuser eingenommen hatten; und als er murren wollte, um daß sie ihre Jungfrauschaft nicht zu ihm bracht, sagte sie: ›Bist du dann so ein elender Narr, daß du bei einer Leirerin zu finden vermeint hast, das noch wohl andere Kerl, als du einer bist, bei ihren ehrlich geachten Bräuten nicht finden? Wann du in solchen Gedanken gewesen bist, so müßte ich mich deiner Einfalt und Torheit zu krank lachen, sonderlich weil dessentwegen keine Morgengab mit dir bedingt worden.‹ Was sollte ich tun? es war halt geschehen! Ich wollte zwar das Maul um etwas henken, aber sie sagte mir ausdrücklich, wann ich sie dies Narrenswerk halber, das doch nur in einem eitelen Wahn bestünde, verachten wollte, so wüßte sie noch Kerl, die sie nicht verschmähen würden.«

Das 23. Kapitel

Das XXIII. Kapitel.
Seines blinden Schwähers, der Schwiegermutter und seines Weibs wird Springinsfeld nacheinander wieder los.

Wiewohl ich dieses Possens halber noch lang hernach grandige Grillen im Capitolio hatte, so war meine Leirerin dannoch so verschmitzt, listig und freundlich, daß sie mir endlich dieselbe nach und nach vertriebe; dann sie sagte, wann mir ja soviel daran gelegen wäre, so wollte sie mir gern vergönnen, ja selbst die Anstalt darzu machen, daß mir anderwärts eine Jungfrauschaft gleichsam wie im Raub zuteil werden müßte; aber das junge Rabenaas übertrieb und hielte mich so streng, daß ich anderer wohl vergaß; und eben diese ists, die mich gelernet hat, kein Tuch mehr zu einem Weib vor mich zu kaufen, wanngleich alle Tag Jahrmark wäre. Sie brachte es endlich auch dahin, daß ich beinahe der Knecht, sie und ihre Eltern aber die Herren [196] über mich waren, unangesehen ich so viel mit meiner Geigen, dem Taschenspiel und anderer Kurzweil zuwegen brachte, daß ich ein fettes Maulfutter und faule Täge ohne sie hätte haben mögen; überdas plagte mich die Eifersucht auch nicht wenig, weil ich vielmal mit meinen Augen sehen mußte, daß sie sich viel ausgelassener und geiler gegen den Kerlen herausließe, alss die Ehrbarkeit einer frommen Leirerin zuließe. Daß ich aber solches alles erdultet und mich endlich ganz und gar darein ergeben konnte, war die Ursach, daß ich meinem Alter nicht trauete, besorgende, dessen herannahente Gebrechlichkeiten möchten mich etwan in eine Krankheit werfen, in deren ich alsdann von aller Welt verlassen sein würde, wann ich dies mein ehrlich Weib und ihre ehrbare Freundschaft vorm Kopf stieße, welche gleichwohl bei 300 Reichstalern, das ich nur wußte, in Geld beisammen hatten, solches auf dergleichen Notfall anzuwenden. Ja was noch mehr ist, ich ließe endlich mein Weib als ein junges geiles Ding grasen gehen, wo es wollte, weil ich selbst nicht viel mehr möchte, und machte mir hingegen die faule Täge mit Essen und Trinken zunutz. Endlich verharret ich in diesem Spenglerleben, darin wir gar verträulich miteinander zu hausen anfiengen, daß ich zuletzt keiner Ehrbarkeit mehr achtete.

Indessen hatten wir Unter- und Oberösterreich, das Ländlin der Enns, das Erzbistum Salzburg und ein gut Teil von Bayern durchstrichen, allwo mir mein Schwähervatter an einem Schlagfluß erstickt; die Mutter folgt ihm hernach und ließe uns fünf elende Krüppel zu versorgen. Der älteste Sohn wollte Herr vor sich selbst sein und das Almosen allein suchen; das ließen ich und mein Weib gern geschehen. Zu den übrigen vieren aber hatten wir zwanzig Meister vor einen; es waren aber nur starke Bettlerinnen, die solche zu sich nahmen, das Almosen mit ihrer Armseligkeit einzutreiben. Wir ließen sie ihnen auch gern folgen, weil wir bedacht waren, unsere Nahrung nicht mehr unter dem Schein elender Bettler, sondern durch unser Saitenspiel zu gewinnen, welches reputierlicher zu sein schiene und meinem Weib, wie ich darvorhalte, auch besser zuschlug.

