Christian Dietrich Grabbe
Die Hohenstaufen
Ein Zyklus von Tragödien

Christian Dietrich Grabbe
Kaiser Friedrich Barbarossa
Eine Tragödie in fünf Akten

Personen

[4] Personen.

    • Kaiser Friedrich der Erste, mit dem Beinamen Barbarossa.

    • Beatrice, seine Gemahlin.

    • Prinz Heinrich, sein Sohn erster Ehe.

    • Der König von Böhmen.

    • Der König von Polen.

    • Der König Waldemar von Dänemark.

    • Der Grossfürst von Litauen.

    • [Prinz Plantagenet].

    • Heinrich der Löwe, Herzog von Sachsen und Baiern.

    • Mathildis, seine Gemahlin.

    • Der Erzherzog von Österreich.

    • Der Pfalzgraf Otto von Wittelsbach.

    • Der Burggraf Hohenzollern.

    • Der Graf von Tirol.

    • Der Erzbischof von Mainz.

    • Der Graf von Orla.

    • Jordanus Truchsess.

    • Heinrich von Ofterdingen.

    • Freiherr von Roden.

    • Graf von Andechs.

    • Landolph,
    • Wilhelm, Lanzknechte Heinrichs des Löwen.

    • Giso, ein baierscher Lanzknecht.

    • Rudolph,
    • Ulrich, schwäbische Krieger.

    • Papst Alexander der Dritte.

    • Kardinal Ugolini.

    • Gherardo, Konsul von Mailand.

    • Galdino,
    • Alberto, adlige mailändische Jünglinge.

    • Der Doge von Venedig.

    • Der Graf von Montpellier.

    • Der Graf von Barcelona.

    • Der Graf von Montferrat.

    • Constanze, Erbtochter von Neapel und Sizilien

    • Herolde, Boten, mailändische, lombardische, deutsche Truppen und andere Nebenpersonen.

1. Akt

1. Szene
Erste Szene
Die Trümmer der Stadt Mailand.
Galdino und Alberto treten auf.

GALDINO.
O Mailand! Vaterstadt! Wo bist du? Wo
Sind deine Türme? Wo der Ahnen Gräber?
– Das ist kein Wiedersehn! Ach, nicht die Spur
Von Ihr, die mit den Plätzen, mit den Straßen,
Wo sich die Prachtpaläste endlos drängten,
Wo das Gewog der Bürger flutete
Wie Meeresströme, glorreich hier geprangt!
– Des Kaisers Pflugschar ging darüber weg! –
– – Alberto, du kannst schweigen?
ALBERTO.
Sieh, es redet
Die Träne hier im Auge, sieh,
Es sprechen meine Hände – In den Boden
Der Heimat schlag ich sie, und möchten sie
Da ewig wurzeln!
GALDINO.
Richt dich auf!
Sie liegt doch hinter uns, die heimatlose,
Schreckliche Zeit! Wir ziehn doch wieder ein!
Was er, der zornge Schwabe, wie den Staub
In alle Winde zu zerstreuen wähnte,
Gesammelt hat es sich von neuem, und
Die Bürger Mailands, Mann an Mann in Waffen,
In Bräute-Schmuck die Jungfraun, von den Scharen
Der ganzen Lombardei begleitet, kehren
Zum alten Herd zurück!
ALBERTO.
Was zaudern sie?
Tot an dem Wege liegen unsre Rosse –
So stachelte uns Sehnsucht nach der Heimat –
Sie scheinen trägerer Natur!
[5]
GALDINO.
Horch! Horch!
Sie nahn! Schon tönt von hunderttausend Lippen
Der Lobgesang, den Mailands Heiliger
Gedichtet, – nie so herrlich noch erklungen,
Als heut, wo seine Stadt sich neu
Bevölkert!

Hinter der Szene hört man ein donnerndes te deum laudamus des heiligen Ambrosius; zahllose Mailänder in Waffen, und Frauen, Jungfrauen, Kinder unter ihnen, treten auf.
GALDINO.
Ha! da sind sie!
ALBERTO.
Der Gesang
Verstummt! Ich weiß warum! Schlecht singt der Jammer!
GALDINO.
Sie sehen die Verwüstung!
ALBERTO.
Und sie alle,
Der Greis, der Mann, das Weib, das Mädchen, stürzen,
Wie von dem Blitze hingeschmettert, an
Die Erde – küssen Steine, – säen heiße Tränen,
Wo Barbarossa Salz gesät! – Es kommt
Wie eine Windsbraut über mich – ich breche
Zusammen, stürz mit ihnen nochmals nieder –
Wir finden endlich
Die Heimat wieder, – doch nur wie die Mutter
Nach langem Suchen das verlorne Kind –
Sie findet es, allein es ist in Stücken!
VIELE TAUSEND STIMMEN DER MAILÄNDER.
O Tag des Jammers! Tag der Freude! Tag
Des Zornes!
GALDINO.
Welche furchtbare Bewegung!
Der Schmerz, der Zorn, die Lust – Sie fliegen gleich
Drei Riesenadlern zuckend durch die Menge!
ALBERTO.
Das die drei Adler, Freund, mit denen wir
Den kaiserlichen überflügeln und
Zerreißen, stieg' er auch so hoch, als nur
Ein Hohenstauf im Stolz zu denken wagt!

Ein Vater mit seinem Sohne tritt vor.
DER VATER.
Mein Sohn, sieh diese Stätte – diese Trümmer –
Vor sieben Jahren, als du wardst geboren,
Stand hier ein Haus mit Marmorstufen, mit
Erhabnen Säulen, und es wohnten drinnen
Wohlfahrt und Häuslichkeit und Frieden. Zwei
[6] Liebliche Töchter blühten wunderschön,
Und sorgsam waltete die Mutter – Es
War deines Vaters Haus. Da aber, an
Dem Tag, wo des Carroccio Baum, jetzt
Dort wieder aufgerichtet, zu dem Fuß
Des Hohenstaufen schmachvoll hinsank, sprengten
Heran des Barbarossa Eisenreiter,
Die Pferde rissen sie die Stieg hinauf,
Sie in die Säle stallend, mit der Faust
Ergriffen sie die Mutter und den Vater,
Die Töchter und den Sohn, und warfen sie
Auf freie Straße – Fenster, Pfosten, Säulen,
Flogen laut krachend hinterdrein – Es brach
Vor Gram der Mutter Herz – die Töchter welkten
Dahin, – nur du bliebst übrig, weil du nicht
Begriffest, was geschah, und ich starb nicht,
Weil mir das Herz zu fest, so leicht zu brechen, –
So sind wir denn noch lebend, um zu rächen!
Schwör ewge Rach dem Barbarossa! –
Du weinst? Ich weiß genug! Wer weint,
Der flucht, und sucht die Träne zu
Vergelten!
DER SOHN.
Meine Mutter! meine armen Schwestern!
DER VATER
laut.
Dem Barbarossa Kampf bis in den Tod!
ALLE MAILÄNDER
vom Boden aufspringend und die Speere schüttelnd.
Bis zu dem Tode Kampf dem Barbarossa!

Der Kardinal Ugolini und Gherardo treten vor.
KARDINAL.
Vernimmst du dies? Der Ozean braust um
Uns her! Jetzt, Konsul, gilt es, auf das Haupt
Des kaiserlichen Frevlers ihn zu lenken,
Und unter geht er in den Wogen,
Ein zweiter Pharao!
GHERARDO.
Herr Kardinal,
Eh wir die Menge lenken, tuts sehr not,
Daß wir sie ordnen! Wilde Wut verwandelt
Sich leicht in dumme Feigheit!
KARDINAL.
Ordnet denn!
Was ihr beginnt, die Kirche segnets! Doch
Seid schnell! Die Langmut Gottes ließ schon viel
[7] Zu lang den Drachen aus dem schwäbischen
Gebirge auf dem Kaiserthron sich sonnen!
GHERARDO.
Des Papstes Langmut hätt es wohl so lang
Nicht ausgehalten?
KARDINAL.
Aber wunderbar zuckt nun
Der Kirche Schwert in eurer Hand. Es wollte
Der Schwabe euch zertreten, und ihr stecht
Ihm in den Fuß – ihr kämpft für euer Leben,
Und kämpft grad dadurch für die Kirche mit!

Laut.

– Hört es, Mailänder und Lombarden! Hier
Dem Konsul Mailands reich ich meine Hand
Zum ewgen Bündnis mit dem Vatikan –
Drum kühn! Wohin ihr zieht, und gegen Wen
Ihr kämpft – des Bannstrahls Blitz und Donner flammen
Und rollen schützend über euch!
DIE MAILÄNDER UND LOMBARDEN.
Heil uns!
Gott selbst wird mit uns streiten!
GHERARDO.
Jetzt zur Tat!
Nicht eine Stunde Ruh, und niemand,
Nicht Greis, nicht Jungfrau, wird verschont,
Bis daß die Mauern wieder aufgetürmt,
Die Gräben wieder sind gezogen!
ALBERTO.
Konsul,
Was sollen Mauern? Hier in unsrer Brust
Steht Mailands Wall, in unsern Adern rollt
Sein Graben! Eh wir andre Gräben ziehn,
Laß uns den Hohenstaufen erst
In seinem Horste suchen, rächend ihn
Vertilgen!
DIE MAILÄNDER.
Rächend ihn vertilgen!
GHERARDO.
Das
Sind Worte, Freunde! – Nicht mit Worten,
Kaum mit dem Schwert – mit großer Kriegskunst nur,
Mit Mut, Ausdauer und mit Gottvertrauen
Ist Barbarossa zu bekriegen. Such
Ihn nicht in seinem Horst – Ich schwörs: schon sucht'
Er uns!
ALBERTO.
Herr, hats dir je seit sieben Jahren
Im Aug gebrannt um Mailands Fall?
GHERARDO.
Mein Sohn,
[8] Wohl möglich, daß seit sieben Jahren, seit
Der Stunde, wo der Barbarossa Salz
Auf die Ruinen streute, keine Nacht
Gedunkelt, wo ich nicht in Tränen liegend zu
Dem Himmel aufschrie, und kein Tag geleuchtet,
An dem ich nicht gekämpft, das Weinen zu
Ersticken. Glaube mir, die Zähre, die
In Finsternis und Einsamkeit geweint
Wird, fällt am schwersten. Und vielleicht, daß ich
In glühnden Tränen dachte, was ich kalt
Anjetzt vollende!

Ein Bote, bleich, staubbedeckt und atemlos, stürzt in die Szene.
DER BOTE.
Weh der Lombardei!
Schon tobt es wild auf den roncalischen
Gefilden –
GHERARDO.
Ha! Ist Er schon da! Wer sagte,
Daß er uns suchen würde?
DER BOTE.
Sie errichten
Dort schon die kaiserliche Pfalz, und hoch
Am Eichenstamm erheben sie den Schild
Des Reichs, ein Meteor des Grausens!
Herolde schlagen mit den Stäben auf
Sein Erz, und rufen laut nach jedem End
Der Welt, Italien vor das Gericht des Kaisers!
GHERARDO.
Und dieser?
DER BOTE.
Wie sie sagen, hielt er in
Thüringens goldner Au ein Festgelag –
Da kam die Nachricht, daß im Schütze der
Lombarden, Mailands Bürger sich gesammelt –
Den selbgen Augenblick sprang er vom Mahl
Empor und stieß den Römer Rheinweins um,
Der vor ihm funkelte, und foderte
Des Reiches Heerbann auf zur schnellsten Folge.
Zusammen rafft' er dann, was an Vasallen
Und Mannschaft gegenwärtig war, und eilte
Im Sturmesflug damit voraus – Como,
Peschiera sind gefallen und geschleift,
Jetzt eben trifft er bei Roncaglia ein;
Und Braunschweigs mächtger Löwe wandelt ihm
Zur Linken!
KARDINAL.
Sollte der den Löwengeist
[9] Wohl stets verleugnen, und sich immer von
Dem Hohenstaufen zügeln lassen?
GHERARDO.
Schwerlich!
Ihr, die ihr in den Herzen herrschtet, binden
Und lösen könnet – löset auch einmal
Die Löwentreue!
KARDINAL.
Spare deinen Rat!
Erwarte demutsvoll und still, was Gott
Beschließt für seine Kirche!
GHERARDO
zu dem Boten.
Und wie stark
Ist Friedrichs deutsche Heeresmacht?
DER BOTE.
Noch ist sie schwach, allein sie schwillt von Stund
Zu Stunde, – von der Alpen Stufen steigen
Bereits der Krone große Lehensmannen,
Und alle Straßen des Gebirges sind
Erfüllt von Reisigen und Waffen, – Pferde
Vom Elbstrom trinken schon den Po!
GHERARDO.
Mailänder,
Was tut ihr?
DIE MAILÄNDER.
Aus der Scheide reißen wir
Das Schwert und zu dem Himmel schwingen wir
Die Lanzen: siegen oder fechtend fallen!
GHERARDO.
Ha, freudig hör ich, ihr seid rechten Sinnes!
– Erschienen ist der Prüfung Stunde – Ihr'
Besteht sie besser als ich hoffte – diese Trümmer
Verwandeln euch in Felsen! Seid sehr hart,
Sonst werdet ihr wie sie zerschlagen – Noch ists Zeit,
Doch not tut Eile! – Barbarossas Heer
Ist schwächer noch als wir – drei Tage nur;
Und es ist stärker! Drum Gesandte
An alle Städte Norditaliens
Geschickt, zur Hülf und Tat sie aufzurufen –
Wir selbst ziehn schleunig nach Legnano,
Verschanzen uns dem Kaiser gegenüber,
Und bieten ihm zum letzten Mal den Frieden!
DIE MAILÄNDER UND LOMBARDEN.
Wem Frieden? Ihm? Biet ihm den Tod, die Brust,
Die Stirne, doch nicht Frieden dem Tyrannen!
GHERARDO.
Er ist der Herr und Kaiser! Grausam, furchtbar
[10] Behandelte er uns – Jedoch laßt auch
Uns eingestehn, wir trotzten mehr ihm, als
Sich ziemte. Ein geringer Laut erweckt
Auf hohen Alpen die Lauwinen, – so
Auch mochte unser Schrei um Recht, zu frech
An Throneshöh des Hohenstaufen klingen,
Und auf uns fiel sein Zorn! – Was ihm gebührt,
Laßt uns dem Kaiser geben, heiß es Zoll,
Gefälle, Huldgung der Vasallen – Aber
Mit Vögten nicht soll er die Freiheit binden
Und nach Belieben in den Städten rasen!
KARDINAL.
Ein äußerst wohlbedachter Friedensvorschlag!
Auch Christi Kirche schätzt den Frieden sehr.
Drum werd ich eure Abgeordneten
Begleiten, und den Kaiser auch mit Uns
Versöhnen.
GHERARDO
für sich.
Rom! wie taubensanft und schlangenklug!
Mit ihm aus Not verbündet, dürfen wirs
Nicht lassen – Und den Frieden, den es bietet,
Nimmt Barbarossa nimmer. Lieber wagt
Er erst den Krieg! und wenn er Roms Antrag
Verwirft, so ist mit ihm der unsrige
Verworfen!

Laut.

– Kardinal, ich wünsch Euch Glück,
Und mög es besser Euch gelingen, als
Ihr denkt und – hofft!
– Mailänder! Krieg!
Ihr wisset wider wen es gilt – Er thront
Als Schrecklichster der Herrscher – Wißt
Ihr aber auch, für was ihr kämpft? Wes Schoß
Euch liebend aufnimmt, wenn ihr stürzt? Es ist
Die Vatererde! Für
Die Vaterstadt, fürs Vaterland, für ganz
Italien streitet ihr! Sei Friedrich noch
So mächtig, unsre Bundsgenossen sind
Weit mächtiger – Es sind die Männerbrüste,
Die wie ein ewiges Erdbeben, heiß
Für Freiheit und für Ehre pochen – Dort
[11] Die Berge, dieser Strom, ja jeder Baum
Der in der Heimat prangt – Hemmnisse sinds
Dem Feinde, doch uns treue Kriegskamraden!
– Und Heil ihm, der fürs Vaterland dahinsinkt –
Nicht größer, edler kann er untergehn!
Er fällt für Haus und Stadt, für Kind und Eltern,
Er fällt für seine spätsten Enkel, blutet
Für künftige Jahrhunderte, und stets
Wird seines Grabes Rasen grünen, denn
Der Bürger Tränen werden segnend ihn
Betauen!
ALLE MAILÄNDER UND LOMBARDEN.
Werden segnend ihn betauen!
GHERARDO
das Schwert ziehend.
In Glied und Reih! Zieht das Carroccio
In unsre Mitte!

Das Carroccio wird vorn in die Szene gefahren.

Seht den Fahnenwagen!
Der Schutzpatron steht drauf und winkt zum Siege!
Dem Winke nach! Es wird der Feind geschlagen!
ALLE MAILÄNDER UND LOMBARDEN.
Wir brechen jubelnd auf zum Freiheitskriege!

Kriegerischer Marsch, alle brechen auf und ziehen ab.
2. Szene
Zweite Szene
Das deutsche Lager auf den roncalischen Gefilden. Viele Zelte, und unter ihnen mitten im Hintergrunde, die kaiserliche Pfalz, mit Seide und Purpur ausgeschmückt. Vor ihr, am hohen Pfahl der Reichsschild. Überall Wachen, besonders um den Reichsschild und die Pfalz.
Landolph und Wilhelm kommen.

WILHELM.
Die Freude lacht dir ja aus dem Gesicht.
LANDOLPH.

Ich habe endlich ein bißchen Hafer für die Liese aufgetrieben, und sie knuspert darin, daß sich das Herz umkehrt vor Vergnügen.

WILHELM.

Ja, es geht nichts über das Knuspern von so einem Pferde. Ohne das kann ich nicht schlafen. – Wie gehts deinem eignen Magen? Ich hungre verflucht.

[12]
LANDOLPH.

Mein Magen ist leer, wie die Welt vor ihrer Erschaffung. Aber die Liese tut sich doch einmal gütlich!

WILHELM.

Das Wälschland ist ein miserables Land. War ich der Kaiser, ich nähms nicht, und schenkte man es mir.

LANDOLPH.

Hör Wilhelm, dem Herzoge sind die Heer- und Querzüge auch nicht recht. Seine Faust und seine Stirn sind seit ein paar Tagen immerge ballt und gefaltet, wie Wetterwolken, die zusammenziehn, bevor sie sich entladen. Und das Löwenfell hängt ihm schief um die Schulter – Das Fell ist meine Windfahne – Es stürmt ihn wieder nach Norden.

WILHELM.
Hier ists auch allzu schlecht. Der Schinken –
LANDOLPH.

Da sprichst du wahr – Der Schinken ist niederträchtig! Schweinezucht kennt das Volk gar nicht. Was es da fette Schweine heißt, sind das nicht Tiere, wie zwei zusammengenagelte Bretter, worauf statt der Haare noch die Sägespäne sitzen? Beim Geier, ich glaube, sie füttern die Säue mit ihren albernen Oliven! – – Wilhelm, bei uns an der Weser, da sind doch noch Säue zu Haus! Wetter, welches Vieh läuft da auf allen Straßen!

WILHELM.

Die Schinken! Die Schinken! Setzen sie mir da neulich bei Como ein Ding vor, so zähe – ich meinte es wäre Sohlenleder. Man konnte Riemen daraus schneiden, und Simson damit binden. Kein Fett, keine Farbe. Zuletzt spür ich, es soll was zu essen sein. Ich beiße zu! Donner, wie wurden mir die Zähne ausgebissen! – Das nannten sie Schinken! – Den Augenblick schärft ich meine Lanze, um sie in der Schlacht jedem Italiäner desto tiefer in die Brust zu jagen.

LANDOLPH.

Und, Wilhelm, welch ein Gemüse! Savoyerkohl und Fleisch mit Sirup und Rosinen! – Linsen, Erbsen, große Bohnen und ein Stück Speck dazu, – das macht Westfalen und schafft Fäuste, fest und gewaltig wie meine und deine.


Er drückt Wilhelm die Hand.
GISO
kommt.
Na, Sachsen, was räsonniert ihr denn da?
LANDOLPH.

Nenn uns lieber Westfalen. Da an der Elbe, bei Wittenberg und Meißen, sind so ein paar Herren aus unserm eigentlichen Sachsen hingezogen, haben richtig da etwas unterm Heidenvolk erobert und ihre neuen Untertanen nennen sie schon Sachsen, oder gar Obersachsen – Nun, sind wir niedere Sachsen,


[13] Höhnisch.

so möcht ich denn doch einmal die oberen sehen!
WILHELM.
Was für ein Jammerland ist Italien!
GISO.
Gott straf mich! Es hat kein Bier von Nürnberg!
WILHELM.
Und keine Gose vom Harze.
LANDOLPH.

Baier, ich kriege Heimweh, seh ich die wälschen Gesichter und Figuren. Wo ist der Kerl, der eine breite Brust hätte wie du? Wo einer, der mir bis an die Schulter ginge? Und die schändlichen schwärzlichen Fratzen mit den Katzenaugen! Ich schwöre, es sind nichts als Juden!

WILHELM.
Und welche Sprache, Landolph! – Kann man die Schurken verstehen? – Ist das deutsch?
GISO.
's ist kauderwälsch, Westfale!
LANDOLPH.

– Da kommen die lustigen Schwaben – geraubte Hühner in der Hand – Die Kerle können tanzen und stehen doch auf italiänischer Erde!

ULRICH UND RUDOLPH
auftretend.
Trallala!
Die Hühner gefangen!
Mailänder gehangen!
Hoch lebe der Kaiser!
ALLE.
Er lebe hoch!
LANDOLPH.
Und mit ihm Braunschweigs Löwe!
ALLE.
Hoch Braunschweigs Löwe!
ULRICH.
Brüderschaft, Kameraden. – Da, wir haben Hühner – Jeder eins – Nehmt hin – Wir kommen grad aus!
WILHELM.

Danke – der Hahn ist so übel nicht. Will ihm gleich den Kopf umdrehen, so läßt er das Sträuben und Wegfliegen.

RUDOLPH.

Und seht ihr dort die Pfalz? Ein hübsches Zeltchen! Der Kaiser naht! Geld und Fourage mit ihm, Hüll und Fülle! Noch heut ist Heerschau! Dann gegen Mailand! – Wißt ihr noch, vor sieben Jahren?

WILHELM.
Da gings in Mailand lustig zu!
GISO.
Du saßest auf dem Markt, und lachtest unermeßlich.
WILHELM.
Es war zu arg: wie stürzten die Giebel, wie fingen die Wetterhähne auf den Türmen zu fliegen an!
LANDOLPH.
Ambrosius! Jesus! Herr Gott! schrie das Volk.
GISO.
Der Wein stieg aber aus den Kellern auf die Gasse!
ULRICH.
Und wie wir auch wüteten, der Kaiser verzog nicht die Miene.
[14]
RUDOLPH.
Er strafte nur Empörer!
ULRICH.
Mitsamt den Häusern brannte auch die Unschuld der mailändischen Mädchen auf.
WILHELM.
Ihr Leben hinterdrein!
LANDOLPH.

Wenn wir jetzt wieder dahin kommen, finden wir kein Mailand mehr. Nur Ruine. Zu schlimm gings dort her.

ULRICH.

Ei, die großmütige Seele ärgert sich, daß sie künftig in Mailand weniger zu plündern findet, als früher! – He, Freund! weiß er noch, wie er damals mit seinen ellenlangen Fingern einen mailändischen Knirps, mit rotem Doktorhut, einfing, ihn mit dem Kleide auf seinem Speer befestigte, und ihn herumtrug und quälte, daß er ihm die reichsten Häuser mit den meisten Schätzen zeige?

LANDOLPH.

Warum sollt ich das nicht tun? Der Kaiser hatte Plündrung erlaubt. – Was ich eroberte, war Gottes Segen. – Übrigens bracht ich den Knirps in eine Apotheke und traktierte ihn darin.

ULRICH.
Ja, mit Pillen, Mixturen, Brechmitteln, bis er den Geist aufgab.
LANDOLPH.

O, ich gab ihm doch was! Es waren teure Sachen. Er wehrte sich verwünscht, aber ich beschenkte den Buben doch!

GISO.
Zurück! Da kommt jemand. – Es muß ein Großer sein. – Die Wachen salutieren bis auf den Grund!
LANDOLPH.
Es ist unser und euer Herzog, Baier!
GISO.

Wahrlich, er nennt sich der Löwe, und er ist es. – Auf dem letzten Kreuzzuge, wo es uns so übel ging, im syrischen Sande, lag ein Löwe in der Sonne: ernst, die Augen offen, zwei Spiegel der Wüste, unregsam, und doch zum Sprunge bereit. – Seh ich den Herzog, fällt mir stets das edle Tier ein!

ULRICH.

Aber die Sonne, Baier, die den braunen Löwen beschien, sah unserm Kaiser gleich, mit dem blonden Haar und der freien Stirne, hoch über der Welt dahinwandelnd!

