Johann Christoph Gottsched
Vollständigere und Neuerläuterte Deutsche Sprachkunst

Nach den Mustern der besten Schriftsteller des vorigen und itzigen Jahrhunderts abgefasset, und bey dieser fünften Auflage merklich verbessert, von Johann Christoph Gottscheden, P.P. der Univ. Leipzig Decemv. des großen Fürstencoll. u. der phil. Facult. Sen. der churf. Stipend. Aufs. u. verschiedener Akad. der Wiss. Mitgliede,
Mit Röm. Kaiserl. wie auch Königl. Pohln. und Churf. Sächs. allergnädigster Freyheit.

[4] Hvgo Grotivs
In Lex. vet. Germ. Abrah. Mylii. vid. Farr. L. III. p. 215.

O PATRIA salve LINGVA! QUAM SUAM FECIT
NEC HUMILIS UMQUAM, NEC SUPERBA LIBERTAS;
QUAM NON SUBACTIS CIVIBUS DEDIT VICTOR,
NEC ADULTERAVIT INQUILINA CONTAGES:
SED CASTA, SED PUDICA, SED TUI JURIS,
GERMANA PRISCÆ FORTITUDINIS PROLES;
Lingua imperare natal QUÆ CITOS MENTIS
SENSUS ADÆQUAS, NON MINUS BREVI VOCE;
CUJUS RETENTA PARTE, tot triumphatæ
Adhuc facentur Teutonum arma gentes:
FRANCI POTENTIS PRÆDA DITIOR GALLUS,
ET LONGOBARDO VICTUS INSUBER MOLLIS:
GOTHIQUE REGNUM NUNDINATOR HISPANUS:
LEGESQUE PASSUS ANGLOSAXONUM BRITTO.
QUID SEMIBELGAS, SEMIBARBAROS TAUROS,
PERSASQUE REFERAM, NOSTRA VERBA CONANTES? etc.
[4]

Befreiungsbriefe

Römisch-Kaiserl. wie auch Königl. Pohln. und Churf. Sächsische Befreyungsbriefe.

Wir Franz von Gottes Gnaden, erwählter Römischer Kaiser, zu allen Zeiten Mehrer des Reichs, in Germanien und zu Jerusalem König, Herzog zu Lothringen und Bar, Großherzog zu Toscana. Fürst zu Charleville, Marggraf zu Nomeny, Graf zu Falkenstein etc. etc. Bekennen öffentlich mit diesem, und thun kund allermänniglich, daß Uns Unser und des Reichs lieber Getreuer, Bernhard Christoph Breitkopf, Buchhändler und Buchdrucker in Leipzig, unterthänigst zu vernehmen gegeben, was maßen das von Uns, ihm über Johann Christoph Gottscheds, PROFESSORIS PHILOSOPHIÆ daselbst, sogenannte Grundlegung einer deutschen Sprachkunst, unterm Sechzehenden DECEMBRIS Siebenzehen hundert Acht und Vierzig, auf zehen Jahre ertheilte PRIVILEGIUM IMPRESSORIUM, inner Jahres-Frist zu EXSPIRIREN beginne, Uns dahero unterthänigst bittend, weilen Supplicant gedachtes Werklein vermehrter und vollständiger, unter dem Titel: Neuerläuterte deutsche Sprachkunst, wiederum auflegen zu lassen gesonnen, wir sothanes Privilegium auf andere zehen Jahre, jedoch A LAPSU PRIORUM, extendiren zu lassen, gnädigst geruhen wollten. Wann Wir nun solche des Supplicantens demüthigste ziemliche Bitte mildest angesehen; Als haben Wir ihm Breitkopfen, seinen Erben und Nachkommen die Gnad gethan, und Freyheit gegeben; thun solches auch hiermit wissentlich, in Kraft dieses Briefes, also und dergestalten, daß gedachter Bernhard Christoph Breitkopf, seine Erben und Nachkommen, obbesagte Gottschedens neu erläuterte deutsche Sprachkunst ferner in offenen Druck auflegen, ausgehen, [5] hin- und wieder ausgeben, feil haben, und verkaufen lassen mögen, auch ihnen solches niemand, ohne ihren Consens, Wissen oder Willen, innerhalb denen weitern zehen Jahren, von Verfließung der vorigen anzurechnen, im heil. Röm. Reich, weder unter diesem noch anderm Titel, weder in größerer noch kleinerer Form nachdrucken und verkaufen solle; und gebiethen darauf allen und jeden Unsern und des heil. Reichs Unterthanen und Getreuen, insonderheit aber allen Buchdruckern, Buchführern, Buchbindern, und Buchhändlern, bey Vermeidung einer Pön von Fünf Mark löthiges Goldes, die ein jeder, so oft er freventlich darwider thäte, Uns halb in Unsere Kaiserl. Kammer, und den andern halben Theil mehr erwähntem Breitkopf, oder seinen Erben und Nachkommen ohnnachläßig zu bezahlen verfallen seyn solle, hiermit ernstlich, und wollen, daß ihr, noch einiger aus euch selbst, oder jemand von eurentwegen, obangeregte Gottscheds neuerläuterte deutsche Sprachkunst, innerhalb denen fernern bestimmten zehen Jahren, obverstandener maßen, nicht nachdrucket, distrahiret, feil habet, umtraget oder verkaufet, noch auch solches andern zu thun gestattet, in keinerley Weis noch Wege, alles bey Vermeidung Unserer kaiserlichen Ungnade, und obbestimmter Pön der fünf Mark löthiges Goldes, auch Verlierung desselben euren Druckes, den vielgemeldeter Breitkopf, seine Erben und Nachkommen, oder deren Befehlshabere, mit Hülf und Zuthun eines jeden Orts Obrigkeit, wo sie dergleichen bey euch und einem jeden finden werden, also gleich aus eigener Gewalt, ohne Verhinderung männiglichs, zu sich nehmen, und damit nach ihrem Gefallen handeln und thun mögen: Hingegen soll er, Breitkopf, schuldig und verbunden seyn, bey Verlust dieser Kaiserlichen Freyheit, die gewöhnlichen fünf EXEMPLARIA zu Unserm Kaiserl. Reichs-Hof-Rath zu liefern, und dieses PRIVILEGIUM voran drucken zu lassen. Mit Urkund dieses Briefes, besiegelt mit Unserm Kaiserl. aufgedruckten Secret-Insiegel, der geben ist zu Wien den [6] Neun und Zwanzigsten JULII, Anno Siebenzenhundert Sieben und Fünfzig, Unsers Reichs im Zwölften.


Franz.

(L.S.)


Vt. C.R. Graf Colloredo.

AD MANDATUM SAC. CAES. MAJESTATIS PROPRIUM

Matth. Willh. Edl. Hr. v. Haan.


Der Allerdurchlauchtigste, Großmächtigste Fürst und Herr, Herr Friedrich August, König in Pohlen etc. des heiligen Röm. Reichs Erzmarschall und Churfürst zu Sachsen etc. Auch Burggraf zu Magdeburg etc. hat, auf beschehenes unterthänigstes Ansuchen Bernhard Christoph Breitkopfs, Buchdruckers und Buchhändlers zu Leipzig, gnädigst bewilliget, daß er nachgesetztes Buch, benanntlich: Johann Christoph Gottscheds PROF. PUBL. in Leipzig,Grundlegung einer deutschen Sprachkunst, nach den Mustern der besten Schriftsteller des vorigen und itzigen Jahrhunderts, unter höchstgedachter Sr. Königl. Majest. und Churfürstl. Durchl. PRIVILEGIO drucken lassen und führen möge, dergestalt, daß in Dero Churfürstenthum Sachsen, desselben incorporirten Landen und Stiftern kein Buchhändler noch Drucker oberwähntes Buch in denen nächsten, von unten gesetztem DATO an, zehen Jahren, bey Verlust aller nachgedruckten Exemplarien und Dreyßig Rheinischen Goldgülden Strafe, die denn zur Hälfte der Königl. Rentkammer, der andere halbe Theil aber ihm, Breitkopfen, verfallen, weder nachdrucken, noch auch, da dieselben an andern Orten gedrucket wären, darinnen verkaufen und verhandeln, wogegen er mehr gemeldetes Buch fleißig corrigiren, aufs zierlichste drucken, und gut weiß Papier dazu nehmen zu lassen, auch, so oft sie aufgeleget werden, von jedem Druck und Format Zwanzig EXEMPLARIA an Sr. Königl. Majest. und Churfürstl. Durchl. Ober-Consistorium, ehe sie verkauft werden, auf [7] seine Kosten einzuschicken schuldig, und dieß PRIVILEGIUM niemanden, ohne höchstgedachter Sr. Königl. Maj. und Churfürstl. Durchl. Vorwissen und Einwilligung, zu cediren befugt seyn soll; gestalt er bey solchem PRIVILEGIO auf die bewilligten zehen Jahr geschützet und gehandhabet, auch, da diesem jemand zuwider handeln, und er um EXECUTION desselben ansuchen wurde, solche ins Werk gerichtet, und die gesetzte Strafe eingebracht werden soll. Jedoch, daß derselbe auch obigem allen nachkomme, und, bey Verlust des PRIVILEGII, sowohl von der jetzo bereits ausgedruckten, als auch von jeder künftigen Auflage die gesetzte Anzahl derer Exemplarien würklich liefere; immittelst, und zu Uhrkund dessen, ist dieser Schein, bis das ORIGINAL-PRIVILEGIUM ausgefertiget werden kann, und, statt desselben, in Sr. Königl. Majest. und Churfürstl. Durchl. Kirchenrath und Oberconsistorio unterschrieben und besiegelt, ausgestellet wor den, welchen er durch den bestalten Bücherinspectorn, Johann Zacharias Trefurthen, denen Buchhändlern zu insinuiren, widrigenfalls die INSINUATION für NULL und nichtig erkannt werden soll. Auf neue zehen Jahre renovirt. So geschehen zu Dresden, am 18. Sept. Anno 1758.


L.G. Graf von Holzendorf. Christian Friedrich Teucher. [8]

Vorrede der ersten Ausgabe

Vorrede der ersten Ausgabe.
Geneigter Leser,

Hiermit liefere ich dir endlich ein kleines Buch, darauf du vieleicht lange gewartet hast; womit ich aber voller Blödigkeit und Behutsamkeit, von einem Jahre zum andern, von einer Messe zur andern gezaudert habe. So wenig ich sonst gewohnt bin, mein Versprechen auf die lange Bank kommen zu lassen: so ungern habe ich es auch mit dieser Sprachlehre gethan. Allein, die unumgänglichen Schwierigkeiten, womit eine Sprachlehre, und zwar eine deutsche, sonderlich zu unsern Zeiten, verknüpfet ist, haben mir diese Langsamkeit abgedrungen. Da ich aber nunmehr endlich damit ans Licht trete; so kann ich zwar die Liebhaber der deutschen Sprache aufrichtig versichern: daß mich dieses Buch unter allen meinen Schriften die meiste Zeit gekostet. Ich habe mehr als vier und zwanzig Jahre, das ist, die halbe Zeit meines Lebens darauf verwandt, mich zu guter Ausarbeitung desselben geschickt zu machen 1. Gleichwohl aber muß ich selber gestehen, daß [9] ich noch nichts vollkommenes liefern kann; ja mir selber damit noch keine völlige Gnüge gethan habe 2.

Sollten sich Leute finden, welche dieß mein Vorgeben für übertrieben und ausschweifend halten wollten: so müssen sie sich gewiß niemals die Mühe genommen haben, sich den großen Umfang einer Sprache recht ausführlich vorzustellen; sonderlich einer solchen Sprache, die gleich der deutschen, in einem so großen Striche von Europa, und in so vielen verschiedenen Mundarten gesprochen wird. Von Bern in der Schweiz an, geht ja ihr Gebieth durch ganz Deutschland, Preußen, Curland, Liefland und Ingermannland, bis nach Petersburg, mehr als dreyhundert deutsche Meilen in die Länge: und von den dänischen Gränzen in Schleswig, erstrecket sich selbiges wiederum durch Nieder- und Obersachsen, Böhmen, Mähren und Ungarn, bis nach Siebenbürgen, fast eben so viel Meilen in die Breite. Wie viel Völker, wie viel Mundarten sind in einer so großen Strecke des Erdbodens nicht enthalten? Und wie schwer muß es nicht seyn, in allen diesen Abänderungen die wahre hochdeutsche Mundart, den rechten Stamm und die Schönheit dieser europäischen Hauptsprache, fest zu setzen; sie in wahre und leichte Regeln zu bringen, und ihre Zierde auf eine so leichte und faßliche, als gegründete Weise fest zu setzen?

Indem ich diese Schwierigkeit begreiflich zu machen suche, so will ich mich gar nicht rühmen, daß ich derselben nunmehr völlig abgeholfen habe. Nein, die Größe des Unterfangens soll nur meiner bisherigen Saumseligkeit und Schüchternheit zur Entschuldigung dienen. Man soll daraus nur abnehmen, daß es kein Kinderspiel sey, eine deutsche Sprachkunst abzufassen, [10] wenn man anders einsieht, was demjenigen obliegt, der seiner Pflicht dabey nachkommen will. Itzund aber, da ich solches schreibe, und nachdem ich mir alle Theile dieser Sprache, nach und nach durch den Kopf habe gehen lassen, sehe ich diese Schwierigkeiten so lebhaft ein, daß ich mich eines Theils selbst wundere, wie ich solchen Vorsatz jemals habe fassen können; theils auch, obwohl nach vollendeter Arbeit, es fast bereue, daß ich dieselbe unternommen habe.

Es ist wahr, was man mir einwenden kann: daß es nämlich an gelehrten Männern nicht gefehlet, die mir so zu reden, vorgearbeitet haben. Ich gestehe es auch gern, daß es noch schwerer gewesen seyn würde, in einer Sprache, die noch keine Grammatik gehabt hätte, eine Sprachlehre zu schreiben. Dieses war wirklich, beynahe vor tausend Jahren, eine Arbeit, dazu kein geringerer Heldenmuth, als Karls des Großen 3 seiner, gehörete; der auf der Spur Cäsars einher gieng, und sowohl durch die Feder, als durch den Degen, unsterblich werden wollte. Allein, so gern ich also bekenne, daß es schwer sey, in diesem Felde ohne Vorgänger zu arbeiten; eben so schwer dünkt es mich zu seyn, sich in eben dasselbe zu wagen, wenn man schon so viel geschickte Vorgänger gehabt hat. Nur unerfahrne bilden sich ein, Deutschland hätte bisher keine Grammatiken, oder doch nur schlechtes Zeug gehabt, welches nicht gelesen zu werden verdienete. Das Gegentheil hat uns neulich ein gelehrter Mann in seiner Historie der deutschen Sprachkunst gewiesen. Jemehr aber darinn bereits geleistet worden, und je geschickter meine Vorgänger gewesen sind; desto schwerer dünkt es mich, sich an eben die Arbeit zu wagen.

Was kostet es nicht für Mühe, nur alle die größern und kleinen grammatischen Schriften unserer Vorfahren kennen [11] zu lernen? Wie viel schwerer ist es, nur die meisten und besten davon aufzutreiben? Wie viel Zeit endlich brauchet es nicht, sie zu lesen, zu prüfen, und theils unter sich, theils mit der heutigen besten Mundart zu vergleichen? Und wenn man nun dieses alles gethan hat: so geht nunmehr erst die rechte Schwierigkeit an. Man soll alles Gute, das man darinn angetroffen hat, zusammen nehmen, ohne seine Vorgänger zu bestehlen. Man soll alles in gute Verbindung und Ordnung bringen, ohne jemanden gar zu sclavisch zu folgen. Man soll aber auch manche Lacken, die unsere lieben Alten noch übrig gelassen, ergänzen; manches veraltete weglassen; manches, das heute zu Tage anstößig ist, erneuern; und alles nach dem heutigen, weit feinern Geschmacke der Deutschen, einrichten. Mit einem Worte, man soll es auch besser machen, als es unsere Vorgänger gemachet haben; ja ohne sie abzuschreiben, soll man sie auch weit, weit übertreffen! Dieses, dieses alles fodern unsere heutigen kritischen Zeiten: und ich überlasse einem jeden das Urtheil, ob es so leicht ist, solche Foderungen zu erfüllen?

Ich gestehe es hier nochmals aufrichtig, daß ich mir keinesweges schmäuchle, alles dieses in seiner gewünschten Vollkommenheit geleistet zu haben. Desto eher hoffe ich aber Nachsicht und Vergebung zu erhalten, wenn ich diese meine Sprachlehre nur für eine Grundlegung ausgebe, darauf ich künftig noch immer mehr und mehr zu bauen gedenke. Ich habe diejenigen Begriffe, die ich seit mehr als dreyßig Jahren, (denn so lange ist es wenigstens, daß ich mich beflissen habe, gut deutsch zu schreiben) gesammlet, und hier zuerst in einige Ordnung zu bringen gesuchet. Ich habe mir nunmehr einen Grundriß gemachet, auf dem ich künftig fortarbeiten kann; wenn ich theils bey andern Sprachlehrern gute Anmerkungen finden, theils selbst in guten Schriftstellern etwas anmerken werde. Ich habe endlich darinnen, so zu reden, mein grammatisches Glaubensbekenntniß abgeleget; und den gelehrten Sprachkennern unsers Vaterlandes entdecket, nach was für [12] Regeln ich mich bisher im Reden und Schreiben gerichtet: so wie ich dieselben in den besten Schriftstellern voriger und itziger Zeiten beobachtet gefunden habe.

Wie ich mich also über niemanden zu einem pedantischen Sprachtyrannen aufzuwerfen verlange; so werde ich es auch sehr gern sehen, wenn andere Liebhaber unserer Muttersprache mir künftig ihre Gedanken darüber eröffnen werden. Man wird sonder Zweifel noch hier und da einige Mängel antreffen; man wird Zweifel finden, die ich nicht gehoben habe; man wird manche Ausnahme anmerken, die mir nicht beygefallen ist; oder vieleicht gar neue Regeln in Vorschlag bringen können. Alle solche Erinnerungen werde ich mit Danke annehmen, mein Buch dadurch bereichern und verbessern; ja auch, wenn es beliebet werden sollte, ihre Urheber bey einer neuen Auflage rühmen. Es würde thöricht seyn, bey einem solchen Werke, welches billig zur Ehre des ganzen Vaterlandes gereichen soll, bloß auf meine eigene Ehre zu denken. Die Ausländer fangen schon häufig an, unsere Sprache zu lernen. Hier müssen wir uns alle gemeinschaftlich bestreben, ihnen diese Mühe zu erleichtern, und ihnen das Vorurtheil zu benehmen, als ob unsere Sprache sich unmöglich in Regeln bringen ließe. Wie viel uns dieses Geständniß, auch wider den klaren Augenschein, bisher geschadet habe, das hat leider! die Erfahrung gelehret: und ist es endlich nicht einmal Zeit, daß wir aufhören, die Fremden von Erlernung unserer Muttersprache selbst abzuschrecken?

Nun ist es zwar gewiß, daß ich meine Sprachlehre zuförderst für unsere Landesleute, sonderlich für die Jugend geschrieben habe. Alle meine Regeln sind bloß deutsch abgefasset: und so lange ein Ausländer noch gar nichts Deutsches versteht, so lange kann er sie nicht einmal lesen. Allein, es fehlet an solchen Sprachlehren nicht, die Wälschen, Franzosen, Engländern, Dänen, Schweden und Pohlen zu gut, in allen diesen Sprachen, oder doch lateinisch geschrieben sind. Aus diesen kann ein Fremder das Deutsche so lange [13] lernen, bis er es so ziemlich versteht: und alsdann kann er auch meine Sprachkunst, mit Beyhülfe eines guten Lehrers brauchen. Vieleicht aber finden sich auch bald geschickte italienische, französische, englische etc. Sprachlehrer, die ihren Landesleuten zu gut, diese meine Sprachlehre übersetzen, oder nach ihrem Gutachten Auszöge daraus machen. Mir sollte es auf solchen Fall lieb seyn, wenn ich die Erlaubniß bekäme, ihre Arbeiten, auch vor dem Drucke, ein wenig durchzugehen; um zu sehen, ob alles dem wahren Sinne gemäß getroffen worden.

Wegen der deutschen Kunstwörter muß ich noch etwas erinnern. Da ich mein Buch den Deutschen, und sonderlich der Jugend, zu gut abgefasset, die nicht allezeit die lateinische Grammatik gelernet hat; sonderlich wenn sie sich dem Soldatenstande, der Schreiberey, dem Handel und Landleben widmet: so habe ich es für unbillig gehalten, mich lauter lateinischer Kunstwörter zu bedienen. Von allen denselben haben solche Anfänger nicht den geringsten Begriff, sondern lernen sie zur Noth auswendig, wie die Nonne den Psalter: da sie hingegen durch deutsche Benennungen sogleich einigen Verstand von der Sache bekommen. Es war aber auch dabey das junge Frauenzimmer in Betrachtung zu ziehen: welches ja nicht unwürdig ist, seine Muttersprache etwas besser und richtiger schreiben zu lernen, als seine Mägde. Zu allem Glücke hatte ich auch schon unsere alten Sprachlehrer zu Vorgängern, welche sich um die Wette bemühet haben, ihre Regeln so vorzutragen, daß sie auch einem bloß deutschen Leser verständlich seyn möchten. Und was kann in der That wunderlicher seyn, als zu fodern: daß ein Deutscher erst eine lateinische, oder französische Grammatik können müsse, ehe er seine Muttersprache recht richtig reden und schreiben lernen kann? Ich habe aber unter allen grammatischen Kunstwörtern unserer Alten, nach meinem Bedünken, die besten, bequemsten, und der gemeinen Art zu reden gemäßesten erwählet. Nur wenige habe ich mich [14] erkühnet, noch etwas besser einzurichten. Ich bin aber auch bereit, Erinnerungen deswegen anzunehmen; und mich, wenn ich eines bessern überführet oder belehret würde, zu bessern. etc. etc.

Der geneigte Leser beliebe die wenigen Druckfehler, die am Ende angemerket worden, gütig zu verbessern; und bediene sich dieser Sprachlehre so lange, bis ich sie mit der Zeit vollständiger und verbesserter, liefern werde. Denn so lange ich lebe, werde ich die Feder nicht niederlegen, bis ich diesen Entwurf der deutschen Sprachkunst, zu derjenigen Vollkommenheit gebracht habe, der er, nach meiner wenigen Einsicht, fähig ist, und die ich ihm, nach meiner geringen Kräften, werde geben können.


Leipzig,

geschrieben an der Michaelsmesse
1748.

Fußnoten

1 Ein mürrischer Tadler hat mir, in einer gedruckten Schrift, hier eine große Pralerey Schuld gegeben; als ob ich gesaget hätte: ich hätte vier und zwanzig Jahre an dieser Sprachkunst gearbeitet. Gesetzt nun, ich hatte es gesaget; wie könnte doch hieraus immer mehr eine Pralerey erzwungen werden? Lange über einer Sache arbeiten, die vieleicht ein anderer in kurzer Zeit gemachet hätte, zeiget eigentlich eine Langsamkeit, oder Unfähigkeit, und also eine Verkleinerung seiner eigenen Geschicklichkeit an. Gesetzt aber, daß es auch eine Behutsamkeit, einen Fleiß, eine Hochachtung gegen unsere und künftige Zeiten (REVERENTIAM POSTERITATIS, wie Plinius redet) andeutete: wäre denn das gepralet? Fodert das alles nicht die Pflicht eines jeden Scribenten? Und was ist es für ein Selbstruhm, wenn man saget: ich habe gethan, was ich zu thun schuldig war? Doch, weit gefehlet, daß ich solches gesaget hätte; so sage ich nur: daß ich mich vier und zwanzig Jahre her, durch allerley Bemühungen zu dieser Arbeit geschickt zu machen gesuchet. Und wo stecket denn hier die Pralerey; der sich, wie mein Tadler vorgiebt, sogar meine Freunde schämen müßten?

2 Daß dieses kein bloßes Compliment gewesen sey, habe ich nunmehr durch vier sehr merklich verbesserte Auflagen gewiesen.

3 Bekannter maaßen berichtet Eginhard im Leben dieses Kaisers, daß er eine Sprachlehre seiner fränkischen Muttersprache zu schreiben angefangen; die aber hernach verlohren gegangen.

Nachricht wegen der zweyten Auflage

Nachricht wegen der zweyten Auflage.

Mit dem innigsten Vergnügen vernahm ich es vorigen Winter, daß bereits im Februar, die Abdrücke der ersten Auflage meiner Sprachkunst verkaufet waren. Ein so schleuniger Abgang eines Buches, das sonst eben nicht die meisten Käufer vermuthen konnte; weil es weder zur Lust, und zum Zeitvertreibe, noch zum Brodverdienen gereichen kann: schien mir einestheils ungewöhnlich; anderntheils aber auch sehr merkwürdig zu seyn.

Man übereile sich nicht, mir dieses als eine Pralerey auszulegen: wie man mir wohl neulich die billige Blödigkeit und Behutsamkeit in der ersten Vorrede, für ein ich weis nicht was, anrechnen wollen. Andere Schriftsteller, die ihrer großen Verdienste nur mehr, als zu gewiß sind, mögen die reißende Abnahme ihrer Werke, als ein unstreitiges Merkmaal ihrer Verdienste ansehen. Ich weis es, aus einer langen Erfahrung, daß nicht eben die besten Schriften am häufigsten, die schlechtesten aber am langsamsten abgehen. Die Todtengespräche, und die Schriften gewisser Poeten haben mich längst eines andern überführet. Ich bin also weit davon entfernet, daß ich aus dem baldigen Verkaufe dieser Sprachlehre, einen völligen Beyfall der Leser, in allem, was ich vorgetragen, schließen sollte. Die meisten haben sonder Zweifel mein Buch genommen; bevor sie noch den ganzen Inhalt desselben gewußt. Und wie kann ich es wissen, ob sie alle damit zufrieden gewesen, nachdem sie es gelesen hatten 1?

[16] Es sind ganz andere Ursachen, die mein oben erwähntes Vergnügen gewirket haben. Wer eine Sprachkunst von seiner eigenen Muttersprache kaufet, der muß diese sonder Zweifel lieben: der muß begierig seyn, ihren rechten Grund einzusehen; der muß willens seyn, sich gewisse Zweifel auflösen zu lassen, die ihn darinnen beunruhigen. Dieses ist der vortheilhafte Schluß, den ich für unsere ganze Nation daraus ziehe; der aber Deutschland überhaupt, nicht mir insbesondere, Ehre machet. Es ist schon eine lange Zeit verflossen, daß unsre Landesleute vielmehr auf ausländische, als auf inländische Sprachen und Sachen begierig gewesen. Wieviel französische, italienische und englische Grammatiken sind nicht gedrucket, und vielmals aufgeleget worden; indessen daß nur eine einzige deutsche herausgekommen, und abgegangen? Und ist gleich des Clajus deutsche Sprachkunst seit hundert und funfzig, und mehr Jahren, so glücklich gewesen, eilfmal aufgelegt zu werden: so hat doch weder Schottel, noch Bödicker, sich dieses Glückes rühmen können. Ja ich sehe es, zu meiner großen Demüthigung, gewiß vorher: daß meine Sprachkunst wohl das Glück niemals erleben wird, welches PEPLIERS französische Grammatik, in oft wiederhohlten Ausgaben, bisher unter uns erlanget hat.

Gleichwohl ist es ein erwünschter Zeitpunct, den wir erlebet haben: da Deutschland eine so ansehnliche Zahl von Liebhabern ihrer Muttersprache in seinem Schooße heget; da man wiederum begierig ist, von seiner Mundart Regeln zu wissen; weil man glaubet, daß man dieselben nöthig habe, um darinnen etwas richtiger, als der Pöbel, zu reden und zu schreiben. Ich selbst hatte mir dieses niemals eingebildet; und war höchlich erfreuet, als ich aus einem so deutlichen Merkmaale, diese patriotische Gesinnung unserer Landesleute wahrnehmen konnte.

Was würde mir aber lieber seyn, als wenn ich auch eben so gewiß versichert wäre, daß meine Sprachkunst dem Verlangen und der Erwartung dieser guten Patrioten eine Gnüge [17] geleistet hätte! So sehr ich solches wünsche: so viele schriftliche und öffentliche Zeugnisse ich auch davon in Händen habe: so wenig bin ich noch zur Zeit davon versichert. Ich mag mich aber damit nicht breit machen. Vieleicht hat die Freundschaft eben so viel Theil daran gehabt, als der Werth meines Buches. Nur so viel will ich sagen, daß mir verschiedene Gönner und Freunde die größte Gefälligkeit dadurch erwiesen, daß sie mir ihre Namen nicht einmal gemeldet haben; die ich doch desto lieber gewußt hätte, je scharfsinniger und gründlicher mehrentheils ihre Beobachtungen waren. Anderntheils aber haben sie mirs ausdrücklich untersaget, ihrer Namen keine Erwähnung zu thun: wenn ich mich gleich ihrer Erinnerungen bedienen würde.

Ich habe dieses mit desto größerm Vergnügen gethan, je unparteyischer und redlicher sie sich, in Abfassung derselben, bewiesen haben. Was ist einem wohlgeordneten Herzen eine größere Lust, als Lehren anzunehmen; wenn sie aus guter Absicht, ohne Stolz und Bitterkeit gegeben werden? Ich bin so glücklich gewesen, solche patriotische und wohlmeynende Lehrer zu bekommen: und mein Buch wird an unzähligen Stellen zeigen, daß ich gelehrig gewesen. Die meisten Zusätze und Anmerkungen, die mit kleinerer Schrift gedruckt sind, habe ich diesen freundschaftlichen Erinnerungen zu danken. Habe ich aber ja, in einigen Stücken, auch meine alten Meynungen behauptet: so schätze ich doch die Urheber der mir gemachten Einwürfe vollkommen hoch; und werde ihre gegen mich bezeugte Güte allemal rühmen müssen.

Allein, auch außer dem, habe ich hin und wieder meine Gedanken, theils ausführlicher erkläret, theils mit neuen Gründen bestätiget, theils mit mehrern Exempeln erläutert. Die Verzeichnisse der Wörter bey einigen Regeln sind etwas vollständiger gemachet; die Ausnahmen bey einigen sind genauer und richtiger eingeschränket: und in der Prosodie sind auch so gar einige mehrere Zeugnisse, zu Bekräftigung meiner[18] Grundsätze, angeführet worden. Außer dem hat auch die Wortfügung ein Paar neue Hauptstücke bekommen: die zwar nichts wesentliches betreffen; gleichwohl aber auch, bey einer guten Sprachkunst nicht für überflüßig zu achten sind.

Indessen dörfen doch diejenigen, welche mit der ersten Ausgabe dieses Buches versehen sind, nicht denken, daß ihre Sprachkunst nunmehr abgedanket, und zum Gebrauche untüchtig geworden sey. Nein, es sind noch alle Hauptstücke, Abänderungen der Nennwörter, Abwandelungen der Zeitwörter, und Regeln der Wortfügung eben dieselben geblieben. So wenig sich unsere Sprache in Jahresfrist hat ändern können: so wenig hat auch diese Sprachlehre ganz umgeschmolzen werden dörfen. Es sind nur Kleinigkeiten und zufällige Zusätze, die hier geändert oder beygefüget worden; und dergleichen werden sich noch bey allen künftigen Ausgaben nach und nach machen lassen: wenn ich anders meinem Versprechen nachkommen will, lebenslang an der Verbesserung dieses Buches zu arbeiten.

In Pelissons Historie der französischen Akademie, findet sich ein Urtheil von der französischen Sprachkunst des Abts Regnier, welcher sehr vortheilhaft für sie ist; zumal da es nach dem Tode ihres Urhebers gefället worden. Kann meine Sprachkunst dereinst nach meinem Ableben, eben dieses Zeugniß von verständigen Sprachkennern erlangen: so wird meine darauf verwandte Arbeit reichlich belohnet seyn. Allein, ebendaselbst a.d. 64 S. finde ich, daß es nicht dienlich sey, durch gar zu viele Anmerkungen eine Grammatik zu vermehren, und immer weitläuftiger zu machen. Man behauptet mit dem besten Grunde von der Welt, daß eine Sprachkunst in Folio (ja ich möchte hinzusetzen eine in 4to) weder von Einheimischen, noch von Ausländern gelesen werden würde. Ein großes Buch schrecket die meisten Leser ab: zumal wenn es von so trocknem Inhalte ist, als eine Grammatik.

[19] Was zieht man aber für eine Folge daraus? Diese, daß man über eine gute Sprachlehre wohl Anmerkungen machen könne und müsse; aber daß selbige nicht alle in die Sprachlehre selbst gehören. Diesem zu Folge werde ich auch meine Sprachkunst künftig nicht immer zu vergrößern suchen. Die gegenwärtige Größe soll sie beständig behalten: damit sie nicht unbequem und unbrauchbar werde. Was mir aber für fernere Anmerkungen von grammatikalischen Sachen beyfallen sollten, das will ich in dem neuen Büchersaale der schönen Wissenschaften und freyen Künste mittheilen. Sollten auch guten Sprachkennern und patriotischen Liebhabern der deutschen Sprache, hier und da Zweifel wider mein Buch einfallen: so werden sie mich verbindlich machen, wenn sie mir dieselben mittheilen werden. Ich verspreche sie alle von Wort zu Wort dem Drucke zu übergeben, und nach meiner geringen Einsicht zu beantworten: wie ich schon neulich eine Probe davon im Vten Stücke des VIIIten Bandes gegeben habe. So werden die Liebhaber der Sprachrichtigkeit eher ihren Zweck erhalten, als wann sie erst eine neue Auflage meiner Sprachkunst erwarten sollten.


Geschrieben im Carlsbade,

1749 im August.

Gottsched.

Fußnoten

1 Wenigstens ist ein gewisser Wende so aufrichtig gewesen, sich, und alle diejenigen für Thoren zu erklären, die ihren Gulden für mein Buch ausgegeben hätten.

Vorrede der dritten Auflage

Vorrede der dritten Auflage.

Ich habe mich in der Vorerinnerung der ersten Ausgabe dieser Sprachkunst anheischig gemacht, an meiner Sprachkunst immer zu bessern, und sie, so viel mir möglich wäre, der Vollkommenheit zu nähern. Hiermit liefere ich nun einen [20] neuen Beweis, daß es mir mit diesem Versprechen ein Ernst gewesen. Die veränderte und etwas größere Gestalt meines Buches ist gar nicht, um des bloßen Wohlstandes und Zierraths halber, erwählet worden. Die vielen Zusätze und Vermehrungen desselben haben mich und den Herrn Verleger genöthiget, dieses neue Format zu erwählen: weil sie sonst das Buch, in der vorigen kleinern Gestalt, gar zu dick und unbequem gemachet haben würden.

Glaube aber nicht, geehrter Leser, daß du alle Verbesserungen und Zusätze meines Buches mir allein zu danken hast. Nein, ich bin, wie bey der zweyten Ausgabe, also auch bey der dritten, meines Wunsches gewähret worden. Verschiedene Gönner und Freunde haben sich die Mühe nicht dauren lassen, mir die patriotische Liebe ihrer Muttersprache dadurch bekannt zu machen, daß sie mir allerhand Anmerkungen und Zweifel über meine Sprachkunst zugefertiget. Ich rühme dieses öffentlich, mit einer wahren Erkenntlichkeit; und würde ihre Namen nennen, wenn sie solches nicht aus Bescheidenheit abgelehnet hätten. Einestheils sind dieselben nach ihrem Stande, und ihren Bedienungen, über die kleine Ehre weit erhaben, die ihnen aus einigen grammatischen Erinnerungen irgend zuwachsen könnte: anderntheils aber sind sie schon durch eigene, weit wichtigere Schriften, der Welt so bekannt, daß ihnen ebenfalls, durch solche Kleinigkeiten, kein neuer Ruhm entstehen würde.

Zwar haben auch andere, vieleicht nicht in so freundschaftlichen Absichten, meine Sprachkunst entweder zu bessern, oder doch wenigstens zu tadeln gesuchet. Ich schließe dieses daraus, daß sie ihre Anmerkungen nicht mir zugesandt, sondern in öffentlichen Schriften vorgetragen haben; um dadurch vor aller Welt als meine Lehrer und Meister zu erscheinen. Ich misgönne ihnen dieses Ansehen nicht; sondern weis es wohl, daß, wer am Wege bauet, viele Meister erdulden muß. Da ich aber auch das wenigste davon zu sehen bekommen, vielweniger gelesen, (denn wer kann heutiges [21] Tages alles lesen, was herauskömmt?) so haben auch diese geschickten Kunstrichter ihren Lohn dahin! Die Welt, und sonderlich der sprachliebende Theil unsers Vaterlandes, wird ihnen den Dank abstatten, den sie verdienen: ich aber bin des Vortheils beraubet worden, den ich aus ihren Erinnerungen für meine Sprachkunst hatte ziehen können.

Indessen bin ich doch bey meiner Arbeit auch selbst nicht saumselig gewesen. In allen Theilen dieser Sprachkunst, und an allen Stellen, wo bey genauer Prüfung etwas zu fehlen schien, habe ich theils durch Verbesserungen eingeschlichener Mängel, theils durch Ergänzung unvollständiger Verzeichnisse, theils durch andere Zusätze und Anmerkungen, die Vollkommenheit derselben zu befördern gesuchet. Bisweilen habe ich die Regeln mehr eingeschränket; bisweilen mehr Ausnahmen beygefüget; bisweilen mehr Beyspiele gegeben; bisweilen auch in der Ordnung und Deutlichkeit des Vortrages etwas geändert. Zweifel, die mir vorgetragen worden, oder mir bey reifem Nachsinnen selbst beygefallen, habe ich beantwortet; Scheingründe, die mir zuwider waren, habe ich beleuchtet, und Gründe von manchen Regeln angegeben, wo sie noch gefehlet hatten. Ja ich habe mich hier zuweilen genöthiget gesehen, bis in die ältesten Denkmäler unserer Sprache zurück zu gehen, und Schriftsteller anzuführen, die vieleicht nicht allen Liebhabern des Deutschen zu Gesichte gekommen, oder nur dem Namen nach bekannt geworden.

In den Zeitwörtern sonderlich, habe ich eine grammatische Kätzerei gewaget. Ich habe dieselben mit zwoen neuen Zeiten vermehret, die in unsern alten Sprachlehrern nicht vorkommen. Ich habe sie aber nicht selbst gemachet; sondern, da ich sie im Reden und in den besten Schriftstellern eingeführet fand, nur mit Namen versehen, und an ihren Ort eingerücket. Ich hoffe aber damit eben so wenig etwas verbrochen zu haben, als derjenige Sprachlehrer: der im Griechischen zuerst zween AORISTOS, und drey FUTURA angemerket, und in seine Grammatik gesetzet hat.

[22] Ich habe aber auch der Wortfügung noch einen Anhang, von einem Auszuge deutscher Sprüchwörter hinzugesetzet: weil ich bemerkete, daß das Verzeichniß der vornehmsten Kernredensarten im Deutschen, bey vielen Beyfall gefunden hatte. Dieses neue aber ist noch etwas stärker gerathen: ob ich gleich bey weitem nicht alles genommen, was in andern größern Sammlungen davon zu finden war.

In der Tonmessung habe ich hauptsächlich die Historie des deutschen Syllbenmaaßes noch sorgfältiger durch alle Jahrhunderte geführet, und mit mehrern Beweisen und Zeugnissen alter Dichter erläutert. Ich habe auch die Grundlehren von der Prosodie, mit Anführung gelehrter Schriften überall bestärket: weil ich gesehen, daß einige dieselben für meine Einfälle, und bloß willkührlich angenommene Meynungen halten wollen; andere aber, die doch die Alten kennen wollten, dennoch die wahren Gründe der Prosodie in ihnen nicht angemerket hatten.

Endlich habe ich auch einen Anhang hieher gebracht, den ich vor fünf und zwanzig Jahren zuerst aufgesetzet, nach der Zeit ziemlich verbessert, itzo aber noch vollständiger gemachet habe. Es ist solches die Erörterung der Frage, ob man deutsch oder teutsch schreiben solle; und die Zugabe von dem Rechtshandel der doppelten Buchstaben; die ich als eine Nachahmung des lucianischen JUDICII VOCALIUM, vor vielen Jahren aufgesetzet hatte. Beydes wird vieleicht in dieser Erneuerung nicht unwürdiger seyn, gelesen zu werden, als es damals bey der Nachricht von der hiesigen deutschen Gesellschaft gewesen; und als es nachmals geschienen, da etliche wienerische Gönner und Freunde, auf eigene Kosten, eine neue Auflage davon veranstaltet hatten. Und warum sollten diese grammatikalischen Stücke hier keinen Platz finden; da sie gleichsam die ersten Vorbothen und Vorspiele meiner Sprachkunst gewesen sind?

In kurzem wird zu Straßburg in Herrn Königs Verlage, eine deutsche Sprachlehre, zum Gebrauche der Franzosen, [23] in ihrer Sprache herauskommen, die hauptsächlich auf den Grund der meinigen gebauet ist. Ich kann derselben desto sicherer das Lob einer großen Richtigkeit beylegen, da der Herr Verfasser mir seine Handschrift zur Einsicht gesandt hat, ehe sie zum Drucke befördert worden, wie ich mir in den vorigen Ausgaben gewünschet hatte. Wie nichtig ist also nicht der Zorn eines Gegners darüber gewesen, der sich nicht einmal mäßigen können, ihn nicht öffentlich zu verrathen!

Übrigens lasse sich der geneigte Leser meinen Eifer, ihm und den schönen Wissenschaften zu dienen, bestens gefallen, und bleibe mir ferner gewogen.


Geschrieben

Leipzig, den 21 April,
1752.

Joh. Chr. Gottsched.

Vorrede der vierten Auflage

Vorrede der vierten Auflage.
Geneigter Leser!

Seit dem ich dir die größere und merklich vermehrte Ausgabe meiner Sprachkunst geliefert, hat sich fast eine allgemeine Liebe unserer Muttersprache hervorgethan. Ich habe solches aus den vielen Sprachlehren schließen müssen, die an verschiedenen Orten ans Licht getreten. Es haben sich sehr viele Gelehrte im obern und mittlern Deutschlande, um die Wette bemühet, derselben durch Sprachlehren und eifrige Kritiken wider die Misbräuche in derselben aufzuhelfen. Und ich kann nicht läugnen, daß ich sie alle gelesen; so feindselig sich auch einige davon wider mich, und meine Bücher erkläret haben.

Nichts wäre natürlicher, und selbst erlaubter gewesen, als wider solche Feinde meiner Lehrsätze und Arbeiten, mit [24] gewaffneter Hand zu Felde zu ziehen. Es ist längst Sitte unter den Gelehrten gewesen, keinen Widerspruch zu dulden, und seine angefochtenen Meynungen eifrig zu vertheidigen. Man hat mich so gar öffentlich dazu aufgefodert, und mich bereden wollen: mein ganzer Ruhm und guter Namen stünde in Gefahr, wenn ich nicht allen Gegnern antwortete. Manche haben es gar als einen Spott gebrauchet, wenn sich andere Schriftsteller gerühmet, nicht wider meine Sprachkunst verstoßen zu haben. Allein, ich habe ganz still gesessen, und allen diesen Angriffen gelassen zugesehen. Die Ursachen meines kaltsinnigen Verfahrens will ich kürzlich entdecken.

Fürs erste, ist meine Gemüthsart gar nicht zum Neide geneigt. Ich gönnete also einem jeden denjenigen Ruhm, den er sich auf eben der Bahn erwerben können, die ich zu laufen mir erwählet hatte. Ich wußte ja, daß ich von des Kaisers und Reichs wegen kein Ausschließungsrecht auf die deutsche Sprachkunst erhalten hatte. Was also mir frey gestanden hatte; mußte einem jeden andern, der seine Kräfte fühlte, auch erlaubet seyn. Und wäre es nicht lächerlich gewesen, zu begehren: daß die ganze gelehrte Welt auf einmal die Feder niederlegen sollte, sobald ich mich unterfangen hätte, von irgend einer Sache zu schreiben.

Da ich ferner seit 30 und mehr Jahren eifrig gewünschet; daß Deutschland seine Sprache mehr lieben, und zu besserer Richtigkeit und Schönheit bringen möchte: so habe ich es nicht anders, als gern sehen können, daß viele an ein so wichtiges und schweres Werk Hand angeleget. Zwey Augen sehen nicht alles: und zwo Hände konnten nicht alles bewerkstelligen, was hier zu thun übrig war. Je mehrere sich also bey dieser Arbeit als Gehülfen angaben, desto lieber mußte mirs natürlicher Weise seyn; wenn sie nur nebst einem guten Willen, auch die nöthige Geschicklichkeit und sattsame Kräfte mit sich brachten.

Nun ist es aber freylich nicht zu läugnen, daß einige unter den neuen Sprachlehrern gelehrte, und für die Ehre Deutschlandes [25] recht eifrige Männer gewesen. Denn so unbillig bin ich nicht, ihnen diese Verdienste abzusprechen: so uneinig sie auch übrigens in vielen Meynungen mit mir sind. Ich gebe ihnen hiermit öffentlich dieses Zeugniß; gesetzt, daß Sie mirs in vielen Stücken versaget hätten. Denn ich bin so rachgierig nicht, als Sie vielleicht denken. Sie kennen mich nicht sattsam. Aber ich hoffe, sie auch hierdurch eines bessern zu belehren.

Es ist wahr, wer die seit sechs Jahren ans Licht getretenen Sprachlehren ansieht, und genau gegen einander hält, der sollte bey nahe denken, daß er die Arbeiter beym babylonischen Thurmbaue vor sich sähe; und zwar in dem Zeitpuncte, da die Verwirrung ihrer Mundarten geschah. Sie waren alle eifrig, das Ihre zu thun: aber sie verstunden einander nicht. Ein jeder meynte, er redete recht, und verdammte seinen Mitarbeiter, der sich anders ausdrückte. Darüber blieb nun das ganze Werk liegen, und der Bau gerieth ins Stecken. Vieleicht ist meine und meiner Mitwerber bisherige Bemühung, vielen unsrer Zuschauer eben so lustig vorgekommen.

Dem sey nun, wie ihm wolle, so habe ich mich doch von meiner Arbeit und Bemühung durch keinen Widerspruch, ja auch durch keinen Zorn meiner Gehülfen abwendig machen lassen. Ich habe sie nach Ihrer Einsicht arbeiten lassen, ohne sie zu stören; und gethan, als ob ich es nicht wüßte, daß sie mich hindern wollten, nach meiner Art fortzufahren. Deutschland ist der Richter gewesen, wer es unter uns am besten getroffen. Ich habe seinen Ausspruch mit Gelassenheit erwartet, und ihn weder durch Drohen und Pochen; noch durch niedrige Künste zu erzwingen, oder zu erschleichen gesuchet. Denn was ist es nicht für ein sehr seichtes Vergnügen, wenn man sich bewußt ist, einen eingebildeten Beyfall, mit so schnöden Kunstgriffen erlanget zu haben?

Der gute Abgang der größern Sprachkunst, hat es nicht gehindert, daß auch mein Kern der deutschen Sprachkunst [26] zugleich Liebhaber, und bereits in zwoen Auflagen Käufer gefunden hätte. Sehr viele gelehrte und wackere Schulmänner haben denselben bey ihren Untergebenen brauchbar befunden, und eingeführet; sonderlich seit dem ich ihnen auch meine Vorübungen der Redekunst, und neulich noch die Vorübungen der lat. und deutschen Dichtkunst, zum Gebrauche der obern Schulclassen geliefert habe. Was konnte ich nun aus dem allen anders schließen, als daß meine grammatischen Lehrsätze, an unzähligen Orten, und zwar bey guten Kennern und gehörigen Richtern, Beyfall gefunden haben müßten?

Hierzu kam nun vorigen Sommer das Begehren des Herrn Verlegers, daß ich auch meine vollständige Sprachkunst, zu einer neuen Auflage nochmals übersehen, und wo nöthig, erläutern möchte. Ich hatte kaum die straßburger französische Ausgabe aus den Händen geleget, als welche gleichfalls zu einer neuen Auflage gediehen war, und von mir abermal in einigen Stücken verbessert worden: und selbst von dem pariser Auszuge meldete man mir einen Druck an, der in Wien veranstaltet würde. Alles dieses nun bestärkte mich in der Meynung, daß ich nichts nützlichers thun könnte, als daß ich ein Buch zu aller möglichen Vollkommenheit brächte, welches an so vielen Orten mit einer erwünschten Aufnahme beehret ward.

Hier kann ich nun ein offenherziges Geständniß thun. Fast alle Verbesserungen, die ich in dieser neuerläuterten Sprachkunst, an sehr vielen Orten gemachet habe, hat der geneigte Leser mehr andern, als mir, zu verdanken. Hatte sich bey der zweyten Auflage ein gelehrter Gönner in Schlesien gefunden, der mich mit Einwürfen, Zweifeln, und Anmerkungen in den Stand gesetzet, sie vollkommener zu machen; so haben sich itzo in Niedersachsen, ein paar redliche deutsche Patrioten gezeiget, die mich mit sehr vielen Erinnerungen, Fragen, und Gegengründen aufmerksam gemachet; wo es meinen Lehrsätzen und Regeln noch an etwas fehlen möchte. [27] Diesen beyden gelehrten Kennern haben meine Leser bey nah alle die neuen Zusätze, und Änderungen zu danken, wodurch diese Auflage sich von der vorigen unterscheidet.

Wie gern wollte ich diesen wackern Patrioten, den ihnen gebührenden Dank auch namentlich abstatten! Allein, bey allen den freundschaftlichen Gesinnungen gegen mich und mein Buch, die durchgehends so deutlich ins Auge fallen, haben Sie mir gleichwohl die Kenntniß ihrer Personen noch zur Zeit versaget. Die Anmerkungen des ersten hatte ich schon vor ein paar Jahren bekommen. Sie waren auf etlichen ziemlich starken Heften in Fol. geschrieben, und der Herr Verfasser hatte allemal einen breiten Rand übrig gelassen, daß ich meine Antworten auf seine Fragen und Zweifel beyschreiben konnte. Ich würde einem so bescheidenen, einsehenden, und vernünftigen Gegner längst gewillfahret haben, wenn mir sein Namen und Aufenthalt bekannt gewesen wäre.

Allein, seine Erinnerungen waren auch viel zu erheblich, als daß ich sie nur ingeheim hätte heben sollen. Er hatte mit solcher Scharfsinnigkeit, die nur sehr wenigen Geistern beywohnet, Unvollkommenheiten an meiner Sprachkunst wahrgenommen, die gewiß unter tausend Lesern nicht einer bemerken wird. Er war in die innersten Geheimnisse der Sprache gedrungen, und ich sah mich genöthiget, ihm in sehr vielem Recht zu geben. Er hatte aber auch hier und da Druckfehler und andere kleine Nachläßigkeiten wahrgenommen, darinn ich selbst, wider meine eigene Regeln verstoßen hatte. Solche Schwachheiten kleben uns Schriftstellern so lange an, als wir Menschen sind: und wir sind glücklich, wenn wir Freunde finden, die sie uns auf eine so liebreiche Art entdecken, daß wir sie ohne Beschämung annehmen können.

Von eben der rühmlichen Art ist mein zweyter Gönner, der mir seine Einwürfe und Zweifel nur vorige Michaelmesse, in 8. abgeschrieben, durch einen jungen Braunschweiger zugefertiget hat, der studirenshalber herkam, und von mir der [28] Universitäts-Matrikel einverleibet ward. Auch dieser hat mir unbekannt bleiben wollen; so vielen Dank ich ihm für seine Bemühungen schuldig geworden. Er hat mir ebenfalls in sehr vielen Puncten gegründete, in den übrigen aber solche Einwürfe gemachet, die beantwortet zu werden verdienten. Wo er recht hatte, habe ich ihm stillschweigend nachgegeben, und mein Buch durch seine Einsicht verbessert. Das geringste Zeichen meiner Erkenntlichkeit wird seyn, daß ich beyden erwähnten Gönnern, wenn sie es durch beglaubete Bothen fodern werden, Abdrücke von dieser durch ihre Hülfe verbesserten Ausgabe überliefern werde.

Dennoch aber bin ich auch selbst nicht müssig gewesen, meinem Buche hin und wieder zu größerer Richtigkeit zu verhelfen. Die Vergleichung mit der vorigen Ausgabe wird solches an unzähligen Orten zeigen: ungeachtet dadurch das ganze Buch kaum ein Paar Bogen stärker geworden. Indessen ist in den Hauptstücken dadurch nichts verändert, ja auch in den wesentlichen Regeln und Ausnahmen nichts abgeschaffet worden. Die Exempel sind bisweilen mit Zusätzen bereichert, oder in bessere Ordnung gebracht, auch wohl einige Anmerkungen mit beygefüget worden.

Endlich habe ich die Anhänge theils nochmals übersehen und etwas vermehret; theils noch mit einer dritten Zugabe bereichert. Es ist selbiger ein orthographisches Bedenken, welches schon 1748 von dem gel. Hrn. Verf. der vergnügten Abendstunden, meiner Freundinn und Gehülfinn öffentlich abgefodert worden. Die aufgeweckte Art, womit sie es abgefasset, ist geschickt, die trockensten Materien zu beleben: und ich habe also geglaubet, meinen Lesern ein angenehmes Geschenk damit zu machen, wenn ich es nochmals abdrucken ließe. Vieleicht dienet es auch, manche neuere orthographische Heterodoxen, auf eine lustige Art bey der guten Lehre zu erhalten.

Ich war zwar willens, auch noch nach lucianischer Art, ein Gespräch, unter dem Titel Solöcista, oder der Sprachschnitzler [29] beyzufügen; imgleichen eine kurze Historie der deutschen Sprache, als einen Vorbericht zur Sprachkunst abzufassen. Allein, mein itziges beschwerliches Rectorat, hat mir bey der Eile, womit diese Ausgabe, innerhalb zween Monathen gedrucket werden müssen, um die Begierde der Nachfragenden zu vergnügen, so viel Muße nicht gelassen. Es würde auch in der That das Buch dadurch etwas zu stark geworden seyn: und seinen Preis zu erhöhen, hat weder dem Hrn. Verleger, noch mir rathsam geschienen.

Nichts ist übrig, als daß ich noch diejenigen, so die dritte Auflage schon besitzen, um Vergebung bitten muß, daß diese ein merkliches verbesserter und vermehrter erscheint. Ein Tag lehret ja den andern: soll ich denn nicht lernen, so lange ich lebe? Wollten Sie es künftigen Käufern misgönnen, daß sie weniger Fehler in ihren Büchern hätten; so würden Sie unbillig seyn. Alles nähert sich ja ordentlich seiner Vollkommenheit: sollte nur meiner Sprachkunst dieses nicht vergönnet seyn? Ich will nicht hoffen, daß man ihr und mir so ein hartes Gesetz vorschreiben wird. Vielmehr bitte ich alle Sprachkenner, die etwas zum gemeinen Besten beytragen wollen, mir noch ferner hülfliche Hand darinnen zu leisten; damit diese Sprachkunst dereinst nicht mehr meine, sondern des ganzen gelehrten Deutschlandes seine heißen könne.


Geschr. den des Christm.

1756.

Gottsched.

Erinnerung wegen der fünften Auflage

Erinnerung wegen der fünften Auflage.

Ein Tag lehret den andern; und ich begehre es nicht zu läugnen, daß auch meine Einsicht und Kenntniß unserer Muttersprache noch immer eines Wachsthums fähig sey. Ich [30] habe mich anheischig gemachet, lebenslang an meiner Sprachlehre zu bessern; und ich halte hiermit abermal mein Wort. Auch diese neue Ausgabe erscheint etwas richtiger, und geputzter vor deinen Augen, geneigter Leser, um deiner Gunst würdiger zu werden. Doch glaube nicht, daß du hier Hauptänderungen, oder eine gänzlich umgeschmolzene Sprachkunst finden werdest. Nein, so übereilt pflege ich meine Arbeiten nicht ans Licht zu bringen, daß ich bald darauf meine Grundsätze umzustoßen, und das unterste zu oberst zu kehren, nöthig hätte. Wer nicht ganz genau, Seite mit Seite und Zeile mit Zeile in der letzten und itzigen Auflage vergleichen wird, der dörfte es kaum wahrnehmen, daß die Hand des Meisters nochmals darüber gekommen. So gar ist alles, was die Hauptsachen betrifft, beym alten geblieben. Nur Kenner und scharfsichtige Kunstrichter werden hier und da mehr Genauigkeit, und eine schärfere Richtigkeit in vielen Stücken wahrnehmen.

Wie es nun überflüßig wäre, alle solche Kleinigkeiten, Vermehrungen und Verbesserungen hier noch mals anzuzeigen: so muß ich hingegen ein Wort gegen einen Tadler meiner Sprachkunst sagen, der unlängst aus einer unlautern Absicht an derselben zum Ritter werden wollen. Es ist solches Hr. M. Junker zu Hanau, der aus Begierde, etwas zu verdienen, 1760 eine neue Grammatik, zum Gebrauche der Franzosen ans Licht gestellet hat. Als er dieselbe in einer vorläufigen Anzeige verkündigte, drang ihm die Wahrheit ein Bekenntniß ab 1, welches mir so rühmlich war, daß ich es [31] nicht einmal übersetzen mag. So schmäuchelhaft hier sein Zeugniß war, und so sehr ich ihm dafür verbunden bin: so wenig kann ich mich darein finden, daß er in der Vorrede seiner NOUVEAUX PRINCIPES, aus einem ganz andern Tone, von mir und meiner Sprachkunst zu reden angefangen hat. Er nimmt fast alles mit einander wieder zurück, was er doch ungezwungen und aus eigenem Triebe gutes von uns gesaget hatte, und widerspricht sich also selbst.

Denn so wahr dasjenige war, was er gleich nach obiger Stelle in seinem AVERTISSEMENT 2, hinzugesetzt hatte; daß ich nämlich meine Sprachkunst nur für die Deutschen geschrieben hätte; wie solches in meiner ersten Vorrede mit deutlichen Worten enthalten ist, und aus dem ganzen Werke erhellet: so unfreundlich ist er mit mir verfahren, wenn er in dieser Vorrede, überhaupt auf meine Sprachkunst den Zorn ausschüttet, den er anfänglich, nur der straßburgischen französischen Ausgabe zu geben gedacht haben mochte. Ich bin so wenig geneigt, böses mit bösem zu vergelten, daß ich sein Buch zwey Jahre in Händen gehabt, ohne einen Auszug von ihm, im Neuesten aus der anmuth. Gel. zu geben. Wie leicht würde es mir gefallen seyn, ihm doppelt soviel wirkliche Fehler vorzurücken, als er mir vermeynte vorgeworfen hat? Allein, ich liebe das Zanken, zumal von grammatischen Kleinigkeiten, [32] nicht, sonst hätte ihm eine STRIGILIS GRAMMATICA zu Diensten gestanden. Außer dem habe ich ein Mitleiden mit ihm gehabt. Meine und die straßburger französische Sprachkunst, mögen ihm wohl im Absatze der Seinigen, die er auf eigene Kosten drucken lassen, im Wege gestanden seyn. HINC ILLÆ LACRUMÆ! Wie konnte er das verschmerzen, ohne auf das los zu ziehen, was den Abgang seines Buches, so merklich hinderte? Ob aber dieses eine lautere Quelle einer Kritik sey, mögen unparteyische Leser selbst urtheilen.

Soviel habe ich nur in dieser Erinnerung davon beybringen müssen: ein mehrers wird der straßburgische Herausgeber, mit dem er eigentlich zu thun hat, in der neuen Ausgabe, die eben itzo auch vieleicht fertig werden wird, ihm entgegen setzen. Diese oft wiederholten Abdrücke nun (wie denn auch mein Kern der deutschen Sprachkunst zum viertenmaale fertig geworden) bezeugen noch immer, die gütige Aufnahme meiner Sprachkunst, und die Gewogenheit meiner werthen Landesleute: der ich mich auch ferner empfohlen haben will.

Was mir ein anderer feindseliger Tadler meiner Sprachkunst, Herr Rector Heinz zu Lüneburg, für Anmerkungen entgegen gesetzet, das übergehe ich hier mit einem gelassenen Stillschweigen. Hr. Ge. Christoph Kunz, Rector zu Nörnberg, und der hies. deutsch. Ges. Mitgl. hat dieselben in seiner so betitelten Beleuchtung, so gründlich abgefertiget, daß sie allen ihren Werth und Schein verlohren haben. Solche unreife Sprachkünstler, verrathen nur ihre eigene Schwäche, wenn sie sich in ein Handwerk mengen wollen, dem sie nicht gewachsen sind; und ihr lautes Geschrey über Dinge, die sie nicht eingesehen, erwecket ihnen, zu ihrer Beschämung den Zuruf: SI TACUISSES, GRAMMATICUS MANSISSES.


Geschrieben

den 16 des Aerntemonds 1762.

Gottsched.

Fußnoten

1 Seine Worte lauten so: PERSONNE N'ETOIT PLUS EN ÉTAT, QUE MR. GOTTSCHED, DE DECOUVRIR & METTRE AU JOUR LES PRINCIPES & LES BEAUTÉS DE LA LANGUE ALLEMANDE; AUSSI CE SAVANT, QUI FAIT TANT D'HONNEUR A L'UNIVERSITÉ DE LEIPZIG, & QUE LA POSTERITÉ REGARDERA AVEC JUSTICE COMME LE VARRON & LE CICERON DES ALLEMANS, NE S'EST PAS MOINS ACQUIS DE CELEBRITÉ, PAR LA GRAMMAIRE, QU'IL A DONNÉ AU PUBLIC, QUE PAR SES AUTRES OUVRAGES. CETTE GRAMMAIRE MERITE SANS DOUTE LA PRÉFERENCE SUR TOUTES CELLES, QUE NOUS AVONS EUËS AUPARAVANT, & L'ON PEUT DIRE, QUE SON EXCELLENCE EST TELLEMENT RECONNUË, QUE CEUX, QUI DEPUIS ONT ECRIT SUR CETTE MATIERE, ONT ÉTÉ LOUÉS OU CRITIQUÉS SUIVANT QU'ILS SE SONT RAPROCHÉS OU ÉLOIGNÉS DES PRINCIPES DE MR. GOTTSCHED.

2 MAIS CE SAVANT PAROIT N'AVOIR EU POUR BUT; QUE DE METTRE LES ALLEMANS À PORTÉE DE CONNOITRE LA PURETÉ & LA REGULARITÉ DE LEUR LANGUE. SA GRAMMAIRE EST À PEÙ PRÈS POUR LES ALLEMANS CE, QU'EST CELLE DE RESTAUT, POUR LES FRANÇOIS; & C'EST PAR CETTE RAISON, QU'ELLE NE PEUT SATISFAIRE ENTIÉREMENT LES ETRANGERS, QUI SOUHAITENT D'APRENDRE NOTRE LANGUE. QUICONQUE VOUDRA SE CONVAINCRE DE LA VERITÉ DE CE QUE JE VIENS D'AVANCER, PEUT CONSULTER CEUX DES ÉTRANGERS, QUI ONT VOULÛ PUISER LES PRINCIPES DE LA LANGUE ALLEMANDE DANS LA TRADUCTION FRANÇOISE DE LA GRAMMAIRE DE MR. GOTTSCHED, DONT ON A DONNÉ DEPUIS PEU UNE NOUVELLE EDITION À STRASBOURG, ETC.

Grundriß einer deutschen Sprachkunst

Der Einleitung I Abschnitt
Der Einleitung
I Abschnitt.
Von der Sprachkunst überhaupt.

1. §.


Eine Sprachkunst überhaupt ist eine gegründete Anweisung, wie man die Sprache eines gewissen Volkes, nach der besten Mundart desselben, und nach der Einstimmung seiner besten Schriftsteller, richtig und zierlich, sowohl reden, als schreiben solle 1.

[37] 2 §. Eine Mundart ist diejenige Art zu reden, die in einer gewissen Provinz eines Landes herrschet; in so weit sie von der Art zu reden der andern Provinzen abgeht, die einerley Hauptsprache mit ihr haben 2.

3 §. Die beste Mundart eines Volkes ist insgemein diejenige, die an dem Hofe, oder in der Hauptstadt eines Landes gesprochen wird 3. Hat aber ein Volk mehr als einen Hof, wie z.E. Wälschland, oder Deutschland: so ist die Sprache des größten Hofes, der in der Mitte des Landes liegt, für die beste Mundart zu halten. So ist in Griechenland vormals die atheniensische Mundart für die beste gehalten worden; weil Athen mitten unter allen denen Staaten lag, die in Asien und Europa griechisch redeten. In Italien wird gleichfalls die toscanische und römische für die beste gehalten.