Derowegen ließe ich mich und sie ein wenig besser kleiden, nämlich auf die Mode, wie Leirergesindel aufzuziehen pflegt; auch bekam ich zu meiner Gaukeltaschen etliche Puppen, damit ich hin und wieder den Bauren ums Gelt ein angenehme Kurzweil machte; dann wir fiengen an und zogen nur den Jahrmärkten und Kirchweihen nach, welches unser Gelt nach und nach ziemlich vermehrte. Wir saßen einsmal beieinander im [197] Schatten an einem lustigen Gestatt eines stillen vorüberfließenden Wassers, nicht nur zu ruhen, sondern auch zu essen und zu trinken, was wir mit uns trugen; da machten wir Anschläg, wie wir auch einen Puppapper Kram mit einem Glückhafen, Trillstern, Würfel und Riemenspiel aufrichten wollten, um unsern Gewinn damit zu vermehren, dann wir hielten darvor, wann eins nicht abgieng, so gieng doch das ander. Unter solchem Gespräch sahe ich an dem Schatten oder Gegenschein eines Baums im Wasser etwas auf der Zwickgabel liegen, das ich gleichwohl auf dem Baum selbst nicht sehen konnte. Solches wiese ich meinem Weib wunderswegen. Als sie solches betrachtet und die Zwickgabel gemerkt, warauf solches lag, klettert sie auf den Baum und holet herunter, was wir im Wasser gesehen hatten. Ich sahe ihr gar eben zu und wurde gewahr, daß sie in demselben Augenblick verschwand, als sie das Ding, dessen Schatten wir im Wasser gesehen, in die Hand genommen hatte; doch sahe ich noch wohl ihre Gestalt im Wasser, wie sie nämlich den Baum wieder herunterkletterte und ein kleines Vogelnest in der Hand hielte, das sie vom Baum heruntergenommen hatte. Ich fragte sie, was sie vor ein Vogelnest hätte; sie hingegen fragte mich, ob ich sie dann sähe. Ich antwortet: ›Auf dem Baum sehe ich dich selbst nicht, aber wohl deine Gestalt im Wasser.‹ – ›Es ist gut!‹ sagte sie: ›wann ich hinunterkomm, so wirst du sehen, was ich habe.‹ Es kam mir gar verwunderlich vor, daß ich mein Weib sollte reden hören, die ich doch nicht sahe; und noch seltsamer wars, daß ich ihren Schatten an der Sonnen wandeln sahe und sie selbst nicht. Und da sie sich besser zu mir in den Schatten näherte, so daß sie selbst keinen Schatten mehr warf, weil sie sich nunmehr außerhalb dem Sonnenschein im Schatten befand, konnte ich gar nichts mehr von ihr mer ken, außer daß ich ein kleines Geräusch vernahm, das sie beides, mit ihren Fußtritten und ihrer Kleidung machte, welches mir vorkam, als wann ein Gespenst um mich herumer gewesen wäre. Sie setzte sich zu mir und gab mir das Nest in die Hand; sobald ich dasselbige empfangen, sahe ich sie wiederum, hingegen aber sie mich nicht. Solches probierten wir oft miteinander und befanden jedesmal, daß dasjenige, so das Nest in Händen hatte, ganz unsichtbar war. Darauf wickelt sie das Nestlein in ein Nasetüchlein, damit der Stein oder das Kraut oder Wurzel, welches sich im Nest befande und solche Wirkung an sich hatt, nicht herausfallen sollte und etwan verloren würde; und nachdem sie solches neben sich geleget, sahen wir einander wiederum wie zuvor, ehe sie auf den Baum gestiegen; [198] das Nest-Nastüchel sahen wir nicht, konnten es aber an demjenigen Ort wohl fühlen, wohin sie es geleget hatte.

Ich mußte mich über diese Sache, wie leicht zu gedenken, nicht wenig verwundern, als warvon ich mein Lebtage niemalen nichts gesehen noch gehöret; hingegen erzählte mir mein Weib, ihre Eltern hätten vielmal von einem Kerl gesagt, der ein solches Nest gehabt und sich durch dessen Kraft und Wirkung ganz reich gemacht hätte. Es wäre nämlich an Ort und Ende hingangen, da viel Gelt und Guts gelegen; das hätte er unsichtbarerweis hinweggeholet und ihm dar durch einen großen Schatz gesammlet; wann ich derowegen wollte, so könnte ich durch dies Kleinod unserer Armut auch zu Hülf kommen. Ich antwortete: ›Dies Ding ist mißlich und gefährlich, und möchte sich leicht schicken, daß sich irgends einer fände, der mehr als andere Leut sehen könnte, durch welchen alsdann einer ertappet und endlich an seinen allerbesten Hals aufgehenket werden möchte; ehe ich mich in eine solche Gefahr begeben und allererst in meinen alten Tagen wiederum aufs Stehlen legen wollte, so wollte ich ehender das Nest verbrennen.‹ Sobald ich dies gesagt und mein Weib solches gehöret hatte, erwischte sie das Nest, gieng etwas von mir und sagte: ›Du albere alte Hundsfut, du bist weder meiner noch dieses Kleinods wert, und es wäre auch immer schad, wann du anderster als in Armut und Bettelei dein Leben zubringen solltest. Gedenke nur nicht, daß du mich die Tage deines Lebens mehr sehen noch dessen, was mir dies Nest eintragen wird, genießen sollest!‹ Ich hingegen bat sie, wiewohl ich sie nicht sahe, sie wollte sich doch in keine Gefahr geben, sondern sich mit deme genügen lassen, das wir täglich vermittelst unsers Saitenspiels von ehrlichen Leuten erhielten; dabei wir gleichwohl keinen Hunger leiden dörften. Sie antwortet: ›Ja! ja! du alter Hosenscheißer, gehei dich nur hin und brühe deine Mutter etc.‹

Das 24. Kapitel

Das XXIV. Kapitel.
Was die Leirerin vor lustige Diebsgriffe und andere Possen angestellet; wie sie ein unsichtbarer Poldergeist, ihr Mann aber wieder ein Soldat gegen dem Türken wird.

»Als ich nun mein leichtfertig Weib weder mehr hören noch sehen konnte, schriee ich ihr gleichwohl nach, sie sollt ihren Büntel oder Pack auch mitnehmen, welchen sie bei mir liegen lassen, dann ich wußte wohl, daß sie kein Gelt darinnen, [199] sondern unsere Barschaft in ihre Brust vernähet hatte. Demnach gieng ich den nächsten Weg gegen der Hauptstadt desselbigen Landes; und wiewohl ihr Nam fast geistlich tönet, so gieng ich doch hinein, meine Nahrung mit dem Ton meiner weltlichen Schalmei und Geigen darin zu suchen.

Damals fanden sich venezianische Werber daselbsten, welche mich dingten, daß ich ihnen mit meinem Saitenspiel und anderen kurzweilig und verwunderlichen Gaukelpossen einen Zulauf machen sollte. Sie gaben mir neben Essen und Trinken alle Tag einen halben Reichstaler; und da sie sahen, daß ich ihnen besser zuschlug als sonst drei Spielleut oder einige andere Lockvögel, die sie auf ihren Herd hätten wünschen mögen, andere zu fangen, überredeten sie mich, daß ich Gelt nahm und mich stellete, als wann ich mich auch hätte unterhalten lassen; und dieses machte, daß ich ihrer noch viel, die sonst nicht angangen wären, durch mein Zusprechen in ihre Kriegsdienste verstrickte. Unser Tun und Lassen war nichts anders als Fressen, Saufen, Tanzen, Singen, Springen und sich sonst lustig zu machen, wie es dann pflegt herzugehen, wo man Volk annimmt. Aber dieses Henkermahl bekam uns hernach in Kandia wie dem Hund das Gras, der wohl büßet, was er gefressen.