LANDOLPH.
Löwe und Kaiser! Betet, daß sie stets Freunde bleiben wie jetzt!
RUDOLPH.
– Woher hat er den Namen Löwe?
LANDOLPH.
Kennst du einen Lindwurm?
RUDOLPH.
Nein.
LANDOLPH.

So kennst du nichts. Stell dir einen Kelleresel vor [15] mit fünfzig Füßen, aber millionenmal größer. So ein Tier hatte einen Löwen umklammert, daß er heulte wie ein Hund. Der Herzog sah es, und rettete den Leuen durch einen Schwertstreich. Dafür folgte der Löwe dem Herzog nach bis an das Meer von Askalon – da ertrank er, als sie ihn auf das Schiff nicht mitnehmen konnten – doch dem Herzoge blieb der Name und die Macht!

WILHELM.
Auf die Seite – der Löwe geht vorbei!
LANDOLPH.
Wolkenschwer, wie ein Sturm!

Sie treten zurück.
HEINRICH DER LÖWE
tritt auf, für sich.
Das nimmt kein Ende! Grundlos dämmert es
In seinem Auge, nie wird es gesättigt!
Hoch über Mailands Trümmer, Romas Kuppeln weg,
Bis zu des Ätna Flammenhöhn, bis zu
Den Pyramiden und Jerusalem
Schweift schon sein Blick, – und Ich, der Löwe, soll
Als Hund ihn stets begleiten? Ward
Ich nicht zu groß dazu?
Ich wards.
Halb Deutschland,
Der starke Baier, der gigantsche Sachse,
Folgt meinem Ruf! Der Wend und Pole schaudern
Bei meines Namens Schall. Weithin am Nordmeer
Und an der Ostsee dehnt mein Reich sich aus,
Und als mein Tor verschließt, wenn ichs gebiete,
Den stürmschen Belt der Dänenkönig –
– Dort muß ich herrschen, Fürst des Nordens, und
Dadurch vielleicht der Welt! – Doch hier im Süden
Für Friedrich meiner Völker Blut vergeuden –
Ohnmächtig macht es mich, den Kaiser machts
Nicht größer – Rom erdrücken, heißt den Mond
Vom Himmel reißen wollen!
Seh ichs endlich?
Und strahlt er wieder wild in Mitternacht,
Der Stern der Welfen? – – – Er ist ein anderer
Als der von Waiblingen! Sie stiegen beide
In fabelhafter Vorzeit Dämmerung,
Mit wundervollem Glanz aus Deutschlands Boden,
Und stiegen immerdar, Jahrhunderte
Hindurch, bis zu des Äthers letzten Gipfeln,
[16] Ein zweites Paar der Dioskuren –
– Nun nahen sie im Scheitelpunkt zusammen,
Und Einer muß sich beugen, oder muß
Erlöschen, oder beide müssen sich
Zerstören! –
– Deinen Sturm spür ich, Geschick!
Er weht durch Friedrichs und durch mein Geschlecht!
Wie zwei Kometen treibt er unausweichlich
Einander uns entgegen, jeder flammend
Von Wetterstrahlen und Vulkanen –
Weh,
Mir grausets! Denn der Gegner ist mein Freund,
Ist aller Männer Herrlichster! Weit schöner
Als seines Diadems Juwelen, leuchten
Um seine Stirn die Kraft, der Hochsinn und die Anmut!
Es pocht das Herz mir in der Brust, wenn ich
Ihn sehe, und sie tut sich auf, wie ein
Triumphtor, um ihn zu empfangen! Auch
Die seine schlug schon laut an meiner!
– Stimme
Der Freundschaft, töne! töne! Übertön
Der Ostsee und des Nordmeers Brausen, das
Hoch über Deutschlands Gau'n und Alpen dringend,
Den Sachsenherzog ruft und mahnt nach Norden! –
– Ha, naht er da? Ich muß ihn grüßen!

Ab.
WILHELM.
Landolph, Landolph, ich sah im Auge des Herzogs eine Träne! Tod dem, der sie ihm ge macht hat!
LANDOLPH.
Weint der Herzog, so hängen über dem Harze Gewitter!
ULRICH.

Und lächelt der Kaiser, so tanzt der Neckar noch einmal so munter, und küßt jeder Schwabe sein Mädchen noch einmal so herzlich!

WILHELM.

Der Kaiser kommt! Der große Zug! Vorn das Reichspanier, die beiden krummnasigen Könige von Böhmen und Polen tragen das Schwert und den Szepter – links dem Kaiser der Löwe, rechts der junge Prinz!


Großer Kriegsmarsch.

O welche herrliche Musik!
GISO, ULRICH UND RUDOLPH. Fort! wir müssen zu unseren Fahnen.
LANDOLPH.
Wilhelm und ich sind Leibtrabanten des Herzogs, und bleiben hier bei ihm.

[17] Giso, Ulrich und Rudolph ab.
Großer Zug. – Reichsherolde voraus, vier von ihnen treten um den Reichsschild. Dann mit der Reichsfahne der Pfalzgraf Otto von Wittelsbach. Vor dem Kaiser der König von Böhmen mit dem Szepter, der König von Polen mit dem Schwert. Der Kaiser selbst. Um ihn der Erzherzog von Österreich, der Burggraf Hohenzollern, der Graf von Tirol und viele andere Fürsten und Ritter. Lanzknechte
umschließen den Zug in einem weiten Ringe.
OTTO VON WITTELSBACH
rechts vom Reichsschilde, auf der andern Seite der Bühne, die Reichsfahne mit dem Doppeladler aufrollend und aufpflanzend.
Entfalte rauschend deine seidnen Schwingen,
Du römischer, du kaiserlicher Aar, und flieg
Auf tausendjährger Siegsbahn weit und weiter,
Bis an den Saum der Welt – Der Wittelsbacher
Stürmt ewig nach dem Winke deiner Flügel!
WILHELM.
Landolph – mir wirds kurios – die Fahne rauscht
Wie'n scharfes Eisen mir durch Mark und Bein –
's ist nur ein Fetzen Seide und ich könnte
Doch für ihn sterben!
LANDOLPH.
Wilhelm, auch die Banner
Der Welfen rauschen schön und prächtig!
KAISER FRIEDRICH.
In diesem Feldzug schlaf ich heute nacht
Das erste Mal dort in der Pfalz auf dem
Roncalschen Feld. Herolde an eur Amt
Und übt uralten Brauch!

Drei starke Trompetenstöße. – Dann.
EINER DER VIER UM DEN REICHSSCHILD STEHENDEN REICHSHEROLDE.
Der Kaiser schläft
Heut nacht in seiner Pfalz zum ersten Mal
Auf dem roncalschen Feld!

Mit dem Stabe an den Reichsschild schlagend.

Es tönt der Heerschild! –
– Bei seinem Klange rufen wir des Reichs
Unmittelbare Lehensträger auf, gerüstet
Hier zu erscheinen, und des Kaisers Schlaf
Gezückten Schwerts persönlich zu bewachen!
Den Säumigen trifft Acht und Tod!
[18]
KAISER FRIEDRICH.
Nun ruft
Die Namen!
DER REICHSHEROLD.
Herzog Baierns und von Sachsen!
HEINRICH DER LÖWE
tritt vor.
Mit allen seinen Kriegern ist er da!
KAISER FRIEDRICH.
Heinrich, mein Löwe!
HEINRICH DER LÖWE.
Kaiser du, und Freund!
KAISER FRIEDRICH.
Ich werd
Es ewig dir gedenken, wie du rascher
Und mächtiger als alle, meinem Wort
Gefolgt bist. Halb mein Heer besteht
Aus deinen Scharen. Sie
Erkennt der erste Blick: die Baiern dort,
Stark, fest und treu, wie Landshuts Mauern –
Und dort die Niedersachsen, riesig
Und herrlich, wie die Föhren, die den Harz
Umsausen! Stolzer und gewaltiger
Als jedem andern Könige der Erde, schlägt
Die Brust dem deutschen Kaiser, sieht er Mannen
Wie diese! Wer kann sie bezwingen?
HEINRICH DER LÖWE.
Kaiser,
Mein Kaiser – Sachsen gabst du mir und Baiern –
Ich dank es dir – jedoch ich furcht, ich fürchte,
Du machtest mich zu groß!
KAISER FRIEDRICH.
Zu groß? – Mein Heinrich,
Ich kann dich nicht verstehn und will es nicht! –
– Doch hör: – nichts ist zu groß dem Hohenstaufen,
Am wenigsten der Freund!
PRINZ HEINRICH.
Herr Herzog, fürchtet
Euch selbst vor Eurer Größe, drückt sie Euch
So schwer! – Wir scheun sie nicht, uns scheint sie klein
Genug!
KAISER FRIEDRICH.
Sohn,
Welch Wort in deinem siebzehnjährgen Munde?
HEINRICH DER LÖWE
für sich.
– Ha! regt es sich auch schon in dem? – Das war
Der Geist der Hohenstaufen! – Er scheint erblich
Wie ihre Kronen! Doch der Welfen Sinn
Erschreckte auch oft schon am Kind der Wiege!
Den kecken Knaben da möcht ich zerreißen!
Ich muß mich bändigen mit aller Kraft!
[19]
KAISER FRIEDRICH.
Sohn, sei du stolz, wie nur ein Gott es sein kann,
Allein dann streb auch unverdrossen, daß
Dein Wert dem Stolze gleich sei, und du wirst
Titanengroß!
HEINRICH DER LÖWE.
Hört die waiblingische Erziehung!
PRINZ HEINRICH.
Wenn an der Größe auch, am Streben solls
Nicht mangeln!
KAISER FRIEDRICH.
Weiter ruft, Herolde!
DER REICHSHEROLD.
Der
Erzherzog Österreichs!
DER ERZHERZOG VON ÖSTERREICH
tritt vor.
Er grüßt den Kaiser!
KAISER FRIEDRICH.
Du heißt des Reiches »Herz und Schild« und bist
Ein kräftges Herz, ein starker Schild! Der Magyar,
So wild er vorwärts drang, steht er dir still,
Und an Wiens Mauern wird noch manches Schwert
Zersplittern!
ERZHERZOG VON ÖSTERREICH.
Slav und Ungar drohn mir stets
Im Norden und im Osten. Drum verzeih,
Wenn ich mit schwacher Heersmacht nur dir nahe!
KAISER FRIEDRICH.
Du selbst bist hier, und das ist mir genug!
DER REICHSHEROLD.
Der Graf Tirols!
GRAF VON TIROL
tritt vor.
Der Graf Tirols ist da!
KAISER FRIEDRICH.
Ah, mein Geleiter durch der Berge Pässe,
Der Schlüsselwahrer von Italien!
DER REICHSHEROLD.
Herzog von Zähringen!
KAISER FRIEDRICH.
Wie? keine Antwort?
DER REICHSHEROLD.
Herzog von Zähringen!
KAISER FRIEDRICH.
– Das ist empörend! –
Nah liegen Zähringens Besitzungen!
Der Herzog konnte hier sein und er muß
Hier sein! Da waltet Tücke oder Trotz,
Zwei Drachen, die ich zu zertreten weiß!
– Zum letzten Male ladet den Zähringer!
DER REICHSHEROLD.
Herzog von Zähringen!

[20] Pause.
KAISER FRIEDRICH.
Er fehlt! – Ich werf
Ihn in die Acht des Reichs! – Du Österreich
Und du, Tirol, vollstreckt sie! Seine Lande
Verfallen euch und seinen Nachbarn! Wie
Ein Märchen solls in Zukunft tönen,
Wenn man erzählt, daß einst vom Quell des Rheins
Bis zu dem Schwarzwald, von Tirols Gebirg
Bis zu Genevas See, vor welchem sich
Der Montblanc schmückt und spiegelt, Zähringen
Geherrscht hat, und sein Name Feldgeschrei
Gewesen!
DER REICHSHEROLD.
Der Graf von Burgund!
KAISER FRIEDRICH.
Gegen Frankreich
Steht er auf Wacht, und ist entschuldigt.
DER REICHSHEROLD.
Herzog
Lothringens!
KAISER FRIEDRICH.
Ist befreit aus gleicher Ursach!
– Nicht weiter ruft. Für Franken und für Schwaben
Bin ich hier selbst, und alle die noch fehlen,
Aus Flandern, Niederland, aus Trier, Köln,
Rechtfertigt ihres Weges Weite. Der
Erzbischof Christian von Mainz ist aber,
Anstatt zu zögern, uns vorausgeeilt,
Und lagert vor Ankona. Er hat schon
Befehl, sich mit dem Hauptheer zu vereinen.
Die Könige von Polen und von Böhmen
Seh ich zu meiner Freude ihren Dienst
In meiner Näh verwalten, und mein Nachbar,
Der lebensmutge Hohenzollern, schaut
Mit hellem Auge über meine Schulter!
HOHENZOLLERN.
Ich schaue nach dem Glänze, welcher mir
Entgegenschimmert, wenn ich deinen Blick
Verfolge: Deutschlands Ruhm und Ehr und Größe!
KAISER FRIEDRICH.
Was sind Italiens tote Götterbilder!
In Deutschland blüht ein Wald unsterblicher
Geschlechter! –
– Ist die Lombardei, ist Mailand
Vor mein Gericht gefodert?
DER REICHSHEROLD.
Schon dreimal!
[21]
KAISER FRIEDRICH.
O, meine Gnade ist ganz unermeßlich!
Weh allen, die ihr Lächeln nicht beachten!
Ihr Zwillingslöwe ist mein Zorn – Herolde!
Noch einmal ladet die Lombarden!
DER REICHSHEROLD.
Lombarden!
Mailänder! Euer Kaiser ruft
Euch vor Gericht! Erscheint! Er ruft nicht wieder!
KAISER FRIEDRICH.
Sie bleiben aus! Sie sind geächtet! Eltern
Und Kinder, Haus und Hof, und Hab und Gut,
Nichts wird geschont! – Hier liegt
Mein Fehdehandschuh! Wer erhebt ihn?
HEINRICH DER LÖWE.
Halt,
Mein Kaiser, gnädig! Schone und bedenke!
KAISER FRIEDRICH.
Bedenken? Wo's Verräter gibt zu strafen?
Streck deine Hand zum Himmel, wehr dem Blitz,
Wenn er zornleuchtend hinzuckt durch das Dunkel!
EIN HAUPTMANN DES KAISERLICHEN HEERS
tritt auf.
Von Rom und Mailand reiten Abgesandte
Ins Lager.
KAISER FRIEDRICH.
Mailand kommt zu spät!
HEINRICH DER LÖWE.
Nicht doch!
Sie werden Reue fühlen.
KAISER FRIEDRICH.
Gut ist das
Für ihr Gewissen, – doch mein Wort verwandelt
Deshalb sich nicht!
HEINRICH DER LÖWE.
Groß ist Lombardiens Macht!
KAISER FRIEDRICH.
Wenn ich Verrätern gegenüberstehe,
So seh ich ihre Schuld, nicht ihre Stärke!
EIN REICHSHEROLD.
Da sind die Abgeordneten!

Der Kardinal Ugolini und drei lombardische Abgesandte treten ein.
KAISER FRIEDRICH
zu den Lombarden.
Ihr drei,
Wer seid ihr?
EINER DER LOMBARDEN.
Hoher Herr, mailändsche Bürger,
Und flehn –
KAISER FRIEDRICH.
Hinweg! greift und enthauptet
Sie auf der Stelle!
[22]
HEINRICH DER LÖWE.
Hemm den Blutbefehl
Um meinetwillen!
DER KARDINAL.
Und dich warnet Roma!
KAISER FRIEDRICH.
Ha, Rom! O könnten Waffen es bezwingen!
Ein Heer tobt in mir auf bei seinem Namen!
– Enthauptet sie! das ist die einzge Sprache
Des Kaisers zu Empörern!
WILHELM
vortretend.
Wird das Volk
Einmal geköpft, Herr, so laßt mich es tun!
HEINRICH DER LÖWE.
Wie Wilhelm? willst du Henker sein?
WILHELM.
Bewahre!
Den schlechten Schinken, Herzog, möcht ich ihnen
Eintränken!
LANDOLPH
zu Wilhelm tretend.
Ja, Herzog, es sind Schufte,
Nicht wert, sie zu bekämpfen!
HEINRICH DER LÖWE
für sich.
Dunkle Ahnung
Spricht aus diesen Männern – Was sie fühlen
Bei ihnen ungewohnter Speise, seh
Ich klar: dem Sachsen ist es fremd und nutzlos,
Um dies Italien zu kämpfen!
KAISER FRIEDRICH.
Fort
Mit ihnen!
EINER DER LOMBARDEN.
Tiger und Barbar! Du mordest
Zwölf Kindern ihre Väter! Du verhöhnst
Das Recht der Völker! Würg und säe Blut!
Es zeitigt nur die Rache! Weh dir, Wütrich,
Schon Hegst du in dem Netze des Verderbens –
Unzählig zürnt schon der Lombarden Heer
Dir bei Legnano, und viel Tausende
Drohn schon in deinem Rücken!
KAISER FRIEDRICH.
Weg!

Wilhelm und andere Reisige mit den lombardischen Abgeordneten ab.

Wenn wir
Im Netze lägen, hätten wir doch Leu'n,
Die es zerreißen hülfen!
HEINRICH DER LÖWE
für sich.
Dir, Waiblinger,
[23] Ist selbst das Weltrund eng, und scheint dir bloß
Ein Netz! Schwerlich hilft der Löwe immer!
KARDINAL.
Ich tue Einspruch, Kaiser, wider dein
Verfahren!
KAISER FRIEDRICH.
Einspruch? Rom? Ich weiß es, ihr
Sprecht ein, auch wo es euch geziemt, zu schweigen!
– Was wünscht der heilge Vater, Kardinal?
KARDINAL.
Er will, daß du dich fügst, daß du die Stimme
Der Mutter, deiner Kirche hörst: gib Freiheit
Der Lombardei, gib dem Statthalter Christi
Zurück, was du ihm nahmst: Mathildens Güter, –
Den durch dich abgesetzten Geistlichen
Gib ihre Stellen wieder, und erkenne
Den Papst als Oberlehnsherrn!
OTTO VON WITTELSBACH.
Was?
Ich weiß nicht, zuckt die Hand mir, oder braust
Des Reiches Aar vor Zorn so auf, daß er
Erzittert? Papst? Des Kaisers Lehnsherr?
PRINZ HEINRICH.
Vater,
Entsetzlich sind des Kardinales Forderungen!
Es wär Ein Schlag: mit den Lombarden laß
Das Haupt vom Rumpf ihm nehmen!
HEINRICH DER LÖWE
zum Kardinal.
Freund,
Dir wäre Mäßigung recht not!
KARDINAL.
Mich mäßigen?
Warum? Ich habe recht! Wer ist der Größere,
Der Kaiser oder Gott? Und ist der Papst
Nicht Gottes Stellvertreter auf der Erde?
Die Hoheit all, die eures Kaisers Haupt
Umschwebt, ist nur geborgtes Licht! Es ist
Der Papst die Sonne, und der Kaiser nur der Mond!
OTTO VON WITTELSBACH.
Ha, Mord und Tod – wer kann das länger hören?
KAISER FRIEDRICH
auf den Kardinal deutend.
Was der da schreit, das schreit er zu dem Volke, –
Durch Fanatismus will er mirs entreißen –
Doch bin ich nicht ein Schwächling, wie sie jetzt
Auf Englands, Frankreichs, Spaniens Thronen sitzen –
– Mit diesem Blick nur, den ich auf mein Heer
[24] Hier werfe, feßle ichs an meine Brust!
DAS DEUTSCHE HEER.
Hoch lebe
Der Kaiser!
KAISER FRIEDRICH.
Hört ihrs donnern? Zündete
Der Blitz?
HEINRICH DER LÖWE
für sich.
Das sind der Hohenstaufen Augen!
KAISER FRIEDRICH
zum Kardinal.
Meld du dem Papste, daß ich sein
Begehr verweigre, über seine Kühnheit
Verwundert bin! – Wenn ich mich wundre, streb
Ich auch, des Wunderns Ursach zu vertilgen! –
– Die römsche Kirche kümmert nichts mein Streit
Mit den Lombarden, und Mathildens Erbschaft
Gehört dem Reich, als ausgestorbnes Lehn.
Verräterei und Felonie wars, wenn
Mathilde, wie ihr dichtet, sie dem Papst
Vermacht. Bei Gott, ich würde noch im Grab
Sie ächten! – Und mein Lehnsherr? Er, der durch
Die Gnade Konstantins und Karls des Großen,
Erblassern meines Throns, sein bißchen Land
Erhielt, damit er nicht trotz seines Hochmuts
Verhungre?
– Kardinal! Der Papst ist nur
Mein erster Bischof – Romas Kaiserkrone prangt
Auf meinem Haupt – Nicht lieb ich Kinderspiele –
Was sie bedeutet, will ich sein!
KARDINAL.
Bist du
Ein Römer? Steht dein Thron in Aachen, oder
In Rom? Ist dieses Heer ein deutsches, oder
Sinds römsche Legionen? So fragt dich
Mein Herr, und glaubt dich viel zu groß,
Als daß du hohle Titel mit der Sache
Verwechselst!
KAISER FRIEDRICH.
Mann, bau nicht
Zu sehr auf deines Priesterkleides Schutz!
Du könntst dich täuschen!
Aber Eins vernimm:
Die Römer waren einst das erste Volk
Der Erde, – nichts, so weit die Sonne glänzte,
War ihrem Heldentum vergleichbar, und
[25] Deshalb besiegten und beherrschten sie
Die Welt. Doch ihre Enkel arteten
Zu Memmen aus. – Da trat an Kraft der Deutsche
An ihrer großen Ahnen Stelle, und
Wie einstens Romas Adler, packte er
Den Erdball. Darum sind wir Nachfolger
Und echte Söhne Romas. Unser Wert
Ist unser Recht!
KARDINAL.
Die deutschen Kaiser macht
Der Papst! Er setzte dir die Krone auf,
Drum kann er sie dir nehmen!
OTTO VON WITTELSBACH.
Pfaffe! Hund!
Du hast dich tot geschwatzt, und tausendfach
Büß jetzt dein Schmähen!

Er dringt mit dem Schwerte auf den Kardinal ein.
ALLGEMEINES GESCHREI.
Tod den Pfaffen! Schlagt
Ihn nieder!
KARDINAL.
Heil, mir winkt die Märtrerkrone!
Fließ hin mein Blut, umschmücke meine Stirn!
KAISER FRIEDRICH
zu Otto von Wittelsbach und dem Heere.
Still! – – Haltet ihr mich etwa für ein Kind,
Und wollt mich rächen, auch wenn ich es nicht
Gebiete? Wird es not, so bin ichs Selbst,
Der Kaiser, der sich rächt und schützt!

Zeigt auf den Kardinal.

Der Mensch
Ist nur verblendet, wahn vor Aberglauben,
Und schämen müßt ich mich, an ihm mich zu
Vergreifen. Eurethalb, die ihr so hoch
Empört scheint, und nicht seiner Reden wegen,
Antwort ich ihm:
Frei durch die Gnade Gottes
Ist Deutschlands Krone, und die freie Wahl
Der Deutschen überträgt sie. Dem Erzbischof
Von Mainz gebührt dabei die erste Stimme.
Dann krönt der Erzbischof von Köln den König
Zu Aachen in der Kathedrale.
Die kaiserliche Krönung aber muß
An ihm der Papst verrichten. – Wird er dadurch,
Daß er mirs Kleid anlegt, mein Herr? – So wäre
[26] Der Knecht mehr als der Fürst!

Hornmusik hinter der Szene.

Fanfaren! – Ahn' ich recht?
DAS DEUTSCHE HEER.
Die Kaiserin! Die Kaiserin!
KARDINAL.
Ich spreche
Den Bann in Christi Namen über dich!
Verflucht seist du an Leib und Seele,
Verderben sollst du Glied vor Glied – Die Hölle
Soll ewig an dir nagen und an jedem,
Der dir vertraut ist, oder auch mit dir
Nur redet!
KAISER FRIEDRICH.
So?

Die Kaiserin Beatrice mit Gefolge von Rittern und Damen tritt ein. Er ihr entgegen.