[38] 4 §. Eine jede Mundart hat in dem Munde der Ungelehrten, ihre gewissen Mängel; ja aus Nachläßigkeit und Übereilung im Reden, ist sie mit sich selbst nicht allemal einstimmig. Daher muß man auch den Gebrauch der besten Schriftsteller zu Hülfe nehmen, um die Regeln einer Sprache fest zu setzen: denn im Schreiben pflegt man sich viel mehr in Acht zu nehmen, als im Reden 4.

5 §. Die besten Schriftsteller eines Volkes, werden durch den allgemeinen Ruhm, oder durch die Stimmen der klügsten Leser bekannt: doch müssen sie nicht in Ansehung der Sachen, sondern wegen der Schreibart und Sprache berühmt seyn. Es dörfen aber diese Scribenten nicht eben alle aus derselben Landschaft gebürtig seyn 5. Denn durch Fleiß und Aufmerksamkeit kann man sich die Fehler seiner angebohrnen Mundart, und zwar im Schreiben, noch viel leichter, als im Reden, abgewöhnen.

[39] 6 §. Wenn aber diese guten Scribenten dennoch in gewissen Stücken von einander abgehen: so muß dieAnalogie der Sprache den Ausschlag geben, wer von ihnen am besten geschrieben habe. Oft hat das besondere Vaterland eines Schriftstellers an seinen Abweichungen Schuld 6. Oft haben auch die fremden Sprachen, die er am meisten getrieben hat, ihn auf gewisse Abwege geleitet; so daß er sich in seiner eigenen Muttersprache fremd und ausländisch ausdrücket 7.

[40] 7 §. Durch die Analogie versteht man in den Sprachlehren die Aehnlichkeit in den Ableitungen und Verwandelungen der Wörter; imgleichen in der Verkürzung, Verlängerung und Zusammensetzung, sowohl der Wörter, als der Redensarten. Da es nun in allen Sprachen eine solche Aehnlichkeit, oder Analogie giebt: so machet allemal die größte Anzahl übereinstimmender Exempel eine Regel aus; die davon abweichenden Redensarten aber geben die Ausnahmen an die Hand 8. Denn noch bey keinem Volke hat man eine vollkommene Analogie im Reden beobachtet: ja vieleicht würde selbst eine ganz neuerdachte philosophische Sprache, nicht ohne alle Ausnahmen seyn können.

[41] 8 §. Man sieht also, wie es zugeht, daß man die Sprache nach Regeln richten; und die Gewohnheit im Reden bisweilen der Sprachkunst entgegen setzen kann. Denn da die Regeln aus der Sprache selbst, nach den meisten Exempeln genommen und festgesetzet worden: so unterwirft man nicht die Sprache gewissen eigenmächtigen Gesetzen eines Sprachlehrers; sondern es werden nur wenige, von der Ähnlichkeit abweichende Redensarten, der Übereinstimmung der meisten Exempel unterworfen. Man setzet also auch nicht das Ansehen eines Sprachkundigen, der Gewohnheit; sondern eine allgemeinere Gewohnheit großer und vieler, oder doch besserer Landschaften, einer eingeschränktem, oder gewissen Misbräuchen entgegen 9.

9 §. Doch, aus dieser Widerwärtigkeit der Gewohnheit im Reden, folget noch nicht, daß alle Redensarten durchaus auf eine Aehnlichkeit gebracht werden, und also alle Ausnahmen abgeschaffet werden müßten. Nein; die Sprachen sind älter, als die Regeln derselben: und diese müssen also nachgeben, wo eine durchgängige und allgemeine Gewohnheit [42] im Sprechen 10 das Gegentheil eingeführet hat. Nur, wo der Gebrauch ungewiß, oder verschieden ist, da kann ein guter Sprachlehrer, durch die Aehnlichkeit der meisten Exempel, oder durch die daraus entstandenen Regeln, entscheiden, welcher Gebrauch dem andern vorzuziehen sey 11.

10 §. Da die Sprachen sich von Zeit zu Zeit verändern, und unvermerkt gewisse Arten zu denken und zu reden aufkommen, auch endlich überhand nehmen, die vormals nicht gewöhnlich gewesen: so müssen sich auch die Sprachlehrer darnach richten, und solche Regeln machen, die der Mundart ihrer Zeiten gemäß sind 12. Es ist also kein Wunder, daß die alten Sprachlehren von lebendigen Sprachen endlich unvollständig und unbrauchbar werden: wie wir an der klajischen und schottelischen bey uns deutlich wahrnehmen. Denn seit hundert Jahren hat sich das Deutsche ziemlich gebessert, oder doch wenigstens sehr verändert.

[43] 11 §. Doch ist es einem Sprachlehrer sehr nöthig, neben der besten Mundart seiner Muttersprache, theils die abweichenden schlechtem Mundarten der übrigen Provinzen; theils auch die ältern Schriften der Sprachlehrer, und überhaupt die ältesten Bücher seines Vaterlandes zu kennen. Die mannichfaltigen Stuffen, die eine Landessprache allmählich bestiegen hat, geben ein großes Licht in den Ursachen der Regeln, und in denen Veränderungen, die sie erlitten haben 13. Und selbst die verschiedenen Mundarten erläutern bisweilen einander, durch ihre Vergleichung: wie z.E. das Niederdeutsche sehr oft dem Hochdeutschen zu statten kömmt.

12 §. Da aus verschiedenen Mundarten vielmals ganz besondere Sprachen entstanden sind, die man, wegen ihrer noch merklichen Aehnlichkeit, Schwestern zu nennen pflegt: so [44] sieht man leicht, daß man sich bisweilen auch der verschwisterten Sprachen bedienen kann, um von gewissen Regeln Grund anzugeben. So erläutern zuweilen die wälsche und spanische Sprache das Französische; die engländische, holländische, dänische und schwedische Sprache aber das Hochdeutsche. Es ist also gut, wenn ein Sprachlehrer auch die mit seiner Sprache verwandten Schwestern, gewissermaßen kennet 14.

13 §. Aus allen diesen Haupt- und Nebenquellen ist folgende deutsche Sprachlehre hergeflossen. Man hat sich dabey zwar hauptsächlich auf den heutigen Gebrauch der besten Mundart in Deutschland, und der beliebtesten Schriftsteller gegründet; aber auch die alten deutschen Bücher, und sonderlich die Sprachlehrer voriger Zeiten, oder ihre guten Anmerkungen über unsere Muttersprache, zu Nutze gemacht. Man hat sich endlich auch der benachbarten Völker Sprachen, und vieler deutschen Sprachlehren bedienet, die ihnen zu gut geschrieben worden 15.

[45] 14 §. Daraus erhellet also, daß man keines Menschen Arbeit in diesem Stücke zu verachten, zu widerlegen, oder zu verkleinern gesonnen ist. Meine Vorgänger haben alle viel Gutes an sich, und ich habe ihnen selbst das meiste von demjenigen zu danken, was in diesen Blättern stehen wird. Ich habe nur nach der einem jeden obliegenden Schuldigkeit, noch eines und das andere hinzugesetzet; was eine langwierige Beobachtung der besten Schriften unserer Zeiten, eine vielfältige Untersuchung und Prüfung guter und schlechter Mundarten, und endlich die Vergleichung so vieler kritischen Anmerkungen, die seit 30 Jahren über die Sprache gemacht worden, dem obigen beygefüget haben.

15 §. Weit gefehlet also, daß ich andern guten Schriftstellern ein neues Joch auflegen wollte: so will ich vielmehr nur jungen Leuten die Ursachen anzeigen, warum gute Schriftsteller voriger und unserer Zeiten so, und nicht anders, geschrieben haben, um sie dadurch in dieser guten Art mehr und mehr zu befestigen. Wenn man aus guten Gründen weis, wie man reden und schreiben soll: so läßt man sich, durch gegenseitige böse Exempel, so leicht nicht verführen. Die Sprache selbst wird dadurch fester; und die gute Mundart erhält sich, mitten in der Unbeständigkeit der Sprachen, desto länger 16.

[46] 16 §. Endlich werden auch die an den Gränzen von Deutschland liegenden Landschaften, deren gemeine Mundart von der guten hochdeutschen mehr oder weniger abweicht, in den meisten Fällen eine Anweisung finden: wie sie reden und schreiben müssen, wenn sie sich der besten Mundart, so viel ihnen möglich ist, nähern wollen 17. Denn obgleich ein jedes Volk, zumal in Deutschland, Herr in seinem Lande ist; und also der besondern Mundart seines Hofes folgen könnte: so wird es doch niemand für rathsam halten, sich um etlicher Kleinigkeiten willen, mit Fleiß von dem übrigen Theile der Nation, zu trennen 18; zumal, da schon die besten Schriftsteller in allen Landschaften, den Vorzug der wahren hochdeutschen Mundart eingesehen, und stillschweigend zugestanden haben.

Fußnoten

1 Eine Kunst ist zwar sonst eine Fertigkeit, etwas zu thun, oder zu machen: allein, wenn man sie einem andern beybringen soll; so besteht sie aus Regeln, darnach man sich in der Ausübung derselben richten muß. Wenn diese nun, in einem guten Zusammenhange, gründlich abgehandelt werden: so bekömmt ein solcher Vortrag auch den Namen einer Kunst: so wie man an der Dichtkunst und Redekunst die Beyspiele sieht. Die Sprachkunst ist von den ältesten Zeiten her unter die sieben freyen Künste gezahlet worden. Die Griechen nennen sie γραμματικην, die Lateiner LITTERATURAM, s. Quintil. II Buch 14 Cap. Beydes müßte man deutsch die Buchstäbeley, oder Buchstabenkunst geben: welches aber bey weitem den ganzen Begriff der Sache nicht so erschöpfet, als unsere deutsche Benennung. Die Rabinen nennen sie קודקיד Dickduck, d.i. SUBTILITAS. Jul. C. Scaliger in s. Tr. DE CAUSIS LAT. LINGUÆ, will die Grammatik zur Wissenschaft machen, aber fälschlich. S. den Gerh. Joh. Vossius DE ARTE GRAMMATICA L. 1. c. 2. p. 6. Sciopp hat diese Sprachkunst zu enge eingeschränket, wenn er in s. GRAMM. PHILOS. p. 1. saget: GRAMMATICA EST ARS RECTE LO QUENDI. Denn das rechte Schreiben ist noch viel schwerer, und folglich der wichtigste Theil einer Sprachkunst. Von der allgemeinen Sprachkunst hat Hr. Cantz zu Tübingen 1737 in 4 eine Abhandl. geschrieben: GRAMMATICÆ UNIVERSALIS TENUIA RUDIMENTA etc.

2 So waren vor Zeiten, in Griechenland vier Hauptmundarten gewöhnlich, die man Dialekte nennete: der attische, dorische, äolische und ionische. Der toscanische Dialekt ist heute zu Tage in Wälschland, vom neapolitanischen, lombardischen und venetianischen sehr unterschieden. Und so ist es in Frankreich mit dem parisischen, gasconischen, niederbrittanischen und provenzalischen ebenfalls. In Deutschland hat gleichfalls fast jede größere Landschaft ihre eigene Mundart: doch konnte man die hochdeutsche Sprache hauptsächlich in die österreichische, schwäbische, fränkische und meißnische abtheilen. Die plattdeutsche, oder eigentliche sächsische Sprache, theilet sich abermal in viele Mundarten, worunter die preußischbrandenburgische, braunschweigische, hollsteinische und westphälische leicht die ansehnlichsten seyn werden. Doch ist noch zu merken, daß man auch eine gewisse eklektische, oder ausgesuchte und auserlesene Art zu reden, die in keiner Provinz völlig im Schwange geht, die Mundart der Gelehrten, oder auch wohl der Höfe zu nennen pflegt. Diese hat jederzeit den rechten Kern einer Sprache ausgemachet. In Griechenland hieß sie der ATTICISMUS, in Rom URBANITAS. In Deutschland kann man sie das wahreHochdeutsche nennen.

3 Man meynet hier aber nicht die Aussprache des Pöbels in diesen Residenzen, sondern der Vornehmem und Hofleute. Denn jene ist z.E. auch in Paris und London, nicht die beste. Ja in solchen großen Städten, als diese beyden sind, spricht man oft in einer Gegend derselben viel anders, als in der andern: und so geht es auch in deutschen Residenzen; wie selbst in Wien und Prag bemerket wird. Indessen kann es kommen, daß auch gewisse Städte außer den Residenzen, eine gute Mundart haben; wie man in Frankreich, die Stadt Orleans oder Blois deswegen rühmet. Doch müssen sie nicht gar zu weit vom Hofe liegen.

4 Dieses ist um desto gewisser: da alle Sprachen unter einer Menge eines rohen Volkes zuerst entstanden; oft durch Vermischungen fremder Sprachen verwirret, und durch allerley einschleichende Misbräuche, noch mehr verderbet worden. Sobald sich nun Gelehrte finden, die auch auf die Schreibart einigen Fleiß wenden; so fängt man an, die Sprachähnlichkeit besser zu beobachten, als der Pöbel zu thun pflegt: und die Sprache verliert also etwas von ihrer Rauhigkeit. Je mehr fleißige und sorgfältige Schriftsteller sich nun finden, desto richtiger wird die Sprache: und daher entsteht die Pflicht, sich auch nach dem Gebrauche der besten Schriftsteller zu richten. Diese sind nämlich, wieEnnius vom Cethegus sagete:

FLOS DELIBUTUS POPULI, SUADÆQUE MEDULLA.

5 Das lehren uns die Beyspiele der alten Griechen und Römer. Viele von den ersten waren Jonier, Karier, Lesbier, Lykier, Rhodiser, Kretenser, Thebaner, Sicilianer, ja Samosater und Halikarnassier: ungeachtet auch viele Athenienser sich hervorthaten. Bey den Lateinern war es nicht anders. Die wenigsten guten Schriftsteller waren gebohrne Römer; sondern Umbrier, Calabrier, Venusiner, Paduaner, Mantuaner, Veroneser, ja wohl gar Gallier, Spanier und Afrikaner. Man sehe davon des Hrn. M. Müllers gel. Werk von den classischen Schriftstellern der Lateiner. Mit den neuern Völkern ist es eben so. Nicht alle gute wälsche Scribenten sind gebohrne Toscaner; sondern nach Gelegenheit, Vicentiner, Neapolitaner, Venetianer, Ferrareser, Modeneser und Veroneser gewesen. Und bey den Franzosen sind fast alle ihre besten Schriftsteller aus der Normandie entsprossen: wie Malherbe, die Corneillen, St. Evremond, Benserade, Scudery, Sarrasin, und Hr. von Fontenelle sattsam zeigen. Eben das wird man auch in Deutschland bemerken, wenn man darauf Achtung geben will. War Opitz ein Schlesier, und Flemming ein Meißner, so war Dach ein Preuß, Rist ein Niedersachs, Besser ein Curländer, Canitz ein Brandenburger, Gundling ein Frank, u.s.w.

6 So wird bey uns ein schwäbischer, oder fränkischer Schriftsteller noch allemal etwas schwäbisches oder fränkisches; ein niedersächsischer noch allemal etwas niedersächsisches, und ein Schlesier oder Meißner wiederum sein eigenes Schiboleth behalten: woran ihn ein Kenner aller dieser Mundarten, auch wider seinen Willen, erkennen kann.

7 Das wiederfährt vielen heutigen Schriftstellern bey uns, die uns mit englischen und französischen Redensarten, auch wohl mit lateinischen und griechischen, die Sprache verderben. Jenes ist ein Fehler der Hofleute, dieses aber insgemein der Gelehrten, sonderlich der Schulmänner. Wie klingt es aber, wenn jene zuweilen sagen: der Mensch hat viel Welt, (IL A DU MONDE) d.i. er weis wohl zu leben; Er ist vom Handwerke, (IL EST DU METIER) d.i. er versteht die Sache gründlich; oder auch diese: lasset uns allen Stein bewegen, (OMNEM MOVEAMUS LAPIDEM)? Ja selbst unsere Bibel hat solche hebräische und griechische Ausdrückungen in großer Anzahl, die wir sonst niemals brauchen: als z.E. des Todes sterben; ich kenne des Menschen nicht; Vater unser; die Himmel, u.d.gl. Und wie verderbet uns jetzt das Engländische nicht die Sprache: z.E. Das, Heil dir! für Wohl dir; die Schöpfung, für die Welt u.d.m.

8 Unter den Griechen hat Plato zuerst einige grammatische Anmerkungen in seine Gespräche einfließen lassen; dem hernach Aristoteles in der Rhetorik und Poetik gefolget ist. Allein, es ist gleichwohl ein Wunder, daß keiner unter allen Griechen sich an eine ganze Sprachlehre gewaget hat. Unter den Römern soll Cäsar selbst DE ANALOGIA LAT. LINGUÆ geschrieben haben; worauf hernach mehr grammatische Schriften gefolget; aber freylich sehr spät, als das gute Latein schon vorbey war. Man hat noch den Festus, Nonius, Marcellus, Fabius, Fulgentius, den Corn. Fronto, Caper, den Varro, Terenz, Donat, Servius u.a.m. Bey uns haben wir schon seit 200 und mehr Jahren Versuche, und beynahe eben so lange ganze Sprachlehren gehabt: z.E. Val. Jckelsamers, 1537, in 8vo zu Nürnberg. Laurents Alberts, 1573, in 8vo zu Augspurg; Ölingers von 1574, zu Straßburg und Clajs von 1578. Um aber zu zeigen, wie die Analogie Regeln lehre, will ich ein Exempel geben. Ich bemerke, daß die Wörter, die in der fast vergangenen Zeit den Selbstlaut ändern, und kein te haben, in der völlig vergangenen ein en annehmen: z.E. ich gebe, ich gab, gegeben; ich gehe, ich gieng, gegangen; ich sehe, ich sah, gesehen, u.s.w. Folglich schließe ich obige Regel aus der Übereinstimmung der Exempel; und dieselbe verdammet alsdann die unrichtige Gewohnheit derer, die da sagen, ich bin gewest. Denn von ich bin, ich war, muß folgen, ich bin gewesen.

9 Ja selbst in einer und derselben Landschaft reden nicht alle Leute nach einerley Art und Gewohnheit. Z.E. hier in Meißen sprechen viele, ich bin Willens; so wie man spricht, ich bin der Meynung, des Sinnes, des Vorhabens u.d.gl. Das alles ist nun analogisch gesprochen. Andere aber sagen:ich habs in Willens; allein so hat diese Redensart nirgends ihres gleichen. Sie ist also falsch: zumal, da das Wörtchen in niemals die zweyte Endung zu haben pflegt. Noch eins. Viele sagen ganz richtig, in währender Zeit; so wie man saget in langer, kurzer, verflossener, künftiger Zeit. Das ist nun analogisch. Andere aber sagen und schreiben,während der Zeit: das ist fehlerhaft; denn niemand saget; daurend der Zeit, u.d.gl.

10 Allgemein heißt hier, in Ansehung der Provinzen und Mundarten. Z.E. von ich lebe, bebe, kömmt ich lebete, bebete, und also sollte von gebe, hebe, nach der Analogie, ich gebete, hebete, kommen. Allein, alle deutsche Landschaften sagen, ich gab, ich hub. Dieses kann also kein Sprachlehrer durch seine Regeln abschaffen.

11 Z.E. von, ich schlage, kömmt ich schlug; wie von tragen, ich trug. Hier kommen nun die Niedersachsen, und machen auch von fragen, jagen, ich frug, ich jug. Allein, daß dieses weder der Analogie, noch der allgemeinen Übereinstimmung gemäß sey, zeigen die Oberdeutschen, die da sprechen, ich fragete, jagete; so wie man auch von klagen, sagen, ich klagete, ichsagete spricht. Da nun dieses der Analogie gemäßer ist, und der durchgängige Gebrauch der Oberdeutschen mehr Ansehen und Gültigkeit hat, als der Plattdeutschen: so bleibt fragete, jagete recht;frug und jug aber ist falsch.

12 Nur muß man nicht einzelner Grillenfänger ihre Neuerungen annehmen. So hat man z.E. der Zesianer ihre Seltsamkeiten nicht gebilliget. Ein Sprachlehrer muß sich nämlich sehr hüten, daß er nichts zu einer Regel mache, was noch nicht von so vielen und den besten Schriftstellern gebilliget, und angenommen ist. Z.E. Da es nur wenige Feinde vom h und y in Deutschland giebt, die noch dazu mit ihrer Schreiberey keinen Beyfall finden, sondern vielmehr Ekel er wecken: so muß ein Sprachlehrer dieses nicht billigen. Eben so ist es mit den kleinen Buchstaben bey den Hauptwörtern im Deutschen; imgleichen mit Abschaffung der doppelten Mitlauter, oder des c in lateinischen Wörtern. Hier heißt es billig: Eine Schwalbe machet keinen Sommer.

13 Z.E. das Wort Quittung verstehen die meisten nicht, und denken wohl gar, es komme aus dem Französischen QUITTER: da es doch altes Deutsch ist. Denn im gothischen Evangelio Math. V. im 32 V. und fast unzählige mal, steht, IK QUITA IZWIS, d.i. ich sage euch. Und im VI Cap. der Tatianischen Harmonie, im 2 V. heißt es: INTI QUAD IN THER ENGIL, d.i. und der Engel sprach zu ihnen. Ja endlich singen wir noch im güldenen Abc: Quat nicht zu viel, d.i. sprich, oder rede nicht zu viel. So heißt den quiten, quitiren eigentlich sagen, sprechen, oder auf eine feyerliche Art aussagen, bejahen, bekennen, daß etwas so sey, oder daß man etwas empfangen habe. Eben so wissen viele nicht, daß freyen, ein Freyer, mit Freund, eines Stammes sind. Allein, beyde kommen aus dem gothischen Worte frijan, lieben, Matth. V, v. 46; daher auch die Göttinn Freya, die Liebesgöttinn, undFreytag, DIES VENERIS, kömmt. So heißt denn ein Freyer, ein Liebhaber: und Frijond ein Freund, v. 47, ist gleichfalls einer, der uns liebet.

14 In alten gedruckten Büchern findet man oft das Wort bey in der Bedeutung gebraucht, daß es durch heißt: Z.E. Im Theuerdank steht: Dem gab Gott bey dem Gemahel sein, Eine einige Tochter hübsch und fein. Dieses zu verstehen, hilft einem das Englische, wo BY ebenfalls, durch, heißt. So kömmt das Wort der letzte, von dem alten Worte LATE, spät, welches die Engländer, als Angelsachsen, noch behalten haben; wovon die höchste Staffel THE LATEST, der späteste, oder letzte gebildet wird. Wir schreiben Volk, mit einem V, die Schweden aber Folk, mit einem F; die Isländer auch. In alten Handschriften, steht Folg: dieses zeiget, daß es von folgen kömmt, und also gleichsam das Gefolg bedeutet, u.a.m.

15 Weit gefehlt also, daß ich, nach dem Rathe eines gewissen gelehrten Mannes, der an einem ansehnlichen Gymnasio DIRECTOR ist, noch herzhafter zu Werke gehen sollte; um manches zu verwerfen und einzuführen, das wider allen bisherigen Gebrauch, und wider unsere alten Sprachlehrer streitet: so habe ich mich vielmehr in den Schranken der Bescheidenheit zu erhalten gesuchet. Wer sich ein solches Ansehen zutrauet, daß er das unterste zu oberst kehren könne, und fest glaubet, daß ihm ganz Deutschland darinnen folgen werde, der versuche immerhin sein Heil! Ich bin so keck nicht, wider den Strom zu schwimmen: ich glaube auch nicht, daß die Gewalt eines Sprachlehrers so weit gehe, alles, was in einer Landessprache einigermaßen unrichtig ist, abzuschaffen. Seneca saget ganz wohlbedächtig EP. 95, GRAMMATICI CUSTODES LATINI SERMONIS; nicht AUCTORES, oder DICTATORES. Alle Sprachen haben ihre Anomalien; die griechische und lateinische nicht ausgenommen. Wie will man es denn fordern, daß die deutsche von allen Unrichtigkeiten frey seyn soll? Ich bin schon zufrieden, wenn ich sie nur nicht vermehret, und viele der ungeschicktesten abgeschaffet habe.

16 Ein neuer Sprachlehrer hat hier sehr spöttisch über mich triumphiret, daß ich mir eingebildet: die Sprache würde nun so bleiben, wie ich sie in Regeln gebracht. Allein, das habe ich weder geglaubet, noch gesaget.

UT SILVÆ FOLIIS PRONOS MUTANTUR IN ANNOS;

PRIMA CADUNT: ITA VERBORUM VETUS INTERIT ÆTAS,

ET JUVENUM RITU FLORENT MODO NATA, VIGENTQUE.

DEBEMUR MORTI NOS, NOSTRAQUE. – – –

– – – MORTALIA FACTA PERIBUNT:

NEDUM SERMONUM STET HONOS, ET GRATIA VIVAX.

Hor.

Alles, was ich glaube, ist dieses: daß eine Sprache, die grammatisch gelernet und gelehret wird, beständiger und fester bleibe; als die dem unbeständigen Munde des Pöbels, und den Ausschweifungen wilder Schriftsteller überlassen wird.

17 Ich habe bereits das Vergnügen gehabt, zu bemerken, daß viele in den mittäglichen Landschaften Deutschlandes, sich meiner Sprachlehre zu dem Ende bedienet haben. Da sie solches ohne ein Reichsgesetz, aus eigenem freyen Willen, gethan haben: so zeiget mir dieses einigermaßen, daß ich die Vorzüge dieser reinen hochdeutschen Mundart recht ins Licht gesetzet, und ihre Regeln so deutlich gefasset haben müsse, daß sie von sich selbst in die Augen leuchten. Und hat gleich ein P. Dornblüth dawider auf eine heftige Art gepoltert: so hat er doch bey seinen eigenen Landesleuten keinen Beyfall, sondern Gegner gefunden. Es ist auch desto mehr zu hoffen, daß selbige allmählich in den Landschaften längst der Donau, und längst dem Rheine herunter, mehr und mehr in Aufnahme kommen werde: je mehr sie bereits in der kaiserlichen Residenz selbst, auf allerhöchste Genehmhaltung und ausdrücklichen Befehl, bey der vornehmsten adelichen Jugend eingeführet worden.

18 Diejenigen Sonderlinge aber, die sich mit einigen willkührlichen Grübeleyen, und Seltsamkeiten, sowohl in der Rechtschreibung, als Wortfügung, von dem großen Haufen guter Schriftsteller trennen, werden schwerlich das Vergnügen erleben, zu sehen, daß ihre Einfälle Beyfall, und Anhänger finden. Es ist wahr, sie haben Macht, zu schreiben, wie sie wollen: aber jeder Leser hat auch das Recht, sie auszulachen, und für eigensinnige Grillenfänger und Pedanten zu erklären. Auf diese Gefahr können sie alles wagen!

Der Einleitung II Abschnitt
II Abschnitt.
Von der Vollkommenheit einer Sprache überhaupt.

1 §.


Durch die Vollkommenheit einer Sprache versteht man hier nicht, eine durchgängige Uebereinstimmung aller ihrer Wörter und Redensarten, nach einerley allgemeinen Regeln, ohne alle Ausnahmen. Dieses würde die Vollkommenheit einer mit Fleiß erfundenen philosophischen Sprache seyn. Diese findet man aber nirgends. Ich rede nur von der Vollkommenheit derselben, in so weit sie in den wirklich vorhandenen Sprachen angetroffen wird: wo allerdings ein vieles nach gewissen Regeln übereinstimmet; obgleich viel anderes auch davon abweicht. Und in Ansehung dessen, kann man allen Sprachen auf dem Erdboden, einen gewissen Grad der Vollkommenheit nicht absprechen 1.

[49] 2 §. Will man aber die Größe dieser Vollkommenheit in gewissen Sprachen bestimmen: so hat man erst auf die Menge der Wörter und Redensarten zu sehen, die mit einander übereinstimmen. Je größer dieselbe ist, desto vollkommener ist eine Sprache. Nun giebt es aber sowohl wortarme, als wortreiche Sprachen: und ein jeder sieht, daß die letztern vollkommener seyn werden; weil man mehr Gedanken damit zu verstehen geben kann, als mit den erstern. Es ist also kein Zweifel, daß unsere deutsche Sprache, heut zu Tage, viel reicher an Worten und Redensarten ist, als sie vor zwey, drey oder mehr hundert Jahren, gewesen ist 2.

3 §. Wie nun der Reichthum und Überfluß die erste Vollkommenheit einer Sprache abgeben: so ist es auch gewiß, daß die Deutlichkeit derselben die zweyte ist. Denn die Sprache ist das Mittel, wodurch man seine Gedanken, und zwar in der Absicht ausdrücket, daß sie von andern verstanden [50] werden sollen 3. Da aber dieser Zweck nicht erhalten wird, außer wenn die Wörter wohl zusammengefüget, und nach gewissen leichten Regeln verbunden werden: so kömmt es, bey der Größe der Vollkommenheit, auch darauf an, ob eine Sprache viel oder wenig Regeln nöthig hat? Je weniger und allgemeiner nun dieselben sind, d.i. je weniger Ausnahmen sie haben, desto größer ist ihre Vollkommenheit: wenn nur der Zweck der Rede, nämlich die deutliche Erklärung der Gedanken dadurch erhalten wird.

4 §. Die dritte gute Eigenschaft der Sprachen ist die Kürze, oder der Nachdruck; vermöge dessen man, mit wenigen Worten, viele Gedanken entdecken kann. Hier gehen nun zwar die bekannten Sprachen sehr von einander ab; indem die eine oft mit zweyen, dreyen Worten so viel saget, als die andere mit sechsen oder mehrern. Allein, insgemein hat jede Sprache wiederum ihre eigenen kurzen Ausdrückungen, die von einer andern ebenfalls nicht so kurz und deutlich können gegeben werden. So hebt denn mehrentheils eins das andere auf. Denn wenn z.E. ein Deutscher, in einer Übersetzung aus dem Französischen, etliche Wörter mehr gebrauchet, als der Grundtext hat: so würde ein Franzos, der etwas Deutsches vollständig übersetzen wollte, auch mehr Worte dazu brauchen, als das Original hätte 4.

5 §. Man könnte also fast sagen, daß alle Sprachen, die nur durch gelehrte Federn ausgearbeitet worden, gleich vollkommen [51] wären: wenn es nicht manchen an dem Überflusse der Wörter mangelte, alle ihre Begriffe auszudrücken. Dieses sieht man am meisten in Wissenschaften, bey den Kunstwörtern: denn da müssen gewisse Sprachen alles aus andern borgen; wie die Lateiner z.E. von den Griechen; die Franzosen und Engländer aber von den Lateinern und Griechen. In Ansehung dessen nun, ist unsere Sprache viel reicher; und gewissermaßen der griechischen zu vergleichen: denn wir können fast alle Kunstwörter mit ursprünglichen deutschen Benennungen ausdrücken.

6 §. Man pflegt auch noch andere Eigenschaften zur Vollkommenheit und Schönheit einer Sprache zu erfordern, die aber so unstreitig nicht sind. Man redet z.E. von der Lieblichkeit und Anmuth gewisser, imgleichen von der Rauhigkeit anderer Mundarten. Weil aber der Begriff, oder die Empfindung dieser Lieblichkeit, nicht bey allen Menschen einerley ist, und aus der Vernunft schwerlich zu erweisen steht: so kann man nichts gewisses davon ausmachen. Es kömmt dabey alles auf die gelinde und härtere Aussprache, und auf die Empfindung und Gewohnheit der Ohren an. Einem Deutschen scheint der Franzos durch die Nase zu reden; ein Engländer aber durch die Zähne zu zischeln, oder zu lispeln: und das klingt uns unangenehm, so lange wir es noch nicht gewohnt sind. Ein Franzos aber beschuldiget die Deutschen, daß sie aus dem Halse, oder aus der Gurgel, sprechen: welches vielleicht von den nächsten Nachbarn der Franzosen, den Schweizern, wahr seyn kann; aber bey uns, wenigstens in den guten Provinzen von Deutschland, nicht geschieht, und selbst von den Franzosen, wenn sie uns hören, nicht empfunden wird.

7 §. Indessen kann man es doch wohl einräumen, daß die verschiedenen Mundarten einer Sprache einen unterschiedenen Wohlklang haben. In der einen Landschaft verbeißt man zu viele Selbstlauter, und zieht die Wörter zu kurz zusammen, daß sie also, von der Menge aneinanderstoßender [52] Mitlauter, hart und rauh werden 5. In einer andern machet man fast aus allen Selbstlautern Doppellaute; und auch dieses machet den Klang der Wörter sehr fürchterlich 6. Manche verdoppeln die Mitlauter, oder sprechen die gelinden ohne Noth zu scharf aus, verkürzen auch wohl dadurch die langen Selbstlauter 7. Und durch alle diese Fehler wird eine Sprache unangenehm. Die Mundarten derer Landschaften, die zunächst an Wälschland und Frankreich stoßen, haben auf diese Art, die deutsche Sprache bey unsern Nachbarn in Übeln Ruf gebracht.

8 §. Wenn man fraget, ob unsere Sprache, seit ein Paar hundert Jahren, an Vollkommenheit zugenommen habe, so giebt es freylich Grübler, die solches läugnen, und uns wohl gar bereden wollen: daß man zur Zeit Kaiser Maximilians des I und Karls des V, ein nachdrücklicheres und kräftigeres Deutsch geredet und geschrieben habe, als itzo. Diese glauben also, daß unsere Sprache sich verschlimmert habe; indem sie, wie sie reden, viel schwatzhafter, und dabey gezwungener geworden, als sie vormals gewesen. Sie bemerken auch noch, daß man heute zu Tage eine Menge ausländischer Wörter und Redensarten ins Deutsche menget, die ihm gar nicht wohl stehen; und die kerndeutschen Ausdrückungen der [53] Alten dafür fahren läßt: woraus denn nothwendig eine Verderbniß der Sprache hätte entstehen müssen 8.

9 §. Was aber die erste Ursache betrifft: so ist es zwar gewiß, daß die alte Rauhigkeit unserer Schriftsteller vor Opitzen, etwas nachdrücklicher klingt; aber an Lieblichkeit und Wohlklange, muß sie der heutigen Schreibart ein vieles nachgeben. Ihr Ausdruck ward oft, aus Mangel verschiedener Redensarten, und bestimmterer Wortfügungen, dunkel und zweydeutig: heute zu Tage aber, kann man diese Fehler, durch die Mannichfaltigkeit der Ausdrückungen, und eine bestimmtere Ordnung der Wörter, glücklich vermeiden. Doch billiget man auch die gar zu gedrechselten und gezwungenen Künsteleyen gewisser Neuern freylich nicht; die oft mit vielen Umschweifen wenig sagen, und gewiß in deutschen Ohren sehr undeutsch klingen 9.

[54] 10 §. Was ferner die Kürze betrifft, so kann man sich auch itzo noch eben so kurz zu verstehen geben, als vormals. Es kömmt alles auf die Fassung der Gedanken an: diese ist aber nicht jedermanns Werk. Opitz, Müller, Lassenius u.a. Neuere, haben sehr lakonisch schreiben können: sie haben aber auch die Perioden besser abgetheilet, als die Alten. Was endlich die ausländischen Wortfügungen, und fremden Redensarten anlanget, deren sich einige schlechte Übersetzer bedienet haben: so billiget man dieselben gar nicht; und sie müssen nicht sowohl der Sprache, als vielmehr nachläßigen Schriftstellern, zur Last geleget werden. Man darf also die in unserer Sprache geschehenen Veränderungen gar nicht bedauren: zumal, da wir nunmehr in derselben, in allen Künsten und Wissenschaften, eine Menge wohlgeschriebener Bücher haben, woran es den Alten fehlete; und wodurch der Reichthum unserer Muttersprache um die Hälfte gewachsen ist 10.

11 §. Aus dieser Ursache nun wäre es zu wünschen, daß unsere Sprache bey der itzigen Art, sie zu reden und zu schreiben, erhalten werden könnte: weil sie, allem Ansehen nach, denjenigen Grad der Vollkommenheit erreichet zu haben scheint, worinnen sie zu allen Vorfällen und Absichten einer [55] ausgearbeiteten und artigen Sprache, geschickt und bequem ist. Die Regierung zweener allerdurchlauchtigsten Auguste in Sachsen, verdienet billig das goldne Alter derselben genennet zu werden: wenn man gleich schon die erste merkliche Verbesserung derselben, von Opitzens und Flemmings Zeiten anheben muß. Die Festsetzung der heutigen hochdeutschen Mundart aber kann nicht anders, als durch eine gute Sprachlehre geschehen; die den itzigen besten Gebrauch im Reden, in Regeln verwandelt, und den Nachkommen anpreist 11.

12 §. Indessen muß niemand denken, als wenn man in dieser kurzen Sprachlehre Willens wäre, von allen und jeden Redensarten unserer Sprache Grund anzugeben. Eigentlich ist dieses zwar das Werk der Sprachlehrer: und in dieser weitläuftigen Bedeutung haben die Alten das Wort Grammaticus genommen 12. Allein, das würde eine unendliche [56] Arbeit werden, die noch in keiner Sprache von jemanden vollendet worden ist. Man muß also von einer Sprachlehre nur die allgemeinsten Regeln, und die merkwürdigsten Ausnahmen der Wörter und Redensarten suchen: wodurch Anfänger in den Stand gesetzet werden, im Reden und Schreiben fortzukommen; ohne sich durch die bösen Exempel derer, die ihre Sprache verderben, verfuhren zu lassen. Das Übrige müssen sie hernach aus der Übung lernen; oder auch aus besondern kritischen und grammatischen Anmerkungen ersetzen, die von guten Sprachkennern geschrieben worden. Sie werden aber auch den Werth von diesen besser beurtheilen können, wenn sie zuvor die Hauptregeln der Sprache recht gefasset haben.

Fußnoten

1 Die Franzosen haben seit einiger Zeit zu behaupten gesuchet, daß ihre Sprache vollkommener sey, als alle alte und neuere Sprachen. Wie viel Vorurtheile aber dabey mit unterlaufen, hat ihnen der gelehrte und unparteyische P. Büffier gewiesen, S. der kritischen Beyträge VIII B.a.d. 420 u.f.S. Sie pralen sonderlich damit, daß ihre Art zu reden, der natürlichen Ordnung der Gedanken folge, welche von andern Sprachen vernachläßiget würde. Allein, sie irren ohne Zweifel. Denn wenn es gleich in etlichen Redensarten zutrifft, daß sie dieser Ordnung folgen; wie es denn in allen Sprachen geschieht: so weichen sie doch in vielen davon sehr merklich ab. Hernach bildet sich jedes Volk ein, seine Art zu denken sey die natürlichste. Soll aber das eine Vollkommenheit seyn, wie einige glauben, daß die französische sehr kurze Abschnitte ihrer Rede, nach und nach hintereinander anfüget; ohne sie durch einander zu mischen: so hat dieses 1) nur im gemeinen Umgange, nicht aber im zierlichen, oratorischen und poetischen Schwünge Statt. 2) Hatte unsere deutsche Sprache vor 200 und mehr Jahren, diese Vollkommenheit auch, wie man aus der Bibel sieht; die wir aber, des Wohlklanges wegen, haben fahren lassen. Z.E. im 96 Ps. d. 13 v: Denn er kömmt zu richten, das Erdreich; er wird den Erdboden richten, mit Gerechtigkeit.

2 Was besitzt sie nicht für einen Reichthum von Wörtern in allen Handwerkern und Künsten, im Jagd- und Forstwesen, im Bergbaue, im Weinbaue, und in der Schiffahrt: da sich der ganze Norden unserer Wörter bedienet; ja auf der Ost- und Nordsee eine plattdeutsche Sprache herrschet, die von Holländern, Engländern, Schotten, Norwegern, Dänen, Schweden und Russen verstanden wird. Was für einen Reichthum besitzen wir nicht in den alten Rechten, in der Kräuterkunde, im Handel und in der Gottesgelahrheit? Ja, welch einen Überfluß von Ausdrückungen haben wir nicht in der Weltweisheit und Mathematik, wenn wir nur theils die alten, theils die neuesten Bücher davon ansehen wollen; seit dem die gelehrtesten Männer aufgehöret haben, das vormalige Gemeng zu lieben. Es ist aber auch wahr, daß wir viel altfränkische Wörter voriger Jahrhunderte haben fahren lassen, die wir in alten Schriften finden.

3 Man muß aber auch nur alle Wörter seiner Sprache kennen, und in seiner Gewalt haben; um sich deutlich auszudrücken. Daran fehlet es nun vielen, die das der Sprache Schuld geben, was sie ihrer seichten Kenntniß derselben zuschreiben sollten.

4 Ein Deutscher saget, mit einem Worte, stehen, reiten, liegen, fahren, schiffen. Der Franzos brauchet dazu zwey bis drey, ÊTRE DEBOUT, MONTER À CHEVAL, ÊTRE COUCHÉ, ALLER EN CAROSSE, ALLER EN BATEAU, oder FAIRE VOILE, u.d.m.

5 Z.E. in gewissen Provinzen spricht man nichtgewiß, sondern gwiß, ja wohl gar kwiß; nichtGeduld, sondern Gduld, oder gar Kduld; anstatt zu hart, zu groß; z'hart, z'groß; u.d.m. Ist das nun nicht hart?

6 Z.E. die Bauern sprechen anstatt fahren, foahren, anstatt leben, läben, anstatt tragen, troan. In Schwaben, Bayern, Salzburg und weiter nach der Gränze, spricht man für Licht, Liecht, für Fuß, Fueß, für Mutter, Muetter, für Kaiser, Koaser, für Bein, Boan.

7 Z.E. Einige sagen für Haber, Habber, fürBoden, Podden, für Kohlen, Kollen, für haben, hann; wie die Franken für Vater, Vatter, für Bauer, Pauer sagen. Die Schlesier sagen für Gut, Blut, Gemüth, hüten, Priester; Gutt, Blutt, Gemütt, hütten, Prister etc.

8 Mich dünket, wer dieses glaubet, der muß auch behaupten: daß Ennius, Accius und Pacuvius besser Latein geschrieben, als Cicero, Cäsar und Virgil: oder daß in Frankreich Marot, Ronsard, Rabelais und Montaigne besser Französisch geschrieben, als Malherbe, Corneille, St. Evremond und Vaugelas. Es ist wohl wahr, daß einige Gelehrten, auch die ältesten Scribenten ihrer Sprachen mit einer Art des Vergnügens lesen: und ich gestehe es selbst, daß ich die Schriftsteller des XVI Jahrhunderts, ja noch ältere, auch die man bloß in Handschriften besitzt, mit Lust lese. Allein, deswegen kann man doch nicht behaupten, daß deren Schreibart überhaupt besser sey. Ihre Fehler fallen nur gar zu sehr in die Augen, wenn man sie gegen die itzige hält.

9 Dahin gehören die gezwungenen participialischen Redensarten einiger Neuern, die sie, wider die Gewohnheit unserer Sprache, den Engländern und Franzosen nachäffen: zumal, wenn sie die Sätze damit anheben. Schlechte Übersetzer, die ihre eigene Sprache nicht können, und also insgemein aus dem Französischen oder Engländischen ihre Schriften übel verdeutschen, fallen noch in wunderlichere Fehler; die hernach kein deutscher Leser verstehen kann, wenn er nicht gewohnet ist, französisch oder brittisch zu reden, oder zu denken.

10 Man will damit nicht sagen, daß man nicht schon im XV und XVIten Jahrhunderte, fast in allen Arten der Gelehrsamkeit, deutsche Bücher geschrieben hätte. Nein, wer sich auf die Kenntniß unserer Alterthümer leget, oder auch nur des Draudius Verzeichnisse davon nachschlägt, der muß erstaunen, wie groß ihr Fleiß schon dazumal gewesen sey. Ja, man bemerket auch, wie eifrig sie sich beflissen, alles mit eigentlichen deutschen Wörtern zu geben; auch wo die Neuern sich ohne Noth ausländischer Kunstwörter bedienen: als z.E. in Kriegessachen, in der Baukunst, Mathematik, u.d.m. Diese alten Bücher muß man eben darum fleißig lesen, damit man alle diese Kernwörter sich bekannt mache, und wieder in Schwang bringe: wie Virgil vormals EX STERQUILINIO ENNII das Gold sammlete. Indessen ist es doch nicht zu läugnen, daß man im vorigen, und sonderlich im itzigen Jahrhunderte, noch viel weiter darinn gekommen ist.

11 Der Wunsch, den ich in diesem Absatze gethan habe, ist mit von einem übelgesinnten Halbgelehrten so übel ausgeleget worden; als ob ich gewünschet hatte, daß allein meine eigene Schreibart das ewige Muster im Deutschen bleiben sollte. Wie sehr ich aber davon entfernet sey, brauche ich nicht erst viel zu zeigen. Die Sache selbst redet. Ich habe auch keine besondere Schreibart, die mich von andern guten Schriftstellern unsers Jahrhunderts, die ihre Sprache mit Fleiß getrieben haben, unterschiede. Daß es aber nicht ungereimt sey, die Erfüllung meines Wunsches zu hoffen, zeiget das Beyspiel der lateinischen, wälschen und französischen Sprachen. Die guten Schriftsteller setzen die Sprache eines Volkes fest, ungeachtet sich in dem Munde des Volkes die Sprachen von Zeit zu Zeit ändern. Cicero blieb auch um des Plinius, und so gar um des Lactantius und Augustins Zeiten, das Muster aller guten Scribenten, und das Ziel, wornach sie strebeten. Petrarcha ist nach 400 Jahren noch das Muster aller guten Dichter in Wälschland; obgleich seine Sprache in dem Munde der heutigen Italiener sich sehr geändert hat. Und in Frankreich werden die Schriftsteller von Ludwigs des XIV Zeiten allemal die Regel ihrer Sprache bleiben: obgleich einige neuere Schriftsteller schon auf wunderliche Abwege zu fallen scheinen; die aber von guten Kunstrichtern verworfen werden.

12 S. den Vossius DE PHILOLOGIA, p. 24, §. 4, und DE ARTE GRAMMATICA, L. 1, C. 2, 3, 4, 5, 6, wo er so gar die ganze Kritik zu einem Theile der Grammatik machet. Ich werde mich aber hier, meiner Schreibart wegen, die gar nicht geziert oder gekünstelt ist, mit dem Cicero entschuldigen, der L. III DE FINIB. schreibt: ISTIUSMODI RES DICERE OR NATE VELLE, PUERILE EST; PLANE AUTEM & PERSPICUE EXPEDIRE POSSE, DOCTI & INTELLIGENTIS VIRI. Daher weis ich nicht, was jemand meiner Sprachlehre für ein Lob beygeleget: daß sie nämlich in einer neuen Schreibart geschrieben sey. Ich mag kein Neuling seyn, sondern mache mir eine Ehre daraus, wie ein Canitz, Besser, Neukirch, Pietsch, und Günther geschrieben zu haben. Dieß sind meine classischen Schriftsteller. Ich würde noch einen Grafen von Bünau nennen, wenn ich es ohne den Verdacht der Schmäucheley thun könnte, da er noch lebet A1.

A1 Nachdem nunmehr drey große deutsche Schriftsteller gestorben sind, die Deutschland Ehre gemacht haben, nämlich Mosheim, Mascau, und Bünau: so kann ich auch diese noch zur Zahl unserer großen classischen Schriftsteller hinzusetzen. Ich melde dieses um desto lieber, da der erste ein Niedersachs, der zweyte ein Preuß, und der dritte ein Meißner gewesen. Diese drey Länder haben die nächsten Ansprüche auf die Schönheit der hochdeutschen Sprache; und durch obige Scribenten auch gleichen Theil daran. Möchten sie nur auch lange bey der Mund- und Schreibart dieser großen Muster bleiben, und sich in keine Neuerungen vergaffen! Ich könnte auch einen Schlesier hinzusetzen, der ihnen sehr nahe kömmt. Allein, er lebet noch; und ich fliehe den Verdacht der Schmäucheley.

Der Einleitung III Abschnitt
III Abschnitt.
Von der Abtheilung der Sprachlehre.

1 §.


Obgleich alle Sprachen in der Welt eher geredet, als geschrieben worden: so sind sie doch vor der Erfindung der Buchstaben sehr rauh und unförmlich gewesen. Ihre erste ordentliche Gestalt haben sie der Schrift zu danken gehabt; wodurch man in den Stand gesetzet worden, auf alle Wörter viel genauer Acht zu geben. Es ist also kein Wunder, daß die Sprachlehrer ihre Anweisungen zur Erlernung aller Sprachen, von dem Unterrichte anheben, wie man dieselben recht schreiben solle 1. Dieser machet billig den ersten Theil derselben aus, und wird griechisch die Orthographie, deutsch die Rechtschreibung, genennet.

[58] 2 §. Indessen ist es nicht zu läugnen, daß man die Gründe gewisser orthographischen Regeln nicht eher recht einsehen, und genau beobachten kann, als bis man auch die übrigen Theile der Sprachlehre durchgegangen ist. Gewisse Unterschiede gründen sich schlechterdings auf die Herleitung, Abwandelung und Bildung der Wörter, nach ihren verschiedenen Arten 2. Allein, wenn man so lange damit warten wollte, bis ein Anfänger das alles begriffen hätte: so würde man ihn vieler andern Vortheile berauben, die er gleich im Anfange, aus der Lehre von der Rechtschreibung ziehen kann.

3 §. Wenn man die Wörter einer Sprache recht schreiben kann: so ist es natürlich, auf ihren vielfältigen Unterschied, in Ansehung der Bedeutung, und ihrer äußerlichen Bildung oder Gestalt, Acht zu geben. Die erste kömmt auf die Verschiedenheit der Begriffe an, die sich unser Verstand machet: die letztere aber giebt selbst in den Syllben und Buchstaben zu verstehen, daß ein Wort von dem andern herkömmt, oder abstammet 3. Diesen Unterschied und diese Verwandtschaft der Wörter, erkläret die Etymologie, oder die Lehre von der Wortforschung, als der zweyte Theil der Sprachkunst.

[59] 4 §. Die Wörter können nicht so einzeln hingesetzet werden, wenn man vernehmlich reden, oder schreiben will; sondern sie haben einen Zusammenhang nöthig. Eins muß sich auf das andere beziehen, damit ein Sinn herauskomme, der unsern Gedanken gemäß ist. Diese Verbindung der Wörter nun muß nach gewissen Regeln eingerichtet werden, die der besondern Natur eines jeden gemäß sind; und darnach sie geschickt an einander gefüget werden können. Alle diese Regeln von geschickter Verbindung der Wörter machen den dritten Theil der Sprachlehre aus: und dieser heißt Syntaxis oder die Wortfügung 4.

5 §. Da die Aussprache der Wörter entweder so schlechtweg geschehen kann, daß alle Syllben gleich laut, und gleich lang gehöret werden; oder so, daß man sie ungleich erhebt [60] oder fallen läßt: so muß in der Sprachkunst auch davon gehandelt werden, wie man die Syllben im gehörigen Tonmaße sprechen soll. Es entsteht aber aus diesem Tonmaße im Deutschen eben sowohl, als im Griechischen und Lateinischen, ein gewisser Wohlklang. Diesen verursachet eigentlich die verschiedene Abwechselung langer und kurzer Syllben, und überdem, in neuern Sprachen, auch der Reim. Von beyden können theils aus der Natur der Sprache, theils aus der Gewohnheit der besten Poeten, Regeln gegeben werden: und diese machen den vierten Theil der Sprachkunst aus, den man die Prosodie, oder die Tonmessung nennet 5.

6 §. In diesen vier Abtheilungen wird nun die ganze Sprachlehre bestehen, und dadurch wird ein Anfänger in den Stand gesetzet werden, mit Gewißheit zu reden und zu schreiben: da er sonst, nach Art der Ungelehrten, auf ein Gerathewohl sprechen muß; ohne zu wissen, ob er recht oder unrecht spricht 6. Wie viele, auch so gar unter den Gelehrten, die oft im Lateine und Griechischen sehr scharfe Beobachter der Regeln sind, reden nicht ihre Muttersprache so schlecht, als ob sie Ausländer wären; und begehen Fehler, die sie sich im Lateine nimmermehr vergeben würden 7! Vor allen solchen Fehlern wird man sich durch diese Sprachkunst hüten lernen.

Fußnoten

1 Die Schrift ist gleichsam die Abbildung der mit dem Munde ausgesprochenen Töne. Diese verschwinden allemal im Augenblicke, wenn man sie nicht gleichsam durch die Buchstaben sichtbar und dauerhaft machen kann. Der erste Erfinder der Schrift hat also wirklich das gethan, was Lucan ihm beygeleget, wenn er schreibt:

PHŒNICES PRIMI, FAMÆ SI CREDITUR, AUSI,

MANSURAM RUDIBUS VOCEM SIGNARE FIGURIS.

Noch deutlicher drücket es Brebeuf in seiner Übersetzung aus:

C'EST DE LUI, QUE NOUS VTENT CET ART INGENIEUX,

DE PEINDRE LA PAROLE, & DE PARLER AUX YEUX.

Durch ihn kam vor der Zeit die edle Kunst ans Licht;

Wodurch man Wörter malt, und für die Augen spricht.

Da dieses nun von allen orientalischen und occidentalischen Sprachen gilt, so ist die einzige chinesische davon ausgenommen. Denn so wie die alte Bilderschrift der Ägypter, nicht die Worte des Mundes, sondern die Sachen selbst ausgedrücket: so sollen auch die Figuren der Chineser nicht die ausgesprochenen Töne, sondern die Eigenschaften der Dinge selbst, vor Augen stellen; wodurch sie aber unendlich schwerer wird.

2 Z.E. Wenn jemand fragete, ob er, ich nahme, gabe, thate, schriebe, litte, zoge, schuffe; oder einsyllbig, ohne das e am Ende: imgleichen, ob er das Gerüchte, Gedichte, Gemüthe, Gesichte, wie Geschichte, mit einem e schreiben solle? so müßte er die Regeln von den richtigen, und unrichtigen Abwandelungen der Zeitwörter, und von den Geschlechtern der Hauptwörter, gelernet haben. Eben so ist es mit dem vor und für, mit dem denn und dann, wenn und wann, den und denen, der und derer, wieder und wider. Denn ihr Unterschied wird erst im folgenden erkläret werden. Man kann auch gewissen eigensinnigen Kakographien nicht wohl widerstehen, ohne die ganze Sprachkunst aufzubiethen.

3 Bisweilen ist diese Abstammung sehr sichtbar, und fällt jedem in die Augen. Bisweilen sieht sie nur ein in den ältesten deutschen Schriften erfahrener Wortforscher. Z.E. daß in dem Worte Bernstein, der Begriff des Brennens liege, sieht nur der, welcher weis, daß man vormals im Plattdeutschen bernen für brennen gesaget; daher auch die Engländer TO BURN sprechen und schreiben. Noch weniger sehen die meisten, daß in dem Worte die Beichte, das bekennen liege: weil sie nicht wissen, daß es von dem alten jehen sagen, oder bejahen, erst alsBejicht, oder Bejahung entstanden, ehe es alsBeichte erschienen.

4 Dieser Theil ist desto nöthiger, da in einem so großen Lande, als Deutschland ist, vielerley Mundarten im Schwange gehen, die öfters auch in der Verbindungsart der Wörter von einander abgehen. Manche Landschaften nämlich weichen sehr von den andern, und fast alle einigermaßen von der besten Mundart, die man das wahre Hochdeutsche nennet, auch in den Wortfügungen ab: nicht, als ob sie ihre eigene Art zu reden für besser, oder nur für eben so gut hielten; sondern weil sie die bessere nur nicht wissen, oder aus Nachläßigkeit nicht zu beobachten pflegen. So fehlen z.E. Ober- und Niederdeutsche, in den Fällen der Fürwörter, bey den Zeitwörtern, sehr häufig; wenn jene z.E. sprechen: ich bin bey Sie gewesen, ich bitteIhnen, u.d.m. Diese aber pflegen zu sagen: geben Sie mich das; fragen sie mir; sprechen sie vormir, anstatt, für mich, u.s.w.

5 Viele glauben, dieser Theil der Sprachkunst gehöre in die Dichtkunst: aber diese stehen auch in dem Wahne, die Poesie sey nichts anders, als die Kunst, eine wohlscandirte, oder nach dem Sylbenmaße abgezählte Rede zu machen. Sie irren also in beyden Stücken. Die Dichtkunst ist weit was Edlers, sowohl in der Erfindung, als Ausbildung ihrer Sachen und Gedanken; als daß sie in dem bloßen Spiele langer und kurzer Syllben bestehen sollte: wie ich in meiner kritischen Dichtkunst sattsam gewiesen habe. Der Wohlklang der ungebundenen Schreibart aber, erfordert eben sowohl eine Kenntniß des Tonmaßes der Syllben, als die Poesie; daher muß auch gleich bey der Sprachlehre davon gehandelt werden.

6 Aus dieser Ursache klingt es oft sehr lächerlich, wann gelehrte Männer, entweder alle Arten zu reden im Deutschen für gleichgültig halten, und von keinen grammatischen Fehlern darinnen hören wollen; weil sie glauben, es sey noch ungewiß, welche Art zu reden die rechte sey: oder wann andere, die sich noch ihr Lebenlang um keine Sprachkunst im Deutschen bekümmert haben, viel von der Verbesserung der deutschen Sprache reden. Wie wollen doch solche Leute, die selbst noch gar kein rechtes Deutsch können, und nicht den geringsten Fleiß auf die Kenntniß seiner Regeln gewandt haben, ihre Muttersprache verbessern? Ihre eigene Schreibart zwar möchten sie erst verbessern, oder selbst ein grundrichtiges Deutsch lernen; so wie es heute zu Tage schon von so vielen geschickten Federn geschrieben wird; nicht aber die Sprache bessern wollen, die an sich schon so gut ist, daß man ihr gewiß sehr wenig mehr helfen kann.

Noch eine andere Art von Eiferern für die deutsche Sprache giebt es, die auch über die Vernachläßigung unserer deutschen Alterthümer und überbliebenen Schriften, viele Klagen im Munde führen und sich Wunder einbilden, was von dieser Verabsäumung, dem Flore der heutigen Sprache für ein Schaden erwachse. Auf diese Art redet der sonst gelehrte und patriotische Egenolf, in seiner Historie der deutschen Sprache: sowohl als der ungenannte Herausgeber der II Ausgabe. So sehr ich es selbst wünsche, daß sich mehrere Gelehrte, als bisher, auf diese Archäologie des Deutschen legen mögen: so sehe ich doch 1) nicht, daß mehrere Ausländer sich auf ihre alten Sprachen beflissen hätten, als bey uns mit dem Deutschen geschehen ist. Ja selbst in der angeführten Vorrede findet sichs, daß wir nach den bittersten Klagen über die Saumseligkeit unserer Gelehrten in diesem Stücke, gegen die Engländer, Dänen und Schweden, zehnmal mehr deutsche Sprachforscher, als ausländische, aufzuweisen haben. Und gleichwohl wollte ich dem Hrn. Verfasser dieser Vorrede, aus dem Stegreife, noch ein Dutzend andere Gelehrte nennen, die er übergangen, oder nicht gekannt hat: z.E. den Bona ventura Vulcanius, den Goldast, denOpitz, den Franciscus Junius, den Flacius, den Lambecius, den Palthenius, Peiskern, Frehern, Schiltern, Scherzen, den P. Petz, Hrn. Pelloutier, Hrn. Rector Schöttchen, Hrn. Rector Grabenern, u.a.m. die sich in diesem Felde durch schöne Proben gewiesen haben. Was heißen also diese Klagen?

2) Bilden sich diese Herren fälschlich ein, daß der Flor einer lebendigen Sprache durch dergleichen trockene Erklärungen alter Wörter, und Ausspähung alter Urkunden, sehr befördert werde. Aber falsch. Wir sehen es vielmehr an den Franzosen, daß eine Sprache vortrefflich blühen könne, ohne daß man die Ursprünge derselben sehr untersuchet hat. Denn gewiß die Franzosen kennen die ihrige auf dieser Seite sehr schlecht; können sie auch ohne die Kenntniß der Deutschen, woran es ihnen fast allemal fehlet, nicht kennen; und doch haben sie eine an Zierlichkeit und Anmuth blühende Sprache. Die Engländer hingegen kennen zwar ihre Alterthümer; aber ihre Sprache ist doch sehr roh und ungezieret: wie ihre eigenen Kunstrichter gestehen. Die Erfahrung hat es auch seit 25 Jahren sattsam gelehret, daß unsere Sprache, dem heutigen Gebrauche nach, an Richtigkeit und Schönheit ungemein zugenommen; ohne daß die Alterthumsforscher etwas dazu beygetragen hätten. Gut Latein zu können, darf man eben nicht den Pacuvius und Ennius, vielweniger die Oscischen und Volscischen Überbleibsel auf den Fingern herzählen können: man kann es aus dem Cicero und seinen Zeitverwandten sattsam lernen. Die Menge wohlgeschriebener Bücher, die wir seit oberwähnter Zeit, ja ich möchte sagen, in diesem halben Jahrhunderte bekommen haben, und die sich täglich vermehret, wird unserer Sprache gewiß mehr Glanz geben, als wenn wir uns alle in die Alterthümer vertiefeten: das heutige Deutsch aber, entweder brach liegen ließen, oder doch ohne Grund und Regel so hinschrieben, wie wirs von unsern Ammen und Wärterinnen gelernet haben. Mehrentheils haben unsere Wortforscher und Sprachlehrer selbst gerade das allerschlechteste Deutsch geschrieben; wie Clajus, Goldast, Schottel, Stieler, Bödiker, u.a.m. zur Gnüge gewiesen haben.

7 Über diesen Fehler hat schon Ottfried im IXten Jahrh. geklaget. STUPENT (saget er in der Vorrede zu seinen Evangel.) IN ALIIS (LINGUIS) VEL LITTERULA PARVA ARTEM TRANSGREDI; ET PÆNE PROPRIA LINGUA VITIUM GENERAT PER SINGULA VERBA. RES MIRA! TAM MAGNOS VIROS, PRUDENTIÆ DEDITOS – – – CUNCTA HÆC IN ALIENÆ LINGUÆ GLORIAM TRANSFERRE, et usum Scripturæ in propria lingua non habere. Ist das nicht eine deutliche Satire auf eine Menge heutiger Griechen und Lateiner? die große Humanisten sind, wenn sie Latein schreiben, aber handgreifliche Barbaren werden, so bald sie das geringste deutsch schreiben wollen. Ihre deutschen Briefe, Reden und Predigten läugnen es, daß ihre Urheber jemals den Cicero gelesen, verstanden, und so wie er die Griechen, in ihrer Muttersprache nachzuahmen gelernet haben.

I Theil: Die Rechtschreibung

Das I Hauptstück
Das I Hauptstück.
Von den deutschen Buchstaben, und ihrem Laute.

1 §.


Die Deutschen haben itzt alle die Buchstaben, die von den Lateinern, theils in ihren eigenen Wörtern, theils in denen, die sie aus dem Griechischen angenommen hatten, gebrauchet worden sind. Denn obgleich Ulfila, der gothische Bischof, im IV Jahrhunderte, bey Übersetzung der IV Evangelisten, seinem Volke zu gut, eigene gothische Buchstaben erfunden 1 hat; ob wohl die alten Marcomannen auch ihre eigenen Buchstaben 2; ja auch die Angelsachsen ihr sächsisches 3, so wie die alten Schweden und Isländer ihr runisches Alphabeth gehabt 4; welche man die ursprünglichen Buchstaben der Deutschen nennen könnte 5: so haben doch, vermöge der Ausbreitung des Christenthums, die lateinischen endlich die Oberhand behalten; und allmählich durch die Mönchschrift, eine neue Forme und Gestalt bekommen 6. Zwar bey Erfindung der Buchdruckerey wurde noch das Deutsche und Latein mit einerley Art der Buchstaben gedrucket. Allmählich aber sonderte man die eine runde Art derselben, ganz zum Lateinischen aus: die Fractur aber, oder die gebrochene und eckigte Schrift, blieb der deutschen Sprache eigen 7.