Als ich einsmals ganz allein auf dem Platz daselbsten stund, das schöne Bild auf der Säulen allda betrachtete und sonsthin nirgends gedachte, wurde ich gewahr, daß mir etwas Schweres in Hosensack hinunterrollete, welches ein Gerappel machte, daß ich daraus wohl hören konnte, daß es Reichstaler waren. Da ich nun die Hand in Sack steckte und ein Handvoll Taler griffe, höret ich zugleich meines Weibs Stimm; die sagte zu mir: ›Du alter Hosenscheißer, was verwunderst du dich über dies paar Dutzet Taler? Ich gib sie dir, damit du wissest, daß ich deren noch mehr habe, auf daß du dich zu grämen Ursach habest, um willen du dich meines Glücks nicht teilhaftig gemacht. Vor diesmal gehe hin und verkauf diese, auf daß du deines Elends ein wenig vergessen mögest.‹ Ich sagte, sie sollte doch mehr mit mir reden, mir mei nen Fehler vergeben und Reguln vorschreiben, wie ich mich gegen ihr verhalten und die Versöhnung wieder erlangen sollte; aber sie ließe sich gegen mir ferners weder hören noch sehen. Derowegen gieng ich in meine Herberg und zechte beides, mit den Werbern und ihren Neugeworbenen, im Branntwein bis in den Mittag hinein, bei welchem Imbiß wir von unserem Würt Zeitung bekamen, daß einem reichen Herren in der Stadt viel Gold und Silber von Geld und Kleinodien ausgefischt worden wären, darunter sich [200] tausend Reichstaler und tausend doppelte Dukaten eines Schlags befanden. Ich spitzte die Ohren gewaltig, nahm ein Abtrittel aufs Sekret, als hätte ich sonsten was tun wollen, beschaute aber nur meine Taler, deren 30 waren, und sahe ihnen an, daß mein ehelichs Weib obbemeldten reichen Zug getan, sahe mich derowegen wohl vor, damit ich keinen darvon ausgabe und mich nicht etwan selbst dardurch in Argwohn, Gefahr und Not brächte. Aber was tat mein Weib, das junge Rabenaas? sie hat nicht nur mir, sondern bei hundert Personen unterschiedlichen Stands von ihren gestohlenen Talern hin und wieder, dem einen drei, dem andern vier, fünf, sechs, auch mehr in die Säcke gesteckt. Was nun reich, ehrlich und fromm war, das brachte das Geld seinem rechten Herrn wieder; was aber arm, gewissenlos und meinesgleichen gewesen, hat ohne Zweifel, so wohl als ich, behalten, was es in seinem Sack gefunden; und ich kann nicht ersinnen, warum sie dies getan haben muß, es habe sich dann diese Bettel mit so schwerem Geld nicht schleppen mögen. Doch kann auch wohl sein, daß sie solches per Spaß getan, um etwas anzustellen, darüber sich die Leute zu verwundern hätten; dann als es gegen Abend kam, da das Volk aus der Salve gieng und hin und wieder auf dem Platz stunde, seind bei zweihundert derselbigen Taler von oben herunter geworfen, von den Leuten aufgelesen und mehrenteils ihrem Herrn zugestellet worden. Dieses verursachte, daß des Herrn unschuldig Gesind, welches des Diebstahls halber im Verdacht und deswegen befäncknüst war, wiederum auf freien Fuß gestellet wurde; und hoffete der bestohlne Herr, seine doppelte Dukaten würden auch wie die Taler wieder hervorkommen; aber es geschahe nicht, dann das holde Gold ist viel schwerer als das Silber, und Sol ist nicht so beweglich oder leicht veränderlich wie Luna.

Den andern Tag wurde bei einem großen Herrn ein stattlich Bankett gehalten, darbei sich viel andere große Herren und ansehnlich Frauenzimmer befanden. Diese saßen alle in einem schönen großen Saal und hatten die vier besten Spielleut in der ganzen Stadt bei sich. Da es nun bei dem Konfekt auch an einen Tanz gehen sollte, ließe sich unversehens bei den Spielleuten auch eine Leir hören mit großem Schrecken aller deren, die im Saal waren. Die erste, die ausrissen, waren die Spielleut selbst, als welche das Geschnarr zunächst bei ihnen gehöret und doch niemand gesehen hatten; ihnen folgten die übrige mit großer Forcht, und ihr Gedräng wurde desto heftiger, weil sie in dem Winkel, darin die Spielleut gesessen, ein gählings Gelächter noch mehrers erschreckte, also daß wenig gefehlet, [201] daß nicht etliche unter der Türen erdruckt wären worden. Nachdem nun jedermänniglich den Saal erzähltermaßen geraumt hatte, sahen etliche, so vor der Tür stehenzubleiben und von fernen in Saal zu schauen das Herz behalten, wie bisweilen ein paar Sessel, bisweilen ein paar silberne Tischbecher, Platten und ander Geschirr miteinander herumtanzten; und obgleich dies Spiegelgefecht zeitlich ein End nahm, so hatte jedoch noch lang niemand das Herz, in den Saal zu gehen, unangesehen man Geistliche und Soldaten geholet, das Gespenst entweder mit Gebet oder mit Waffen abzutreiben. Den Morgen frühe aber, als man wieder in den Saal kam und nicht ein einziger Leffel, geschweige etwas anders von Silbergeschirr nicht mangelte, ohnangesehen die ganze Tafel damit überstellet war, stärkte diese Begebenheit den Wahn des gemeinen, unbesonnenen Pöfels dergestalten, daß diejenige lucke Klügling, die gestern wegen der seltsamen Geschicht mit dem gestohlnen Geld gesagt hatten: ›So recht! so muß der Hagel in die größte Häufen schlagen, damit das Geld auch wieder unter den gemeinen Mann komme!‹, anjetzo sich nicht scheueten zu lästern und zu sagen: ›Also muß der Teufel einen Spielmann abgeben, wo man der Armen Schweiß verschwendet!‹