Dem ganzen Weltkreis trotzt
Der Hohenstaufe, doch wo Schönheit nahn
Und Anmut, senkt er Schwert und Szepter,
Reißt sich den Kaisermantel ab, und legt
Zu Füßen ihn der Hochgeliebten, als
Den einzgen Teppich unterm Himmel, ders
Verdienet, daß sie ihn betrete!
BEATRICE.
Kaiser,
Verzeihe, daß die Mücke kam, um sich
In deiner Sonne wieder zu beleben!
KAISER FRIEDRICH.
O Heil und überirdscher Glanz der Sonnen,
In deren Strahlen solche Mücken sich
Erfreuen!
BEATRICE.
Einsam saß ich auf der Burg
In Schwaben – dachte nichts als dich – vergaß
Das Vaterland Burgund, vergaß den Vater –
Nach Süden, nach Italia nur, wohin
Du warst gezogen, gingen meine Blicke –
Ans Fenster drückt ich meine Stirn, und es
Erglühte unter ihr das Glas. – So oft
Des Morgens und des Abends Rot emporstieg,
Und dann die Sonne darin flammte, war
Es mir, als säh ich nur den Purpur
Des Kaisermantels um die Himmel wehen,
Und trätest du daraus hervor als Sonne
[27] In goldner Rüstung! – Schwer ward mir das Herz –
Es zog mich fort und fort – und ich bin hier – ich weiß
Nicht wie – und sehe dich, – und nicht ermessen
Kann ich mein Glück!
KAISER FRIEDRICH.
Nicht mehr beneide ich
Die Seligen im Paradiese, denn
Ich hörs, ich wohn in deines Busens Glänze!

Ein Krieger stürzt herein.

– Was gibts?
DER KRIEGER.
Herr, Hunderttausende gerüsteter
Lombarden stehen bei Legnano – Wut
Und Rachedurst durchlodern ihre Reihen!
Die Worte »Rache, Freiheit oder Tod«
Erschallen wie ein Echo, Tag und Nacht
Millionenmal durchs Heer! Sie glauben,
Daß wir noch schwach sind, und drum nahn sie schnell
Uns zu erdrücken!
KAISER FRIEDRICH
zum Heere.
In drei Stunden brechen
Wir auf, entgegen den Empörern! – Bis
Dahin bereite jeglicher sich vor
Zum Marsche und zum Kampf. Noch sind die Gegner
Entfernt, und dieses Heer ist allzu gut
Geordnet, als daß wir vor Überfall
Zu fürchten hätten. Doch wär es auch anders,
Nicht unterließ' ich der Verräter halber
Die alte Sitte – Nicht den kleinsten Brauch,
Ists nur ein kaiserlicher, vergibt
Der echte Kaiser sich!

Zu Beatrice.

Wir müssen heut
Uns trennen – Einsam mit der Krone, muß
Ich dort im Zelt von meinen Großen mich
Bis zu der Früh bewachen lassen.
BEATRICE.
Schon
Getrennt?
KAISER FRIEDRICH.
Auf Stunden nur! –

Zu mehreren Reisigen.

Schlagt dort am Po,
Wo er so lieblich rauscht, das Zelt auf, das
Mir Saladin als seiner Achtung Zeichen sandte! –

[28] Wieder zu Beatrice.

So weit die Heere Sultan Saladins
Sich lagern, von dem Indus bis
Zum Nil, ließ er der Seiden köstlichste,
Der Farben schönste suchen, um das Zelt
Daraus zu weben und damit zu zieren.
Gefangene arabsche Königstöchter stickten
Die Polster, und weich, wie des Meeres Wellen
Einst Aphrodit empfingen, nehmen sie
Den Müden auf in ihren Schoß.
– Allein ich weiß, sie sind noch viel zu rauh
Für dich –!
Wo aber fänd ich etwas, zart
Genug? – Darum verzeih und ruhe sanft!
BEATRICE.
Sanft ruhen? Jetzt? Wo jede Stunde dich
Der Schlachten Todeslos umstürmen kann?
KAISER FRIEDRICH.
Vielleicht die Liebe, sonst nichts herrlicher
As wie die Schlacht, wo unter Todesschrecken
Sich Mut und Geist von Heer zu Heer bekämpfen,
Und jedes Aug nur nach des Lebens Höchstem,
Dem Kranz des Sieges schauet und des Ruhmes!
BEATRICE.
Für deine Lieb, fühl ich, bin ich zu niedrig!
– Du jubelst und ich zittre in Gefahren!
KAISER FRIEDRICH
die Hand um Beatricens Nacken schlagend.
Glaub mir, ich schwöre es, wärst du
Nicht mein, Burgundiens zartste Blume,
Mir fehlten Licht und Duft im Kaiserruhme!
BEATRICE.
Mein Kaiser, mein Gemahl, so denk auch mein
In Feld und Kampf! Denn ewig denk ich dein!
KAISER FRIEDRICH.
Dein werd ich denken in der dunklen Schlacht –
Wo sah man Sterne schöner, als bei Nacht? –

Beatrice mit Gefolge ab; der Kaiser geleitet sie bis an das Ende der Szene, und kehrt dann wieder zurück.
HEINRICH DER LÖWE
zum Kaiser.
Es flüsterte die Liebe eben – doch
Auch darin hört ich den Waiblinger summen –
Jetzt tritt der Löwe vor dich hin, und spricht
Zu dir mit Löwenstimme:
[29] Glaubst du, daß
Ich je erbebte?
KAISER FRIEDRICH.
Du erbeben? – Nie werd ich
Den Tag vergessen, wo in Rom die Leibwacht
In ihrem Blute um mich lag, mit ihm
Mich edler schmückte, als der Purpur des Augustus, –
Wo schon mein Arm ermattet sank zu Boden,
Und, wie erregter Sand, des Volkes Menge
Herandrang mich zu überschütten –
Da Löwe, Freund, den ich umfasse, hört
Ich plötzlich deiner Stimme Donner, und
Vernahm in ihr des Helfers Nahn – es schwoll
Die Brust mir auf, wie bei Gewittergüssen
Im dürren Sommer alle Ströme wieder
Aufschwellen, – gleich Gazellen wich der Pöbel
Vor deiner Stärke auseinander, und ich war
Gerettet!
Zweifeln an dem Mut und an
Der Treue meines Retters? Eher
Am Licht des Tages!
HEINRICH DER LÖWE.
Nun so höre! höre!
Zu groß ist der Lombarden Anzahl! Du
Vergießest unnütz Blut, wagst du die Schlacht!
Laß uns zurückziehn zu den Alpen! Dort
Verschanzen wir uns, bis die ganze Macht
Des Reichs mit uns vereint ist, und mit ihr
Zertrümmern wir Italien!
KAISER FRIEDRICH.
Wo
Ich strafen will, da kenne ich nur Eile!
– Heinrich, fast furcht ich, daß ich größer von
Dir dachte, als du bist – Ich habe nie
Am Sieg gezweifelt, sah ich dich nur bei mir!
PRINZ HEINRICH.
Mein Vater, achte nicht auf den Bedächtgen!
Verschiebe nicht den Kampf mit den Aufrührern!
Der Kampf auch, ob wir siegen oder fallen,
Ist Lust!
KAISER FRIEDRICH.
Und Ehre!
HEINRICH DER LÖWE.
Wo die Hohenstaufen rasen,
Vernehmen sie der Welfen Rufen nicht,
Und tönt es noch so laut und wahr! – Rast fort!
[30] Vielleicht daß ihr auch mich ansteckt, und wir
Dann wüten um die Wette!
KAISER FRIEDRICH.
Sachsenherzog,
Schweig und gehorche! –
– Kardinal! entferne
Sofort dich aus dem Lager! – Jeder, sei
Es Priester, sei es Laie, der dem Bannspruch
Des Toren Folge leistet, büßt es mit
Dem Leben!
KARDINAL.
Der Belial, der Antichrist –
KAISER FRIEDRICH
gebieterisch.
– Ruhe! – Denn
Der Kaiser legt zum Schlummer sich jetzt hin –
Ihr Großen schützet und bewachet ihn.

Er geht in seine kaiserliche Pfalz.
REICHSHEROLD.
Herzoge, Kön'ge, tretet um das Zelt,
Und dient, als treue Wacht, dem Herrn der Welt!

Die Könige von Polen und Böhmen, der Erzherzog von Österreich, der Burggraf Hohenzollern, der Graf Tirols, und andere Große, verteilen sich in angemessener Entfernung voneinander, gezückten Schwertes um das kaiserliche Zelt zur Wacht.
HEINRICH DER LÖWE
tritt vor.
– – – Wie still wirds ringsum – Strahlend steht der Mond
Am Himmel, und die Sterne wandeln schweigend
Und goldnen Schimmers um ihn her, gleich uns,
Die wir in diesen Harnischen den Kaiser
Umwandeln. – Alles ruhig. –
Doch wie pocht
Mein Herz! – Und welche Worte tönen mir
Im Ohr? – Wie schrie man einst in Weinsbergs Schlacht?
»Hie Welf! Hie Waiblingen!« O, was für Klänge!
Als sie erschollen, zitterten die Gipfel
Der beiden furchtbaren Geschlechter von
Dem Harzwald bis Kalabrien,
Und sich mit Blute tränkend, Stadt und Dorf
Zerquetschend, stürzten überall
Lauwinen!
LANDOLPH
der in der Nähe des Herzogs auf der Szene geblieben.
[31] Herr, Ihr sprecht da von Welf
Und Waiblingen! – Gehts los? – Verlaßt Euch drauf,
Wir packen schon den Schwaben – Er
Soll sich verwundern!
HEINRICH DER LÖWE.
Knecht sei still! Noch rief
Ich nicht!
LANDOLPH.
Es klang mir doch grad so, als hört
Ich unser altes Feldgeschrei!
HEINRICH DER LÖWE
für sich, schaudernd.
Ich sprachs
Nur leis, und schon ergrimmt der Knecht!
DER KARDINAL
schleicht in die Szene; zu Heinrich dem Löwen.
Du, großer Welfe, faß, zerschmettere
Den Hohenstaufen! Schließ dich an das Heer
Von Mailand, und verloren ist er! Schwer
Gekränkt bist du von ihm. Willst du
Sein Hund stets sein? Der Papst –
HEINRICH DER LÖWE.
Du armer Schelm,
Du wähnst, es wäre kleinlicher Verrat,
Mit dem ich meinen Kaiser würd verlassen?
Fall ich ihm ab, so fall ich frei und offen,
Wie Donner von dem Himmel, die der Blitz
Vorher verkündet – Leu und Kaiser sind
Zu stark, als daß sie ewig sich vertrügen. –
– Sie können sich ermorden und doch lieben!
– – Sieh diesen Tropfen, Freund, im Aug mir beben, –
– So bebt die Eiche unter Wetterschauern! –

Für sich, an die Erde starrend.

Ja, wieder tobt das alte Nornenlied:
»Noch schrein die Raben,
Noch wächst ja Gras,
Darum nie Frieden
Ihr Waiblinger und Welfen!«

Wiederaufblickend, zum Kardinal.

– Noch da? Es fällt mir ein, der Kaiser will,
Daß du sofort von hier enteilst! Du Landolph,
Bring diesen Herrn von dannen!
LANDOLPH.
Herr, sehr gern!
KARDINAL.
Ich gehe – Halt du nur an Barbarossa fest –
[32] Er dankt dirs nicht, und du gehst mit ihm unter!

Landolph und der Kardinal ab.
HEINRICH DER LÖWE.
– Nun, Wittelsbacher, träumst du?
OTTO VON WITTELSBACH.
Leicht möglich!
Des Reiches Fahn umweht mein Haupt, und wenn
Ich träum in ihrem Rauschen, ists von Sieg
Und Ruhm! Das sind die Sterbelieder,
Wenn unter ihr die Heere blutend ringen!
HEINRICH DER LÖWE
nach der kaiserlichen Pfalz gehend.
Die Fürsten halten dort die Wacht. Ich trete
Zu ihnen.
ERZHERZOG VON ÖSTERREICH.
Wer da?
HEINRICH DER LÖWE.
Braunschweig!
ERZHERZOG VON ÖSTERREICH.
Ist willkommen
Als edler Freund und starker Wachtgefährte!

Die Wachen schreiten um die Pfalz, Heinrich der Löwe mit ihnen. Otto von Wittelsbach steht still beim Reichsbanner.
Der Vorhang fällt.

2. Akt

1. Szene
Erste Szene
Die Heerstraße nach Legnano.
Heinrich der Löwe mit seinen Truppen im Marsche.

HEINRICH DER LÖWE.
Haltet!
Beruft zu mir die Feldherrn!

Die Truppen halten; mehrere Krieger gehen ab, die Feldherrn zu rufen.
LANDOLPH.
Herzog,
Des Kaisers Heer ist schon sehr weit voraus.
HEINRICH DER LÖWE.
Glaubst du, ich wäre blind, daß ichs nicht sähe?
LANDOLPH
für sich.
Er zürnt!
HEINRICH DER LÖWE.
Bleib mit dem Wilhelm und ein paar
Handfesten Burschen in der Nähe.
Verseht euch auch mit tüchtgen Eisenketten.
LANDOLPH.
Wie du befiehlst.

Ab.
HEINRICH DER LÖWE
allein.
Der Elbstrom braust mir durch
Die Adern, und der Harz mit seinen Schrecken,
Mit seinen Felsen, Bäumen, Geiern, zieht
In meinen Geist und wird lebendig! Nicht
Mehr zag und zweifle ich – Er
Ist da, der Tag, wo sich der Welfe trennt
Vom Hohenstaufen, wo die deutsche Erde
Zerrissen wird nach Nord und Süd, und wie
Ich ahne, auf Jahrtausende! – Ich falle
Von ihm noch diese Stunde ab – Er spüre,
[34] Wie tolle Feldzüge sich enden! –
– Allein nachher – Wenn er zornatmend nun
Nach Deutschland heimkehrt – Hei, dann wird
Er nicht vergessen, und ich werde nicht
Verzeihung flehn – Für ihn gilts Kampf dann um
Mein Leben, und für mich um seine Krone –
Zwei Kampfespreise, die einander wert sind!
– Mathildis,
Mathildis! Deutschlands Kaiserkrone würde
Ein schöner Schmuck sein deines blonden Haares!
Vielleicht, daß diese Hand sie einst aufs Haupt
Dir drückt! Sie zittert schon vor Wollust!

Jordanus Truchseß, Graf von Orla, Albrecht von
Roden, Graf von Andechs und andere sächsische und baiersche Feldherrn kommen.
HEINRICH DER LÖWE
tritt unter sie.
Vasallen, denkt ihr an die Heimat?
GRAF VON ORLA.
Kann man in diesem Land der List und Tücke,
Von Sonnenglut gedörrt, verhunzt
Mit winzigen Olivenbäumen, und
Von süßem, ekelhaftem Weine voll,
An andres denken, als an deutsche Herzen,
An deutsche Eichen und des Rheinweins Rosen?
JORDANUS TRUCHSESS.
Orla! Vergiß mir nicht des Breihahns Mark
Und Schaum!
HEINRICH DER LÖWE.
So freu dich Orla! denn wir ziehn
Noch heute zu der Heimat wieder!
GRAF VON ORLA, JORDANUS TRUCHSESS, ALBRECHT VON RODEN UND DIE ÜBRIGEN SÄCHSISCHEN FELDHERRN.
Wie?
Zur Heimat? Ha, die Heimat! Wo die Weser –
Die Elbe – Nordmeer – Ostsee fluten, –
Vertraut mit uns, der Kindheit Spielgefährten!
Wo Gattinnen gleich nach dem Sieg mit Küssen
Uns danken, wo den Slaven wir, den Hunden,
Die unser Eigentum verheeren wollen,
Gleich mit dem Speer entgegen treten
Und sie zu Boden werfen – Vaterland!
Wir atmen wieder deine rauhe, aber
Gesunde, lebenskräftge, teure Luft!
[35]
GRAF VON ANDECHS.
Und dieser Rückzug ist des Kaisers Wille?
HEINRICH DER LÖWE.
Mein Wille ists! Ist der dir nicht genug?
Verlangst du etwa mehr zu wissen, Andechs?
JORDANUS TRUCHSESS.
Was kümmert uns der Waiblinger! Du selbst
Bist Kaiser, wenn du's sein willst. – Lange
Schon närrte uns der Schwabe – Welfe,
Erheb dich!
ALLE SÄCHSISCHEN FELDHERRN
aufspringend.
Welfen, empor!
HEINRICH DER LÖWE.
Kein Schwerterzücken!
Kein Aufstand!

Von seinem Sitze, den er auf einem abgehauenen Baumstamme genommen, Stille winkend.

Auch im Ruhen furchtbar!
GRAF VON ANDECHS.
Herzog, ich wag mein Haupt und sage Wahrheit! –
– Verpflichtet sind wir, dir zu folgen, doch
Nie gegen deines Kaisers Willen, der
Mit deinen Herzogtümern dich belieh!
Getreuer als der Sachse scheint der Baier –
Abfallen jetzt
Von Friedrich? Jetzt, wo ihn die Not umdrängt?
HEINRICH DER LÖWE.
Ist er ein Mann, so seh er, wie er sich
Heraushilft. – Denn er selbst zog sie sich zu! –
Er danke Gott, daß Sachsens Herzog so
Großmütig, ihn nur zu verlassen, statt
Mit seinen Gegnern sich auch zu verbünden. –
Auch möcht ich, müßt ich jemals mit ihm kämpfen,
Selbst nicht mit Gott die Ehre teilen,
Allein ihn zu bestreiten! –
Graf von Andechs,
Der Baier liebt mich minder als der Sachse –
Und du gar wagst es mir zu trotzen! Deine
Genossen schweigen, flau und tückisch! Gelt,
Wenn ich euch wieder zu dem Heere ließe,
Ihr würdet eure Leute schon bewegen,
Dem Sachsenherzog nicht zu folgen! – Doch
[36] Nunmehr erkennt den Leu'n, wenn er zum Sprung
Ausholt – Still wie der schwüle Sommerhimmel
Und doch urplötzlich wetterflammend!

Er richtet sich zornig auf.

Lanzknechte! Landolph! Wilhelm eilt herbei!
Ergreift die Baiergrafen! schließet sie
In Ketten, führt sie mit uns nach
Der Harzburg, – dort laß ich sie richten!

Landolph, Wilhelm und Lanzknechte sind hereingestürzt, und haben die baierschen Feldherrn gefesselt, und führen sie mit sich fort.
HEINRICH DER LÖWE
zu den Baierfeldherrn, indem sie abgeführt werden, auf Landolph und dessen Gefährten deutend.
He,
Fühlt ihr jetzt meine Löwenklaun? Sie sind
Gepanzert und gewaltig!

Zu den sächsischen Feldherrn.

Nach Legnano! –
– Ich bins dem Herzen, bins dem Kaiser schuldig,
Nicht hinterrücks von ihm zu weichen! Selbst
Meld ich ihm meinen Entschluß – Möglich,
Daß er alsdann noch, wo's die höchste Zeit ist,
Den Starrsinn einsieht und sich fügt!
JORDANUS TRUCHSESS.
Ich zweifle!
HEINRICH DER LÖWE
finster.
Dann – bald der Freund dem Freunde gegenüber! –
– Bei Gott, ich wollt, ich wäre nie geboren!
Entsetzlich drückt die Last des Lebens, drückt
Die irdsche Größe – Kronen sind so schwer
Als wie die Reiche, welche sie bezeichnen!
Heil, Heil dem freien Mann, der sich ernährt
Durch seiner Hände Werk, und seinem Nachbar
Des Abends ohne Furcht, daß er am Morgen
Als Feind im Schlachtfeld ihm begegne,
Die »gute Nacht« wünscht! Könige sind nur
Herausgeputzte Sklaven von Millionen! –
– – Brecht auf! und achtet, daß die Baiern mitmarschieren!
[37] Mischt sichre Leute unter ihre Reihn,
Und unterdrücket Widerstand mit Schrecken!

Aufbruch und Abmarsch des Heeres Heinrichs des Löwen.
2. Szene
Zweite Szene
Das deutsche Lager bei Legnano
Im Zelt des Kaisers.
Der Kaiser und die Kaiserin treten auf, mit ihnen der Graf von Tirol und anderes Gefolge.

KAISER FRIEDRICH.
Geliebte, dunkelrot brennt dort die Sonne,
Als spiegelte sie schon das Blut zurück,
Das heut noch fließt. Schon plänkeln die Vorposten
Der Heere – Es nahn Kampf und Schlacht!
BEATRICE.
Das sagst du freudig?
KAISER FRIEDRICH.
Wer freute sich nicht, wenn er seinen Feind
Endlich vor seines Stahles Spitze findet?
– Tirol, du flüchtest mit der Kaiserin,
Wenn ich sollt fallen!
BEATRICE.
Fallen? Du?
Unmöglich! Was verbrach ich, daß das Schicksal
Mich so bestrafen dürfte?
KAISER FRIEDRICH.
Teure –
Schwert in der Hand, die Brust im vollsten Atem,
Den Lorbeerkranz schon in den Locken fühlend,
Dahin zu sinken in des Lebens Blüte –
Das nenn ich Sterben – Auf dem Ruhebett
Gibts nur Hinkränkeln!
BEATRICE.
Du bist Barbarossa!
Mir bangt das Herz, weil du dem Tod so trotzest,
Und doch – ich könnte dich nicht lieben, wärst
Du anders!
EIN GEWAFFNETER
tritt ein.
Kaiser, die Lombarden nahn!
Schon dröhnen ihre Kriegsposaunen! Immer
Vermehren sich noch ihre Scharen, und
Die ganze Jugend Mailands hat in Banner
[38] Des Todes sich geordnet, und geschworen,
Zu sterben oder siegen!
KAISER FRIEDRICH.
Nun, so treffen
Wir würdgre Gegner, als ichs fürchtete! –

Zu dem Gefolge.

Reicht mir den Helm! Sein Busch sei eure Fahne!

Er setzt sich den Helm auf.
BEATRICE.
Wie stolz und herrlich steht er da! Es wandelt
Doch nur Ein Hohenstaufe auf der Erde!
KAISER FRIEDRICH
einen Augenblick aus dem Zelte blickend.
Der Staub fliegt auf vor beider Heere Tritten –
Es trübt der Mittagshimmel sich davor –

Zurücktretend.

Mich faßt ein unaussprechlich Sehnen nach
Dem Löwen! Niemals noch kämpft ich mit Lust,
Wo ich ihn nicht zu meiner Seite wußte!
DER GEWAFFNETE.
Er rückt jetzt eben an mit seinen Völkern.