[67] [69]2 §. Die Holländer und Engländer, als ursprüngliche Deutschen, hatten 8 anfänglich einerley Schrift mit uns; nachdem diese letztern die alte angelsächsische hatten fahren lassen. Allein, da sie seit Wilhelms des Eroberers Zeiten, so eine Menge lateinischer und französischer Wörter in ihre Sprachen aufnahmen, welche sie allgemach mit dem runden lateinischen Charakter schrieben und druckten: so ward ihre Schrift so buntscheckigt, daß sie sich dieses Mischmasches bald zu schämen anfiengen. An statt aber, daß sie, nach dem Exempel der alten Griechen und Lateiner, die fremden Wörter mit ihren eigenen, d.i. deutschen Buchstaben hätten schreiben sollen: so nahmen sie am Ende des vorigen Jahrhunderts, zu ihren ursprünglich deutschen Wörtern, durchgehends die lateinische Schrift. Einige haben gemeynet, daß wir Hochdeutschen das auch thun sollten: allein, sie haben aus vielen Ursachen kein Gehör gefunden 9. Wir bleiben also lieber mit den Dänen und Schweden bey unserer deutschen Schrift.

[69] 3 §. Diese sieht nun, wie bekannt ist, so aus: die ersten Figuren werden im Anfange, die andern in der Mitte gebrauchet.


Aa, Bb, Cc, Dd, Ee, Ff, Gg, Hh, Ii, j, Kk, Ll,
be, ce, de, – eff, ge. ha, – jod, ka, ell,
Mm, Nn, Oo, Pp, Qq, Rr, Ss, Tt, Uu, Vv,
emm, enn, – pe, ku, err, eß, te, – vau,
Ww, Xx, Yy, Zz 10.
we, icks, zett.

Man lese aber auch folgende Erläuterungen:


A a, klingt wie das lateinische, italienische und französische a, nicht aber wie das engländische. Es hat bald einen langen Laut, wie in laben, bald einen scharfen, wie in raffen.

B b, be, wie das lat. B, weicher, als p, und harter alsw. Bauer, Baum, muß nicht so hart, wie Pauer, Paum, auch nicht so gelinde, wie Wauer, Waum, klingen.

[70] C c, ce, ist eigentlich ein bloß lateinischer Buchstab, und klingt vor e, i, ö und y wie z: Cepheus wie Zepheus, Cicero wie Zizero, Cölius wie Zölius, Cypern wie Zypern; vor a, o und u aber wie k: Calender, College, Culm, wie Ka lender, Kollege, Kulm. Die Angelsachsen hatten diesem c bey sich den völligen Klang der alten Lateiner gelassen, und brauchten es allemal für k, welches ihnen unbekannt war. Z.E. Co ning, für König. Wir behalten es billig in lateinischen Namen und Wörtern, die noch kein deutsches Ansehen gewonnen haben: als Cajus, Cäsar, Cicero, Cotta, Curtius.

D d, de, wie das lat. D, und viel weicher, als T, fast wie TH: daher auch in vielen Wörtern, die von den Alten, und heutigen Engländern mit TH geschrieben werden, heutiges Tages ein D steht: als THER, THIU, THAZ, THING, THIOB, THEGAN, THEOTISC; Der, die, das, Ding, Dieb, Degen, Deutsch etc. Aus dem alten Döringen haben wir Thüringen, aus DOMUS, Thum gemachet.

E e, wie das lateinische, italienische und französische E; nicht aber nach Art der Engländer, die es als eini aussprechen: auch nicht wie ei oder i, wie es einige Bauern fälschlich hören lassen, wenn sie z.E. sagen: gey mir dahin, für geh mir; oder gihen für gehen. Es hat aber gleichwohl vielerley Klang; 1) einen zarten, wie in stehen, See, Weh, mehr; 2) einen völlern, wie in Besen, lesen, Wesen, her, der, fast wie ein ä; 3) einen scharfen, oder kurzen Ton, wie in denn, weg, brechen, nennen, zerren.

Ff, ef, wie das lateinische, italienische und französische f, d.i. viel schärfer, als das w, und ausländische v. Fassen, nicht wie Wassen; wie einige Landschaften sprechen. Das deutsche v klingt ihm gleich.

G g, ge, wie das lateinische G, oder italienische GHE und französische GUE. Gehen, nicht wie kehen, aber auch nicht jehen; nämlich viel gelinder, als ein k, und härter, als ein j: wie manche es fälschlich in legen, hergegen [71] hören lassen. Gar, nicht wie kar, auch nicht wie Jahr; Gott, nicht wie Jott; gut, nicht wie jut, oder kut.

H h, ha, ein deutlicher Hauch, wie das lateinische H: doch weit gelinder, als ch, welches viel rauher aus der Gurgel fährt: ziehen, nicht wie zie chen 11. In der Mitte, nach einem Selbstlauter, und vor einem Mitlauter, wird es bisweilen nicht gehöret, als in fahren, mehr, Mohr, Uhr, etc.

I i, wie das lateinische I: doch ist es auch theils lang, wie in Thier, Liebe, niemand, Biber, Bibel; theils kurz, wie in Sinn, hin, bin, wir ken etc. Es wird aber auch als ein Mitlauter gebrauchet, als

j, jod, wie das hebräische jod in Josua, Jo jada, Jehu etc. Und dieses ist viel gelinder, als g und k. Sie steigen stufenweise, Jahr, Gabe, Kahn; nicht Gahr, Jabe, Gahn: wie einige fälschlich reden.

K k, ka, ist das griechische Kappa, an dessen Stelle die Lateiner das C gebrauchet haben. Es muß aus dem hintersten Gaume gestoßen werden, damit es schärfer laute, als das j und g; jähnen, gönnen, können; Gaum, Kaum.

L l, ell, wie das lateinische, italienische und französische L, oder das polnische einfache L, lachen, leben, lieben, loben, Luft.

M m, emm, wie das M der Lateiner und Ausländer; nur nicht wie die Franzosen es am Ende der Syllben sprechen. Mann, mein, Mond, Mund.

N n, enn, gleichfalls wie das N der Lateiner, aber nicht der Franzosen ihres, die es am Ende der Syllben, in AN, ON, etc. ANG, ONG, wie NG aussprechen; ausgenommen, [72] wann wirklich ein g oderk darauf folget: als hangen, kranken, mengen, bringen, Zungen.

O o, wie das lateinische und italienische o, oder das französische AU: doch ist es auch bald lang, wie in schon, loben, Ofen; bald kurz, wie in von, Post, Kost. Nur hüte man sich, daß man nicht, wie einige, das lange o in au, und das kurze in u verwandle, wenn sie sprechen: der Taud, für Tod: Saun, für Sohn; oder die Pust, anstatt Post.

P p, pe, wie das lateinische, italienische und französische P, d.i. mit viel schärfer geschlossenen Lippen, als das b. Es steigt stufenweise, die Wahr heit, ich fahre, die Bahre, das Paradies.

Q q, ku, wie ein k. Dieser Buchstab ist schon im gothischen, und in allen nordischen Sprachen: daher ihn einige ganz unrecht aus dem Deutschen verbannen wollen. Es folget aber allemal ein u und kein v darauf, und dann klingt es wie Kw, als Qual.

R r, err, wie das R der Lateiner und Ausländer: es wird aber nicht in der Gurgel, sondern mit einer zitternden Zungenspitze ausgesprochen, Rabe, Rebe, Ribbe, Rübe.

S s, , wie ein gelindes Zischen, nicht wie ein sch, obgleich einige Landschaften sprechen ischt für ist. Dieses geschieht nun zwar in Meißen nicht, wenn ein Selbstlauter vorhergeht: aber wenn es im Anfange der Syllbe steht, und die Mitlauter t, p, k, oder c darauf folgen, so spricht man spalten, spielen, Spulen, stehen, sterben, sprechen, Sclaven, Scapular, wie schpalten, schpie len, schprechen, schtehen, schterben, Schclaven, Schcapular u.s.w. Es wäre denn, daß diese Verdoppelung mitten im Worte, oder vor der letzten Syllbe vorkäme: z.E. in Gäste, Haspel, Vesper, Lispeln, Wispel, befestigen, Masken, Pascal: wo das s, als zur ersten Syllbe gehörig gesprochen wird. In dem Worte Gespenster, wird das erste sp, [73] wie schp, das st aber, wie ein zartes s, ohne ch gesprochen. In Gestirn, Bestand, ist es ganz anders; es lautet wie Geschtirn, Beschtand.

T t, te, wie das lateinische, italienische und französische T, d.i. viel härter als das d. David, Dom, dumm, muß viel gelinder lauten, als Tafel, Ton, Turnier.

U u, wie das lateinische und italienische U, oder wie das französische OU. Auch dieser Selbstlaut ist bisweilen lang und gezogen; wie in Blut, Gut, Muth, thun, ruhen; bisweilen kurz, wie in Lust, Mund, Schurz, husten. Hier fehlen auch diejenigen, die das kurze u wie o aussprechen: z.E. Butter wie Botter. Sonst wird es auch ein Mitlauter, und wird geschrieben

V v, vau, und klingt fast so scharf wie ein f; als Vater wie Fater, von wie fon. Die Alten haben zwar diese beyden Figuren in der Aussprache nicht unterschieden. Sie schrieben z.E. vnnd, dauon, für und, davon. Die heutige Art ist aber besser: weil jeder Figur ihr Recht wiederfährt. Die nordischen Völker, als Dänen, Schweden, Norweger und Isländer, sprechen es so gelinde, wie die Griechen ihr υ in ἐυαγγελιον, EVERGETA, und wie wir selbst die fremden Wörter Vasall, Valet, Venedig, Violine, aussprechen; d.i. wie w. S. unten die Ausführung vom y.

W w, wee, lautet wie das lateinische, italienische und französische V, das ist, noch viel gelinder, als b und f, und als das deutsche v: z.E. Wolle, nicht volle 12.

[74] X x, icks, ist eigentlich ein griechischer Buchstab: den die Gothen nicht angenommen, sondern dafür das ks gebrauchet. Aber da ihn die Lateiner auch angenommen hatten: so können wir ihn, wenigstens der ausländischen Wörter wegen, nicht entbehren. Denn wenn wir ihn gleich bisweilen mit chs ersetzen können, wie in Achse, AXIS, Luchs, von LYNX, sechs, SEX, u.a.m. zu geschehen pflegt: so können wir ihn doch in den Namen der Griechen, Xanthus, Xerxes, Anaxagoras, Praxiteles, u.s.w. nicht entbehren. Ja wir haben deutsche Wörter, als Hexe, Kuxe, und einige andere mehr, die das X behalten: wiewohl jenes nach der Ableitung von Hug, Haug, welches in den nordischen Sprachen noch klug, weise, heißt; eigentlich eine Hägse oder Häckse heißen sollte. Doch die Gewohnheit behält hier eben sowohl Platz, als sie im Lateine und im Griechischen, bisweilen auch wider die Etymologie, gegolten hat.

Y y, Ji oder ij, ist wiederum, wie einige Sprachlehrer glauben, griechischer Ankunft: und wenn dem also ist; so können wir es so wenig entbehren, als die Lateiner, die es um der griechischen Wörter halben, beybehalten haben: als in Lysander, Lykurgus, Pythagoras, u.d.gl.

[75] Weitere Erklärung und Vertheidigung des deutschen Y.

Allein wenn wir etwas genauer in unser Alterthum gehen: so finden wir, daß schon Ottfried in der Vorrede zu seinen Evangelien gedenket: daß er sich dieses Buchstabs zuerst bedienet habe, einen ganz andern deutschen Ton auszudrucken. Er schreibt: INTERDUM VERO, UBI NEC a, NEC e, NEC i, NEC u, VOCALIUM, NB. SONOS PRÆCAUERE POTUI, IBI y GRÆCUM MIHI VIDEBATUR ADSCRIBI. ET ETIAM HOC ELEMENTUM LINGUA HÆC HORRESCIT INTERDUM, NULLI SE CHARACTERI, ALIQUOTIES IN QUODAM SONO, NISI DIFFICILE JUNGENS. Wollen wir nun richtig urtheilen, so müssen wir unser y gar nicht für ein griechisches Υ υ ausgeben, sondern es für einen ursprünglich deutschen Buchstab halten, der seinen eigenen Laut hat. Was das nun für einer sey, können uns theils die alten Gothen im Evangelio des Ulfila, theils unsere altfränkischen deutschen Handschriften, theils unsere Nachbarn, die Holländer und Engländer, lehren.

Die Gothen schrieben die meisten Wörter, die wir itzo mit y schreiben, mit einem gedoppelten i, so daß das letzte ein j war. Z.E. Freyen, oder Lieben, hieß bey ihnen Frijan; wie man noch plattdeutsch spricht:sijuth, seyd, Fijand, Feind. Was ist also ein y? Es ist ein verdoppelt i, oder ein ij; eine Art eines Diphthongs oder Doppellauts: so wie auch, nach dem obigen, das deutsche w ein u und v zugleich ist. Daher spricht nun, nicht nur Holland und England, das y wie ein ei aus; sondern selbst in Schwaben lehret man die Schulknaben, x, ey, zett, sagen. Ja zuweilen bekömmt es gar die Kraft eines bloßen j, wie in YOUNG, YOKE, YEAR, u.d.gl. anzuzeigen, daß es aus einem j mit entstanden ist: wie es denn auch bey uns, in Bayern, aus denBojis, Bajoaria, entstanden ist. Wir müssen also diesen eigentlich deutschen Buchstab nicht wegwerfen, auch ihn nicht für ein υ ansehen; sondern ihn für ein ij halten: wie in den meisten Leseschulen die alten Lehrmeister ihn zu nennen pflegen.

Und selbst die Art, wie man diesen Buchstab in alten Handschriften geschrieben findet, und wornach der erste Druck sich auch gerichtet hat, zeiget diesen Ursprung zur Genüge. Denn er besteht ausdrücklich aus einem kurzen i, und langen j; welches nur ein wenig umgebogen ist. Eben dieses bestätigen die beyden Puncte, die von den Schreibmeistern, seit undenklichen Jahren, über das deutsche y gemachet worden, ja welche man auch in alten gedruckten Büchern findet. Und was wollen die Franzosen sonst damit sagen, wenn sie in der neuern Orthographie, anstatt des ausgelassenen Y, in FUYONS, ROYALES, u.d. ein [76] doppelt punctirtes i zu schreiben lehren, FUÏONS, ROÏALES; als daß ein Y ein doppeltes I sey?

Wir schreiben es also ferner billig, theils zum Unterschiede vieler Wörter, als z.E. freuen, von freyen; meinen, von meynen, (PUTARE) u.d.gl. theils zum Schlusse in der Syllbe ey, als z.E. Ey, bey, zwey, drey, allerley; wo auch der Holl- und der Engländer allemal y schreibt, wenn er diesen Ton aussprechen will; theils in allen, die davon herstammen, auch in der Mitte. Die Zesianer haben nur ihre Unwissenheit verrathen, wenn sie ihn im Deutschen, als einen Fremdling, haben abschaffen wollen.

Das griechische υ könnte auch bey uns weit besser durch ein Ü ausgedrücket werden. Denn wie dem η, alse CRASSO, das ε ψιλον, oder e TENUE entgegen gesetzet wird; also wird auch dem , oder ου CRASSO, ein υ ψιλον, oder TENUE entgegen gestellet. Daher haben die alten Lateiner aus dem αυ und ευ, nicht AI, und EI, sondern AU und EU, oder EV gemachet, wie aus AULA, AULETES, EVERGETA, EUCHARISTIA, und EVANGELIUM erhellet. Eben das bezeugen die Wörter Φυγη, κυβος, τυμβη, ὑς, μυς, κυμινον, κυρια, κυριος, κυρητες, u.d.m. daraus FUGA, CUBUS, TUMBA, SUS, MUS, CUMINUM, CURIA, CURIUS, CURETES geworden.

Nach eben der Art haben die alten Gothen ihr Y niemals als i, sondern immer, als ein gelindes ν, gebrauchet: z.E. in dem Geschlechtregister Christi, wird Levi so geschrieben LEYYI. Wie wir also aus πυξις, eine Büchse, aus κυσαι, küssen, aus κυμινον, Kümmel, aus κυκκυκ, Kuckuck, aus ρυτωρ, ein Reuter, aus κυρετες, Kürisser, oder Kürassirer, aus θυρα, Thüre, aus θυγατηρ, Tochter, aus πυρ, Feuer, plattd. Für, von ὑπερ, über, von τυκτον, die Tücke, und aus ÆS CYPRIUM, Kupfer, gemachet haben: ja wie die Σκυθαι, nichts anders als Schützen, oder Scythen geheißen und gewesen: so sollten wir billig überall, wo ein griechisches υ vorkömmt, ein Ü brauchen. Z.E. von κυριακη, Kürche, wie von θυρα, Thüre u.d.gl.

Wenn man das aber, aus Nachsicht gegen die eingeführte Gewohnheit, ja nicht überall thun will; sondern unser deutsches y gleichsam dazu herleihet, die Stelle des Y zu vertreten; so muß man doch daraus keinen Beweis ziehen wollen, daß selbiges nichts anders, als ein Y sey; sondern ihm in deutschen Wörtern die Kraft eines doppelten i, oder ij, welches in einigen Landschaften wohl gar als ei klinget, ja als ein j gebrauchet wird, ungekränket lassen. Siehe den Bonaventura Vulcanius in s. Tractate: DE LITTERIS & LINGUA GETARUM, SIVE GOTHORUM, p. 2, 3, 4.

Weil dieß Büchlein aber sehr selten ist, so will ich einen Theil seiner Worte hieher setzen. Er handelt auf der 2, 3. u. 4. S. DE VERA PRONUNCIATIONE [77] Y ET H folgender Gestalt. YPSILON IN OMNIBUS LINGUIS, NON i, SED u TENUE EST, QUOD PARVUM ET GALLICUM VOCANT, AD DISTANTIAM u GERMANICI, QUOD EBRÆI vau, GRÆCI ου VEL VOCANT. SIC ENIM AD DIFFERENTIAM ω μεγαλον, ο μικρον, , DICUNT; ET AD DIFFERENTIAM ητα, QUOD e CRASSUM EST, ε ψιλον, I.E. TENUE. SOLI LATINI HIC CETERIS GENTIBUS SUNT INFELICIORES, UT QUI UTRAQUE SIMILITER SIGNANT. NON QUOD IN PRONUNTIANDO NON SERVARINT DISCRIMEN, SED SCRIBENDO. ANNOTAVIT ENIM Diomedes, LATINOS ETIAM TUNC TEMPORIS ALITER PRONUNCIASSE O LONGUM, QUAM o BREVE. IDEM DE u PARVO ET V MAGNO CENSENDUM. OMNINO ENIM ALITER PRONUNTIABANT salutem, QUAM CUTEM, QUUM NUNC NIHIL INTERSIT. QUOD AUTEM VULGO DICITUR: LATINI y NON HABENT: SCIENDUM, QUOD LITTERAM QUEDEM NON HABENT, SED SONUM NIHILOMINUS HABENT, SED CUM NON SIGNANT PECULIARI NOTA, HOCbarbari sunt, ET MAGNAM IN PRONUNTIATIONE CORRUPTELAM PEPERERUNT, QUAM Germani quoque imitantur. IAM ENIM EO DEVENTUM EST, UT NUSQUAM GENTIUM y DICATUR u: SED η NON e, SED I. QUO FIT, UT LATINIS ET TEUTONIBUS DESINT LITTERÆ, QUIBUS u PARVUM ET e LONGUM A PARVO ET LONGO DISTINGUANT. (Mit des Verf. Erlaubniß, so ist das ü unser kleines u; und unser langes e, theils das ee, theils das ä).

AT GETHÆ HIC FELICISSIMI SUNT, UT ET IN DIPHTHONGIS. NAM GRÆCIS ET LATINIS DIPHTHONGI QUOQUE, PRÆTER au & eu, OMNES VITIATÆ SUNT; QUUM αι SONET e, οι, ει, η, SONENT i. SED BARBARI OMNES HIC VALENT:Soli Latini, qui ceteros præ se barbaros jaetant, barbarissimi sunt. INVALUIT TAMEN USQUE ADEO ERROR, UT OMNES SCHOLÆ GRÆCANICÆ & LATINÆ Y, I DICANT, NON u; ητα NON ε, SED i. (NB. Dieß gilt nur von Oberdeutschland: in Preußen, Niedersachsen, Holland, England und Frankreich, wo die erasmische Aussprache im Schwange geht, spricht man das Griechische recht: ja selbst in Obersachsen, und in Italien haben gelehrte Männer den Vorzug dieser Aussprache schon eingesehen, und in Schriften vertheidiget.)

QUUM AUTEM VESTER CODEX (SCIL. ARGENTEUS) ISTIS LITTERIS vere, I.E. MULTO ALITER UTATUR, VERITAS DETEGENDA FUTT. ADEO AUTEM NUNQUAM ISTI INTERPRETI (ULFILÆ) VENIT IN MENTEM, UT Y PRO i UTERETUR: UT PLERUMQUE NB. pro gemino UTATUR, QUASI SIMPLUM PARUM ESSET; NEQUE ALIUD GEMI NUM υ HABENT. HINC WERPER, WEIN, WEIHEN, WERDEN, SCRIBIT Yerper, Yein etc. UBI, NISI LECTOR MONEATUR, Y, U ESSE, NON I jerpen, jein, jeihen, jerden LEGAT: QUÆ OMNIA TEUTONUM SERMO REPUDIARET.

AD GERMANAM IGITUR VETEREMQUE PRONUNTIATIONEM PROVOCAT PRÆSENS CODEX,magnique solæcismi Collegia & Scholas redarguit; SEQUE AB ITALORUM CONVICIO, QUI GETHICUM SERMONEM IRRIDENT, VINDICAT, [78] IPSISQUE CONVICIUM HÆRERE DEMONSTRAT. CETERUM PRISCOS LATINOS υ GRÆCUM u SONUISSE, INFINITA DOCUMENTA SUNT. PRIMUM QUOD αυ & ευ, NON ai & ei, SED au & eu VERTUNT, UT VOCES aula & evangelion, euge, Eugenius, & SIMILES MONSTRANT. ITA PRO βοτρυς, BOTRUS, PRO Φυγη FUGA, κυβος CUBUS, πυξις BUCKS, ῥυτωρ. RUTER. GRÆCIS ENIM ῥυτωρ A ῥυω, SOLVO, PROTEGOQUE DEDUCITUR, QUOD PEREGRINOS A GRASSATORIBUS VINDICARENT. – – SED LEGE riter, NON CONGRUET; UT NEC SI PRO κυσαι KISAI, κυσαι ENIM EST kussen, OSCULARI; CUI CUM κισαι NIHIL EST COMMUNE. – – ITA ὑπερ SUPER, ὑπο SUB, κυρετες curetzer DICUNT. ITEM κυρια, CURIA, PRÆTORIUM, ein HerrenHAUS, A κυριος DOMINUS; UNDE & κυριακη Kürche ETIAMNUM DICITUR. UNDE HESYCHIUS HABET, κυριου εσιν εκκλησια. – – HINC PRO LUD, LYDIAM HABENT, PRO Assur, ASSYRIA, PRO TZUR, TYRUS; LEGE Tirus, NIHIL CONGRUET. etc.


Z z, zett, ist wie das lateinische und italienische z, aber härter, als das französische. Es klingt also wie das C vor i und e, oder wie ts. Vor Alters aber klang es auch in Deutschland, wie im Polnischen und Französischen, als ein gelindes s. Denn sie schrieben daz, waz, für das und was. Wollten sie aber einen härtern Ton haben, so setzeten sie das c vor, z.E. czu, Czorn; woraus hernach das tz entstanden ist. Daher kömmt es auch, daß ein ß oder sz nichts anders, als ein doppeltes ss bedeutet. Überhaupt sieh von den doppelten Buchstaben am Ende das Gespräch, so davon handelt.

I. Von den Selbstlautern.

4 §. Diese Buchstaben nun werden in zwo Classen getheilet. Einige davon haben für sich einen Laut, ohne Beyhülfe der andern, und diese heißenSelbstlauter, und sind sechs an der Zahl, A a, E e, I i, O o, U u, und Y y. Die übrigen alle werdenMitlauter genennet, weil sie für sich selbst keinen hellen Laut haben, sondern nur vermittelst der Selbstlauter gehöret werden können. Als in laben, höret [79] man das a und e für sich schon; das l, b und n aber, nur mit Hülfe derselben Lautbuchstaben. Man theilet aber auch diese Mitlauter noch in härtere und gelindere ein. Zu diesen rechneten die Lateiner das l, m, n und r, und nannten sie so gar SEMIVOCALES oder Halblauter; welches denn in ihrer Prosodie seinen Nutzen hatte. Wir können solches aus gleicher Ursache merken.

5 §. Wir müssen aber dieselben auch nach denen Werkzeugen unterscheiden, womit sie ausgesprochen werden. Denn Sechs davon spricht man mit den Lippen, als: B, F, M, P, V, W. Andere


Fünf mit der Zunge, als: D, L, N, R, T; noch andere
Fünf mit dem Halse, als: Jod, G, H, K, Q. Und endlich die übrigen
Vier mit den Zähnen, als: C, S, X, Z; wozu hernach noch einige zusammengesetzte kommen.

Auf diesen Unterschied wird nachmals bey Verwandlung der Buchstaben viel ankommen: weil es oft geschieht, daß Buchstaben von einerley Art mit einander verwechselt werden 13.

II. Von der Länge und Kürze der Selbstlauter.

6 §. Man muß aber bey den Selbstlautern sonderlich anmerken, daß sie im Deutschen eben sowohl, als in andern Sprachen, bey einerley Gestalt, einen verschiedenen Laut haben. Wir wollen denselben nur zwiefach abtheilen, und ihn bald kurz, oder scharf; bald lang, oder gezogen nennen: ungeachtet man noch genauer gehen könnte; wie die Hebräer [80] thun. Wir haben also ein langes A, E, I, O und U; wenn man in der Aussprache eine längere Zeit darauf aushält: wie die ersten Syllben in Gaben, leben, Bibel, loben, Spuren, lauten. Wir haben auch alle diese Selbstlauter kurz; wie die ersten Syllben in Palast, Patron, Gewand, begeben, Pilatus, Bononien, Tulpen, oder auch inraffen, treffen, kirren, hoffen, murren. Man stoße sich hier nicht daran, daß gleichwohl die ersten Syllben dieser letzten sechs Wörter den längsten Ton in der Aussprache haben; und also als ganze Syllben, dem Tonmaße nach, lang sind. Denn ein anders ist ein langer gezogener Vocal; ein anders, eine lange Syllbe: als die oft durch die mehrern Mitlauter lang wird. Es wird davon in dem vierten Theile vom Tonmaße ausführlicher gehandelt werden.

7 §. Will man aber eine nähere Vorschrift haben, wenn die Selbstlauter lang oder kurz ausgesprochen werden; so merke man folgende Fälle:

I. Lang sind die Vocalen,

1. Wenn sie in einsyllbigen Wörtern ganz am Ende stehen; als: in ja, da, he, so, du, zu, u.d.gl. dahin auch gehöret, wenn ein bloßes h darauf folget, als: sah, weh, geh, roh, froh, Schuh, ausgenommen, in Ha, ha! Sa, sa! wo die erstern Wörter allemal kurz klingen.

2. Wenn in solchen Wörtern, die einer Verlängerung fähig sind, nur ein Mitlauter darauf folget; als: Schwan, That, den, der, Marcasit, Tod, Ton, vor, Glut, Mus: ausgenommen, wenn vor einer solchen Syllbe schon eine lange vorhergeht; z.E. in gehen, die gehen den, Reuter, derer, welches: wo in beyden ersten nur die ersten e lang sind, die übrigen e aber ganz kurz wegfallen 14.

[81] 3. Wenn in der Syllbe nach dem Selbstlauter ein h folget; als: Wahl, Zahlen, Mehl, sehr, mehr, gehen, Kohl, Rohr, Uhr, ruhen.

4. Wenn ein th darauf folget, welches nämlich wie ein einzelnes t anzusehen ist; als Rath, Ge beth, Noth, ein Both, muthig. Hier wird von einigen fälschlich das h zum Selbstlauter gezogen, Raht, Gebeht etc. Es kömmt vielmehr daher, daß diese Wörter im Plattdeutschen nur eind haben: raden, bäden, Bade, moo dig, u.d.m. welches im Hochdeutschen zum th wird, so wie aus Deer (θηριον) ein Thier geworden ist.

5. Wenn eine Verdoppelung des Vocals geschieht; wie in Maal, Saal, Meer, See, Klee, u.d.gl. gewöhnlich ist.

6. Wenn Doppellaute vorkommen, die gemeiniglich lang sind, obgleich auch doppelte Mitlauter folgen; als Haus, rauschen, Preis, Meißen, Preußen, Vlies, schießen, büßen, Gemüs, u.d.gl.

II. Kurz hergegen sind die Selbstlauter in der Aussprache:

1. Wenn sie am Ende vielsyllbiger Wörter ganz bloß stehen; als: in Abba, Bassa, Liebe, gebe, Ali, Sophi, Dero, Uhu, u.s.w.

2. In den einsyllbigen Wörtern, die niemals am Ende wachsen, und doch nur einen Mitlauter daselbst haben; als an, was, das, des, bin: 15, hin, bis, mit, von, um, ausgenommen nur, nun, thun.

3. Am Ende vielsyllbiger Wörter, deren erste Syllben lang sind; ob sie gleich mit einem Mitlauter schließen, als: Haran, Japan, aber, Haber, beben, Emir, Salomon, warum?

[82] 4. Vor einem doppelten, oder vor vielen Mitlautern; als: fast, hassen, lassen, schaffen, bannen, Fest, nennen. Griff, Blick, Tonne, geronnen, Hund, krumm, Brunn, u.s.w. 16.

III. Die Verdoppelung der Selbstlauter.

8 §. Alle diese Buchstaben bleiben entweder einzeln stehen, wenn man sie spricht; oder sie werden verdoppelt, und mit andern ihrer Art verstärket, so daß sie einen ganz veränderten Laut von sich geben. Von den Selbstlautern den Anfang zu machen, so entstehen aus ihrer Verdoppelung oder Verbindung unter einander, die Doppellaute, weil sie gleichsam einen doppelten Laut hören lassen 17. Diese sind nun:


A a, ein langes gezogenes A, wie Aal, die Aar, Baare, Haar, Maal, ein Zeichen, Paar, Schaar, Quaal, Staar, Saal, die Saale. Es würde wider die allgemeine Gewohnheit laufen, wenn man die Verdoppelung hier auslassen wollte 18.

[83] Ä, oder ä, wie ein halbes a und halbes e, wie träge, wäre; nicht wie ee, in See, obgleich einige das wäre wie weere sprechen. Man schreibe aber das ä nicht getrennt ae, wie einige diese Neuerung haben anfangen wollen; weil wir ja das ä in Druckereyen haben; und z.E. in Danae, Pasiphae, Phaeton u.d.gl. gewohnt sind, beydes besonders hören zu lassen.

Ai, wie Kaiser, von καισαρ, weswegen Keyser und Kayser falsch sind. Nun möchte man zwar sagen, es wäre dieses ein lateinisches Wort; warum man sich denn nach dem Griechischen richten sollte? Allein, nach dem Lateine [84] müßte man Käsar sagen. Da nun aber ganz Deutschland das i in der ersten Syllbe hören läßt; so haben wir es unfehlbar in altern Zeiten von den Griechen bekommen. Die Griechen aber hörtens wohl, wie die Römer ihr CÆSAR aussprachen.

Au, wie in Brauch, glauben, taub, welches also nicht wie globen, toob lauten soll. Die Alten schrieben es mit aw, Frawen, und sprachen es, wie Frauven; aber itzo klingt das widerlich.

A y, wie aij, Mayn, Sayn, Hayn; welches letzte viele in Großenhayn, Lichten hayn, wie Hahn aussprechen, aber unrecht.

E e, wie ein langes e, als Beere, Heer, Klee, leer, Meer, Meet, Scheere, See, Seele, etc. Auch hier thut man übel, wenn man die Verdoppelung ausläßt.

E i, muß weder wie ai gesprochen werden, wie es von einigen Oberdeutschen geschieht, die mein, Bein, wie main, Bain, hören lassen; noch wie ee klingen, wie man in Meißen thut, da viele Stein, wie Steen, Bein, wie Been, Kleider, wie Kleeder sprechen. Noch ärger ist es mit den Schwaben und Bayern, Bein wie Boan, und Stein wie Stoan auszusprechen. Man muß beyde einfache Vocalen zugleich ausdrücken.

E u, muß mit etwas hohlerm Munde ausgesprochen werden, als ei; z.E. Freude, nicht wie Frei de, vielweniger wie Fraide; aber auch nicht wie Froide, wie einige Niedersachsen thun. Die Alten schrieben auch ew, und sprechen es wie euv, Scheuv.

E y, muß auch nicht mit dem ai oder ay vermischet werden; ist aber im Tone von dem ei nicht sehr unterschieden: außer daß es sich in der Verlängerung des Wortes doppelt hören läßt: Eya, lautet wie Eija, freyen, wie freijen.

I e, klingt eigentlich nur wie ein langes i, als die, wie, hie, nie, Geographie, Poesie. Zuweilen aber wird es auch getrennet, als in Histori-e, Komedi-e, Tragödi-e, Poesi-en, [85] oder Geographi-en; dieß sind viersyllbige Wörter: wie man in den besten Landschaften spricht. Butschky in seiner Rechtschreibung, hat das erste ie gar abschaffen, und nur di, wi, hi, mit einem Strichlein überm i, behalten wollen. Allein, ganz Deutschland hat das e hier zur Verlängerung des i, erwählet.

Ö, als: hören, König, halb o, halb e; nicht wie hären, Känig, auch nicht wie ein schlecht e. Mögen, nicht wie mägen; Vögel, mit einem spitzrunden Munde; nicht wie Vegel, oder Vägel.

O i, nicht wie ai, oder ei; sondern so, daß man beyde Selbstlauter höre, wie in Boizenburg, Groitsch.

O o, wie ein gezogenes o, nicht nach Art der Engländer wie u; Boot, Mooß, Room, zum Unterschiede von Rom: und Schooß von Schoß zu unterscheiden.

O y, nicht wie ey, oder ai, sondern recht deutlich; noch stärker, als das vorige O i, daß außer dem i noch das j gehöret werde, als: Boy, Hoya, Hoyerswerda, u.d.gl. wie Boij, Hoija, Hoijerswerda.

O u, oder ow, ist vorzeiten in Deutschland auch gewöhnlich gewesen, aber mehr und mehr ins Vergessen gekommen. Man hat z.E. gesprochen der Gou, oder Gow, als Sundgou, Brisgou, wofür man itzo lieber au schreibt und spricht. Bützow, und etliche andere sind noch gewöhnlich.

U e, war vorzeiten ein Doppellaut, den man im obern Deutschlande gesprochen und geschrieben; als in Muetter, Fueß, Geruech, Wuest; und das e hat nur das u verlängern sollen. Er ist aber itzo in dem größten und besten Theile von Deutschland abgeschaffet, und klingt in zarten Ohren sehr barbarisch.

U i, oder Ü, in der kleinern Schrift ü, hat den mittlern Ton zwischen dem U und i, wie das französische U, oder das wahre griechische υ. Z.E. blühen, nicht wie blihen, oder bliehen 19.

[86] Uy, klingt wie uij, in Huy, Pfuy! Es kommt aber selten vor; außer in einigen schlechten Provinzialmundarten 20.


Außer diesen giebt es noch einige dreyfache Selbstlaute, z.E.
äu, als Dräuen, häufen, Käufer, Läufer.
äy, wie in Bäyern, von Bajoaria, und
öy, wie in Höym, ein gräfliches Stammhaus.

Frage: Ob man die Doppellaute Ae, Oe, Ue, einzeln, oder zusammen gezogen, oder übereinander gesetzt, schreiben solle?


Zu dieser Einschaltung verbindet mich eine neue orthographische Kätzerey, da einige sonst wackere Männer seit kurzem angefangen, der lateinischen Art vieler Gelehrten auch im Deutschen nachzuahmen, die kein æ und œ leiden können; sondern allemal, ae, oe, schreiben. Zwar in den lateinischen großen, oder Versalbuchstaben; läßt man den Liebhabern des Alterthumes gar gern, daß sie nach Art der alten Römer schreiben mögen, die kein Æ, und Œ, in einer einzigen Figur hatten.

[87] Ob sie aber dadurch auch berechtiget sind, in der kleinen barbarischen Schrift, die von den dummen Mönchen in den Zeiten der Unwissenheit erfunden worden, jener alten Gewohnheit nach zu ahmen? das ist eine andere Frage: die Cellarius, in seiner Orthographie, mit nein beantwortet hat. Hier reden wir nur vom Deutschen. Wir sind nämlich an Figuren der Doppellaute so arm nicht, daß wir sie beyde besonders schreiben müßten. Schon vor tausend Jahren haben die Angelsachsen das ä in ihrer Schrift æ geschrieben, und eben so hat man nachmals das ö und ü hinzugesetzet, auch in Druckereyen gemachet. Selbst in der großen Schrift hat man es vielfältig gehabt; und es ist nur die Armuth einiger neuem Schriftgießer, die keinen solchen Stämpel von diesen Doppellauten gehabt, Schuld daran gewesen, daß man seit einiger Zeit Egypten, für Ägypten, Ol für Öl, und Ubel für Übel, gedrucket. Weil aber diese Art zu drucken, Ausländern und Kindern eine Schwierigkeit in der Aussprache gemachet: so hat man seit einigen Jahren, den ausgelassenen Buchstab dieser Doppellaute darneben zu setzen angefangen; und Aegypten, Oel und Uebel geschrieben.

Was man nun hier gleichsam aus Noth gethan, das haben andere, die nach Neuerungen begierig sind, zu einer Tugend machen wollen; und auch in der kleinen Schrift, alle Doppellaute ohne Noth zu trennen angefangen. Sie schreiben also waere, Vaeter, moeglich, Toechter, groeßer, Bui bereyen, Muitter, Uibel, u.s.w. Was das nun 1) für einen seltsamen Anblick gebe, und wie fremd einem gebohrnen Deutschen seine eigene Sprache dadurch werde; das sieht ein jeder. 2) Wird die Schwierigkeit denen, die lesen lernen, dadurch nicht vermindert, sondern ungemein vergrößert. Denn wie soll man nun diese Wörter aussprechen? Die getrennten Buchstaben scheinen auch die Syllben zu trennen; ganz anders, als es in ai, au, ei, ey, oi, oy, geschieht: wo man sie nur etwas geschwinder hintereinander sprechen darf, um den Doppellaut zu finden. Wer das aber in Vaeter, Toechter, und Muitter thun will, der wird doch immer Va-eter, To-ech ter, Mu-itter herausbringen. Es ist also falsch, daß diese Schreibart mit der gewöhnlichen gleichgültig sey, weil ä, ö, und ü gewisse Mitteltöne machen, die eigentlich keinen doppelten Selbstlaut, sondern ganz andere Töne ausdrücken, die zwischen beyden inne stehen. 3) Und wie will man hernach das Wort Poeten von Noethen in der Aussprache unterscheiden, so daß jenes drey, dieses aber nur zwo Syllben bekomme? Wie will man Phaeton, von Phaedrus, Kostoes, von Roeslein; Aetius, Laer tius, Boethius, Hoe von Hoeneck, Arsinoe, Chloe, u.d.m. anzeigen? Endlich 4) Was haben die ehrlichen Figuren ä, ö, ü, gesündiget, daß man sie verbannen will? Sie haben allemal gute Dienste gethan; und werden sie noch [88] künftig thun. Ist es also nicht vernünftiger, verschiedene Töne mit verschiedenen Zeichen auszudrücken; als gute Zeichen abzuschaffen, damit die Verwirrung in der Aussprache größer werde? S. den neuen Büchers. der schönen Wissenschaften und fr. K. im IX B.a.d. 244 S.


8 §. Die Mittlauter werden auch verdoppelt, und zwar insgemein nach einem kurzen Selbstlaute, um dadurch der Syllbe die gehörige Länge zu geben. Z.E.


B wird selten verdoppelt, außer in Ebbe, Krab be, Ribbe, und in etlichen fremden Wörtern, als in Abba, Rabbi, Sabbath. Es steht daher einfach nach einem langen Vocale, wie Babel, Bibel, Haber, Nabel, Zwiebel; daher sprechen diejenigen falsch, die da sprechen: Habber, Zwibbeln, und dergleichen.

C wird auch niemals verdoppelt, außer bey dem k, da es nach einem kurzen Selbstlaute klingt, als wenn es ein doppelt c, oder besser, ein doppelt k geworden wäre; als hacken, Hecken. Nach dem Griechischen sollte es auch in Bacchus und Eccho verdoppelt werden. Allein, unser ch klingt in machen, stechen, schon gedoppelt. Die Alten setzeten es auch zum z, wie die Pohlen, als in Wicz, seczen u.d.gl. dadurch es auch verdoppelt schien: allein, itzo setzet man ein t dafür zumz. Und, da thun diejenigen unrecht, die es hier weglassen wollen, wenn gleich ein kurzer Selbstlaut vorhergeht: z.E. in Kazen, sezen, Rizen, trozen, puzen; wo überall das tz stehen sollte. Indessen ist es ein bloß fremder Buchstab, weil sich keine einzige ursprüngliche deutsche Syllbe damit anfängt. Canzel, Cammer, Closter, Cörper, stammen zwar auch aus dem Lateine; werden aber schon längst, weil sie eine ganz deutsche Gestalt angenommen haben, viel besser Kanzel, Kammer, Kloster, Körper geschrieben. Eben so schreibt man schon längst, Kaiser von CÆSAR, und Ker ker von CARCER. In den lateinischen Namen aber muß man es behalten, Cato, Cethegus, Cicero, College, Coriolan, Cu rius, Cyrus. Köthen [89] wird ganz unrecht Cöthen geschrieben, weil es von Kathe herkömmt; dieses aber, wie in Cölius, als then klingen würde.

D wird fast niemals verdoppelt, außer in Widder, Riddagshausen, und steht also auch immer nach einem langen Vocale; als Faden, Boden, reden: daher denn die Aussprache des hiesigen Pöbels falsch ist, welcher Boden und Faden, oft wie Bodden und Faden hören läßt.

F wird häufig verdoppelt, aber gleichfalls nur nach kurzen Vocalen: z.E. raffen, gaffen, treffen, schiffen, hoffen, Stuffen. Falsch aber würde es nach langen Vocalen geschrieben; in Graf, Hafen, Schlaf, Schaf, Strafe, Hof; denn diese klingen ganz anders, als schaffen, schlaff, straff, soff. Diejenigen, welche allen doppelten Buchstaben gram sind, mögen uns erst belehren, wie sie diese Töne unterscheiden wollen.

G wird in wenigen verdoppelt, als: in Dogge, Egge, Roggen; in allen übrigen steht es einfach, und nach langen Vocalen, als: schlagen, legen, siegen, Bogen, Hugo, Lügen.

H wird eigentlich nicht verdoppelt, außer in ch: für welches die Alten ein hh schrieben, als La chen, für Lachen. Bellin, hat sogar das ch verdoppeln wollen, als machen; welches aber ungereimt ist, und soviel heißen würde, als vier h hintereinander gesetzt, Lahhhhen. Das ch ist, nach alter Art das h auszusprechen, schon ein doppelter Buchstab; weil das c die Stelle das einen h vertritt. Ein geweichter Herr, heißt nach der alten Aussprache nur ein geweihter.

K wird zwar in der That oft verdoppelt, wenn es nämlich nach einem kurzen Vocale steht. Allein, man schreibt alsdann nicht kk, wie Zesen mit seinem Anhange einführen wollte, als Bakken, Gek ken, Lokken, Mukken, Brükken; welches ein lächerliches Ansehen giebt; sondern [90] mit einem ck, welches aber eben den Klang hat: weil das c, welches im Lateine ein wirkliches k war, ganz gut die Stelle des einen k vertritt. Es fehlen also sowohl die, welche das ck, ohne Noth nach einem Mitlauter setzen, wie in starck, Werck, Türck, wo man es nicht hören und aussprechen kann; als diejenigen, welche das ck, wie andere doppelte Buchstaben, ganz verwerfen wollen. Denn ein Haken, klingt gar nicht wie hacken: ein Laken, lautet anders, als bac ken.

L wird häufig verdoppelt, aber allemal nach kurzen Vocalen; als Fallen, Stellen, Willen, Stolle, Nulle. Nach langen hergegen, und Doppellauten, bleibt es einfach: als malen, wählen, Mehl, zielen, Holen, Koh len, Schulen 21.

M wird oft verdoppelt, aber wiederum nach kurzen Selbstlautern, wie Kamm, kämmen, (welcher Doppellaut vor dem doppelten m kurz wird) hem men, nimm, fromm, krumm. Einfach aber bleibt es nach den langen Selbstlauten; als Namen, grämen, nehmen, geziemen, Römer, Blumen, blümen 22.

N steht doppelt nach den kurzen Vocalen; als: wann, dann, denn, drinnen, gewon nen, Brunnen: ausgenommen in den kleinen Wörterchen an, man 23, den 24, in, bin, hin, von, u.d.gl. deren Selbstlauter kurz und scharf gesprochen werden, obgleich nur ein n folget 25 [91] Einzeln aber steht es nach langen Vocalen, als gethan, die Bahn, wen, Thron, nun, thun, u.d.gl.

P wird in vielen verdoppelt; als: Kappen, Knap pen, Lappen, Mappen, Quappen, Rappen, schnappen, schleppen, Treppen, kippen, wippen, doppelt, Kuppe etc doch immer nach kurzen Selbstlautern. Nach langen aber bleibt es einfach: wiewohl es so noch seltner vorkömmt; indem es mehrentheils im Anfange der Wörter und Syllben steht 26.

Q wird niemals verdoppelt, aber auch nicht einzeln gesetzet, sondern allezeit in Gesellschaft des u, gebrauchet, als: Quaal, Quitten, u.s.f. dafür Zesen und einige andere Kw schreiben wollten; als: Kwal, Kwitten etc. 27.

[92] R wird häufig verdoppelt, aber wiederum nur nach kurzen Selbstlautern; als: Pfarre, sperren, verwirren, verworren, murren. Sonst bleibt es einfach vor langen Selbstlautern; als: in gar, her, mir, dir, vor, nur; imgleichen nach doppelten Vocalen und Doppellauten; wie auch nach dem h, welches manche Vocalen verlängert; Haar, Heer, Meer, fahren, weh ren, Ohren, rühren. Doch steht es auch nach kurzen Selbstlautern einfach, wenn noch ein Mitlauter gleich darauf folget; als in Garn, Gar ten, Stern, Birne, Stirne, wird, Hirt, Dorn, Horn, Born, Gurt, gürten, zür nen.

S wird sehr häufig verdoppelt, und zwar nach den kurzen Selbstlautern und Doppellauten, als: has sen, dessen, vermissen, geschlos sen, Schlösser, des Schlusses, die Schlüsse, müssen. Von diesem ss ist das ß in etwas unterschieden: ob es gleich auch, nach den Alten, die am Ende das z für ein s brauchten, nichts anders, als ein doppeltes s ist. Denn dieses dienet erstlich am Ende der Wörter, die einen kurzen Vocal haben, und in der Verlängerung behalten; als Faß, naß, Haß, Fluß. Hernach zweytens, wenn ein solch Wort verlängert, oder mit andern zusammengesetzet wird: als z.E. häßlich, gräßlich, Flußwasser, Fußsole. Denn weil hier das ß ganz bey der vorigen Syllbe bleibt, indem die folgende mit einem Mitlauter anfängt: so kann man nicht schreiben hässlich, Fluss wasser, u.s.w.


So wie also diese Gestalt ß des doppelten s, zum Schlusse der Syllben dienet, wenn der vorhergehende Vocal kurz ist, auch die folgenden Syllben mit Mitlautern anheben; und also das ss mit den erstern nicht theilen können: so wird sie auch nach langen Vocalen und Doppellauten gesetzet, die im Wachsthume des Wortes lang bleiben sollen; z.E. [93] groß,Stoß, Fuß, welche nicht anders klingen, als grooß, Stooß, Fuuß: wie auch vormals einige haben schreiben wollen. Wenn nun diese Wörter wachsen, so wird das ß ganz zur folgenden Syllbe gezogen, und als ein schärferes Zischen gehöret: als grö-ßer, sto-ßen, Fü-ße. Dieses erfordert die gute Aussprache also: wollte man aber nur ein ss schreiben, welches sich zwischen zween Vocalen allemal theilet: so würde man den vorhergehenden Vocal kurz machen:grös-ser, stos-sen, Füs-se; und so würden diese Wörter klingen, wie besser, verdrossen, und Schlüsse, welches doch, nach der guten Aussprache nicht recht ist. Man schreibe alsosü-ße, nicht süse, auch nicht süsse; flie- ßen, nicht fliesen, auch nicht fliessen: denn jenes klingt zu gelinde, und dieses zu scharf 28.


[94] T wird oft verdoppelt, als in hatten, retten, mitten, rotten, Butten: aber allemal nach einem kurzen oder scharfen Selbstlauter. Eben so steht es auch am Ende, in matt, satt, Blatt; aber nur in denen, die eine Verlängerung zu hoffen haben, wie diese in matter, satter, Blat tes. Wo aber keine Verlängerung zu besorgen ist, da bleibt das t einfach, als hat 29, mit 30. Endlich wo der Vocal lang ist, als in Gut, Blut, thut, that, da bleibt es auch in den einsyllbigen Wörtern einfach: weil es selbst in der Verlängerung so bleiben soll 31.

[95] V als ein Mitlauter, kann nicht verdoppelt werden. Denn ungeachtet die Alten das w als ein doppelt v geschrieben, so hat es doch niemals die Kraft und Bedeutung eines doppelten v, sondern eines u undv gehabt. Es ist also noch einmal so weich in der Aussprache; wie viel und will, voll und wolle, sattsam zeigen. Im alten Fränkischen und Gothischen findet man auch viele Wörter mit einem F geschrieben, die wir itzo mit V schreiben. Z.E. Father, Vater, fullatojai, vollkommen.

X wird nicht verdoppelt; es ist vielmehr an sich schon aus k und s zusammengesetzet.

Z wird zwar nicht derselben Figur nach verdoppelt, aber doch der Kraft nach, wenn man das tz brauchet, dafür die Alten cz schrieben. Wir schreiben also Schatz, setzen, ritzen, strotzen, schützen, putzen; nicht aber Schazz, sezzen, rizzen, ob es wohl in der Aussprache eben so klingt. Man kann aber auch nicht immer ein einfaches z schreiben, wie einige, als Zesen und Tscherning, wollten; wenn sie Plaz, sezen, trozen, blizen, puzen schrieben. Denn dadurch würde der vorhergehende Vocal lang zu lauten anfangen; als wenn man Plaaz, see zen, bliezen, u.s.w. geschrieben hätte. Man darf auch nicht denken, als ob das z schon ein doppelter Buchstab, [96] nämlich aus t und s zusammengesetzet, wäre. Dieses kömmt nämlich hier und in allen neuern Sprachen in keine Betrachtung; ob es gleich im Griechischen seinen Nutzen hatte. Das alte z der Deutschen war nur ein gelindes s, wie noch itzo bey Pohlen und Franzosen. Die Wälschen hergegen verdoppeln das z auch, als in SPREZZARE, u.d.gl. und sehen es also, eben sowohl als wir, für einen einfachen Buchstab an.


4 §. Hier hätten sich noch verschiedene Anmerkungen anbringen lassen, welche die Buchstaben betreffen. Z.E. woher der Namen derselben komme? So saget Grüwel, auf der 35 S. seiner Rechtschreibung, »er käme von Buch, ein Werk, darinn die Reden geschrieben, oder gedrucket sind; und Stab, weil die Bücher gleichsam aus den Buchstaben, als aus Stäben bestehen«. Allein, andere meynen richtiger, die alten Deutschen hätten ihre erste Schrift, nämlich die alten Runen, auf büchenen Stäben eingeschnitten. Andere leiten es von biegen her, weil sich die alten Pergamentrollen um den Stab bogen. Andere wollen mit Gewalt das Wort Lettern zu einem deutschen Worte machen, und es von Let, oder Glied, aus dem Plattdeutschen herholen: gerade als ob es nicht aus dem lateinischen LITERA, und dieses von LINERE näher herzuleiten stünde. Allein, in allen solchen Dingen besteht die Vortrefflichkeit unserer Sprache nicht. Noch weniger darf man mit Jakob Brückern, der 1620 eine deutsche Grammatik geschrieben, die Buchstaben in folgende neue Ordnung setzen. A, e, i, y, o, u, w, l, r, n, m, x, z, s, h, f, b, d, k, q, g, c, p, t. Denn wenn einmal eine andere Ordnung, als die eingeführte, angenommen werden sollte: so würden sich so viele Meynungen als Köpfe finden; und diese vorgeschlagene möchte schwerlich die Probe aushalten 32.

[97] 5 §. Das älteste orthographische Büchlein, welches mir vorgekommen, ist 1531 in 8 zu Erfurt herausgekommen, und durch Matthes Malern im schwarzen Horne gedrucket. Sein Titel heißt: »Ein nützlich Büchlein etlicher gleichstymender worther, Aber vngleichs Verstandes, den angenden deutschen schreyb schülern, zu gut mitgeteylt,durch Meister Hanssen Fabritium,Rechenmeister und deutschen schreyber zu Erffurth.« Dieser eifert an einem Orte recht sehr, über die Unbeständigkeit im Schreiben, die zu seiner Zeit unter den Schreibmeistern geherrschet: »Ich wais schier nicht, heißt es, was daraus werden wil zu letzt, ich zu meinen theyl wais schier nicht, wie ich meine Schulers leren sol, der vrsachen halben, das yetzunder, wo vnser drey oder vier Deutsche schreibers zusammen koment, hat yeder ein sonderlichen gebrauch, der ein schreibet ch, der ander c, der dritte k, wollte Gott, daß es darhyn komen möchte, das die Kunst des Schreibens einmal wieder in ein rechten prauch komen möchte, es muß doch zuletzt dahin komen, es ist nit damit ausgericht, das wir sagent; er kans schon wol, er kan vf schwartz, roth bappeyer schreiben. Nein, nit also, es gehört mher dazu, wyss, das ich dir das gesagt hab«. So schlecht es aber mit dieser Rechtschreibung aussieht, so steht doch schon, nach Beschaffenheit dieser alten Zeiten, sehr viel gutes darinn. Das Stück ist selten, und auf der Zwickauischen Bibliothek befindlich 33.

Fußnoten

1 S. den sogenannten CODICEM ARGENTEUM, den FRANC. IUNIUS 1665 mit gothischer Schrift in Dordrecht, Stiernhielm aber 1671. zu Stockholm, mit lateinischen Buchstaben drucken lassen; oder HICKESII GRAMMATICAM LINGUAR. SEPTENTR. imgl. der kritischen Beytr. I B.a.d. 445 S. Bonav. Vulcanius hatte schon vorher DE LITTERIS GETARUM eine kleine Abhandlung drucken lassen. Und 1750 ist der CODEX ARG. ZU London neu gedrucket worden.

2 S. HRABANI MAURI, ABB. FULD. DE INVENT. LINGUAR. AB HEBR. USQUE AD THEODISCAM, IN GOLDASTI RER. ALLEM. SCRIPT. T. II, p. 69, wo man noch mehr alte Alphabethe findet.

3 S. Franc. Junii GLOSS. GOTH. oder auch der krit Beytr. III B.a.d. 685 S. Allein, diese kommen unstreitig aus der kleinern latein. Mönchsschrift, die ziemlich spät aufgekommen ist.

4 S. die Tabelle vor Stiernhielms GLOSSARIO ULFILA-GOTHICO, das zu Stockholm 1671, in 4, mit den EVANGELIIS ULFILÆ herausgekommen; imgleichen Worms MONUMENTA DANICA, oder LITTERATURAM RUNICAM.

5 Viele gelehrte Männer gehen in ihrem Eifer, für die Ehre der alten Deutschen, so weit, daß sie behaupten: Die ältesten Deutschen hätten schon ihre eigenen Schriften gehabt, die sie weder von Griechen noch von Römern gelernet, sondern selbst erfunden. Ja,Rudbek behauptet in s. ATLANTICA: die XVI Buchstaben, die Kadmus aus Phönicien nach Griechenland gebracht, wären unfehlbar die runischen Buchstaben gewesen. S. die MEMOIRES DE LA REPUBL. DES LETTRES, A. 1685, a.d. 49. S. Allein, so gern ich dieses zur Ehre unserer Vorfahren glaubte, so wenig überreden mich seine Gründe. Vielmehr zeigen die gothischen Buchstaben nur gar zu deutlich die Nachahmung der griechischen; wie die angelsächsischen die Ähnlichkeit der lateinischen Buchstaben: zumal wenn man die Urkunden aller Jahrhunderte dagegen hält, die der gelehrte Bessel in dem CHRONICO GOTTWICENSI, nach Handschriften in Kupfer hat stechen lassen. Ja selbst die Runen, die manchen weit älter dünken, als die Stadt Rom, geben keine undeutliche Spur: daß sie nur übel nachgeschnittene oder verhunzete lateinische LITTERÆ QUADRATÆ sind. Das höchste Alter, das man ihnen wahrscheinlich geben kann, wird sich kaum bis ins X Jahrhundert erstrecken: wie ich selbst ausStiernhielms Vorrede zum N.T. des Ulfila, und aus Verels Schriften mir zu behaupten getraue.

6 Wer die Schriften alter Urkunden in Kupfer gestochen, oder sonst viel alte Handschriften gesehen hat, wird dieses wissen. Das CHRONICON GOTTWICENSE, und des gelehrten P. Herrgotts Schriften legen verschiedenes davon vor Augen. Auch die Historie des berühmten Münchhausischen Geschlechtes liefert eine gute Anzahl davon, aus sehr alten Jahrhunderten. S. auch Walthers LEXICON DIPLOMATICUM, in der neuen Ausgabe.

7 Ehe sich diese verschiedenen Charaktere noch recht abtheileten, hatte man auch einen gewissen Mittelcharakter, der nicht recht lateinisch, nicht recht deutsch aussieht. So habe ich Wolframs von Eschenbach Parcifall, und Meister Albrechts Tschyonatulander von 1477 in Fol. ohne Benennung des Ortes; ja auch AUGUSTINI NYPHI DE INTELLECTU L. VI. erstlich zu Venedig 1492 und 1503, hernach 1527 zu Modena gedruckt.

8 S.D. JOHN FREE'S ESSAY TOWARDS AN HISTORY OF THE ENGLISH TONGUE P. I, wo er fast durch und durch behauptet, daß die heutigen Engländer sich aus einer wunderlichen Einbildung lieberBritten, als Engländer, nennen: da doch fast alle ihre Bevölkerungen aus Deutschland gekommen. Denn sowohl die Scotten, oder Schützen, als die Picten, oder Fechter; sowohl die Beiger, als die Angelsachsen; sowohl die Normannen, als Dänen, sind ursprünglich deutsche Völker gewesen: die alle große Züge nach Brittanien gethan, die alten Britten und Wälschen, das ist Gallier, entweder ganz ausgerottet, oder doch so in die Enge getrieben, daß sie ganz ihre Stellen eingenommen. Ja, Wallisius zeiget in seiner Grammatik eben das; indem das rechte alte Engländische z.E. im Vater unser, aus lauter deutschen Worten besteht, nur drey oder vier Wörter ausgenommen. Auch in den alten angelsächsischen Büchern derselben zeiget sich dieses noch deutlicher, die vor der Zeit Wilhelm Conquestors geschrieben worden. Dieser nämlich überschwemmete mit seiner alten französischen Sprache England, und machete aus dessen kerndeutscher Mundart ein seltsames Mischmasch, welches noch bis auf diese Stunde so geblieben ist.

9 Noch neulich haben auch die Zürcher diese Neuerung durch ihr Exempel bestärken wollen. Wofern sie aber mit dieser Seltsamkeit nicht glücklicher sind, als mit andern Grillen: so wird es wohl keine Noth haben; zumal ihre seltsame Buchstabirerey mit dem y sie vollends lächerlich machet. Wie weit man es in Schweden mit der Aenderung der Buchstaben bringen werde, die ihnen unlängst anbefohlen worden, das muß die Zeit lehren. Wenigstens wird das Schwedische dadurch keinem Ausländer leichter zu lernen werden. Das Pohlnische hat man längst so gedrucket: aber wer hat es deswegen lieb gewonnen? Unser Deutsches würde gewiß dadurch nichts gewinnen, als daß unsere Neulinge eine Menge fremde Wörter ungestraft in dasselbe würden einflicken können; wodurch unsere Sprache dem Engländischen ähnlich werden würde.

10 Ich sage mit Bedachte nicht, wieviel wir Buchstaben haben, Es kommt dieß auf die Art zu zählen an, da man entweder bloß die einfachen, oder auch die doppelten, oder zusammengesetzten Buchstaben mit zählen will.

11 Obgleich die Alten weihen, wie weichen, inWeichbild in Gottwich, Brunswich u.d.gl. für Weihbild, Gottweih, Brunsweih, d.i. das h. Bruno Geweih, oder Stift gesprochen, und geschrieben haben.

12 Da dieser Buchstab uns Deutschen eigen ist, so fraget sichs, woher er entstanden sey? Ich finde seinen Ursprung in der ältesten Aussprache, schon um Karls des Großen Zeiten. Denn Ottfried in der Vorrede zu seinem Evangel. schreibt so: HUJUS ENIM LINGUÆ BARBARIES; UT EST INCULTA ET INDISCIPLINABILIS, ATQUE INSUETA CAPI REGULARI FRENO GRAMMATIÆ ARTIS, SIC ETIAM IN MULTIS DICTIS, SCRIPTU EST, PROPTER LITTERARUM AUT CONGERIEM, AUT INCOGNITAM SONORITATEM, DIFFICILIS. NAM INTERDOM TRIA U U U, UT UÜTO, QUÆRIT IN SONO; PRIORES DUO CONSONANTES, UT MIHI VIDETUR, TERTIUM VOCALI SONO MANENTE. Ein Exempel davon giebt das 1 Cap. in UBARUUUNNAN, d.i. überwunden. Hier sehen wir, daß das w aus zweyen u entstanden ist, die Ottfried für Mitlauter hielt. Allein in folgender Zeit hat man das erste davon, noch für einen Selbstlauter gehalten: wenn man schawen, Frawen, Häwser schrieb, und doch schauven, Frauven, Häuvser sprach, wie die Schweizer noch itzo thun. So sprechen auch die Engländer ihr DUBBELYU, noch itzo aus. Denn WHITE, heißt bey ihnen gleichsam UVEIT; WHILE, heißt UVEIL, u.s.w. Es bleibt also das w ein aus u und v zusammengesetzter Buchstab, wie auch die alten Handschriften lehren; dessen Ton also gelinder als v seyn soll.

13 Z.E. wenn aus bringen brachte, aus mögenmochte, aus tragen Tracht, aus prangenPracht, aus Raben Rappen, aus KnabenKnappen, aus schreiben Schrift, aus gebenGift geworden ist.

14 Imgleichen werden hier hin, und des, ausgenommen: obgleich das erste in von hinnen, und das letzte in dessen verlängert werden kann.

15 Wenn gleich einige Landschaften das an undbin, so lang ziehen, als ob ahn oder bihn, da stünde: wie in Schlesien.

16 Doch werden hier die meisten ausgenommen, darinnen gleich nach dem Vocal ein einfaches r folget; als: Art, Bart, zart, Erde, werden, Pferd, Schwert, Bort, mir, dir, u.s.w. Man saget mit Heiß, die meisten, denn es giebt auch etliche, die man dessen ungeachtet, nach der obigen vierten Regel, scharf spricht; als: Garten, warten, scharf, Herr, Birn, Hirt, wird, Born, Mord, Zorn, Gurt, Bürde, Würde, u.a.m. die ein Fremder aus dem Umgange lernen muß.

17 Ich weis wohl, daß einige nur da Doppellaute sehen, wo zween verschiedene Vocalen in eine Syllbe zusammen fließen; als ai, ei, au, u.s.w. Allein, was hinderts, daß auch ein zwiefaches aa, ee, u.d.gl. ein Doppellaut heiße, da es ja doppelt so lange klingt?