Noch eines muß ich erzählen, das meine andere und viel ärgere Courasche als die erste Unholde meines Darvorhaltens aus lauter Rach angestellet. Sie hatte kurz zuvor einer Äbtissin auf einem großen und reichen Stift zu Gefallen ihre Leir gestimmet, um derselben ein Liedlein, und zwar ein geistliches, aufzuspielen, der Hoffnung, etwan einen halben oder ganzen Kreuzer zur Verehrung zu erhalten. Aber anstatt daß diese hören und ihre milde Hand auftun sollte, tät sie etwas zu streng und scharf den Mund auf und ließe hingegen mein guts Weibchen eine Predigt hören, die ihr ebenso verdrüßlich als unverdaulich fiele; dann sie war eines solchen Inhalts, damit man die allerleichtfertigsten Weibspersonen zu erschrecken und zur Besserung ihres Lebens zu zwingen und anzufrischen pfleget. Ach, die gute Äbtissin mags wohl gut gemeinet und ihr etwan eingebildet haben, sie hätte irgendseine Laienschwester zu kapiteln vor sich. Aber nein, sie hatte ein ander Taus-Es, eine Schlang oder wohl gar einen halben Teufel, deren Zung ich öfters schärfer als ein zweischneidig Schwerd befunden habe. ›Potz Hergett, Gnädige Frau, seht Ihr mich dann vor eine Hur an?‹ antwortet sie ihr, ›Ihr müßt wissen, daß ich meinen ehrlichen Mann habe, und daß wir nicht alle Nonnen oder reich sein oder unser Brod bei guten faulen Tägen essen können. Hat Euch Gott [202] mehr als mich beseligt, so dankt ihm darum, und wollt Ihr mir seinetwillen kein Almosen geben, so laßt mich im übrigen auch ungestigelfritzt. Wer weiß, wann vielleicht nicht so viel Almosen gegeben worden wären, ob nicht mehr Leirerin als Nonnen gefunden würden etc.‹ Mit solchen und mehr Worten schnurrete sie damals darvon; jetzunder aber hatte man auf dem Land und in der Stadt von sonst nichts zu sagen als von der Äbtissin und einem Poldergeist, der sie so tags so nachts unaufhörlich plage, welches sonst niemand als mein Weib war. Das erste, das sie ihr tat, war, daß sie ihr die Ring des Nachts von den Fingern und die Kleider vom Bett hinwegnahm und solches in die Pfisterei trug. Dem Becken steckte sie die Ring an seine Finger und legte der gnädigen Frauen Habit zu dessen Füßen, ohne daß sie dieselbe Nacht jemand gehöret oder gemerkt hätte. Und solches hat sie ohn Zweifel durch den Hauptschlüssel zuwege gebracht, den sie beim Kopf kriegt, weil er ungefähr um dieselbe Zeit verloren worden. Was nun hierdurch gleich in der erste der guten Äbtissin vor ein Verdacht zugewachsen, kann man leicht erachten; man redete noch von vielen Sachen, damit sich das Gespenst mit der Äbtissin vexiert, worwider weder Weihwasser, Agnus Dei noch andere Sachen nichts helfen wollten, darvon man aber die Wahrheit außerhalb dem Kloster nicht wohl erfahren konnte.

Indessen hatten meine Werber die Anzahl ihrer Mannschaft zusammengebracht, und indem ich vermeinte, ich dörfte zuruckbleiben, siehe, da befand sich der Betrüger selbst betrogen, und mußte der gute Springinsfeld ebensowohl als die andere um die kandische Gruben springen, die er andern durch sein Zusprechen gegraben hatte; doch daß ich die Stell eines Korporals zu Fuß bedienen sollte.«

Das 25. Kapitel

Das XXV. Kapitel.
Was und wie Springinsfeld in Kandia kriegt, auch wie er wieder in Teutschland kam.

»Also nahmen wir, die wir unser Leben verkauft hatten und dannoch zu Erhaltung desselbigen ritterlich zu fechten gedachten, unsern Weg über den Zirlberg auf Innsbruck, folgends über den Brenner auf Trient und dann ferners nach Treviso, allwo wir alle ganz neu gekleidet und von dannen vollends nach Venedig geschickt, daselbst armiert und, nachdem wir ein paar Tag ausgeruhet, zu Schiff gebracht, nach Kandia geführet [203] wurden, in welchem elenden Anblick wir auch glücklich anlangten. Man ließe uns nicht lang feiren oder viel Schimmel unter den Füßen wachsen; dann gleich den andern Tag fielen wir aus und wiesen, was wir konnten oder vermochten, unseren armseligen Steinhaufen beschützen zu helfen. Und dasselbe erstemal glückte es mir selbsten so wohl, daß ich drei Türken mit meiner halben Pike spießte, welches mich so leicht und gering ankame, daß ich mir noch bis auf diese Stund einbilden muß, die arme Schelmen seien alle drei krank gewesen; aber Beute zu machen war ferne von mir, weil wir sich gleich wieder heimretirieren mußten. Den andern Tag gieng es noch töller her, und ich brachte auch zween Männer mehr als den vorigen um, doch solche Tropfen, von welchen ich nicht glaubte, daß sie alle fünfe ein einzige Dukat vermöcht haben; dann mich dunkte, sie seien solche Gesellen gewesen, dergleichen es oft bei uns auch geben hat, die nämlich mit Darsetzung ihres Lebens die, so Taler hatten, beschützen, bewachen und noch darzu mit ihren arbeitsamen Händen und ritterlichen Fäusten die Ehre der erhaltenen Überwindung erobern und ihnen noch drüberhin beides, die Ehre, die Beut und die Belohnung, darvon überlassen mußten; dann mir wurden niemal kein Beg oder Beglerbeg, viel weniger gar ein Bassa unter denjenigen zu sehen, die vorhanden waren, ihr Blut an das christliche zu setzen. Doch mag wohl sein, daß der Antreiber hinder den Truppen von solchem Stoff mehr gewesen seien als der Anführer vornen an der Spitzen.