Heinrich der Löwe mit Gefolge, unter dem Jordanus Truchseß, Albrecht von Roden und andere Ritter. Heinrich der Löwe tritt ein.
BEATRICE.
Da ist er!
KAISER FRIEDRICH.
Heinrich, komm in meine Arme!
HEINRICH DER LÖWE
in des Kaisers Arme stürzend.
Mir schwindelt! – Schlaget, Herzen! schlagt zum letzten
Noch einmal aneinander! Möchtet ihr
Euch jetzt zerschlagen! – Es wär selger Tod!
KAISER FRIEDRICH.
Löwe, du zuckst – du atmest kurz – Was ist dir?
Bist du erkrankt?
HEINRICH DER LÖWE
sich aus der Umarmung losreißend.
Und nun wohl nimmer wieder! –
– – Kaiser, ich folge deiner Bahn nicht mehr!
KAISER FRIEDRICH.
Du folgst nicht mehr?
HEINRICH DER LÖWE.
Mit meinem Heer zieh ich nach Deutschland!
Vereinst du dich mit mir, so wirds mich hoch
Erfreun, und dir den Rückzug helf ich decken! –
– Doch nie schlag ich die Schlacht mit den Lombarden!
[39]
KAISER FRIEDRICH.
Wie? Träum ich? Oder ists der Wahnsinn,
Der wüste Bilder um das Haupt mir jagt?
Du mich verlassen? Heut? Wo mich die Feinde
Zahllos umfluten?
HEINRICH DER LÖWE.
Deine eigne Schuld!
KAISER FRIEDRICH.
Du scherzest, Heinrich! Deutschlands Ruhm, die Ehre
Des Kaisers, meines Lebens ganzes Trachten
Steht auf dem Spiel – Ich bitte, werde ernsthaft!
HEINRICH DER LÖWE.
Ich bin es nur zu sehr! – Zieh mit! Was will
Für dich die winzge Lombardei bedeuten?
In Deutschland selbst liegt Deutschlands Kraft!
KAISER FRIEDRICH.
So wenig
Kennst du der Hohenstaufen Ziele, Welfe?
HEINRICH DER LÖWE.
Ha, Welfe! Recht gelegen tönt der Name
Mir in das Ohr!
KAISER FRIEDRICH.
Was Lombardei!
Nichts gilt sie mir! Als mächtigster der Fürsten,
Ward ich Vorfechter von Europa – Was wir
Bekriegen, ist die Anmaßung der Kirche!
Und da der Papst die Lombardei als Bollwerk
Des Vatikanes mir entgegentürmt,
So ist zuerst das Bollwerk zu zerstören,
Bevor ich selbst mit diesem ehrnen Handschuh
Ihn fasse an der Brust! Und gehn Millionen
In diesem Kampf um Geistesfreiheit unter –
Sie konnten nimmer schöner fallen, und
Ich sehe schon den Phönix, welcher sich
Aus ihrer Asche riesengroß, die Welt
Mit seines Fittichs Glanz vom Aufgang bis
Zum Niedergang durchblitzend, wird erheben!
HEINRICH DER LÖWE.
Ich hörs: das beste ist, daß wir uns fliehen!
– Der Welfe strebt so kühn als der Waiblinger;
Doch nicht kämpft er um eitlen Wahn, der schon
Von selbst verfliegen wird. Er hofft am Nordpol
Noch einst die Zeichen seines Hauses aufzupflanzen,
Als ewges Denkmal, daß er ward der Herr
[40] Des Nordens und ihn bindet wie sein Eis!
Er hofft, daß unter seiner Schiffe Lasten
Dereinst noch alle Meere seufzen, während
Auf den Verdecken seine Völker jubeln!
– Leb wohl!
KAISER FRIEDRICH.
Vom Himmel stürzet, Sonnen! Alpen
Schmelzt hin wie Schnee, wenns taut im Lenz!
Erdball
Erhebe! Felsen löst euch auf in Rauch
Und Dampf – denn heut vergeht die deutsche Treue!
HEINRICH DER LÖWE.
Wo Löwentreu ist, wohnt auch Löwenwut,
Und rast die Wut, so kennt sie weder Treu
Noch Fesseln – Alles trümmert sie zu Stücken!
KAISER FRIEDRICH.
Heinrich, mein Heinrich! Hast du mich in Rom
Errettet, daß ich hier verderbe?
HEINRICH DER LÖWE.
Laß
Mich fort!
KAISER FRIEDRICH.
O, nichts, nichts auf der Welt, was ich
In diesem Augenblick nicht opferte –
– – Zu deinen Füßen stürzt der Kaiser, faßt
Die Kniee dir – sein Aug wird trübe – und er fleht:
Entweiche nicht von ihm in dieser Stunde
Der Not!
HEINRICH DER LÖWE.
Entsetzlich! – Auf! Empor! Empor!
Empor!
JORDANUS TRUCHSESS.
Herzog, die Krone, die du jetzt
Zu deinem Fuß siehst, schmückt dir bald die Stirn!
ALBRECHT VON RODEN.
Truchseß! Truchseß! ich fürchte sehr, sie wächst
Ihm übers Haupt!
HEINRICH DER LÖWE.
Wie toben in der Brust
Der Schmerz mir und der Stolz! – Hier liegt vergolten
All was die Welfen litten!
– Kaiser, auf!
Ich bitte dich – Vergebens hast du dich erniedrigt!
Es schmerzt mich – doch du hättest wissen sollen,
[41] Daß ich entschlossen bin, und nicht das Wanken
Der Welt mich im Entschlusse beugt!
BEATRICE.
Gemahl
Und lieber Herr! – Verzeih, mir bebt die Stimme! –
Steh auf! Gott wird dir seine Hülfe leihen,
Gedenkst du einst an diesen Tag!
KAISER FRIEDRICH.
Du sagst
Das, Milde? Und mit Tränen, zürnenden
Und heißen? – Sie entzünden mich, und wie
Die Flamme auf den Wetterstrahl emporzuckt,
Stürm ich empor! Trabanten, greift den Braunschweig!
HEINRICH DER LÖWE.
Weh dem, der ihn berührt. – Er ist gewaffnet,
Und viele tausend Helfer stehn ihm nah!

Wild rufend.

Hie Welf!
KAISER FRIEDRICH
ebenso wild.
Hie Waiblingen!

Auf der Seite Heinrichs des Löwen stürzen sächsische, auf der Seite des Kaisers, schwäbische und fränkische Ritter und Herren herein – sie ziehen wider einander die Schwerter, und dabei.
LAUTER RUF DER SACHSEN.
Hie Welf!
LAUTER RUF DER SCHWABEN UND FRANKEN.
Hie Waiblingen!

Schwäbisch-fränkischer Kriegsmarsch ertönt mit Trompeten und Pauken. Die Sachsen erwidern ihn mit dem ihrigen, aus Stier-Hörnern.
ALLGEMEINES GESCHREI BEIDER HEERE.
Zum Kampf! – Zum Streit! – Ausrotten
Laßt uns die Welfen! – Die Waiblinger! –
DONNERNDES GESCHREI DES LOMBARDENHEERS AUS DES FERNE.
Guelfen hoch!
Gegrüßet, Braunschweig, Bundsgenossen!
KAISER FRIEDRICH.
Was ist das?
EIN SCHWÄBISCHER RITTER.
Der Lombarden
Freudenschrei!
Sie grüßen

Auf Heinrich den Löwen zeigend.

den als Freund!
[42]
KAISER FRIEDRICH.
Empörer ringsum!
Die Schwerter schwingt! Wir müssen uns herausmähn!
HEINRICH DER LÖWE.
Zischt lustig, Klingen!
BEATRICE
stürzt sich zwischen den Kaiser und den Löwen.
Eh ihr hier euch anfallt,
Müßt ihr erst meine Brust durchbohren! – Willst
Du doppelter Verräter werden, Löwe?
Den Kaiser nicht nur lassen, auch den Gegnern
Des Kaisers dich vereinen?
– Kaiser, willst
Du ihn zum doppelten Verrate zwingen?
Begehen muß er ihn, wenn du ihn jetzt
Angreifest!
Wollt ihr euch zu Lust und Spott
Der Wälschen wechselseitig hier vertilgen?
In Deutschland grünt der Boden, wo
Es euch geziemt, die Fehde auszufechten!
KAISER FRIEDRICH.
Ich ahnt es stets: wo hohe Zartheit wohnt,
Da wohnt auch tiefer Geist! – Burgunderin,
Du hast recht.
HEINRICH DER LÖWE.
Sie hat recht!
KAISER FRIEDRICH.
Jetzt, Löwe, geh!
Doch hüt dich vor dem Jäger, der fortan
Bis in Norddeutschlands Marken dich verfolgt!
HEINRICH DER LÖWE.
Der Löwe zittert nicht vor Jägern, ob
Ein kaiserlicher auch darunter jagte!
– Er schüttelt nur die Mähne!
DIE BEGLEITER HEINRICHS DES LÖWEN
ihre Speere erhebend und aneinander schlagend.
Schüttelt nur
Die Mähne!

Heinrich der Löwe mit seinen Leuten ab.
KAISER FRIEDRICH.
O mir ists, da ich die Tapfern
Fortziehen seh, als rissen tausend Eichen,
Die mir gewurzelt in des Herzens Gründen,
Sich blutend daraus los!
BEATRICE.
Mein Christ! Du wirst
Ganz bleich!
[43]
KAISER FRIEDRICH.
Ich werd es!

Auf die abziehenden Sachsen deutend.

Welch ein großer Teil
Von meiner Kraft zieht nicht dahin!

Hufschlag hinter der Szene.

Wer reitet
Da vor?
EIN GEWAFFNETER
tritt ein.
Der Erzbischof von Mainz
Sprengt vor das Zelt.
KAISER FRIEDRICH.
– O was tut Freundesname! –
In meinem Schmerze hätt ich fast vergessen,
Daß mir noch andre Freunde da sind, als
Der Löwe! – Einsam und verloren,
Ein in den Wind gefallnes Blatt, durchirrt
Der Mensch die Welt, wenn nicht zwei Bande,
Der Freundschaft und der Lieb, ihn an sie knüpfen!
BEATRICE.
Ist meinem Helden nicht der Liebe Band zu schwach?
KAISER FRIEDRICH.
Ich tat dir unrecht, wenn ich Band gesagt –
Die Liebe ist ein Himmel, uns umwölbend
Allüberall, wohin wir treten – Und niemand
Kann ihn, will ihn verlassen – Jeder Stern
Ist Abglanz der Geliebten!

Der Erzbischof Christian von Mainz tritt ein.
KAISER FRIEDRICH.
Hoch
Willkommen, Graf von Buch! – Vergib –
Ich wollte sagen: Christian, Erzbischof
Von Mainz!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Mein Kaiser, das gilt gleich!
Seht hier mein hyazinthnes Oberkleid –
Das ist der Christian, der Priester – Und
Darunter seht den Panzer, fest und trefflich
Gestählt, das ist der Hermann Graf von Buch,
Der Krieger!
KAISER FRIEDRICH.
Kommst du von Ankona?
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Freilich!
KAISER FRIEDRICH.
Ist deine Heersmacht stark?
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Sie ist geschmolzen!
Die Pest ist schlimmer als die Italiäner.
Ich zähle nur sechshundert Mann noch, und
[44] Dabei circa achthundert Esel!
KAISER FRIEDRICH
lächelnd.
Da wären ja mehr Esel als wie Menschen!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Das trifft sich auch zuweilen. – Meine Tiere
Sind aber wohlbepackt mit köstlichem
Gerät und ein'gen Damen, die mich lieben.
KAISER FRIEDRICH.
In Christo?
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Herr, in aller Ehr und Zucht!
KAISER FRIEDRICH.
Hast du die Stadt erobert?
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Dein Befehl
Gebot mir allzuschnell den Aufbruch. Zwar
War ich entschlossen, in der Eile
Noch einen Sturm zu wagen – Aber die
Ankonitaner waren klug. Sie brachten
Mir etwas, was mir teurer ist, als ihr
Verwünschtes Rattennest.
KAISER FRIEDRICH.
Das war?
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Kontribution!
Was frag ich darnach, ob das Volk mich Fürst
Nennt oder Knecht! – Wenns nur kontribuiert!
KAISER FRIEDRICH.
– Weißt du, daß mich der Löwe hat verraten?
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Ich weiß – 's ist schlimm – Denn übermächtig ist
Noch der Lombard'!
KAISER FRIEDRICH.
Was rätst du mir zu tun?
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Ich rate, Kaiser: Beten und Dreinschlagen!
Des Guten tut man nie zuviel. Hilfts nichts,
So schadet es auch nichts!
KAISER FRIEDRICH.
Du denkst ja fast
Wie ein Waiblinger!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Jeder brave Deutsche
Denkt so wie ihr! Nur nicht die Welfen – Denn
Dem Welfen leuchten andre, eigne Sterne!
KAISER FRIEDRICH.
Was aber hab ich mit ihm zu beginnen?
Verführte ihn sein Stern, so ist er schuldlos!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Versuche es, ihn zu vertilgen, aber hasse
[45] Darum ihn nicht.
KAISER FRIEDRICH.
Niemand wird das begreifen!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Ich weiß, der Braunschweig hats begriffen. Er
War sonst dir wahrlich nie untreu geworden!
KAISER FRIEDRICH.
Auch sprach der Welfe so etwas. – Mich
Erfreuts! Sein Abfall ließ an Menschenwert
Mich zweifeln!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Herr, du bist ein großer Mann,
Doch dir fehlt Eins!
KAISER FRIEDRICH.
Nenn es!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Du denkst zuviel
Ans Hohe, Überirdische – und schätzest
Das Geld nicht! – Geld, mein Kaiser! Hattest
Du Geld, so konntest du des Leuen lachen,
Denn hunderttausend Söldner waren dein,
Um ihn und die Lombarden zu bestrafen. –
– Ich mach es anders – Sieh nur meine Leute:
Mit Gold beladen sind sie wie Kamele –
Und du sollst sehn, sie fechten wunderbar!
Sie wissen auch warum! Ihr Leben ist
Was wert! Reich sind sie! Werden sie gefangen,
So werden sie geplündert! O die zeigen
Die Zähne! –
Doch bei dir hab ich noch Hoffnung!
KAISER FRIEDRICH.
Die wäre?
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Sicher wird dein Sohn ein Geizhals!
Dein Beispiel warnt ihn! Böse Eltern, gute Kinder,
Und gute Kinder, böse Eltern!
KAISER FRIEDRICH.
Freund,
Dein Scherz erquickt mich in der Stunde der
Gefahr. Ich danke dir.
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Wo wäre Scherz
Auch nötiger und angemeßner als
Im Unglück?
PRINZ HEINRICH
stürzt herein.
Vater, in den Heeren tönen
Die Losungsworte schon! Harnische rauschen
Und Schwerter blitzen! Ungeduldig klopfen
[46] Die Herzen, und die Rosse stampfen! – Heil uns,
Die Schlacht ist da!
KAISER FRIEDRICH, ERZBISCHOF VON MAINZ, GRAF VON TIROL UND DIE ANWESENDEN RITTER UND KRIEGER.
Heil uns! die Schlacht ist da!
BEATRICE.
Die Schrecklichen!
KAISER FRIEDRICH.
So heiß' uns nicht. Wir alle
Fielen mit Lust für dich!
ALLE ANWESENDEN.
Mit Lust für Sie!
KAISER FRIEDRICH.
Die Zelttür auf, daß ich die Stellung seh
Der Scharen!

Die Zelttür wird geöffnet, man sieht das deutsche Heer in Waffen, und fern im Hintergrunde auf weitgedehnten Anhöhen die Lombarden.

Mein Befehl ist gut befolgt!
Geordnet stehn wir, wie ich es gewünscht.
Doch eher nicht zum Kampf, als bis der Feind
Den Bach dort überschreitet. Dann
Die Brust ihm vor!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Und vor der Brust die Degen!

Die Könige von Böhmen und Polen, der Erzherzog von Oesterreich, Otto von Wittelsbach, der Burggraf Hohenzollern und andre stürzen ins Zelt.
HOHENZOLLERN.
Mein Kaiser, schnöd wardst du vom Leu'n verlassen,
Doch Österreich, und Wittelsbach, und Hohenzollern,
Und alle, die dich hier umdrängen, streiten
Mit doppelt großem Eifer nun für dich!
KAISER FRIEDRICH.
Ein herrlich Volk sind meine Deutschen! Weil
Der Eine untreu war, so glühn dem Andern
Vor Scham und Zorn die Wangen –
– Opferflammen,
Die mich versöhnen!
HOHENZOLLERN.
Flammen! Unser Blut
Brennt für dich mächtger als das Feuer!
KAISER FRIEDRICH.
Ha, du mein Hohenzollern!

Ihn umarmend.

Tritt du jetzt
An meines Löwen Stelle! Schon dein Name
[47] Erinnert mich an meinen, und der Burg
Der Hohenstaufen liegt im Schwabenland
Die Burg der Hohenzollern gegenüber!
Gewitterwolken ziehn oft über beide,
Doch keine beugt davor die Scheitel, und
Noch wen'ger die Bewohner! – Oft wenn ich
Von meines Schlosses Zinnen dich, o Nachbar,
Und deine Burg erblickte, wenn ich dann
An dich gedachte, deiner Ahnen Taten,
An euren Namen, fiel prophetisch es
Mir ein: gewiß, daß einst, wenn Hohenstaufen
In dieses finsteren Zeitalters Kämpfen
Zu Trümmern sank, der Hohenzollern sich
Bei hellern Sonnen wird erheben, das
Vollendend, was mein Haus begonnen, kühn
Der Welt den Schild vorhaltend, welcher gleich
Dem Himmel glänzt und tönet, von
Der Macht, der Wahrheit und der Freiheit Blitz und Donner! –
– Ich ahns, daß andre Friedriche mich einst
Ersetzen, sei's aus meinem Hause, sei's
Aus eurem! Hoch heißt unsrer Namen
Vorsilbe, hoch, dem Schicksal Stirne bietend,
Laß uns dem Feind begegnen! – Laß du uns
Nicht niedriger als unsre Namen sein!
– Wohlan zur Schlacht!
BEATRICE.
Mein Kaiser, nun
Willst du dich stürzen ins Verderben?
KAISER FRIEDRICH.
Geliebte,
Hältst du zurück mich auf der Ehre Bahnen?
BEATRICE.
Zieh hin! Gott schütze dich und stärke mich!
KAISER FRIEDRICH.
Tirol, du sorgst für sie!
GRAF VON TIROL.
Verlaß dich auf
Die Felsen von Tirol und seine Herzen!
KAISER FRIEDRICH.
Ihr Helden,
Jetzt zeigt, daß dann auch, wenn wir unterliegen,
Wir doch verdient gehabt, glorreich zu siegen!

Schlachtmarsch. Alle ab.
3. Szene
[48] Dritte Szene
Schlachtfeld bei Legnano.
Die von den Lombarden besetzten Hügel. Gherardo in Rüstung, auf einem erhöhten Platze stehend; bei ihm das Carroccio mit der Fahnenwache. Gewaffnete Lombardenhaufen aus allen lombardischen Städten. Unter ihnen, in schwarzer Rittertracht, die Todesbanner der Jünglinge von Mailand, angeführt von Alberto und Galdino. Überall, aus Näh und Ferne, lombardische und deutsche Feldmusik.

VIELE LOMBARDEN.
Sie nahn! den Paduanern, die den Fluß
Dort überschreiten, kommen sie entgegen!
Freiheit und Vaterland!
GHERARDO.
Der Feigheit Zeichen
Ist eur Geschrei! Mit dem Geschrei betäubt,
Verwirrt man sich, scheucht Vögel auf – doch nicht
Die Hohenstaufen und die Deutschen! – Ruhe!
Ich will es, euer Oberfeldherr! Nur
Auf meine Stimme achtet, und nur wo
Ich frage, gebt mir Antwort! –

Zu Alberto und Galdino.

Todesbanner,
Seid ihr entschlossen, nicht zu weichen? Eher
Zu sterben?
ALBERTO UND GALDINO.
Mailands Jugend ist dazu
Entschlossen!
GHERARDO.
Wohl, so schwörts!
ALBERTO, GALDINO UND DIE TODESBANNER.
Wir schwören es!
GHERARDO
zu Alberto und Galdino.
Denn schaut: hier gilts nicht Scherz – sie rücken
Dort an, zwar klein an Zahl, doch ein Geschlecht
Von Heldenriesen – ihrem Blick und Schwert
Begegnen, wird entsetzlich sein. – Wir müssen
Durch Angriff der gemeinen Menge, aus
Lombardiens Städten hier versammelt,
Sie erst ermüden, und dann, Banner, brecht
Ihr los! dann, dann, Alberto und Galdino,
Erwart ich, daß ihr eure Worte mit
[49] Der Tat belegt!
ALBERTO UND GALDINO.
Noch sterbend schreiben wir
Mit unserm Blut den Namen »Mailand« auf
Den Rasen!
GALDINO.
Wer
Schwingt dort so stolz die deutsche Fahne?
Wie eine sturmbewegte Flamme weht
Sie in der Luft!
GHERARDO.
Das ist der Wittelsbacher, –
Wild wie er selbst ist, flattert sein Panier!
GALDINO.
Und jener mit dem blauen Bischofsmantel,
So festen Schrittes vorwärts schreitend,
Als könnt er nie zurück – Der Priester will
Uns auch bekämpfen?
GHERARDO.
Wirst es spüren! Es
Ist der Erzbischof Christian von Mainz,
Und statt des Psalters hält er in der Hand
Die Keule!
GALDINO.
Dort der Silberglänzende,
Der mit dem Schwerte nach uns winkt?
GHERARDO.
Erkennst
Du nicht des Hohenzollern Glanz und Jugend?
GALDINO.
Und jene beiden mit den Königskronen
Im dunkelen Gelock?
GHERARDO.
Die Könige
Von Böhmen sinds und Polen, Träger
Des kaiserlichen Schwerts und Szepters! – Wohl uns,
Daß Braunschweigs Löwe abfiel! Noch
Genug Gewaltge müssen wir besiegen!
GALDINO.
Doch da – der in der goldnen Rüstung
Auf braunem Hengste durch die Reihn
Hinzuckend – das Visier weit aufgeschlagen –
Die breite Stirne frei, als wäre sie
Von unverwundbarm Erze – mit dem Auge
So furchtbar dunkel auf uns schauend, daß
Mir ist, als stand ich vor zwei Gräbern – Ha,
Das sind die Blicke des, vor welchem Mailand
Im Schutt das Haupt verbarg!
DIE MAILÄNDER UND LOMBARDEN.
Ha Barbarossa!
Auf, ihm entgegen!
DER KARDINAL UGOLINI
tritt auf.
Ja, erschlagt, erschlagt ihn!
[50] Ich segne euch!
GHERARDO.
Wie, Herr Kardinal, Ihr seid
Hier auch?
KARDINAL.
Hier Mann, an meiner Stelle, unter
Dem Schutze Gottes!
GHERARDO.
Der tut Euch sehr not!
Es fliegen hier schon schwäbische Wurfspeere!
KARDINAL.
Weh! Wehe!
GHERARDO.
Traf es schon? Es ist mir leid!
Wurfspeere sind zu starr und eisern, selbst
Um Fromme zu verschonen –
– Bringt ihn weg!

Der von einem Speer verwundete Kardinal wird fortgebracht.

– Welch übermütger Stolz – Die Ritter sitzen von
Den Pferden ab, – wie's scheint, nur um zu zeigen,
Daß sie ans Fliehen gar nicht denken!
DIE MAILÄNDER UND LOMBARDEN.
Gherardo! Vorwärts! Vorwärts!
GHERARDO.
Nicht den Fuß
Gerührt, bis daß ichs anders euch gebiete. –
Steht still wie ich – Wurfspeere –! – Kinder,
Glaubt nur, es wären Fliegen – Der Glaube macht
Ja selig! –
Aber da wirds Zeit – Los gehts!
Die Paduaner sind schon schwer bedrängt!

Kommandierend.

Lodenser, vor!
Zu Hülf den Paduanern!
KAISER FRIEDRICH
hinter der Szene.
Erzbischof
Von Mainz, entgegen den Lodensern!
ERZBISCHOF VON MAINZ
hinter der Szene.
Der Bischof grüßt euch, wälsche Kröten!
GESCHREI DER LODENSER
h.
d.S.
Zurück –
Wir sind verloren – Tod und Jammer!
ERZBISCHOF VON MAINZ
h.
d.S.
Amen!
Die letzte Ölung kann ich euch nicht geben,
Es fehlt mir Zeit dazu. Doch laß ich Messen
Zu tausenden für euch Gesindel lesen, wenn
Ihr nur brav stürzt!
GHERARDO.
Sie fliehn! –
[51] – Rücket an,
Bologner!
KAISER FRIEDRICH
h.
d.S.
Österreich! hilf dem
Erzbischof wider die Bologner!
ERZBISCHOF VON MAINZ
h.
d.S.
Dank
Dir Kaiser! nie werd ich verzagen, ist
Der Österreich mein Bundsgenoß!
– Gegrüßt,
Erzherzog!
ERZHERZOG VON ÖSTERREICH
h.
d.S.
Sei gegrüßt, mein Mainz!
GHERARDO.
Tortesen,
Stürmt vor! – – die Schlacht braust fürchterlich! –
Doch wir gewinnen sie durch unsre Menge! –

Die Szene verwandelt sich in einen andern Teil des Schlachtfeldes.
Der Erzbischof von Mainz und Erzherzog von Österreich.
ERZBISCHOF VON MAINZ
dem Erzherzoge die Hand drückend.
Nichts Köstlichres als in Gefahr ein Freund –
Tot schlägt man noch einmal so viel der Feinde!
ERZHERZOG VON ÖSTERREICH.
Nicht bei Banketten, Hochzeitsfesten, lernst
Den Freund du kennen. Wenn uns Blut und Tod
Umdunkeln, und uns da der Freund erscheint –
So jauchze: du siehst deines Lebens Stern!
GHERARDO
h.
d.S.
Vor, Veronesen!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Der Kerl hat 'ne Stimme
Wie 'n Walfisch, wenn ein Walfisch eine hätte!
– Doch überschreien lasse ich mich nicht,
Und platzte meine Lunge!

Laut.

Miserere!
Lombarden, Miserere! Seht euch vor!
Heut ist Grün-Donnerstag!

Veronesische Krieger stürzen in die Szene.
EINER VON IHNEN.
Den frechen Pfaffen
Schlagt nieder!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Freund, was hast du hier zu suchen?
[52] Du kannst hier nur verlieren – Zum Exempel
Die Hundes-Zähne da in deiner Schnauze –

Die Keule auf den Veronesen schwingend.

Nußknacker, knacke!
DER VERONESE
stürzt.
Ha!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Der schreit und beißt
Nicht mehr!

Schlägt unter die übrigen Veronesen.

Die Schufte sind kaum wert, daß man
Sie totschlägt! Fallen auf den ersten Streich!
ERZHERZOG VON ÖSTERREICH.
Ich glaubs –
Wann tust du je den zweiten?
GHERARDO
h.
d.S.
Besser
Wehrt euch, ihr Veronesen! Brescianer,
Steht ihnen schleunigst bei!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Vorwärts,
Ihr Mainzer!
ERZHERZOG VON ÖSTERREICH.
Vorwärts, Österreicher!

Beide mit Truppen ab.
OTTO VON WITTELSBACH
mit der Reichsfahne und Truppen, tritt auf.
Drauf
Und dran! dem Reichspanier geziemts zu wehn
Im Vorderreihen, und das solls auch heut!
EIN HAUPTMANN
kommt.
Wo ist der Kaiser?
OTTO VON WITTELSBACH.
Such du nur die Stelle,
Wo die Gefahr am größten, – da ist er
Gewiß!