18 Ein gelehrter Mann, machet hier den Einwurf, daß die Verdoppelung der Selbstlauter nicht nöthig sey; 1) weil Bödicker saget, daß sie etlichen nicht gefalle. 2) Weil sie in der Verlängerung des Wortes wegfalle; z.E. aus Maal, wird Mäler, aus Quaal quälen. 3) Weil die alten Sprachen solche Verdoppelung nicht gehabt; 4) sonst dieselbe noch in vielen Wörtern, z.E. in Trübsal, statt finden mußte; und 5) das aa, auch oft zwo Syllben machet. etc. Allein ich antworte: 1) Einiger Misfallen ist kein genugsamer Grund, nur ein altes Herkommen abzuschaffen; geschweige denn, wenn es noch auf Ursachen gegründet ist. 2) In der Verlängerung des Wortes entsteht ein Doppellaut ä, daraus; daher es natürlicher Weise weicht: von Saal, Säle; von Staal, stälen. 3) Es ist vieleicht eine Unvollkommenheit des Griechischen, daß es kein langes A anzeigen können, da es solches beym E, O, und Y, durch H, Ω und ου gekonnt. Im Latein hätte man auch besser gethan, MAALUM der Apfel, von MALUM böse also zu unterscheiden: wie man, nach Quintilians Berichte, wirklich vor Alters gethan. Unsere Vorfahren aber sind die richtigsten Rechtschreiber nicht gewesen: wenn sie z.E. die Veter, Hewser, Mewse, Stedte, geschrieben. 4) Das sal inLabsal, Trübsal, Scheusal, ist unstreitig eine kurze Syllbe, und brauchet also kein doppelt a. 5) Nur in ausländischen Wörtern machet das aa zwo Syllben, als Baal, Aaron. Haben aber endlich die Deutschen vorzeiten die Verdoppelung auch in etlichen Wörtern gemachet, wo wir sie nicht mehr ma chen: so sind das nur die Zesianer gewesen, die z.E.Fluur, Spuur, Guut, Tood, u.d.gl. schreiben wollten. Allein, was würde man nicht für Zeug einführen müssen, wenn man diesen Leuten folgen wollte? Z.E. Butschky in seiner hochdeutschen Kanzelley, setzet über alle lange Syllben einen Accent; und zwar nicht nur über Selbstlauter, sondern auch über Mitlauter, wenn sie irgend etwas anders ausgesprochen werden; wie das S, wenn es wie ein sch klinget.

19 Die Alten scheinen das u, ohne den Strich darüber, nur wie das ü gesprochen zu haben. Wenn sie nun das volle u wollten hören lassen- so setzeten sie das o, welches die Franzosen vorhersetzen, oben drüber. Man sehe einige alte gedruckte Bücher aus dem XVten Jahrhunderte, imgleichen Goldasts Paräneses vom Könige Tyrol, und von Winsbeken. Und daher ist im Oberdeutschlande der Doppellautuo, in Buoch, thuot, u.d.gl. ja in der kleinen Handschrift die Gewohnheit, über allen u einen krummen Strich zu machen, gekommen. Heute zu Tage aber ist es umgekehret.

20 Ein neuer Sprachlehrer zu Rom hat in seiner Sprachkunst noch aw, ew, unter die Doppellaute gezählet; und es ist nicht zu läugnen, daß die lieben Alten das w, nach seinem Ursprunge, halb wie ein u, halb wie ein v ausgesprochen. Wenn sie also schrieben Awe, Fraw, Ewer, thewer; so klang es als Auve, Frauv, Euver, theuver: und also möchte man diese Art fast zu den TRIPHTHONGIS rechnen. Allein, da diese harte Aussprache sich in den besten Landschaften ganz verloren hat: so sind diese beyden Doppellaute ganz abgekommen, und nur in alten Büchern noch zu finden. Diese also, und einige Kanzleyschreiber, die bey solchem Schlendriane noch bleiben, und auch das Ewer, Ewre Majestät etc. noch beybehalten, lesen zu können, muß man sie zwar kennen; aber doch nicht nachahmen.

21 Auch hier möchte man wohl fragen, wie die Feinde der Verdoppelung, zumal sie auch das h hassen,Stahl von Stall, stehlen von stellen,Höle von Hölle, u.d.m. unterscheiden wollen?

22 Die Herren Schlesier sprechen zwar nihm, und meynen, es müßte so seyn, weil es von nehmen kömmt. Allein, wenn dieser Grund gilt: so müßten sie auch sagen, genohmen; nicht aber genommen. Die Bayern sagen, ich nimm, du nimmst; ich sprich, du sprichst etc. Wer hat nun recht?

23 Dieß kömmt zwar von Mann, oder vielmehr ward auch dieses vor Alters mit einem N geschrieben, wie die Engländer noch thun, A MAN. Allein zum Unterschiede eines Fürwortes vom Hauptworte, ist die neue Art besser.

24 Wenn dieß Wort der Artikel, oder das Geschlechtswort ist, als: an den Mann bringen. Ist es aber ein anzeigendes oder beziehendes Fürwort, so wird der Selbstlaut lang; als: den Freund, den ich suche etc.

25 Die Schlesier sprechen die drey letzten Wörter auch zwar lang: allein wider den Gebrauch aller übrigen Landschaften, kann dieses keine Regel geben.

26 Es ist merkwürdig, daß die beyden WörterKnappen und Rappen, von Knaben undRaben ihren Ursprung haben; wie man in alten Schriften die Spuren davon findet: da auch einMühlknab, und ein Rapp, für einen Vogel vorkömmt. Hier ist sonder Zweifel der Namen des Vogels, um der Farbe willen, dem Pferde gegeben worden.

27 Es sieht aber seltsam aus. Und warum sollte Qu nicht sowohl ein deutscher als lateinischer Buchstab seyn, wie u.a.G. Barenius in s. Sprachk. von 1707 a.d. 5ten S. lehret: da so viel ursprünglich deutsche Wörter damit anfangen, als Quarz, Qual,Quappe, Quelle, Quirle, Quitten, Quittung, Queiß, u.d.gl. Die alten Gothen hatten 360 Jahre nach Christi Geb. diesen Buchstab schon; wo Quinoeine Frau hieß, davon das englische Queen, die Königinn, kömmt. Imgleichen quithan, sagen,quath, sprich, davon quittiren, die Quittung, entstanden ist.

28 Ein gelehrter Mann machet mir den Einwurf: es wäre besser Mas, gros, Stos, Fus, zu schreiben: 1) weil die Selbstlauter lang sind;2) weil viele auch im Sprechen nur einen Mitlauter hören lassen;3) weil andere Sprachen, und die abgeleiteten Wörter nur ein s hören lassen: z.E. πους, mäsigen; 4) weil viele auch nur ein s schreiben; 5) weil das Mas, von ich mas, wie die That, von ich that, herkömmt, dergleichen Zeitworte aber nur einen einfachen Buchstab fordern; als: ich bat, ich as, ich mas. Allein, ich antworte: 1) wenn alle Selbstlauter lang wären, so würden wir das, was, des, bis, von, um, u.d.m. ganz anders aussprechen müssen, als wir thun. 2) Die Aussprache weniger Leute machet keinen Grund wider eine dagegen streitende allgemeine Gewohnheit. 3) Das Wort πους verliert in allen Abänderungen sein s am Ende; folglich kann man nicht sehen, ob es von den Griechen einfach, oder doppelt ausgesprochen worden. Mäsigen aber, saget unsers Erachtens niemand, der gut spricht, sondern mäßigen. Masern, klingt ganz anders, als gedachter maßen. 4) Die böse Schreiberey einiger wenigen machet auch keinen tüchtigen Grund wider die herrschende Gewohnheit. Doch weis ich noch keinen, der mit demblosen Fuse stosen, geschrieben hätte. Am wenigsten wird jemand setzen, sie masen ihm derbeStöse zu. Losen klingt immer anders, als stoßen; böse, anders als Stöße.5) Die Regel von den unrichtigen Zeitwörtern ist nicht allgemein. Von stehen kömmt z.E. ich stund, von finden, ich fand; von brechen, ich brach; von leiden, schneiden, ich litt, und schnitt; von essen, messen, ich aß, ich maß; von sitzen ich saß, gesessen. Und wer wird wohl sagen, ich as, du asest, sie asen? dieß geschieht zwar bey ich las, du lasest, sie lasen: allein, da hat auch das lesen, schon ein einfaches s; essen aber ein doppeltes, wie vergessen.

29 Eben der vorerwähnte Gegner will, man sollehatt setzen; weil es aus dem Lateinischen HABET käme. Allein, die Ostgothen die vom schwarzen Meere im 4ten Jahrhunderte längst der Donau heraufkamen, und denen Vulfila das Evangelium übersetzete, hatten das Wort habet, habaith, habandan, u.d.m. bereits in Ländern, wo die Römer niemals gewesen waren: folglich ist es nicht gewiß, daß es aus dem Lateine komme. Hernach ist es auch nicht sicher, daß aus habt, hatt werden müsse, wenn es verkürzet wird. Wir hören ja alle Tage, daß der Pöbel, aus gebet, oder gebt, schlechtweg gät, nicht aber gett, machet. Auch darinne irret sich der Herr Gegner, wenn er glaubet: die fast vergangene Zeit, würde aus der dritten Person der gegenwärtigen in der einzelnen Zahl gemachet. Aus liebe, wird liebete, aus lebe, lebete; und so müßte auch aus ich habe, ich habete werden, wenn sich das Wort, richtig abwandelte. Allein da das nicht ist, so sieht man wohl, daß es auch wie liebet, lebet, in der dritten Person nur ein t haben darf. Denn niemand schreibt liebett, lebett.

30 Ich weis wohl, daß einige das hat so lang aussprechen, als ob es haat hieße; aber zum Unglücke sprechen eben dieselben das mit so kurz und scharf, alsmitt, ja wohl gar mitte aus. Ihr Provinzialton ist also keine Regel, die andern Zeitwörter, als erschnitt, er glitt, er ritt, auch mit einem einfachen t zu schreiben. Die Schlesier sprechen auchBlutt, Gutt, Mutt, und in der Verlängerung, des Bluttes, Guttes, Muttes, wie in der mehrern ZahlGütter, Gemütter; ob sie gleich nicht allezeit so schreiben. Doch keine andere Landschaft thut es ihnen nach; und also giebt ihr besonderer Gebrauch keine allgemeine Regel.

31 Das T pflegt zuweilen mit dem d, zuweilen mit dem h beysammen zu stehen: und zwar in folgenden Wörtern. Mit dem d in Stadt, todt; das erste, um es von statt zu unterscheiden: das andere, weil es von Tod herkömmt. Aber Brod, Schwert, gescheid, u.d.gl. brauchen kein dt, sondern nur eins von beyden; wie künftig erhellen wird. Mit dem h aber wird es theils im Anfange der Syllben, theils am Ende zusammen gesetzet, als in That, Rath;theilen, rieth; Thon, (ARGILLA) roth,thun, Fluth. Die Ursachen davon werden weiter unten vorkommen.

32 Mich dünket, nach den Selbstlautem wäre es am natürlichsten die LABIALES, hernach die DENTALES, so dann die LINGUALES, und endlich die GUTTURALES, so zu stellen, daß die härtesten zuletzt kämen. Dergestalt würde das Alphabeth so zu stehen kommen: A, e, i, o, u, y, w, m, b, v, f, s, ß, ss, seh, x, z, tz, n, l, d, th, t, r, j, g, ch, k, ck. Wollte aber jemand die Selbstlauter zwischen die verschiedenen Classen einschalten; die doppelten Buchstaben wegthun, und die zischenden Buchstaben zuletzt lassen; so daß das Zett u und y am Ende bliebe: so würden sie so lauten; A, m, w, b, v, f, e, n, d, th, t, r, i, j, g, h, ch, k, o, f, s, ss, ß, x, z, u, y. Doch, wie man leicht denken wird, so will ich diese Ordnung niemanden aufbürden: indem es völlig einerley ist, in welcher Ordnung man sie lernet und lehret. S. den Herm.Hugo, DE PRIM. SCRIB. ORIGINE, C. V, P. M. 39 SEQ.

33 Mehrere sehe man in Hrn. Prof. Reichards Geschichte der deutschen Sprachkunst nach. Allein, ein neueres Beyspiel einer orthographischen, oder vielmehr kakographischen Seltsamkeit, ist vor kurzem hier in Leipzig, in der Uebersetzung von des Thucidides Reden zum Vorscheine gekommen. Der Verfasser davon hat uns vermuthlich darinnen zeigen wollen, daß auch unser Jahrhundert noch fruchtbar genug sey, einen Zesen, Bellin, oder Butschky hervorzubringen. Ich würde gern eine Probe von dieser sonderbaren Schreiberey hier anführen; da sie gewiß sonst sehr unbekannt bleiben dörfte: wenn es nicht besser wäre, der Nachwelt solche Misgeburten zu entziehen, als auch nur das Andenken davon zu erhalten, was unsern Zeiten zu einigem Vorwurfe gereichen kann.

Das II Hauptstück
Das II Hauptstück.
Von den allgemeinen orthographischen Regeln in Syllben und Wörtern überhaupt.

1 §.


Aus solchen Selbstlautern und Mitlautern, einfachen und doppelten Buchstaben, lassen sich nun alle Wörter der deutschen Sprache zusammensetzen. So viel man ihrer, mit einem einzigen Aufthun des Mundes, zugleich aussprechen kann, so daß sie nur einen Laut geben, die nennet man eine Syllbe: z.E. Hand,Buch, Mund, sind drey einzelne Syllben, ob sie gleich auch so viel ganze Wörter ausmachen: inspre-chen, schrei-ben, le-sen, aber, sind immer zwo Syllben bey einander; weil man den Mund zweymal, auf verschiedene Art aufthun muß, diese Wörter auszusprechen. So sind in ver-nünf-tig,un-ver-stän-dig, Un-voll-kom-men-heit, drey, vier, fünf, oder mehr Syllben zu bemerken.

2 §. Die Zusammensetzung einzelner Buchstaben kann eine solche Menge von Tönen zuwege bringen, daß man darüber erstaunet; wenn man die Regeln der Verbindungskunst ein wenig zu Rathe zieht 1. Laurenberg hat behauptet, die deutschen 24 Buchstaben ließen sich 620, 148", 397, 827', 051, 993 mal verwandeln oder versetzen. Aber Leibnitz hat gewiesen, daß sowohl derselbe, als Clavius, Puteanus, und Henr. von Etten, die noch andere Zahlen davon angegeben, gar zu kleine Rechnungen gemachet; indem die wahre Zahl aller möglichen Versetzungen des Alphabeths sich auf 620, 448˙˙˙, 401, 733¨, 239, 439˙, 360, 000 beläuft. Doch ein anderes sind Versetzungen, ein anders sind [100] Syllben und Wörter, die sich aussprechen lassen. Wenn man indessen auch nur alle einfache Zusammensetzungen zweener, dreyer, oder von vier, fünf Buchstaben, die sich in einer Syllbe aussprechen lassen, versuchen und überschlagen will: so wird eine unglaubliche Menge herauskommen.

3 §. Die einfachesten Syllben stellet das a, b, ab den Kindern vor; worinn die Mitlauter den Selbstlautern, theils vor, theils ihnen nachgesetzet werden. In andern Lesebüchern findet man drey, vier und mehr Buchstaben in eine Syllbe gebracht, die schon ungleich mehr Veränderungen geben. So groß aber die Menge auch wird: so ist sie doch gegen die Anzahl der Wörter, die aus zwo, drey, vier, oder mehr Syllben zusammengesetzet werden können; und wirklich in so unzähligen Sprachen auf dem Erdboden zusammengesetzet worden, für nichts zu rechnen. So ist in dem Anhange des poetischen Trichters erwiesen, daß zwo Syllben nur zweymal, drey Syllben sechsmal, vier Syllben aber vier und zwanzigmal versetzet werden können. Selbst die deutsche Sprache ist darinn so überflüßig reich, daß die Anzahl ihrer Wörter schwerlich in Rechnung zu bringen ist 2.

[101] 4 §. Aus der Natur der Syllben also, die aus Buchstaben zusammengesetzet werden müssen, fließt die erste orthographische Regel; die schon Quintilian (L. 1. c. 7.) gegeben hat:


Erste Regel.


Man schreibe jede Syllbe mit solchen Buchstaben, die man in der guten Aussprache deutlich höret.


Denn die Schrift ist ja in ihrem Ursprünge, dazu erfunden worden, die Töne des Mundes abzubilden und sichtbar zu machen. So wenig es also einem Sänger erlaubet ist, seine [102] Melodie mit andern Noten zu schreiben, als die er im Singen will hören lassen: so wenig darf ein Redner sich im Schreiben anderer Buchstaben bedienen, als zu den ausgesprochenen Tönen gehören; und woraus andere, die seine Schrift lesen werden, sehen können, wie er gesprochen hat 3.

5 §. So richtig diese Regel überhaupt ist, so leidet sie doch ihre großen Abfälle; wenn eine Sprache viele Mundarten hat, die nicht in gleicher Hochachtung stehen. Bey den Griechen schrieb zwar jedes Volk seinen Dialekt, wie es ihn zu sprechen pflegte; doch behielt der attische vor den übrigen den Vorzug; theils weil Athen die übrigen an Pracht, Artigkeit der Sitten, ja selbst am Ruhme großer Thaten übertraf; theils weil es [103] sowohl an Dichtern und Rednern, als an Weltweisen, die meisten Schriftsteller hervorbrachte, und also auch die Sprache am meisten ausarbeitete. Eben so ist es in neuern Zeiten in Wälschland gegangen. Des Dantes, Petrarcha und Boccaz toscanische Mundart ist, ohne daß Florenz jemals die Herrschaft über ganz Italien behauptet hat, zu einer Regel der übrigen Provinzen geworden; als welche ihre Wörter, nicht nach ihrer eigenen Aussprache, sondern nach der toscanischen Mundart zu reden und zu schreiben suchen 4.

[104] 6 §. Diesem zufolge nun, haben sich auch die sämmtlichen deutschen Landschaften, ungeachtet ihrer verschiedenen Mundarten, beynahe schon stillschweigend verglichen, ihre Wörter nicht nach ihrer besondern Aussprache, sondern nach der Aussprache derjenigen Provinz zu schreiben, die sich den Ruhm der besten Mundart erworben hat. Hiezu kömmt nun noch, daß diejenige Landschaft den größten Anspruch auf dieses Vorrecht gehabt hat, welche die größte Anzahl guter Schriftsteller hervorgebracht; und sich die meiste Mühe gegeben hat, ihre Sprache richtig, schön und angenehm zu machen. Man kann leicht sehen, daß dieses diejenige Provinz seyn wird, wo die meisten hohen und niedrigen Schulen beysammenliegen, und wo folglich die meisten Bücher gedrucket, verkaufet und gelesen werden 5.

[105] 7 §. Durch dergleichen Gründe erlanget nun die sogenannte obersächsische Mundart einiges Ansehen in Entscheidung der zweifelhaften Rechtschreibung 6: allein, auch dieses ist nicht ganz ohne Ausnahme. Der Pöbel ist in allen Landschaften zu gewissen Unrichtigkeiten und Verfälschungen der Wörter geneigt, die oft von einer Stadt zur andern, ja von einem Dorfe zum andern, schon sehr abweichen. Z.E. Leipzig, Halle und Merseburg liegen sehr nahe bey einander, und sprechen alle drey gut obersächsisch. Gleichwohl höret man von einigen hier, an statt Gott, Gabe, gut;Jott, Jabe und jut sprechen. Wem soll man nun hier in der Rechtschreibung folgen? Ohne Zweifel dem besten Theile. Denn an keinem von diesen Orten sprechen alle vornehme oder gelehrte Leute so; sondern nur wenige, die sich durch die Unbeständigkeit des Pöbels haben dahin reißen lassen.

[106] 8 §. Man muß sich aber auch durch die Aussprache nicht verleiten lassen, solche Seltsamkeiten zu begehen, als die Zesianer im vorigen Jahrhunderte auf die Bahne brachten. Diese meyneten, ein jedes e, welches mit vollem Munde ausgesprochen wird, als inSegen, Wellen, Helden, u.d.gl. müßte in ein ä; jedes kurze i in ü, jedes ph in f, u.s.w. verwandelt werden: und also schrieben sie Plütz, Damf,Schwäfel, Ragen, fünster, Hälden,Fälsen, Sägel, Wällen, Füchten u.d.m.Man sehe den Frygier Äneas, wi er nach Smärz-entfündlichen Abläben seiner ädlen Kreusen, entslagung der trübsäligen Dido mit der huldreichen Lavinie besäliget, izzo bey der libsäligsten Deutschine in beruheter annämlichkeit befridet worden. Diese Uebersetzung der virgil. Aeneis ist zu Stargard in 12 ohne Meldung des Jahres herausgekommen. Eine solche wunderliche Grillenfängerey kann niemanden in den Sinn kommen, als der es nicht weis, daß alle Vocalen kurz, oder lang; mit einem scharfen, oder gezogenen Tone können ausgesprochen werden 7.

[107] 9 §. Es giebt aber noch ein ander Mittel, diesen Abweichungen vorzubeugen. Es ist natürlich und billig, alle mit einander verwandte, oder von einander abstammende Wörter, mit einerley Buchstaben zu schreiben: damit man ihre Verwandtschaft nicht aus den Augen verliere; sondern ihre Aehnlichkeit gleich wahrnehmen könne. Es sey also


[108] die II Regel.


Alle Stammbuchstaben, die den Wurzelwörtern eigen sind, müssen in allen abstammenden, soviel möglich ist, beybehalten werden.


Z.E. von gib, als dem Wurzelworte, kommen, ich gebe, ich gab, gegeben, die Gabe; folglich müssen alle diese das g und das b, NB. als Stammbuchstaben, beybehalten. Man darf also eben so wenig Jabe, alsKabe, jib, als kib, oder kip schreiben 8: obgleich einige schlechte Mundarten so sprechen möchten. Vielmehr sollen diese, ihre böse Ausspräche nach der Schrift einzurichten, suchen.

10 §. Diese Regel erstrecket sich nicht nur auf die Mitlauter, sondern auch auf die Selbstlauter. Der Ursprung eines Wortes würde sich oft in den Abgeleiteten gar zu sehr verlieren, wenn man die Selbstlauter allezeit, und ohne Noth ändern wollte. So schrieben z.E. die Alten von Vater, Veter, von Haus, Heuser, von Mann, Menner, von war, were, vonthat, thete, von Vogel, Vegel, von Burg, Birger, u.s.w. In neuern Zeiten aber hat man diese Unreinigkeit mit gutem Grunde abgeschaffet, und das a, o, u, nicht ganz verworfen, sondern in ä, ö, ü, verwan-delt. Man schreibt also dieser Regel zufolge, von alt, die Ältern, von Arm, die Ärmel. Und aus eben dem Grunde sollte man bässer von baß,Knäbelbart von Knabe 9, häucheln von hauchen, schmäucheln von schmauchen, u.s.w. mit einem ä schreiben 10

[109] [111]11 §. Aus dieser Regel folget nun eine andere, nämlich


Die III Regel.


Man muß die Doppellaute nicht setzen, wenn das Stammwort keinen damit verwandten Selbstlaut gehabt hat.


So schreiben einige sehr falsch Gebürg; da doch dieß Wort nicht von Burg, sondern von Berg kömmt, und also Gebirg heißen soll. Andere schreiben würken, da es doch von Werk kömmt, davon nur wirken kommen kann. Viele sagenvergülden, da doch das Stammwort nicht Guld, sondern Gold heißt, davon also jenes vergolden heißen soll. Ein anderes ist ein Goldgülden, der von Gulden, einer silbernen Münze, kömmt. So sagen auch andere übel, ein wüllener Zeug, weil vonWolle nur wollen kommen kann. Eben so wenig kann man sagen das kölmische Recht; oder derKolmer Berg: denn beydes kömmt von Culm, aus dem lat. CULMEN ein Hügel oder Berg; wie alle Örter, die diesen Namen führen, zeigen. Köln aber ist recht, von COLONIA, Köthen, von den Kothen, wo man das Salz siedet 11

[111] 12 §. Doch muß man dieses nicht so weit ausdehnen, als ob alle mit einander verwandte Wörter auch einerley Selbstlauter haben müßten. Hierinn fehleten die Zesianer vormals, wenn sie z.E. Mänsch,ädel, sälig, Anmärkungen, sätzen u.d.gl. schreiben wollten: weil sie meyneten, diese Wörter kämen von Mann, Adel, sal und Mark her. Allein, dieses war eben noch nicht so ausgemachet. Denn das Wort edel, als ein Beywort, ist unstreitig viel älter, als das Nennwort, welches den abgesonderten Begriff des Adels anzeiget. Jenes steht schon in Ottfrieden 12; dieses aber ist viele hundert Jahre neuer. Die andern sind eben so zweifelhaft, wofern die Syllbe sal, den Begriff des seligen nicht in sich hält; wenn es nicht von SALUS kömmt: wie es in Labsal, Irrsal, Trübsal, u.d.gl. mehr gesetzet wird, wo selbiger gar nicht Statt hat 13. Bey dem märken und sätzen ist es auch viel gegründeter, daß dieMark, von merken 14, Satz von setzen herkomme, als umgekehret.

[112] [114]13 §. Wo diese beyden Regeln nicht zulangen, da kömmt uns die Gewohnheit zu statten, und giebt uns


die IV Regel:


Man schreibe außer dem so, wie es der allgemeine Gebrauch eines Volkes seit undenklichen Zeiten eingeführet hat.


Z.E. Es ist seit dreyhundert und mehr Jahren gewöhnlich, kein schlecht i am Ende eines Wortes zu setzen; sondern ihm entweder ein e zur Verlängerung beyzufügen, oder ein doppelt ij, d.i. ein y an dessen Stelle zu setzen. Daher schreibt man die, wie,hie, Melodie; imgleichen bey, sey, frey, Geschrey u.d.gl. Da kamen nun die Zesianer, und wollten nach dem bloßen Gehöre, theils das e, theils das y wegschaffen, und schrieben hi, wi, bei, sei, frei, u.d.gl. Hierinnen ist ihnen aber der Gebrauch der guten Schriftsteller allezeit zuwider geblieben 15

[114] 14 §. Eine andere Regel der Rechtschreibung entspringt, aus dem Unterschiede der Wörter in ihren Bedeutungen. Denn da einer Sprache nichts nachtheiliger ist, als die Zweydeutigkeit der Wörter: so ist auch nichts billiger, als daß man Wörter von zweyerley Sinne, doch ähnlichem Klange, wenigstens in der Schrift, so viel als möglich ist, unterscheide. Dergestalt fallen sie im Lesen, sowohl Einheimischen als Ausländern, ganz anders in die Augen, und warnen vor dem Misverstande, der bey einerley Buchstaben leicht möglich wäre. Es sey also


[115] die V Regel.


Wörter verschiedener Bedeutung, und die nicht von einander abstammen, unterscheide man, so viel möglich ist, durch die Buchstaben.


Z.E. Hey, EJA! Häu, FŒNUM, und heurathen 16; einmal, Abendmahl, Grabmaal 17; Ton, TONUS,Thon, ARGILLA; Thau, ROS, Tau, ein Schiffseil; meine, MEA, ich meyne, ARBITROR; wähnen, PUTARE; gewöhnen, ASSUEFACERE; die Haide, ein Wald; Heide, unbebautes Land; und einHeyd, PAGANUS; wiederum, ITERUM, undwider, CONTRA; die Weyde, PASCUA, und die Weyde, ein Baum; leiden, PATI, und Leyden, LUGDUNUM, die Stadt; die Waare, MERX, und wahr VERUM: weiß, ALBUS, ich weis, SCIO, etc. 18

[116] 15 §. Dieses führet uns unvermerkt auf


die VI Regel:


Was in dem einen ähnlichen Falle so geschrieben wird, das soll man auch im andern so schreiben.


Den Grund dieser Regel nennet man die Analogie, oder die Sprachähnlichkeit: und diese ist eine fruchtbare Mutter der meisten grammatischen Regeln. Ein Exempel giebt hier das Wort Geduld ab, welches viele Gedult, und so ferner gedultig, gedulten, u.d.gl. schreiben. Daß aber dieses unrecht sey, zeiget die Ähnlichkeit mit den übrigen Wörtern dieser Art, Huld, Schuld; die an sich und in allen ihren Abkömmlingen ein d haben, denen also jenes folgen muß. Das Wort Pult hat zwar ein t, ist aber auch ein ursprünglich [117] fremdes Wort, das hier keine Regel machen kann 19.

16 §. Wann Wörter aus einer alten oder neuen, aber fremden Sprache ins Deutsche gebracht werden: so fraget es sich, wie man sie schreiben solle? Entweder unsere Sprache hat dieselben Buchstaben und Töne der Fremden; oder sie hat gleichgültige; oder sie hat selbige gar nicht. Ist das erste, so behält man sie; wie das K der Hebräer und Griechen, in Kain, Kaleb, Kreon, Kleopatra, Kleomenes; oder das C der Lateiner in Cato, Cäsar, Cicero, Cotta, Lucullus. Hat man aber gleichgültige, oder doch nur ähnliche, so muß man sich derselben bedienen. Z.E. wer türkische, pohlnische, wälsche oder französische und engländische Wörter im Deutschen schreiben muß, der thut wohl, daß er sie so genau nach der Aussprache dieser Völker ausdrücket, als ihm möglich ist. Es heißt also


[118] die VII Regel:


Fremde Namen und Wörter schreibe man am liebsten mit denselben, oder ganz gleichgültigen, oder doch ähnlichen Buchstaben; damit ihr Klang so viel möglich ist, beybehalten bleibt 20


Die VIII Regel:


17 §. Wann zwo oder mehrere von diesen allgemeinen Regeln mit einander streiten; so muß die eine nachgeben 21.


[119] Daß es solche Fälle gebe, ist leicht zu zeigen. Z.E.hoch, würde nach dem Stammworte fordern, höcher, die Höche zu schreiben; wie wir vonflach, flächer, und die Fläche schreiben. Allein, die erste Regel von der Aussprache gilt hier mehr; und wir müssen das ch in ein bloßes n verwandeln, höher, Höhe. Hergegen von geschehen, sprechen und schreiben einige, es geschicht; aber übel. Denn da von sehen, nicht ersicht, sondern er sieht, gebildet wird: so darf auch dort nur es geschieht, gesprochen und geschrieben werden; und zwar destomehr, da von beyden ähnliche Nennwörter, mit einem ch abstammen, die Geschichte, und das Gesicht 22

Fußnoten

1 S. GOD. GUIL. LEIBNITII ART. COMBINATORIAM. FRANCOF. 1690, 4. PROBLEM. IV, P. 62 SEQ. ITEM PROBLEM. VI.

2 Wer von dem Reichthume unserer Sprache urtheilen will, der muß sie nicht etwa nach dem engen Umfange, oder der kleinen Anzahl derer Wörter, die er in seinem Gedächtnisse hat, beurtheilen. Es würde wunderlich seyn, ihr so eingeschränkte Gränzen zu setzen. Denn welcher Mensch kann sich wohl rühmen, seine Sprache ganz im Kopfe zu haben? Wer weis, und versteht wohl zugleich, alle Wörter der Künste und Handwerke, aller Lebensarten und bürgerlichen Handthierungen, und aller Arten von Gelehrten? Selbst eine ganze Stadt, und wenn sie so groß, volkreich und gelehrt wäre, als Paris, hat in dem Munde ihrer Bürger und Einwohner nicht die ganze Sprache. Denn wo bleibt noch die Sprache der Landwirthschaft, des Bergbaues, der Weingärtner, der Seeleute, der Papier-Wind-Stampf- und Schneidemühlen, des Forst- und Jagdwesens, und so vieler andern Manufacturen, die niemals an einem einzigen Orte beysammen sind? Ich muß endlich noch hinzu setzen, daß auch eine ganze Landschaft, wie in Frankreich Isle DE FRANCE, und in Deutschland Obersachsen ist, nicht alle Wörter der französischen und deutschen Sprache in sich hält. Denn wo bleibt die See- und Schiffersprache, die gewiß in mittelländischen Provinzen nicht im Schwange geht; sondern an den Seeküsten in großen Handelsstädten zu suchen ist.

Man muß also von der Armuth der deutschen Sprache, nach dem kleinen Vorrathe seines Gedächtnisses, keine verwägene Urtheile fällen. Dieses thun viele, die mehr ausländische, als deutsche Bücher gelesen haben, wenn sie manchmal kein einheimisches Wort finden können, dieses, oder jenes auszudrücken. Man muß nämlich auch Wörterbücher von allen Arten, ja hunderterley andere Bücher zu Rathe ziehen. In diesen nun, liegen seit dreyhundert und mehr Jahren, die völligen Schätze unserer Sprache verborgen. Denn ich schließe von unsern Reichthümern auch die alten Wörter nicht aus; ob sie gleich zuweilen von ausländischen, auch wohl ohne Noth neugeprägten einheimischen, verdrungen worden. Ich gestehe es gern, daß sie nicht alle brauchbar sind; weil man viele nicht mehr verstehen würde. Aber viele, ja die meisten, sind ohne ihre Schuld aus der Uebung gekommen, und verdieneten es gar wohl, wieder in Schwang gebracht zu werden. Solche alte Bücher nun, die seit Erfindung der Buchdruckerkunst, im Drucke erschienen, sollte man nicht so unbedachtsam verwerfen, sondern den Reichthümern unserer Muttersprache darinnen nachspüren: wo nicht anders, doch so, wie Virgil aus dem STERQUILINIO ENNII, das Gold seines unvergleichlichen Heldengedichtes hervorgesuchet hat.

3 Wider diese erste Regel hat mir ein gelehrter Mann eingewandt: Quintilian hätte dieses wohl gebiethen können, da das herrschende Rom, ohne dieß allen Völkern seines Reiches Gesetze gab. Allein wer wollte solches in Deutschland sich anmaßen? Ich antworte: aufs Gesetzgeben und Herrschen kömmt es in Sprachen eben nicht an. Beherrschte denn Athen ganz Griechenland? Beherrschet etwa Toscana ganz Italien, und Orleans Frankreich? Die vorzügliche Art der Aussprache, die dem Ursprunge der Wörter, der Sprachähnlichkeit, und dem Wohlklange am gemäßesten ist, entscheidet mehr, als die Macht zu befehlen. Hernach trägt die Menge gelehrter und beredter Schriftsteller, die Menge und der Werth der von ihnen geschriebenen Bücher, die Anzahl der hohen und niedrigen Schulen, und endlich die wohlgesittete, ungezwungene Lebensart, und der angenehme Umgang eines Landes, gemeiniglich zur Ausputzung und Anmuth seiner Mundart das meiste bey; zumal, wenn sie noch durch fleißige Sprachlehrer und Kunstrichter geläutert wird; wie solches in Florenz, durch die ACADEMIA DELLA CRUSCA, und zu Paris, durch die französische Akademie geschehen ist. Daher ist es gekommen, daß Neapolis und Sicilien, Venedig, und Piemont, ob sie gleich Mundarten reden, die vom Toscanischen so weit, als das Pommerische und Westphälische, Schweizerische und Steyermärkische vom Obersächsischen unterschieden sind, sich dennoch befleißen, toscanisch zu reden und zu schreiben; und daß die Gasconier und Picarder, so wohl als Langedocker und Provenzalen, die parisische Sprache so gut, als sie können, zu erreichen suchen.

4 Niemand hat die Rechtschreibung mehr nach den verschiedenen Mundarten zu bestimmen gesuchet, alsSebastian Helber, Keiserischer Notarien zu Freiberg im Breißgew, der zu Freiburg in Vochtland, ANNO CIO Io VII C. in 8 sein Teutsches Syllabierbüchlein, nemlich gedruckter hochteutscher sprach lesenskunst herausgegeben hat. Dieser saget auf der 31 S. ausdrücklich: »Viererley teutsche Sprachen weiß ich, in denen man Teutsche Buecher druckt, die Cölnische und Gülichische, die Sächsische, die Flämmisch oder Brabantische, vnd die Ober- oder Hochteutsche. Diese Hochdeutsche nun theilet er wiederum in drey Mundarten ab. Vnsere gemeine Hoch-Teutsche wirdt auf drei weisen gedruckt: eine möchten wir nennen die Mitter-Teutsche. die andere die Donawische, die dritteHöchst-Rei-nische; dan das Oberland nicht mehr breuchig ist. Die Drucker, so der Mittern Teutschen aussprach, als vil die Diphthongen ai, ei, au, etc. belangt halten, verstee ich die von Meinz, Speier, Frankfurt, Würzburg, Heidelberg, Nörnberg, Straßburg, Leipsig, Erdfurt vnd andere, denen auch die von Cölen volgen, wan sie das Ober-Teutsch verfertigen. Donawische verstee ich alle in den Alt Baierischen und Schwebischen Landen, den Rhein vnberürt. (Alt Baierische seind die, so vorzeiten all vnder ein Fürsten waren, nämlich jeziges Herzogthumb Beieren, Ost- oder Oesterreich, nid vnd ob der Enns, Kärnten, Steier, Tirol, Krain, Saltzburgerland, samt der Ambergischen oder Obernpfaltz, mit ihren Anstößen). Höchst Reinische letzlich, die so vor jezigen Jahren gehalten haben im Drucken, die Sprach der Eidgenossen, oder Schweitzer, der Walliser, vnd etlicher Beigesessener im Stifft Costanz, Chur und Basel.«

Was nun nach allen diesen Mundarten des Hochdeutschen für verschiedene Schreibarten damals im Schwange gewesen, das ist lustig zu lesen, auch in alten Büchern noch hin und wieder zu sehen. Gottlob! daß dieser Zwiespalt sich allmählich gehoben hat. Sowohl die donauischen Landschaften, als selbst die oberrheinischen, befleißigen sich itzo um die Wette, der obbenannten Mitteldeutschen in der Rechtschreibung immer näher zu treten. Dieß ist jederzeit in allen großen Ländern geschehen.

5 Man könnte hier mit gutem Scheine den Einwurf machen, daß vor 250 Jahren die meisten deutschen Bücher am Rheine und in Schwaben gedrucket wurden; und daß also dieses die beste Mundart seyn müßte. Allein, die Zeiten haben sich geändert; und der Sitz der deutschen Gelehrsamkeit ist, seit der Glaubensreinigung, durch Frankenland nach Obersachsen gewandert. Sonderlich ist er durch die neugestifteten hohen Schulen zu Wittenberg, Jena und Halle, gleichsam in Meißen befestiget worden. Nicht wenig hat auch der aus Frankfurt am Mayn, größtentheils nach Leipzig gezogene Bücherhandel dazu beygetragen. Weil auch durch die fruchtbringende Gesellschaft, in diesen Gegenden, die meisten und besten deutschen Bücher geschrieben und gedrucket worden: so hat die hiesige Mundart unvermerkt in ganz Deutschland die Oberhand bekommen. Wäre dieses nicht: was würden wir für eine Sprache bekommen? Der eine würdeKoaser, Boan, und oans, für Kaiser, Bein, und eins; der andere Swester, slagen, swimmen schreiben; der dritte a Mon, für ein Mann; Fasching für Fastnacht setzen; und der vierte aus Menschen Mensgen, und aus Röschen ein Röfchen machen wollen; unzähliger anderer Seltsamkeiten zu geschweigen.

6 Was ich hier von der obersächsischen Aussprache sage, will ich keineswegs auf das einzige Meißen gedeutet haben: wie ein gelehrter Mann zu Göttingen unlängst dafür gehalten hat, der dieser Landschaft die Gränzen zwischen der Elbe und Saale angewiesen; ohne doch zu bestimmen, wie hoch hinauf diese beyden Ströme genommen werden sollten. Wir können sicher auch das ganze Voigtland, Thüringen, Mansfeld und Anhalt, nebst der Lausitz und Niederschlesien dazu rechnen. In allen diesen Landschaften wird in Städten, unter vornehmen, gelehrten und wohlgesitteten Leuten ein recht gutes Hochdeutsch gesprochen: welches man a potiori, nach dem Sitze des vornehmsten Hofes, das Obersächsische zu nennen pflegt. Was oberhalb des Gebirges liegt, ist theils böhmisch, theils fränkisch; und was tiefer nach der See unter Mansfeld, dem Anhältischen, dem Churkreise, der Lausitz und Schlesien liegt, das spricht schon niedersächsisch, und hat auch, selbst im Hochdeutschen, einen fremden Ton, der hochdeutschen Ohren sehr ausländisch klingt. Es thut auch nichts zur ganzen Sache, wenn mein obiger Gelehrter erinnert: daß man in Obersachsen in der Aussprache gewisser Wörter, ja selbst in der Rechtschreibung des Deutschen nicht vollkommen eins sey. Denn ist man es hier nicht: so wird man es gewiß in andern Provinzen noch weniger seyn. Nach wem wird man sich also richten sollen? Aber es bedarf dieser Frage gar nicht. Ganz Deutschland ist schon längst stillschweigend darüber eins geworden. Ganz Ober- und Niederdeutschland hat bereits den Ausspruch gethan: daß das mittelländische, oder obersächsische Deutsch, die beste hochdeutsche Mundart sey: indem es dasselbe überall, von Bern in der Schweiz, bis nach Reval in Liefland, und von Schleswig bis nach Trident in Tyrol, ja von Brüssel bis Ungarn und Siebenbürgen, auch im Schreiben nachzuahmen und zu erreichen suchet. S. das Neueste aus der anmuth. GEL. I B. a.d. 582 u.f.S.

7 Nichts, als die Begierde nach Neuerungen, ist die wahre Quelle solcher orthographischen Seltsamkeiten: wie schon DES MARAIS, in seiner französischen Sprachlehre, von seinen Franzosen gewiesen hat. Aber eben soviel Sonderlinge, als es dort in der Rechtschreibung gegeben, haben sich auch bey uns gefunden. Dem einen misfallen alle doppelte, dem andern alle fremde Buchstaben; dem dritten alle h und y; dem vierten alle ph; dem fünften alle große Buchstaben in den Nennwörtern; der sechste will sie auch bey den Beywörtern behalten, wenn sie von Nennwörtern herkommen; u.d.m. Daher kommen denn die wunderlichen Erscheinungen, die sich in einigen alten und neuen Büchern blicken lassen. Z.E. der Pfar, Nar, Man, Sin, Got, Her, Fal, Bal, das Mas, Lam, Fas, Kam, Stam, Fus, Zin, Kin; die Tone, None, Pfare, Kine, Zine, folglich auch dieNaren, Mäner, Sinen, Göter, Heren, Fäle, Bäle, Mase, Lämer, Fäser, Käme, Stäme, u.d.g. Leckerbissen mehr. Noch schreibt ein anderer: Frygien, Filipp, Filosofie, Filologie, Eufrat, Euforbus, Egipten, Libien, dabei, frei, drei, Kollege, Konrector, Kruzificks, Kristus, Kristoff, Kristian. Der dritte sparet dem Pöbel die Mühe, große Anfangsbuchstaben machen zu lernen, und zu wissen, was Nennwörter sind; und schreibt: adler, elster, iltis, ochs, urenkel, bart, dachs, fuchs, gans, hund, katze, luchs, mensch, u.s. f. ja fürst, könig, kaiser, engel, und gott. Der vierte setzet der Al, die Tat, Malzeit, Stal, Zal, raten, Feler, Mel, stelen, nemen, geboren, das Or, das Ror, der Mor, die Ur, Müle, wülen, teilen, tum, u.d.m. Der fünfte endlich will überall ein h brauchen; als inSpuhr, Fluhr, Natuhr, Flohr, der Thohr, Althar, gahr, Bahrt, Ahrt, kahm, schwehr, hehr, etc. Einige Alten schrieben, kleglich, schweher, hemmer, menner, engstigen, Gewesser, neher, fehig, Henslein, Heuser, schwebisch, frenkisch u.d.gl. Einige Neuere aber schreiben lieber gar schwär, lär, härb, Gäms, wäen, sätzen, hägen, färtig, stäts, märken. Einige wollen keinen Doppellaut mehr einfach schreiben, ungeachtet wir die Zeichen dazu haben: daher schreiben sie, Vaeter, waere, erklaeren, Soehne, Goetter, Toechter, Muetter, ruehren, fuehren, u.d.gl. Und wer will alle die Seltsamkeiten erzählen, die aus bloßer Liebe zur Neuerung, schon auf die Bahne gebracht worden? Was das nun für orthographische Gespenster sind, kann ein jeder von sich selbst sehen; und wie sehr selbige gescheiden Lesern zuwider sind, ist daraus abzunehmen: daß auch neulich eine Art von Zeitungen, bloß wegen einer so wunderlichen Rechtschreibung ganz in Verfall gerathen; aber bald wieder beliebt geworden, als man dieselbe abgeschaffet hat. Das neueste kakographische Ungeheuer sind die verdeutschten Reden des Thukydides.

8 Vielweniger wird man mit dem Pöbel, gän für geben sprechen, oder län für legen, lahn fürlassen schreiben; ob diese gleich etwas gelinder zu klingen scheinen, weil sie weniger Mitlauter haben. Wenn indessen aus schreiben, Schrift, aus geben,Gift, aus bringen, 15 brachte, aus denken, dachte, entstanden ist, u.d.m. so muß man den USUM TYRANNUM auch bisweilen gelten lassen. Hier gilt die Regel aller Sprachen LITTERÆ EJUSDEM ORGANI FACILE PERMUTANTUR.

9 Wegen dieser Ableitung ist mir ein gelehrter Einwurf gemachet worden; indem man Knebelbart vielmehr von Knebeln, Knebel, Knebelspieß, herholen will. Allein, was haben alle diese Dinge für eine Ähnlichkeit mit einem Barte? Man meynet zwar das Drehen eines gekräuselten Bartes damit auszudrücken. Allein, sind denn alle Knäbelbärte gedrehet? Hernach muß man das Wort Knab nicht so wie bey uns nehmen. Auch Leute von 20 bis 30 Jahren hießen bey den Alten noch Knaben; wie die Bibel II Sam. 2 c. 14 v.u.a. lehren kann. In der Schweiz heißt diese Stunde noch ein jeder unverheuratheter Gesell, ein Knab; und wenn er 40 oder 50 Jahre alt wäre. Bergknappen, Mühlknappen, sind solche Knaben auch. Endlich wächst jungen Leuten der Bart zuerst unter der Nase: der am Kinne kömmt später. Um also jung zu scheinen, behielt man vormals den ersten, und beschor nur den letzten. Ein Knebelspieß ist gleichfalls für einen Knabenspieß anzusehen: denn er ist kürzer, als eine Lanze, und leichter, als eine Helmbarte, etwa nur eines Mannes lang. Er sollte also gleichfalls ein Knäbelspieß heißen.

10 Dieses letztere hat auch viele Wunder genommen: allein ohne Grund: 1) weil sonst kein anderer Ursprung dieser Wörter zu finden ist: 2) weil von dem Räuchern und Rauchopfer bringen in Tempeln, die Metaphore des Häuchelns und Schmäuchelns hergenommen ist; 3) weil auch die französische Redensart ENCENSER QUELQU´UN, DONNER DE L'ENCENS, und die lat. FUMUM VENDERE, völlig damit übereinstimmet. Ein großer Meister in unserer Sprache hat mir dagegen den Einwurf gemachet, daßschmeicheln von schmiegen herkäme, und gleichsam schmiegeln heißen sollte. Die Ableitung ist sinnreich: allein, die Überzeugungskraft scheint ihr gleichwohl zu fehlen. Denn die Begriffe von schmäucheln und schmiegen sind gar zu weit unterschieden; da das erste die Lobsprüche, und das andere nur eine Unterwerfung andeutet. Und gesetzt, es wäre so: wo wollte man das Heucheln herleiten? dessen u so deutlich zeuget, daß es von hauchen komme. Ist aber dieses, so erlanget auch jenes seine Wahrscheinlichkeit; zumal, da ich in alten Handschriften auch schmeuchen, und in gedruckten Büchern, Schmaichlung, Schmaichlerey; im plattdeutschen Reineke Fuchs aber, der 1711 zu Wolfenbüttel, nach der ersten Ausgabe von 1497 getreulichst nachgedrucket worden, sehr oft SMEKEN, d.i. smöken, von Smook, finde. Z.E. im VI Cap. des I B. steht.

HE WARD YW smeken, (schmeucheln) UN VORELEGHEN,

JA KAN HE, HE WERT YW WISSE BEDREGHEN.

So wie nun leghen und bedreghen, von Loog undBedroog Lug und Trug kömmt, so kömmt auchsmeken von Smook. Imgl. im 8 Cap.

DA LACH DE BAR GEVANGEN VAST,

MYT HOVET UN VŒTEN IN DER EKEN,

EIN HALP WEDER SCHELDEN NOCH smeken.

11 Indessen will man hiermit nicht alle Verwandlung der Selbstlauter läugnen. Wer weis nicht, das bisweilen in einem Worte drey, vier, ja alle Selbstlauter Statt haben; z.E. ich zie- he, ich zog, der Zug; ichnehme, ich nahm, nimm, genommen; ichbreche, ich brach, brich, gebrochen, der Bruch. So kömmt auch von ich kann, können; nicht kännen; von voll, füllen, nicht völlen; u.d.m. Da sieht man, daß keine Sprache nach lauter allgemeinen Regeln gemachet ist: wie es auch im Griechischen und Lateinischen, nicht aber bloß bey den barbarischen Mönchen, gegangen. Z.E. von CÆDERE ist OCCIDERE gekommen, und jenes hatte ein æ, ob es gleich mit CADERE nicht sehr verwandt ist. Von CANO, kömmt zwar CANTUS; aber auch OCCINERE und PRÆCENTOR, welches besser PRÆCENTOR hätte heißen sollen. Von ÆQUUS, kömmt INIQUUS; von AUDIENS, OBEDIENS; u.d.gl. So haben wir auch von Gunst, gönnen, ohne zu wissen wo das o her ist; zürnen, von Zorn; Birnen, und Beeren von bären, d.i. tragen; davon auch die Baare, Gebärden, Geburt u.a.m. kommen.

12 Ich weis wohl, was man dagegen sagen kann: daß nämlich schon in sehr alten deutschen Namen, das Wort Adel vorkömmt. So zeiget z.E. in Goldasts SCRIPT. ALAM. T. II, P. I, P. M. 95 das Verzeichniß der allemannischen Namen, aus einer St. gallischen Handschrift: Adalbero, Adalbern,Adalbert, Adalbold, Adalfrid, Adalgon, Adalger, Adalgrim. Adalhard,Adalhelm, Adallant, Adalman, Adalric u.d.m. Allein, eben dieses Verzeichniß giebt uns auch die Namen, Edilef, Edilicho, Edilcho, Edilleoz, Edilloz, Edilwar, Edilwic, Edilwig u.d.m. Und wo bleiben noch die Namen Edeltrud, Edelwolf, den man in neuern Zeiten in Eitelwolf, so wie Edelwein, in Eitelwein verkehret hat, u.a.m. Wer will uns nun sagen, welche davon älter sind? oder ob nicht vielmehr die erstern durch eine plumpere Aussprache aus Edel, in Adel verwandelt worden: wie insgemein die Bauren zu thun pflegen; wenn sie für geben, nehmen, gan,nahmen, sagen? Endlich hat neulich ein Gelehrter in dem I B. des Neuesten, auf der 467 S. aus guten Gründen erwiesen: daß natürlicherweise das CON CRETUM älter seyn müsse, als das ABSTRACTUM; folglich edel, viel eher für die Wurzel anzusehen sey, als der Adel.

13 Und kömmt gleich selig viel gewisser von SALUS, darinn unstreitig der Begriff der Säligkeit liegt; wie es auch die Alten geschrieben: so wollte ich doch so scharf nicht darauf dringen: da wir auch aus θυγατηρ Tochter, aus FRATER Bruder, von κυριακη Kirche, nicht Kürche, mit ganz andern Selbstlautern, haben. Eben so kömmt das Heu, vonhauen, weil es abgehauen wird; und sollte also dasHäu heißen. Allein, die Gewohnheit von ganz Deutschland ist uns zuwider; und dieser muß man auch etwas nachgeben.

14 Hier dünket es einen gelehrten Mann, daß dieses wider eine bekannte Regel laufe: vielsyllbige Wörter stammeten von einsyllbigen her, nicht aber umgekehret. Allein, wer sieht nicht, daß die gebiethende Art von setzen, in der zweyten Person der einzeln Zahl auch einsyllbicht ist, setz, merk; zumal wie die Alten sie, ohne das e ausgesprochen? Denn daß hierinn die rechte Wurzel der deutschen Zeitwörter stecke, ist sonst bekannt. Hier war der Ort nicht, diese Frage weitläuftig zu untersuchen. Man lese also oben, anstatt merken, merk, anstatt setzen, setz; so ist der Zweifel gehoben. Die Franzosen müssen ihr MAR QUE, MARQUER, unstreitig von uns Deutschen herholen; und Egenolf hat gar den Gott Mercur von merken hergeleitet: weil dieser Gott in den STATUIS MERCURIALDBUS oder Wege- und Gränzsäulen, nichts anders, als ein Merker gewesen, der den Reisenden zum Merkmaale gedienet. So müßte denn Merkur, ein k haben. Und wirklich ist Mercur als ein Wegegott, weder von griechischer, noch lateinischer Abkunft, und könnte also leicht von den ältesten Einwohnern Wälschlandes, den Oscern, Volskern, oder Wälschen, Wallern, oder Galliern und Celten, die es, als die ABORIGINES, zuerst bewohnet haben, seinen Ursprung nehmen. Ob man aber deswegen auch nätzen von naß, sätzen, von Satz,schmäcken von Schmack, Schälle von Schall, bässer von baß, wäcken von wachen, u.d.m. nothwendig schreiben müsse, das habe ich schon oben durch die Beyspiele der lateinischen Sprache beantwortet. Von POPULUS kömmt Pöbel, von CORPUS Körper, von CUSTOS Küster; ob man aber deswegen auch von FLAGELLUM Flägel schreiben wolle, stelle ich dahin. Haben doch die Lateiner aus μητερ MATER, und aus πους, PES gemachet, ohne daß man sie eines großen Fehlers beschuldiget. Ja wir selbst haben aus MATER, Mutter, und aus FRATER, Bruder, aus MAGISTER, Meister, aus PRESBYTER, Priester, aus CARCER, Kerker gemachet. Keine Sprache ist ohne solche Unrichtigkeiten.

15 Ich weis es wohl, daß auch unter den Sprachlehrern sich einige gefunden, die uns, oder vielmehr nur dem Pöbel, das Schreiben dadurch zu erleichtern gesuchet, daß sie alles, was eine Schwierigkeit machen kann, wegzuschaffen gelehret. Und so haben sie auch das ph aus Filosofie, Filippus, u.d.gl. zu verbannen gesuchet. Zur Probe, wie es aussehe, will ich nur folgende Strophen eines Zesianers hersetzen. Sie sind aus dem Frygier Äneas a.d. 507ten S.

War ein häller Glanz der Ärden,

Danae die Tugendkärz,

In ein überfästes Ärz

Muste si verstäkket werden.

Irer klaren Augen Pracht

Gönte man der Schattennacht.

Jupiter gerit in leiden,

Das der Sonnen gleiche Schein

Sollte so benachtet seyn,

Sprach: ein Turm der sol uns scheiden.

Di so tolle Vaterlist

Eine Brunst so götlich ist.

Hämme Vater deinem Kinde,

Das kein Got, noch sonst ein Man,

Der si dir entnämen kan,

Sich bei irer Schönheit fünde:

Schlüsse si for Rägen ein,

Sonsten wül ich Rägen sein. etc.

Allein, wenn alles das, was Unwissenden eine Schwierigkeit machet, wegbleiben soll: so müssen wir auch das v, b, d, und g abschaffen, welche durch f, p, t und k, oder ch ersetzet werden können: indem der Pöbel bisweilen fater, fon, Pauer, Prunn,Tafit für David, und kanz für ganz zu schreiben pflegt. Allein, das hieße ja nach Erfindung des Getraides wiederum zu den Eicheln umkehren; die Schönheit aller Sprachen völlig zu Grunde richten, und die Wurzeln der Wörter ganz verloren geben.

16 Ich finde in einer alten Ausgabe der CENTO NOVELLE, des Boccaz, heurathen: und dieses hat mir die wahre Herleitung dieses Wortes von heuer, heuren oder miethen, an die Hand gegeben. Giebt es doch auch Verträge auf Lebenslang; also kann ja auch eine Ehe ein solcher Miethvertrag heißen.

17 Grabmaal, oder Maal überhaupt, will einem gelehrten Manne nicht gefallen, weil man in der mehrern Zahl, Mäler saget. Allein, da hier ein Doppellaut ohne dieß schon lang ist, so kann er nicht verdoppelt werden; zeiget aber, daß auch in der einfachen Zahl schon eine sehr lange Syllbe gestanden habe. So haben Saal, Quaal, auch Säle, quälen; von Stral aber kömmt nur Stral[en], von Zahl, Zahlen, von Tag, Tage. Die Österreicher aber, die in der mehrern Zahl sagen Täge, sprechen auch das Tag so lang aus, als ob sie Taag geschrieben hätten. Der große Anfangsbuchstab unterscheidet zwar Mal von mal, in einmal etc. aber nur im einfachen; und in der Zusammensetzung gar nicht; folgends langet es nicht zu. Und das lateinische MALLUS, welches man mir einwendet, gehöret wohl hier nicht her: denn Grabmäler, Denkmäler, Ehrenmäler, oder Mäler im Gesichte, am Leibe u.s.w. haben mit jenem nichts gemein; es wäre denn, daß diese alten Gerichte bey einem gewissen aufgestellten Maale gehalten worden, wobey sich die Stände des Volkes versammlet haben.

18 Dieser Regel zufolge sieht man nicht, wie gewisse Orthographisten, die allen doppelten Buchstaben, dem y und dem h feind sind, Gott von einem Gothen, die Tonne von Tone, das Mus, und das Muß: die Weisen, und den Weysen, von weißen; reisen von reißen; Schafe, vonschaffen; schlafen, vom schlaffen; Seyten, chordæ, von Seiten, latera; Kreisen vom kreißen; Hasen, von hassen; Fasen, von fassen;blasen, von blassen; Zähren, zehren, von zerren, u.d.m. unterscheiden wollen; wenn sie beydesGot, Tone, Mus, Weisen, reisen, Schafen, schlafen, Seiten, Kreisen, hasen, Fasen, blasen, zeren, u.d.m. schreiben. Man wendet mir ein, VIR. SAPIENS solle auch ein weißer Mann heißen, weil es von wissen, herkömmt. Allein, aus der unbestimmten Art, wissen, wo der Doppellaut weggefallen, und durch ein doppeltes s ersetzet worden, kann man solches nicht schließen. Es kömmt aus der gegenwärtigen Zeit, ichweis, du weist, er weis: und das biblische duweißest alle Dinge etc. ist offenbar ein Fehler: denn wie will man DEALBAS anders sagen, als duweißest die Wand, mit Kalke? Du weisest aber heißt, du zeigest. Man machet mir den Einwurf, daß die Lateiner MALUM, den Mastbaum, nicht von MALUS böse, auch POPULUS, die Pappel, nicht von POPULUS, das Volk, unterschieden. Allein, Quintilian belehret mich von dem Gegentheile. Die Alten, saget er, schrieben das erste MAALUM, und das letzte POOPULUS, zum Unterschiede der kurzen Syllben. Habens die Neuern nicht beybehalten: schlimm genug! Bösen Exempeln muß man nicht folgen. Eine Schüte, ist keine Schütte Stroh; und ich werde sie niemals vermischen; wie man mir Schuld giebt.

19 Aus dieser Analogie kömmt es her, daß man vonBerg, Gebirg, von Werk, wirken, nicht Gebürge, würken, schreiben muß: weil vom e zwar oft ein i, aber fast niemals ein ü zu werden pflegt. Eben daher kömmt es, daß man von kennen, ich kannte, und gekannt, imgleichen ich bin bekannt, sagen muß; nicht kennete, gekennt und bekennt. Eben so saget man von brennen, nennen; brannte nicht unser Herz? Das Holz ist verbrannt; er wird so genannt, u.d.m. Aus dieser Ähnlichkeit läßt sich in den Zeitwörtern die Regel herleiten: daß die unrichtigen, in der zweyten und dritten Person der gegenwärtigen Zeit einzelner Zahl, entweder den Selbstlaut ändern, oder doch die zwo Syllben in einer zusammen ziehen. Z.E. Wie man saget, ich spreche, du sprichst, erspricht, und von breche, du brichst, erbricht, nicht sprechest, sprechet, oder sprichest, sprichet: also heißt es auch ich nehme, du nimmst, er nimmt; ich trage, du trägst, er trägt, ich komme, kömmst, kömmt. Hiervon sind nur die Wörter ausgenommen, die durch den Zusammenlauf von d und t, oder tt, einen zu rauhen Übelklang machen würden: z.E. von ich leide, sollte kommen duleidst, er leidt; von ich bitte, du bittst, erbitt. Da aber dieses viel zu hart klingt, so saget man lieber leidest, leidet, wie bittest, bittet. Gleichwohl machet rathen dessen ungeachtet du räthst, erräth, nicht räthet. Doch davon ein mehrers bey den unrichtigen Zeitwörtern.

20 Hierbey ist nur die Ausnahme zu machen: wenn nicht bereits eine andere Benennung oder Aussprache durchgehends eingeführet worden. Z.E. Eigentlich sollten wir nach dem Hebräischen, Mosche, nicht Moses, Jitzchak, nicht Isaak, Jehuda, nicht Juda sagen: und so hat der werthheimische Dollmetscher uns alle biblische Namen ausgedrücket: allein umsonst, da ganz Europa sie schon anders gewohnet ist. Eben so hat uns derselbe in der Geschichte des osmannischen Reiches, die türkischen Staatsbedienungen auf recht türkisch aussprechen gelehret; aber wiederum zu spät: nachdem ganz Europa sie schon ganz anders auszusprechen gewohnt ist. Wird man wohl künftig die Janitscharen, Jengitscheri heißen? Eben so sollten wir eigentlich das Land China,Tschina, und das Volk selbst die Tschineser nennen. Allein, ganz Deutschland spricht und schreibt schon längst China; und dabey muß mans lassen. Eben so würden wir viel wälsche, spanische, französische und engländische Namen nicht mehr kennen, wenn wir sie nach der Aussprache dieser Völker schreiben wollten; ja, wir würden hernach in fremden Büchern die Leute nicht mehr kennen, die wir im Deutschen ganz anders gefunden hätten. Indessen geht es bey etlichen an, daß man die gleichgültigen Buchstaben brauchet: Z.E. SECRETAIRE, kann man Secretär, MARECHAL, durch Marschal, (wiewohl dieß eigentlich deutsch ist, von Mähre, ein Pferd, und Schalk, ein Knecht) SCHELING, ein Schilling setzen, u.s.w. Bey allem aber wollte ich es doch nicht rathen. Z.E. wer Chalons, Champagne, Jour nal, Courtray, Bourdeaux, Blois, u.d.m. Schalong, Schampange, Schurnal, Kurträ, Burdo, Bloa schreiben wollte, würde theils unverständlich, theils lächerlich werden.

21 Will man hier fragen, welche Regel nachgeben solle? so läßt sich keine allgemeine Antwort geben. Bald muß die eine, bald die andere weichen. Oft weicht die Abstammung der Ähnlichkeit; oft diese jener; oft beyde dem Wohlklange. Oft hat der Gebrauch noch etwas anders eingeführet, das an sich ganz unrichtig ist, aber doch von einem ganzen Volke gebilliget wird. Es ist also einem Sprachlehrer nicht möglich, eine einzige allgemeine Vorschrift zu geben. Z.B. nach der Ähnlichkeit des Wortes Fürsprecher, Fürspruch, sollten wir auch sagen, der Fürmund, nicht Vormund; weil dieser für den Unmündigen sprechen muß. Allein, ganz Deutschland saget Vormund. Hier trösten mich die Lateiner, die auch ihr PRÆ und PRO nicht allemal richtig gebrauchen. Denn da das letztere eigentlich für d.i. LOCO ALTERIUS, VICARIO NOMINE, anstatt, heißen sollte: so sagen sie doch PROPONERE, PROPOSITIO, so daß es einen bloßen Vortrag bedeutet.

22 Die Ursache davon ist, weil bey den Alten das h an sich schon hart genug ausgesprochen ward, und also leicht in ein ch übergieng. Indessen pflegen wir doch von mögen, ich mochte, von bringen, ichbrachte, und von denken, ich dachte, zu sagen und zu schreiben: so daß eine Verwandelung verschwisterter Mitlauter geschieht, die mit einerley Werkzeuge ausgesprochen werden. So wird auch vonziehen, ich zog, der Zug, nicht ich zoh: weil von den Alten das h so stark aus dem Halse gestoßen ward, daß man es mit seinem Nachbar dem g der auch aus der Gurgel kömmt, verwechseln konnte. Es ist also unnöthig, mit einigen mogte, mögte zu schreiben. Denn sonst müßte man auch von bringen und denken, bragte, dakte, anstatt brachte, dachte, setzen.

