[Der Tag brach an mit mildem Schein]

Der Tag brach an mit mildem Schein,
Es sangen – im Käfig – die Vögelein,
Es fiel der Tau – aus der Gießkann gesprengt,
Aufs heiße Pflaster, von Menschen gedrängt,
Die schöne Welt noch in Federn lag,
Das heißt: es war just um Mittag,
Da ritt, so früh schon dem Schlummer entrafft,
Held Mitis daher in seiner Kraft,
Der stets Bemühte früh und spät,
Der Ritter und Held der Legitimität;
Ihm nach, bewaffnet bis an die Zähn,
Sein edler Schildknapp Mishellen,
Und weit zurück, voll Staub und zu Fuß,
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Türkel, der Stallknecht und Hasenfuß.
Der Ritter war lieblich anzuschaun,
Ein Schrecken der Männer, der Wunsch der Fraun,
Sein Feld gegen beide – das Kabinett;
Treu bis auf die Eh! der Legitimität.
Sein Haar zwar etwas schon cendré,
Doch weiß wie Blüten, nicht weiß wie Schnee,
Ein süßes Lächeln den Mund entlang,
Sein air so nobel und nonchalant,
Was unbedeutend, was wichtig zumeist,
Handhabt mit aisance sein edler Geist.
Er ritt derzeit das große Pferd,
Doch war es vernagelt, wie man so hört.
Hart hinter ihm der Knappe ritt,
Sein stärkster Galopp ein schaukelnder Schritt.
Der Grundsatz war von seinem Tun:
Nach vollbrachter Ruh ist gut zu ruhn,
Im übrigen ein Optimist;
Gut ist, was ist und was man ißt.
Aus Stöpselkork sein Panzer war,
Sein Schild ne Bratenschüssel gar,
Zwei Schläuche seine Stiefel gut,
Ein Kasseroll sein Eisenhut
Und statt des Sattels kauernd hätt
Er ausgespreitet ein Federbett.
All was er trug, der Erdensohn,
War Privilegium, Invention:
Sein Helm, zeigt sich ein Wolkengetürm,
Tat sich voneinander als Regenschirm;
Der Speer trug eine Wetterfahn
Und war ein eteignoir daran.
Vorn prangt an seines Pferdes Bug
Ein Schüsselkorb und ein Pfropfenzug
Und rechts und links, wie die Mähre ging,
Zur Erde straff eine Treppe hing,
Dran stieg der Edle auf und ab,
Wenn sich im Notfall ein Schreck begab.
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Sonst duftet er von Wässern sehr,
Sein Schnupftuch war ein Rosenmeer,
Selbst unter seines Pferdes Schwanz
Hing eine Flasche Eau d'Lavands.
Freund Türkel eben schlecht und recht
Versinnlichte das Wörtlein Knecht.

Notes
Entstanden 1824.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Grillparzer, Franz. [Der Tag brach an mit mildem Schein]. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-EB3B-D