Eilt mit seinen Truppen weiter Kaiser Friedrich, Prinz Heinrich und Hohenzollern, mit Truppen.
DER HAUPTMANN
ihnen entgegen.
Herr Kaiser, der Erzherzog wird
Bedrängt vom Feinde, und mit ihm der Mainzer!
KAISER FRIEDRICH.
Ich weiß!

Zu seinem Gefolge.

Landsleute, Schwaben, brecht los!
Nun macht mir eure Schwabenstreiche!
DIE SCHWÄBISCHEN KRIEGER
vorwärts stürmend.
Mit
[53] Dem Schwerte wollen wir sie schlagen!

Großes Schwerter-Geklirr und Geschrei verwundeter Lombarden h.d.S.
KAISER FRIEDRICH.
Brav!
Schon tönen sie!
Auf, Sohn! auf, Hohenzollern!
Auch wir dem frommen Erzbischof zu Hülfe!
HOHENZOLLERN.
Er weiß es gut, daß wir ihn nicht vergessen!

Der Kaiser, Prinz Heinrich und Hohenzollern ab.
DAS LOMBARDENHEER
h.
d.S..
Da naht der Barbarossa!
GHERARDO
h.
d.S.
Auf! auf! Ihm
Entgegen alle Scharen der Lombarden!
Von allen Seiten um ihn her! Nun denkt
An Mailands Trümmer, denkt an Weib und Kind!
Wagt dreist das Leben – nichts gilts jetzt!
Denn wenn er siegt, so ist es doch verloren!
DIE LOMBARDEN
h.
d.S.
Für Weib und Kind, für Vaterland und Leben!
GHERARDO
h.
d.S.
Halt, Todesbanner! – bleibt mir noch zurück –
Für euch ists noch nicht Zeit.

Der König von Polen und Böhmen treten von verschiedenen Seiten auf.
KÖNIG VON BÖHMEN.
Ha Pole!
KÖNIG VON POLEN.
Böheim!
KÖNIG VON BÖHMEN.
So treffen wir zusammen!
KÖNIG VON POLEN.
Auf der Flucht!
Der Feinde Menge ist zu groß! Es weicht
Mit mir der linke Flügel!
KÖNIG VON BÖHMEN.
Und
Mit mir der rechte!
KÖNIG VON POLEN.
Unser Lehnsherr ist dort
In Not geraten – Ist er zwar ein Deutscher, –
So ziehts mich doch zu ihm, wie's Blut zum Herzen!
KÖNIG VON BÖHMEN.
In Not? Wahrhaftig, ja, er ists – Und mögen
Des Heeres Flanken fliehn, wohin sie wollen –
Persönlich springen wir ihm bei!

Beide ab zu dem Kaiser.
[54]
GHERARDO
h.
d.S.
Der Sieg ist unser! Dringet weiter!
KAISER FRIEDRICH
h.
d.S.
Staub
Umwölkt das Roß, wenn es am Sommertag
Mit seinem Huf die Erde schlägt, – so qualmt
Um uns der italiän'sche Pöbel – Mit dem Atem
Des Zornes haucht ihn fort!
VIELE DEUTSCHE KRIEGER
stürzen in die Szene.
Zurück! Hinweg!
Wir müssen weichen! Unsre Arme sinken!
KAISER FRIEDRICH
mit Prinz Heinrich, Hohenzollern, Wittelsbach und anderen, tritt ein.
Am hellsten leuchtet in der Nacht die Flamme –
Im Unglück strahlen mir die hellsten Bilder! –

Sehr laut.

– Es sinkt der Stern des Glücks! – Rufet Deutschland,
Ruft Beatrice! und zwei schönere,
Gewaltgre Sterne funkeln über uns!
DAS KAISERLICHE HEER.
Hoch Deutschland und hoch Beatrice!
Doch dreimal hoch der Kaiser!

Tusch.
KAISER FRIEDRICH.
Danke dir,
Du treues, braves Heer!

Alle stürmen wieder den Lombarden entgegen.
GHERARDO
h.
d.S.
Es türmen wieder
Die Wogen sich! Besteht den Anschwall! 's ist der letzte!
KAISER FRIEDRICH
h.
d.S.
Die letzte Wog ist oft die schlimmste – Was
Die früheren zernagten, reißt sie fort!
– Schon lege ich an des Carroccio Baum
Die Hand –
GHERARDO
h.
d.S.
Jetzt, Todesbanner, tötend in
Den Tod! Ich selbst an eurer Spitze! Nieder,
Was uns begegnet!
DIE MAILÄNDISCHEN TODESBANNER
h.
d.S.
Nieder die Barbaren!
KAISER FRIEDRICH
h.
d.S.
Vergebens habt ihr euch in schwarzen Flitterstaat
Gehüllt, um eurer Herzen Bleichheit zu
Verbergen – Wir sehn nur das Weiß' im Auge!
[55]
MAILÄNDISCHE SCHAREN
auftretend.
Entsetzlich ist der Kampf mit diesem Häuflein!
Doch jetzt sind sie umzingelt!
DAS DEUTSCHE HEER
h.
d.S.
Weh! Wir sind
Umringt!
KAISER FRIEDRICH
h.
d.S.
Zurück! Jedoch nur Schritt vor Schritt!
Auch für die Flucht merkt: wer am meisten läuft,
Fällt leicht am eh'rsten!

Er tritt auf mit seinem Gefolge und dem Heere. – Zu den auf der Bühne befindlichen Mailändern.

Platz da!

Zu seinen Truppen.

Mit den Schwertern
Fegt sie hinweg – Wir müssen hier verschnauben! –

Die auf der Szene befindlichen Mailänder werden angegriffen und fortgejagt.
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Beim Pallium und der Hostie – es hat geregnet,
Und dieses ist das Land der Pilze! Wie
Die Pilze schießt das Volk hier aus dem Boden!
Ein Italiäner muß gar bald gemacht sein!
KAISER FRIEDRICH.
Was seh ich! – mich ergreift ein Graun! Die Fahne
Des Reichs wankt auf uns zu – Der Wittelsbacher
Muß auf den Tod verwundet sein!
HOHENZOLLERN.
Es gähnt
'Ne Wunde, breit und tief, an seinem Haupte!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Allein sein Auge flammt, als wärs verklärt
In ihrem Feuerglanze!
OTTO VON WITTELSBACH
schwer an der Stirn verwundet, die Reichsfahne in der Hand, wankt herein.
Hunderttausende
Versuchten, mir die Fahne zu entreißen –
Doch da durchströmte zürnend mich ihr Geist,
Ich ward gewaltig, der Lombarde stürzte!
Mit meinem Leben hab ich sie errettet,
Und besser könnt ichs nimmerdar verkaufen!
– Da! Kaiser! nimm sie hin! Verleihe sie
An einen Würdigren als mich – und mög
[56] Sein Herz sie lieben wie das meine – Ach
Das ist unmöglich!
KAISER FRIEDRICH.
Wittelsbach, du jammerst?
OTTO VON WITTELSBACH.
Es sind der Trennung Seufzer – Sie
War ja mein Einzges auf der Welt!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Getrost!
Du warest ein gar treuer Knecht. Da nimm
Die letzte Ölung. Denn für Helden
Von dieser Art hab ich dies Fläschchen immer,
Auch in den Schlachten, unterm Mantel – –
Dir winkt der Himmel.
OTTO VON WITTELSBACH.
Himmel! Himmel!
Den kenn ich nicht – die Fahne aber
Kannt ich seit meiner Jugend schönsten Tagen –
Es war der Tag an dem ich sie empfing!
KAISER FRIEDRICH.
Mein Wittelsbacher, hör und sei erfreut:
Dem Hohenzollern reich ich deine Fahne!
HOHENZOLLERN.
Ich stürze dankend, Kaiser, dir zu Füßen!
OTTO VON WITTELSBACH.
Dem Hohenzollern – Mir wird ruhiger –
Ich sehe sie durch alle Zukunft siegen!
– O selig, wer da stirbt in solcher Aussicht!

Er sinkt zu Boden.
KAISER FRIEDRICH.
Er stirbt – Sein Geist schwebt zu den Sternen!
Zum letzten Mal umwehet grüßend
Sein Antlitz mit dem Banner!

Sie schwingen die Fahne über seinem Antlitze.
OTTO VON WITTELSBACH
sich stark und groß aufrichtend.
Ha!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Wie? wacht
Er von den Toten auf?
OTTO VON WITTELSBACH
auf die Fahne zeigend.
Da wehte Luft
Des Ruhms – des Lebens! – O das ist der Hauch
Von meinem Adler! Er sprengt Todesketten!
Ich trinke ihn, und fühle mich unsterblich!

Er sinkt wieder hin und stirbt.
ERZHERZOG VON ÖSTERREICH.
Kaiser, wie wär es, wenn wir jetzt, wo uns
[57] Das Wutgeschrei des übermächtgen Feinds
Umdonnert, nimmer wichen, stehen blieben,
Bis auf den letzten Hauch an Wälschen würgten,
Und endlich im ungleichen Kampfe stürben?
PRINZ HEINRICH.
Ja, Vater, ja! So laß uns sterben! Das
War hehrer, großer Tod!
HOHENZOLLERN.
Er ists! Wir sehns
Am Wittelsbacher!
ERZHERZOG VON ÖSTERREICH.
Und in besserm Schmuck,
Als wir heut tragen, können wir nicht fallen!
Sieh! Gold umglänzt uns Helm und Panzer –
Es ist das Blut der Feinde und das eigne!
KÖNIG VON POLEN.
Und bessere Gesellschaft treffen wir
Nicht mehr auf Erden – Hohenstauf
Und Hohenzollern, Österreich und Böhmen,
Zahllose andre Edle stehen um uns her!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Wenns sein soll, fall ich mit, und geb
Euch meinen Segen!
ALLE.
Kaiser, laß uns untergehn!
VIELE HAUPTLEUTE DES HEERES
springen vor.
Das Heer stimmt ein! es will mit untergehn!
Und mit Trompeten grüßet es den Tod!

Jubelndes Trompetengeschmetter im Heere.
KAISER FRIEDRICH.
Mehr als das Leben ists, den Tod verachten!
Ich preise euch, ihr stolzen Seelen
– Doch wert nicht sind es Mailands Schurken,
Daß wir vor ihrer Meng erliegen – Hohn
Und Spott war unsre Leichenklage!
Sie sind zu klein, um in dem Feind das Große
Zu ehren!
Freunde, uns winkt bald
Ein größrer Gegner und ein größres Schlachtfeld,
Am Fuß des Harzes, wo der Löwe wandelt
Und seine Niedersachsen ihn umscharen!
Bis dahin spare uns der Tod – Denn schlecht
Kenn ich den Löwen, oder sonst wird da
Eur Blut schon strömen!

[58] Für sich.

Furchtbar deutlich hat mich
Der Leu belehrt. – Ist Deutschland einig,
Kanns der Vasall durch Abfall nicht verraten,
So ists der Erde Herrin, wenns auch nicht
Erobert – (Bettelei ist jegliche Eroberung,
Nicht nötig dem, der stark genug an sich!)
– Die Nachbarn zittern alle dann vor uns –
Und ruhig kann ich dann vom Thronsitz schaun,
Und bin doch Schiedsrichter der Welt!
Das ist
Der Sinn der römschen Kaiserkrone der Germanen!

Zum Erzbischof von Mainz.

Ich schließe Frieden!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Mit lombardschen Lumpen?
KAISER FRIEDRICH.
Nein, mit dem großen Feind, dem Papste!
Bin ich versöhnt mit ihm, so muß uns das
Gesindel schon nachfolgen! – Selbst will ich
Mit Papste Alexander sprechen!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Leicht erbittert
Ihr dadurch euch nur um so ärger!
KAISER FRIEDRICH.
Ist
Er nicht ein hoher Geist? (Und zu den niedern
Zähl ich mich auch nicht!) Hohe Geister einigen
Sich leicht, wenn sie sich Wechsel weis erkennen!
– Venedig, die Gebieterin der Meere,
Rein von Lombardiens Verbrüderung,
Erhält den Ruhm, in ihren Glanzpalästen,
Die in dem Meer die Marmorfüße kühlen,
Den Kaiser und den Papst versöhnt zu sehen! –
Sei du, der zwanzig Sprachen redet, und
Gewandt in Krieg ist und Geschäften –
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Bitte!
Ich lernte nur die Sprachen, weil die eine
Noch toller lautet als die andere.
Gescheut wird man durch keine!
KAISER FRIEDRICH.
Sei Gesandter!
Eil zu dem Papst und lad ihn nach Venedig!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Herr, Herr, ich ahne nicht einmal, was für
[59] 'Nen Friedensvorschlag ich eröffnen soll.
Es war der Papst ein Tor (und nicht ist ers!),
Glaubt er an unsere Aufrichtigkeit!
KAISER FRIEDRICH.
Um Worte hat sich Kirch und Reich gestritten –
Mit Worten schließen sie die Freundschaft wieder –
Zufall und Macht entscheiden doch zuletzt.
– Sag ihm: ich säh es ein: gerecht und gut sei's,
Daß zwei Gewalten unterm Licht der Sonne,
Die weltliche und geistliche, sich teilten,
Der Kaiser und der Papst – nicht sich befehden,
Sich unterstützen müßten beide – gegen
Des Papstes Segen, biet ich ihm den Schutz
Des Kaiserschwerts!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Ich will es wagen –
Nur Eins erlaub – Sieh Österreich,
Der wieder sich hervorgedrängt, muß schon
Zurück – Und ringsum weichen andere –
Bis an die Alpen laß mich bei dem Rückzug,
Damit im Aug ich meine Esel halte.
Sie tragen mehr als ganz Toskana wert –
Ich stürb, bekämens die Lombarden –
Doch dir steht all der Reichtum unbeschränkt
Zu Dienste!
KAISER FRIEDRICH.
Sonderbarer, edler Mann!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Wer sonderbar ist, der ist edel! Denn
Das Schlechte ist nun just nichts Sonderbares! –
KAISER FRIEDRICH
kommandierend.
Zurück nun, zu den Alpen!
Nehmt die Leiche
Des Wittelsbachers mit euch! Zu schlecht und elend
War ihm die wälsche Erde –
Er soll ruhn
Am Rhein, und ewig soll der Rheinstrom ihm
Das Grablied brausen! –
– Auch beim Rückzug greift
Den Feind an – Nicht wie Rehe – wie die Tiger,
Die wohl mitunter sich umkehren, zeigt
Euch den Verfolgern –
Blast, schlagt Siegesmärsche!
[60] Denn fehlt uns auch das Glück, der Ruhm ist unser!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Sela! – Doch der Lombarde da, – zu weit
Hat er sich vorgewagt – Ich schlag ihn tot! –
– Tot ist er! – Ach, wie wird sein Bräutchen greinen! –
– Die Keul hier ist doch stärker als manch Hirn!
Wenn man probiert, gibts viele schwache Köpfe!

Das Heer des Kaisers zieht sich unter Paukenschlag und Trompetengeschmetter mit der Leiche Ottos von Wittelsbach zurück Das mailändisch-lombardische Heer tritt auf. Gherardo an der Spitze.
GHERARDO.
Wir sind die Sieger! – Schwer hat es gegolten!
Horcht! wie mit Donnern das Gewitter,
Ziehn sie davon mit trotzgen Paukenwirbeln! –
– Vortruppen, nach! –
Ein zweiter Sieg wie dieser,
So droht der Lombardei Entvölkerung –
– Beim Anblick dieses Schlachtfeldes vergeß
Ich meine Wunden – wie vom Sturm zu früh
Zerschlagne Frühlingssaaten, liegen dicht
Gedrängt die Jünglinge der vornehmsten
Geschlechter – Manches Haus von Marmor wird
Erbeben vor der Mütter Jammerschreien!
– Wo ist Galdino?
EIN MAILÄNDER.
Ist gefallen.
GHERARDO.
Wo
Alberto?
DER MAILÄNDER.
Sank vorm Lanzenstoß
Des Hohenzollern! – Aber juble, Konsul,
Auch Barbarossa liegt erschlagen!
GHERARDO.
Das
Wär mehr als zwanzig solche Siege!
Dann könnt es sein, daß einst zur Zeit der Enkel
In Mailand und auf diesem Feld der Geist
Der Freiheit wandelte, die letzten Spuren
Der Trümmer, der Grabhügel freudig küßte,
Und riefe: lieber so die Freiheit,
Als Sklaverei in goldnen Sälen!
EIN ANDERER MAILÄNDER
tritt auf.
Herr,
Der Kaiser nicht, der Wittelsbacher fiel!
[61]
GHERARDO.
So haben wir sehr wenig nur gewonnen,
So wird sich immer Schlacht auf Schlacht erneuen,
Denn unverwüstlich ist des Kaisers Sinn,
Und Deutschlands Macht ist unerschöpflich – Kaum
Der Aufbau Mailands wird mit Sicherheit
Geschehen können. Mäßigung und Frieden
Wirds Beste sein. –
Doch jetzt laßt uns verfolgen!
Denn diese Feinde beugt zur Mäßigung
Nur der, der nie ermüdet. – Hinterdrein!

Er zieht mit dem Lombardenheere ab.

3. Akt

1. Szene
Erste Szene
Prachtsaal im Dogen-Palaste zu Venedig.
Papst Alexander
Um ihn, in ihrem Ornat, der Doge und die Senatoren von Venedig.

PAPST ALEXANDER.
Ich segn euch, Doge und Senat Venedigs!
Mög eure Stadt, der Meere Zier und Wunder,
Fortblühen bis ans Ziel der Zeit, und mögen
Mit eurer Macht und eurem Namen,
Die Enkel euren Geist und Hochsinn erben,
Und ewig wird der Ozean euch gehorchen!
DER DOGE.
Sieh diesen Brautring, hell von Diamanten –
Venedigs Doge ist Gemahl der See,
Und ewig schlagen für ihn ihre Wogen.
EINER DER SENATOREN.
Der Stamm der Nobili kann nie entarten:
Platanen zeugen nur Platanen!
PAPST ALEXANDER.
Und
Der Stolz erzeugt gar leicht die Schwäche!
DER DOGE.
Doch
Ein größres Wunder als die Meerstadt selbst,
Ereignet sich in ihr: – die beiden Herrscher
Der Christenheit, du und der Kaiser, enden
Den langen unheilvollen Zwiespalt,
Und schenken Frieden den Nationen!
LAUTER RUF
hinter der Szene.
Hoch
Der Barbarossa! Glück und Ruhm und Dank ihm!
PAPST ALEXANDER.
Was ist das?
DER DOGE.
Barbarossas Schiff fährt ein
[63] In die Lagunen, und du weißt, wie sehr
Venedig, welches er vor allen Städten
Mit kaiserlichen Freiheiten beschenkte,
Voll Dank und Liebe an ihm hängt.
PAPST ALEXANDER.
Ihr seid entlassen, um ihn zu empfangen!

Doge und Senat entfernen sich.

– Es flammt
Ein eigner Geist durch das gewaltige
Geschlecht der Hohenstaufen. Wie ein Waldbrand,
Unendlich, unauslöschlich weiter brennend,
Zuckt er durch sie von Kind zu Kindes Kindern!
– Deutlich erkenn ich ihn: sie ringen mit
Der Zeit, vertreten künftige Jahrhunderte,
Obgleich sie es vielleicht nur dunkel ahnen!
Zu eng, zu schlecht scheint ihrem Stolz
Die Gegenwart: der Lehensmannen Größe,
Der Kirche Macht beschränkt sie – gern vertilgten
Sie beides, und sie wissen nicht, daß wenn
In diesen trüben Zeiten nicht die Kraft
Der Kraft entgegenstände, nicht die Kirche
Den Trotz der Fürsten und der Ritter zähmte,
Grad der Waiblinger, der ein Gott sich dünkt,
Die schwache Welt noch mehr tyrannisierte
Als Roms Tibere!
EIN DIENER
tritt ein.
Erzbischof von Mainz
Und Mailands Konsul wünschen, daß du zum
Gehör sie läßt.
PAPST ALEXANDER.
Sie mögen kommen.

Diener ab; der Erzbischof von Mainz und Gherardo treten ein.
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Heiligkeit,
Da du dich mit dem Kaiser fügst, so fügen
Auch die Lombarden sich zum Frieden.
GHERARDO.
Herr,
So ists.
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Ich glaube doch, daß in der Welt
(Geld etwa ausgenommen) Worte nur
Das Wesen sind. Im Anfang war das Wort,
Und wahrlich es ist auch am Ende. Worte
Gesät, und was man Taten nennt, wächst munter auf.
[64] Wir kriegten, Heiligkeit, um Worte, und
Mit Worten schließen wir auch Frieden.
PAPST ALEXANDER.
Mainz,
Es tönt Graf Buch in deinen Reden. Laß
Die wilden Sprünge, komm zur Sache!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Schwer
Wird mirs. – Die Sach ist zu gewöhnlich: der
Lombard' erkennt als Herrn den Kaiser,
Abgaben zahlt er wie vor alters –
Doch dafür überläßt der Kaiser ihm
Die freie Wahl der Obrigkeiten gnädigst,
Und will nicht seine bösen deutschen Vögte
(Wie Zeus die Schlange in der Frösche Lache)
Ins Herz, in ihrer Städte Mitte setzen,
Wie es sehr gut war und wie sie verdienten!
GHERARDO.
Legnano, Herr, hat uns, obgleich wir siegten,
Das heiße Blut gekühlt. Gefallen sind
Italiens erste Edlen. Auch die Schwärmer
Der Freiheit und der Rache sind nicht mehr.
Die Reihn verödet, matt, zerfleischt von Wunden,
Entschritten wir dem Kampf. Wir sind zu schwach,
Um stets den Barbarossa zu bestreiten.
Auch regt sich zwischen unsern Städten Zwiespalt –
Es denkt für sich nur jede – Einigkeit
Ist mit der Not zugleich dahingeschwunden. –
Schon wird Mailand gefürchtet und beneidet.
Du selbst schließ'st Frieden, und wir bitten,
Genehmige den unsrigen. Wenn auch
Nicht Freiheit, schenkt er uns doch Ruhe.
PAPST ALEXANDER.
Ewig
Wird dieser Frieden nicht bestehn. Viel Spielraum
Gewährt er beiden Teilen, und es kommt
Nur darauf an, wer ihn am meisten nutzt,
– Ich billge ihn – Ihr seid entlassen.

Erzbischof von Mainz und Gherardo ab.

Erblich
Scheint zwar der Geist der Hohenstaufen, aber
Noch erblicher ist doch der Geist der Republiken
Und der Verbrüderungen! Venedig hier,
Mein Rom, das Papsttum selbst bezeugen es.
Das stolze Haus der Hohenstaufen, voll
[65] Von wilden Kaiserstirnen, wird
Verschwinden wie der Sturm, der wegfuhr über
Das Meer! Jedoch Lombardiens Städte blühn
Nach allen diesen Kriegen auf, wie Rosen
Nach Frühlingswettern!
DIENER
tritt ein.
Graf von Montferrat!
PAPST ALEXANDER.
Wie? Montferrat? Von Palästina? Führ
Ihn ein!

Diener ab. Graf Montferrat, blaß und in großer Bewegung, kommt.

Sprich! rede! was erschüttert dich?
MONTFERRAT.
Statthalter Gottes, gib
Mir Trost! Laß dein Gebet zum Himmel donnern,
Bis daß er hört und sich erbarmt! Ein Schauder
Wird alle Christenheit durchzittern! – Ach
Sie ist gefallen, ihre Mauern sind
Gebrochen, vor dem Ansturm der Seldschucken:
Jerusalem, die Heilige!
PAPST ALEXANDER.
Jerusalem!
MONTFERRAT.
Verwundet, im Tumulte unbeachtet,
Lag ich zur Seite – Da – o meine Augen! –
Sah ich das Tor gesprengt, und Sarazenen,
Hochmütig ihre krummen Säbel schwingend,
Die Rosse wie zum Siegestanze sporend,
Das Kreuz darniedertretend, mit dem Halbmond
Den Greu'l beleuchtend, fluteten herein,
An ihrer Spitze Saladin!
PAPST ALEXANDER.
Der Sultan!
Ein Heide zwar – doch furchtbar groß!
Jedoch
Es atmet in der Christenheit ein Stärkrer!
Und diesen send ich wider ihn!
MONTFERRAT.
Du selbst?
PAPST ALEXANDER.
Hier bleiben muß ich, und Europa zügeln! –
– Der Hohenstauf ists, den ich meine!
MONTFERRAT.
Nie
Vereint sich der mit dir.
PAPST ALEXANDER.
Er tuts noch heute.
Gelöst schon hab ich ihn vom Kirchenbann,
[66] Schon schifft er hieher durch Venedigs Wasser –
MONTFERRAT.
Ich dachte nur Jerusalem, und sah
Ihn nicht!
PAPST ALEXANDER.
Der Finger Gottes ists – der Einzge,
Der Saladin vernichten kann, ist unser!
– Wer nahet?