Das III Hauptstück
Das III Hauptstück.
Von den besonderen Regeln der deutschen Rechtschreibung.

1 §.


Da bey den doppelten Buchstaben, sonderlich der Mitlauter wegen, oft Zweifel vorfallen, wo man sie setzen soll, oder nicht: so haben wir zwar schon oben, bey dem Register derselben, vorläufig den Grund dazu geleget. Allein, hier geben wir davon mehrerer Sicherheit halber,


die I besondere Regel:


Nach allen langen Selbstlautern setze man einfache, nicht aber doppelte Mitlauter.


Z.E. in Schlaf, Schaf, Graf, Strafe, Vater, los, Loos, Mäuse, Moos, u.d.gl. setze man einfache Mitlauter; obgleich viele aus übler Anführung ihrer ersten Schreibmeister,Schaff, Graff, Schlaff, straffen,Vatter, loß, Looß setzen 1. Unter die langen Selbstlauter gehören auch die meisten Doppellaute: wenn man nur das ä, ö, und ü ausnimmt, als welche in schätzen, Pallästen, gönnen, können, müssen, Flüsse u.a. einen sehr kurzen Ton haben, und also einen doppelten Mitlauter leiden können; da sie doch bisweilen, z.E. in Schläfe,mögen, büßen, sehr lang gezogen werden 2

[121] 2 §. Wenn einem hierbey, und bey etlichen andern Doppellauten, ein Zweifel entsteht, die gleichwohl auch noch ein doppeltes ß, oder ein ch, welches eigentlich ein hh ist, nach sich haben; als in zerreißen, weißen, (DEALBARE) Meißen, Reußen, Preußen, riechen, hauchen,lauschen, u.d.gl. so dienet zur Antwort, daß in dergleichen Wörtern der doppelte Mitlauter ganz zur folgenden Syllbe gehöret, und bey dem ersten Selbstlauter nicht gehöret werden soll. Man spricht und schreibt also, hau-chen, lau-schen, rie-chen, Mei-ßen, Preu-ßen; ganz anders als da, wo kurze Selbstlauter vorhergehen, und man also die doppelten Mitlauter trennet; als: las-sen, tref-fen, küs-sen, fal-len, Aus-satz u.d.gl. Nur bey dem einzigen ch ist die Trennung nicht gewöhnlich. Daher wird es nach kurzen Selbstlautern, ganz bey der ersten Syllbe gelassen,sprech-en; bey langen aber zur folgenden gezogen: wie Spra-che 3.

[122] 3 §. Hieraus fließt nun die Theilungsregel, die bey dem Zerfällen der Wörter, am Ende der Zeilen zu beobachten ist. Sie ist


die II Regel.


Was mit einem Aufthun des Mundes ausgesprochen wird, das bleibt beysammen: was aber nicht bey der ersten Syllbe gehöret wird, das gehöret zur letzten.


Hier geht unsere Sprache von der lateinischen etwas ab. Denn wir trennen auch solche Mitlauter, die im Lateine beysammen bleiben. Die Römer ließen diejenigen, die im Anfange der Wörter bisweilen beysammen stehen, auch in der Mitte beysammen: wir aber sprechen zwar auch in Pferd, Pfad,Pfund, das pf mit einander aus; schreiben doch aber zap-fen, Töp-fe, pfrop-fen, rup-fen, hüp-fen, im-gleichen fas-ten, Nes-ter, Pos-ten, hus-ten, wüß-ten, Has-pel, Ras-pel, Wis-pel, u.s.w. weil wir es in der Aussprache so hören 4.


[123] Die III Regel.


4 §. Einsyllbige Wörter, die am Ende niemals wachsen, werden nur mit einem einfachen Buchstaben geschrieben.


Z.E. Ich bin, an, ab, nun, von, man, mit, bis, der, den, das, von, auf, u.d.gl. Die Ursache ist, weil dergleichen kleine Redetheilchen den Accent, oder Nachdruck im Sprechen nicht bekommen; indem die Zunge über sie wegeilet, um zu dem nächsten Hauptworte, Fürworte, oder Zeitworte zu kommen. Man nimmt davon nur diejenigen aus, die zum Unterschiede anderer, nach der IV Regel, anders geschrieben werden müssen: als z. E,daß, UT, von das, HOC, denn, NAM, vonden, EUM, zu unterscheiden, schreibt man die erstern mit einem doppelten Mitlauter 5.


Die IV Regel.


5 §. Wörter, die am Ende wachsen, richten sich auch im Stammworte schon nach der Aussprache der verlängerten Syllben.


[124] Z.E. Haus, schreibe man nicht Hauß; weil ich nicht spreche, des Haußes, die Häußer, sondern des Hauses, die Häuser: der Tod, nicht Todt; weil man saget, des Todes, nicht Todtes: Glas, Gras, nicht Graß, Glaß; weil man spricht des Grases, Glases. Biß, MORSUS, ist recht; hergegen nicht Bis: weil ich nicht spreche des Bises, der Bisen; sondern des Bisses, der Bissen. So auch der Schluß, der Fuß, der Mann, der Brunn, das Lamm, der Stamm, weiß, heiß, Maaß; weil man spricht, Schlüsse, Flüsse, Mannes, Brunnen, Lammes, Stammes, weißer, heißer, Maaßes, u.s.w. 6.


Die V Regel.


6 §. Nach einem Mitlauter setze man keinen andern doppelten Mitlauter, sondern nur einen einfachen.


[125] Z.E. In werffen, schärffen, Hertzen, schertzen, Schmertzen, tantzen, schantzen, kürtzen, Wercken, wircken, sind alle ff, ck und tz überflüßig: weil man sie in der Aussprache nicht höret; sondern nur wer-fen, schär-fen, Her-zen, tan-zen, kür-zen, wir-ken, etc. deutlich vernehmen kann. Unsere Sprache verliert auch dadurch den Vorwurf der Härtigkeit, den ihr einige Ausländer, bloß wegen der vielen überflüßigen Mitlauter gemachet haben; die man ohne Ursache zu schreiben pflag, ob man sie gleich nicht aussprach 7.

7 §. Aus dieser Ersparung unnöthiger doppelter Mitlauter, die an einigen Sprachkennern wahrgenommen worden, haben andere übel geschlossen: daß man alle doppelte Buchstaben abschaffen wolle. Daher haben sie denn, auch nach den kurzen Selbstlautern, einfache Mitlauter zu schreiben angefangen: z.E.Saz und sezen, für Satz und setzen, verlezen, für verletzen, Wiz und wizig, für Witz und witzig; Bliz und blizen, für Blitz und blitzen;Schuz und schüzen, für Schutz u.s.w. Daher sey


die VI Regel:


Nach kurzen Selbstlautern muß man doppelte Mitlauter schreiben:


[126] Weil die Aussprache solches erfordert; das Gegentheil aber so klingen würde, als ob man Saaz,Bliez, Wiez, Schuuz geschrieben hätte 8.

8 §. Viele, welche die Eigenschaft und den Ursprung unsers ck und tz nicht recht eingesehen, haben diese unschuldigen Buchstaben aus dem Deutschen verbannen, und dafür ein kk und zz einführen wollen. Diese schreiben also: Glükk, Pakk, Lakk, hakken, hezzen, schäzzen, wizzig, hizzig, Rizz, Schmuzz, u.s.w. Allein, wie häßlich diese Neuerung in die Augen falle, haben schon unsere Vorfahren um Zesens Zeiten eingesehen; und wir setzen also


die VII Regel:


Das ck und tz vertreten allemal die Stelle des doppelten k, und des doppelten z.


Es gründet sich dieselbe auf den allgemeinen Gebrauch des ganzen Deutschlandes, seit dreyhundert und mehr Jahren, der in der obigen III Regel zur Richtschnur angegeben worden 9.

[127] 9 §. Das h ist einer andern Feindseligkeit gewisser Sprachlehrer unterworfen gewesen, die es fast aus der ganzen Sprache haben verbannen wollen. Sie wollen es nirgends leiden, wo es zur Verlängerung der Selbstlauter gewöhnlich ist, in Lehren, mehr, Ohr, Rohr, sehr, Mahlzeit, Wahl, Gefahr, kahl, Zahl, Bohrer, Stroh, froh, Uhr, Schuh, u.d.gl. Hergegen setzen es andere ohne Noth bey ganz kurzen, und solchen Mitlautern, wobey es gar nicht hergekommen ist; als in der Syllbe bar am Ende, z.E. offenbahr; ingahr, klahr, spahren, quehr, schwehr, Gebuhrt, Spuhr, Natuhr, Schluhs, Bluht, Fluht u.d.gl. Diesem Misbrauche vorzubeugen, dienet


die VIII Regel:


Man setze das h zu denen Selbstlautern, die einer Verlängerung bedörfen; bey denen aber nicht, die solche nicht nöthig haben.


Z.E. in den letztern, wie auch in holen, (ARCESSERE) malen, (PINGERE) war es ganz unnöthig: aber in wohl, [128] hohl, Höhle, Mahl, mahlen, (MOLERE) ist es zum Unterschiede nöthig. Man sehe auch die IV Regel vom Unterschiede der Wörter nach 10.

10 §. Ein anders ist es mit dem h hinter dem t; welches auch einigen alten Sprachlehrern 11 anstößig gewesen, die seinen Ursprung und seine Kraft nicht eingesehen haben. Diese wollten nicht mehr That, Rath, bethen, miethen, Bothe, roth, thun, Ruthe, sondernRaht, Taht, behten, miehten, Bohte, roht, tuhn, Ruhte, schreiben: weil sie glaubten, daß es auch hier zur Verlängerung des Selbstlautes dienen sollte. Allein, wenn man erstlich in fremden Wörtern auf den Ursprung des Th aus dem Θ der Griechen geht, welches bey [129] den Lateinern in Θεοςzu DEUS geworden: so sieht man wohl, daß es seiner Natur nach, mit dem d eine nahe Verwandtschaft hat. Man bemerket ferner, daß in allen griechischen Wörtern, die mit Θ anfangen, und im Deutschen gewöhnlich sind, in der plattdeutschen Sprache ein d beliebet worden: z.E. von θυγατηρ, Dochter, von θηριον,Deer, von θυρα, Door, Döre; aber im Hochdeutschen mehrentheils ein Th geblieben: als Thier, Thor, Thüre u.d.gl. Wir setzen also erstlich


die IX Regel.


In allen aus dem Hebräischen und Griechischen herkommenden Wörtern, bleibt für das תund θ ein th: als Seth, Methusalem, Thomas, Thaddäus, Themistokles, Thermopyle, Thracier, Thron, Thränen, u.d.gl.


11 §. Eben dergleichen kann man bey der ältesten deutschen Mundart, die uns aus Ottfrieden,Notkern, Willeramen, imgleichen Tatians Harmonie, bekannt ist, anmerken. Unzählige Wörter, die wir heut zu Tage mit D schreiben, schrieb man dazumal mit dem TH, als THAZ, THING, THEIN, THESEMO, THER, THIU, THEGAN, THORN, das, Ding, dein, diesem, der, die, Degen, Dorn, u.s.w. Es ist also das Th, seiner Natur nach, mit dem D, fast gleichgültig: denn was wir itzo Thüringen nennen, das schrieb man sonstDöringen. Daher kömmt es auch, daß eine große Anzahl Wörter, die im Plattdeutschen mit einem D gesprochen und geschrieben werden, im Hochdeutschen [130] ein Th haben, als Dom, Thum, Door, ein Thor, (FATUUS) Don, Thon, doen, thun, Dal, Thal, Daler, Thaler, Roode, Ruthe, Bade, (NUNCIUS) ein Bothe, beeden, biethen, bäden, bethen, raden, rathen, tomooden, zumuthen. Und wir machen also daraus


die X Regel.


Das th muß man in allen deutschen Wörtern, wo es gewöhnlich ist, behalten, wenn es im Platt deutschen das d ausdrücken muß 12.


12 §. Doch sage ich damit nicht, daß man es durchaus in alle die Wörter einführen solle, wo im Plattdeutschen ein d steht: denn sonst würden wir abermal unzählige Neuerungen anfangen müssen; die eben so seltsam aussehen würden, als wenn man es ganz abschaffen wollte. Man muß sich erinnern, was oben in der Einleitung, von der eingeschränkten Macht eines Sprachlehrers gesaget worden; und sich nicht einbilden, daß irgend eine Sprache in der Welt sey, die nach lauter allgemeinen Regeln geredet, oder geschrieben wird. Auch im Lateinischen und Griechischen ist nicht alles analogisch geredet und geschrieben worden 13. Wo es also der Gebrauch nicht gewollt hat, da schreibt man auch kein th; als in Tod, ob es gleich plattdeutsch Dood heißt. Wo man hergegen durchgehends eins findet, als in Thurm, da behält mans bey, ob es gleich von TURRIS herkömmt: imgleichen Thurnier, Themse u.d.gl.

[131] 13 §. Viele Wörter, die aus dem Hebräischen und Griechischen herstammen, sind eine geraume Zeit mit einem C geschrieben worden; ob sie gleich in der Grundsprache ein K haben. Da wir nun im Deutschen das K auch haben, welches die Lateiner nicht hatten: so haben viele Sprachkenner lieber dem Ursprunge der Wörter folgen, als den Lateinern blindlings nach ahmen wollen. Sie haben auch nicht unrecht gethan, in soweit die deutsche Aussprache des C, vor A, O, und U, der hebräischen und griechischen Kraft des K keinen Abbruch thut. Man setze also


die XI Regel:


Hebräische und griechische Wörter, die vor A, O, und U, imgleichen vor andern Mitlautern, ein K, haben, behalten solches im Deutschen auch.


Z.E. Kain, Kadmus, Krösus, Nikolaus, Katharina, Krates, Ktesiphon, Sokrates, Perikles, Isokrates, Kallimachus, Kallisthenes; imgleichen Kirche, katholisch, Katheder, Katechismus, Kobold, κοβαλος Kavallier 14 von καβαλλος, Kammer von καμαρα, Kalender von καλεω u.d.m.

[132] 14 §. Eine neue Regel, oder vielmehr eine Ausnahme, geben hier diejenigen Wörter, die zwar auch im Griechischen ein K haben, aber vor einem e, oder i, wo mans bereits aus dem Lateine gewohnt ist, dasselbe als ein scharfes C auszusprechen. Z.E. Centaurus, Cepheus, Cerberus, Cimon, Cyrus, u.d.gl. Denn wenn man hier auch jener Regel folgen, und Kentaurus, Kepheus, Kerberus, Kimon, Kyrus schreiben wollte: so würde auch eine andere ganz ungewöhnliche Aussprache daraus erfolgen, und eben dadurch bald lächerlich werden 15. Man muß also in solchen Wörtern, wo es die Aussprache nicht leidet, nachgeben, und das C der Lateiner beybehalten.

15 §. Was die lateinischen Wörter betrifft, so haben einige Neuern auch darinnen eine Änderung machen, und Kajus, Kaligula, Kato, Klaudius, Knejus, Kotta u.s.f. schreiben wollen. Und in der That kann man es nicht läugnen, daß nicht von CÆSAR, CASEUS, CANCELLI, CLAUSTRUM, CRUX, CORONA, CUSTOS, seit undenklichen Zeiten, Kaiser, Käse, Kanzel, Kloster, Kreuz, Krone, Küster, wäre geschrieben worden: ja, seit einiger Zeit sind auch Körper von CORPUS, und Köln von COLONIA, hinzugekommen. [133] Und in beyden letztern scheint man destomehr Recht zu haben, da das C vorö von rechtswegen, wie vor Cepheus und Cölius, klingen sollte; welches aber nicht gewöhnlich ist: so daß dergestalt die Aussprache selbst ein K erfordert. Indessen wollte ich doch nicht rathen, solches auf alle Fälle zu erstrecken: und setze


die XII Regel:


Lateinischen Namen und Wörtern, die im Deutschen vorkommen, lasse man ihr ursprüngliches C; außer in denen wenigen, wo das K schon eingeführet worden 16.


16 §. Doch selbst im Deutschen giebt es Zweifel, wo man das K setzen soll, oder nicht. Es giebt Wörter, die unstreitig deutsches Ursprunges sind, und doch durch einen Misbrauch mit einem C, ch oder qu geschrieben werden: dahin rechne ich die Namen, Carl, Cöthen, Churfürst, Cabinet, Laquay, Cubach; da sie doch Karl, Köthen, Kuhrfürst, Kabinet, Lackey, Kuhbach, heißen sollten. Denn Karl ist unstreitig das Wort Kerl, welches vormals nichts gemeines, sondern einen tapfern Mann angezeiget hat; auch in alten geschriebenen und gedruckten Büchern mit seinem K vorkömmt. S.Schilters THESAURUM. Kuhrfürst, kömmt vonKühren, oder Wählen, wovon die Willkühr, erkohren, erkiesen, stammen; ist auch vor ein Paar hundert Jahren diesem Ursprunge gemäß geschrieben worden. Köthen kömmt von Salzkothen, oder Kathen, und klingt auch in der Aussprache keinem C gleich. Kabinet hieß im alten [134] Deutschen eine Kemnate, d.i. ein steinernes gemauertes Zimmer, von dem obigen pohlnischen Worte Kamien, ein Stein, davon auch Camenz, Camin, undCamieniecz kommen. Siehe das Heldenbuch.Lackey aber kömmt von läcken, d.i. laufen, hüpfen; wie dort steht: Die Lahmen werden läcken, wie ein Hirsch 17. Es sey also von diesen


die XIII Regel:


Wörter von deutschem Ursprunge sollen mit einem K, und nicht mit einem C geschrieben werden 18.


17 §. Endlich sind einige im vorigen Jahrhunderte so weit gegangen, daß sie das Q aus unserer Sprache abschaffen, und selbiges allemal durch ein K haben ersetzen wollen. Sie schrieben also anstatt Qual, Quelle, Querfurt, Quirl, quit, Quitten, gequollen:Kwahl, Kwelle, Kwerfurt, Kwirl, kwit, Kwitten, gekwollen etc. So häßlich nun eine solche Neuerung in die Augen fällt: so ungegründet ist sie auch. Denn wo steht es geschrieben, daß das Q nicht [135] eben sowohl ein deutscher, als ein lateinischer Buchstab sey; da es in unzähligen ursprünglichen deutschen Wörtern Platz findet 19? Dieser Seltsamkeit also, die auch unlängst wieder erneuert worden, zu steuren sey


die XIV Regel:


Das Qu bleibt in allen deutschen und lateinischen Wörtern, in welchen es bisher gebrauchet worden; soll aber nicht in Qv verwandelt werden.


18 §. Da eine gewisse Landschaft, die keine geringe Verdienste um die deutsche Sprache hat, aber an den östl. Gränzen [136] von Deutschland liegt, ihrer besonderen Mundart nach, gewisse Mitlauter theils verdoppelt; theils aus gelinden in harte verwandelt: so muß man hier derselben auch begegnen. Sie spricht und schreibt z.E. Gutt, Mutt, Blutt, Gütter, Gemütter, verterben, Prister u.d.gl. 20. Weil aber dieses, in der weit allgemeinern obersächsischen Mundart, der Aussprache zuwider läuft; darinnen man Gut, Blut, Muth, Güter, Gemüther, verderben, der Priester, etc. spricht und schreibt: so muß man sich dadurch nicht irre machen lassen, daß einige sonst berühmte Poeten also geschrieben haben. Und es ist


die XV Regel:


Man muß sich durch das Beyspiel einzelner berühmter Schriftsteller niemals verführen lassen, gewisse sonderbare Dinge nachzumachen, die keinen andern Grund, als die besondere Mundart einer abgelegenen Provinz, oder einer besondern Meynung für sich haben.

Fußnoten

1 Man hat mir hier den Einwurf gemachet, ob es nicht besser wäre, die Selbstlauter in harte und weiche einzutheilen? Bey den Mitlautern geht dieses wohl an, und ist gewöhnlich: aber bey den Selbstlautern kann man sich keinen Begriff von der Härte und Weichigkeit machen; indem sie beyde ganz gelinde aus dem Munde fahren, und nur in der Dauer des Tones unterschieden sind. Die Exempel, die man angiebt, passen auch nicht. In behend sind eben sowohl, als inMenschen, beyde e kurz, obgleich das eine wegen der Mitlauter, die mit ihm eine Syllbe machen, den Accent in der letzten; das andere aber in der ersten Syllbe kriegt. In Weh, mehr, Klee, See,Schnee, Panacee, ist das e ein langes e.

2 Wem es bekannt ist, daß auch die griechische Sprache kurze Doppellaute hat, den wird solches im Deutschen nicht Wunder nehmen.

3 Grüwel, der doch sonst in seiner Rechtschreibung viel Gutes lehret, will, man solle das ch auch nach kurzen Selbstlautern verdoppeln.Z.E. DerSpruchch, gesprochchen, sprechchen: gleichwohl schreibt er sprich, mit einem einfachen ch; da es doch eben so kurz lautet. Nach dieser Regel wurde man auch machchen, lachchen, schreiben müssen. Allein, wer sieht nicht, daß ch schon ein doppelter Mitlauter ist, der den vorigen Selbstlaut kurz machen kann; ob es gleich auch Wörter giebt, wo ein langer vorher geht; z.E. sieche, rauchen, Leiche, Seuche, brachen, Sprache, Buche, suchen, fluchen etc. wo das ch ganz zur letzten Syllbe gehöret.

4 Hier müssen aber die Wörter ausgenommen werden, die vor dem pf, noch einen andern Mitlauter haben, als Krampfen, dämpfen, impfen, rümpfen, Sümpfen: denn hier laßt man billig den ersten Mitlauter bey der ersten, die beyden andern aber bey der folgenden Syllbe beysammen. Ich weis zwar, daß einige andere Sprachlehrer alle doppelte Buchstaben bey der ersten Syllbe lassen wollen; weil dadurch der kurze Ton des Selbstlautes desto besser bestimmet würde. Man soll also nach ihrer Meynung schreiben und buchstabirenfass-en, komm-en, brenn-en, Mann-es, Vätt-er, Nonn-e, Rott-e, Butt-e, Buß-e, Füß-e. Was das nun für eine Buchstabirerey werden würde, sieht ein jeder von sich selbst. Allein, zum Überflusse will ich folgendes anführen. 1) Würde diese Regel auch mit sich bringen, daß man alle Mitlauter zur vorhergehenden Syllbe ziehen müsse, z.E. Rasp-eln, Mensch-en, werf-en, Pferd-e, Schust-er, Schläg-el, u.d.m. Denn es ist gar kein Unterschied. 2) Würde solches offenbar wider die Aussprache laufen; da wir ausdrücklich die letzten Mitlauter zur folgenden Syllbe zu ziehen pflegen; als: schla-gen, neh-men, rei-ßen, bren-nen, zer-ren, has-sen, ret-ten u.s.w. 3) Endlich zeiget uns das Beyspiel alter und neuer Sprachen, wie man es darinn zu halten habe. Weit gefehlet, daß Griechen und Römer alle doppelte Mitlauter zur vorhergehenden Syllbe ziehen sollten; so schlagen sie gar zween verschiedene, womit nur immermehr eine Syllbe anfangen kann, zur folgenden; als BL, TR, PR, PT, PHR, Φρ, κρ, κλ u.d.m. In ATTALUS aber, ASSER, CALLUS, PORRO, SCOMMA, γραμμα, ἀττικη, ἀρρηθον u.s.w. ist keinem in den Sinn gekommen, anders, als mit einer Trennung, zu buchstabiren.

5 Hiervon scheinen gleichwohl aus, in und hin eine Ausnahme zu machen, welche allemal mit einem s oder n geschrieben werden, ob sie gleich auch eine Verlängerung leiden; in außen, draußen,innen, drinnen, von hinnen. Vor kann zwar auch wachsen in voriger: behält aber doch wegen des langen o nur einen Selbstlaut am Ende. Eben so ist es mit den und der, in denen und derer.Mitte für mit, zu sagen, ist falsch.

6 Diejenigen, die allen doppelten Buchstaben gramm sind, mögen es einmal mit diesen Wörtern versuchen, ob sie das Herz haben, auch Schlüse, Flüse, Mäner, Brunen, Lämer, Stäme, reisen, (für RAPERE) weiser, (für CANDIDIOR) heiser, (für wärmer) zu schreiben? und ob man hernach, durch solche Schreibart die wahre Aussprache und Bedeutung finden wird? Eben das will ich denen zu bedenken geben, die lieber gros, ein groser, als großer; lieber anmasen, als anmaaßen, ja wohl gar Mas für Maaß schreiben: weil ihre Zunge nicht zart, und ihr Gehör nicht scharf genug ist, ein doppeltes s nach einem langen Selbstlauter zu hören. Das höret aber ein gutes Ohr, wenn rasen und spaßen, blasen und Straßen, reisen und reißen, weisen und weißen, losen und stoßen, Hosen und großen, gleich hintereinander gesprochen werden. Nun muß ja die Schrift, nach der ersten Grundregel aller Rechtschreibung, eine treue Bewahrerinn der Aussprache, und zwar so viel möglich, der zärtesten und besten seyn. Wie will man uns denn nun in solchen Wörtern das doppelte s, oder ß abgewöhnen, ohne welches wir der Aussprache keine Genüge thun können? Will man es aber nicht, als ein ß, ganz zur folgenden Syllbe rechnen; gut, so theile man es, als ein ss, und schreibe Stos-sen, wie Rossen, verdrossen: so wird sichs abermal zeigen, daß das o kurz klingt; und die gute Aussprache des Wortes, das ein langes gezogenes o (ω) fordert, nicht erhalten wird. Denn stoßen klingt gewiß ganz anders, als Rossen und Rosen.

7 Viele doppelte Mitlauter scheinen nur von unwissenden Schreibmeistern herzukommen, die ein zierliches ss oder ß, ein ff, ein tz und ck, für eine besondere Schönheit einer guten Hand gehalten, und es also bey aller Gelegenheit angebracht haben. Daher kömmt es, daß viele wackere und sprachliebende Männer sichs nicht abgewöhnen können, Graffen, schlaffen, straffen zu schreiben; ob sie gleich wohl einsehen, daß die langen Selbstlauter keine Verdoppelung begehren; und der Schlaf ganz anders, als schlaff, die Strafe anders, als derstraffe, die Schafe anders, als schaffe mir, klingen müssen. In alten deutschen Handschriften findet man diese Verdoppelungen selten.

8 Ein gelehrter Schlesier machet mir hier die Frage: ob man nicht auch nach einem langen Vocale einen doppelten Mitlauter setzen könne? und giebt die Wörter, Fluß, Schluß, zu Beyspielen an. Ich gebe es zu, daß hier das ß nöthig ist: aber nach meißnischer Mundart, die durch den besten Theil Deutschlandes geht, ist das u in diesen Wörtern kurz; obgleich die Herren Schlesier es sehr lang sprechen. Man sieht auch aus der Verlängerung der Wörter, Schlusses, Flusses, daß sie scharf und kurz bleiben. Ja so gar in der mehrern Zahl werden Schlüsse, Flüsse, nicht anders, als müsse gehöret. Indessen sprechen die Obersachsen, oder doch die Meißner, in Gruß, Fuß, das u ebenfalls lang aus: ob sie recht daran, thun, will ich nicht sagen. Imgleichen spricht man hier Stufen, rufen, lang, und schreibt es also billig nur mit einem f; ungeachtet andere es verdoppeln und kurz sprechen. Bey groß, Stoß, indessen, ist es durch eine allgemeine Übereinstimmung wahr, daß man ein lang o vor dem ß höret, gleichsam als grooß, Stooß.

9 Das tz ist eigentlich aus dem cz der Alten entstanden, welches sie darum schrieben, weil sie das z -viel gelinder, als wir, etwa wie ein sanftes s aussprachen: wie auch die Pohlen und Franzosen noch diese Stunde thun. Daz, waz, hieß bey ihnen das, was, u.d.m. Wenn sie nun den scharfen Ton des heutigen z nöthig hatten, setzten sie ein c vor, und schrieben z.E.Schacz, wie auch die Pohlen noch in vielen Wörtern thun, als in Choczim. Nachmals aber sah theils das geschriebene Fractur t, in der Mönchschrift, dem c so ähnlic, daß es leicht verwechselt ward: und theils that dieses t vor dem s eben den Dienst; indem das z aus t und s, wenigstens im Griechischen, entstanden seyn soll. Und daraus entstund also das tz. Wir aber, die wir das z schon so scharf, als Griechen, Römer und Wälsche sprechen, können doch bey der nöthigen Verdoppelung dieses Tones, die alte Art beybehalten. Mit dem ck hat es auch vollends keine Schwierigkeit, da das c eigentlich das k der Lateiner ist, und wir dieses ck einmal gewohnt worden; das kk aber vielen Wörtern ein recht lächerliches Ansehen giebt. S. den III Anhang am Ende.

10 Man kann sich davon noch mehr durch die Exempel und durch den Augenschein überzeugen. Welches Auge stößt sich nicht daran, wenn mancher schreibt: Die Wal ist ser übel geraten; DieGefar ist nicht mer zu vermeiden: Du wirst mit deiner Lere sehr kal bestehen: Diesen Feler wird man notwendig übel nemen: Die Zal derer, die ihren Wonplatz verlassen u.d.m. Will man nun gleich sagen, das käme nur von der Gewohnheit her, und könne zu keiner Richtschnur dienen: so dienet doch zur Antwort: in Sprachen sey die Gewohnheit oftmals ein Tyrann, dem man folgen müsse. Horaz saget:

SI VOLET USUS,

QUEM PENES ARBITRIUM EST; ET VIS ET NORMA LOQUENDI.

Hier ruft mir ein gelehrter Sprachkenner zu:

HIC ANIMIS OPUS, AENEA, EST, HIC PECTORE FIRMO!

und will mich bereden, mich auf den zerbrechlichen Rohrstab des Gebrauches, wie er spricht, nicht zu verlassen. Allein, die in diesem Falle mir schuldgegebene gar zu große Bescheidenheit wird mir vieleicht von mehrern für eine Tugend, als für ein Laster ausgeleget werden. Ich darf zu meiner Rechtfertigung den Hrn. Verfasser, als einen gelehrten Mann, nur auf denQuintilian verweisen, der dem Gebrauche im Lateine, wo nicht mehr, doch gewiß eben so viel eingeräumet hat. Kühner mag ich nicht seyn, einer ganzen Nation zu widersprechen. Wenigen Neuerungsbegierigen zu folgen, das würde mich und die Sprache lächerlich machen. Wer mehr Herz hat, der versuche sein Heil!

11 Z.E. Dem sel. Rathe Jablonsky zu Berlin, der eine kleine Rechtschreibung, gleichsam im Namen der Königl. Societät der Wissenschaften zu Berlin, deren Secretär er war, ans Licht gestellet: vieler andern zu geschweigen. Allein, da ihre Regel aus einer falschen Voraussetzung entstanden, so kann sie auch nichts gelten. Ich theile hier aber die Fälle ein, wo das h zum t und nicht zum Selbstlauter gehöret. Die fremden Wörter gehen vor; die andern folgen.

12 Die Schwierigkeit ist hier diese, daß nicht alle Hochdeutschen das alte Deutsche, Engländische, und Plattdeutsche können. Allein, hierauf dienet zur Antwort: daß sie alle nur der Gewohnheit derer folgen dörfen, die solches können; oder der gemeinen Rechtschreibung nachgehen sollen, ohne sich eine Änderung einfallen zu lassen. Ein jeder Liebhaber schicket sich nicht zur Verbesserung der Rechtschreibung: weil er nicht alle nöthige Geschicklichkeit dazu hat. Wie viel eigenmächtige Orthographisten schließt diese Anmerkung nicht aus!

13 Z.E. Da die Römer bey den meisten griechischen Namen und Wörtern, das θ durch TH ausgedrücket haben: so ist es in DEUS von Θεος nicht geschehen; in ANTLARE, von αθλος, auch nicht, und so in mehrern nicht. Aus dem η in μητερ und Λητω, haben sie ein A in MATER und LATONA gemachet; aus dem in γη aber, in GEOGRAPHIA nicht. Aus dem ODYSSEUS der Griechen ist Ulysses geworden: anderwärts aber ist das ω ein o geblieben. In ANIMIS, haben sie aus ἀνεμος, das ε in I verwandelt; anderwärts ist es ein E geblieben. Aus ει machen sie zuweilen ein E, zuweilen ein I, wie den Liebhabern des Griechischen zur Genüge bekannt ist, und allenfalls aus Heraklea und Posidonius erhellen kann: unzähliger andern zu geschweigen. Wer will also begehren, daß unsere Sprache gar keine Ausnahmen und Abweichungen von der Regel haben soll? Thurnier soll nach einigen von TORNEO, TOURNOIS, TUR NAMENT kommen, und also kein h haben: allein, haben denn nicht alle südliche Völker die Thurniere von den Deutschen bekommen?

14 Man wendet hier abermal ein: Man könne es unmöglich von allen Deutschen fordern, daß sie hebräisch und griechisch können sollen, um die Wörter recht zu schreiben. Die Sache ist richtig, und das Unmögliche begehret man nicht. Aber können denn die Gelehrten nicht etwas davon? Von diesen kann man es also fordern: und die übrigen dörfen nur ihrem Exempel folgen, ohne sich auf die Ursache einzulassen. So haben bisher alle, die Kirche, Thüre, Thiere, Rhein u.d.gl. geschrieben, ob sie gleich nicht gewußt, daß diese Wörter von Κυριακη, θυρα, θηριον, ῥεω, herkommen.

15 Wem es hier nicht beliebet, der Gewohnheit nachzugeben; sondern durchaus allgemeinen Regeln, ohne Ausnahme, folgen will, der versuche immerhin sein Heil! Ich will ihm den Beyfall nicht beneiden, den er mit einem solchen Eigensinne erlangen wird. Wider den Strom zu schwimmen, das ist noch niemanden sonderlich gelungen. VESTIGIA ME TERRENT!

16 Ich sehe, daß auch einige so weit gehen, daß sie folgende Wörter mit einem K schreiben, ein Kandidat, Kantor, Konfusion, Korrespondent, Kruzifix, Kollege, Kom pliment, Koncept, Kondition, Konrector, Konsistorium, Kommercium u.d.m. Allein, wie seltsam dieses abermal in die Augen falle, und wie lächerlich eine Schrift dadurch werde, das brauche ich nicht zu erinnern. Es ist also am besten, daß man es bey der 12ten Regel bewenden läßt; und dergestalt die Mittelstraße geht. S. den III Anhang.

17 Weil ich bemerke, daß viele hieran zweifeln: so will ich zur Bestätigung, sie noch des Sprüchwortes erinnern, CONTRA STIMULUM NE CALCITRES! Es ist schwer, wider den Stachel läcken. Hier heißt CALCITRARE gewiß nicht LAMBERE, lecken, sondern hinten ausschlagen, oder auch vorwärts dagegen springen: welches offenbar den Begriff des Laufens und Hüpfens bey sich führet. Eben so spricht man: ein junger Lecker, von einem jungen muthigen Menschen. Was hier das lecken zu thun habe, wird schwerlich jemand zeigen. Aber wenn läcken springen heißt: so ist ein junger Läcker so viel, als ein junger Springer.

18 Ohne Zweifel gehöret unter die Zahl dieser Wörter auch eine gute Anzahl deutscher Namen, die bisher mit einem C geschrieben worden, als Coburg, Colberg, Cörlin, Cöslin, u.d.m. die man billig mit einem K hätte schreiben sollen. Nur Co blenz, Costnitz und Culm, weil jenes von CONFLUENTIA, das von CONSTANTIA, wie dieses von CULMEN kömmt, könnten ihr C behalten; wofern die Abweichung von dem Ursprunge nicht schon groß genug ist, um ihnen ein ganz deutsches Ansehen zu gönnen.

19 Dieser Buchstab ist im Deutschen so alt, daß ihn auch die Ostgothen schon in ihrem Alphabethe gehabt, womit Ulfila sein N. Test, geschrieben hat. Sie zeichneten ihn ⊙, und dieses Zeichen kömmt sowohl dem natürlichen Alphabethe, welches der gel. Hr. Wachter in seiner PALÆOGRAPHIA, zu den GUTTURALIBUS überhaupt sehr sinnreich angegeben, Ϟ, als mit dem lateinischen Q sehr nahe überein. Nur hat das gothische ⊙ dieses an sich, daß es kein u neben sich haben dorfte, wie das lateinische und heutige: und doch so ausgesprochen ward, als ob es dabey stünde. Ja in vielen Wörtern verlor sich bisweilen, des Wohlklanges wegen, das q, so daß nur das u oder v gehöret wurde. So findet sich in Stiernhielms Ausgabe des goth. Evang. Marci 9, im 42 Verse,Asilu Quairnus, eine Eselsmühle; davon unser Quirl, oder eine Handmühle noch kömmt: in Fr.Junii Ausgabe aber steht nur Asilu vairnus, wie auch die neueste Ausgabe desselben zeiget, die Benzel und Lye in London 1750 herausgegeben. Und eben so sind diese beyden Ausgaben in andern Fällen mehr unterschieden. Wer nun von beyden der Urschrift genauer gefolget sey, lasse ich dahin gestellet seyn. Die Angelsachsen haben ihr q durch cu oder cv ausgedrücket; wie man u.a. aus Eduard Thwaites HEPTATEUCHO sehen kann, der zu Oxford 1698 in THEATRO SCHELDON. gedrucket worden. Z.E. Im I B. Mos. im I heißt: Gott sprach; GOD CVÆTH, welches die Gothen und Franken mit qu schreiben quath. Die alten Franken aber, wie aus dem Ottfried und dem Übersetzer Tatians erhellet, behielten die lateinische Figur des q durchgehends in unzähligen Wörtern, QUAD, sprach, QUAM: (d.i. kam) QUICK lebendig, davon erquicken, und Quecksilber, ARGENTUM VIVUM. u.d.m.

20 In einer gewissen gelehrten Zeitung hat man sich eingebildet, hier habe man von einer mittäglichen Provinz Deutschlandes geredet, die doch nicht so spräche; sondern vielmehr Guot, Muot, Bluot, hören ließe. Allein, wer nur ein wenig die deutschen Mundarten kennet, der wird leicht sehen, daß hier von einer östlichen Landschaft Deutschlandes die Rede sey, nämlich von Schlesien; deren Verdienste um das Deutsche unstreitig viel größer sind, als aller an Wälschland stoßenden Provinzen. Der Doppellaut uo klingt auch in deutschen Ohren so barbarisch, daß es entweder Lachen, oder Mitleiden bey uns erwecket. Und was wird also erst von denen Sonderlingen zu sagen seyn, die nicht einmal die Aussprache einer ganzen Landschaft auf ihrer Seite haben? Gewiß, solche Grillenfänger verdienen keine Aufmerksamkeit, sondern müssen mit ihren Einfällen in die platonische Republik verwiesen werden; wo man sich eine neue Sprache und Rechtschreibung zu erdenken, berechtiget ist. In unserer Welt kann man die Sprache zwar bessern, aber nicht von Grunde aus umkehren. Unser vornehmster Sprachlehrer ist, wie Horaz saget:

USUS,

QUEM PENES ARBITRIUM EST, ET JUS ET NORMA LOQUENDI.

Das IV Hauptstück
Das IV Hauptstück.
Von den orthographischen Unterscheidungszeichen.

1 §.


Die ältesten Erfinder der Schrift hatten nur einerley Art der Schrift ersonnen; und sie schrieben ganze Zeilen in einem Stücke fort, so, daß man die einzelnen Wörter nicht einmal von einander unterscheiden konnte. Auch am Ende der Zeilen war es ihnen gleichviel, mit welchem Buchstabe eines Wortes sie aufhöreten: wie man solches auch noch im ersten Jahrhunderte nach der erfundenen Buchdruckerkunst, in gedruckten Büchern wahrnimmt. Die Griechen blieben eine lange Weile bey dieser alten Art zu schreiben. Dieses verursachete nun im Lesen eine große Schwierigkeit. Man mußte schon sehr gelehrt seyn, wenn man ganze Blätter solcher Schriften ohne Anstoß fortlesen wollte 1: weil oft gewisse Syllben und Buchstaben, sowohl zum vorhergehenden, als folgenden Worte, geschlagen werden konnten; woraus aber mehrentheils ein sehr verschiedener Verstand erwuchs.

[138] 2 §. Als die Römer dieses wahrnahmen, huben sie an, zwischen alle Wörter einen Punct zu machen; und sich dadurch das Lesen sehr zu erleichtern 2. Allein, mit der Zeit sah man, daß es so vieler Puncte nicht einmal bedörfte: indem man nur zwischen jedem Worte den Raum eines Buchstabs leer lassen dorfte; den Punct aber zur Trennung ganzer Aussprüche, Sätze, oder Perioden brauchen konnte. In den barbarischen Zeiten entstund allmählich eine Art von Buchstaben, die von den alten griechischen und lateinischen großen Buchstaben sehr abgieng; und woraus, durch die Mönchschrift, endlich auch unsere heutige kleinere, sowohl die lateinische, als deutsche Schrift, ihren Ursprung nahm. Auch dieses hat allmählich zu mehrerer Deutlichkeit, in Unterscheidung der Wörter, Anlaß gegeben.

[139] 3 §. Man hat nämlich, um der Zierde halber, schon in alten Zeiten, den Anfang jeder Schrift, mit einem so genannten großen Buchstabe gemachet; und dadurch der ersten Zeile eines jeden Buches ein Ansehen zu machen gesuchet. Man gieng hernach weiter, und gab auch jedem neuen Capitel, jedem neuen Absatze, und endlich jeder neuen Periode, eben dergleichen Zierrath 3. Endlich gaben die Poeten, die Würde ihrer Arbeiten anzuzeigen, die weit mühsamer, als die prosaischen Schriften waren, jeder Zeile ihrer Gedichte, oder jedem Verse, einen größern und zierlichern Anfangsbuchstab. Und da dieses alles nichts unbilliges ist, sondern zur Schönheit einer Schrift, und zur Deutlichkeit im Lesen etwas beyträgt: so sey


die XVII Regel:


Man setze im Anfange jeder Periode, und in Gedichten vor jedem Verse, einen so genannten großen Buchstab 4.


[140] 4 §. Doch dabey blieb es nicht. Man wollte allmählich auch die Namen Gottes, der großen und berühmten Leute, der Länder und Städte, und endlich aller Menschen ohne Unterschied, durch dergleichen Anfangsbuchstaben, von andern Wörtern absondern, daß sie destomehr in die Augen fallen sollten. Und da dieses im Lesen gute Dienste that: so fuhr man fort, und gab auch gewissen merkwürdigen Hauptwörtern, worauf viel ankam, diesen Vorzug. Und dieses thaten fast alle europäische Völker, durch eine stillschweigende Übereinstimmung, zugleich; schon ehe die Buchdruckerey erfunden ward 5. Nach der Zeit ist man anderwärts zwar dabey geblieben: wir Deutschen aber sind noch weiter gegangen, und haben wegen der, bey der letzten Art der Wörter vorkommenden vielen Unrichtigkeiten, worein sich viele nicht finden können, alle Hauptwörter, davor man ein, eine, ein, oder der, die, das, setzen kann, mit großen Buchstaben zu schreiben angefangen.

[141] 5 §. Nun haben zwar theils einige vormalige Sprachlehrer, theils einige Neuere, sich durch die Schwierigkeit dieser Regel bewegen lassen, alle solche große Buchstaben wiederum abzuschaffen, und lauter kleine zu schreiben 6. Dazu sind einige geizige Buchhändler gekommen, die durch Ersparung aller großen Buchstaben, die Zahl der Bogen eines Buches, und folglich das Papier und die Druckerkosten zu vermindern gesuchet haben. Allein, diese Ursachen, eine so wohl hergebrachte Gewohnheit abzuschaffen, wodurch unsere Sprache einen so merklichen Vorzug der Grundrichtigkeit vor andern erhält, sind nicht zulänglich: zumal da auch die Franzosen itzo schon angefangen, dieses von uns nachzuahmen 7. Daher setzen wir


[142] die XVIII Regel:


Man schreibe nicht nur alle eigene Namen, sondern auch alle selbständige Nennwörter, mit großen Anfangsbuchstaben.


6 §. Nächst diesem trägt zur Deutlichkeit im Bücherlesen nichts mehr bey, als wenn die Sätze oder Perioden wohl von einander unterschieden sind. Dieses geschieht durch einen Punct; auf welchen sodann ein großer Buchstab folget, der die neue Periode anhebt. Nun ist es aber nicht nur Unstudirten, sondern auch wohl manchem Halbgelehrten, schwer zu wissen, wo er den Punct hinsetzen soll. Zu dem Ende geben wir die, aus der Erklärung eines Satzes herfließende,


XIX Regel:


Wo eine kurze Rede, oder ein Ausspruch, den man von einer Sache thut, ein Ende hat; das folgende aber ganz von etwas anderm redet, und nicht genau mit dem vorigen zusammenhängt: da machet man einen Schlußpunct 8.


Z.E. Im Anfange schuff Gott Himmel und Erden. Und die Erde war wüste und leer; und es war finster auf der Tiefe: und der Geist Gottes schwebete auf dem Wasser.

[143] 7 §. Wie man aus dem letzten Exempel sieht, so kommen bisweilen Perioden vor, die aus kleinern Sätzen zusammengesetzet sind; aber so zusammenhängen, daß man sie nicht ganz von einander trennen kann. Diese scheidet man nun durch zween übereinandergesetzte Puncte (:), die man einen Doppelpunct, oder ein Kolon nennet: wenn das folgende Glied ein neu Subject, und ein neu Prädicat hat. So war oben der Geist Gottes, ganz was anders, als vorne die Erde, nebst dem wüste und leer seyn. Man merke also


die XX Regel:


Wenn in einer Periode zween besondere Aus sprüche, von ganz verschiedenen Dingen, verbunden werden: so setze man zwischen beyde einen Doppelpunct.


8 §. Doch wird der Doppelpunct auch noch bey anderer Gelegenheit gebrauchet: wenn man nämlich die Worte eines andern anführet, und dieselben von der vorhergehenden und folgenden Rede unterscheiden will. Z.E. Und Gott sprach: Es werde licht: und es ward licht. Es sey also


die XXI Regel:


Wenn man fremde Reden oder Worte anführet; so setze man vor, und nach denselben einen Doppelpunct.


[144] Doch was dieses letzte betrifft, so leidet es eine Ausnahme, wenn nämlich die fremden Worte weitläuftig sind; und das darauf folgende eine neue Periode machet, vor welcher ein Punct stehen muß. Z.E. Und Gott sprach: Es werde eine Feste zwischen den Wassern; und die sey ein Unterschied zwischen den Wassern. Da machte Gott die Feste etc. 9.

9 §. Man sieht also leicht, daß alle zusammengesetzte Perioden, die aus zweenen Theilen, oder zwoen Hälften bestehen, in der Mitte einen Doppelpunct bekommen werden. Die meisten derselben fangen sich mit Obwohl, Gleichwie, Nachdem, Alldieweil, Dieweil, oder Weil, Wann, Seitdem, u.d.gl. an; bekommen also, nach Endigung des ersten Gliedes, in der Mitte:gleichwohl, dessen ungeachtet, dennoch, oder doch, daher, also, als, oder so; und vor diesen steht allemal der Doppelpunct. Doch [145] dörfen diese letztern Wörter eher keinen großen Buchstab bekommen, als wenn man fremde Worte anführet.Und ob ich gleich selbst vormals durch einen ziemlichen Sprachenkenner 10 verleitet worden, solches eine Zeitlang zu thun: so habe ich doch den Ungrund davon nach der Zeit eingesehen.

10 §. In neuern Zeiten hat man noch eine kleinere Art der Unterscheidungszeichen ersonnen, die man das Semikolon nennet, und mit einem punctirten Strichlein (;) schreibt. Dieses Zeichen dienet, geringere Abtheilungen der Rede, oder der Sätze zu bemerken, als wobey der Doppelpunct gesetzet wird. Meines Erachtens ist also


die XXII Regel:


Man setze den Strichpunct da, wo entweder ein neu Prädicat zu demselben Subjecte; oder ein neu Subject zu demselben Prädicate, gesetzet wird.


Z.E. Und Gott nennete das Trockene, Erde; und die Sammlung der Wasser nennete er Meer. Imgleichen: Es lasse die Erde aufgehen Gras und Kraut, das sich besame; und fruchtbare Bäume, da ein jeglicher, nach seiner Art, Frucht trage; und seinen eigenen Samen bey sich selbst habe, auf Erden 11.

[146] 11 §. Doch auch dieses langet noch nicht völlig zu. Daher sey


die XXIII Regel:


Die kleinsten Unterschiede gewisser Wörter, die von einander getrennet werden sollen, weil sie nicht unmittelbar zusammen gehören, bemerke man durch einen Beystrich, oder durch ein Komma.


Es ist aber hier oft sehr gleichgültig, wohin man einen solchen Beystrich setzen soll. Man merke nur, daß man derselben weder gar zu wenige, noch gar zu viele mache: denn beydes machet den Verstand einer Rede zuweilen dunkel. Manche machen auch, wie die meisten Ausländer thun, sonst gar keine Unterscheidungszeichen in einem Satze, als Strichlein und Puncte; ja selbst an dieser Puncte Stelle, behelfen sie sich in kurzen Perioden, mit dem bloßen Strichlein. Beydes aber ist falsch, und zeiget eine große Sorglosigkeit im Schreiben an 12.

[147] 12 §. Außer diesen hat man, in neuern Zeiten, noch verschiedene andere Unterscheidungszeichen einer Rede erfunden; die nicht weniger nützlich sind, dieselbe deutlich und verständlich zu machen. Das erste davon ist ein Fragezeichen (?). Davon heißt


die XXIV Regel:


Nach einer wirklichen Frage, setze man am Ende derselben, allezeit dieses Zeichen (?).


Z.E. Adam, wo bist du? oder: Hast du nicht gegessen von dem Baume, davon ich dir geboth, du solltest nicht davon essen? Nur diejenigen Fragen nimmt man von dieser Regel aus, die man nur von einem andern anführet, oder in die Rede beyläufig mit einflicht; als: man fragte mich, ob ich das wüßte, oder gesehen hätte, u.d.g. Doch pflegen einige das Fragezeichen auch dann nicht zu sparen; zumal, wenn die Frage so kurz fällt, als hier 13.

13 §. Da es sehr gut gewesen seyn würde, wenn man für die vornehmsten Leidenschaften, eigene Zeichen ausgedacht hätte 14: so hat man es bey einem einzigen bewenden lassen, welches man fast in allen heftigen Gemüthsregungen brauchen muß. Daher sey


[148] die XXV Regel:


Der Ausruf, die Verwunderung und Verspot tung, ja eine jede heftige Anrede an einen andern, muß mit diesem besonderen Zeichen (!) unterschieden werden.


Man nennet selbiges daher ein Ausrufszeichen, (SIGNUM EXCLAMANDI) z.E. Siehe! Adam ist worden wie unser einer! oder: Höret, ihr Himmel! und du, Erde, nimm zu Ohren! denn der Herr redet. Oder: O ihr Berge! fallet über uns! o ihr Hügel! bedecket uns! Man muß nur manchen Ausruf nicht mit der Frage vermengen; welches wegen der Ähnlichkeit leicht angienge. Z.E. Wie gar unbergreiflich sind seine Gerichte! wie unerforschlich seine Wege! Wer hat des Herrn Sinn erkannt? und wer ist sein Rathgeber gewesen?

14 §. Aus der Anmerkung zur obigen XXI Regel fließt noch


die XXVI Regel:


Wenn in eine zusammenhangende Rede etwas eingeschoben wird, das, dem Sinne ohne Schaden, auch wegbleiben könnte: so schließt man das Eingeschobene, vorn und hinten mit einem Paar Klammern () ein.


[149] Andere machen diese Klammern auch so [], welches aber einerley ist. Doch versteht sich dieses nur von einem etwas langen Einschiebsel, welches die Rede sehr unterbricht. Bey kurzen Einschaltungen, thun ein Paar Beystriche eben die Dienste. Es ist aber überhaupt kein Zierrath, wenn eine Schrift mit vielen Einschiebseln unterbrochen wird 15.

15 §. Bisweilen wird am Ende eines Wortes, auch wohl gar in der Mitte, ein Selbstlaut ausgelassen, dessen Abwesenheit man anzeigen will. Dazu hat man nun einen krummen Oberstrich bestimmet, der die leere Stelle desselben ausfüllet. Man merke also davon


die XXVII Regel:


Wo ein merklicher Selbstlaut verbissen worden, der sonst zum Worte gehöret hätte, da bemerke man solches durch folgenden Oberstrich (').


Z.E. Wenn die Poeten, des Syllbenmaaßes wegen, ein e oder i, (denn mit den übrigen steht es nicht frey,) auslassen, z.E. Hab' und Gute; weil ein Selbstlaut folget, der einen Zusammenlauf verursachen würde. Doch ist es auch nicht in allen Fällen nöthig. Z.E.liebete, sagete, u.d.gl. wird oft liebte, sagte, u.s.f. geschrieben; ohne den Oberstrichlieb'te, sag'te zu brauchen. Wo es also nicht sehr nöthig ist, da darf man ihn nicht setzen.

[150] 16 §. Man könnte noch von einem Zeichen im Schreiben reden, wodurch fremde Worte, von dem eigenen Texte des Schriftstellers, unterschieden werden. Es besteht dasselbe aus kleinen Häkchen, die im Anfange jeder Zeile gemachet werden, und am Ende der Stelle wieder schließen; die von den Buchdruckern Gänseaugen genennet werden, und so aussehen (""). Allein, da sie im Schreiben nicht so sehr, als im Drucke vorkommen; indem man sich dort lieber mit dem Unterstreichen der Zeilen behilft: so brauchet es davon auch keiner besonderen Regel.

17 §. Einige alte Lehrer der Rechtschreibung haben auch noch andere Zeichen erfinden und einführen wollen, die man über die Buchstaben setzen sollte; um dadurch anzuzeigen, ob sie lang, oder kurz ausgesprochen werden sollen. So will Grüwel, daß manSchlâf, Schâf, dîr, wêr, mîr, hîr, grôß, gût, thûn, u.d.m. 16 schreiben solle. Allein ohne Noth. Denn da die Lateiner, ohne diese und andere Accente, dennoch ihre Syllben in der gehörigen Länge und Kürze haben aussprechen können; und sich sonderlich der Ton lebendiger Sprachen, am besten von einem Sprachmeister, oder aus dem Umgange lernet: so kann man diese Mühe völlig ersparen.

18 §. Ganz etwas anders wäre es, wenn man, wie ich oben gedacht habe, zum Ausdrucke gewisser Leidenschaften, noch gewisse Zeichen erfinden könnte, um den Ton der Leser [151] zu verändern, zu erheben, oder zu mäßigen. Z.E. den Zweifel auszudrücken, brauchen wir nur das Fragezeichen; die Freude und Traurigkeit aber anzudeuten, haben wir nur das Zeichen des Ausrufes: ob sie gleich im Laute einer recht beweglichen Stimme, oder guten Aussprache, sehr unterschieden sind. Die Verwunderung könnte ebenfalls, sowohl als das Mitleiden, durch gewisse Zeichen bemerket werden: doch so lange es uns daran fehlet, müssen wir uns mit den obigen behelfen.

Fußnoten

1 Wenn man es nur in einer griechischen Stelle Herodots aus des V B. 58 C. versuchen will: so wird man die Schwierigkeit bald gewahr werden:

ΟΙΔΕΦΟΙΝΙΚΕΣΟΥΤΟΙΚΑΙΣΥΝΚΑΔΜΩΑΠΙ

ΚΟΜΕΝΟΙ ... ΔΙΔΑΣΚΑΛΙΑΣΕΙΣΤΟΙΣΕΛΛΗΝΑ

ΣΚΑΙΓΡΑΜΜΑΤΑΟΥΚΕΟΝΤΑΠΡΙΝΕΛΛΗΣΙ:

Oder man nehme die Stelle eines lateinischen alten Dichters Lucrezens vor sich:

AVTAPIERIDVMPERAGROLOCANVLLIVSANTE

TRITASOLOIVVATINTEGROSACCEDEREFONTES

ATQVEHAVRIREIVVATQVENOVOSDECERPEREFLORES

INSIGNEMQVEMEOCAPITIPETEREINDECORONAM

VNDEPRIVSNVLLIVELARINTTEMPORAMVSAE

Wenn Franc. Junius den CODICEM ARGENTEUM genau nach dem Originale abdrucken lassen; so hat Ulfilas seine Wörter schon durch einen kleinen Abstand von einander getrennet; und folglich ist die älteste deutsche Schrift, die wir übrig haben, dieses Fehlers nicht theilhaftig gewesen. Auch Bonav. Vulcanius hat sie schon getrennet.

2 Hier ist die Frage, ob nicht schon die Griechen die Kunst abzutheilen gewußt? Joh. Clericus führet in seiner ARTE CRIT. P.III, SECT. 1, c. 10, eine Stelle aus Aristotels Rhet. III B. 5 Cap. an; wo es scheint, dieser Weltweise habe die Unterscheidungszeichen schon gekannt: denn er saget, es sey schwer, des Heraklitus Bücher zu punctiren; weil es ungewiß sey, ob ein Wort zum vorigen, oder folgenden gehöre. Allein, Trotzius glaubet solches nicht, und erkläret es nur von einer verworrenen Schreibart des Heraklitus. Denn die alten Auf-und Handschriften griechischer Bücher widersprechen jenem Sinne gänzlich: als worinn man keine solche Unterscheidungszeichen wahrnimmt. S. den Hermann Hugo DE PRIMA SCRIBENDI ORIGINE, ED TROTZ. C. 27, P. 245, 246.

3 Wer die ältesten Urkunden beym Mabillon, inBessels gottwichischer Chronik, oder in Walthers diplomatischem Lexicon, in Kupfer gestochen, gesehen hat, der wird von der ansehnlichen Figur der Anfangsbuchstaben der alten Mönche einen Begriff haben. Ja, da sie auch die erste Zeile ihrer Schriften, noch mit einer besondern Schrift von den übrigen unterscheiden wollten: so entstund noch eine mittlere Art von Charaktern, die bisweilen sehr unleserlich wurden. Nicht leicht ist aber ein altes Buch mit größerer Kunst und Pracht geschrieben, als der zu Regenspurg im Stifte zu St. Emram befindliche CODEX EVANGELIORUM; der aus dem IX Jahrhunderte ist; und überaus viele Arten von Schriften zeiget, die zu der Zeit im Schwange gegangen. Eine Probe davon giebt das CHRON. GOTTWICENSE, aber bey weitem nicht von allen Arten, die ich dort 1749 im Sept. gesehen habe.

4 Es haben sich neuerlich einige gefunden, die in deutschen Versen diese Regel nicht beobachten wollten. Sie gründeten sich eines theils auf die Nachahmung gewisser berühmter Dichter; z.E. des sel. Hofrath Pietsch, dessen einzelne Gedichte zu Königsberg so gedrucket zu erscheinen pflagen; und also auch in der neuen Ausgabe so gedrucket worden. Allein, da ich den sel. Mann vertraut zu kennen Gelegenheit gehabt, und viele von seinen Handschriften, die er in die Druckerey zu schicken pflag, gesehen habe: so weis ich gewiß, daß er solches bloß aus einer Nachläßigkeit, die ihm eigen war, nicht aber mit Vorsatze gethan. Er nahm sich auch niemals die Mühe, einen Probedruck seiner Gedichte selbst zu verbessern; sondern überließ solches dem ordentlichen Druckverbesserer: der sich denn ein Gewissen machte, von des Hofraths Schreibart abzugehen; und noch wohl gar die von ihm mit großen Buchstaben angefangenen Zeilen den übrigen meisten ähnlich machte. Wer sich nun auf solch einen Vorgänger berufen will, der treibt einen Aberglauben mit ihm. Wenigstens weis ich, daß Hofrath Pietsch die erste Ausgabe seiner Gedichte, die ich 1725 hier ans Licht gab, in diesem Stücke nicht gemisblliget: ungeachtet ich diese seine Nachläßigkeit geändert hatte.

5 Es ist wahr, daß man in vielen Handschriften, auch wohl eigene Namen nur mit kleinen Buchstaben findet: allein, je fleißiger und schöner sie geschrieben sind, desto mehr große Buchstaben findet man auch, die nach Gelegenheit auch mit rother, blauer Farbe, oder wohl gar ganz mit Golde geschrieben, oder doch gezieret sind. Diesen Mustern folgeten nun die ersten Buchdrucker, nachdem sie schon einen geringern, oder großern Überfluß großer Buchstaben hatten. Denn ganz im Anfange ließ man ihre Plätze noch ledig, um sie mit der Feder einzutragen. In einem geschriebenen Buche von 1472 stehen schon alle eigene Namen, als Alexander, Eusebius, Vngerland, Sachsen; ja auch Puech, Maister, imgl. die Titel, Fürsichtigen, Namhaften, Weisen, Vincentio Schifer etc. mit großen Buchstaben. In Wolframs von Eschenbach Parcifall, der 1477 gedrucket worden, finden sich die großen Buchstaben nur im Anfange aller poetischen Zeilen: wenn sich aber ein neuer Absatz anhebt, ist nächst dem ersten eingeschriebenen, auch der zweyte groß. In der Historie von den syben weysen meistern von 1478 sind schon, außer den Anfangsbuchstaben jedes Satzes, auch etliche Namen damit gezieret, als Octavianen, Dyocletianus, Antoni Sorg, Histori, Augspurg, Johannis, u.d.m. In Bruders Otto von Passau 24 Alten, von 1480, sieht man auch Cyprianus, Augspurg, Antoni Sorg, Gregorii, Amen. In einer alten Cronica, von 1487, sieht man auch die Namen bald groß, bald klein; z.E.Hansen schönsperger, Augspurg, Christi Geburt, Katherine, bisweilen auch Babst, aber kurfürsten, könig, keyser, gott, allemal klein. In Seb. Brands Narrenschiff, von 1494, sind nur die ersten Buchstaben aller Zeilen groß, bisweilen aber auch die Namen, Cardinal, Nabuchodonosor, Babylon, Römer, Sodoma, Empedoclis, u.d.m. Im Theuerdank endlich von 1517, sind schon Held, Euch, Ir, Ewer, Tewerlich, Eer, Doctor, Tier, Gemsen, Jeger, Esel, Edeln, auch wohl Ich und Sy, u.s.w. groß gedruckt. Und so ist man immer weiter gegangen, bis man obige Regel festgesetzet hat.

6 Der Vorwand, dessen sie sich dabey bedienen, ist dieser, daß unstudierte Leute nicht wissen können, was ein Hauptwort oder selbständiges Nennwort sey, oder nicht. Allein, die Schwachheit der Unwissenden zu schonen, würden ja die gelehrten Schreiber, noch viel andere Dinge weglassen und vermengen müssen: wenn diese Regel gelten sollte. Die Ungelehrten mögen solche Sachen aus der Nachahmung und aus Büchern lernen; wenn sie es ja von ihren ersten Schul-und Schreibmeistern nicht gefasset haben. Es ist nur Schade, daß gewisse Bibeln und Gesangbücher diese böse Gewohnheit durch ihr Exempel bestärket haben.

7 S. die prächtige Ausgabe des DON QUIXOTE, die 1746 in groß Quart mit Picarts Figuren in Holland herausgekommen.

8 Die Angelsachsen machten den Punct da, wo wir einen punctirten Strich, oder einen Doppelpunct machen, am Ende eines Satzes aber drey Puncte, auf diese Art. s. das goth. und angels. Evangelium des Franc. Junius. Allein, selbst die Engländer, deren heutige Sprache doch größtentheils daraus herstammet, haben diese Art fahren lassen, und die andere angenommen, die in ganz Europa gilt: obwohl es natürlicher zu seyn scheint, daß ein Punct eine kleine, zween Puncte eine größere, und drey Puncte die größte Unterscheidungskraft haben sollten. Indessen sind solche Dinge willkührlich: und bey uns ist es itzo gerade umgekehrt, daß;:. die ansehnlichsten Zeichen weniger, die unansehnlichsten aber immer mehr Unterschied bedeuten.