Solche Art zu kriegen machte mich unwillig und verursachte, daß ich mitten in Kandia der Schweden erkanntliche Manier loben mußte, die ihre ohnedle Soldaten (sie wären gleich fremder oder heimischer Nation gewesen) höcher als ihre edle und doch ohnkriegbare Landsleut ästimiert, wannenhero sie dann auch so großes Glück gehabt haben. Doch ließe ich mich ein als den andern Weg zu allem demjenigen gebrauchen, was einem redlichen Soldaten zustehet. Ich folgte auf der Erden wie ein ehrlicher Landsknecht, und unter derselbigen beflisse ich mich auch, die Künste der Maulwürfe zu übertreffen, und erwarbe doch nichts anders darmit, als bisweilen eine geringe Verehrung; und als kaum der zehende Mann von denen mehr lebte, die mit mir aus Teutschland kommen waren, wurde der elende Springinsfeld über den noch elenderen Rest seiner kranken Kameraten zu einen Sergiant gemacht; gleichsam als wann sein abgematter Leib und ächzender Geist hierdurch wieder in die vorige Kräfte und Courage hätte gesetzt werden können.

Hierdurch nun bekame ich Ursach, mich noch besser abzumerglen; [204] ich half die noch wenig übrige Roß fressen und verrichtet hingegen selbst größere als Roßarbeit. Indem mich nun in solchem Zustand kein feindlicher Musketenschuß fällen oder ein tirckischer Säbel verwunden konnte, siehe, so schlug mir ein Stein aus einer springenden Minen so unbarmherzig an meinen einen Fuß, daß mir das Gebein in den Waden wie Sägmehl darvon zermalmet wurde und man mir den Schenkel alsobalden bis über das Knie hinwegnehmen mußte. Aber dies Unglück kam nicht allein, dann als ich dort lag als ein soldatischer Patient, mich an meinem Schaden kuriern zu lassen, bekam ich noch darzu die rote Ruhr mit einem großen Hauptwehe, worvon mir der Kopf ebensosehr mit Fabeln als mein Liegerstatt mit Unlust erfüllt wurde.

Nichts gesünder war mir damals, als daß mir Hohe und Niedere Zeugnus gaben, ich wäre ein Ausbund von einem guten Soldaten gewesen; dann auf solches Lob wurden auch andere Medikamenten nicht gesparet, wiewohl die Venezianer ihre Soldaten so wohl als ihre Besem pflegen hinzuwerfen, wann sie solche ausgebraucht haben. Aber ich genosse auch anderer ehrlicher Kerl, die noch lebten und das ihrige täten, damit sie kein Exempel hätten, das sie träg und verdrossen machen möchte. Als nun solche auch so dünn wurden, daß wir auf die letzte kaum einen oder zween, die ihr völlige Gesundheit entweder bishero erhalten oder doch wieder erholet hatten, auf die Posten tun konnten, siehe, da wurde es unversehens Friede, als wir beinahe in letzten Zügen lagen. Nach unserer Abführung und nachdem ich viel Ungelegenheit auf dem Meer ausgestanden, langeten wir endlich zu Venedig wieder an. Viel von uns, und unter denselben ich auch, die da verhofft hatten, dorten mit Lorbeerkränzen bekrönet und mit Gold überschüttet zu werden, wurden in das Lazarett daselbst logiert, allwo ich mich behelfen mußte, bis ich gleichwohl wieder heil wurde und auf meinem hölzernen Bein herumerstelzen konnte.

Folgends bekam ich meinen ehrlichen Abschied und etwas weniges an Geld; dann ich wurde nicht so wohl bezahlt, als wann ich den redlichen Holländern in Ostindia gedienet gehabt hätte. Hingegen wurde mir zugelassen, daß ich von ehrlichen Leuten eine Steur zur Wegzehrung bettlen dorfte, und dergestalt kompletieret ich die Zahl meiner Dukaten, die ich noch habe, weil mir mancher Signor und manche andächtige Matron vor den Kirchen ziemlich reichlich mitteilten. Ich bedorfte vor keinen Soldaten aus Kandia zu betteln, dann man kannte uns ohnedas, sintemal wir fast alle, was übrigverblieben von uns, [205] unsere Haare verloren hatten, sehr mager und ausgehungert und so schwarz aussahen wie die allerschwärzte Zigeiner. Weilen mir dann nun das Betteln so wohl zuschlug, trieb ichs fort, bis ich von Venedig wieder in Teutschland ankam, der Hoffnung, mein Weib wiederum anzutreffen und sie damit zu erfreuen, daß ich das Handwerk so wohl gelernet und auch einen guten Werkzeug darzu, nämlich meinen Stelzfuß, mitbrächte; dann ich gedachte: Dies Ding kann ihr nicht übel gefallen, weil sie selbst aus dem vornehmsten Stammen der Erzbettler entsprossen.«

Das 26. Kapitel

Das XXVI. Kapitel.
Was die Leirerin weiters vor Possen angestellt, und wie sie endlich ihren Lohn bekommen habe.