Kaiser Friedrich und Prinz Heinrich treten ein.

Ha, das sind zwei Hohenstaufen!
Nie hab ich sie gesehn – doch wie den Ätna
An seinem Feur und seiner Höhe, ahnt
Man sie am Blick und an der stolzen Haltung!
KAISER FRIEDRICH.
Mein Sohn, schau hin – das ist kein Kardinal,
Der blind fanatisiert und doch nur Werkzeug
Des Obren ist – Hier steht der Obre selbst,
Und ehrfurchtsvoll grüßt ihn der Kaiser.
PAPST ALEXANDER.
Wohl
Der Kirch und dir, daß du, ihr erster Sohn,
Den Wahn erkannt, der dich umfing! Sie nimmt
Dich liebend wieder auf, wie eine Mutter,
Und wird mit dir zu einem großen Ziel
Sich einen!
KAISER FRIEDRICH.
Wahn? Das sagt mir Alexander?
Jetzt, da wir unter uns sind, Blick in Blick?
Das große Spiel mit dir hab ich fürerst
Verloren – Aber war deshalb mein Streben
Ein Wahn? So wäre alles Edle List
Und Trug! Ich kämpfte für der Völker Freiheit,
Und Priesterherrschaft sucht ich zu vertilgen!
PAPST ALEXANDER.
Du tatest es. Doch spür in deiner Seele –
Vielleicht nur um die Kaiserherrschaft an
Die Stell zu setzen! Welche ist die beste?
KAISER FRIEDRICH
nach einigem Nachdenken, finster.
Der Taten, der Gedanken tiefste Keime
Im Busen zu ergründen, ist gefährlich.
Es liegen in ihr Schlünde, höllentief,
Und wehe dem, der sich in sie versenkt! –

Sich wieder erhebend.

Doch was ich tat, woher es auch entsprang –
[67] Ich hofft auf eine schöne Frucht, und nicht
Bewußt kleinlichen Zwecks, kämpft ich mit dir!
PAPST ALEXANDER.
Weit sieht man von den Höhn des Vatikans:
Was du erstrebtest, kann zur Wahrheit werden.
Doch du gingst her vor deiner Zeit. Wer aus
Der Zeit tritt, wird ihr fremd!
KAISER FRIEDRICH.
Ich glaube,
Auch Zeitverhältnisse sind zu bewältgen,
Denn Menschen warens, die sie schufen!
PAPST ALEXANDER.
Unter
Der Leitung Gottes!
KAISER FRIEDRICH.
Laß uns durch die Tat
Beweisen, daß wir, ob auch Meinungen
Uns trennen, Freunde sind und einig. – Billigst
Du meinen Friedensantrag?
PAPST ALEXANDER.
Du entschädigst
Die Priester alle, welche du entsetztest?
KAISER FRIEDRICH.
Ich tus!
PAPST ALEXANDER.
Erkennst des Papstes Würde,
Statthalters Gottes und Nachfolgers Christi?
KAISER FRIEDRICH.
Ich
Erkenne sie.
PAPST ALEXANDER.
Gibst zu, daß er befugt,
Auch Kön'gen ihr Vergehen zu verweisen?
KAISER FRIEDRICH.
Ich geb es zu.
PRINZ HEINRICH
für sich.
Er gibt es zu!
Wir würden
Uns schon zu wehren wissen!
PAPST ALEXANDER.
Du gewährst
Mir all die äußern Ehrbezeugungen,
Die mir gebühren?
KAISER FRIEDRICH.
Gern und leicht!
PAPST ALEXANDER.
So laß
Ich dir den Nießbrauch von Mathildens Gütern
Auf fünfzehn Jahr' (ich weiß es, du bedarfst
Ihn jetzo mehr als sonst) – dann mag ein Spruch
Von Schiedsrichtern das Recht des Eigentums
Entscheiden, – und wir sind versöhnt.
KAISER FRIEDRICH.
Wir sinds.
[68]
PAPST ALEXANDER.
Dann Heil der Christenheit – denn hör und bebe!
PRINZ HEINRICH
für sich.
Wohl hören, doch nicht beben!
PAPST ALEXANDER.
Montferrat!

Graf Montferrat tritt vor.

Den schau – in seinem Antlitz lies die Kunde!
PRINZ HEINRICH.
Blaß ist er – doch wo Gräflein Montferrat
Erbleicht, erbleicht noch nicht Waiblingen!
PAPST ALEXANDER.
Die Stadt des Herrn, die Stadt der Gnade, wo
Er wandelte, der uns erlöste, fiel
Vorm Arm des Saladin, und dieser sah es!
KAISER FRIEDRICH.
Du sahst es, und du lebst? – Vasall, ich strafe
Dich wegen Feigheit!
MONTFERRAT.
Narben, tut euch auf,
Und schreit mit blutgen Lippen: Schuld
Des Montferrat ists nicht, daß er noch lebt!
– Besinnungslos sank ich dahin im Blut,
Und Zufall rettete mich vor Gefangenschaft!
PAPST ALEXANDER
zum Kaiser.
Dir, Kaiser, winket nun die hehrste Siegsbahn!
Sie zieht dahin durch Ungarns Wälder, an
Dem Wall der Stadt des Konstantin vorbei,
Den Hellespont durchfurchet sie, – sie trägt
Dich durch Kleinasien – Antiochia
Begrüßt in dir den Retter – kühlend
Umschatten Libans Zedern sie alsdann, –
– Und an dem Ziel, im Sonnenaufgang glühend,
Auf Ölbergs Höhen, wehen irdische
Und überirdsche Palmen!
KAISER FRIEDRICH.
Es war stets
Mein Wunsch, nach aller Müh des Kaisertums,
Des vielbewegten Lebens, fromm und glorreich
Zu endigen, ein Streiter Gottes,
Auf meiner Schulter Christi Kreuz! Und ich
Gelob und schwör es dir: ist Deutschland erst
Geordnet, wie es ihm so nötig ist,
So brech ich auf mit meiner Ritterschaft,
[69] Und prüf an türkschen Säbeln unsre Schwerter!
Ich kenne Saladin, und er ist wert
Des Kampfes!
PAPST ALEXANDER.
Und versöhne dich mit Jenem,
Den Palästina kennt, und ihm den Namen
Des Leu'n verlieh, weil er noch mehr als Leu'n
Dort Schrecken säte. – Du und Er? Wer dürfte
Euch trotzen?
KAISER FRIEDRICH.
Nie Versöhnung mit dem Löwen!
Vertilgung nur und Tod!
PAPST ALEXANDER.
Wie? ward er denn
So gar fremd deinem Busen? Wäret ihr
Nicht Freunde, auf das innigste vereinigt?
KAISER FRIEDRICH.
Wir warens, und ich fühls noch immer, was
Es heißt, an Löwenbusen liebend liegen! –
– Ja, ja, er ist der Löwe – Stets noch haust
Er mir im Herzen, und zerreißt es!
PAPST ALEXANDER.
Ein großes Herz wird stärker durchs Zerreißen.
Es fühlt die Wunde tiefer als ein kleines,
Und fester heilts deshalb zusammen.
KAISER FRIEDRICH.
Wer
Das sagt, trägt selbst ein großes, einst wohl sehr
Zerrißnes Herz.
PAPST ALEXANDER.
Dreifache Kronen quetschen
Die Brust!

Der Doge und Senat von Venedig treten ein.
DER DOGE
zum Papst und Kaiser.
Venedig ruft
Nach euch mit Millionen Stimmen – Horcht,
Die mächtge Glocke vom Sankt Markusdom
Wird seine Zunge! –
– Die Lagunen sind
Verschwunden, überdeckt von Schiff an Schiff!
Die Masten aller Völker schmücken sich
Mit Flaggen, und stehn da wie Riesenblumen!
Gleich eurem Siegesbogen, vollgedrängt
Von Nobili, erhebt sich der Rialto!
Und nicht Girlanden bloß und goldne Pracht
Schmückt jedes Fenster – Fürstinnen und Damen
[70] Verzieren und erfüllen sie – es glänzen
Italiens schönste Augen euch entgegen,
Ein flammender, ein tausendfacher Spiegel,
Begierig euer Abbild zu empfangen! Blickt
Selbst hin und nehmt den Dank der Welt!

Die Flügeltüren eröffnen sich, – man sieht Venedig, voll von Volk und Freudenzeichen.
PAPST ALEXANDER.
Wir müssen
Dem Volk den Willen tun – Auf den Altan
Laß uns dort treten!

Kaiser und Papst treten auf den Altan; alle übrigen, außer Prinz Heinrich, folgen ihnen.
DAS VOLK.
Heil der Erde! Heil
Venedig! Hoch der Kaiser und der Papst!
Die Christenheit hat Frieden!
PRINZ HEINRICH
hinaussehend.
So! – Ei, ei,
Nun gehn die Zeremonien los! – Er küßt
Dem Papst die Hand –
DAS VOLK.
Dem Kaiser Heil!
PRINZ HEINRICH.
Der Pöbel
Schreit wieder! Endlich hats der Vater satt!
Ich merks ihm am Gesicht! Er führt den Papst
Die Marmorstieg hinunter – übergibt
Den Kardinälen ihn – (das ist das Klügste)
Und kommt zurück!
KAISER FRIEDRICH
wiederkommend.
Ha, was hat mich durchzuckt,
Als ich da eben stand dem Papst zur Seite,
Umtönt vom Jubelruf der Menge? Ein
Gedanke, weis und rechtlich, – wohl gefährlich
Dem Dreigekrönten, aber nicht heimtückisch –
– 's ist eine Heirat nur! Der Friedensschluß
Verbietet mir nicht, meinen Sohn da frei
Vermählen sich zu lassen, wo es mir gut scheint,
Und geh' auch Rom darob zu Grunde!

Zu Prinz Heinrich.

Sohn,
Du kennst das Reich,
Wo zwei Vulkane flammenatmend stehen,
Wo vom Vesuve bis nach Griechenland,
Von Ätnas Höhn bis Libyens Strand,
[71] Die furchtbarn Banner der Normannen wehen:
Als Schutzmacht liegts dem Papste in dem Rücken,
Doch Eine Blume nur gilt es zu pflücken,
Und es ist dein!
PRINZ HEINRICH.
Neapel! Neapel!
Als Herrscher sich in seinem Golf zu spiegeln!
Es schwingt mich himmelan mit Adlerflügeln!
KAISER FRIEDRICH.
Recht, daß in dir des Kaiserwappens Aar
Sich so bewegt – Du liebtest je?
PRINZ HEINRICH.
Ich war –
Ich bin verliebt – Es wohnt Cäcilia
Fern an dem Rhein, dem Herzen ist sie nah!
– Allein ich bin wie du ein Hohenstaufe!
KAISER FRIEDRICH.
Das heißt, nichts hält dich auf im Kampfeslaufe!
– Es gilt, der Erde Höchstes zu erreichen,
Dem großen Zwecke muß das Herzchen weichen!
PRINZ HEINRICH.
Und pflanzt ichs blutend auf als Siegeszeichen!
KAISER FRIEDRICH.
Vergiß Cäcilia!
PRINZ HEINRICH.
Ich werd sie lassen!
Was willst du mehr? Vergessen kann ich nicht!
Nur ewig kann ich lieben oder hassen!
KAISER FRIEDRICH.
Constanze erbt Siziliens stolze Throne –
Zieh hin in ritterlichem Mut und Schimmer!
Erwirb sie! Es gelingt dir, meinem Sohne!
PRINZ HEINRICH.
Schon seh ich die normannischen Barone
Zum Fuß mir! – Mein Constanze und die Krone!
KAISER FRIEDRICH.
Dann geht es mit dem Vatikan zu Ende,
Und über seinen Trümmern reichen wir,
Ich Deutschlands Kaiser, du Siziliens König,
Geschmückt mit Lorbeerkränzen uns die Hände!
PRINZ HEINRICH.
Mich treibts, mich brennts! Abschied nehm ich von dir!
Ihr huldge ich, und Romas Donner höhn ich!
KAISER FRIEDRICH
legt die Hand auf Heinrichs Schulter.
Nie wird der Hohenstaufen Haus erbeben,
[72] Solange solche Kinder darin leben!

Prinz Heinrich ab.

– Er sucht die Braut – ihr Glanz wird ihn erfreuen –
Und ich – o Zorn und Weh! – ich such den Leuen!

Ab.
2. Szene
Zweite Szene
Schwaben. Halle in der Burg der Hohenstaufen.
Beatrice tritt ein.

BEATRICE.
Die Sonne schimmert über Schwabens Hügeln!
– Und Er – so sagen alle Boten – ist gefallen
Im Kampfe bei Legnano! – Und sie schimmert!
Nein,
Schon wird sie dunkel! – Oder ists mein Auge,
In dem sie sich verfinstert? –
Ach wie öde,
Wie schal die sonst so schöne Welt – Mir grünt
Kein Lenz mehr – blüht nicht mehr die Rose – Er
Nahm alles mit sich in das Grab!
Ins Grab?
Den Schreckensschlund der schwarzen Erde!
Mir schaudert – Nie wirds satt, nie gibts zurück,
Und wenn wir auf ihm weinen, treibts hohnlächelnd
Die Blumen aus dem feuchten Rasen! –
Ha!
Hier ist der Platz, an dem er oftmals stand,
Und große Plane sann – hinaussah in
Die aufgeschloßnen Täler seines Schwabens,
Und wenn ich dann bewundernd ihn betrachtete,
Wohl aus dem Traum erwachte, zu mir trat,
Und mit der Locke meiner Stirne spielte! –
– Ich steh nun auch da, und sein Angedenken
Durchbebt mich!
O, ihr armen
Erfindungen der Troubadoure, die
Ihr die Erinnrung lobt und Phantasie!
Nichts sind sie gegen Friedrichs Gegenwart –
[73] Erinnerung ist nur die traurge Asche
Des abgebrannten Schlosses!
– Öde! trübe! –
Ihn nimmer wieder! – Einsam klopft mein Herz!
Wie weh das Herz, das einsam klopft!
Doch noch
Ist mir ein herber, und doch teurer Trost:
Verloren all mein Hoffen, all mein Sehnen
Was bleibt mir noch? – Mir bleiben doch die Tränen!
LANDLEUTE
in der Ferne singend.
Bei Legnano,
Bei Legnano
Fiel der Kaiser allergrößter!
Der Hirte seufzt
Und läßt die Herde,
Der Landmann weint,
Sein Pflug verrostet,
Der Krieger zürnt,
Doch bebt die Faust ihm –
– Verwaiset ist das ganze Land!
BEATRICE.
Schon die betrauern ihn in rauhen Liedern –
Sie können doch noch singen, und den Schmerz
Betäuben – Nicht so ich – Mit Schweigen will
Ich ihn ernähren, denn er ist mein letzter,
Mein einzger, unermeßlicher Schatz!
DER KASTELLAN DER BURG
tritt ein.
Es sprengen Reisige von stolzem Ansehn
Und mit fürstlichen Wappen auf den Schilden,
Vor unsre Burg – und der Hochragendste
Von ihnen, wünscht mit dir zu reden.
BEATRICE.
Laß
Ihn kommen!

Kastellan ab.

Ach, das wird der feierliche,
Fürstliche Todesbote sein! Ich zittre
Vor seinem Worte!
KAISER FRIEDRICH
tritt ein mit niedergeschlagenem Visier.
Beatrice!
BEATRICE.
Welche Stimme!
[74] Die hört ich einst an meinem Brauttag in Burgund!
Klingt es von Himmelshöhen zu mir nieder?
KAISER FRIEDRICH.
Mit deinem Gram mag ich nicht länger spielen.
Die Todesnachrichten, die du erhalten,
Sind falsch gewesen. Kaiser Friedrich lebt.
Glorreicher Frieden mit der Kirche schmückt
Sein Haupt. Er dacht und denket dein in Glück
Und Not –

Sein Visier aufschlagend.

und liebeatmend liegt er jetzt
An deinem Busen!
BEATRICE.
Lebt! Sein Atem weht!
O Sturm der Freude, schone, schone! Beug
Mich nicht so ganz zu Boden! Jetzt nicht möcht
Ich sterben! Ach ich bin ein schwacher Halm! –
– Mein Kaiser, Friedrich, mein Gemahl, mein Held
Und Gott! Du wieder mein! – Ich werde Sündrin!
Denn Christi Auferstehung freut mich nicht
Wie deine!
KAISER FRIEDRICH.
O welche Seligkeit, geliebt
Zu sein – geh' einsam in Gefahr und Wüsten –
Du weißt: ein fremdes Herz schlägt für das eigne!
– O Beatrice, reiner Engel! – Können
Die Engel Menschen lieben, deren Brust
Durchtobt ist von des Stolzes, Ruhmes, und
Der Herrschbegierde Stürmen?
BEATRICE.
Ja! denn Engel sehn
Die Blüt des sturmbewegten Baums! Auf Erden
Heißt man sie: Liebe!
KAISER FRIEDRICH.
Es ist wahr! Und nie
Noch schlug ein Herz fürs Edle und Erhabne,
Es hätte denn geliebt! – Selbst wenn ich auszieh, Kronen
Mir zu erringen – dein belohnend Lächeln
Strahlt doch als letzter Siegespreis! – – Wo weilt
Der Graf Tirols, der dich begleitete?
BEATRICE.
In seiner Grafschaft, um vor den Lombarden
Die Grenzen deines Reiches zu beschützen.
KAISER FRIEDRICH.
Lombarden! Die sind ruhig – Nicht mehr not
[75] Ist das! – Mit dir, mit ihm, mit allen Großen
Des Reichs zieh ich nach Mainz. Schon sammelt dort
Der Reichstag sich, um den Verrat des Leu'n
Zu richten – Und Turnier' und Ritterspiele,
Wie niemals noch Europa sie erblickt,
Sind ausgeschrieben, um mit heitrem Scherz
Den Ernst zu unterbrechen und zu zieren!
So liebts der Hohenstaufe!
BEATRICE.
O ihr Waiblinger,
Wie in dem Lenz Gewitter von dem Jura
Hinziehen über die burgundschen Auen –
So zieht ihr durch die Welt! – Ihr donnert schwer,
Doch Blatt und Blume öffnen sich um euch!
KAISER FRIEDRICH.
Die ganze Ritterschaft der Christenheit
Ist auf dem Weg nach Mainz – erst zeig ich mich
Den treuen Schwaben als ein Lebender –
Dann, daß dem Glanz die Sonne, und die Fürstin
Dem Spiel nicht fehle, ziehst du mit nach Mainz!
BEATRICE.
Wo du bist, da ist meine Heimat!

Beide ab.

4. Akt

1. Szene
Erste Szene
Lustlager des Kaisers und Reichstag bei Mainz. Überall prächtige Zelte und aufgerichtete Schranken für Turniere. Aussicht auf die das Lager einschließenden Ströme, Rhein und Main, mit ihren Rebenhügeln, und in der Ferne die Kuppeln von Mainz usw.

HEINRICH VON OFTERDINGEN
tritt auf.
Wenn ich soll wählen auf der Erde, wähl
Ich mir den Kaiser oder Dichter – Beiden
Gehorcht die Welt – Denn was der Kaiser schafft,
Das kann der Dichter zaubern! – Welch
Ein Glanz umschimmert hier Waiblingens Thronsitz!
EIN TURNIERHEROLD
hinter der Szene.
Die Sonn ist gleich geteilt! Brecht los, ihr Kämpfer!
EIN RITTER
h.
d.S.
Die Lanzen sind gesplittert, und die Rosse
Liegen im Sand – Schwertkampf zu Fuß!
GRAF VON BARCELONA
h.
d.S.
Es ruft
Der Graf Alfons von Barcelona
Den kühnsten Ritter der Franzosen vor,
Zum Speereskampf um ihrer Länder Ehre!
GRAF VON MONTPELLIER
h.
d.S.
Wenn Barcelona ruft, so hörts sogleich
Der Graf von Montpellier – Hoch Frankreich, und
Die Dame Blanchefleur! –
GRAF VON BARCELONA
h.
d.S.
Hoch Spanien,
Und hoch die Dame, deren Bild mir tief
Im Herzen brennt, allein die ich nicht nenne!
HEINRICH VON OFTERDINGEN.
Allüberall Turnier und Klang der Waffen!
Zur Ehr der Schönheit und des Vaterlandes
[77] Mit Blut und Tod gespielt! Die Hengste stolz
Auf ihre edlen Reiter, – weiße Zelter
Die Damen tragend, wie der Wind die Flammen,
Die Augen all zur Seligkeit entzündend! Schärpen,
Gestickt von Liebeshänden, Ritterbrüste
Umfesselnd – Helmesfedern flutend in der Sonne!
O, welche Herrlichkeit und Fülle!
TURNIERHEROLDE
h.
d.S.
Wer
Will um den ersten Siegspreis kämpfen? Nur
Ein Kranz ländlicher Blumen ists, allein
Die Kaiserin verteilt ihn!
ERZHERZOG VON ÖSTERREICH
über die Bühne eilend.
Österreich
Stürzt in die Schranken!
HOHENZOLLERN
ebenso.
Hohenzollern folgt
Ihm nach!
PRINZ PLANTAGENET
ebenso.
Plantagenet von England auch!
DIE KÖNIGE VON POLEN UND BÖHMEN
ebenso.
Auch Böhm' und Pole kommen!
ERZBISCHOF VON MAINZ
ebenso.
Der Erzbischof
Schwingt auf den Gast die Keule!
KAISER FRIEDRICH
h.
d.S.
Halt! Werft Lose!
Der Kämpfer sind zuviel und zwei nur können
Es sein!
TURNIERHEROLDE.
Ihr Fürsten, zieht das Los! –
– Es traf den Hohenzollern und Plantagenet. –
HEINRICH VON OFTERDINGEN.
– – – Und Sie dort, die Burgunderin! entfernt
Von mir auf Kaiserthrones Höhen,
Und doch geliebt, geehrt, von meinem Blick gesucht
Als meines Lebens einzger Stern! Sie kämpfen,
Aus ihrer Hand den Lohn des Sieges zu
Erhalten – Und ich bin nicht in den Schranken?
Ach Träumen ist der Dichter Los, und selbst
Die Wirklichkeit wird Traum in meiner Brust! – – –
TURNIERHEROLDE
h.
d.S.
Bringt frische Speere, neue Schilde, für
Plantagenet und Hohenzollern!
HOHENZOLLERN
h.
d.S.
Weg
Die Schilde – Unsre Herzen sind schon fest
[78] Genug!
PRINZ PLANTAGENET
h.
d.S.
Du redest als ein edler Held!
TURNIERHEROLDE
h.
d.S.
Der dritte Gang
HOHENZOLLERN
h.
d.S.
Er ist vollendet! Mein
Der Sieg!
TURNIERHEROLDE
h.
d.S.
Erhebt Plantagenet vom Boden!
VIELE STIMMEN
h.
d.S.
Heil, Heil, dem Sieger Hohenzollern!

Kaiser Friedrich mit Beatrice, Erzbischof von Mainz, Fürsten, Ritter und Gefolge treten ein.
KAISER FRIEDRICH.
Mein Deutschland ist doch wunderschön!
Sieh diese Ebne jetzt, gleich der von Troja,
Die Bühne der Heroen, eingefaßt
Vom Silberarm des Mains und dunklem Rhein!
Vor uns die Stadt des Erzbischofs, voll von
Großartigen Erinnerungen, und seit
Jahrhunderten, inmitten aller Zeitenstürme,
Mit ihren Türmen zu dem Himmel weisend, –
Dahinter in bläulicher Dämmerung
Die Kathedralen Gottes, die Gebirge,
Und nirgends in Europa, so erhaben
Und ausgeschmückt mit Laub und Eise als
Vom Rheinquell bis zum Harze. – Unersteiglich
Erregen sie des Menschen Kühnheit
Zu dem Erklimmen auf, und wenn sie scheitert,
Beweisen sie ihr doch, daß es ein Größres
Als Menschenkräfte gibt!
BEATRICE.
Und jene Trauben
Als Festgehäng des Rheines, wie Rubinen
An ihm hinziehend – Gleich dem Abendrot
Des Herbstes leuchten sie! – Selbst mein Burgund
Kennt sie nicht schöner!
KAISER FRIEDRICH.
Durch die Adern braust
Burgunder – der Champagner stürmt zum Himmel –
Doch will ich schmecken und genießen – mir
Die Brust mit ernstem Heldentranke stärken,
So ists der alte Rhenus, der den duftenden
Pokal mir bietet!
[79]
REICHSHEROLDE
mit Gesandten von England und Frankreich vortretend.
Die Gesandten Englands
Und Frankreichs!
DIE GESANDTEN.
Unsre Kön'ge senden uns und grüßen
Dich unterwürfig, und sie beugen sich
Vor deiner Krone Macht und Ruhm.
KAISER FRIEDRICH.
Es dankt
Der Kaiser ihrem Wohlwollen.
HEINRICH VON OFTERDINGEN.
– – Wie zuckts
So wehmutsvoll durch meinen Geist! –
Verschwinden
Wird einstmals alle diese Glorie!
Sie ist zu groß! Und Größe ist im Reich
Der Phantasie nur ewig. Oft geweint
Hab ich im Glück, doch nichts versteht davon
Die Menge!
EIN PROVENZALISCHER TROUBADOUR
mit seinen Begleitern tritt ein.
Troubadoure der Provence
Versuchten es, mit leichtem Lied dich zu
Ergötzen – Doch verzeihe – Sie sind nicht im Stand,
Die Herrlichkeit des Kaisers zu besingen!
KAISER FRIEDRICH.
Gern höre ich den Ton des Landes d'oc,
Ich lernt ihn aus dem Mund der Kaiserin.
Die Antwort nehmt auf eure lieblichen Trouvaden
Zur Ehre eurem Vaterland, zur Ehre
Den Damen, die ihr feiertet
Von Arragonien bis nach Toscana!
Plas mi cavalier Françes,
E la donna Catalana,
E l'onrar dal Ginoës,
E la court' del Castellana,
Lou cantar Provençales,
E la dansa Trevisana,
E lou corps Arragones,
E la perla Juliana,
La man i Kora d'Anglés,
E lou douzel de Toscana!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Herr, das klingt gut – Doch sieht man zu, so ists
Verdorbenes Latein! Ich lobe mir das Deutsche!
[80]
KAISER FRIEDRICH.
Recht hast du! Der Franzose scherzt und künstelt,
Der Deutsche dichtet!