9 Es ist noch ein Fall möglich, wo nämlich die fremde Rede mehr als einen logischen Satz, ja wohl gar einen langen Absatz ausmachet. Dieser muß alsdann, nach Beschaffenheit seines Inhaltes, abgetheilet werden; und nach Gelegenheit wohl mehr, als einen Punct am Ende jedes Satzes bekommen; u.d.m. Hernach pflegen auch gewisse Lehrbücher zu gebiethen, daß man etwas Eingeschaltetes, ob es gleich von dem Schreiber selbst herrühret, von vorn und hinten mit zweenen Puncten bezeichnen solle; dafern nur selbiges, dem Sinne ohne Schaden, ausgelassen werden kann. Exempel davon kann man in des sel. D. Marpergers Schriften sehen, die von Doppelpuncten wimmeln. Allein dadurch verwandelt man das Kolon, in ein Zeichen der Einschiebsel () oder []; und machet also dieses unnütz: wiewohl es auch unnöthig ist, alle kurze Abtheilungen von drey, vier oder fünf Worten, anders, als mit bloßen Strichen, abzusondern. Noch lächerlicher war die Grille des berufenen Theod. Ludwig Lau, der in seinem übersetzten Saavedra gleich auf dem Titel, so schrieb: Den vollkommenen Regenten, welchen, der sinnreiche Spanische Statist, Diego Saavedra Faxardo: in hundert und zwo Sinnbildern: vernünftig und gründlich vorgestellet; hat in folgenden poetischen Lehrsätzen: die des Saavedrischen Werkes Inbegriff, und ein abgekürtztes Staats-Buch: in sich fassen: abschildern wollen: Theodor Ludwig Lau, etc. 1724. 4. Grillen!

10 Dieses war der sel. Prof. Johann Gottlieb Krause, zuletzt in Wittenberg, vorher aber hier in Leipzig, dem wir fast die ganze erste Ausgabe von Kanitzens Gedichten, die unter Königs Namen heraus kam, zu danken haben. So gut nun des wackern Mannes Einsicht auch ins Deutsche war: so unzureichend ist doch der Grund, mitten in einem Satze, einen großen Buchstab zu machen; weil ein neuer logischer Satz kömmt. Man bekömmt nämlich der großen Buchstaben zu viel: zumal wenn der Verfasser sonst kurze Perioden liebet, die doch zusammen gesetzet seyn können.

11 Viele Kanzleyschreiber, auch wohl Juristen und Advocaten, gehen mit dem Puncte und Kolon so sparsam um, daß sie in ziemlich langen Sätzen, ja ganzen Schriften von vielen Blättern, kein einziges zu brauchen das Herz haben; und kaum am Ende der ganzen Aufsätze ein Semikolon wagen. Dieses ist nun eine gar zu große Sparsamkeit. Indessen hat zuweilen ihre so langgedehnte Schreibart Schuld, daß sie wirklich mit keinem guten Gewissen einen Punct machen können, wo der Sinn niemals geschlossen wird. Noch andere brauchen das Kolon und Semikolon niemals; sondern behelfen sich mit lauter Beystrichen. Beyde fehlen, und begeben sich ohne Noth erlaubter Vortheile.

12 Ich kann es unparteyisch sagen, daß in den Schriften der Franzosen und Engländer eine große Unwissenheit, oder Nachläßigkeit in dem Gebrauche der Unterscheidungszeichen herrschet: auch diejenigen nicht ausgenommen, die man für gute Stilisten hält. Damit man dieses nicht für verdächtig halte: so lese man die fontenellischen Schriften, und prüfe sie darnach. Nicht leicht aber habe ich ein französisches Buch besser abgetheilet gefunden, als den SECRETAIRE DES COURTISANS, der in Holland in 12 herausgekommen. Es ist ein sehr gutes Briefbuch.

13 Da man den Ton der Sprache, gleich im Anfange einer Frage, billig ändern muß; das Fragezeichen aber erst am Ende zu stehen pflegt: so muß man gestehen, daß es im Lesen nicht allen Nutzen leistet, den es leisten könnte, wenn es gleich im Anfange der Frage stünde. Man sieht dieses, wenn junge und unerfahrne Leute etwas lesen sollen: die bleiben bey ihrem ordentlichen, oft sehr schläfrigen Tone; wenn sie gleich schon weit in die Frage hinein gekommen sind. Eben das, ist von dem folgenden Ausrufszeichen zu sagen: zumal wenn die Frage mit keinem Wie oder Wer u.d.gl. der Ausruf aber mit keinem O! anfängt. Allein, was will man machen? In einer philosophischen Sprache würde mans freylich anders einrichten.

14 Man wird hieraus leicht begreifen, was man in der Beredsamkeit für Vortheile daraus ziehen könnte, wenn man junge Redner, zu einer guten Veränderung und Erhebung der Stimme anführen will. Wie elend sprechen itzo nicht die meisten öffentlichen Redner ihre Sachen aus! Gleichwohl hat man, bey dem Mangel ihrer eigenen Lebhaftigkeit, gar kein Mittel, ihnen einen Wink zu geben, wie sie dieses oder jenes recht erheben, oder senken; beschleunigen, oder aufhalten, stark, oder leise aussprechen, fröhlich, oder traurig, sanft, oder trotzig sollen hören lassen. Da könnten uns nun SIGNA GAUDII, DOLORIS, IRÆ, MISERICORDIÆ, INVIDIÆ, TIMORIS, u.d.gl. vortreffliche Dienste thun. Allein, wer würde auch die schläfrigen Naturelle den Gebrauch dieser Zeichen lehren; wenn ihre eigene Empfindung es ihnen nicht sagte? Wo dieser innerliche Lehrmeister fehlet, da sind alle Künste umsonst: wer denselben aber hat, der brauchet diese fast nicht.

15 Liest man nicht gewisset Stilisten Schriften mit einem Ekel, den nichts überwinden kann? Sie wollen alle ihre Gedanken und Einfälle auf einmal ausschütten; verwirren sich aber dergestalt, daß sie ein Einschiebsel ins andere stecken, und endlich selbst nicht mehr wissen, wo sie hingehören? Sollten die allemal obiges Zeichen machen, wohin es gehöret: so würde es an beyden Arten desselben nicht einmal genug seyn. Man würde ihnen zu gut noch ein Paar erfinden müssen: und wie schön würde eine solche Periode nicht aussehen?

16 Butschky aber in seiner Rechtschreibung begnüget sich mit dem scharfen Tonzeichen'; welches er aber auch über das s und andere Buchstaben setzet, wenn sie irgend etwas anders ausgesprochen werden sollen. Allein, da wir oben von der Länge und Kürze der Selbstlauter schon andere Regeln gegeben haben; auch theils die Verdoppelung derselben, so wie das h, sie lang; theils die vielen und verdoppelten Mitlauter sie kurz machen: so können wir solcher Künste gar leicht entbehren. Bleibt ja noch etwas übrig, das Ausländern schwer fällt, so müssen sie es aus dem Umgange lernen. Müssen wir es bey ihren Sprachen doch eben so machen!

Das V Hauptstück
Das V Hauptstück.
Orthographisches Verzeichniß gewisser zweifelhafter Wörter.

A 1 §.


Aal, der Fisch; die Ahle, ein Schusterpfriem; Alle.

Aas, ein todtes Vieh; er aß, von Essen. Ein As im Goldgewichte.

Abblasen, wegblasen; ablassen, abstehen; ablösen; ablesen.

Abenteuer, besser Ebenteuer, von EVENTURA; denn hiervon stammet selbst das französische AVANTURE her.

Abdecken, DETEGERE; Apotheke, der Arzneyladen.

Ach! ein Ausruf; Achen, die Stadt.

Achse am Wagen; die Achsel, HUMERUS; die Axt, ein Beil.

Acht und Aberacht, d.i. wiederholte Acht, nicht Oberacht.

Acht haben, Achtung geben. Acht, die Zahl; Agtstein.

Ähre, ARISTA; daher Ärnde, MESSIS; die Ehre, HONOR; ähern, von Metall; ehren, HONORARE; eher, ehr, PRIUS. Das Öhr am Topfe, der Henkel.

Altern, Vater und Mutter, von alt, älter; altern, alt werden.

Ärmel, der Theil der Kleidung, der die Arme decket.

Ärnde, MESSIS; von Ähren, nicht Erndte.

Ahnen, die Vorfahren; Ahnherr, einer davon; bisanher, nicht anhero. Es ahnet mir.

Alles, OMNE; als, also, folget auf gleichwie. DesAhles, Pfriems.

Alp, eine nächtliche Beängstigung; die Alpen, Gebirge.

Am an dem; Amme, eine gemiethete Säugerinn.

Ameise, FORMICA; alt, Ämse, davon ämsig, fleißig, nicht emsig.

Anger eine Weyde; ein Anker, so das Schiff hält;ankern, das Anker auswerfen. Ängern, ANGRIA, nicht Engern.

Arg, böse; die Arche, der Kasten des Noah; Argo, das Schiff der Argonauten; Argus, der 100 Augen hatte.

Arm, die Armen, dürftig; auch Arm, die Arme, BRACHIA, und die Armee, das Kriegesheer.

Asche, verbrannt Holz; ein Asch, ein Topf; dieÄsche, FRAXINUS.

[153] Athem, der Odem; athmen, Odemholen; Adam, der erste Mensch:

Athen, die Stadt in Griechenland.

Aue, eine Flur oder Wiese; Auge, womit man sieht, davon eräugen, es eräuget sich, d.i. ersehen, nichtereignen.


B.


2 §. Baal, der Götze; Ball, PILA; Bohle, ein dickes Brett; Pfal, PALUS; ein

Ballen, von Papier, oder Waaren.

Baar, als baar Geld; die Bahre, einen Todten zu tragen; und bar, die Endungssyllbe, als wunderbar; imgleichen barfuß, d.i. nacket, bloß an Füßen; einPaar; sie gebahr.

Backen, die Wange; backen, Brod backen; packen, von Pack.

Bad, Badstube; er bath, er ersuchete mich; ichbade; ein Pathe.

Bach, (der) ein klein fließend Wasser; eine Bache, ein Sau.

Bäche, die kleinen fließenden Wasser; ein Bächer, Pech, PIX.

Bälle, von Ball; bellen, das Geschrey der Hunde.

Bär, ein wildes Thier; die Beere, eine Frucht;Bährmutter, von gebähren; die Fähre, von fahren.

Bahne, die Straße; der Wahn, eine Meynung; eineWanne, ein hölzern Gefäß mit Reifen; Bann, EXCOMMUNICATIO; Pan, der Waldgott; Panier, eine Fahne.

Bahnen, den Weg bereiten; Wähnen, dafür halten;bannen, beschweren, die Pfanne.

Bald, geschwind, schnell; Wald, SILVA; der Schneeballt, oder ballet sich; Bohlen, starke Bretter.

Balg, (der) eine Thierhaut; Blasebalg, in Orgeln;Balge, ein Waschgefäß; sich balgen; Balken, ein behaltener Baum.

Ballast, Sand, womit man leere Schiffe belastet; Pallast, ein Herrenhof; Wallach, ein verschnittener Hengst.

Band, (das) VINCULUM; er band, LIGABAT;Pfand, PIGNUS.

Banner, bey den Alten so viel, als jetzo Panier, eine Fahne; Pfänner, von Pfanne, ein Salzjunker; bannen, vertreiben.

Bange, furchtsam; Bank, worauf man sitzt; oder worein man Geld leget; weil die Alten auf Kisten saßen. Panketieren, ein Gastmahl halten.

Barg, er barg sich, kömmt von bergen, sich retten, und dieß von Berg; Barke, ein Fahrzeug zur See;Parc, ein Garten.

Bart, am Kinne; eine Barte, ein Beil, davon Helmbarten; eine Warte, eine Hut, oder ein Wachthurm; ein Baret, ein alter Doctor- oder Magisterhut. Partisan, eine Streitaxt.

Baizen, nach Reigern jagen; beizen, das Leder einbeizen; beißen.

[154] Beet, ein abgetheilter Fleck im Garten, ein Blumenbeet; Bett, ein Federbett, worauf man schläft; dieBeete, eine rothe Wurzel, hochdeutsch Mangold genannt; bethen, Andacht halten; ich bäthe, von ich bath; ich böthe, von biethen.

Berg, ein hoher Erdtheil, beym Thale; Werk, eine Arbeit, Verrichtung; Werg, Werrich, STUPA.

Beil, eine kleine Axt; Beule, eine Geschwulst, oder ein Geschwür; die Weile, MORA; Pfeil, TELUM.

Bein, ein Fuß oder Knochen; der Wein; fein, schön;Pein, der Schmerz.

Beiß, MORDE; weiß, CANDIDUS; weißen, DEALBARE; ich weis, SCIO; davon weise, SAPIENS;weisen, MONSTRARE.

Beräuchern, in den Rauch hängen; bereichern, reich machen.

Besen, womit man kehret; die Bösen, MALI; besehen, beschauen; besäen, den Acker.

Beute, der Raub vom Feinde; er beut, oder giebt dar;weit, entfernt; beyde, ihrer zween; beiten, warten.

Betten, das Bett machen; bethen, sein Gebeth thun;bäthen, ROGARENT; wetten, SPONSIONE CERTARE; ein Beet im Garten.

Bezeigen, erweisen; bezeugen, durch Zeugnisse darthun; besiegen, überwinden.

Bier, das Getränk; Bühre, ein Überzug der Bette; Birne, PYRUM; wir, NOS; mir, MIHI.

Biene, eine Honigfliege; Bühne, ein erhabenes Gerüst; ich bin.

Bibel, die heilige Schrift; Biber, der Castor; Fiebel, ein Abc Buch; Zwiebeln.

Biethen, OFFERRE PRETIUM; miethen, CONDUCERE; und bitten, PETERE; gebiethen, befehlen; Beuthen, alt, warten.

Bisam, oder Bisem, ein Geruch; die Wiesen, PRATA; die Binsen, JUNCI; pinseln, malen.

Biß, die Verletzung mit Zähnen; bis, DONEC.

Bissen, ein Stück in den Mund zu stecken; davon einBißchen, ein wenig; büßen, leiden.

Bitten, ROGARE; biethen, OFFERRE; wüthen, SÆVIRE; gebiethen, befehlen; bethen, ORARE;betten, das Bette machen.

Blaß, bleich; die Blässe, die bleiche Farbe. DieBlase, VESICA; blasen, hauchen; erblassen, bleich werden.

Blatt, auf dem Baume, oder im Buche; platt, flach, oder niedrig, wie plattdeutsch; eine Platte, von Marmor, oder Metall.

Blech, ein dünnes Eisenblatt, davon blechern; einBlachfeld, von flach, die Fläche; bleich, blaß.

Blöken, schreyen wie die Schafe; blecken, gleich den Hunden die Zähne weisen; den Blöcken, Klötzern;Flecken, MACULAE.

[155] Blut, der rothe Saft in den Adern; die Blüte, der Bäume.

Bock, ein Widder; Pocken, die Blattern; die Backen,GENÆ

Both, der Zeitungen oder Briefe bringt; er both, OFFEREBAT; ein Boot, ein kleines Schiff; derBoden, eines Gefäßes oder Zimmers; die Pfote, der Fuß eines Thieres.

Borte, oder Rand, die Einfassung; davon bordiren; an Bort gehen, sich zu Schiffe begeben; er bohret, TEREBRAT; der Port die Anfart, der Haven; diePforte, die Thüre.

Brauer, BRAXATOR; Bauer, der Ackersmann, nicht Pauer; Bauherr, der etwas bauen läßt.

Braut, eine Verlobte; er brauet, er bereitet Bier;breit, LATUS.

Bräute, verlobte Weibsbilder; die Breite, LATITUDO; die Freyte.

Brache, womit man den Flachs bricht; er brach, FRANGEBAT; das Feld liegt brach; brachen, den Acker umstürzen; brechen.

Briefe, LITERÆ davon ein Breve, in der päpstlichen Kanzley, er berief ihn, VOCABAT; prüfe, versuchen.

Brillen, wodurch man sieht; brüllen, MUGIRE;Prügeln.

Brücke, PONS; Brügge, die Stadt in Flandern; Bric ken, Neunaugen; einen berücken, betriegen, fangen.

Bücken, sich krümmen; die Piken, oder Lanzen; picken, mit dem Schnabel hacken, davon Pickelhauben; Pickelhering, sollte Päckelhering heißen, von packen.

Breit, LATUS; bereit, PARATUS; ein Tuchbereiter; ein Bereuter.

Bruch, FRACTURA; imgleichen Bruch, ein sumpfigtes Gebüsch: vor Alters auch die Hosen; plattdeutsch Brook.

Buch, LIBER; eine Buche, FAGUS; er buck, von einem Bäcker; Bug, die Schulter und Vorderpfote eines Wildprets; ein Pochwerk; pochen, einem trotzen.

Bückling, ein REVERENZ; Pickling, geräucherter Hering.

Bude, ein Kramladen; die Butte, ein Fisch, auch ein hölzern Gefäß.

Bügel, was krumm gebogenes; Bühel, ein Hügel;Buckel.

Buhl, ein Liebhaber; die Bulle, ein päpstl. oder kaiserlicher Reichsschluß, wie die güldene Bulle; derBull, ein Brummochs, oder Stier; Pulle, von AMPULLA; ein großer Krug.

Bund, FŒDUS, imgleichen eine türkische Binde um den Kopf; und bunt, vielfärbicht; wund, verletzet; ein Pfund, PONDUS.

Buße, die Reue; oder Strafe; der Busen, SINUS; derMeerbusen.


C.


3 §. Da dieser Buchstab nicht einheimisch, sondern fremd ist: so giebt es nicht viel Wörter, die damit geschrieben werden könnten, und doch [156] zweifelhaft wären. Wir wollen aber diejenigen doch anmerken, die bisher mit C geschrieben worden, und von rechtswegen ein K haben sollten: weil sie entweder hebräischer, oder griechischer, oder lateinischer, oder ursprünglich deutscher Abkunft sind.

1) Unter die Hebräischen gehören: Kain, Kaiphas, Kaleb, Kanaan, Kana, Kapernaum, Kephas, Kleophas u.d.gl.

2) Griechische: Kallimachus, Kallisthenes, Katechismus, Katheder, Kathedralkirche, Katholisch, Klaus, Kleobulus, Klinia, Klitiphon, Kobold, Kolik, Kolon, Korinth, Krates, Kreta, Kritias, Ktesiphon; Isokrates, Lykophron, Lykander, Lykosthenes, Nikander, Nikolaus, Nikomedes, Sokrates etc.

3) Lateinische: Kaiser, Kalender, Kamin, Kammer, Kämmerling, Kämmerer, Kanzel, Kanzley, Karpen, Kessel, Kloster, Koblenz, Köln, Körper, Kostnitz, Kreuz, Krone, Küster etc.

4) Deutsche: Kabinet, Kalbe, Kalenberg, Kalfatern, Kalmar, Kalmuck, Kamburg, Kamenz, Kamerad, Kammerich, Kamin in Pommern, Kammerstein, Kampen, Kanstadt, Kappenberg, Karolath, Karl, Karlsbad, Karlskrone u.d.gl. Käthe, Kassuben, Kallen, Katzbach, Katzenelnbogen, Katzenstein, Kolditz, Kolmar, Kuhr, Kuhrfürst, Klammer, Klettenberg, Kleve, Klingenberg, Kloppenburg, Koburg, Köcher, Kolberg, Koldingen, Kolditz, Kolenberg, Kölleda, Konrad, Könnern, Köpenig, Koppenhagen, Körpach, Körlin, Korvey, Kößfeld, Koswig, Köslin, Köthen, Kosaken, Kosel, Kotbus, Kotwitz, Kranach, Krain, Kranemburg, Kranich, Kranichfeld, Kranz, Kranzberg, Kreis, Krempe, Krems, Krespin, Krossen, Krottendorf, Küstrin, Kunz, Kurland, Kuttenberg, Kuxen, Kuxhaven, u.d.gl.m.


D.


§ 4. Dach, TECTUM; Tag, DIES; Dacht, oder Tocht in einer Kerze; ich dachte, COGITABAM; Dachs, das Thier; decken.

Damm, um einen Teich, davon dämmen; Damhirsch, von DAMA, nicht Dann- oder Tannhirsch;Dampf, EXHALATIO.

Dän, einer aus Dänemark; den, ILLUM; denen, ILLIS; dehnen, recken, zerren; tönen, klingen, schallen; die Tenne, eine Scheure, tännen, von Tannenholz; Tonnen.

Datteln, eine Frucht; tadeln, etwas verwerfen; tändeln, spielen.

Dauen, wenn das Eis schmilzt; thauen, auf dem Grase.

Dicht, enge beysammen; dichten, nachsinnen, FINGERE; ein Dichter, ein Poet; verdichten, etwas dicht machen.

Dienste, SERVITIA; Dünste, VAPORES, feuchte Dämpfe.

Der, IS; Teer, Wagenschmeer; derer, ILLORUM.

Dicke, der Umfang; verdicken; Tücke, die Arglist.

[157] Dingen, um eine Sache handeln, oder miethen; Düngen, den Acker bemisten.

Dir, TIBI; Thier, ANIMAL; Thüre, PORTA; Dürr, trocken, hager.

Dogge, ein engländischer Hund; Tocke, eine Puppe;Toggenburg.

Dole, ein Vogel, der reden lernet; toll, närrisch;Dalen, spaßen.

Don, der Strom; die Done, eine Vogelschlinge;Donau, der Strom; Dohna, das burggräfl. Haus;Ton, der Laut; Thon, des Töpfers; davon thönern, von Gefäßen.

Drang, PREMEBAM; davon drängen, drücken;Trank, das Getränk; ich trank, POTABAM; gedrang, COMPRESSE.

Drat, von Eisen oder Metall; ich trat.

Drey, TRIA; treu, FIDUS; die Treue; ich dräue, oder drohe; der Dritte; die Tritte.

Drucken, IMPRIMERE; von Leinwand und Büchern; drücken, PREMERE; trocken, SICCUS;trocknen, SICCARE; imgl. treugen.

Du, TU; thu, FAC; ich thue, FACIO; dumm, FATUUS.

Dünkel, ein Wahn; Dinkel, Spälze, eine Art Geträides, davon Dinkelspiel; besser Dinkelsbühel, d.i. ein Hügel, worauf Dinkel wächst.

Dunken, dafür halten; tünchen, überweißen; dingen, handeln; düngen, misten; eintunken, in eineTunke.

Dumm, einfältig; der Thum, plattdeutsch Dom, von DOMUS EPISCOPI, wo der Bischof seine Wohnung hat; Domherr.


E.


5 §. Ebenholz, EBENUM; der Eibenbaum; Ebschbeeren.

Ecke, (die) ein Winkel; die Ecker, eine Eichel; Äcker, von Acker, die Felder; die Egge, auf dem Felde, von eggen; Hecken, RUBUS.

Ehe, (die) der Ehestand; ehe, bevor; die Höhe, ALTITUDO.

Ehre, HONOR; eher, geschwinder; ehren, HONORARE; ähern, von ÆNEUS, metallen; Ähre, ARISTA; er, ILLE; ein Nadelöhr.

Eisen, FERRUM; das Eis, GLACIES; aufeisen; heiß, vom Feuer.

Ey, ein Ausrufswort; so auch hey! das Ey, OVUM; eben so alle Endsyllben auf ey, als Häucheley, Gleißnerey, u.d.gl.

Eiche, der Eichbaum; euch, VOBIS; häucheln.

Eigen, PROPRIUS; davon ein Eigner, und zueignen; eichen Holz, QUERCUS; äugen, eräugen, von Augen, sich zutragen.

Eile, die Geschwindigkeit; die Eule, ein Vogel; heulen, EJULARE.

Eiter, in den Geschwüren; Kuheuter; die Eyder, ein Fluß.

Elle, (die) ein Längenmaaß; el, eine Endsyllbe, die eine Verkleinerung anzeiget; als Gurt, Gürtel; Öl, OLEUM; die Eller, oder Erle, ALNUS; ellern Holz; ein Häller, von Halle.

[158] Ende, FINIS; Ente, oder vieleicht Aente, von ANAS; behend.

Enden, beschließen; ändern, MUTARE; entern, ein Schiff erobern, von ENTRER.

Endlich, TANDEM; endelich, geschwind.

Engel, ANGELUS; Enkel, Kindeskind; England, nicht Engelland.

Elend, MISERIA; ein Elendthier, von ALX, d.i. ein fremdes Thier.

Erz, die Erhöh, als Erzvater, Ärz, von ÆS oder ÆRETZ, hebr. die Erde.

Ermahnen, HORTARI; sich ermannen, erkühnen.

Erbe, HÆRES; die Erbschaft, HÆREDITAS; Erbsen, eine Schotenfrucht; erblich, ein Erbstück; herbe; der Herbst.

Essen, sich sättigen; die Feuerässen; ätzen, eingraben, füttern.

Euer, VESTER; Eyer, OVA; heuer, dieß Jahr; davon heuren, miethen: heurathen, freyen; undHure, eine gedungene Metze.

Euch, siehe Eiche.

Eule, sieh Eile; heulen, EJULARE; heil, heilen, SANARE.

Euter, UBER; Eiter, PUS, was aus einem Geschwüre läuft.


F.


6 §. Fahen, fangen; die Fahne, ein Panier; ein Faden.

Fahren, VEHI; Fahren, Reinfaren, FILIX, Farrenkraut; Pfarrer, der Geistliche; alt, Farr, ein Rind.

Fährt, VEHITUR; Pferd, ein Roß; werth, CARUS, HONORATUS.

Fäuste, die geballten Hände; feist, fett; er weist, INDICAT.

Fäule, die Verwesung; Feile, LIMA; Pfeile, SAGITTA; Veilchen, die Blumen; feil, zu Kaufe; fehlen, mangeln, versehen.

Farr, ein Ochs; Pfarr, oder Pfarrer, der geistliche Seelensorger; die Pfarre, sein Kkchenamt; fahren, VEHI. Fahl, oder falb, gilblich, blaßgelb; Pfahl, ein in die Erde gestoßener Stock, oder Pflock, einFohlen, besser Füllen.

Fall, CASUS; die Falle, die man Thieren aufstellet.

Falte, (die) am Kleide, PLICA; ihr fallet, CADITIS;walten.

Fahne, des Krieges; die Pfanne, ein Gefäß; derWahn.

Fehl, Fehler, ein Gebrechen; fehle nicht, NE ABERRA; Pfähle, die in der Erden stecken; ein Fell; dieWelle, UNDA.

Fast, beynahe; faste du, iß nicht, er fasset, CAPIT, hält fest.

Fand, (er) INVENIEBAT; Pfand, PIGNUS; er pfändet, er nimmt etwas zum Pfande; die Wand.

Feige, FICUS, ein feiger, ein blöder Mensch; dasFeuer, die Glut; die Feyer, ein Fest, oder die Begehung desselben.

Feist, fett; die Fäuste, PUGNÆ; die Fasten, JEJUNIUM.

[159] Fell, die Haut eines Thieres; die Fälle, Begebenheiten; ein Fehl, ein Mangel, Gebrechen; feil, was zu kaufe ist.

Feld, Acker; er fällt, CADIT; er fehlt, DEEST; die Welt, MUNDUS; der Bält, das baltische Meer; erbellet, LATRAT, wo einige sagen, er billt.

Feder, PENNA; die Väter, PATRES; der Vätter, PATRUELIS, des Vaters Bruder; ein fetter Mensch, der feist und dick ist; das Wetter, TEMPESTAS; das Wetterleuchten, Blitzen.

Fersen, CALX; die Verse, der Dichter; versehen, ERRARE.

Fiel, (er) CADEBAT; viel, MULTUM; ich fühle, SENTIO; das Gefühl, ein Pfühl.

Finnen, das Volk in Finnland; Fünnen, Blattern im Gesichte, oder Drüsen im Schweinefleische.

Flach, eben, niedrig; die Flagge, die Fahne am Schiffe; die Fläche, PLANTIES; die Pflege, NUTRITIO.

Flachs, LINUM; die Flasche, LAGENA; die Flechsen, Spannadern. Flächsen, was von Flachs ist;flach, platt, eben.

Flaumfedern, die Pflaumen, Früchte.

Flehen, sehr bitten; sie flöhen, FUGERENT; pflegen, einen wohl versorgen; imgleichen pflegen, gewohnt seyn.

Fleiß, DILIGENTIA, davon fleißig; Fleisch, CARO; fleischicht.

Flicken, ausbessern; fligg, von jungem Gevögel;pflücken, ausrupfen; pflöcken, anheften; pflegen, SOLERE, CURARE.

Fliegen, VOLARE; fliehen, FUGERE, pflügen, ackern, flink, hurtig.

Fliege, (die) MUSCA; die Flüge, VOLATUS; diePfluge, ARATRA:

Fließen, FLUERE; Fliesen von Stein, oder Porcellan; das goldne Vließ, VELLUS AUREUM; Fleiß, sich befleißen, STUDERE.

Floh, PULEX, davon flöhen, Flöhe suchen; er floh, FUGIEBAT; er flog, VOLABAT.

Fluch, EXSECRATIO: der Pflug, ARATRUM; derFlug, die Flucht FUGA.

Fodern, oder fordern, begehren, heischen: fördern, befördern, beschleunigen, forthelfen; fürter gehen, alt, für weiter gehen.

Fort, weiter, weg; Furt, ein Durchgang durch einen Fluß, davon Anfurt, Erfurt, Frankfurt; die Pforte.

Fracht, die Ladung; er fraget, QUÆRIT.

Freyer, (ein) HOMO LIBER; ein Freyer, PROCUS, kömmt von dem gothischen frijan, lieben, davonFrijand, ein Freund, und Frijar, ein Freyer, oder Liebhaber; sich freuen, GAUDERE.

Frist, der Zeitraum; er frißt, begierig essen.

Fuder, eine Ladung; Futter, PABULUM, imgleichen das innere Zeug eines Kleides; davon füttern.

Führen, einen leiten; Vier, die Zahl; feyern, FERIARI.

[160] Fund, (ein) eine Erfindung; Pfund, LIBRA; er fund, besser, er fand ihn zu Hause; Pfand, PIGNUS.

Füllen, PULLUS; füllen, voll machen; fühlen, SENTIRE; vielen, PLURIBUS; fielen, CADEBANT;wühlen; Pfühle, in Betten; ein Pfuhl, PALUS.

Für, PRO, LOCO; führe, DUC; viere, QUATUOR;wir, NOS.

Fürst, PRINCEPS; du führest; du wirst; die Würste, FARCIMINA; eine Bürste, SCOPÆ:


G.


7 §. Galle, FEL; der Gallapfel; St. Gallen, das Kloster; ein Gall, SONUS; davon Nachtigall; imgleichen gällen, die Ohren gällen, d.i. schallen mir;geel, gelb, Galla.

Gans (die) ANSER, der Gänserich; ganz, TOTUS;gänzlich, TOTALITER.

Gar, PENITUS; gahr gekochet; Jahr, ANNUS;Garn, gesponnene Flachsoder Woll-Fäden; derKarren; das Garaus.

Garbe, (die) ein Bündel Geträyde; der Karpen, der Fisch.

Gatte, ein Ehgatte; die Gattinn, die Ehfrau; gättlich, was sich schicket; göttlich, von Gott; ein Gatter von Latten.

Gaum, PALATUS; kaum, VIX; keimen, der Keim.

Gebiehr, PARE, von gebähren; die Gebühr, die Pflicht, Schuldigkeit; das Gewirr; das Gemurr.

Gebiehtt, (sie) PARIT; es gebühret sich, DECET.

Gedräng, der Zusammenlauf des Volkes; gedrang, dicht, enge beysammen; das Getränk, POTUS; das Getrink, COMPOTATIO.

Gefährt, (ein) ein Mitreisender: Gefährde, DOLUS; die Gewähr leisten; das Gewehr; das Gewirr.

Gegen, ERGA; die Gegend, ein imliegender Boden; gegentheils.

Gehenk, woran der Degen hängt; ungleichen das Ohrengehenk, gehenket, aufgehenket; ist besser, als gehangen.

Geil, unzüchtig; die Gäule, Rosse; geel, gelb.

Geisel, OBSES; Geißel, eine Peitsche; die Geise, eine Ziege.

Geld, die Münze; die Gelte, ein holzern Gefäß; gelt? ein Fragewort; was gilts? von gelten, VALERE.

Gelehrt, ERUDITUS; gelernet; geleeret, ausgeleeret.

Geleit, eine Begleitung, Sicherheit; das Geläut, das Lauten der Glocken; glätten, glatt machen.

Gelübd, das Versprechen; die geliebte Person.

Gerade, (die) das Geräth; ich gerathe; man hat mirgerathen.

Gern, willig; der Kern, NUCLEUS; der Gehren, an einem Kleide; das Gähren, des Getränkes; körnen, locken, von Korn.

[161] Gemäld, ein Bildniß; gemeldet, erwähnet; gemalet; vermählt.

Gerücht, FAMA: das Gericht, der Obrigkeit; derKehricht.

Geschichte, HISTORIA; geschickt, von schicken;Gesicht, Antlitz.

Gespenst, eine Erscheinung; Gespinnst, was gesponnen ist; Gespons, eine Verlobte; ein Gespan, ein Mitgesell; Gespe.

Gestad, eine Anfurt am Ufer; ich gestatte, erlaube.

Glauben, CREDERE; klauben, mühsam aussuchen; ein Kloben.

Gleiten, stolpern, glitschen; geleiten, begleiten; kleiden, davon bekleiden; NB. ein Amt bekleiden, nicht begleiten.

Glucken oder gluchzen, wie eine Henne locket;Glocke, CAMPANA; glücken, gelingen; klug, klüglich.

Götz, ein Abgott; jetzt, itzund; ergätzen, erquicken, kömmt von Atz, ätzen, speisen, füttern.

Gott, DEUS; ein Goth, GOTHUS; die Koth; dasJod; die Kothe, von Käthe; Käthe, Catharina.

Grab, SEPULCRUM; Krapp, eine Art Färberröthe; ich grabe; der Graben, FOSSA; Krappen, kleine Seekrebse; Krabbeln, Kribbeln.

Gram, (der) der Kummer; der Kram, davon kramen, feilhaben; gram, gehäßig; grämisch, grimmig.

Gränze, FINIS; von dem alten Granitz; Kränze, SERTA, CORONÆ.

Grauen, sich fürchten; grauen, grau werden; krauen, sich im Kopfe kratzen; Graven oder Grafen, COMITES.

Grind, ein Ausschlag, davon grindig; die Gründe, Beweise; Gründling, ein kleiner Fisch; grundlich, EX FUNDAMENTO.

Güter, Langgüter, oder Vermögen; das Gitter, von Eisen, oder Holz; auch Gegitter; das Gatterwerk.

Gunst, Gewogenheit; Kunst, ARS; günstig, künstlich.


H.


8 §. Haabe, (die) das Vermögen; ich habe, HABEO; der Haber, AVENA; eine Handhabe, von heben.

Haare, CAPILLUS; harre, warte; hären, von Haaren gemacht; haaren, die Haare fallen lassen; haarklein.

Hälfte, (die) von halb, DIMIDIUM; helfet, JUVATE; ein Helfer.

Hacken, hauen; die Hacke, das Werkzeug dazu, imgleichen die Ferse: der Haken, worauf man etwas henket.

Hader, Zank; Hadern, Lumpen; NB. dieß Wort ist nur aus dem Geschrey der Lumpensammler, nach der pöbelhaften Aussprache, entstanden: Ha't ir Lumpen? d.i. habt ihr Lumpen? daher man zum Spotte gesaget hat: eine Haderlump, und endlich allein ein Hader, die Hadern: aber falsch.

[162] Häft, am Degen, imgleichen die Haft, Verhaft, eine Gefangenschaft, von haften, sich anhalten; einHeft, von Papier, von heften.

Hafen, (der) ein Topf; der Haven, imgl. Havana in America, eine Anfurt, daher HAVRE DE GRACE; Kiobenhaven, d.i. Kopenhagen, gleichsam Kaufhaven; die Hawel, ein Fluß; das Haff, heißt im Schwedischen ein See, einige große süße Wasser in Preußen und Pommern,die mit der Ostsee verbunden sind.

Haag, die Stadt; vormals ein Wald, davon alle Namen der Städte und Dörfer, mit hagen; imgleichen hägen, und das Gehäg kommen; davonhägen, bewahren.

Hall, der Schall; einhällig, einstimmig; mishällig; die Halle.

Halle, eine Stadt, wo man Salz siedet, von ἁλς; davon ein Häller, die kleineste Münze, die in Halle zuerst geschlagen worden, und von den Alten Haller genennet worden. Denn 1527 hat Görg Graf ein Lied gemacht, das sich anhebt:


Gelobt sey, der zum ersten erdacht,
Das man in der Münz die Haller macht!
Er hat es wohl besunnen.

Hamen, ein Angel; davon hämisch, listig, boshaft;Ham, ein Flecken bey Hamburg; Cham, des Noah Sohn; Chamb, eine Stadt; hemmen, aufhalten;heim, zu Hause.

Hangen, PENDERE; henken, APPENDERE; daher der Henker, CARNIFEX, nicht Henger.

Has, LEPUS; der Haß, ODIUM: hassen; Hosen, Beinkleider, vormals auch die Strümpfe, davon Hosenstricker.

Hauch, der Athem; daher häucheln, einem falsche Liebkosungen vorsagen; Eicheln, die Eckern; Eichen, die Bäume dazu.

Haußen, hier haußen; Hausen, ein Fisch; hausen, wohnen; ingl. übel hausen; Hausiren, von Hause zu Hause gehen.

Hayn, ein heiliger Wald, wie Zeithayn, Großenhayn;Hahn, GALLUS;heim, zu Hause; heimsuchen, besuchen.

Haupt, CAPUT; die Haube, ein Kopfputz; daherhauben, behauben, behaupten; enthaupten.

Haut, CUTIS; Häute, PELLES; heute, HODIE; eine Heide, der Heyd.

Hecken, Junge brüten; die Häcken, zackichtes Gebüsch, von den Haken, oder Stacheln, womit es gemeiniglich versehen ist; oder von Haag, ein Wald; hacken, klein hauen: eine Hacke, das Werkzeug dazu; Hagebuchen, Häynbuchen.

Heer, eine Menge Kriegsvolk; Herr, DOMINUS;her, HUC; höre, AUDI; höher, ALTIUS; hehr, heilig, ist alt.

Herd, (der) FOCUS; die Heerde, GREX; die Härte, DURITIES.

[163] Hefen, (die) FÆCES; die Häfen, Töpfe; die Häven, die Anfurten; die Höfe, von Hof; heften, befestigen.

Heil, SALUS, davon heilen, Heiland; heule, EJULA, davon die Eule.

Heiß, CALIDUS; Eis, GLACIES; heisch, RAUCUS; heische, fodere.

Heißen, nennen; heizen, CALEFACERE; Eisen, FERRUM.

Heiter, SERENUS; ein Bärenhäuter, der auf der Bärenhaut liegt, oder ein Faulenzer. S. Eiter; dieHeyden, PAGANI.

Hell, licht, davon erhellen; Höhle, CAVEA; einHäller, die Münze; Hälter, ein kleiner Fischteich; ein Höhler, nicht Hehler, der das Gestohlene aufbehält; verhöhlen, verbergen.

Hemme, halt auf, hindere; Hemde, INDUSIUM; dieHenne, GALLINA.

Herb, AMARUS; Herbst, AUTUMNUS; Erbse, PISUM.

Heu, oder wie man in alten Büchern findet, Häu, FŒNUM, von Hauen; Hey! ein Ausruf; Heidekorn.

Heuer, dieses Jahr, davon heuren, miethen, heurathen, freyen, davon eine Hure; ein Häuer, ein Schnitter; ingleichen ein Eber.

Heulen, EJULARE; heilen, SANARE; eilen, PROPERARE; die Eule.

Heyde, PAGANUS; Heide, ein unfruchtbares Land, wie die Lüneburger Heide; Hayde, ein großer Wald, wie die Dübener Hayde; heute, diesen Tag; der Eid, JUSJURANDUM.

Hinken, CLAUDICARE; sie hingen, von hangen; sie henken.

Hinten, A TERGO; der Hintere, NATES, POSTERIORA; die Hindinn, eine Hirschkuh; Hündinn, CANIS FEMELLA; hindern, IMPEDIRE.

Hirsch, CERVUS; der Hirsen, MILIUM; einen ihrzen, VOSSITARE.

Hirt, PASTOR; die Hürde, der Verschlag um eine Heerde Schafe.

Hof, (der) AULA, des Hofes, bey Hofe; ein Höfling;hoffe, SPERA.

Hohl, CAVUS; eine Höhle, CAVERNA, davon aushöhlen; holen, ADFERRE SIBI; die Hölle, INFERI; hell, klar; hölzern, LIGNEUS.

Hohn, der Spott; die Hohen, erhabenen; die Höhe, LOCA EXCELSA.

Holm, eine Insel, wie Bornholm; Halm, ein Rohrgewächs, das hohl ist; Helm, eine Sturmhaube; davon Helmbarte.

Horden, der Tartarn ihre Haufen, gleichsam Hürden; der Orden, ORDO; an den Orten, das ist,Örtern.

Hund, CANIS, davon die Hündinn; und, ET; dieHindinn s. Hinten.

Hungern, ESURIRE: ungern, INVITUS; s. Ungarn.

Hut, die Wache; imgleichen die Decke des Hauptes, mit einem breiten Rande; weil sie den Kopf vor Sonne und Regen behütet, davon Landeshut, Obhut.


I. Der Selbstlauter.


9 §. Ich, EGO; ig, die Endsyllbe, als traurig, gütig.

Ihm, IPSI; im, in dem, als im Sommer; eine Imme, die Biene.

[164] Ihn, IPSUM; in, das Vorwort; die Inne, ein Fluß;inn, die Endsyllbe des weiblichen Geschlechts, als von Mann, Männin; von Fürst, Fürstinn, Königinn; vorzeiten Fürstinne, Königinne, daher bey Verlängerung des Wortes, zwey n kommen; als Fürstinnen, Königinnen.

Ihnen, IPSIS; innen, darinnen, von hinnen.

Ihr, vos; ein Irr, oder Irrländer ihren, SUUM;irren, ERRARE, davon Irrthum, Irrgang; dieIrre, in der Irre gehen.

Insel, Infel, nicht Insul, Inful, obwohl es von INSULA, INFULA kömmt; so wie man von REGULA, CAPITULUM, Regel, Capitel, spricht und schreibt.

Irden, von Erde; so auch irdisch, nur mit einem r; Hürden.

Ist, EST; et ißt, EDIT; so auch, du bist, ihr bisset, MORDEBATIS; ihr wisset, SCITIS; ihr wieset, OSTENDEBATIS.

Itzt, soviel als jetzt, oder jetztund: nicht aber ietzt, weil der Ton in der Aussprache kurz ist.


J. Der Mitlauter.


Ja, ITA; jäh, steil: davon jachzornig, schnell zum Zorne; die Jacke, ein Wamms; Jäckel, heißt Jakob.

Jahr, sieh Gar.

Jener, ILLE; Jänner, der Wintermond; Gönner, FAUTOR; jähnen, den Mund aufrecken; Jahn, soviel als Johann.

Joch, JUGUM; der Koch; Juchhey! das Geschrey eines Trunkenen; Gog und Magog; Joachim, pöbelhaft Jochem.

Jude, IUDÆUS; der gute, BONUS; Jutta, die heil. Judith.

Jung, JUVENIS; der Junge, FAMULUS; Junker, ein Edelmann, kömmt von jung und Herr, gleichsam ein junger Herr.

Jucken, PRURIRE; gucken, sehen; ein Sterngucker.


K.


10 §. Kalt, FRIGIDUS; es galt, VALEBAT; vongelten; die Kälte, FRIGUS; die Kelter, TORCULAR; die Gelte, ein hölzern Gefäß.

Kam, VENIEBAT; der Kamm, PECTEN, oder CRISTA; davon kämmen, PECTERE; sie kämen, VENIRENT.

Kampf, ein Streit; Kamp, ein morastiges Stück Viehweyde; Kampfer, CAMPHORA; ein Kämpfer, GLADIATOR.

Kann, POSSUM; die Kanne, CANTHARUS; einKahn, LINTER.

Karpen, (ein) CARPIO; die Garbe, ein Bündel Geträyd; Kerbe.

Karren, CARRUS, ein Wagen, davon die Karrethe, Karrosse; Garn, FILUM.

Karte, (die) Spiel- oder Landkarte; davon karten, das Spiel mischen; Garten, HORTUS; Garde, die Wache.

[165] Kaufen EMERE, davon Käufer EMTOR; keifen zanken.

Kehle im Halse; die Kelle des Mäurers; der Keller CELLA.

Kehren VERTERE; imgleichen VERRERE SCOPIS; köhren oder kühren, heißt wählen; davon die Willkühr, erkohren, imgleichen Kuhrfürst, weil er den Kaiser wählet; ein Gehren am Kleide.

Keil CUNEUS; die Keule CLAVA; geil LASCIVUS; geel, gelb.

Keller CELLA; der Kellner CELLARIUS; der Köhler ein Kohlenbrenner CARBONARIUS; einKölner, COLONIENSIS.

Kern NUCLEUS; gern LIBENTER; Korn GRANUM; körnen die Vögel mit Futter locken.

Kiel, an der Feder, am Schiffe, imgleichen die Stadt in Hollstein; kühl von kalt; Keil CUNEUS.

Kien, harziges Fichtenholz; kühn, beherzt; dasKinn, MENTUM; keiner keine, kein.

Kennen, NOSSE; können, POSSE; gönnen OPTARE; jähnen.

Kies, grober Sand; kiese, wähle; Küsse, BASIA; einKüssen.

Kindlich, FILIALIS; kündlich, kundbar, MANIFESTUS; kühnlich herzhaft; Kienöl; Kienholz.

Kindschaft, FILIATIO; die Kundschaft, ein Kundschafter.

Klauben, mit den Fingern; glauben, CREDERE;Kloben, eine Art des Hebezeuges; Klappen, Klappholz, zum Schiffbaue.

Kleben, HÆRERE; bekleiben, von Gewächsen;klauben.

Klein, PARVUS; die Kleyen, FURFUR.

Klemmen, COARCTARE; klimmen, in die Höhe klettern; glimmen, von den Kohlen.

Kletten, die zackigen Gewächse, die sich anhenken;glätten glatt machen.

Klöße, GLEBA; Klößer, von Mehle; Gläser Klas, von Nikolas.

Knabe, PUER; daher ein Mühlknapp, Bergknapp; Knäbelbart, BARBA JUVENILIS; knapp genau, glatt.

Kohle, (die) CARBO; der Kohl, BRASSICA; kahl; die Kugel, GLOBUS.

Köhler, (der) CARBONARIUS; das Koller, ein Zierrath um den Hals, COLLARE; imgleichen bey den Pferden eine Tollheit.

Köln, COLONIA, ein Köllner, COLONIENSIS; der Keller, CELLARIUS; die Kehle GUTTUR; Kehl, die Reichsfestung; geel, gelb.

Korn, GRANUM; sie kohren, sie wähleten; es gohr, von gähren; Garn FILUM; Gorl, ein gedrehter Seiden- oder Silberfaden.

Koth, Unflath; eine Kathe ein Bauernhaus; Kothen, die Hütten, darinn Salz gesotten wird; Köthen, die Stadt; Käthe Katharine; jäten, ausreuten.

Krähe (die) CORNIX; krähen, das Geschrey des Hahnes; davon krächzen, ein jämmerliches Stehnen; das Kröchzen der Raben.

[166] Kranich, (der) GRUS; der Krahn, ein Hebezeug in Seestädten, große Lasten aus den Schiffen zu heben; die Krone; ein Gran, ein Apothekergewicht; Gram, die Traurigkeit.

Kreis, (der) ein Zirkel; der Greis SENEX.

Krimmen, (das) besser das Grimmen im Bauche; davon der Grimmdarm, COLON; die Krümme, CURVATURA; krümmen, INCURVARE; derGrimm, IRA; die Krimm in der Tartarey.

Katze (die) FELIS; gatzen wie die Hühner nach dem Eyerlegen schreyen; hetzen, mit Hunden jagen.

Kraut, HERBA; mir grauet, HORRESCO; er grauet, er wird grau.

Kriegen, bekommen; imgleichen Krieg führen; einKrüger, Gastwirth, von Krug; kriechen, REPERE; die Griechen, GRÆCI; die Kirche, TEMPLUM; Gries, eine Art von Grütze.

Kuchen, PLACENTA; die Küche CULINA; die Köchinn, COQUA; ein Küchlein, ein jung Huhn;Gucken, sehen.

Küttel, ein leinener Rock, von Kutte; der Knüttel, ein Prügel; die Knutte geben, auf russisch.

Kutsche, ein bedeckter Wagen, nicht Gutsche; Kuxe ein Antheil an Bergwerken; gucken scharf sehen.

Kummet, ein Pferdegeschirr; Kummer, MŒROR;Kümmel, CUMINUM; Gümpel, ein Vogel; Kuhmilch.

Kühl, FRIGIDUM; Kiel einer Feder Untertheil; imgleichen der unterste Grundbalken des Schiffes, der nach der ganzen Länge des Schiffes geht. Nach alter Art, das ganze Schiff.

Küste, (die) die Seekante, oder das Ufer; er küssete, von küssen, OSCULARI; Kiste, CISTA; der Küster, CUSTOS.


L.


11 §. Lache, RIDE; ein Lachen, eine Pfütze; er lag, JACEBAT; ein Gelag, CONVIVIUM; Lachs, ein Fisch; Lack, Siegelwachs; die Laake, Salzwasser; ein Laken, ein Bettuch.

Lade ein Kasten; die Latte, ein hölzerner Stab; einen laden.

Laff (ein) ein Geck; davon läffeln, nicht löffeln, sich laffenmäßig bezeigen; Löffel COCHLEAR.

Lamm, AGNUS; lahm, hinkend; die Lampe, LAMPAS.

Land, davon länden, anländen; Lenden, LUMBI.

Landmann, RURICOLA; Landsmann, POPULARIS; Landknecht, oder der auf dem Dorfe dienet; der Landsknecht, ein Soldat.

Landherr, DOMINUS AGRI; Landesherr, PRINCEPS; Lanzenierer, eine Art alter Soldaten;Landmünze.

[167] Laib, ein Brod; Leib, CORPUS; davon leiblich, CORPORALITER; leibig, wohl bey Leibe; leibeigen, SERVUS.

Låien, LAICI; leihen, MUTUO DARE; Leichen, FUNERA; leychen, von den Fischen; der Leu, LEO; der Leumund.

Las, (er) LEGEBAT; laß mich, SINE ME; laß, låßig, träge; die Last, ONUS; lasset, SINITE; ihrlaset, LEGEBATIS.

Laub, FRONDES; die Laube oder Låube, eine von Zweigen beschattete Hütte; erlauben, vergönnen: der Urlaub.

Laut, (der) SONUS; laut, SONORE; die Laute, TESTUDO; das Loth, ein Gewicht; davon Kraut undLoth; der Pilot, ein Schiffer.

Låuten, mit Glocken; den Leuten, HOMINIBUS;leiden, PATI; davon leidlich, leidig; leiten, führen.

Laub, auf den Bäumen; die Laube, eine grüne Bude.

Leder, CORIUM; Leiter, SCALA; die Letter, LITERA; das Augenlied.

Lehn, (ein) FEUDUM; davon belehnen, zu Lehne reichen; die Löhnung, der Sold eines Soldaten, von Lohn; die Lehne, daran man sich stützet; davon sich lehnen, anlehnen.

Leichen, FUNERA; Leychen, das Brüten der Fische; leihen, borgen; Låien, LAICI.

Leicht, FACILIS; davon leichtlich, die Leichtigkeit, erleichtern; die Leuchte, LUCERNA; erleuchten, ILLUMINARE; Erleuchtungen, ILLUMINATIONES; beleuchten.

Leider, VAH! eine Leiter, SCALA; ein Leiter, DUX; ein Låuter, der die Glocken zieht; lauter, låutern, säubern; leutselig.

Leim, GLUTEN; daher leimen, ankleben; der Leimen, LUTUM; daher leimern, LUTEUS; verleumden, von Leumund.

Lein, LINUM; leinen, LINEUS; die Leyne, ein Fluß; die Lehne, woran man sich lehnet; leihen, COMMODARE.

Leise, MOLLITER; die Låuse, PEDICULI; dasLeys, oder Gleys, die Spur der Räder, worinnen ein Wagen fährt.

Leisten, PRÆSTARE; der Leysten, ein Schusterleysten; eine Leiste, LIMEN, ein schmaler Streif von Holz, Wöllen- oder Leinenzeug.

Lecken, LAMBERE; davon Tellerlecker; låcken, SALIRE; davon ein junger Låcker, ein junger Springer; Lackey, ein Bedienter, zum nachtreten und laufen.

Leer, VACUUS, daher ausleeren; Lehre mich, DOCE; die Lehre, DOCTRINA; lernen, DISCERE. Es ist also falsch, wenn man saget: Er lernet mich, er hat mir das gelernet, u.d.gl. Es muß heißen, er lehret mich, er hat mich das gelehret. DasLårmen, aus dem Wälschen AL' ARME! zu Waffen! TUMULTUS.

Lesen, LEGERE; davon erlesen, LECTUS; lösen, SOLVERE; davon erlösen; Loosen, das Loos ziehen; löschen, EXSTINGUERE.

[168] Letzen, (sich) VALEDICERE; der Letzte; vom engl. LATE, THE LATEST; die Letzte; Latz, ein Brustfleck, auch wohl ein Wamms ohne Ärmel.

Lieb, CARUS; davon die Liebe, AMOR; Lippe, LABIUM; und die Grafschaft in Westphalen; dieLuppe, ein Fluß bey Leipzig.

Liebden, E. Liebden, ein altdeutscher fürstl. Titel, so viel als eure Geliebten; Lůbde, oder Gelůbde, VOTUM; was man Gott angelobet, oder versprochen hat; Lübben, eine Stadt in der Lausitz.

Licht, LUMEN; liegt, JACET; ihr lüget, MENTIMINI.

Lied, CANTILENA; eigentlich nur ein Vers davon; d.i. Glied, MEMBRUM; davon Lied, der Deckel eines Kruges; einen Brunnen liedern, das Leder in der Pumpe zurecht machen; lůderlich, von Luder;Lůder, von Luther, oder Lotharius.

Liegen, JACERE; lůgen, MENTIRI; die Lůge, MENDACIUM; Lug und Trug; die Lůcke, eine Öffnung.

Linde, (die) TILIA; lind, oder gelind, sanft; Lunte riechen.

List, DOLUS; davon listig, die Arglist; die Lůste, CUPIDITATES; laß dich nicht gelüsten; er liest, LEGIT.

Loch, FORAMEN; er log, MENTIEBATUR; dieLohe, FLAMMA; Lug und Trug; der Lachen, LACUS; der Lauch, Knoblauch.

L \ffel, COCHLEAR; Låffeln, von Laffe, BASIARE; låppisch, von Lappen; das ist, schlecht, niederträchtig.

L \sen, siehe Lesen; l \schen, EXSTINGUERE; erloschen, EXSTINCTUS.

Los, SOLUTUS; lose, leichtfertig; das Loos, SORS; die Losung, SYMBOLUM; oder das Wort eines Kriegesobersten.

Lůcke, LACUNA; Lůckertuch, d.i. Lůttichertuch. Lug und Trug.


M.


12 §. Maas, der Fluß; Maaß, MENSURA; er maß, METIEBATUR.

Måhre, eine Zeitung, Erzählung; Måhrchen, eine Fabel; Måre, ein Pferd; davon Marschalk, der Aufseher des Stalles; die M \hre, die gelbe Rübe; eine Möhrinn, von Mohr; Måhren, das Markgrafthum; das Meer, MARE; mehr, PLUS; mehren, AUGERE; die Merde, eine kalte Schale.

Mag, VOLO; ich vermag, POSSUM; mache, FAC; er machet, FACIT; die Magd, ANCILLA; dieMacht, POTESTAS; Magen, STOMACHUS.

Mahl, Mahlzeit, CONVIVIUM; davon Gastmahl, Mittags- und Abendmahl; mal, in einmal, zweymal, vielmals, u.d.gl. Maal, ein Zeichen, entweder am Leibe, oder sonst; als Grabmaal, Denkmaal, Ehrenmaal.

Malen, PINGERE; der Maler, PICTOR: mahlen, das Mehl in der Mühle zubereiten, dafür einigemůhlen sagen.

Mandel, (die) AMYGDALUM; das Mandel, funfzehn; der Mantel; eine Mange, Wäsche zu rollen; der Mangel.

[169] Man, das französ. ON; Mann, VIR; Mahn, sonst Magsamen, oder Mohn; mahnen, Schuld einfodern; der Mond, LUNA.

Marder, (ein) MARTES; die Marter, TORMENTUM; davon martern; ein Mårtrer, von MARTYR, ein Zeuge der Wahrheit.

Mark, (die) eine Gränze; davon die Markgrafschaft, ein Gebieth an der Gränze eines Landes, wie Meißen, Brandenburg, Lausitz, Österreich und Mähren, vormals gegen die wendischen Völker waren; imgleichen Markgraf, nicht Marggraf; dasMark, MEDULLA; der Markt, FORUM; derJahrmarkt, NUNDINÆ.

Mars, der Kriegesgott; Marsch, ein Heerzug; dasMarschland, so viel als Morastland, was sumpficht ist; daher kommen MARSI, die Dietmarsen, von Diet, Volk, und ihrer sumpfichten Gegend.

Masern, (die) PUPULÆ; mit Maaßen, MODICE; sie maßen.

Matt, FESSUS; die Matte, TEGUMENTUM STRAMINEUM; die Matten, Wiesen, die Matte, Wiese; die Motte, BLATTA.

Maus, (die) MUS; mausen, Mäuse fangen; mauzen, wie die Katzen schreyen.

Meer, die See; mehr, PLUS; mehre, AUGE; siehMåhren und Måre.

Meile, MILLIARE; die Måuler, ORA; maulen, zürnen, einem zu Trotze schweigen.

Mein, MEUS; ich meyne, ARBITROR; davon Meyneid, PUTATITIUM JURAMENTUM, ein falscher Eid; Mayn, der Strom; davon Maynz, MOGUNTIUM; May, MAJUS.

Meise, (die) ein Vogel, PARUS; Måuse, MURES;Meißen.

Metz, die Stadt in Lothringen; eine Metze, PROSTIBULUM; von miethen; Måtze, ein Geträydemaaß; Måtzger, ein Fleischer, von MACTARE; Måtz, Matthäus.

Miethen, z.E. ein Haus; mitten, IN MEDIO; meiden, VITARE.

Milch, LAC; melken, LAC EXPRIMERE; Molken; Wolken, NUBES.

Mir, MIHI; Myrrhen, MYRRHA; M \hren, oder Mohrrüben.

Mis, übel, als Misgunst, Mishandlung, Mistrauen,Misthat, oder wegen des Wohlklanges Missethat; daher kömmt auch das französische MESALLIANCE, MESPRISER, gleichsam Misheurath, mispreisen, d.i. übel. Miß, von messen; müssen, OPORTERE; missen, entbehren, vermissen, den Mangel bemerken.

Mit, CUM; miethen, CONDUCERE; vermiethen, COLLOCARE; můde, FESSUS; Meth, ein Honigtrank.

Mode, die Sitte; die Motte, BLATTA; Maute, eine Abgabe von der Einfuhre im Österreichischen; muthen, ein Lehn suchen.

Molken, LACTAMENTUM; Molch, ein Salamander; Moloch, der Abgott. Wolken, NUBES.

[170] Moos, MUSCUS; Moses, der Mann Gottes; Most, MUSTUM; mosaisch, von Moses; musivische Arbeit.

Muff, ein Pelzwerk, für die Hände; Můffchen, Pelzärmel des Frauenvolks.

Můde, FESSUS; davon ermüden; zumuthen; miethen, CONDUCERE; mit, CUM; die Mitte, MEDIUM; davon vermitteln; Midas, der König von Phrygien.

Muhme, der Mutter Schwester, nicht Mahme;Mumme, braunschweiger Bier; Mummereyen, sich vermummen, Larven, sich verlarven.

Mus, ein Gemüse, Brey; ich muß, OPORTET; ein hartes Muß; die Muße, OTIUM; davon můßig, OTIOSUS; die Musen, MUSÆ; davon die Musik, ARS MUSICA.

Můtze, MITRA; Mieze, eine Katze; Mieke, ein Bauernmädchen, von Mariechen; mutzen, einem etwas aufmutzen, IN MALAM PARTEM TRAHERE;Mutschen, ein Dorf in Meißen; mauzen.


N.


13 §. Nach, POST; Nachen, ein Kahn; ein Nachbar; nahe, PROPE; die Nåhe, PROPINQUITAS; dernåchste; nåhen, NERE.

Nacht, NOX; er naget, MORDET; die Nathe, die Nätherinn; er nahet sich, APPROPINQUAT.

Nåhren, NUTRIRE; nåhern, APPROPINQUARE; die Nahrung, NUTRITIO; nahrhaftig; narrhaftig, STOLIDE; Narr, FATUUS; einen narren, EXAGITARE ALIQUEM.

Nathe, im Kleide; er nahet sich mir.

Nåhren, erhalten; sich nåhern, hinzutreten.

Namen, NOMEN; Sie nahmen, SUMEBANT; Naamen, die Festung Namur.

Napf, ein Schälchen; Nåpfe; ein Neffe, des Bruders oder der Schwester Sohn.

Narden, NARDUS; Naarden, eine Stadt im Niederlande.

Nase, NASUS; naß, MADIDUS; nåssen, netzen, HUMECTARE; naschen, LIGURIRE; genesen, genossen.

Nebel, NEBULA; Nåbel, UMBILICI; von Nabel; die Nabe, am Rade.

Nein, NON; neun, NOVEM; hinein, INTRO; erneuen.

Nessel, URTICA; das N \ßel, eine halbe Kanne.

Neu, NOVUS; die Neige, RESIDUUM.

Nicht, NON; Nichtel, des Bruders oder der Schwester Tochter; mit nichten, NEQUAQUAM;nůchtern, ungegessen, oder ungetrunken.

Niesen, STERNUTARE; er hat genieset; genießen, FRUI; der Genuß, FRUITIO; genesen, CONVALESCERE.

Nisse, die Eyer der Läuse an den Haaren; Nůsse, NUCES; der Nießbrauch, von genießen, USUSFRUCTUS.

[171] Niete, ein blindes Loos in der Lotterie; eine Niethe, ein stumpfer Nagel, daher umniethen, verniethen.

Noth, NECESSITAS; die Note, ein musikalisches Zeichen: imgleichen eine Anmerkung; in N \then, vernoteln, vern \teln.

Nutz, (der) auch Nutzen, UTILITAS; Nutzung, REDITUS; nutzen, FRUI; nůtzen, PRODESSE.


O.


14 §. Oben, SUPRA; Ofen, FORNAX; offen, APERTUS; affen.

Oberster, TRIBUNUS; nicht Obrister; Oberkeit, besser, als Obrigkeit; erobern, bezwingen; erůbern, ersparen; herůber.

Obst, POMA; Osten, die Weltgegend, wo die Sonne aufgeht.

Oder, der Fluß; oder, SIVE; Otter, eine Schlange.Odem, der Athem; Athen, die Stadt; Ader, VENA.

Ofen, FORNAX; offen, APERTUS. Der Hohn, IRRISIO.

Oheim, AVUNCULUS, der Mutter Bruder; Ohm, ein kleines Weinfaß; ohne, ABSQUE.

Orden, ORDO; Orten, an allen Orten; die Tartarhorden.

Otto, der Namen, soviel als Atta, oder Vater; daher Attila, Totila, ein Väterchen; eine Otter, VIPERA; Ottoman, ein türkischer Kaiser.

Opfer, VICTIMA; Ophir, das goldreiche Land;Obermann, im Kartenspiele; die Opern, Singspiele; Opfern; hofieren.

Osten, die Morgengegend; Ostern, das Fest der Auferstehung Christi, von erstehen, die Urstånd, wie die Alten sagten; die Austern, welche einige Plattdeutschen Östers, und die Holländer Oysters aussprechen.

Osterland, ein Gebieth im Meißnischen, weil es gegen Morgen von Thüringen liegt; Österreich, von ISTER, der Donaustrom, und ISTRIA, dem alten Namen der Landschaft. Andere meynen, es heiße das östliche Reich; dagegen Frankreich das westliche Reich geheißen: allein ohne Grund: denn nur Frankenland ist in ORIENTALEM und OCCIDENTALEM getheilet worden, womit aber Österreich nichts zu thun hat; welches vormals zu Bayern gehöret hat.

Oxhoft, ein kleines Weinfaß; vom engl. HOGSHEAD; Ochs, BOS; Ochsenkopf, CAPUT BOVIS;Oxenstirn, ein Geschlechtsnamen.