»Damit ich dann solches mein liebes Weibchen desto ehender wieder antreffen möchte, so gesellete ich mich zu allerhand Störern, Landläufern und solchen Leuten, bei welcher Gattung sie die meiste Zeit ihres Lebens zugebracht. Bei denselben fragte ich fleißig nach, konnte aber weder Stumpf noch Stiel von ihr erfahren. Endlich kam ich auch in diejenige Stadt, darinnen ich etwan hiebevor in die venezianische Kriegsdienste kommen. Daselbst gab ich mich meinem Wirt zu erkennen und erzählte ihm, wie mirs seithero in Kandia gangen, der mir dann als ein guter alter Teutscher und zeitungbegieriger Mann gar andächtig zuhörete; und als ich hingegen auch fragte, was sich seithero meiner Abwesenheit Guts bei ihnen zugetragen, kam er unter andern auch auf das Gespenst, das hiebevor die Äbtisse so visierlich geplagt und vexiert, welches aber nunmehr wieder allerdings aufgehört hätte, also daß man darvorhalte, dasselbe Gespenst sei ebendasjenige wunderbarliche Weibsbilde gewesen, deren Körper neulich ohnweit von hinnen verbrannt worden wäre. Weilen dann nur dies ebendasjenige war, was ich zu wissen verlangte, so spitzte ich nicht allein die Ohren, sondern bat auch, er wollte mir doch die Histori ohnschwer erzählen.

Darauf fuhre der Wirt in seiner Rede fort und sagte: ›Ebendamals, als die Äbtissin von dem Gespenst so gequält und allerdings in einen Argwohn gebracht wurde, als buhle sie mit ihrem Pistor, trugen sich andre dergleichen Possen mehr, beides, hier in der Stadt und auf dem Lande, zu, also daß teils Leute vermeinten, es wäre dem Teufel selbst verhänget worden, diese Gegend zu plagen. Teils kamen die Speisen vom Feur, [206] anderen ihre Geschirr voll Wein oder Bier, dem dritten sein Geld, dem vierten seine Kleider, ja so gar etlichen die Ringe von den Fingern hinweg, welche Sachen man hernach doch anderwärts in andern Häusern und auch bei andern Personen ohne ihr Wissen, daß sie es hätten, wieder mehrenteils gefunden, woraus jeder Verständiger leicht schlosse, daß der ehrlichen Äbtisse auch unrecht geschehen wäre. Dann das war folgenterzeit gar nichts Neues mehr, daß einer und der andern Person nächtlicherzeit die Kleider hinweggenommen und andere darvor hingelegt worden, ohne daß man wissen konnte, wie solches zugangen und geschehen wäre. Es hielte ohnlängst hernach ein Freiherr nicht weit von hinnen Beilager, worbei es, wo nit fürstlich, jedoch gräflich hergieng, bei welchem hochzeitlichen Ehrenfest der Braut ihr herrlicher Schmuck und Kleidung, damit sie denselben Tag gepranget hatte, samt dem Nachtzeug hinweggenommen und hingegen ein schlecht Weiberkleid voller Läuse, wie es die Soldatenweiber zu tragen pflegen, darvor hingeleget wurde, welches viel vor ein Zeichen hielten einer künftigen unglückseligen Ehe. Aber diese Wahrsager gaben damit nur ihre Unwissenheit zu erkennen.

Den nächst hierauf folgenden Maimonat spazierete ein Bäckenknecht auf einen Sonntag in einen etwan drei Meil von hier entlegenen Wald, des Willens, Vogelnester zu suchen und junge Vögel auszunehmen. Dieser war beides, von Angesicht und Leibesproportion, ein schöner ansehnlicher Jüngling und darneben fromm und gottsförchtig. Wie er nun an einem Wässerlein hinaufschliche und sich hin und wieder umschauete, wurde er eines Weibsbildes gewahr, die sich in demselbigen Wasser badet. Er vermeinte, es wäre irgendseine Dirn aus dem Flecken, darin er damals dienete; derowegen ließe er sich durch den Fürwitz bereden, daß er sich niedersetzte, zu verharren, bis sie sich anlegte, damit er sie an den Kleidern kennen und alsdann etwas an ihr, um daß er sie nackend gesehen, zu fexieren haben möchte. Es gieng, wie er gedachte, aber doch etwas anders; dann nachdem diese Dame aus dem Wasser gestiegen, legete sie keine Baurnjuppe an, sondern ein ganz silbern Stück mit guldenen Blumen; hernach satzte sie sich nieder, kämpelte und zöpfte ihre Haar, legte köstliche Perlein und andere Kleinodien um den Hals und zierete ihren Kopf dergestalt mit dergleichen Geschmuck, daß sie einer Fürstin gleichsahe. Der gute Bäckenknecht hatte ihr bishero mit Forcht und Verwunderung zugesehen, und weil er sich vor ihrer ansehenlichen Gestalt entsetzte, wollte er darvongehen und sich stellen, als wann er sie gar nicht gesehen [207] hätte. Weil er aber gar zu nahe bei ihr war, also daß sie ihn sehen mußte, schriee sie ihm zu und sagte: »Höret, junger Gesell, seid Ihr dann so grob und unhöflich, daß Ihr nicht zu einer Jungfrauen gehen dörft?« Der Bäck wandte sich um, zog seinen Hut ab und sagte: »Gnädiges Fräulein, ich gedachte, es gezieme sich nicht, daß ein unadeliger Mensch, wie ich bin, sich zu einem solchen ansehnlichen Frauenzimmer nähere.« –»Das müßt Ihr nicht sagen,« antwortet die Dame; »dann es ist ja ein Mensch des andern wert, und überdas hab ich schon etliche hundert Jahr allhier auf Euch gewartet. Sintemal es dann nun Gott einmal geschicket hat, daß wir diese langgewünschte Stunde erlebet haben, so bitte ich Euch um Gottes willen, Ihr wollet Euch zu mir niedersetzen und vernehmen, was ich mit Euch zu reden habe.«

Dem Bäckenknecht war anfangs bang, weil er sorgete, es wäre ein teufelischer Betrug, dardurch er zum Hexenhandwerk verführt werden sollt; als er sie aber Gott nennen hörete, setzte er sich ohne Scheu zu ihr nieder; sie aber fieng folgendergestalt an zu reden:

»Mein allerliebster und wertester Herzfreund! ja nach dem lieben Gott mein einiger Trost, mein einzige Hoffnung und mein einziger Zuversicht; Euer lieber Nam ist Jakob, und Euer Vatterland heißt Allendorf, ich aber bin Minolanda, der Melusinen Schwestertochter, die mich mit dem Ritter von Stauffenberg erzeugt und dergestalt verflucht hat, daß ich von meiner Geburt an bis an Jüngsten Tag in diesem Wald verbleiben muß, es seie dann Sach, daß Ihr mich zu Euer Herkunft zu Euerm Ehegemahl erwählen und dardurch von solcher Verfluchung erlösen werdet, doch mit diesem ausdrucklichen Vorbehalt und Geding, daß Ihr Euch wie bisher vor allen Dingen der Tugend und Gottesforcht befleißigen, aller anderer Weibsbilder müßig gehen und diesen unsern Heurat ein ganz Jahr lang verschwiegen halten sollet. Darum so sehet nun, was Euch zu tun ist. Werdet Ihr mich ehelichen und diese Dinge halten, so werde ich nicht allein erlöst, sondern wie ein ander Mensch auch Kinder zeugen und zu seiner Zeit seliglich aus dieser Welt abscheiden; Ihr aber werdet der reichst und glückseligst Mann auf Erden werden. Wann Ihr mich aber verschmähet, so muß ich, wie Ihr bereits gehöret habt, bis an Jüngsten Tag hier verbleiben und werde alsdann über Euere Unbarmherzigkeit ewiglich Rach schreien. Das Glück aber, so Ihr alsdann Euer Lebtag haben werdet, werden auch die Allerunglückseligste nicht mit Euch teilen wollen.«

[208] Der Bäckenknecht, der sowohl die Geschichte oder Fabul der Melusinä als des Ritters von Stauffenberg gelesen und noch viel mehr dergleichen Märlin von verfluchten Jungfrauen gehöret hatte, glaubte alles, was ihm gesagt worden; derohalben besonne er sich nicht lang, sondern gab das Jawort von sich und bestätiget solche Ehe mit oft wiederholtem Beischlaf. Sie aber gab ihm nach verrichter Arbeit etliche Dukaten und nahm ein güldenes Kreuzlein mit Diamanten besetzt und mit Heiligtum gefüllt, von ihrem Hals, das sie ihm gleichfalls zustellte, damit er nicht sorgen sollte, er hätte vielleicht mit einem Teufelsgespenst zu tun; und zum Beschluß wurde abgeredet, daß sie ihn fürderhin die meiste Nächte in seiner Schlafkammer besuchen wollte, worauf sie vor seinen Augen verschwunden.

Es waren kaum vier Wochen vergangen, als dem Bäckenknecht bei der Sach anfieng zu grausen; und indem ihm sein Gewissen sagte, es könnte mit dieser heimlichen und wunderbarlichen Ehe nicht recht hergehen, da ereignete sich eine Gelegenheit, mit deren er hieherkam und seinem Beichtvatter alle Geschichte außerhalb der Beicht vertraute. Als dieser verstunde, was diese Meerfein oder Minolandä, wie sie sich genennet, vor einen Habit anhatte, und sich darbei erinnerte, daß eben ein solcher einer vornehmen Fräulin bei ihrem Beilager entwendet worden, gedachte er der Sach ferner nach und begehret auch, das Kreuzlein zu sehen, so ihm seine Beischläferin verehrt hatte. Als er solches sahe, überredet er den Bäckenknecht, daß ers ihm nur ein einzige halbe Stund ließe, selbiges einem Jubilierer zu weisen, um zu vernehmen, ob das Gold auch just und die Steine auch gut wären. Er aber verfügte sich sogleich damit zu obengemeldter Frauen, die zu allem Glück hier war; und als sie solches vor das ihrig erkannte, wurde der Anschlag gemacht, wie diese Melusina beim Kopf bekommen werden möchte, worzu der geängstigte Bäckenknecht seinen Willen gab und alle mögliche Hülf zu tun versprach.

Diesem nach wurden den dritten Abend zwölf beherzte Männer mit Partisanen geschickt, die in des Bäcken Kammer um Mitternacht stürmten und Türen und Läden wohl in acht nahmen, damit, als solche eröffnet, niemand hinaus entrinnen könnte. Sobald solches geschahe und auch zugleich zween mit Fackeln in das Zimmer getretten waren, sagte der Bäcker zu ihnen: »Sie ist schon nit mehr da.« Er hatte aber das Maul kaum zugetan, da hatte er ein Messer mit einem silbern Heft in der Brust stecken; und ehe man solches recht wahrgenommen, da stak einem andern, der eine Fackel trug, eins im Herzen, [209] davon derselbige alsobald tod darnieder fiele. Einer von den Bewehrten ermaße, aus welcher Gegent diese Stich herkommen waren, sprang derowegen zuruck und führte einen solchen starken Streich gegen demselben Winkel zu, daß er damit der so unselig als unsichtbarn Melusinen die Brust bis auf den Nabel herunter aufspielte. Ja, dieser Streich war von solchen Kräften, daß man nit allein die vielgedachte Melusina selbst dort tot liegen, sondern ihr auch Lung und Leber samt dem Ingeweid in ihrem Leib und das Herz noch zappeln sehen konnte. Ihr Hals hieng voller Kleinodien, die Finger staken voll köstlicher Ring, und der Kopf war gleichsam in Gold und Perlen eingehüllet; sonst hatte sie nur ein Hemd, ein doppeltafften Unterrock und ein Paar seidene Strümpfe an; aber ihr silbern Stück, das sie auch verraten, lag unter dem Hauptküssen.

Der Bäcker lebte noch, bis er gebeicht und kommuniziert hatte; er starb aber hernach mit großer Reu und Leid und verwundert sich, daß so gar kein Geld bei seiner Schläferin gefunden worden, dessen sie doch ein Überfluß gehabt hätte. Sie ist ohngefähr aus ihrem Angesicht vor 20 Jahr alt geschätzt und ihr Körper als einer Zauberin verbrannt, der Bäck aber mit obgemeldten Fackelträger in ein Grab gelegt worden. Wie man noch vor seinem Abschied erfuhr, so hatte das Mensch beinahe eine österreichische Sprach gehabt.‹«

Das 27. Kapitel

Das XXVII. Kapitel.
Endlicher Beschluß von des Springinsfeld seltsamen Lebenslauf.