Deutet auf Heinrich von Ofterdingen.

Siehst du den da stehen?
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Ich lud ihn ein.
KAISER FRIEDRICH.
Du tatest wohl. Ich merk
Auf ihn schon lange. Er ist meinesgleichen!
– Er schweigt, doch ists des Ozeans Stille, wenn
Er Erd und Himmel blinkend widerspiegelt.
Kein Laut wird hier gesprochen, keine Lanze
Zersplittert, und kein Liebesblick versandt,
Er fühlts in seiner Brust, und fort wirkts drin
In wunderbaren Kreisen!
HEINRICH VON OFTERDINGEN
hat des Kaisers Worte gehört und tritt vor.
Kaiser, du
Erkennst den Dichter!
KAISER FRIEDRICH.
Ritter du und Dichter!
– Rinnen noch immer der Chriemhilde Tränen?
HEINRICH VON OFTERDINGEN.
Sie rinnen ewig, bis mit Hagens Blut
Sie sich vermischen!
BEATRICE.
Ist ein Weib so unversöhnlich?
HEINRICH VON OFTERDINGEN.
Sie kannte nur Ein Glück – Sie hat geliebt,
Und Siegfrieds blutbefleckter Schatten schwebt
Um sie in Attilas Umarmung!
BEATRICE.
Wahr
Ist es! Wir Armen kennen nur Ein Glück,
Doch ist es end- und grenzlos – Liebe!
KAISER FRIEDRICH.
Volker,
Der kühne Sänger?
HEINRICH VON OFTERDINGEN.
Er bewachte in
Der Nacht die Recken, und mit süßen Tönen
Schwor er den Schlummer auf sie nieder. Der
Verrat hat sie erweckt. Da ist sein Schwert
Ihm Fiedel worden, – mit dem grimmen Hagen
Verbündet, stürzt er in den Tod!
KAISER FRIEDRICH.
Und Hagen?
HEINRICH VON OFTERDINGEN.
Die Flamm umlodert schon die Burgundionen
[81] Und saugt sie aus bis auf das Mark! Sie dürsten!
Doch Hagen ruft: reißt euch die Pulse auf,
Und trinkt eur eignes Blut!
KAISER FRIEDRICH
mit einem scharfen und prüfenden Blicke.
Und liefern
Sie ihn nicht aus?
HEINRICH VON OFTERDINGEN.
Ausliefern ihn? Den wilden,
Doch treuen Knecht? Hei, nun und nimmer! Eher
Zu Grunde die burgundschen Berge!
KAISER FRIEDRICH.
Wie
Im klaren Stromesbett der Kiesel, zeigt
In deiner Dichtung sich dein Herz! – So lang
In Deutschlands Gauen deutsche Männer stehen,
Wird auch dein Liedeshauch zu ihnen wehen!
HEINRICH VON OFTERDINGEN.
Hätt ich nicht Hohenstaufens Groß erblickt,
Nie wäre Nibelungen mir geglückt!
TURNIERHEROLDE
treten vor.
Der Hohenzollern naht, den Siegeskranz zu fodern!
BEATRICE
zu einer Dame ihres Gefolges.
Den Kranz!
HOHENZOLLERN
von der Kaiserin knieend.
Mir glänzt des Lebens schönste Stunde!
BEATRICE.
Den Hohenzollern kränzt die Hohenstaufin!
Streit' stets für Tugend, Ruhm und Liebe, und
Dein Stamm grünt fort, wie heute diese Blätter!
HOHENZOLLERN.
O, wie ein Wald umrauschet meine Stirn
Der Lorbeer! Kaum vermag ich aufzustehn! –

Sich erhebend.

O Kaisrin, zeige mir das Feld der Schlacht,
Auf dem ich ihn verdiene! – Wär der Wittelsbacher
Nicht bei Legnano ruhmvoll hingesunken,
Jetzt schmückt' ihn dieser Preis!
BEATRICE.
Bescheidenheit
War immerdar des Mutes erste Zierde!
Und, Hohenzollern, sie schmückt dich!

Pause.
KAISER FRIEDRICH.
Ich seh
[82] Und seh – Seh nicht der Helden mächtigsten!
– Wo bleibt der Leu von Braunschweig?
REICHSHEROLDE.
Dreimal ward
Er vorgeladen, und ist nicht erschienen.
KAISER FRIEDRICH.
Nun,
So wagt er, wie ich es gedacht, den Kampf
Mit mir! Er sei versucht! –
Der Lehenspflicht
Entbind ich seine Lehensmannen alle,
Des Wittelsbachers Erben schenk ich Baiern!
Die Erzbischöfe Kölns und Triers, Bremens
Und Halberstadts Bischöfe, Holsteins Herzog,
Und Lippes edle Grafen, mögen sich
In sein Besitztum teilen, es zerstücken!
Geächtet ist er hiermit und gebannt,
Und alle Ritterschaft, die mich umgibt,
Ruf ich zum Heerzug wider ihn!
ALLE ANWESENDEN.
Wir folgen
Vom Ebro bis zur Weser deinem Rufe!
KAISER FRIEDRICH
zu Beatrice.
O Weib! Du kennst nur Liebe, nicht die Freundschaft!
Die Liebe schmückt das Leben, wie den Baum
Die Rebe, – doch die Freundschaft bindet fest
Wie Ketten – Weh, wenn sie zerreißen! – Weh,
Wenn mir der Leu zum Fuß liegt, und da muß
Er liegen!
– – Öffnet Waffenspiel und Tänzen
Die Schranken! Laßt die Winzerinnen,
Die dort vom Rheingau nahn mit Blumen, kommen!
– Und, Ofterdingen, mit dir bricht der Kaiser
Heut seine erste Lanze!
HEINRICH VON OFTERDINGEN.
Wie werd ich
Mich mühn, den Sieg dir ehrenvoll und schwer
Zu machen!
DIE TURNIERHEROLDE
nach allen Seiten rufend.
Abermals Spiel und Turniere!
Auf, Deutschland! auf, Hispania! auf, Frankreich!
HEINRICH VON OFTERDINGEN.
Der deutsche Adler regt sich schon im Winde,
Und Spaniens Leoparde streckt sich aus,
Und Frankreichs Lilien blühn, als könnte niemand
[83] Sie brechen! – Kaiser, zu dem Lanzenrennen!

Kaiser, die Kaiserin und die übrigen ab, bis auf den Erzbischof von Mainz.
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Bei diesem Kaiser lebt es sich doch lustig,
Ist man gleich Erzbischof und Christian!
Ach, Christian! Verfluchter Name! Hätt ich mich
Bedacht: Sankt Christoph hätt ich mich genannt!

Ab.
2. Szene
Zweite Szene
Feldlager Heinrichs des Löwen am Fuße des Harzes. Viele Wachtfeuer auf den Bergen, und in der Mitte der Szene ein großes, von sächsischen Feldherrn, Graf von Orla, Albrecht von Roden usw. umringt. Wachen und Soldaten. Unter den letztern Landolph und Wilhelm.
Jordanus Truchseß kommt.

EINE SCHILDWACHE
den Speer vorstreckend.
Wer da?
JORDANUS TRUCHSESS.
Weg mit dem Eschenschaft – Hier sind
Nur treue Welfen!
GRAF VON ORLA.
Ha, Jordanus Truchseß!
Willkommen hier am Feuer!
JORDANUS TRUCHSESS.
Seid gegrüßt!
ALBRECHT VON RODEN.
Hier Bier von Goslar – Wein von Würzburg – Wähl
Und trink den Brüdern zu!
JORDANUS TRUCHSESS.
Zum Teufel
Der Wein von Würzburg und zum Teufel
Der Kaiser! Seine Herrlichkeit zu Scherben
Wie diese Flasche!

Er zerschmettert die Flasche Wein am Boden.
DAS SACHSENHEER
von allen Bergen und aus allen Tälern.
Seine Herrlichkeit
Zu Scherben, wie die Flasche!
JORDANUS TRUCHSESS.
Horcht! Der Harz
Reißt alle Schlünde seiner Täler auf,
[84] Und brüllt die Antwort!
Brüder, lebt
Als Helden, sterbt als Sieger! Mit dem Trank
Walhallas wünsch ichs euch!
GRAF VON ORLA.
Der Ahnen Geist
Durchschäumt das Bier! Mir ists, als säße ich
Bei Alf und Wittekind, und tränken Met
Aus goldumfaßten Hörnern!
JORDANUS TRUCHSESS.
Alle
Erinnrungen der Vorzeit laßt erwachen! Alfs
Und Wittekinds Trinkhörner erbt ich von
Den Vätern! Knechte, bringt sie her!

Mehrere Knechte ab.

Krieg, bis
Die Schädel uns zerspringen, den Waiblingern,
Wie einst dem fränkschen Karl!
DAS SACHSENHEER.
Bis uns die Schädel
Zerspringen!
ALBRECHT VON RODEN.
Mehrers können wir nicht tun!
JORDANUS TRUCHSESS.
Nicht? Auch noch in dem Pfuhl der Hölle ring
Ich mit dem Schwaben! – Jahr für Jahr führt' er
Uns nach Italien, wie zur Schlachtbank,
Um da für seines Hauses Groß zu bluten –
Sein einzger Dank war Lächeln – Gott gelobt,
Der Herzog sah es ein! wir sind jetzt klüger
Und fechten für uns selbst!

Die Knechte bringen die Trinkhörner; sie werden gefüllt und umhergegeben.

Und gehn die Hörner!
Kein Judas unter uns! Nur sächsische
Gesichter, stark und frei!

Ein Trinkhorn ergreifend.

Da lag vielleicht
Die Lippe Wittekinds!
Ich trinke! Mit wem
Ich trinke, mit dem sterb ich!
GRAF VON ORLA
trinkend.
Arme Sonne
Des Südens! Flau das Blut erhitzend, Schweiß
Austreibend! – Hier um Brand von Nordlands Fichten
[85] Schließt sich der Freundesbund am festesten!
JORDANUS TRUCHSESS.
Da glühts nicht nur, da flammts und brennts – Und weil
Es draußen kalt ist, weiß man auch warum!
ALBRECHT VON RODEN.
Hifthörner, hört!
JORDANUS TRUCHSESS.
Hifthörner sind das nicht!
Es ist der Klang von Seemuscheln und Pfeifen,
Wie man sie hört, wenn mit dem Sturm der Ostsee
Seekön'ge kämpfen, und ins Mastbaums Segelwerk
Die zaglosen Matrosen jagen! – Waldemar,
Der Dänen König ists mit seinen Scharen –
Der Herzog winkte, und er kommt zur Hülfe!
ALBRECHT VON RODEN.
Und welche dumpfe Trommeln schallen dort
Durch Sturm und Nacht!
JORDANUS TRUCHSESS.
Der ganze Nord vernahm
Es, als der Löwe schrie – Litauens Großfürst
Mit seinen Slaven ist es!

König Waldemar von Dänemark und der Großfürst von Litauen treten ein.
WALDEMAR UND DER GROSSFÜRST.
Heil euch, Sachsen!
JORDANUS TRUCHSESS UND DIE ÜBRIGEN.
Willkommen, Bundsgenossen!
GRAF VON ORLA.
Wenn Slav und Däne sich mit uns vereinen,
So wird man Hohenstaufen bald beweinen!
JORDANUS TRUCHSESS.
Wem schwillt die Brust nicht, blickt er um sich?
Groß ist der Leu! Der Harz liegt rot im Licht
Der Fichten, schaut mit seiner Berge Stirnen,
Umglüht von Kriegesflammen, zornig in das Land,
Ein zweiter, hundertköpfiger Typhöus,
Und unterm schweren Schritte der Westfalen
Ertönen seine Felsen – Hohenstauf,
Hier gilts 'nen andren Kampf, als bei Legnano!
ALBRECHT VON RODEN.
Dort wollen die Wachtfeuer löschen. – Sturm
Durchbraust die Forsten!
[86]
JORDANUS TRUCHSESS.
Blitze seine Flügel,
Und Wolken sein Gefieder!
– Zündet
Die Feuer an aufs neue! – Trotzt der Windsbraut! –
Die Adler fliegen wie bewegter Sand
Vor ihr dahin – doch wir stehn unverrückt!
ALLE UM DAS FEUER VERSAMMELTE GROSSEN DES HEERES
singend.
Laßt stürmen, toben, sausen,
Wir fechten, trinken, schmausen!
ALBRECHT VON RODEN.
Da auf der Eiche sitzt eine Uhu, rollt
Das Aug und heult!
JORDANUS TRUCHSESS.
Er wittert schon die Leichen,
Die bald mit Blut der Weser Ufer tränken!
LANDOLPH.
Wilhelm!
WILHELM.
Nun?
LANDOLPH.
Du, der Uhu da, ist ein
Verdächtger Kerl! Ihn trifft die Schwerenot!
Laß uns ihn fangen!
WILHELM.
Ists nur keine Hexe!
Er dreht das Auge, schwingt die Fittiche,
Als wär er ein Pastor, predigte,
Und hätte Verstand!
LANDOLPH.
Was Hexe, Wilhelm! – Heult
Er nicht in unsres Herzogs Lager? Duldest
Du das?
WILHELM.
Landolph, du kennst ja gut den Wilhelm –
– Wer unsren Herzog schimpft, den krieg ich unter,
Und kostets auch mein bißchen Leben!
LANDOLPH.
Komm!

Beide ab.
Herzog Heinrich der Löwe mit seiner Gemahlin Mathildis tritt aus dem Gebirge. Hinter ihm Gefolge.
GRAF VON ORLA
ihn erblickend.
Ha, Er!
JORDANUS TRUCHSESS.
Den schwarzen Helm stolz auf dem Haupte,
Umflüstert und umgrünt vom Laub der Eiche!
GROSSFÜRST LITAUENS.
Und welch ein wunderholder, schlanker Engel
Geht ihm in Ritterrüstung an der Seite?
[87]
JORDANUS TRUCHSESS.
Es ist der Stern, der ihm aus Abend aufging!
Mathildis, Tochter Englands, und sein Weib!
ALBRECHT VON RODEN.
Ringsum wirds still!
JORDANUS TRUCHSESS.
Die Stille vorm
Gewitter – Gleich wirds desto lauter donnern:
Hoch Braunschweigs Leu und hoch Mathildis!
DAS SACHSENHEER.
Hoch Braunschweigs Leu und hoch Mathildis!

Sie schlagen die Schilde aneinander.
HEINRICH DER LÖWE
zu seinen Feldherrn und dem Heere.
Verlassen hat mich Baiern – nie dacht es
Mir wohl, vergaß nie, daß ich hier geboren –
Ihm ist verziehn! – Wo sind die Baiergrafen,
Die wir gefangen aus Italien führten?
JORDANUS TRUCHSESS.
Kennst du die Roßtrapp, und den Abgrund, der
Darunter gähnt? Da liegen sie mitsamt
Drei Herolden des Reichs – Da mögen sie
Verfluchen uns und sich verschwören, und
Die drei Herolde ein Zeter schreien
Um ihr zerschmettertes Gebein!
HEINRICH DER LÖWE.
Trier
Und Köln sind wider mich gewaffnet – Münster
Und Bremen, eine Menge Ortschaften,
Die Friedrich schlau auf meine Kosten frei
Erklärt hat, werden zu Verräterinnen, –
Die Städt und Lande fallen von mir ab
Wie welkes Laub – Es herbstet ja im Harze! –
– Doch mag es herbsten – Ich und dieser Harz,
Den ich am Fels hier fasse, stehn noch da,
Zwei unerschütterte Gebirge, stark
Genug, um tausend neue Frühlinge
Zu zeugen!
JORDANUS TRUCHSESS.
Wie der Waldbrand hinter dir
Dort aufflammt, angelegt von rohen Händen,
Die dich damit zu ehren wähnten, glühn
Die Sachsenherzen alle, dich zu rächen!
HEINRICH DER LÖWE.
Den Herzen leget tüchtig Holz nach! Denn
[88] Die Treue scheint im Sturm leicht zu erlöschen!
JORDANUS TRUCHSESS.
Und ob du schmälst, und ob du uns verkennst,
Für dich allein nur klopfen unsre Pulse!
KÖNIG WALDEMAR UND DER GROSSFÜRST LITAUENS.
Selbst Dän und Slave stehen dir zu Dienst!
HEINRICH DER LÖWE
zu den Sachsen.
Es werden eure Häuser lodern!
JORDANUS TRUCHSESS.
Laß sie lodern!
Es brennen ja schon unsre Herzen!
HEINRICH DER LÖWE.
Der Kaiser zieht mit halb Europa
Von Mainz herauf, mich zu erdrücken!
JORDANUS TRUCHSESS.
Speer
An Speer starrt hier, ihn würdig zu empfangen –
Er sehe Niedersachsens Dornenhecken!
HEINRICH DER LÖWE.
Er hat des Herzogtumes mich entsetzt!
JORDANUS TRUCHSESS.
Daß wir in Aachen dich zum Kaiserthron
Erheben!
HEINRICH DER LÖWE
zu Mathildis.
Was sagst du zu meinen Kriegern?
MATHILDIS.
Es
Sind die Verwegnen, die mein Heimatsland
Eroberten.
HEINRICH DER LÖWE.
Wer nicht des Meeres Fluten scheute,
Scheut nicht des Schwaben Andrang!
MATHILDIS.
Heinrich,
Laß dich umfassen! Endlich bist du, was
Du sollst! Entzügelt hast du deine Kraft –
Du trittst jetzt auf, und Main und Rhein erbeben
Bis zu den Quellen, die sich bang im Busch
Verstecken!
HEINRICH DER LÖWE.
Weißt du auch, daß wir
Auf Einen Satz des Lebens Würfel wagen?
MATHILDIS.
Gerüstet stehe ich ja da,
Um kräftig jedes Los mit dir zu tragen!

Landolph und Wilhelm kommen mit dem gefangenen und getöteten Uhu.
LANDOLPH
den Uhu in der Hand.
Der Schurke krächzt sein Totenlied nicht wieder.
[89] – Herr Herzog, hat er nicht etwas vom Rotbart?
WILHELM.
Nein, gleich sieht er dem Erzbischof von Mainz,
Ein bißchen gräulich bläulich, einen Kopf
Dick wie 'ne Keule, und die Nase krumm!
HEINRICH DER LÖWE.
Ein starkes, mächtges Tier! Welche Krallen!
MATHILDIS.
Furchtbar!
HEINRICH DER LÖWE.
Das Schwert des Mainzers ist weit furchtbarer!
MATHILDIS.
Den Mainzer fürcht ich nicht, ich hasse ihn,
Denn er will dich vertilgen. Mich erschreckt
Die Eule aber, weil sie mich anwidert.
HEINRICH DER LÖWE.
– Mathildis, wär ich doch auf jenem Stern,
Der da so ferne blinkt und schön, geboren!
Ich könnte niederschaun, den Kaiser lieben,
Und brauchte nicht mit ihm die Schlacht beginnen! –
Er ist ein Mann, – so lang die Sonne leuchtet,
Nie strahlte sie um einen Herrlichren!
MATHILDIS.
Und denkt der Kaiser so von dir?
HEINRICH DER LÖWE.
Er tuts
Gewiß!
MATHILDIS.
So ist die Welt zu klein für ihn
Und dich – Seht klar eur Los voraus
Und bebt nicht vor dem Unvermeidlichen:
Der Eine von euch beiden muß zu Grunde!
HEINRICH DER LÖWE.
Muß!
Er sucht mich, ich begegn ihm! – Auf, ihr Welfen!
DAS SACHSENREER.
Auf, Welfen! Welfen! auf! zum Kampf!

Trommeln wirbeln, Stierhörner werden geblasen, und in Näh und Ferne beantwortet.
HEINRICH DER LÖWE.
Löscht aus die großen Feuer auf den Bergen!
In Asche soll der ganze Harz mit Haupt
Und Nacken trauern! – An der Weser gilts,
Den einzgen Freund der Jugend zu bekriegen!
DAS SACHSENREER.
Wir Hegen tot vor ihm,
[90] Sonst soll er tot vor deinen Füßen liegen!

Alle ab, bis auf Landolph und Wilhelm.
WILHELM.
Landolph! Hörst über uns den Hackelberg,
Den wilden Jäger? Gott beschütze mich!
Wie saust der Wald, wie schreit das Hochwild!
Und in der Luft die Rüden, Kliff und Klaff!
LANDOLPH.
Wilhelm, ich merke, es geschehen große Zeichen!
Es geht was Großes unter! Laß uns beten,
Daß es nicht unser Herzog sei!
WILHELM
kniet und betet, Landolph mit ihm.
Gott schirme
Den Herzog!
LANDOLPH.
Amen – – – Komm! – Wo blickst du hin?
WILHELM.
Da in das Buschwerk – Sieh, mein Großvater,
Im weißen Hemd, wie er im Sarge lag,
Geht drin umher und blickt bisweilen trüb
Uns an!
LANDOLPH.
Ich sehs – Blick weg – Denk an den Herzog.

Beide ab, dem Heere nach.

5. Akt

1. Szene
Erste Szene
Schlachtfeld an der Weser.

KAISER FRIEDRICH
mit Gefolge.
Vom frühen Morgen schon bis Nachmittag
Währt dieser Schreckenskampf – Die Heere schmelzen
Zusammen, – aber keines weicht – Noch immer
Bebt mir die Kaiserkrone auf dem Haupte,
Noch immer reißt an ihr des Löwen Klaue!
– Sahst du je Ähnliches, Graf Barcelona?
GRAF VON BARCELONA.
Nie in der Welt. Und diese Wut, mit der
Der Gegner sucht den Gegner – diese Stöße,
Sicher und tödlich! – in dem Aug der Schwaben
Und Franken braunes, in der Sachsen Augen
Ein blaues Feuer lodernd –
Ha, dort droht
Gefahr! Ich muß dahin! Leb wohl, o Kaiser!
Wir sehn uns schwerlich wieder!
KAISER FRIEDRICH.
Laß das Best
Uns hoffen!

Graf Barcelona ab.

Hoch muß ich den Löwen achten!
Selbst jetzt, da er mein Heer durchrast verzweifelnd,
Welch unermeßliche, welch große Kraft!
JORDANUS TRUCHSESS
hinter der Szene.
Was will der Geck hier? Der Franzose? Was
Hat er zu suchen? Wilhelm, spieß ihn mit
Der Lanze!
WILHELM
h.
d.S.
Das ist bald geschehn!
KAISER FRIEDRICH.
Da fällt
[92] Der Montpellier! – – Sie bringen ihn hieher!
GRAF VON MONTPELLIER
zum Tode verwundet, wird auf die Szene gebracht.
Der Tag ist aus, mein Kaiser, und es naht die Nacht!
– Wirst du nur Einen Wunsch dem Sterbenden
Gewähren?
KAISER FRIEDRICH.
Jeden!
GRAF VON MONTPELLIER.
An der lieblichen Garonne
Erhebt in Blumengärten sich das Schloß
Vicomtes von Leval – Und darin wandelt
'Ne junge Dame – leicht am Glanz
Der dunklen Lock erkennt der Bote sie –
Ihr laß berichten, Montpellier sei heut
Gefallen, und sein letzter Atem sei
Gewesen: Blanchefleur!

Er stirbt.
KAISER FRIEDRICH.
Es soll geschehn
Wie ers gewünscht.