P.


15 §. Paar, PAR; die Bahre, FERETRUM; Baare, der Fluß bey Leipzig, den andere die Parde, auch die Barde, schreiben; bar, die Endsyllbe in [172] wunderbar, offenbar, u.d.gl. nicht bahr; baar Geld; Barfuß, mit bloßen Füßen.

Pacht, die jährliche Zins von einem Landgute; einPachter, pachten; Pact, ein Vertrag.

Pack, (ein) Bündel Sachen; packen, einwickeln;packe dich, APAGE; backen, der Båcker; dieBacken, GENÆ.

Pause, (die) ein alt Wort, der Bauch; davon Panzer, ein Küraß; davon sich panzern; die Banse, Banze, ein Ort in der Scheune, die Garben hinzulegen.

Pappe, Brey, Gemüse für die Kinder; davon pappen, hineinpappen; Papa, von PAPPAS, ein Vater;Papst, der römische Bischof; Pappel, POPULUS, ein Baum; Pfaff, ein Geistlicher.

Part, PARS, ein Antheil, Gegentheil; Bart, BARBA; er paaret, SOCIAT; Barte, ein Beil, eine Helmbarte.

Paß, ein enger Weg, imgleichen ein Zeugniß der Reisenden; auch der Schritt eines Pferdes, davon einPaßgånger; Baß, in der Musik; Passen, treffen, genau aneinanderfügen: daher ein Paßglas; baß, besser.

Path, (ein) eine Pathe, COMPATER, MAS ET FEMINA; er bath, ROGABAT; die Pathen; einPathchen; sie bathen.

Pein, DOLOR; Bein, ein Knochen, Faß; Wein, VINUM; weine, FLE.

Pelz, ein rauch Futter, von PELLIS; pelzen, pfropfen.

Perser, PERSA; Person, PERSONA; persisch, PERSICUS; ein Bårsch.

Pest, eine Festung in Ungarn; die Pest, LUES, eine Seuche; der beste, von baß, MELIUS.

Pfahl, PALUS; fahl, falb, oder gilbicht.

Pfarrer, PASTOR ECCLESIÆ; Farr, ein Rind;Farrenkraut.

Pfau, PAVO; Frau, DOMINA, MULIER.

Pfeil, JACULUM; Feile, LIMA; feil, VENALIS;Pfeiler, COLUMNA.

Pfennig, eine kleine Münze; ein Pfånnchen, eine kleine Pfanne.

Pferd, EQUUS; er fåhrt, VEHIT; fertig, EXPEDITUS.

Pfersich, oder Pfirsig, MALUM PERSICUM; persisch.

Pflaster, EMPLASTRUM; imgleichen der steinerne Boden auf der Straßen; Alabaster; eine Aglaster.

Pflaume, PRUNUM, eine Art Obst; Flaumfedern, PLUMÆ.

Pflegen, SOLERE, ITEM NUTRIRE; die Flåchen, PLANITIES; flehen, bitten; s. oben Flehen; fl \hen, Flöhe suchen.

Pflock, ein hölzerner Keil; pfl \cken, anheften;pflůcken, DECERPERE; ein Block, der dickste Stamm vom Baume.

Pflug, ARATRUM; ein Flug, VOLATUS; Fluch, MALEDICTIO; Flucht, FUGA.

Pflögen, ARARE; fliegen, VOLARE; sie flogen; fliehen, FUGERE.

Pfrůnde, eine Präbende; ein Freund, AMICUS;früh, MANE.

Pfropf, ein Stöpsel; pfropfen, im Garten impfen; einPropfreis.

[173] Pful, eine große Pfütze; Pfühl, ein Küssen, Polster; die Fäule, PUTREDO. Feile, von Stahl.

Pfund, LIBRA, TALENTUM; Fund, INVENTIO;Bund, FŒDUS; wund, VULNERATUS.

Piken, lange Spieße; picken, mit dem Schnabel hacken; sich bůcken.

Pirna, eine Stadt; Birne, PYRUM; eine Bůhre, ein Bettbezug in Preußen.

Plagen, quälen; placken, die Unterthanen aussaugen.

Plump, grob, ungeschickt; die Plumpe, ANTLIA; imgleichen die Luftpumpe; die Blume, FLOS.

Platt, flach, eben, gemein; die Platte, eine geschorne Glatze auf dem Kopfe; Blatt, FOLIUM; Platz, ein Raum, der Markt.

Plaudern, schwatzen; Plůndern, von Plunder, die Lumpen.

Pol, ein stillstehender Punkt am Himmel, oder auch auf der Erde; Pohl, POLONUS; Pfal, PALUS; derPolarstern.

Polster, ein Pfühl unter die Arme; poltern, lärmen; eine Wulst.

Possen, NÆNIÆ; einen Possen spielen, einen betriegen; die Post, das öffentliche Bothenwesen; boßeln, Kegel schieben; die Boßel, eine Kugel oder Kegelbahn.

Pralen, großthun; prallen, zurück prallen; einenprållen.

Preis, PRETIUM; imgleichen der Ruhm; ein Preuß, BORUSSUS; preise, lobe. Presburg, die Stadt;breßhaft, gebrechlich.

Průfe, versuche; Briefe, EPISTOLÆ; verbriefet, verschrieben.

Puls, der Adern Schlag; Bolz, ein Pfeil zum Armbrust; Pilz, ein Erdschwamm; Pilsen, eine Stadt in Böhmen.

Pulle, (die) von AMPULLA, ein irdenes Trinkgefäß; der Bull, TAURUS, ein Stier; ein Buhler; eineBulle, vom Papste.


Q.


16 §. Quaal, TORMENTUM; Kahl, CALVUS;Qualm, Dampf, Rauch.

Quålen, plagen; die Quehle, ein Handtuch; dieQuelle, FONS; quellen, SCATURIRE; die Kehle, GUTTUR; gekehlt, in der Baukunst.

Quart, ein Maaß von Getränke, imgleichen ein Viertheil; die Karte, ein steifes Blatt Papier; davon das Kartenspiel; er kartet, er schiebt einen Karren; erquarret wie ein Frosch.

Quarre, vor der Pfarre, ein Sprüchwort; ein Karren, CARRUS.

Quelle, SCATURIGO, von quellen; die Kelle, womit die Mäurer den weichen Kalk streichen; die Galle, FEL.

Quit, frey und ledig, davon quittiren; die Quittanz, Quittung; die Quitte, ein raucher herber Apfel.


[174] R.


17 §. Raam, das Fett von der Milch; Rahm, der Bilderrahm.

Rab, CORVUS; Raab, die ungarische Festung; einRapp, ein schwarz Pferd; rab, für herab, tauget nichts; wie rauf, rein, runter, für herauf, herein, herunter.

Rache (die) VINDICTA; der Rachen, FAUCES; hervor ragen; der Ragen, der Samen, oder die Eyer der Fische.

Rad, ROTA; Rath, CONSILIUM; die Ratte, besser Ratze, GLIS.

Råchen, VINDICARE; Rechen, eine Harke; Regen, PLUVIA; regnen; rechnen, RATIONES SUBDUCERE.

Råude, unterm Viehe; die Raute, RUTA; ich reite.

Råume, SPATIA; Reime, RHYTHMI.

Rain, die Gränze zwischen zweyen Feldern; rein, PURUS; Rhein, der Fluß; von Rinne, rinnen.

Rand, der Bort, Umfang; er rannte, oder rennete, d.i. lief.

Rang, die Würde, der Vorzug; Range, ein ungerathen Kind; Rank, DOLUS, ein Betrug; Ranken, die langen Stängel am Weinstocke oder, Kürbisse, u.d.gl. er rang, LUCTABATUR.

Rasen, wüthen; die Rasen, im Grünen; rasch, munter.

Raub, SPOLIUM; raube, RAPE; die Raupe, ERUCA; Råuber, RAPTOR; Reiber, FRICATOR; Rüben, RAPÆ; Ribben, COSTÆ.

Rauch, was Haare hat; der Rauch, vom Feuer; dieRache.

Rauh, SCABER; der Rauch, FUMUS; rauch, PILOSUS; rachgierig.

Rausch, CRAPULA; das Rauschen, STREPITUS, das Geräusch.

Raute, ein Kraut, RUTA; die Raute, RHOMBUS, ein geschoben Viereck; die Råude, ein Aussatz am Vieh; Rüde, ein Schafhund.

Recht, RECTE; die Rechte, DEXTRA; rechten, vor Gerichte liegen.

Rede, SERMO; die Rehde, ein Haven, wo die Schiffe sicher liegen; Råthe, CONSILIARII; rette mich, SALVA ME; eine Råtte, CANIS MASCULUS, ein Hund; die Röthe, RUBOR; err \then, ERUBESCERE; ein Rettig, die scharfe Wurzel.

Redner, ORATOR; Råder, ROTÆ; ein Retter, SALVATOR; von R \der, ein adeliches Geschlecht, vielleicht von dem alten Worte Rode, in Werniggerode; die Rhede; davon Rheder, ein Schiffer.

Regen, PLUVIA; regnen PLUERE; rechnen, CALCULUM SUBDUCERE; recken, EXTENDERE; in R \cken, TUNICIS; Ragen, Roggen.

Reiche, PORRIGE; reich, DIVES; das Reich, REGNUM; die Reihe, SERIES; der Reiger, ein Vogel; davon Reigerfedern.

Reif, PRUINA; reif, MATURUS; der Reifen, um ein Gefäß; råufen oder raufen, die Haare ausreißen; ein Reef im Stalle.

[175] Rente, REDITUS, Einkünfte; er rennete, er lief; erzerran, d.i. schmolz, es zerrinnt, wie gewonnen, so zerronnen.

Reiß, Grütze; ein Reis, vom Baume; die Reise; dieReuse, ein Netz; Reußen, das Land; reißen, RAPERE.

Reue, PŒNITENTIA; die Reihe, SERIES; ein Reigen, ein Tanz.

Reuten, EQUITARE; ein Reuter, EQUES; ausreuten, EVELLERE; die Råude, SCABIES.

Rinnen, FLUERE; davon der Rhein und die Rhone, gleichsam die Rinne; růnnen, oder gerünnen, COAGULARI, geliefern, steif werden; die Runen, altnordische Buchstaben, von raunen, einem was heimliches beybringen, weil die Schreibekunst den Alten als eine Zauberkunst vorkam.

Riese, GIGAS; ein Riß, eine Zeichnung, imgleichen ein Bruch in der Mauer; ein Ritz, eine Spalte; einRieß, 20 Buch Papier.

Rieben, (sie) FRICABANT; Růben, RAPÆ; Ribben, COSTÆ.

Riechen, OLFACERE; růgen, anklagen, beschuldigen; die Insel Růgen; die Stadt Riga, in Liefland; die Rega, ein Fluß in Pommern.

Riemen, von Leder; sich růhmen, loben; reimen, wie Verse.

Ring, ANNULUS; ringen, LUCTARI; gering, schlecht; davon vergeringern, nicht verrin gern; denn man saget von groß, vergrößern, nicht verrößern.

Rettig, RAPHANUS; rette dich, erhalte dich; err \the nur.

Rind, ein Hornvieh; die Rinde, CORTEX; dieR \nde, ROTUNDITAS; in die Runde; es rinnt, FLUIT; es gerůnnt, CONSISTIT.

Rock, TUNICA; Rocken, ein Spinnzeug; Roggen, Geträyd; Ragen, der Samen in den Fischen.

Roh, CRUDUS; die Ruhe, QUIES; rauh, scharf, unsanft; ein Roch.

Room, oder Rahm, das Fette von der Milch, die Sahne; Rahmen; Råhmen, eine Einfassung; Rom, die Stadt; Ruhm, das Lob; Raum, SPATIUM.

Rose, (die) ROSA; ein Roß, ein Pferd.

Roth, RUBER; die Rotte, TURBA; die Ratte, GLIS; Rotz, MUCUS NARIUM.

Ruf, FAMA, das Gerücht; ruff, CLAMA, du hast mir geruffen.

Ruhr, eine Krankheit; růhren, TANGERE; Rohr, ARUNDO; ein Růhrl \ffel.


S.


18 §. Saat, SEMEN; satt, SATUR; ihr sahet, VIDEBATIS; Sattel, EPHIPPIUM; ein Sattelhof, besser, Sidel, oder Sedelhof, von SEDITE; ein Sitz.

Sammt, mit zugleich; Sammet, der bekannte seidene Zeug; sammeln, mit gesammter Hand; besahmet; Sahmland.

[176] Sang, CANEBAT; er sank, SUBSIDEBAT; Sangen, besängte Ähren.

Sache, RES; sage, DIC; sachte, gelinde; sagete, DICEBAT.

Sack, SACCUS; ein Zacken, ein Ast am Hirschgeweihe.

Såen, SEMINARE; sehen, VIDERE; die Seen, STAGNA; die Zehen, DIGITI PEDUM; Zåhne, DENTES; zehn; zeihen, verzeihen.

Sågen, SERRARE; der Segen, BENEDICTIO: dieSage, RUMOR, TRADITIO; die Sachen; sachfållig; såugen, ein Kind stillen.

Salbe, UNGUENTUM; Salvey, SALVIA; Salve geben, die Stücke losbrennen, von SALVE, sey gegrüßet.

Salat, LACTUCA; Soldat, MILES; ein S \ldner, vom Solde.

Saal, ATRIUM; die Saale, ein Fluß; sal, eine Endsyllbe, in Irrsal, Labsal, Schicksal, Trübsal; davon soll, nach einiger Meynung, das Wort sålig herkommen; weil man saget trübsälig. Allein, da man auch glückselig saget, ob man gleich keinGlůcksal findet; und hergegen kein irrsälig, schicksälig, labsälig machen kann; so ist dieses, außer in trübsälig, ohne Grund. Selig, ist kein deutsches Stammwort, kömmt auch nicht von Seele, sondern von SALUS her; und ist vormals auch mitå geschrieben worden; und kann, zum Überflusse, PER REDUPLICATIONEM mit Glück verbunden werden.

Sangen, gebratene Ähren; sie sangen, CANTABANT; sie sengen.

Sau, sus: Såue, nicht Sauen: davon såuisch, sauer, såuerlich; einsåuren, versauren.

Saugen, SUGERE; såugen, LAC PRÆBERE; seigen, PERCOLARE; davon Seiger, CLEPSYDRA; ein Stunden-Zeiger; seichen, MINGERE; zeigen, MONSTRARE; zeugen, TESTIFICARE.

Saum, FIMBRIA; såumen, MORARI; Såumniß, MORA; ein Saum, altdeutsch, das Roß; derZaum, FRENUM; zåumen.

Schach spielen; der Schacht, im Bergwerke; Schåcher, ein Mörder; Schecken, gefleckte Pferde;scheckigt, VERSICOLOR.

Schafe, OVES; schaffe, CURA; davon Schåfer undSchaffner; schaffen, CREARE; oder österreichisch befehlen: Was schaffen sie?

Schaft, am Spieße; davon ein Büchsenschåfter; erschaffet, CURAT; schaft, eine Endsyllbe, als Herrschaft; engl. SHIP.

Schale, PUTAMEN; eine Schaale, LANX; schal, verdorben Getränk; Schall, SONUS; davon dieSchålle, NOLA; erschallen.

Schalt, OBJURGABAT; es schallet, SONAT;schalten, IMPERARE; einschalten, darzwischen setzen, einschieben; davon Schalttag.

Scharmůtzel, ein kleines Gefecht im Kriege; einSchmarotzer, der sich gern bey andern zu Gaste bittet; schmunzeln, lächeln.

Scharren, wie die Hühner; Schaaren, COHORTES; die Scheuten.

Schatz, THESAURUS; schåtzen, ÆSTIMARE;scherzen, JOCARI.

[177] Schålen, die Schale abnehmen; scheel ansehen; dieSchålle, von Schall, TINTINNABULUM; schielen, überzwerch sehen.

Schåmen, PUDERE; Schemen, alt, ein Schatten;Schemel, ein kleines Bänkchen, unter die Füße zu setzen; der Schimmel.

Schauer, HORROR; ein Zuschauer, SPECTATOR; Scheure, die Tenne; scheuren, reiben, waschen; mit dem Fuße scharren.

Scheibe, ORBIS; wornach man schießt; imgl. in den Fenstern; schiebe, TRUDE; eine Schaube, ein Kragen der Alten.

Scheide, VAGINA; scheid, SEPARA; ein Scheit, ein Stück gespalten Holz; davon ein Grabscheit, ein Richtscheit; ich scheuete, METUEBAM;Scheitel, der Wirbel auf dem Haupte, oder die Trennung der Kopfhaare, nicht Schådel, oderSchedel; Abscheid, Bescheid, gescheid, Unterscheid.

Scheine, LUCE; der Schein, APPARENTIA;scheue, TIME; die Scheue, Furcht; die Scheune, Tenne; schön; die Schöne.

Schenkel, ein Bein; schenken, DONARE; eineSchenke, ein Gasthaus auf dem Dorfe; davon derSchenk, Erzschenk, der Weinschank, Bierschank, u.d.gl. der Schinken.

Scheere, FORCEPS; die Schåren, vor Stockholm, gewisse Klippen in der See; scheeren, TONDERE; die Schafschur, TONSURA.

Schårf, eine kleine Münze; die Schårfe, ESCARPE; auch ACIES; imgleichen schårfen, ACUERE;schårfen, in Bergwerken.

Schergen, LICTORES; ein Scheerchen, FORCIPULA; schůren.

Schief, ungleich; ein Schiff, NAVIS; Schiefer; schwarze Steine, womit man Häuser decket; einSchiffer, NAUTA; ein Schieber, davon Karrenschieber.

Schieler, einer der da schielet; Schůler, ein Lehrling; Schulter.

Schier, beynahe; schůre, beym Feuer; die Scheure, die Tenne.

Schießen, EXPLODERE; sie schissen, CACABANT; gischen, schäumen.

Schild, CLYPEUS; schilt, OBJURGA; die Schuld; ein Schulz.

Schimmern, CORRUSCARE; schimmeln, SITU CORRUMPI; davon der Schimmel, SITUS; und ein Schimmel, ein weißes Pferd.

Schindeln, Späne, womit man Häuser decket; schinden, DEGLUBERE; ein Schinder, CARNIFEX;Schund, Unflat.

Schlacht, PUGNA, MACTATIO; davon schlachten; der Schlåchter, LANIO; schlecht, schlechter, DETERIUS; er schlågt, TUNDIT; imgleichen einem nachschlagen, d.i. nacharten; davon Geschlecht, und aus der Art schlagen.

Schlaf, SOMNUS; davon schlaffen; schlaff, REMISSUS, von Seyten.

Schlag, APOPLEXIA; schlagen; ein Schlåger, ein Mensch, der Håndel suchet, oder sich gern schlägt;Schlacken, von Metallen.

Schlamm, der Koth; schlåmmen, von Teichen, sie reinigen; schlemmen, prassen; ein Schlemmer, ein Prasser.

[178] Schlank, GRACILIS; die Schlange, SERPENS;schlagen, FERIRE.

Schlau, ASTUTUS; ein Sclav, ein Leibeigener; kömmt von den Slaven oder Sclavoniern, die man in Deutschland bezwungen und zu Leibeigenen gemachet hat; davon Sclaverey, die Dienstbarkeit, Knechtschaft.

Schlåuche, UTERES; schleich, SUBREPE; davon ein Schleicher, ein schlauer Gast; Schlågel, von schlagen.

Schleife, ein geknüpftes Band; Schleppe, am Kleide; SYRMA; Schlippe, ein schmaler Raum zwischen zweyen Häusern; die Schlappe, ein Verlust, sonderlich im Kriegswesen.

Schleifen, schärfen; imgleichen von Städten, verwüsten. Eine Schleife, von Bande; schlaff, REMISSUS.

Schleuß, schließe, CLAUDE; schleiße, z.E. Federn, DISRUMPE; die Schleuse, CATARACTA; davon ECLUSE.

Schluß, CONCLUSIO; CLAUSULA; der Entschluß, von entschließen; nicht Endschluß; derSchuß, EXPLOSIO.

Schlitten, (ein) TRAHA; davon Schlittschuhe, womit man auf dem Eise läuft; Schlitz, ein Riß;schließen, CLAUDERE.

Schloß, ARX; er schloß, CLAUDEBAT; die Schloßen, die weißen Hagelkörner.

Schmach, INJURIA; der Schmack, GUSTUS;Schmauch, der Rauch, imgleichen ein alterSchmauch, d.i. ein loser Betrüger, daher einSchmåuchler, der dem andern fälschlich räuchert, oder ihn verehret; QUI DONNE DE L'ENCENS, QUI FUMUM VENDIT.

Schmeer, ADEPS; ein Schmåher, ein Lästerer;Schwåher, der Schwiegervater; die Schwieger, der Gattinn Mutter.

Schmeißen, werfen; die Schmåuse, CONVIVIA; von schmausen.

Schnabel, ROSTRUM; schnåbeln; schnappen, mit dem Maule.

Schneid, SECA; die Schneide, ACIES; der Schneider, SARTOR; schneuzen, die Nase; schnattern, wie die Aenten.

Schneyt, (es) NINGIT; er schneidet, SECAT; erschnåutzet, EMUNGIT, von Schnauze; schnitzet, von schneiden; imgl. schnitzeln, daher ein Bildschnitzer; ein Schnitter, der Geträyd schneidet.

Sch \n, PULCHER; schon, JAM; schone, PARCE;besch \nigen, etwas entschuldigen; bescheinigen.

Sch \pp, SCABINUS; vom hebr. Schophet, ein Richter; ein Schůps, der Hammel; der Schopf, die Haare vor der Stirne; sch \pfen, HAURIRE; einSchuppen, das Dach, darunter man Wagen schiebt; die Schippe, eine Schaufel; die Schuppe, SQUAMA.

Schock, SEXAGENA; ein Scheck, ein fleckichtes Pferd; die Schoten, Hülsenfrüchte; Schotten, SCOTI; die Scythen; Schůtzen.

[179] Scholle, GLEBA; die Scholle, SOLEA, eine Art von Fischen; sonst Flindern; Schule, SCHOLA; einSchulfuchs.

Schooß, GREMIUM; der Schoß, TRIBUTUM; erschoß, EXPLODEBAT; der Schůtz, SAGITTARIUS; der Schutz.

Schuldherr, CREDITOR; Schuldener, oder Schuldiger, DEBITOR; ein Schuldheiß, oder Schulz, nicht Scholz.

Schur, TONSURA; schůren, das Feuer anschüren;schnůren, COLLIGARE; die Schnuhr, NURUS; die Schnur, TÆNIA.

Schutt, was man wegschüttet; eine Schůte, ein kleines Wasserfahrzeug, das man ziehen kann; davon eine Treckschüte, in Holland, von trecken oder ziehen, weil sie mit Seilen gezogen werden; eine Schůtte Stroh, ein Bündel.

Schutz, PROTECTIO; ein Schůtz, VENATOR; imgleichen am Himmel, SAGITTARIUS; davon dieScythen, Schützen.

Schwaden, eine Art von Grütz, sonst Manna, imgleichen beym Häumachen; Schweden, SUECIA; dieSueven, Schweifer.

Schwer, GRAVIS; eine Schwåre, das Geschwür; ein Schwåher, oder Schwager; Schmeer, ADEPS; die Schwiegeråltern.

Schwank, schlank, geschmeidig; er schwang, oder schwung, VIBRABAT; schwanger, GRAVIDUS; er zwang, COGEBAT.

Schwarm, ein Menge von Bienen, oder Vögeln;schwårmen, fliegen, imgl. INSANIRE; dieSchwermuth, MELANCHOLIA.

Schwellen, LIMINA; schwellen, INTUMESCERE; davon der Schwall, ein wüster Haufen von etwas verächtlichem; der Schwulst.

Schwemmen, die Pferde ins Wasser führen; die Schwemme, der Ort, wo man es thut; Schwåmme, FUNGI; der Schwamm, FUNGUS, oder SPONGIA; er schwamm, NATABAT; nicht schwomm.

Schwert, GLADIUS; er schw \rt, JURAT; er beschweret sich.

Seele, ANIMA; Seile, FUNES; Såle, ATRIA; Sielen, die Brustriemen, womit die Pferde den Wagen ziehen; sich im Kothe siehlen, d.i. wälzen.

Segel, VELUM; Siegel, SIGILLUM; die Sichel, FALX; sicher, TUTUS.

Segen, BENEDICTIO; siegeln, OBSIGNARE; segeln, VELA FACERE; sågen, SERRARE; s.Sagen; die Sachen, RES; ein Sachwalter.

Sehen, VIDERE; såen, SEMINARE; seigen, PERCOLARE; davon ein Seiger, eine Sanduhr; zeigen, davon Zeiger, ein Stundenzeiger, eine Sonnenuhr, oder sonst eine öffentliche Uhr.

Sehnen, (sich) DESIDERARE; die Sånen, oder Sennadern, besser Spannadern, NERVI; S \hnen, FILIIS; die Sahne, der Room.

Seicht, obenhin, nicht tief; er seichet, MINGIT; er seiget, PERCOLAT; såuget, davon eine Såugerinn, die ein Kind stillet; ein Såugling, ein Kind an der Brust; ein Z \gling.

[180] Seide, SERICUM; die Seyte, CHORDA; die Seite, LATUS; seyd, ESTOTE; Seidel, ein Maaß.

Seigen; zeigen, MONSTRARE; seichen, MINGE RE; ein Zeichen.

Seil, FUNIS, die Såule, COLUMNA; die Sole, SOLEA; die Sohle, das Wasser, woraus man Salz siedet; der Zoll, eine Auflage.

Sein, SUUS; seyn, ESSE; die Seine, SUA; dieSeyne, SEQUANA, der Fluß bey Paris; Zäune, von Zaun; der Zaunk \nig.

Seit, POSTQUAM, oder INDE; Zeit, TEMPUS; dieSeite, LATUS; die Seyte, CHORDA; die Seide, SERICUM; Seidenzeug.

Senden, MITTERE; sånden, versånden, mit Sande bedecken, oder anfüllen; ein Zander, ein Seebärsch.

Senf, SINAPI; sanft, MOLLITER; davon die Sånfte, LECTICA.

Seuche, LUES, eine giftige Krankheit; Seiche, URINA; siech, krank.

Seufzer, SUSPIRIUM; ein Såufer, BIBO; Zober, ein Gefäß.

Sich, SE; siech, krank; davon das Siechbett; derSieg, VICTORIA; sicher, SECURUS; ein siecher, ein kranker Mensch; ein Sieger, der Überwinder.

Sie, ILLA; sieh, ECCE; zieh, oder zeuch, TRAHE;siegen, VINCERE.

Sieb, CRIBRUM; sieben, CRIBRARE; sieben, SEPTEM; zupfen.

Siechen, krank liegen; siegen, VINCERE; ziehen, TRAHERE.

Sieden, EBULLIRE; auch COQUERE; Sůden, AUSTER.

Siegel, SIGILLUM; Zůgel, FRENUM; Ziegel, LATER; oder TEGULA.

Sind, SUNT; sint der Zeit, AB ILLO TEMPORE; er sinnet, MEDITATUR; die Sůnde, PECCATUM; er verzinnet, STANNO INDUCIT.

Sing, CANTA; sink, SUBSIDE; eine Zinke, ein krummes Pfeiferhorn; Zink, ein metallisches Wesen.

Sitz, SEDES; Zitz, ein bunter baumwollener Zeug; eine Zitze bey Thieren, MAMMA; Zeiz, eine Stadt in Meißen.

Sohn, FILIUS; die Sonne, SOL; die Sahne, FLOS LACTIS, Rohm.

Sold, STIPES; Soldat, ein Kriegsmann; du sollst, besser, du sollst; Salat, LACTUCA; Sultan, ein türkischer Fürst.

Sollen, DEBERE; die Solen, SOLEÆ; die Sohle, das Salzwasser zu Halle; Suhl, eine Stadt im Hennebergischen.

Spalte, RIMA; Spelt, eine Art Geträydes; Spelzen, Spreu.

Span, die Späne, was vom Holze abgehauen wird;spanne, TENDE; die Spanne, ein Maaß, so weit man die Finger einer Hand ausdehnen kann; ein Spånner, der den Bogen spannet.

Sparen, PARCERE; der Sparren, ein Balken, der das Dach trägt; sperren (sich) RESISTERE; davon aufsperren, versperren.

Spåhen, auskundschaften; ein Spåher, davon Spion; ein Speer, die Lanze; speyen, VOMERE; sie spieen.

Spåt, SERO; ein Spaten, das ist ein Grabscheit; derSpatz, ein Sperling; Spat, eine Bergart.

[181] Specht, PICA; Speck, LARDUM; Speiche, RADIUS; ein Holz im Rade, das von der Nabe zu den Felgen geht.

Spicken, mit Speck durchstechen; Spickenarden, SPICA NARDI, Lavendel; ein Speicher, ein Kornhaus; spůken, von Gespenstern.

Spiel, LUSUS; spiele, LUDE; spůle, ELUE; spulen, Fäden aufs Rohr wickeln, von Spule; ein Spulwurm, LUMBRICUS.

Spinden, eine Holzarbeit; davon ein Spund, womit man ein Faß zuspindet; imgleichen das Spůnd, SPONDA, ein Schrank.

Spinne, ARANEA; spinnen, FILUM DUCERE;Spåne.

Spree, der Fluß in der Mark; Spreuer, PALEA;sprůhen, sprützen.

Sproß, GERMEN, ein hervorschießendes Reis; von sprießen, er sproß, die Sprosse, ein Querholz an einer Leiter.

Spur, VESTIGIUM; spůre nach, INVESTIGA;Sporn, die Sporen, CALCAR; spornen, antreiben.

Staal, CHALYBS; (engländisch STEELE) er stahl, FURABATUR; der Stall, STABULUM; die Stelle, LOCUS; die Stellung, SITUS.

Staat, (der) STATUS; Stadt, URBS; die Ståte, LOCUS; auch Statt, z.E. an seine Statt; anstatt, LOCO; bestatten, begraben; ståt, PERPETUO; davon ståter, ståtig, bestätigen; der Stand.

Staar, STURNUS; imgleichen eine Augenkrankheit;starr, RIGIDUS; der St \hr, ein großer Fisch;st \rrig, widerspänstig.

Stab, BACULUS; Staub, PULVIS; der Stoff, die Materie, imgleichen ein seidener Zeug; ein Stof, ein Maaß des Getränkes, eine Kanne; die Staupe, zur Staupe hauen, d.i. ståupen; ståuben, Staub machen; stieben, verstieben.

Stålle, fürs Vieh; eine Stelle, ein Platz; stehlen, FURARI.

Stårke, (die) ROBUR; imgl. das weiße Kraftmehl, weil es die Wäsche stärket; ein St \hr, STURIO, eine Art großer Fische; Stern, STELLA; Stirne, FRONS; das Gestirn, SIDUS; die Steuer, die Hülfe; steuren, helfen, wehren; das Steuer am Schiffe. Stechen, PUNGERE; stecken, HÆRERE, FIGERE; ein Stecken, BACULUS; ein Stock, ein Gefängniß; stecken bleiben, HÆSITARE.

Steif, RIGIDUS; steig, ASCENDE; der Steg, SEMITA; der Fußsteig.

Stelle, LOCUS; Stålle, STABULA; stellen, setzen;stålen, mit Staal beschlagen; ein Stollen, im Bergbaue.

Stich, PUNCTIO; sticken, ACU PINGERE; ersticken, SUFFOCARE; sticheln, FODICARE; Grabstichel.

Stille, SILENTIUM; stiehl, FURARE; der Stiel, MANUBRIUM; die Stůhle, SELLÆ.

Strafe, PUNI; stråflich, straff, sträffer, steif.

Streit, LIS; er streuet, SPARGIT; die Streue, ein Lager von Stroh.

Strenge, STRENUUS; die Strånge, FUNES, Seile.

[182] Strich, LINEA; imgleichen eine Fläche, ein Strich Landes; Strick, FUNIS, ein Seil; strecken, EXTENDERE; stårken, starkmachen.

Stube, HYPOCAUSTUM; ein Stůbchen, eine kleine Stube, imgleichen Stůbchen, Wein oder Bier, besser ein St \fchen, von Stof.

Stumpf, OBTUSUS; der Sumpf, PALUS; sumpficht, morastig; ein Strumpf, vom Baume, oder die Kleidung an den Füßen.

Stůrzen, EVERTERE; eine Stůrze, der Deckel eines Topfes; der Sturz, oder Umsturz eine Sache, der Fall, oder Untergang derselben.

Stutzen, sich entsetzen; die Stůtze, so etwas trägt; einen unterstůtzen; strotzen, sich blähen.


T.


19 §. Tafel, TABULA, oder ein großer Tisch; tafeln, lange zu Tische sitzen; Taffent, ein dünner Seidenzeug.

Tag, DIES; der Dacht, oder das Tocht im Lichte; derTackt, das Zeitmaaß in der Musik; er dachte, COGITABAT; es taget, es wird Tag; es tauget, UTILE EST.

Talg, Unschlitt, oder eine Bergart; ein Dolch, SICA.

Taub, SURDUS; die Taube, COLUMBA; imgl. die Stäbe eines Fasses.

Tauchen, SUBMERGERE; davon ein Taucher, einer der sich untertauchen kann; taugen, CONDUCERE; ein Taugenicht, HOMO NAUCI; undtauglich, UTILIS; untauglich.

Taufen, BAPTIZARE; der Tåufer, BAPTISTA; derTeufel, DIABOLUS; der Tåuber, COLUMBA MAS; tåubeln, sich schnäbeln.

Tauschen, PERMUTARE; tåuschen, betriegen; davon Roßtäuscher; ein Deutscher, GERMANUS; nicht Teutscher: siehe meine Abhandlung davon, in der Nachricht von der deutschen Gesellschaft in Leipzig, oder am Ende dieser Sprachk. Daus, in der Karte.

Taxe, ÆSTIMATIO, die Schätzung; Taxus, eine Art wälscher Tannen; der Dachs, ein Thier; des Daches; die Dächer.

Teich, PISCINA; der Teig, woraus man Brod båckt.

Thal, VALLIS; davon Thaler, eine Münze, die zu Joachimsthal zuerst geschlagen worden; Teller, DISCUS; ein toller Mensch.

Thau, ROS; Dauen, das Dauwetter, wenn der Frost nachläßt; davon verdauen, CONCOQUERE; einTau, ein Schiffseil; davon Ankertau.

Thier, ANIMAL; Thůre, PORTA; dir, TIBI; theuer, CARUS.

Thor, (der) STULTUS; das Thor, PORTA; th \rlich, th \richt; nicht thorecht, wie die Schweizer;Thurn oder Thurm, TURRIS.

Thrånen, von θρηνος die Zähren; trennen, DISSOLVERE.

Thu, FAC; du, TU; thun, FACERE, die Dunen, Flaumfedern; Důnen, die Sandhügel am Seeufer; davon LUGDUNUM.

[183] Thum, der Dom, von DOMUS EPISCOPI; so auchVitzthum, von VICEDOMINUS; dumm, STUPIDUS; thum, die Endsyllbe, als Bisthum, Fürstenthum; im engl. DOM, als KINGDOM.

Tichten, sinnen; dichten, FINGERE; Dichter, ein Poet; dicht, enge beysammen; verdichten, dicht machen.

Tocht, sieh Tag; Tochter, FILIA; Doctor, ein Lehrer hoher Wissenschaften; ein Decker, der Dächer machet.

Tod, MORS; todt, ein Todter, MORTUUS; derDotter im Ey; die Dattel, eine Frucht; tadeln, REPREHENDERE.

Ton, TONUS; Thon, die Töpfererde; die Tonne, CADUS; die Done, eine Vogelschlinge; Don, der Fluß; die Donau; desgleichen Dohna, das gräfl. Haus.

Torf, CESPES FOSSILIS, Erde, oder Rasen, die man brennet; Dorf, PAGUS; d \rfen, ich dorfte, von ich darf, AUDEO.

Traben, laufen bey Pferden; die Trebern, VINACEA; ein Treiber, ABACTOR; die Treppe, SCALA.

Tracht, AMICTUS; trachte, bestrebe dich; traget, PORTATE; eine Tracht Schläge, oder eineTracht Essen; d.i. so viel man ertragen kann.

Trage, FER; tråge, IGNAVUS: treuge, trocken.

Traube, (die) UVA; die Traufe, STILLICIDIUM; die Drau, der Strom; die Trawe, ein Fluß bey Lübek.

Trauen, VIDERE; traun! SCILICET; er dråuet, oder drohet; die Draude, oder Trute, eine Hexe, von den Druiden, oder dem alten Worte Druthe, Herr, oder Frau.

Trecken, plattdeutsch, ziehen; ein Treckpott, Treckschüte; davon hießen die alten Thrazier Θρηϊκιοι gleichsam Trecker, die Herumzieher, oder Streifer; weil sie nach dem Berichte der Alten, immer hin und her zogen; wie auch die Sueven, oder Schweifer, und die Vandaln, oder Wandeler, davon den Namen haben: da hingegen die Ligii, vom Liegen, gleichsam die Lieger hießen, weil sie an einem Orte blieben; und Sassen, oder Sachsen, vom Sitzen, weil sie Landsaßen, d.i. feste Einwohner ihres Landes blieben. Obige Etymologie hat meines Wissens noch niemand gegeben; ob ich wohl sehe, daß Herr Pelloutier sich derselben etwas genähert, da er den Namen vom ziehen der Wagen herleiten wollen, darauf sie ihre Weiber und Kinder geführet. Sie ist aber desto richtiger, je gewisser es ist, daß die alten Thrazier deutsche Völker gewesen: da sie an die Geten, oder Gothen gegränzet, und sich mit ihnen wohl verstanden, auch viele thrazische Wörter, die man bey den Alten findet, wirklich deutsch sind. Dreck, MERDA.

Treue, FIDES; drey, TRES; ich dråue, MINOR;treuge, trocken; trauen, FIDERE; imgleichen COPULARE.

Triegen, betriegen, FALLERE; sie trůgen, FER RENT; treugen, SICCARE.

[184] Trinken, BIBERE; dringen, URGERE: ringen, LUCTARI.

Tritt, ein Schritt; tritt, CALCA; der dritte, TERTIUS.

Tropf, (der) NEQUAM; ein Tropfen, GUTTA; einTrupp, eine Schaar; die Truppen, das Kriegesheer, oder die Heerschaaren.

Trost, SOLATIUM; ein Drost, ein Amtshauptmann im Braunschweigischen.

Tr \sten, SOLARI; Dresden, die Hauptstadt in Meißen; Tressen.

Trůbe, NUBILUS; der Trieb, INSTINCTUS; ertrieb; der Tripp.

Trug, DOLUS, die Lügen; ein Trog, darinn man den Teig zubereitet; es trog, oder betrog mich.

Trumm, besser Drumm, ein Stück von etwas; davon die Drůmmer, zerdrůmmern; die Trummel, TYMPANUM.

Trupp, Truppen; sieh Tropf.

Tůcke, DOLUS; dick, CRASSUS; Tocken, oderDocken, Puppen.

Tůpfel, ein Punct; Důmpfel, eine Pfütze; Tůte, ein zusammengerolltes Papier, etwas hineinzuschütten; ein Důttchen, von Deut, einer niederländischen Münze, in Preußen, so viel als ein Kaisergroschen.


U. der Selbstlauter.


20 §. Ufer, der Rand eines Wassers, RIPA, LITTUS;unfern, nahe; ůber, TRANS; offen, PATULUS; ein Hůfher, der eine Hufe hat.

Uhr, HOROLOGIUM; die Hure, MERETRIX; vonheuren, miethen; ur, das Vorsetzwörtchen, in Urkunden, Ursprung, Urältem; Auerochs, URUS, nicht Urochs; wie Auerstädt, Auerbach, u.d.gl.

Umarmen, AMPLECTI; unbarmherzig, IMMISERICORS.

Umbringen, OCCIDERE; umringen, CIRCUMDARE.

Unbåndig, INDOMITUS; umwenden, VERTERE;unbindig, unverbindlich; bůndige, d.i. triftige Beweise.

Ungern, INVITUS; Ungarn, HUNGARIA; hungern, ESURIRE.

Urtheil, JUDICIUM; Vortheil, LUCRUM; Vorurtheil, PRÆJUDICIUM.


V. Der Mitlauter.


Vater, PATER, nicht Vatter; davon Våter, PATRES; Våtter, PATRUELIS; fetter, PINGUIOR.

Verehren, HONORARE; verh \ren, EXAMINARE; verheeren, VASTARE.

Vehde, besser Fehde, der Krieg; die Fåden, FILA.

Veilchen, VIOLÆ; feil, zu kauf; davon feilschen, nicht fälschen.

Verband, OBLIGABAT; verwandt, COGNATUS; er verwand den Schaden, von verwinden; Perbant, ein altes Geschlecht.

Verweisen, OBJUGARE; verweyset, der die Ältern verloren hat.

Verwunden, SAUCIARE; verbunden, OBLIGATUS; verwundern, ADMIRARI.

Verzagen, DESPERARE; versagen, DENEGARE.

Vest, GRAVIS; fest, FIRMUS; Fest, FESTUM; eine Festung, FORTALITIUM.

[185] Vieh, PECUS; pfy, oder pfuy, ein Wörtchen, den Ekel zu bezeugen.

Viel, MULTUM; er fiel, CADEBAT; ein Pfůl, CERVTCAL; ein Fůllen, PULLUS EQUI; fůhle, TANGE.

Vier, QUATUOR; fůr, PRO, LOCO, anstatt eines andern; fůhre, DUC; ein Fůhrer, DUX; dieFuhre, ein Fuder.

Volk, POPULUS; davon Pulk, ein Schwarm Tartarn; folge, SEQUERE; die Folge, CONSEQUENTIA; das Gefolg.

Vor, ANTE, CORAM, von der Zeit und dem Orte; Lachsforen; Forellen, Arten von Fischen; vorn, von vorne.

Vorlage, was man vorlegt; Verlag, der Vorschuß.

Vorlegen, PROPONERE; vorlůgen, MENTIRI;vorliegen, zu erst, oder vorne liegen; der Verlag, von verlegen.

Vorrath, COPIA, vorräthig; Verrath, PRODITIO, Verräther.

Vortheil, LUCRUM; vertheilen, DISTRIBUERE;vervortheilen, DECIPERE; verurtheilen, CONDEMNARE; ein Vorurtheil.

Vortrag, PROPOSITIO; ein Vertrag, PACTUM, CONTRACTUS.


W.


21 §. Waare, MERX; wahr, VERUM; daher Wahrheit; er war, ERAT; wåhren, DURARE; davonWåhrung, die Gewåhre leisten.

Wachs, CERA; wags, AUDE; wachse, CRESCE;erwågs, PONDERA.

Wåchsern, von Wachs; die Gewåchse, PLANTÆ;wichsen, CERA OBDUCERE; der Wuchs, das Wachsthum; von er wuchs.

Wade, SURA; waten, durchwaten, durchs Wasser gehen.

Waffen, ARMA; waffhen, ARMARE; Wapen, INSIGNIA; Pfaffen, CLERUS; puff, paff; wird vom Schießen gesaget.

Wåhlet, ELIGITE; die Welt, MUNDUS; der Wald, SILVA; es wallet, EBULLIT; das walte Gott, von walten, REGERE; sie wollten, VOLEBANT; siewåhlten, ELIGEBANT.

Wåhren, dauren; sich wehren, DEFENDERE; siewåren, ESSENT; verworren, CONFUSUS.

Wålsch, oder wällisch, von wallen, oder den altenWalliern, itzo Galliern, davon Walliser und Wallonen; ein Wallach, ein verschnittener Hengst, dergleichen die Wälschen zuerst gemachet; dieWallachen, ein aus Wälschland dahingeführtes Volk; Rothwålsch; wålsche Hühner, und wålsche Nüsse; ein Wahltag.

Wagen, CURRUS; eine Wage, LIBRA; sich wagen, AUDERE, PERICLITARI; wachen, VIGILARE; eine Bake, SPECULA, an der See.

Wall, VALLUM; die Wahl, ELECTIO; wallen, MIGRARE; daher die Wallonen, oder die Wahlen, wie Rachel die Franzosen nennet.

Wandeln, handeln, gehen; wandern, MIGRARE; davon die Wanderschaft; imgl. die Vandalier, d.i. Wandeler.

[186] Wanken, VACILLARE; die Wangen, GENÆ; dieBank, SCAMNUM.

Wann, QUANDO, von der Zeit; wenn, SI, die Bedingung; Wahn, OPINIO FALSA; wåhnen, OPINARI; erwåhnen, MENTIONEM FACERE; dieWanne, ein h \lzern Gefåß; von wannen? UNDE; die Wonne, GAUDIUM; die Wuhne, eine Viehtränke; zumal ein Loch im Eise.

Wanst, (der) ABDOMEN; die Wand, PARIES; dieWanze, CIMEX; wand, von winden; davon überwand; er wandte, VERTEBAT; das Wammes, THORAX.

War, (er) ERAT; wahr, VERUM; die Waare, MERX.

Ward, (er) FIEBAT; warte, EXSPECTA; dieWarte, SPECULA; der Bart, BARBA; die Barte, ein Beil; Helmbarten; der Bort, am Schiffe, MARGO; die Borte, CLAVUS.

Was, QUID; Wasser, AQUA; Wasen, Rasen; dieBase, des Vaters Schwester; ein Fasen, ein Faden von Seide, Flachs oder Wolle; fassen, greifen; faseln, INEPTIRE.

Weg, VIA; weg, APAGE; wecken, EXCITARE;wågen, PONDERARE; davon erwågen; verwågen, von wagen; ein Weck, oder Wecken, eine Art Weizenbrod; von wegen, PROPTER.

Weich, MOLLIS; ich weiche, CEDO; Weihe, CONSECRATIO; davon das Weichbild, oder geweihtes Bild, welches man an die Gränzen der Städte zu setzen pflegte; der Weyh, MILVIUS; ein Weyher, PISCINA; ein Fåcher, gleichs. ein Weher.

Weide, SALIX; die Weyde, PASCUA; weit, AMPLUS; Waidwerk, das Wild; das Eingeweide; ausweiden, EXENTERARE.

Weil, QUIA; die Weile, MORA; die Meile, MILLIARE; die Måuler, ORA; die Welle, UNDA; imgl. die Achse am Můhlrade.

Wein, VINUM; ich weine, FLEO; ich wåhne, PUTO, nicht wehne; denn es kömmt von Wahn.

Weis, (ich) SCIO; der Weise, SAPIENS; weiß, ALBUS; ich weiße, DEALBO; die Weysen, ORPHANI; die Weise, MODUS; Weizen, TRITICUM; Wiesen, PRATA; wissen, SCIRE.

Welcher, QUIS; ein Welker, MARCIDUS; umwölken, OBNUBILARE, von Wolken; W \lkau, das Gräfl. Vitzthumische Gut.

Welle, UNDA; die Wålle, AGGERES; eine Welle an einem Mühlrade, CYLINDRUS; w \llen, LANEUS; wåhlen, ELIGERE.

Wenden, VERTERE; ein Wend, VENEDUS; dieWånde, PARIETES; die Winde, ein Hebezeug, imgl. ein Unkraut.

Wer, QUIS; ein Wehr, an einem Mühlenflusse; dieWehre, als Gegenwehre; DEFENSIO; weder, NEQUE; ich wåre, ESSEM; die Gewähre leisten.

Werk, OPUS; Werg, STUPA; wirke, OPERA.

Wespe, VESPA; die Vesper, die Nachmittagspredigt.

West, die Himmelsgegend gegen Abend, imgl. der Abendwind; die Weste, von VESTIS; eine Unterkleidung; vest, oder fest.

[187] Wetten, SPONDERE; die Wette, SPONSIO; dasWetter, TEMPESTAS; wetzen, ACUERE; Wettin, eine Stadt; wettern, donnern.

Wider, CONTRA; wiederum, ITERUM; Widder, ARIES; weiter, PLUS ULTRA; das Gewitter, dieWitterung; wittern, riechen.

Wiege, CUNÆ; ich wiege, ich bin so schwer, imgl. ich bewege die Wiege; sie wichen, CEDEBANT; die Wicken, eine Hülsenfrucht; weichen, CEDERE.

Wiese, PRATUM; wisse, SCITO; die Wiesel, MUSTELA; er wies, OSTENDEBAT; die Weißel, sonst Weichsel; ein Wispel.

Wild, FERUS; mild, BENEFICUS; ein Bild, IMAGO; du willt, besser, du willst; er fůllet, IMPLET.

Winden, TORQUERE; der Wind, VENTUS; dieWinde, ein Hebezeug; ůberwinden, VINCERE; der Winter, HIEMS; ich finde.

Witwe, VIDUA; das Witthum, DOTALITIUM;widmen, DEDICARE; miethen, davon ein Miethmann.

Woche, SEPTIMANA; ein Wocken, ein Spinnrad;Waken, große Steine; wachen, VIGILARE;w \chentlich.

Wohnen, HABITARE; die Wonne, GAUDIUM;Wuhne, ein Loch in Eis gehauen; wåhnen, OPI NARI; gew \hnen, ASSUESCERE.

Wolle, LANA; wohl, BENE; wollen, VELLE; w \llen, LANEUS.

Wort, VERBUM; es ist aber falsch, wenn man spricht: Er will es nicht Wort haben; es soll heißen: wahr haben; er ward, geworden, FACTUM EST; die Wůrde, DIGNITAS; Bůrde, ONUS.

Wunde, VULNUS; sie wunden einen Kranz; dasWunder, MIRACULUM; ůberwunden, VICTUS; er hat es verwunden.

Wuth, SÆVITIA; wůthen, SÆVIRE der Wůtherich, ein Widder; sieh Wider; wittern, riechen; imgl. donnern.


Z.


22 §. Zåhe, zach, LENTUS; zagen, DESPERARE;zåcken, JOCO CONVELLERE; die Zacken, an den Hirschgeweihen.

Zåhne, DENTES; zehn, DECEM; die Zehen, DIGITI PEDUM; die Zeche, COMPOTATIO, ITEM FORS; sehen, VIDERE; såen, SEMINARE.

Zåhren, LACRYMÆ; zehren, CONSUMERE; zerren, VELLICARE; zieren, ORNARE; zůrnen, IRASCI.

Zahm, CICUR; der Samen, SEMEN; sam, die Endsyllbe, die eine Gleichheit bedeutet, als gleichsam, ehrsam etc.

Zahl, NUMERUS; Saal, ATRIUM; die Saale, der Fluß; Zahl, besser Zagel, der Schwanz; doch bleibt es in Rübezahl.

Zahn, DENS; die Sahne, CREMOR LACTIS; ersann, COGITABAT; zannen, weinen, ein schlesisch Wort; die Zonen, Weltgürtel.

[188] Zange, FORCEPS; der Zank, RIXA; er sang, CANEBAT; er sank, von sinken; zanken, RIXARI; er zankete.

Zaubern, hexen; sauber, reinlich; såubern, reinigen; zaudern, MORAS NECTERE; schaudern, HORRESCERE.

Zaum, FRENUM; Zaun, SEPE; davon zäumen, zäunen.

Zeichnen, SIGNARE; von Zeichen, SIGNUM; zeugen, TESTARI; såugen, an der Brust; zeigen, MONSTRARE; zeihen, beschuldigen, davon verzeihen, REMITIERE; sieh Zeuch.

Zeigen, OSTENDERE; zeugen, GENERARE; Zeichen, SIGNUM; seigen, PERCOLARE; seichen, MINGERE; siegen, im Kriege; siech.

Zeit, TEMPUS; seit, INDE, sint; die Seite, LATUS; die Seyte, CHORDA.

Zeter, das Geschrey über einen Missethäter; Ceder, ein Baum; Zentner, ein Gewicht; der Cider, ein engl. Getränk.

Zeuch, TRAHE; der Zeug, MATERIA; auch die Waffen, davon Zeugmeister; ein Zeuge, TESTIS;zeugen, TESTIMONIUM EDERE; zeigen, OSTENDERE; zeugen, GIGNERE; säugen, LACTARE; die Zauche, ein Gebüsch; die Seuche, PESTIS; die Seiche, URINA.

Ziege, CAPRA; Ziegel, LATER; Zůgel, HABENA; die Zůge der Völker, MIGRATIONES GENTIUM; ziehen, TRAHERE; Sieg, VICTORIA; das Siechbette, von siechen, krank seyn.

Zinn, STANNUM; die Zinne des Tempels; der Sinn, SENSUS; der Zins, USURA; Zinsen, CENSUM REDDERE; davon zinsbar.

Zittern, TREMERE; die Zither, CITHARA; Zitwer, ZEDOARIA.

Zoll, VECTIGAL; er soll, DEBET; zollen, Zoll geben; ein Z \llner, PUBLICANUS; der S \ller, der oberste Boden des Hauses; Sold, STIPENDIUM; davon ein S \ldner, MILES; imgl. Soldat.

Zoten, GERRÆ, garstige unzüchtige Reden; zotteln, Zoten reden, imgleichen nachlaufen; zottig, VILLOSUS.

Zucht, EDUCATIO; er suchet, QUÆRIT; dieSucht, LABES; er zůcket das Schwert; der Zug, DUCTUS, oder bey Kriegesheeren der Marsch.

Zwang, COGEBAT; ein Schwank, ein lustiger Einfall; er schwang den Säbel, VTBRABAT.

Zween, zwo, zwey, DUO, DUÆ, DUO; nach Unterschiede des Geschlechtes; sich entzweyen, zweyfach, Zwiespalt.

Zwerg, ein kleiner Mensch, imgl. ein kleiner Käs, in Ansehung eines großen; überzwerch, in die Queere.

Zwingen, COGERE; schwingen, VIBRARE;schminken, FUCARE; so auch zwungen, schwungen.

Zwilling, GEMINUS; Zwillich, eine Art leinenen Zeuges; schwůl, SUDUS.

Zwirn, doppelte Fäden; schwirren, STREPERE;schmieren, UNGERE; Smyrna, die Stadt.


[189] 23 §. Dieses ziemlich vollständige Verzeichniß, welches man in keiner bisherigen Sprachkunst oder Rechtschreibung so ausführlich finden wird; kann nun zwar anstatt eines beständigen Rathgebers dienen, so oft man in gewissen Wörtern zweifelhaft seyn möchte. Allein freylich hält es noch nicht alle bedenkliche Wörter in sich, die manchmal diesem oder jenem eine Schwierigkeit machen können. Ich weis nämlich, daß mich verschiedene gelehrte Männer um die Rechtschreibung alter juristischer, oder anderer Kunstwörter befraget haben, die sie in gewissen alten Büchern oder Schriften gefunden hatten, und die in meiner Sprachkunst nicht entschieden waren. Aber solche seltene Wörter wird man auch in den vollständigsten Wörterbüchern, z.E. Frischens seinem, vergeblich suchen: ja was noch mehr ist, bevor man ihren rechten Sinn und Ursprung errathen hat, so kann man auch ihre Rechtschreibung nicht einmal entscheiden.

24 §. Vor jenen 24 Jahren, als ich die erste Nachricht von der hiesigen deutschen Gesellschaft, als ihr Senior herausgab, fügte ich eine Abhandlung der orthographischen Frage bey: ob man deutsch oderteutsch schreiben solle? Vor einigen Jahren ließ man dieselbe in Wien, nebst des Herrn D. Fabriz und des Herrn Prof. Richeys in Hamburg, Abhandlungen von eben der Materie, wieder auflegen: da ich denn Gelegenheit hatte, meine Arbeit noch in etwas zu verbessern. Weil nun bis auf diese Stunde viele zweifelhaft sind, zu welcher Partey sie sich schlagen sollen; die gedachte neue Ausgabe aber hier nicht sehr bekannt geworden: so will ich sie am Ende dieser Sprachkunst, als eine Zugabe zu dieser meiner Rechtschreibung, beyfügen; auch das lucianische Gericht, über den Gebrauch der doppelten Buchstaben, nochmals verbessert, anhenken. Die dritte Zugabe soll itzo noch ein drittes orthographisches Stück ausmachen, welches nicht ohne Nutzen seyn wird. Vielleicht werden alle drey einigen Lesern nicht unangenehm seyn; und der Sache selbst desto mehr Licht geben.

[190]

II. Theil: Die Wortforschung

Die Wortforschung
[191][193]
Das I Hauptstück.
Von den verschiedenen Gattungen und Arten deutscher Wörter.

1 §.


Die Wörter einer jeden Sprache sind die Zeichen der Gedanken; und vertreten daher im Sprechen und Schreiben ihre Stelle. So vielerley Gedanken wir also haben können, so vielerley Wörter muß auch jede Sprache haben; damit man durch sie, alles, was man denket, ausdrücken und zu verstehen geben könne. Sollte es an einer Gattung derselben fehlen: so würde die Sprache nicht zulänglich seyn, im täglichen Umgange, andern Menschen, seine Meynung hinreichend zu erklären, geschweige dann Wissenschaften vorzutragen. 1

2 §. Nun haben aber die Weltweisen angemerket: daß es hauptsählich dreyerley Gattungen von Gedanken giebt. Denn wir denken erstlich an Dinge, die für sich selbst bestehen, oder doch als für sich selbst bestehend angesehen werden, nebst ihren Eigenschaften und Zufälligkeiten; z.E. an Himmel und Erde, Gestirne, Thiere, Pflanzen, Steine, [193] Metalle, u.d.gl. und alles, was an ihnen befindlich ist, als Bewegung und Ruhe, Leben und Tod, Kälte und Wärme, Größe, Schwere, u.s.w. Ein großer Theil davon fällt in die Sinne, andere aber werden auch nur durch den Verstand begriffen; als z.E. ein Geist, die Tugend, das Laster, die Wissenschaft, die Kunst, u.d.gl. Alle Wörter nun, die solche erste Gattung von Gedanken, der Dinge und ihrer abgesonderten Eigenschaften ausdrücken, die nennen wir Nennwörter. (NOMINA) 2

3 §. Die zweyte Gattung der Gedanken begreift alle Veränderungen, die mit den Dingen, durch ihre Wirksamkeit und Thätigkeit, oder auch durch dasLeiden vorgehen. Denn da in der Welt nichts beständig so bleibt, wie es ist: so bemerket man, daß viele Dinge etwas wirken, andere aber etwas leiden müssen; und dadurch ein ander Ansehen bekommen. Alle diese Veränderungen aber sind entweder gegenwärtig, oder bereits vergangen, oder noch zukünftig; und beziehen sich also ganz deutlich auf eine gewisse Zeit; z.E. ich schreibe, ich habe geschrieben, ich werde schreiben, u.d.gl. Dieser Umstand machet, daß man alle Wörter, die solche Gedanken des Thuns und Leidens ausdrücken, als die zweyte Gattung derselben, nümlich der Zeitwörter 3, rechnen kann. Sie heißen sonst VERBA.

[194] 4 §. Die dritte Gattung der Gedanken beschäfftiget sich nur mit den verschiedenen Verhältnissen, Verbindungen und Umständen; kurz, mit den mannichfaltigen Bestimmungen, darinn sich sowohl die Dinge, als ihr Thun und Leiden oft befinden. Diese nun mit Worten auszudrücken, und dadurch den Zusammenhang der Gedanken vollständiger zu machen, hat man allerley kleine Wörterchen nöthig gehabt, die in allen Sprachen auf eine ähnliche Art vorhanden sind. Z.E. der Sommer, ist ein Nennwort: vergehen, ein Zeitwort; und beyde vereiniget, sagen; der Sommer vergeht. Will ich aber die kurze Zeit bestimmen, darinn es geschieht, so setze ich noch das Bestimmungswort bald, oder schnell hinzu. Diese ganze dritte Gattung der Wörter also, nenne man Bestimmungswörter (lat. PARTICULAS) 4

5 §. In diese drey Gattungen nun, kann man alle Wörter der deutschen Sprache bringen, die man sonst in den meisten Grammatiken in acht, oder neun Arten zu theilen pflegt. Es ist aber Anfängern, zumal Unstudirten und Kindern, leichter drey, als neun Abtheilungen auswendig zu behalten: zumal, wenn sie von diesen gar keinen Grund der Eintheilung sehen können; wie insgemein zu geschehen pflegt 5. Wir wollen es aber dabey nicht bewenden lassen, sondern jede Gattung wiederum in ihre Arten eintheilen.

[195] 6 §. Wenn das Nennwort eines Dinges, für sich allein gesetzet, einen völligen Gedanken machet: oder eine Sache bedeutet, die für sich besteht, oder doch in Gedanken, als für sich bestehend angesehen wird: so wollen wir es ein Hauptwort (NOMEN SUBSTANTIVUM) nennen; z.E. Gott, Mensch, Thier, Tugend, Wissenschaft, u.d.gl. Wenn aber ein Nennwort für sich keinen völligen Gedanken machet, wo es nicht zu einem solchen Hauptworte gesetzet wird: so nennet man es nur ein Beywort (NOMEN ADJECTIVUM); z.E. großer, weiser, wilder, u.d.gl. Diese bedeuten etwas sehr unvollständiges, wo ich nicht zu jedem ein Hauptwort setze; als: ein großer Gott, ein weiser Mensch, ein wildes Thier. Beyde zusammen aber heißen Nennwörter (NOMINA) 6

7 §. Hiebey ist zu merken, daß oftmals auch die Beywörter zu Hauptwörtern werden können, wenn man das Hauptwort darunter versteht, und also wegläßt: z.E. ein Weiser ist besser, als ein Starker. Hier versteht man beydemal das Hauptwort Mann, oder Mensch darunter; welche man, der Kürze halber, wegläßt 7. Eben so können zuweilen die Zeitwörter zu Nenn- und Hauptwörtern werden, wenn man ihnen in Gedanken ein Seyn und Wesen beyleget: z.E. thun und lassen, sind Zeitwörter: wenn ich aber sage, das [196] Thun und Lassen der Menschen; so sind beyde zu Hauptwörtern geworden; die man daher auch billig, mit großen Anfangsbuchstaben zu schreiben, Ursache hat.

8 §. Die Hauptwörter werden entweder selbst gesetzet; oder man will sich diese Weitläuftigkeit ersparen, und gewisse kürzere oder bequemere Wörterchen ihre Stelle vertreten lassen. Z.E. wollte Dido dem Äneas sagen, daß sie ihn liebe: so müßte sie ordentlich sprechen: Dido liebet den Äneas. Wenn nun diese und dergleichen Reden oft vorkämen, so würde die Wiederholung der Namen einen Ekel erwecken. Man hat also Würterchen erfunden, die man für die Hauptwörter, das ist, an ihrer Stelle, brauchet, und die viel kürzer sind. So darf nun Dido zum Äneas nur sagen: Ich liebe dich; und diese Art von Wörtern nennet man Fürwörter 8.

9 §. Da Menschen und Thiere von zweyerley Geschlechtern; außer diesen aber, viele andere Dinge, weder Mann noch Weib sind, sondern ein unbestimmtes Geschlecht ausmachen: so hat man auch in den Wörtern der Sprachen dreyerley Geschlechter, nämlich das männliche, weibliche und ungewisse 9 [197] eingeführet. Einige Sprachen nun haben, diese Geschlechter anzudeuten, besondere kleine Wörterchen erdacht, die sie vor die Hauptwörter setzen. Unter diesen aber, ist nebst der griechischen, auch die deutsche; als wenn man z.E. saget: ein Berg, eine Wiese, ein Feld; oder der Mann, die Frau, das Kind. Dieses ein, eine, eins, undder, die, das, nennet man Geschlechtswörter (lat. ARTICULOS).

10 §. Nun könnte man diese Geschlechtswörter zwar mit zu den Fürwörtern (PRONOMINIBUS) rechnen; weil sie ihnen sehr ähnlich sind. Allein da man die Fürwörter auch ohne die Hauptwörter, und anstatt derselben; die Geschlechtswörter aber, neben und zugleich mit ihnen brauchet: so sind sie genugsam unterschieden. Hierzu kömmt: daß man jene in den Sprachlehren erst nach den Hauptwörtern abhandelt; dieses Geschlechtswort aber schon bey den Hauptwörtern nöthig hat. Also muß man von ihm in einem besondern Hauptstücke, und zwar vor jenen, handeln 10.

[198] 11 §. Wir kommen auf die zweyte Gattung, nämlich der Zeitwörter, die das Thun und Leiden anzeigen: und diese hat auch zweyerley Arten unter sich. Die eine nämlich bedeutet schlechtweg das Thun und Lassen, welches in einer gewissen bestimmten, oder unbestimmten Zeit geschieht; muß aber vor oder neben sich allemal ein Haupt- oderFürwort haben, wenn es einen vollen Gedanken geben soll: z.E. ich lese, du schriebst; der Vogel ist geflogen; der Fisch wird schwimmen, u.d.gl. Diese Art heißt nun insbesondere dasZeitwort 11, und hat mit den Nennwörtern gar nichts ähnliches.