»Durch diese Erzählung erfuhr ich, was das wunderbarliche Vogelnestlein bei meinem Weib gewürkt, wie sie der Kützel ihres geilen Fleisches zur Ehebrecherin, zur Mörderin (mich, selbst aber zu guter Letze zum Hahnrei) gemacht und sie endlich selbst in einen elenden Tod, ja gar ins Feur gebracht habe. Ich fragte den Wirt, ob sich sonst nichts weiters mit ihr zugetragen. ›Potz!‹ antwortet er, ›das Beste und Notabelste hätte ich schier vergessen. Es ist bei ihrem Tod einer von den Hellebardieren, ein junger frischer Kerl, mit Leib und Seel, Haut und Haar, Kleidern und allem hinwegkommen, daß bisher kein Mensch erfahren, wohin er geflogen oder gestoben sei. Und solches, sagt man, sei ihm widerfahren, als er sich gebuckt, ein Nastüchlein (welches auch zugleich verschwunden) aufzuheben, so diesem wunderbarlichen Weibsbilde zuständig gewesen.‹ – ›Ho ho!‹ gedacht [210] ich, ›jetzt weißt du auch, daß dein Nestlein wieder einen anderen Meister hat; Gott geb, daß es ihm besser als meinem Weib bekomme!‹ Ich hätte den Leuten allen wohl aus dem Traum helfen können, wann ich ihnen nur hätte die Wahrheit sagen wollen; aber ich schwieg still und ließe dieselbige sich untereinander verwundern und disputiern, solang sie wollten, betrachtet darneben, wie grob der Unwissenden Wahn betrüge und was wohl auf etliche wunderbarliche Historien zu halten, die weit anderst erzählt worden wären, wann die Skribenten den Grund recht gewußt hätten.

Nachdem ich nun solchergestalt ohnversehens erfahren, wo mein Weib hinkommen, schaffte ich mir wieder eine Geige und durchstelzte damit das Erzstift Salzburg, das ganze Bayern- und Schwabenland, Franken und die Wetterau. Endlich kam ich durch die Unterpfalz hieher und suchte überall, wo mir mitleidige Leute etwas gaben. Ich bin auch so glückselig hierin, daß ich glaube, es spendierte mir mancher etwas, der selbst nit den zehenden Teil soviel Geld hat als ich. Und weil ich sehe, daß von meinem Kapital nichts abgehet, ich aber gleichwohl einen als den andern Weg in aller Freiheit mein guts Maulfutter und auch zuzeiten, wann ichs bedörftig, eine glatte Leirerin (dann gleich und gleich gesellt sich gern) zur Nothelferin haben kann, so wißte ich nicht, was mich bewögen sollte, ein anders und seligers Leben zu verlangen. Ja ich wißte auch kein bessers für mich zu finden. Weißt du aber, mein Simplice, mir ein anders und bessers zu weisen, so möchte ich deinen Rat gern hören und nach Gestaltsam der Sach demselben auch gern folgen.«

»Ich wollte dir wünschen,« antwortet Simplicius, »du führtest hier zeitlich dein Leben, daß du das ewige nicht verirrest!« – »O Münchspossen!« sagte Springinsfeld; »es ist nicht müglich! du bist seither in einem Kloster gestecken oder hast im Sinn, in Bälde in eines zu schlieffen, daß du immer wider deine alte Gewohnheit so albere Fratzen herfürbringst.« – »Wann du nicht in Himmel willst,« antwortet Simplicius, »so wird dich niemand hineintragen; allein es wäre mir lieber, du tätest auch wie ein Christenmensch und fiengest an zu gedenken an deine letzte Ding, welche zu erfahren du noch einen kurzen Sprung zu tun hast.«

Unter diesem Gespräch fieng es an unvermerkt zu tagen, und solches verursachte bei uns allen wiederum eine Lust zu schlafen, wie dann zum öftern zu geschehen pflegt. Solcher Anmutung folgten wir und täten die Augen zu, uns noch ein paar Stund innerlich zu beschauen, stunden auch nicht ehender [211] auf, als bis uns der Appetit der Mägen zu etlichen Dutzet kleinen Pastetlein und einem Trunk Wermut nötigte. Als wir nun in derselben Arbeit begriffen waren, kriegten wir Zeitung, daß der Rhein die Brück hinweggenommen und noch stark mit Eis gehe, so daß niemand weder herüber- noch hinüberkommen könnte. Derowegen resolvierte sich Simplicius, denselben Tag mit seinen Leuten noch in der Stadt zu verbleiben, in welcher Zeit er weder den Springinsfeld noch mich von sich lassen wollte. Mit mir akkordierte er, daß ich dessen Lebensbeschreibung, wie es Springinsfeld selbst erzählet, schriftlich aufsetzen sollte, damit den Leuten zugleich kund würde, daß sein Sohn der leichtfertigen Courasche Hurenkind nicht seie; und dessentwegen schmierte er mir 6 Reichstaler, die ich damals wohl bedörfte; dem Springinsfeld selbsten aber lude er auf seinen Hof, bei ihm auszuwintern, beteuerte aber gegen mir gar hoch, daß er solches nicht seiner paar hundert Dukaten halber tue, sondern zu sehen, ob er ihm nicht auf den christlichen Weg eines gottseligen Lebens bringen möchte. Wie ich mir aber seithero sagen lassen, so hat ihn der verwichne März aufgerieben, nachdem er zuvor durch Simplicissimum in seinen alten Tagen ganz anders umgegossen und ein christliches und bessers Leben zu führen bewegt worden; nahm also dieser abenteuerliche Springinsfeld auf des ebenso seltsamen Simplicissimi Baurhof, als er ihn zuvor zu seinem Erben eingesetzt, sein letztes


Ende. [212]

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TextGrid Repository (2012). Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von. Erzählung. Der seltzame Springinsfeld. Der seltzame Springinsfeld. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-FE95-6