Zu einem Reisigen.

Auf, sattle du dein Roß
Und bring die Todesnachricht!
Tragt mit Kriegesehren
Vom Schauplatz ihn! –

Montpelliers Leiche wird weggebracht.
GRAF VON BARCELONA
h.
d.S.
He! Hülfe! Hülfe wider
Den Truchseß!
JORDANUS TRUCHSESS
h.
d.S.
Span'scher Narr, du bist verloren!
KAISER FRIEDRICH.
Verzweiflung kreischt in Barcelonas Stimme!
Die Not muß schrecklich sein! Ich komme selbst!

Abstürzend.

Hoch! Waiblingen!
JORDANUS TRUCHSESS
h.
d.S.
Und zehnmal höher Welf!
HEINRICH VON OFTERDINGEN.
Der Leu und seine Leute rasen wie der Tod,
Und unerschreckt greift Schwab und Franke
Sie immer wieder an. Mich faßt wahnsinniges
Entzücken – Wahrlich, ich könnt singen! – Doch
[93] Hinein in das Gefecht, zur Seit' dem Kaiser!

Ab.
ERZBISCHOF VON MAINZ
tritt auf mit Truppen.
Verdammte Schlacht – Ich werde endlich müde! –
– Der Leu und Kaiser scheinen sich zu meiden –
Der Erste kämpft dort wider Polen, Böhmen,
Der Andre hilft dem Barcelona gegen
Den Truchseß!
Kinder, schlagt mir ja
Die armen Leute tot, und betet für
Die Seelen – Würget tüchtig, aber alles christlich!

Mit den Truppen ab.
GESCHREI DER SACHSEN
h.
d.S.
Weh, da stürzt Truchseß!
JORDANUS TRUCHSESS
h.
d.S.
Nicht verzagt um Einen,
Mein Geist soll schweben über euch!
KAISER FRIEDRICH
kommt zurück, voller Blut, Ofterdingen ebenso, bei ihm.
Aus dem Gewog kommt man bluttriefend –
Der Truchseß fiel, und Barcelona kann
Sich nunmehr wider Braunschweig wenden!
HOHENZOLLERN
kommt mit Soldaten.
Mein Kaiser, ich muß weichen – Steh mir bei,
Ich trags nicht länger – Lieber tot – Ich kehre
Zum Streit zurück!

Erzbischof von Mainz, Erzherzog von Österreich, die Könige von Polen und Böhmen kommen.
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Verwundet, Kaiser, alle!
Der Leu hat ungeheure Tatzen! – Lach
Ich auch darob, so glaub mir doch, nicht weiß er,
Was Spaß ist – Bändigst du ihn nicht, sind wir
Geschlagen!
KAISER FRIEDRICH.
Vorwärts! Greift ihn an! Zeit ists,
Daß ich ihm selbst begegne!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Nach dem Kaiser!

Alle ab.
Andrer Teil des Schlachtfeldes.
HEINRICH DER LÖWE
und sächsische Truppen.
Einsam wirds um mich, – Truchseß fiel, es fiel
Der Orla – fiel der Roden – Waldemar
Ist tot, Litaun gefangen – Doch was kümmerts?
[94] Sind Leu'n nicht immer einsam in der Wüste? –
LANDOLPH.
Laß fallen, Herzog, – immer noch genug der Treuen!
HEINRICH DER LÖWE.
Du blutest, Landolph?
LANDOLPH.
Eh, das bißchen Blut
Und die paar Wunden! 's ist nicht wert, daß man
Dran denkt! Ich rettete die Fahne!
HEINRICH DER LÖWE
nimmt ihm die Fahne ab und trägt sie selbst.
Rot
Ist sie – sie trieft! In solchem Regen steh
Ich gern!
LANDOLPH.
Dein Harnisch ist zerschmettert, Herzog!
Verbinden laß mich deine Wunden!
HEINRICH DER LÖWE.
Mich
Verbinden? Sieh, vom Schlag der Axt ist mir
Das Haupt verletzt – Und Ein Verband nur, das
Mich heute heilt – die römsche Kaiserkrone!
ERZBISCHOF VON MAINZ
kommt.
Blut! Blut! Den Wilden da! den Leu'n! Gegrüßt
Mit meiner Keule! – Eins, zwei, drei! Drei Schläge,
Und noch zu Stücken nicht! Westfale, kein
Lombarde!
HEINRICH DER LÖWE.
Unsre Knochen sind ein bißchen eisern! –
– Erzbischof, danke sehr!

Er haut auf ihn ein.
ERZBISCHOF VON MAINZ
fechtend.
Ich fühls! – Mein Guter,
Der Kampf mit Leu'n und Bischöfen ist rar –
– Wie wird er enden?
HEINRICH DER LÖWE
schlägt ihn zu Boden.
So!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Ja, ja, dein »So« –
Es ist der Tod! der Teufel hol die »So's«!
Ich sterbe – sterbe – Sela!
HEINRICH DER LÖWE.
Sela, Tapfrer!

Zu seinen Truppen.

Da stehn die Münsterer – Bis auf den Letzten
Vertilgt sie, die Verräter! Dort kommt Polen,
Und Böhmen, und auch Österreich! – Zu Boden
Die Schwächlinge!

Ein Teil der Truppen ab.

Wir streiten heut ums Höchste!
[95] Verlieren wir, wird unser Land zerstückelt,
Gewinnen wir, so soll der Papst in Rom
Den Fuß mir küssen!

Erzherzog von Österreich, der König von Polen und der von Böhmen treten auf.
ERZHERZOG VON ÖSTERREICH.
Leu, du bist dreifach
Von uns umringt!
HEINRICH DER LÖWE.
Bin ich dreifach umringt,
So hau ich dreifach mir den Weg!
Jetzt, Mann,
Lern Welfens Hiebe kennen!
DER ERZHERZOG VON ÖSTERREICH.
Österreich
Sinkt hin, durchbohrt das Herz – doch stark der Geist noch!

Er fällt.
HEINRICH DER LÖWE.
Du Pole, krümme dich im Schmerz, du Wurm,
Der Löwen nahet!
Und du, lieber Böhme,
Verzeih, daß ich so ungeschickt, grad in
Die Brust den Speer zu stoßen!

Pole und Böhme fallen.

Landolph, Landolph,
Du braver Knecht – Wo ist der Wilhelm?
LANDOLPH.
Ja,
Der hat Geschäfte. Wie ich sehe, schlägt er eben
Den Barcelona nieder!

Kaiser Friedrich kommt.

Weh, der Kaiser!
KAISER FRIEDRICH.
Nie
Nimmt diese Schlacht ein Ende! Mann bei Mann
Fällt hin! Der Zweikampf beider Herrscher nur
Kann ihn entscheiden!
– Ha, da sind des Löwen Spuren!
Tot liegt hier Mainz, da Österreich, hier Polen,
Da Böheim an dem Wege, blutgefärbt,
Die Königskronen ganz zerschmettert –
Nah
Bin ich des Leuen Lager!

Er erblickt ihn.

Ha, da ist Er! –
[96] – – O Heinrich, Leu, o Leu, wie haben
Wir uns geliebt!

Er stürzt ihm in die Arme.
HEINRICH DER LÖWE.
Zurück! Beschmutz dich nicht!
Du siehst, mein Blut strömt aus den Adern!
KAISER FRIEDRICH.
Blut' ich nicht ebenso wie du?
HEINRICH DER LÖWE.
So scheints!

Auf sein Herz zeigend.

Doch blutest hier auch in dem Abgrund?
KAISER FRIEDRICH.
Zweifelst
Du dran?
– Mein Heinrich, wie die Morgensonn
Aus Nebeln, bricht dein Antlitz durch die Schlacht!
Von deines Auges Licht umflossen, flammt
Er wieder da, der Jugend schönster Tag,
Ein auferstandenes Gestirn!
HEINRICH DER LÖWE.
O Friedrich! Friedrich!
Mein Blut ist nichts! Wenn nur das schlechtste Eisen
Mich ritzt, so fließt es!
Doch sieh diese Träne,
Sie quillt von dort, wo niemand hinschaut! Sie
Fließt dir, fließt dem Gedanken heiterer
Und beßrer Zeit!
KAISER FRIEDRICH.
Wo wir, zwei Heldenjünglinge,
Uns trafen in des Rheines grünen Gauen,
Und unsren Wert erkennend, uns umarmten!
HEINRICH DER LÖWE.
Wo unsrer Busen Erz in Freundschaftsglut
Dahinschmolz, Eines in das Andere!
KAISER FRIEDRICH.
Wo
Wir Toren wähnten, durch den Bund den Groll
Der Welfen und Waiblinger zu vernichten!
HEINRICH DER LÖWE.
Ein Stern der Ferne glänzt noch jene Stunde,
Und doch stehn wir nun hier auf Tod und Leben!
DAS SACHSENHEER
h.
d.S.
Hie Welf!
DAS HEER DES KAISERS
h.
d.S.
Hie Waiblingen!

Laute Kriegsmusik.
HEINRICH DER LÖWE.
Vernahmst
Du das? Nicht nenn mich Feind! In jenen Stimmen
Rollen des Schicksals Donner über uns!
[97]
KAISER FRIEDRICH.
Ich lag
Zu Fuß dir bei Legnano!
HEINRICH DER LÖWE.
Ja, du lagst,
Und wild durchbrauste mich der Welfen Freude!
KAISER FRIEDRICH.
Zu meinem Fuß mußt du jetzt wieder sinken!
HEINRICH DER LÖWE.
Solang mein Schwert hält, steh ich hoch und fest!
KAISER FRIEDRICH.
Ich weiß es! Drum zum Kampf!
SCHWÄBISCHE UND FRÄNKISCHE KRIEGER
sächsische Truppen verfolgend.
Endlich gesiegt!
Die Welfen fliehen oder sind erschlagen!
HEINRICH DER LÖWE
zu seinen Leuten.
Schließt euch, ihr Tapfern, wieder!
KAISER FRIEDRICH.
Außer
Dem Hohenzollern, fielen meine Großen! –
– O Grimm und Zorn!
HEINRICH DER LÖWE.
Ja, Grimm, Zorn und Gefecht!

Er und der Kaiser fechten. Der Kaiser verwundet ihn.
KAISER FRIEDRICH.
O Heinrich, diese Wunde! Schmerzt sie?
HEINRICH DER LÖWE.
Friedrich wars,
Der sie mir schlug!
KAISER FRIEDRICH.
Also den Kampf erneut!

Er und Heinrich der Löwe fechten wieder.
HEINRICH DER LÖWE.
Ich stürze! Mit mir Sachsen!
KAISER FRIEDRICH
über ihm das Schwert schwingend.
Ich bin Herr
Der Welt!

Die Sachsen flüchten.
HEINRICH DER LÖWE.
Mein Reich wird Raub der kleinen Hunde!
KAISER FRIEDRICH.
Es wirds – Doch tausend kleine Hunde zähm
Ich eher als den einen Leu'n!
HEINRICH DER LÖWE.
– Mathildis! –
Sie hat kein Land mehr, hat fortan nur mich.
Anfangs der Schlacht ward sie durch fränkschen Pfeil
Verwundet – Allzuhell schien ihr Gesicht –
Man zielte nur nach ihr –

[98] Leise und schmerzlich zum Kaiser.

Nicht meinetwegen,
Laß ihrethalb mich ziehen – den, der einst
In Roma dich gerettet!
KAISER FRIEDRICH
gleichfalls leise und schmerzbewegt.
Heinrich, zieh –
Verfolgung soll dich nimmer stören –
Und glaub, du ziehst nicht einsam – meine Wehmut
Und mein Gedank begleiten dich!

Heinrich der Löwe ab.

– – O welch
Gefühl, auf diesem Feld zu stehn, wo Deutscher
Den Deutschen hat zerrissen! – –

Hohenzollern tritt ein.

Hohenzollern,
Sieh da die Weser!
Blutrot, wie Deutschlands aufgerißne Ader, strömt
Sie zu dem Meer, in ihm sich zu verstecken!
– Nach Goslar, über Sachsens Ende zu entscheiden! –

Ab mit seinem Heere.
Landolph und Wilhelm, beide schwer verwundet, sind unbemerkt an der Erde liegend, zurückgeblieben.
WILHELM.
Landolph, leb wohl! Grüß meine Mutter!
LANDOLPH.
Mutter!
Was soll die Mutter! Aus mit unsrem Sachsen!
WILHELM.
Aus! aus! – Ist auch die Liese tot?
LANDOLPH.
Sie stürzte!
Sie wußts, in Herzogs Dienst könnt ich nicht mehr
Sie brauchen!
WILHELM.
Landolph, Wilhelm hat dich sehr
Geliebt – Und auch die Muter und den Herzog! –
Er könnt es nur nicht sagen – Und
Stritt er nicht brav? Und scheut' er je den Tod?
LANDOLPH.
Du strittest stark und fielest ruhmvoll!
WILHELM.
Landolph,
Aus ist es mit den Träumen – Vaterland
Und auch gottlob! das Leben sinkt dahin – Ich sterbe!

Er stirbt.
LANDOLPH.
Mein Wilhelm! Deine Mutter weinet weniger
Um dich, als ich!

Will sich vom Boden erheben und kann es nicht.

[99] Wohl, wohl, mit mir gehts auch zu Ende!
Die Wunden brennen überall –
Doch nach kriech ich
Des Herzogs Spuren!

Er kriecht auf dem Wege, auf dem Heinrich der Löwe die Bühne verlassen hat, fort.
2. Szene
Zweite Szene
Wüste Küste in Ostfriesland.
Heinrich der Löwe liegt am Strande.
Mathildis, wieder in weiblicher Kleidung, steht neben ihm.

HEINRICH DER LÖWE.
Am Nordmeer liegt der Sachsenherzog, blickt
Ins unermeßliche Gewühl der Wogen, und
Sieht darin nur die eigene, vom Sturm
Empörte Brust!
MATHILDIS.
Dem Sachsenherzog steht
Zur Seite Englands Königstochter, und
Erkennet ihren herrlichen Beruf:
Sie wandelte aus ihres Vaters Thronsaal,
Mit ihrer Lieb der deutschen Helden Ersten
Im Mißgeschick zu trösten!
HEINRICH DER LÖWE.
All der Nord
Erzitterte vor meinem Fuß, wie vorm Erdbeben –
Jetzt hab ich nur die Stelle noch, auf der
Ich Hege! Meine Stimme scheuchte Ritter auf,
Die Möwe flieht jetzt nicht einmal vor ihr!
MATHILDIS.
Weit mächtiger als in des Glückes Schimmer
Durchtönt jetzt deine Stimme mir die Brust! –
So unermeßlich liebt dich die Gemahlin,
Daß sie sich stark glaubt, Land und Volk und Ruhm
Durch ihres Herzens Schläge zu ersetzen!
HEINRICH DER LÖWE
aufspringend.
Ein Feind – ein Feind! Ich habe das Gehör
Des Kriegers auf der Wacht! – Gefährlich kriecht
Etwas heran!

[100] Landolph wankt in die Szene.
MATHILDIS.
Es ist ein Freund! Der Landolph! –
– Ach wie er blutet!

Zu Landolph.

Treuer, laß die Wunde
Durch mich verbinden!
LANDOLPH.
Wie? die Herzogin
Zerreißt den Schleier, um den armen,
Doch braven Landolph zu verbinden? Teuer,
Weit über euren Wert, bezahlt man euch,
Ihr Wunden!
HEINRICH DER LÖWE.
Landolph, lieber Landolph, lebt
Der Wilhelm noch?
LANDOLPH.
O Gott, wie würde er
Sich freuen, wenn er hörte, wie
Ihr noch nach seinem Tode nach ihm fragt!
HEINRICH DER LÖWE.
Dahin – dahin! – Stets einsamer und wüster!
LANDOLPH.
Herzog – noch einmal mußte ich dich sehn!
Du ahnst nicht, wie ich, als du noch in Füll
Und Glanz in deinem Braunschweig throntest, lechzte
Nach deinem Blick! – Ich schlief in prächtgen Träumen,
Wenn du des Tages einmal mir begegnet! –
– Zu Ende gehts! – Leb wohl! – Die Narben brechen
Mir unaufhaltsam auf – Herzog, halt' aus!
Der Welfe geht nicht unter! – – Treu war dir
Der Leu bei Askalon – so stark wie der
War Landolph nicht, so treu gewiß!
HEINRICH DER LÖWE.
Du sinkst? – In meine Arme!
LANDOLPH.
Ha, mir wird
Ein fürstliches Begräbnis: Herzogsarme!
Der Tod!
Hie Welf!

Er stirbt.
HEINRICH DER LÖWE.
Ich ward doch sehr geliebt!
MATHILDIS.
Du wirst es noch!
HEINRICH DER LÖWE.
Mathildis, daß auch du,
Mit meiner Macht, sie hast verloren! Daß
Auch du, statt einzuziehn als Kaiserin
[101] In Aachens Dom, mit mir mußt flüchten – O,
Gott weiß es, meine Schuld ists nicht – Ich stritt
Ja in der Weserschlacht fast übermenschlich!
MATHILDIS.
Ich lag verletzt vom Pfeil – doch in der Ohnmacht
Hört ich die Donnertöne deines Mutes!
In Ostreich, Böhmen und in Polen klingen
Die Glocken über die gefallnen Herrscher,
Und Jeder schreckt dabei vor deinem Namen! Seufz
Um mein Geschick nicht, und bedenke:
Die Tochter des Plantagenets bedurfte
Nach Reichtum nicht und Ruhm und Macht zu freien:
Sie wählte nur das Herz – So lang es schlägt,
Ist sie beglückt!
HEINRICH DER LÖWE.
Nach England denn!
Fahr ewig wohl, du deutsche, teure Küste!
Die Woge spült auf einem schwachen Kahn
Der Welfen letzten fort, wie eine Muschel!
MATHILDIS.
Nicht ewig Lebewohl dem Vaterlande,
Und nicht der Welfen letzter!
HEINRICH DER LÖWE.
Du errötest?
MATHILDIS.
Weg falsche Scham, wenn ich den Herzog kann
Erfreun! –

Leise.

Heinrich, ich fühle, unterm Herzen
Lebts mir. – –
HEINRICH DER LÖWE.
– – Ha, das ist Gottes Wink! – Mein
Geschlecht soll nicht verderben – es verdients
Auch nicht! Es strebte allzu groß! So weit
Die Erde sich, die Meere, dehnen, wollt
Es herrschen, und es wirds! –

Er küßt Mathildis auf die Stirn; dann in wilder Freude aufblickend und sich über die Felsen des Strandes beugend.

– – Was seh ich? – Wolken
Zerflattern! Tosend springen auf die Tore
Der Zukunft! Freudger Wahnsinn, Weib, umzuckt mich, oder
Ists Wahrheit?
[102] Ha! der öde Ozean
Wird weit und weiter und erfüllt sich – Wälder
Von nordschen Masten, statt des Laubs umrauscht
Von stolz geschwollnen Segeln, fliegen hin
Auf ihm – Die Windsbraut schadet nicht – Sie buhlt
Mit ihnen! – – Und der Wellen Rücken brechen
Wie Glas, so wie die Schiffe nahn! – Sinds Schiffe?
Sinds schwimmende Vulkane? – Feinde kommen!
Doch Lava strömt aus allen Schlünden,
Und Donner brüllen hinterdrein! – Die Gegner
Versinken! – – – Und in Siegesruhe wiegen
Sich wieder auf der See die Flotten, und das Wappen
Der Welfen flagget hoch an ihren Bäumen,
Den Szeptern aller Meere!
MATHILDIS.
Welfens Haus
Wird alle Welt bezwingen! Hohenstaufen
Ist nur die Wolke, die's auf einen Tag
Beschattet! – In den Kahn! – Das Glück verläßt
Uns nicht! An meinem Busen nähr ich würdige
Nachfolger!
HEINRICH DER LÖWE.
Ist es Ahnung? ists mein Geist?
– Noch immer ist mein Auge voll von mächtgen Flotten
Und weißen Segeln! – Nie verschwinden sie! – –

Er steigt mit Mathildis in ein Fahrzeug, und schifft fort nach England.
3. Szene
Dritte Szene
Prachtsaal in der Kaiserburg zu Goslar.
Kaiser Friedrich, Beatrice, Hohenzollern, Heinrich von Ofterdingen und die Großen des Reichs. Siegsmarsch.

KAISER FRIEDRICH.
Gebrochen ist der stolze Nacken des Vasallen!
Deutschland ist einig und es trotzt der Welt!
HEINRICH VON OFTERDINGEN.
Gleich junger Morgensonne strahlet wieder
[103] Die Krone um dein Haupt!
KAISER FRIEDRICH.
Sie war verdunkelt
Durch jenen Fußfall bei Legnano – Mit
Dem Blut der Sachsen ist sie abgewaschen,
Und reinern Goldes glänzt sie abermals
Um mein' und Beatricens Schläfen!
– Dir Oldenburg, dir Lippe, euch, ihr Erzbischöfe
Von Köln und Trier, Holstein dir – euch Bremern
Und euch Lübeckern und Hamburgern, teil
Ich heut noch Heinrichs Lande – Ahmet ja
Dem Leu'n nicht nach, und achtet Kaiserehre!
ERZBISCHÖFE, FÜRSTEN UND RITTER.
Wir kennen ihre Schrecknisse!
KAISER FRIEDRICH
halb für sich, doch hörbar.
– Wo jetzt
Der Leu wohl einsam irret? Ach, vielleicht
Auf wüster See! –
BEATRICE.
Mathildis wird ihn stets
Begleiten!
KAISER FRIEDRICH.
Sei sie ihm ein Stern der Nacht!
BEATRICE.
Sie wird es sein! Sie leuchtet hehr und klar!
KAISER FRIEDRICH.
O Rose! zarte Rose! laß die kalten Sterne!
Die Rosen funkeln heiß und duften!
HEINRICH VON OFTERDINGEN.
Herr,
Dein Glück wird bald zu groß! – Ich zittre fast! –
– – Prinz Heinrich nahet im Triumphespompe,
Normannen zucken jubelnd um ihn kurze Schwerter,
Und in dem Arm führt er die Herrscherin
Des Landes der Vulkane!
KAISER FRIEDRICH.
So ist alles
Vollendet, wie ichs nur im Traum ersehnt!

Prinz Heinrich, Constanze von Neapel und Sizilien in ihrem Brautgewande, und normannische Edle treten ein.
PRINZ HEINRICH
zum Kaiser.
Inmitten unterm Dolch der Widersacher,
Inmitten unter Lavaströmen, pflückt
Ich, wie du es befahlest, am Vesuv
Die kostbarste der Blumen! – Hier Constanze!
Sie fleht um deinen Segen!
CONSTANZE
mit Prinz Heinrich knieend.
Segne, Vater!
[104]
KAISER FRIEDRICH.
Ich segne euren schönen, hohen Bund!
ALLE
Deutsche und Normannen.
Hoch Kaiser Friedrich, Heinrich und Constanze!

Tusch. – Heinrich und Constanze erheben sich wieder.
KAISER FRIEDRICH.
Du atmest eng jetzt, Alexander, zwischen
Neapolis und mir! – Mein Erdgeschäft
Ist aus! –

Zu Prinz Heinrich.

Du wirst zum römschen Könige
Erwählt, – verwaltest, wenn ich fern, mein Reich!

Zu den übrigen Anwesenden.

Doch ich, des Abendlandes Herrscher, suche
Im Osten Saladin, auf jener Siegesbahn,
Die mir des Papstes Finger hat gewiesen!
BEATRICE.
Weh ihr,
Die Helden liebt! Nicht Ruh! nicht Rast! nicht Frieden!
Sie stürmen ewig und wir zittern immer!
KAISER FRIEDRICH.
Der Kaisermantel ist zu schlecht, zum Kreuz
Des Heilandes ihn zu zerreißen! – Doch
Wo ist der Stoff auf Erden, welcher edler?

Er zerreißt den purpurnen Kaisermantel und die Fürsten und Ritter nehmen die Stücke auf zu Kreuzeszeichen für ihre Schultern.

Es seufzt im Joch Jerusalem, die Hehre!
Gott will es! Tragt das Kreuz zu seiner Ehre!
ALLE ANWESENDEN.
Gott will es! Nehmt das Kreuz zu seiner Ehre!
HOHENZOLLERN
mit der Reichsfahne.
So wird auch bald von Zions heilgen Zinnen,
So wie vom Harz bis Ätnas Lavagluten,
Des Reiches Banner durch die Lüfte fluten!
KAISER FRIEDRICH UND ALLE ANWESENDEN.
Und Sterben selbst! Im Kreuzzug ists Gewinnen!

Triumphmarsch. Alle ab.

Notes
Erstdruck: Frankfurt am Main (Hermann), 1829. Uraufführung am 08.12.1875, Hoftheater, Schwerin.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Grabbe, Christian Dietrich. Kaiser Friedrich Barbarossa. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-E641-0