12 §. Allein es giebt noch eine andere Art von Wörtern, die zwar das Thun und Leiden in einer verschiedenen Zeit anzeigen; aber doch zugleich einen Hauptbegriff bey sich [199] führen, der sich schon allein gedenken läßt, und also gewissermaßen einem Nennworte ähnlich sehen: als ein Schreibender, derLiebende, etwas Geschriebenes, die Geliebte, u.d.gl. mehr. Kommen also diese Wörter durch das Geschlechtswort, das sie annehmen, und durch andere Stücke, die bald folgen sollen, mit den Nennwörtern überein: so halten sie dergestalt zwischen den Zeit- und Nennwörtern das Mittel: und weil sie von mittlerer Natur sind; so nennet man sie Mittelwörter (PARTICIPIA).

13 §. Die Zeitwörter bedeuten oft ein sehr unbestimmtes Thun oder Leiden; als wenn man saget: erstudiret, er geht, er arbeitete, er kam; so weis man noch nicht, ob er fleißig studirt;stark, oder langsam geht; viel oder wenig arbeitete; heute oder gestern gekommen ist. Alle diese kleinen Wörter bestimmen also die Bedeutungen der Zeitwürter, und machen die erste Art der dritten Gattung aus. Weil diese nun den Zeitwörtern beygesetzet werden, und insgemein dicht neben ihnen stehen: so nennen wir sie Nebenwörter 12 (ADVERBIA).

14 §. Eine andere Art von kleinen Bestimmungswörtern, wird vor die Nenn- und Fürwörter (NOMINA UND PRONOMINA) gesetzet: und diese dienen allerley kleine Nebenumstände derselben zu bestimmen. Z.E. Alexander kömmt zum Diogenes; dieser Weltweise wohnet in einem Fasse; der Diener grüßetvon seinem Herrn; der Soldat flieht vor dem Feinde; er schreibt mit Verstande, u.d.gl. Weil nun alle diese Wörter vor den Nennwörtern und Fürwörtern, ja auch wohl vor den Beywörtern zu stehen kommen: so nennet man sie zum Unterschiede, Vorwörter (PRÆPOSITIONES 13);

[200] 15 §. Es füget sich oft, daß man etliche Gedanken, oder Begriffe einer Art an einander fügen, und verknüpfen will. Wenn man nun sagen will: Gott habe nicht nur den Himmel, sondern auch die Erde, ja alles, was darinnen ist, erschaffen: so muß man solche Bestimmungswörter haben, die solche Verbindung andeuten. Z.E. in diesem Exempel, waren nicht nur, sondern auch, ja; und so weiter,und, aber, nämlich, wie, so, denn, weil, daher, sofern, außer, oder, entweder, u.d.gl. Weil nun diese alle zur Verbindung der andern Wörter dienen, so werden sie Bindewörter (CONJUNCTIONES) 14 genennet.

16 §. Endlich ist noch der Gemüthszustand eines Redenden bisweilen zu bestimmen nöthig. Denn da der Mensch oft in Leidenschaften oder Gemüthsbewegungen steht; und selbige gern andern zu verstehen geben will: so hat man auch solche kleine Wörter er denken müssen, die solches andeuten konnten. Z.E. O! Ach! Weh! Weg! Pfuy! Sieh! Lustig! u.d.gl. Weil nun diese Art der Bestimmungswörter keine besondere Stelle hat; sondern nur zwischen die andern gesetzet wird, wo sie sich hinschicket: so haben sie den Namen der Zwischenwörter (INTERJECTIONES) bekommen 15.

[201] 17 §. Will man sich nun diese Abtheilung aller Wörter einer Sprache, in ihre Gattungen und Arten, nach dem Grunde ihrer Bedeutungen, deutlich vorstellen; so setze man zur Erleichterung, folgendes Täfelchen an:


Die Wörter der deutschen Sprache sind entweder

I. Benennungen oder Namen der Dinge; und zwar

1) Geschlechtsüwörter (ARTICULI).
2) Nennwörter (NOMINA); von welchen einige
a) Hauptwörter (SUBSTANTIVA), andere aber
b) Beywörter (ADJECTTVA) sind.
3) Fürwörter (PRONOMINA).
Oder es sind

II. Anzeigungen des Thuns und Leidens; und diese sind entweder

1) Zeitwörter (VERBA); die
a) theils thätige (ACTIVA),
b) theils leidende (PASSIVA),
c) theils mittlere (NEUTRA) sind; oder
2) Mittelwörter (PARTICIPIA).
Oder es sind

III. Bestimmungswörter; und diese sind wiederum

1) Nebenwörter (ADVERBIA);
2) Vorwörter (PRÆPOSITIONES);
3) Bindewörter (CONJUNCTIONES);
4) Zwischenwörter (INTERJECTIONES).

[202] 18 §. Will aber ein Lehrmeister seine Schüler mit diesem philosophischen Unterschiede der Wörter nicht beschweren; so kann er ihnen ebenfalls nur sagen: es gebe im Deutschen neun Arten von Wörtern oder Redetheilchen, nämlich: 1) Geschlechtswörter, 2) Nennwörter, 3) Fürwörter, 4) Zeitwörter, 5) Mittelwörter, 6) Nebenwörter, 7) Vorwörter, 8) Bindewörter, und 9) Zwischenwörter; oder lateinisch: ARTICULUS, NOMEN, PRONOMEN, VERBUM, PARTICIPIUM, ADVERBIUM, PRÆPOSITIO, CONJUNCTIO, INTERJECTIO, und dieselben auswendig lernen lassen 16 Von allen diesen Arten der Wörter müssen wir nun nach und nach insbesondere handeln.

Fußnoten

1 Dieses weiter auszuführen, würde in eine allgemeine Sprachkunst gehören. Man kann indessen des Freyherrn von Wolf, vernünftige Gedanken von Gott, der Welt etc. imgleichen Herrn CanzensGRAMMAT. UNTVERS. nachschlagen. Gleichwohl ist die deutsche Sprache in allen diesen nöthigen Arten der Wörter so vollständig, als irgend eine in der Welt; und hat noch dazu die Art, daß ihre Reichthümer sich täglich vermehren lassen.

2 Einige Sprachlehrer haben sie lieber Namen nennen, und hernach die SUBSTANTIVA und ADJECTIVA, durch selbständige und beyständige Namen ausdrücken wollen. Allein, da wir die Namen allemal von eigenen Namen der Örter und Menschen verstehen: so ist Nennwort bequemer, alle Benennungen der Dinge zu bezeichnen. Die SUBSTANTIVA kann man Hauptwörter, die ADJECTIVA aber Beywörter nennen, wie längst eingeführet ist.

3 Diese Benennung ist unstreitig besser und bestimmter, als die lateinische, VERBA: denn auch die NOMINA und alle übrige Arten sind VERBA, Wörter, Daher haben einige deutsche Sprachlehrer ohne Ursache, diese lateinische Art nachahmen wollen. Ein Zeitwort drücket das aus, was ACTIVA und PASSIVA gemein haben, und was sie von allen andern Wörtern unterscheidet.

4 Das Wort PARTICULA ist abermal nicht so bequem, die Sache auszudrücken, als unsere deutsche Benennung. Denn was hilft mirs, daß ich weis, es seyn Theilchen der Rede; da jedes Nennwort, und Zeitwort eben dergleichen ist? Ja bisweilen ist eins von diesen ein weit kleineres Theilchen, als die sogenannten PARTICULÆ; wenn sie nämlich ein- oder zweysyllbig, diese hergegen vielsyllbig sind, wie es dergleichen viele giebt: z.E. dergestalt, dannenhero.

5 Wir wissen, daß es auch wohl gelehrte Leute, ja große griechische und lateinische Sprachenhelden giebt, die von dem so berufenen NOMEN, PRONOMEN etc. keinen vernünftigen Unterschied einsehen, oder angeben können. Da sie nun gleichwohl das Latein nach einer Grammatik gelernet haben: was würde nicht erst geschehen, wenn sie, wie Hr. PLUCHE in seiner MECANIQUE DES LANGUES begehret, alles Latein bloß aus der Übung im Reden lernen sollten?

6 Nennwort (NOMEN) ist also die Gattung, die sich in zwo Arten, der Hauptwörter, und Beywörter theilet. Das lateinische SUBSTANTIVUM hat wieder die Unbequemlichkeit, daß es 1) ein seht metaphysisches Wort ist, das von jungen Leuten, welche Sprachen lernen sollen, nicht verstanden wird; 2) daß hundert NOMINA SUBSTANTTVA keine Substanzen andeuten; sondern oft ganz abstracte, oder abgesonderte Begriffe benennen, z.E. Wissenschaft, Tugend, Zeit, Ort, u.s.w.

7 Hier ist indessen zu bemerken, daß dergleichen Wörter doch die ganze Art ihrer vorigen Bildung behalten: z.E. wie Weiser, als ein Beywort aussah, so bleibt es auch als ein Hauptwort, ein Weiser. Dieses ist wider die zu merken, die da meynen, es müsse sein r hinten verlieren, und ein Weise heißen. Oder wie andere von ihrer Schöne reden, wenn sie eine Geliebte verstehen; die doch hinten in der 2, 3ten und 6ten Endung ein n haben muß, wie bey den Beywörtern gewöhnlich ist.

8 Ein gewisser alter Sprachlehrer will diese Art dieAnstattwörter nennen; welches zwar die Natur derselben ausdrücket, aber lange nicht so gut klingt, als Fürwörter. Andere, die das Für und vor nicht unterscheiden können, haben sie Vorwörter, auch wohl Vornamen, recht nach dem Lateine nennen wollen. Allein, wer weis nicht, daß Vornamen und Taufnamen einerley sind, indem sie den Zunamen entgegen gesetzet werden?

9 Einige wollen dieß Geschlecht das dingliche benennen. Allein, da nicht alle Dinge außer den Thieren GENERIS NEUTRIUS, sondern unzählige auch von männlichem, oder weiblichem Geschlechte sind: so hat es mir bequemer geschienen, es das ungewisse Geschlecht zu nennen. Denn wenn ich sagedas Kind, so ist es noch ungewiß, ob es ein Knab, odet ein Mägdchen ist. So ist es auch mit Thier, Pferd, Rind, Schwein, Füllen, Kalb, Lamm, Ferkel u.a.m. beschaffen. Doch giebt es freylich, durch die Unbeständigkeit des Pöbels, der zuerst die Sprachen gemachet, gewisse Abfälle. Z.E. das Huhn, das Reh, das Weib; imgleichen bey Knäblein, Söhnlein, Töchterlein, Fräulein. Gleichwohl könnte man die ersten beyden noch retten. Denn wer von Hühnern redet, schließt oft auch den Hahn mit ein; und wer im Walde Rehe heget, der versteht auch die Böcke darunter. Kurz, keine Sprache ist ganz regelmäßig. Ich zeige den philosophischen Grund der drey Wortgeschlechter. Wer kann dafür, daß man ihm nicht überall gefolget ist?

10 Wir folgen hierinn den griechischen Sprachlehrern, die auch damit den Anfang machen. Denn unsere Sprache hat in den Artikeln, oder Geschlechtswörtern eine große Ähnlichkeit mit der griechischen. Auch die alte gothische hatte sie schon, wie aus dem Ulfila erhellet. Die lateinische hergegen hat sie nicht: ihre heutigen Töchter aber, die wälsche, spanische und französische, haben sie von ihren deutschen Überwindern, den Gothen, Longobarden, Vandaliern, Burgundern, Franken, und Normannen annehmen müssen. Das saget Grotius in seinem Sinngedichte auf die deutsche Sprache: FARR. L. III, p. 215.

O PATRIA SALVE LINGUA!

CUJUS RETENTA PARTE, TOT TRIUMPHATÆ

ADHUC FATENTUR TEUTONUM ARMA GENTES ETC.

Eben dieß gesteht Rollin in s. MANIERE D'ENSEIGNER etc. T. I, p. 324, von der französischen Sprache. Denn da er es von den VERBIS, Zeitwörtern, bekennet, die sich ohne die Hülfswörter nicht behelfen können; so sind diese mit darunter begriffen. LA PLUPART DE NOS MOTS, VIENNENT DE LA LANGUE LATINE; MAIS LA CONSTRUCTION, & LES VERBES AUXILIAIRES, QUI SONT D'UN TRES GRAND USAGE, NOUS VIENNENT DE LA LANGUE GERMANIQUE. Er hätte immer ausdrücklich auch der Artikel oder Geschlechtswörter erwähnen können.

11 Hr. Spessotti, der zu Rom eine deutsche Sprachkunst herausgegeben, nennet das VERBUM schlechtweg ein Wort. Allein ob er gleich dadurch Ausländern die Kunstwörter erleichtern will; so unterscheidet er dadurch das VERBUM nicht von allen andern Wörtern.

12 Ein großer Weltweiser, Bar. Wolf, wollte sieBeywörter der Hauptwörter nennen, dadurch er die Zeitwörter verstund; die ADJECTIVA oder Beywörter der Namen heißen. Allein unsere Benennung ist kürzer, und folglich bequemer.

13 Sie können bey uns desto geschickter so heißen, da sie fast allemal vor den benannten Wörtern, niemals aber hinten stehen, wie bey den Griechen und Lateinern bisweilen zu geschehen pflegt. Z.E. MERITISpro TALIBUS ANNOS. Virg. NOBISCUM u.d.m.

14 Einige Sprachlehrer nennen sie Fügewörter, vieleicht weil die Tischler ihre Hölzer aneinander fügen. Allein, da das bloße Fügen, noch nichts vereiniget, wenn kein Leim darzwischen kömmt, der es bindet: so dünket mich das Bindewort der Sache angemessener zu seyn, zumal da wir die SYNTAXIN, in weit allgemeineren Verstande die Wortfügung nennen müssen.

15 Es wäre zu wünschen, daß man auch dieser Wörter Natur etwas näher, als die Lateiner, bestimmen könnte. Allein, da sich keine bequemere Benennung finden will: so muß man es bey der lateinischen bewenden lassen, ob sie gleich gar zu allgemein ist, und allen vorhergehenden auch zukömmt; ja sich auf diese nicht allemal schicket. Z.E. wenn man rufet, Ach! O weh!

16 Dieses ist von jungen Kindern zu verstehen. Wenn sie aber größer werden, kann man ihnen den obigen Unterschied erklären, damit sie auch den Grund der Eintheilung einsehen. Denn dazu gehöret schon ein etwas reiferer Verstand.

Das II Hauptstück
Das II Hauptstück.
Vom Geschlechtsworte (articulo).

1 §.


Die deutschen Geschlechtwörter sind eben sowohl, als im Griechischen, zweyerley 1. Das eine ist ein unbestimmtes, (ARTTCULUS INDEFINITUS) das andere aber ein bestimmtes (ARTICULUS DEFINITUS). Jenes ist das Wörtchen ein, eine, ein 2; z.E. ein Tempel, eine Kapelle, ein Haus. Selbiges wird gesetzet, wenn man noch von keiner gewissen oder bestimmten Sache, sondern nur überhaupt von dergleichen Dingen reden will. Dieses aber ist das Wörtchen der, die, das; welches die Sache schon weit näher bestimmet: als der Tempel, die Kapelle, das Haus. Von beyden muß deutlicher gehandelt werden.

[204] 2 §. Man bemerket aber, sowohl bey allen Benennungen der Dinge überhaupt, als bey diesen Geschlechtswörtern, daß sie auf gewisse Fragen auch andere Endungen 3 annehmen; doch so, daß die Stammbuchstaben unverletzet bleiben. Wir werden dieses deutlich sehen, wenn wir die Fragen, mit dem abgeänderten Geschlechtsworte gegenüber, hersetzen.


Abänderung des unbestimmten Geschlechtswortes Ein.


männlich,weiblich,ungewiß,
1. Frage: Wer?Ein Mann,eine Frau,ein Kind.
2. Frage: Wessen?Eines Mannes,einer Frau,eines Kindes.
3. Frage: Wem?Einem Manne,einer Frau,einem Kinde.
4. Frage: Wen?Einen Mann,eine Frau,ein Kind.
5. Die Anrufung:O du Mann,O du Frau,O du Kind.
6. Fr. Von wem?Von einem Manne,einer Frau,Einem Kinde.

3 §. Diese sechs veränderten Endungen haben die Lateiner CASUS, oder Fälle genennet: wir aber können sie besser schlechtweg, Endungen heißen, und zwar in der Ordnung, wie die Fragen da stehen,die erste, zweyte, dritte, vierte; fünfte, sechste Endung. Denn wenn gleich einige von unsern Sprachlehrern darinnen dem Gebrauche der Lateiner gefolget sind, und ihre CASUS so buchstäblich gegeben haben:


[205]
Casus,der Nennfall,oder die Nennendung;
nominativus,
Casusder Zeugefall,oder die Zeugendung;
genitivus,
Casusder Gebefall,oder die Gebendung;
dativus,
Casusder Klagefall,oder die Klagendung;
accusativus,
Casusder Ruffall,oder die Rufendung;
vocativus,
Casus,der Nehmefall,oder die Nehmendung;
ablativus,

so haben doch andere lateinische Sprachlehrer, auf eine bequemere Art, CASUM PRIMUM, SECUNDUM, TERTIUM, u.s.w. gebrauchet. Diese Art nun, die Endungen der Nennwörter und Fürwörter zu unterscheiden, dünket mich im Deutschen desto bequemer: je weniger man, in den obigen Benennungen, von dem Zeugen, Geben, Klagen und Nehmen, einen Grund angeben kann 4.

4 §. Man hat bey den Abänderungen der Nenn- und Fürwörter ferner zu bemerken, daß die Dinge, wovon sie reden, entweder einzeln, oder in mehrerer Zahl angetroffen werden. Beydes muß man den Wörtern ansehen können, wenn anders die Sprache deutlich seyn soll. Zwar was das unbestimmte Geschlechtswort betrifft: so kann selbiges seiner Natur nach, nicht von vielen gesaget werden: die mehrere Zahl aber hat kein solches Geschlechtswort; denn man saget schlechterdings, Männer, Frauen, Kinder. Z.E. Männer müssen nicht wieKinder fechten 5. Frauen sind keine Mägde. Hier ist also das unbestimmte Geschlechtswort, gleichsam unsichtbarer Weise, vorhanden. Die Redensart: ein und andere Männer ist ein Zwitter, von der einfachen und mehrern Zahl: und hieße besser, einige, als ein Fürwort.

[206] 5 §. Allein, ganz anders verhält sichs mit dem bestimmten Geschlechtsworte, der, die, das. Dieses sieht in seiner völligen Abänderung so aus:


Einfach (SINGULARITER).


männlich,weiblich,ungewiß
Die erste Endung,der Mann,die Frau,das Kind;
Die zweyte Endung,des Mannes,des Frau,des Kindes;
Die dritte Endung,dem Manne,der Frau,dem Kinde;
Die vierte Endung,dem Mann,die Frau,das Kind;
Die fünfte Endung,o du Mann,o du Frau,o du Kind;
Die sechste Endung,von dem Manne.von der Frau.von dem Kinde.

Vielfach (PLURALITER).


Die erste Endung,die Männer, Frauen, Kinder;
Die zweyte Endung,der, nicht derer, oder deren;
Die dritte Endung,den, nicht denen,
Die vierte Endung,die Männer, Frauen, Kinder;
Die fünfte Endung,o ihr Männer, Frauen, Kinder;
Die sechste Endung,von den, nicht denen.

6 §. Hierbey merke man, daß von vielen in der zweyten, dritten und sechsten Endung der mehrern Zahl, sehr unrecht derer, und denen gesetzet wird. Man muß nämlich den Artikel, oder das Geschlechtswort, der, die, das, von dem Fürworte der, die, das, sehr genau unterscheiden. Dieses hat gleich in der zweyten Endung der einzeln Zahldessen, derer, dessen, da jenes nur des, der, des hat. Der Unterschied [207] besteht darinnen, daß das Fürwort auch ohne das Hauptwort stehen darf; das Geschlechtswort aber niemals ohne dasselbe seyn kann. Z.E. in der Bibel steht sehr richtig, Joh. 6: Jesus nahm die Brodte, dankete, und gab sie (Artikel) den Jüngern: die Jünger aber (Fürwort) denen, die sich gelagert hatten; desgleichen auch von (Artikel) den Fischen. Imgleichen Matth. 15,38: Und die gegessen hatten, (Fürwort) derer waren bey vier tausend Mann 6

7 §. Man muß ferner bey diesem Geschlechtsworte merken, daß es oft mit gewissen Vorwörtern zusammengezogen, und gleichsam in eins geschmolzen wird; weil die Geschwindigkeit im Reden solches so mit sich bringt, und möglich machet. Zum Exempel:


für an dem, setzet man, am Tage liegen,

füran das,setzet man,ans Licht bringen,

fürauf das,setzet man,aufs Feld reiten,

fürauf dem,setzet man,aufm Haupte tragen,

füraus dem,setzet man,ausm Kopfe reden,

fürdurch das,setzet man,durchs Wasser gehen,

fürfür das,setzet man,fürs Geld bekommen,

fürhinter dem,setzet man,hinterm Ofen liegen,

fürhinter den,setzet man,hintern Ofen werfen,

fürin dem,setzet man,im Himmel seyn,

fürin das,setzet man,ins Feuer schmeißen,

fürvon dem,setzet man,vom Übel erlösen,

fürvor das,setzet man,vors Fenster legen,

fürvor dem,setzet man,vorm Thore suchen,

fürvor den,setzet man,vorn Kopf stoßen,

fürüber dem,setzet man,überm Feuer hangen,

[208] fürüber den,setzet man,übern Tölpel werfen,

fürüber das,setzet man,übers Meer fahren,

fürunter dem,setzet man,unterm Kopfe haben,

fürunter den,setzet man,untern Kopf legen,

fürunter das,setzet man,unters alte Eisen werfen,

fürwider den,setzet man,widern Stachel läcken,

fürwider das,setzet man,widers Verboth handeln,

fürzu dem,setzet man,zum Guten reizen,

fürzu den,setzet man,zun Zeiten Herodis,

fürzu der,setzet man,zur Güte bewegen,u.d.gl.


NB. Viele wollen nun hier zwar auch das an, mitden; und das in, mit den, zusammenziehen, wenn sie sagen: er kömmt an Galgen, für an den; in Himmel, für in den; allein falsch. Denn da das letzte n sich hier nicht verwandeln läßt, so müßten sie ja schreiben an' n Galgen, in' n Himmel. Aber wer kann das aussprechen? Schmelzet nun gleich die geschwinde Aussprache diese und dergleichen Syllben mehr, als an den in an' n, (er kömmt an' n Galgen,) zusammen: so muß man doch im Schreiben den Grund besser anzeigen, und lieber an den Galgen, in den Himmel, schreiben, als Lesern, sonderlich Ausländern, solche Schwierigkeit machen. Denn ist es nicht billig, daß von einem verbissenen Worte wenigstens einige Spur übrig bleibe?


8 §. Es ist also auch falsch, wenn einige hier in Obersachsen, auch wohl im Reiche, in der dritten und sechsten Endung der einzelnen Zahl, beym männlichen oder ungewissen Geschlechtsworte, ein n; in der mehrern Zahl aber ein m sprechen oder schreiben. Z.E. Ich habe es den Mann gesaget, anstatt dem Manne; ich habe es von keinen Menschen gesehen, anstatt von keinem. Oder: Er lag ihm zum Füßen, anstatt zun Füßen, oder zu den Füßen; imgleichen zum Sternen erheben, anstatt zun, das ist zu den Sternen. Eine falsche Aussprache, oder ein eingebildeter Wohlklang, kann wider die Richtigkeit der Regeln nichts falsches rechtfertigen. Ein Lausitzer, Schlesier, Brandenburger, Preuß, und Niedersachs, wird niemals so falsch sprechen.

9 §. Endlich ist nicht zu vergessen, daß die Geschlechtswörter oft dienen, die Bedeutungen gewisser Wörter zu bestimmen, [209] die sonst einerley zu seyn scheinen würden. So ist z.E.


Männlich.Weiblich.Ungewiß.
Der Aal, einDie Ahle, eine
Fisch.Schusterpfrieme.
Der Alp, dieDie Alpen, das
nächtlicheGebirg.
Beängstigung
Die Armuth,Das Armuth,
paupertas.pauperes.
Der Asch, einDie Asche,
Topf.verbrannt Holz.
Der Bach, einDie Bache, eine
fließend Wasser.Sau.
Der Bär, ursus.Die Beere, eine
Frucht.
Der Balg, einesDie Balge, einDas Balgen.
Thieres.Waschgefäß
Der Bann,Die Bahne,
excommunicatio.Straße.
Der Band, amDie Bande, eineDas Band,
Buche.Rotte.vinculum.
Der Bart, amDie Barte, ein
Kinne.Beil.
Der Bauer, einDas Bauer, oder
Ackersmann.Gebauer, für die
Vögel.
Die Beete,Das Beet, zu
Mangold.Blumen.
Die Beule, eineDas Beil, eine
Geschwulst.Axt.
Die Blüte, derDas Blut, in
Bäume.Adern.
Der Both,Das Boot, cymba.
nuncius.
Der Port, einDie Borte, amDas Bort des
Haven.Kleide.Schiffes.
Der Bug, dieDie Buche,Das Buch, liber.
Schulter desfagus.
Wildes.
Der Bull, einDie Bulle desDas Buhlen, ein
Stier.Papstes.Buhle.
Der Bund,Das Bund, Heu
f™dus.oder Stroh.
Der Busen,Die Buße, die
sinus.Reue.
Der Don, einDie Done, die
Strom.Vogelschlinge.
Die Aente, anas.Das Ende, finis.
Die Esse,Das Essen.
Feuermauer.
Der Fall, casus.Die Falle, für
Thiere.
Die Feyer, einDas Feuer,
Fest.ignis.
[210] Der Gall, sonus.Die Galle, fel.
Die Gelte, einDas Geld, die
Gefäß.Münze.
Die Gift, alsDas Gift,
Mitgift.venenum.
Der Haken, etwasDie Hacke.
aufzuhängen.
Der Hader, einDie Ader.
Zank.
Der Herd, focus.Die Heerde,
grex.
Der Heyd,Die Heide,
paganus.unfruchtbares
Land.
Der Hirt,Die Hürde, der
pastor.Zaun um eine
Heerde.
Der Hut, pileus.Die Hut, eine
Wacht.
Der Irr, einDer Irre, in derDas Ihre,
Irrländer.Irre gehen.Ihrige.
Der Kahn,Die Kanne,
linter.cantharus.
Der Keil,Die Keule,
cuneus.clava.
Der Kien,Das Kinn,
harzigt Holz.mentum.
Der Kies, groberDie Küsse,Das Küssen, v.
Sand.basia.Federn.
Der Kohl,Die Kohle,
brassica.carbo.
Der Koht,Die Kothe, zum
Unflaht.Salzsieden.
Der Grimm,Die Krümme,Das Grimmen, im
furor.curvatura.Bauche.
Der Lachs.Die Lache, eineDas Lachen,
Pfütze.risus.
Die Laube, eineDas Laub, der
grüne Hütte.Bäume.
Der Laut, sonus.Die Laute, das
Instrument.
Die Letter,Das Leder,
litera.corium.
Die Lehne, amDas Lehn,
Stuhle.feudum.
Die Leiche,Das Leychen, der
funus.Fische.
Der Lein,Die Leine, einDas Leinenzeug.
Flachs.Seil.
Der Leisten, zumDie Leiste,
Schuhlimen.
Der Leuchter.Die Leuchte.
Der Lohn,Die Löhnung.Das Lohn,
præbmium.merces.
Die Maas, einDas Maaß,
Fluß.mensura.
Der Mantel.Die Mandel, oderDas Mandel.
Der Mangel.Die Mange,
Wäsche zu
rollen.
Der Marder,Die Marter,
martes.tormentum.
[211] Der Messet,Das Messer,
mensor.culter.
Der Mund.Die Münde, od.
Mündung eines
Stroms.
Die Muße, otium.Das Mus, ein
Brey.
Der Nabel,Die Nabe, am
umbilicus.Rade.
Die Nessel,Das Nößel, ein
urtica.Maaß.
Der Pracht,Die Pracht,
luxus.pompa.
Der Rath,Das Rad, rota.
consilium.
Der Rang, dieDie Range, ein
Würde.ungerathen Kind.
Die Rasen, imDas Rasen,
Grünen.furor.
Der Raub,Die Raupe,
spolium,eruca.
Der Reiß, oryza.Die Reise, iter.Das Reis an
einem Baume.
Der Reiche,Die Reihe,Das Reich,
dives.series.imperium.
Der Riese,Das Rieß,
gigas.Papier.
Die Rinde,Das Rind,
cortex.Hornvieh.
Die Rose.Das Roß.
Der Segen,Die Säge, Holz
benedictio.zu schneiden.
Der Saal,Die Saale, ein
atrium.Fluß.
Der Schall,Die Schale,
sonus.putamen.
Die Scheide,Das Scheit,
vagina.Holz.
Der Schein,Die Scheune,
apparentia.Tenne.
Der Scherf, eineDie Schärfe,
kleineacies.
Münze.Die Scherfe um
d. Leib.
Der Schild,Das Schild eines
clypeus.Künstlers.
Das Schloßen,Das Schloß, arx.
vom Hagel.
Der Schmack,Die Schmach,
gustus.injuria.
Der Schneider,Die Schneide,
sartor.acies.
Der Schott,Die Schote,
scotus.Hülsenfr.
Der Schoß,Die Schooß,auch der Schooß.
tributum.gremium.
Der Schutt, wasDie Schütte,
man wegschüttet.Stroh.
Der Schwamm,Die Schwemme für
fungus.Pferde.
Die Säule,Das Seil, funis.
columna.
Der See, imDie See, das
Lande.Meer.
[212] Der Sohn.Die Sonne.
Der Span.Die Spanne.
Der Staat.Die Stadt.
Die Steuer, dieDas Steuer, ein
Hülfe.Ruder am
Schiffe.
Der Stiel,Die Stille,
manubrium.silentium.
Der Stollen, imDie Stolle, des
Bergwerke.Tisches.
Der Taube,Die Taube,
surdus.columba.
Der Tausch.Das Taus, in d.
Karte, besser
Daus, v. deux.
Der Taxus, einDie Taxe,
Baum.Schätzung.
Der Thau, ros.Das Tau am
Anker.
Der Theil, vomDas Theil, ein
Buche.Erbtheil.
Die Thüre.Das Thier.
Der Thor,Das Thor, porta.
stultus.
Der Ton.Die Tonne.
Der Wagen,Die Wage, libra.
currus.
Der Wall,Die Wahl,
vallum.electio.
Der Wahn.Die Wanne.
Der Weyh,Die Weihe,Das Weichbild.
milvius.consecratio.
Der Weise,Die Weise,
sapiens.modus.
Die Wehre, widerDas Wehr, am
einen Feind.Wasser.
Der West,Die Weste, zum
Occident.Kleide.
Die Wette,Das Wetter
sponsio.
Der Wind.Die Winde, ein
Hebezeug.
Die Wolle, lana.Das Wollen,
velle.
Die Wunde.Das Wunder.
Die Zähre,Das Zehren,
lacryma.consumtio.
Der Zank, rixa.Die Zange,
forceps.
Der Zeug, vonDas Zeug, ein
Metall.Geweb.
Der Ziegel,Die Ziege,
later.capra.
Die Zinke, einDas Zink, ein
Blasrohr.Metall.
Die Zinne desDas Zinn,
Tempels.stannum.
Die Zither, einDas Zittern, in
Instrument.Gliedern.

[213] Was vom Geschlechtsworte noch sonst zu sagen ist, und in den vorigen Ausgaben hier gestanden, gehöret in den SYNTAX, oder die Wortfügung der Geschlechtswörter, im III Theile dieser Sprachkunst.

Fußnoten

1 Herr Plüsche, in seinem Tractate DE LA MECANIQUE DES LANGUES, hat eine besondere Meynung vom Artikel: daß nämlich dieses Redetheilchen sich in Europa von den Saracenen herschreibe; die eine Zeitlang in Wälschland, Spanien, und auf der mittäglichen Küste von Frankreich gehauset. Allein, der gute Mann vergißt, daß schon die Griechen und Deutschen in allen ihren Mundarten dasselbe gehabt; die es denn lange vor dem Einfalle der Saracenen, durch die Gothen, Langobarden, Wandalier, Sueven, Burgunder und Franken, ja selbst durch die Normannen, in alle diese Länder gebracht. Und warum sollte wohl die alte gallische Sprache, als eine Schwester der Deutschen, nicht auch den Artikel gehabt haben, ehe noch Cäsar Gallien erobert, und das Latein dahin gebracht hat?

2 Wer sich einbildet, dieses sollte einer, eine, eines heißen, der vermischet das Geschlechtswort mit dem Fürworte. Denn einer und eins kann und muß allein, ohne das Hauptwort, gesetzet werden.Einer Mann, eins Haus, kann man ja nicht sagen.

3 Man machet mir viel Einwürfe, daß man im Deutschen keine sechste Endung nöthig hätte: 1) weil mans nicht nöthig hätte, sich nach den Lateinern zu richten; 2) weil das von ein Vorwort ist; 3) weil die dritte und sechste Endung allemal einerley ist. u.d.g.m. Allein, diese Gründe sind so überzeugend nicht, daß sie mich bewegen könnten, von allen meinen Vorgängern abzuweichen. Ich erwiedere aufs 1), daß es vernünftig sey, den Lateinern zu folgen, wenn sie etwas Gutes gethan haben. 2) das von ist auch der sechste Fall, eben so wenig, als das mit, welches eben so wohl dabey stehen könnte. 3) Im Lateine ist es eben so; und doch sind sie unterschieden. Hernach giebt es auch in der Wortfügung viele Schwierigkeiten, wenn man beyde Endungen vermengen will. Diese fallen weg, wenn man sie unterscheidet.

4 Man hat nur einen Zweifel dabey; daß nämlich viele deutsche Hauptwörter nicht auf alle Fragen verschiedene Endungen bekommen; die weiblichen aber in der einfachen Zahl gar keine Änderung haben. Allein, ist es im Lateine nicht öfters eben so? und da wir hier vom Artikel reden, der sich unstreitig ändert; worinn ihm unzählige Hauptwörter, und Fürwörter, ja auch die weiblichen zum Theil, in der mehrern Zahl folgen: so kann man diesen Namen schon beybehalten.

5 Dieses gilt nur vom Deutschen; aber nicht vom Französischen und Wälschen; als welche auch in der mehrern Zahl ihre unbestimmten Geschlechtswörter haben: Z.E. DES HOMMES, DES FEMMES, GLI HUOMINI, etc. Und darinnen ist unsere Sprache erwas kürzer, als das Wälsche und Französische. Z.E. wenn ich sage, Gelehrte brauchen viel Bücher: so muß der Franzos sagen: Les oder des SAVANTS ONT BESOIN des LIVRES und der Italiener: GLI LITTERATI NO POSSONO MANCAR DE'I LIBRI.

6 Diese Anmerkung ist desto nöthiger hier zu machen, da mich auch große Männer in Wien, die das Deutsche lieben, um diese Art zu schreiben, als um eine Neuerung im Deutschen befraget haben. Allein, es ist solches eine sehr alte Art, die D. Luther und andere Schriftsteller schon vor mehr als 200 Jahren in der Bibel, und andern Büchern beobachtet haben. Jene hergegen, allemal den Artikel mit dem Fürworte zu vermengen, ist nur eine Unachtsamkeit neuerer Schriftsteller zu nennen.

Das III Hauptstück
I Abschnitt
[217] I Abschnitt.
Von der Bildung und den verschiedenen Arten der Hauptwörter.

1 §.


Die deutschen selbständigen Nennwörter sind von vielerley Art und Beschaffenheit. Denn einige sind, soviel man weis, ursprüngliche Stammwörter, als Kopf, Mund, Hand, Fuß, Brust, Arm, Band, Baum, Tod, Noth, Glut, u.d.gl. Und diese sind mehrentheils einsyllbig 4; außer einigen wenigen, als Finger, Wunder, Kummer, Mangel, Hammer, u.d.gl. Viele aber sind auch hergeleitete, und bald von andern Hauptwörtern, bald von Beywörtern, bald von Zeitwörtern, bald von andern kleinen Redetheilchen entstanden; oder gar aus andern zusammen gesetzet.

[218] 2 §. Die Untersuchung dieser Etymologien, oder Abstammungen ist von großem Nutzen. Sie dienet nämlich 1) die wahre ursprüngliche Bedeutung der Wörter zu erklären, und, die Abweichungen der Neuern, von dem Sinne derselben, desto besser zu vermeiden. So kömmt z.E. das Wort Beichte von dem alten Worte jehen, sagen, davon wir noch das zusammengesetzte bejahen übrig haben. Davon kam denn begiht; oder nach einer härtern Aussprache das h wie ch, begicht, er bekennet, oder bejahet, was er gethan hat: und davon entstund die Beichte, oder das Bekenntniß. 2) Dienet es zur Verbesserung der Rechtschreibung. Denn wenn ich z.E. weis, daß Knebelbart, von Knaben kömmt, denen der Bart zuerst auf der Oberlippe wächst; daß Ernte von Ähren; daß Armbrust, von Arm und Rüstung stammet, u.d.gl.: so sehe ich, daß ich von rechtswegenKnäbelbart, Ärnte und Armrust 5 schreiben sollte 6.

[219] 3 §. Zweytens sind die deutschen Hauptwörter entweder einfache, oder zusammengesetzte. Die einfachen sind solche, als wir zu den Stamm- oder Wurzelwörtern gezählet haben; oder auch Tisch, Bank, Kopf, Ohr, Auge, Feder u.d.gl. Zusammengesetzte aber, wenn man aus zweyen oder mehrern Redetheilchen, oder aus andern Bildungssyllben längere Wörter gemachet hat: als Drechselbank, Eselsohr, Schalksauge, Schreibfeder, Stockknopf, Theetisch u.s.w. In diesem Zusammensetzungen nun ist unsere Sprache sehr reich und glücklich; ja sie übertrifft darinnen die Geschicklichkeit der griechischen. Denn wir sind nicht nur im Stande, zwey, sondern wohl drey, vier und mehr verschiedene Wörter zusammen zu setzen; und dadurch unendlich viel Begriffe auszudrücken; z.E. Oberberghauptmann, Oberlandjägermeister; u.d.gl. 7.

4 §. Bey diesen zusammengesetzten Wörtern ist die Frage; ob man sie getrennet, oder an einander schreiben soll? Bey [220] vielen, die seit langer Zeit zusammengefüget worder, trägt fast niemand ein Bedenken, sie zu verbinden; als: Frühjahr, Fastnacht, Großvater, Handschuh, Montag, Nachtheil, Sonntag, Springbrunn, Stiefsohn, Vorsatz u.d.gl. Allein, bey andern, die nur erst neuerlich zusammen gekommen, wollen einige nicht daran, sie in eins zu ziehen: daher schreiben sie z.E. Hof-Rath, Schlaf-Mütze, Reise-Rock, Last-Wagen, Schwieger-Sohn, wohl-edel, hoch-gebohrner, u.d.gl. Allein, da keine Ursache vorhanden ist, warum diese Verbindungen nicht eben so genau, als die obigen, seyn sollten: so sey hier


die Regel:


Man bleibe bey allen Verbindungen, die aus zweyen oder dreyen Stücken bestehen, bey der von unsern Alten eingeführten Art, und schreibe ohne das Theilungszeichen, Hofrath, Reiserock, Schlafmütze u.s.w.


So habens auch die Griechen gemachet: und selbst die Franzosen thuns, wenn sie z.E. LUNDI, MARDI, MERCREDI, BAISEMAIN, PORTÉPÉE, MALHEUR, CONTRETEMS, NULLEPART, EMBONPOINT, u.d.gl.m. schreiben 8.

[221] 5 §. Nur eine Ausnahme scheint hier nöthig zu seyn. Wenn nämlich bey gewissen Hof- und Kriegesbedienungen, mehr als zween oder drey Namen der Ämter zusammenkommen, die wohl zum Theil aus fremden Sprachen her sind: so muß man nothwendig eine Trennung machen. Z.E. wie würde es aussehen, wenn man Reichsgeneralfeldmarschallieutenant schreiben wollte? Man theile also dergestalt, daß es Reichs-General-Feldmarschall-Lieutenant heiße. Aber Feldzeugmeister, Oberaufseher, Oberkriegszahlmeister, Kriegsbaumeister, u.d.gl. aus dreyen Stücken zusammengesetzte deutsche Wörter brauchen keine Theilungszeichen in der Mitte. Ja, wenn auch vier und mehrere, ein- oder zweysyllbige Wörter zusammenkommen, die nur alle deutsch sind: so darf man sie nicht trennen. So hat man z.E. inVerheyns deutsch übersetzter Zergliederkunst, die meisten Adern, Mäuslein und Gebeine des menschlichen Körpers, sehr wohl deutsch gegeben 9.

[222] 6 §. Man setzet aber die deutschen Hauptwörter 1) aus lauter Hauptwörtern zusammen; und dieses zwar eigentlich so, daß das letzte den Hauptbegriff, das erste aber den Nebenbegriff ausdrücket, der den folgenden bestimmet. So saget man z.E.


Der Amtmannunddie Männerhand.

der Brodkorb,undder Neiderzahn.

das Halstuch,undder Reisehut.

die Handhabe,undder Reitstiefel.

der Hundskopf,undder Stiefelknecht.

das Hutband,undder Taubenhals.

das Kopfweh,unddie Zahnschmerzen u.s.w.


Die Zahl dieser Wörter ist unendlich, und man machet noch täglich mehrere; die auch gar wohl zu dulden sind, wenn sie sich nur wohl zusammen schicken, und nicht übel klingen. Allein, manche sind ein wenig zu verwägen damit: als wenn Opitz, nach des Heinsius Holländischem, den Bacchus so benennet:


Nachtläufer, Hüftesohn, Stadtkreischer, Allzeitvoll!


so sind außer dem letzten, die andern weder regelmäßig zusammengesetzet, noch sonst wohlklingend. Andere neuere Dichter sind hierinn noch viel kecker gewesen: aber man muß ihnen nicht folgen.

7 §. Die II Classe der zusammengesetzten Wörter besteht aus einem Hauptworte, und aus einem Beyworte; als z.E. Altgesell, Blaustrumpf,Freyburg, Großvater, Hohberg, Jungfrau, Kleinänke, Neustadt, Schönbrunn u.d.gl. Die Zahl derselben ist bey weitem nicht so groß, als der vorhergehenden; und man hat dabey nicht so viel Freyheit, neue zusammen zu setzen, als bey jenen. Wenn z.E. einige die Wörter, geheimer Rath, in eins ziehen wollen, so geht es nicht an. Denn man bemerket, daß bey den Beywörtern, die dergestalt mit Hauptwörtern verbunden werden, die letzten Buchstaben weggelassen worden. Als: [223] man saget nicht Jungefrau, Altergesell, Neuesdorf, u.s.w. sondern Jungfrau, Altgesell, Neudorf, Freydenker, Freygeist. Das geht aber bey geheimer Rath nicht an; man wollte dennGeheimrath schreiben, welches aber lächerlich wäre. Die Großmachtskunst klingt, wegen der vielen harten Syllben, nicht gut: zugeschweigen, daßGroßmacht noch nicht üblich ist, und hernach kein rechter Begriff in dem Worte liegt. Die Großthaten aber, die einige aufbringen wollen, sind bey weitem mit keiner Großmuth, oder Kleinmuth zu vergleichen 10.

8 §. Die III Art der zusammengesetzten Wörter entsteht aus Hauptwörtern und Zeitwörtern, so daß das letzte allemal voran steht. Z.E. Bratspieß,Brecheisen, Brennglas, Brennöl, Fechtmeister, Grabstichel, Heilpflaster, Nähnadel, Reitpferd, Schleifstein, Schmelztiegel, Steigbügel, Tragkorb, Trinkgeschirr, Waschbecken, u.d.m. Diese sind in großer An zahl vorhanden, und verschaffen unserer Sprache einen trefflichen Reichthum. Man kann es auch zuweilen wagen, einige neue von dieser Art zu machen: aber man muß wohl zusehen, daß sie gut klingen, und keine widrigen Begriffe verbinden 11.

[224] 9 §. Die IV Classe zusammengesetzter Wörter ist die, welche zwar auch aus Haupt- und Zeitwörtern, aber auf solche Art, zusammengesetzet wird, daß die Zeitwörter zuletzt zu stehen kommen, nachdem sie sich in eine Art von Hauptworte verwandelt haben: z.E. aus Almosen, und sammlen, wird ein Almosensammler, und nach eben der Art, aus Buch und binden, ein Buchbinder, ein Büchsenschäfter, ein Dintenklecker, ein Ehrenschänder, ein Fuchsschwänzer, ein Federleser, ein Großsprecher, ein Hutmacher, ein Igelfänger, ein Kreuzträger, einLumpensammler, ein Meilenmesser, einOhrenbläser, ein Postillenreuter, einSchornsteinfeger, ein Tellerlecker, einVogelfänger, ein Zungendrescher, u.d.m. Man bemerket aber aus der Ähnlichkeit aller dieser Wörter, daß sie insgemein eine Person bedeuten, die etwas machet oder thut, welches durch das vorgesetzte Hauptwort angedeutet wird 12.

10 §. Die V Classe zusammengesetzter Hauptwörter ist, wenn man die kleinen Redetheilchen, oder die Bestimmungswörter [225] mit gewissen Hauptwörtern verbindet, da denn wiederum das Hauptwort am Ende steht. Z.E. die Aberacht, das Ebenmaaß, dieHinterlist, das Nachtheil, ein Nebending,Niederland, Oberland, das Übergewicht, einVorboth, das Vordertheil, das Widerspiel. Auch von diesen ist eine große Anzahl im Gebrauche; und es gelingt zuweilen einigen Rednern oder Dichtern, imgleichen den Weltweisen, etliche neue zu bilden, die nicht ungeschickt klingen. Allein, man dringe sich nicht ohne Noth dazu; weil es nicht allemal geräth. Denn ob man gleich auf die Art den Zwischenraum, den Unterhalt u.d.m. gemachet hat: so wollte ich doch den Aufeinanderfolg gar nicht billigen, den jemand gewaget hat; zumal da dieFolge schon eben das ausdrücket: anderer solcher Ungeheuer 13 zu geschweigen.

11 §. Außer diesen Zusammensetzungen bildet die deutsche Sprache zum VI noch viele Hauptwörter, aus andern Redetheilen, so daß kein eigentliches Hauptwort dazu kömmt: z.E. ein Gerathewohl, ein Gernegroß, ein Nimmersatt, [226] ein Taugenicht; und was bisweilen moralische und satyrische Scribenten, für solche neue Verbindungen zu machen pflegen, die manchmal nicht unrecht gerathen. Z.E. Herr Geradezu! Jungfer Haarklein, Herr Ziergern. In neuern Lustspielen thun solche Namen bisweilen gute Dienste, wie man in meiner deutschen Schaubühne, und andern solchen Sammlungen, deren verschiedene finden wird.

12 §. Noch etwas besonders hat unsere Sprache darinnen, daß sie aus der unbestimmten Art aller Zeitwörter, sich in abgesondertem Verstande neue Hauptwörter machen kann. So findet man z.E. bey den besten Schriftstellern, das Essen und Trinken, das Schlafen und Wachen, das Stehen, Gehen und Liegen; das Warten und Hoffen; das Leben und Sterben; das Lügen und Trügen; das Reden und Schweigen; dasBitten und Flehen; das Lieben und Hassen; das Fressen und Saufen; das Spielen und Schwelgen; das Thun und Lassen, und unzähliche solche Wörter mehr. Aber dabey bleibt es nicht. Man setzet auch diese Zeitwörter mit andern kleinen Wörterchen zusammen, und bildet daraus neue Hauptwörter: z.E. das Afterreden, das Daseyn, das Mitmachen, das Nachsinnen, das Nichtmehrthun ist die beste Buße; das Untergraben, dasVorwissen, das Wiederkommen, das Zeterschreyen, u.d.m. Doch ist auch bey diesen eine gute Behutsamkeit nöthig 14, daß man nicht zu verwägen dabey werde.

13 §. Eine andere große Menge von Wörtern wird durch gewisse Endsyllben gebildet, dadurch die deutsche Sprache die Bedeutung gewisser andern Redetheile bestimmen lehret. Wir haben aber bey Hauptwörtern die Endungen


[227] e, als Buße, Dinte, Ehre, Feste, Größe, Heerde, Küche, Lüge, Menge, Nonne, Pfarre, Quirle, Ruhe, Stelle, Trage, Wanne, Zunge. Man merke, daß diese fast alle des weiblichen Geschlechtes sind.

el, als der Ärmel, Büttel, Dünkel, Flügel, Frevel, Geißel, Hebel, Himmel, Kümmel, Lümmel, Mandel, Nadel, Prudel, Rummel, Stämpel, Trödel, Würfel, Zündel, u.d.m. Diese Endung pflegt auch oft die Verkleinerungen anzuzeigen; wie von Gurt, Gürtel etc.

en, außer denen, die von Zeitwörtern gemachet werden, kommen hieher, der Boden, Faden, Frieden, Kasten, Laden, Orden, Posten, Rücken, Schlitten, u.d.gl. wohin auch alle die Verkleinerungen, mit chen gehören, als ein Äffchen, Bübchen, Diebchen, Eselchen, Frauchen, Grietchen, Mägdchen, welche von andern mit einem g geschrieben werden.

er, als Anger, Bauer, Donner, Eimer, Führer, Glöckner, Henker, Jäger, Kutscher, Lügner, Maler, Nadler, Opfer, Priester, Schneider, Träger, das Wunder, der Zunder. Diese sind fast alle des männlichen Geschlechts.

ey, z.E. Abtey, Büberey, Buhlerey, Cantorey, Clerisey, Conditorey, Comthurey, Dekaney, Eseley, Fischerey, Fresserey, Gaukeley, Gleißnerey, Hudeley, Hümpeley, Jägerey, Kalmäuserey, Liverey, Mummerey, Narrerey, Pfuscherey, Poeterey, Probstey, Quackeley, Schelmerey, Tändeley, Zänkerey. Diese sind durchgehends weibliches Geschlechtes.

heit, als Anwesenheit, Beschaffenheit, Bosheit, Dummheit, Erfahrenheit, Ergebenheit, Gewogenheit, Keuschheit, Klugheit, Narrheit, Schüchternheit, Verlegenheit, Vermessenheit, Verschlagenheit, Verwägenheit, Zufriedenheit, u.d.m. die ebenfalls weiblich sind.

inn, als Amtmanninn, Burggräfinn, Dichterinn, Einsiedlerinn, Freyherrinn, Gärtnerinn, Herzoginn, Jägerinn, Kaiserinn, Königinn, Kindbetterinn, Lehrerinn, Magisterinn, [228] Nätherinn, Poetinn, Richterinn, u.s.w. lauter weibliche Wörter.

keit, als Artigkeit, Bangigkeit, Barmherzigkeit, Dienstfertigkeit, Ehrbarkeit, Einsamkeit, Fürsichtigkeit, Gütigkeit, Haushältigkeit, Lieblosigkeit, Mäßigkeit, Nüchterkeit, Offenherzigkeit, Ruhmredigkeit, Schamhaftigkeit, Willfährigkeit. Auch diese Endung ist weiblich.

lein, dieß sind Verkleinerungen, z.E. Altärlein, Büchlein, Engelein, Fähnlein, Fräulein, Fingerlein, Herzlein, Knäblein, Liedlein, Mägdlein, Söhnlein, Thierlein, Weiblein, Zipperlein. Sie sind alle des ungewissen Geschlechts.

ling, als Abkömmling, Blindling, Däumling, Fäustling, Frühling, Klügling, Liebling, Neuling, Pfifferling, Säugling, Schößling, Schmetterling, Sonderling, Sprößling, Witzling, Zwilling. Alle männlich.

niß, als Ärgerniß, Befugniß, Beschwerniß, Betrübniß, Bündniß, Erlaubniß, Finsterniß, Gedächtniß, Gefängniß, Gleichniß, Geständniß, Kenntniß, Kümmerniß, Säumniß, Wildniß, Zeugniß.

sal, hat nur wenige, als Drangsal, Irrsal, Labsal, Scheusal, Schicksal, Trübsal. Sind des ungewissen Geschlechts.

schaft, als Anverwandtschaft, Brüderschaft, Dorfschaft, Endschaft, Erbschaft, Freundschaft, Gesellschaft, Gesandtschaft, Hahnreyschaft, Judenschaft, Kundschaft, Landschaft, Mannschaft, Nachbarschaft, Priesterschaft, Sippschaft, Vormundschaft, u.d.gl. Sind weiblich.

thum, als das Alterthum, Beweisthum, Christenthum, Eigenthum, Fürstenthum, Heiligthum, Herzogthum, Heydenthum, Judenthum, Kaiserthum, Lutherthum, Märterthum, Markgrafthum, Papstthum, Priesterthum, u.s.w.

ung, als die Abwechselung, Änderung, Ausarbeitung, Befragung, Beschwerung, Drohung, Erbarmung, Ermahnung, Fürsehung, Gesinnung, Hoffnung, Krönung, Milderung, Mündung, Nachahmung, Opferung, u.d.m.


[229] 14 §. Außer diesen haben wir um der fremden Wörter willen, die man im Deutschen angenommen, auch folgende mehrentheils verlängerte, oder verkürzte Endungen der Hauptwörter beliebet und eingeführet:


äer, Essäer, Hebräer, Manichäer, Pharisäer, Saducäer.

al, als Cardinal, Carneval, Official, Principal, Sensal. Nach dem Muster, Quaal, Saal, Thal.

aner, als Arrianer, Cartesianer, Eutychianer, Lutheraner, Pelagianer, Wolfianer, etc.

ant, als Communicant, Duellant, Komödiant, Laborant.

anz, als Concordanz, Dissonanz, Monstranz, Observanz, Popanz; nach den Deutschen Glanz, Kranz, Schwanz, Tanz.

ast, als Chiliast, Enthusiast, Phantast, Piast; wie Ast, Bast, Gast, Last, Mast, Rast, Quast.

ent, Advent, Agent, Consulent, Delinquent, Element, Firmament, Präsident, Sacrament, Student.

enz, Eminenz, Excellenz, Magnificenz, Reverenz, wie Lenz,

et, Anachoret, Poet, Prophet, Universität; wie Brett, Gebeth.

ie, Astronomie, Geographie, Geometrie, Philosophie, Poesie etc. wie Knie, Vieh.

ik, Arithmetik, Logik, Metaphysik, Optik, Pnevmatik.

ier, Clystier, Elixier, Grenadier, Malvasier, Officier; wie Bier, Stier, Thier.

ier, zweysyllbig, Aegyptier, Aethiopier, Hetrurier, Phönizier, Thracier, Vandalier, Volscier, Ubier.

iner, Augustiner, Benedictiner, Gibelliner, Florentiner, Libertiner.

irer, Barbierer, Hausirer, Sectirer, Tapezierer, Visirer.

ist, Amethist, Atheist, Bassist, Casuist, Deist, Discantist, Evangelist, Gambist, Harfenist, Lautenist, etc. wie Frist, List, Mist.

it, Abelit, Adamit, Barnabit, Carmelit, Eremit, Hussit, Jesuit, Levit, Minorit, etc. wie Ritt, Schritt, Tritt.

[230] iv, Creditiv, Laxativ, Perspectiv, Positiv, Präservativ, Vomitiv, etc. wie Brief.

iz, Justiz, Malefiz, Maliz, Miliz, etc. wie Blitz, Fritz, Ritz.

on, Absolution, Benediction, Communion, Devotion, Emigration, Faction, Gratulation, Inquisition, etc. wie Lohn, Sohn, Thon.

ot, Hugenott, Idiot, Patriot, Pilot, Zelot; wie Brod, Noth, Schrot, Tod.


Doch, wie ein jeder sieht, so sind diese Endungen meistens durch Verkürzung der lateinischen Wörter, und Wegwerfung der fremden Endsyllben entstanden; und können also eigentlich für keine deutsche Endungen angesehen werden; außer, soweit einige auch bey uns ihresgleichen haben.

15 §. Außer diesem allen ist noch zu merken, daß die Endung lein, die zur Verkleinerung der Wörter dienet, als Mann, Männlein; Frau, Fräulein; Kind, Kindlein, in gewissen Landschaften, nur el, oder le, oder gar la gesprochen wird; als von Christian,Christel, von August, Gustel, von Fräulein,Fräule, von Büblein, Bübla. Die Schweizer aber machen lin daraus, auch wohl gar nur li. Allein, alle diese Fehler der Aussprache sind nicht werth, in die Schrift zu kommen. Mit besserm Rechte gehöret die Verkleinerungs-Endung chen hieher, als Mann, Männchen, Lamm, Lämmchen 15; dafür aber einige fälschlich gen sprechen und schreiben; als Männgen, Lämmgen 16.

[231] 16 §. So wie man nun am Ende Zusätze zu den Hauptwörtern hat, die ihre Bedeutung bestimmen: so hat man auch gewisse Vorsetzsyllben, die ein gleiches thun. Z.E. das Wort Erz ist eine solche Syllbe, die dem Sinne der Wörter eine besondere Vergrößerung giebt: als Erzvater, Erzherzog, Erzbischof, Erzpriester, Erzlügner, Erznarr u.d.gl. Ob dieselbe von dem griechischen αρχον, oder αρχι herkomme, oder nicht, darf man eben nicht so genau untersuchen: genug, daß sie einmal im Deutschen ist. Dahin gehöret das WortHaupt, in Hauptgrund, Hauptperson,Hauptgesims, u.d.gl. Ferner das Wort Stief, inStiefvater und Mutter, Bruder und Schwester, Sohn und Tochter. Noch eine andere solche Syllbe ist dasUr; so saget man z.E. eine Urkunde, ein Urlaub, ein Ursprung, eine Urquelle, ein Urgroßvater; u.d.m. 17. Auch dieses erhöhet die Bedeutung der Wörter, wo es sich anbringen läßt: es kann aber auch bey den Beywörtern (ADJECTIVIS) gebrauchet werden, als bey uralt. Es ist zuweilen aus vor entstanden, wie in Urältern: bisweilen aus er, wie in Urlaub, aus Erlaubniß; oder aus Auer, wie in Urochs.

[232] 17 §. So wie die lateinische Sprache vormals von ihren Nachbarn, den Griechen, und nachmals so gar von den Galliern verschiedene Wörter angenommen; und wie die heutigen Wälschen und Franzosen von den deutschen Völkern, den Gothen, Longobarden, Burgundern und Franken, die sie eine Zeit lang beherrschet, eine gute Anzahl Wörter bekommen haben: so hat auch die deutsche Sprache sich, von dem Einflusse ihrer benachbarten Sprachen, nicht ganz rein erhalten können. Nun hat sie aber in den ältesten Zeiten unter den Celten, Thraziern und Geten, mit Griechenland; in den mittlern Zeiten, wegen der vielen Kriege der Römer, am Rheine und an der Donau, mit den Römern; in den neuen Jahrhunderten aber, jenseit der Alpen, mit den Wälschen, und jenseit des Rheines, viel mit den Franzosen zu thun gehabt 18. Daher ist es kein Wunder, daß sie auch von allen diesen Sprachen eine gute Anzahl von Wörtern angenommen hat.

[233] 18 §. Von der griechischen insonderheit etwas zu melden, so hat Casaubonus sie aus dem Angelsächsischen, Goropius Becanus aus dem Holländischen, und Rudbek gar aus dem Schwedischen herholen wollen. Sie haben auch in so weit Grund, als alle diese Mundarten viel Verwandtschaft mit dem alten Celtischen und Scythischen, auch Gothischen haben, aus welchem sie, wie das Hochdeutsche, ihren Ursprung herschreiben. Die Celten aber haben in den ältesten Zeiten ganz Europa, bis an die Säulen Herkuls bevölkert; ja Griechenland und Wälschland zu Lande die ersten Einwohner gegeben: ehe noch die Schifffahrt so hoch gestiegen war, daß auch phönizische, ägyptische, griechische und andere Colonien dahin kommen konnten 19.

19 §. Andern kömmt dieses lächerlich vor, und sie bestreben sich daher, lieber das Deutsche aus dem Griechischen herzuleiten. Von vielen Wörtern, die sonderlich die christliche Religion betreffen, ist solches unstreitig. Wer kann es läugnen, daß nicht Apostel, Bibel, Bischof, Epistel, Evangelist, Litaney, Münch, Papst, Patriarch, Priester, Prophet, ja so gar Kirche (von κυριακη) daher käme? Ein anders ist es mit weit ältern Wörtern, die gleichwohl mit dem Griechischen so augenscheinlich übereinkommen; als


Anker, mitαγκυρα.

Butter,βουτυρον.

Burg,πυργος.

Feuer,πυρ.

Fuß,πους.

Kopf,κεφαλη.

Kümmel,κυμινον.

Kupfer, vonκυπρος.

[234]

Küras, vonκυρητες.

Maus,μυς.

Mutter,μητηρ.

Namen,ονομα.

Reuter, vonρυτορ.

Sack,σακκος.

Salz,ἁλς.

Schiff,σκαφα. oder σκευη.

Stern,ασηρ.

Thier,θηριον.

Thüre,θυρα.

Tochter,θυγατηρ.

Vater,πατηρ.

Zepter,σκεπτρον.

Zyther,κυθαρα. 20


[235] 20 §. Eben das kann man von etlichen lateinischen Wörtern sagen. Auch hier hat neuerlich die Religion ihre Macht in gewissen Wörtern bewiesen; als in


Altar,vonALTARE.

Caplan,vonCAPELLANUS.

Chor,vonCHORUS.

Kanzel,vonCANCELLI.

Kelch,vonCALIX.

Kloster,vonCLAUSTRUM.

Küster,vonCUSTOS.

Messe,vonMISSA.

Metten,vonMATUTINA.

Oblate,vonOBLATUS.

Opfer,vonOFFERRE.

Papst,vonPAPA.

Pfaffen,vonPAPA

Tempel,vonTEMPLUM.

Vesper,vonVESPERA.

Vigilien,vonVIGILIÆ, u.d.gl.


Wo bleiben nun noch die andern, die eben so unstreitig lateinisch sind: als:

Axe, AXIS.

Axt, ASCIA.

Camin, CAMINUS.

Capitel, CAPITULUM.

Exempel, EXEMPLUM.

Figur, FIGURA.

Frucht, FRUCTUS.

Horn, CORNU.

Kaiser, CÆSAR.

Karren, CARRUS.

Kalmus, CALAMUS.

Körper, CORPUS.

Krone, CORONA.

Metall, METALLUM.

Natur, NATURA.

Pallast, PALATIUM.

Pinsel, PENICILLUM.

Puls, PULSUS.

Pult, PULPITUM.

Register, REGISTRUM.

Staat, STATUS.

Straße, STRATUM.

Tact, TACTUS.

Thurm, TURRIS.

Titel, TITULUS.

Werder, VIRIDARIUM.

Wind, VENTUS.

Witwe, VIDUA, u.a.m.


21 §. Gleichwohl aber machet dieses alles noch nicht, daß auch alle übrige, die wir mit dem Lateinischen ähnlich befinden, [236] ganz gewiß von lateinischer Abkunft seyn müßten; wie uns einige bereden wollen. Denn was hat es für Wahrscheinlichkeit, daß z.E. die Deutschen


den Acker, von AGER. 21

den Arm, von ARMUS.

das Auge, von OCULUS.

die Birne, von PYRUM.

das Dach, von TECTUM.

den Donner, von TONITRU.

die Kathe, von CASA.

die Katze, von CATUS.

den Käse, von CASEUS.

den Keller, von CELLA.

die Maus, von MUS.

den Karren, von CARRUS.

den Leimen, von LIMUS.

den Lein, von LINUM.

die Lippe, von LABIUM.

die Nase, von NASUS.

das Ohr, von AURIS.

das Pferd, von VEREDUS.

das Salz, von SAL.

das Schiff, von SCAPHA.

die Sonne, von SOL.

den Weg, von VIA.

das Wort, von VERBUM, u.d.gl.


sollten nennen gelernet haben? Sollten nämlich die Alten diese Dinge nicht eher zu nennen gewußt haben, als bis sie mit den Römern bekannt geworden?

22 §. Man thut also, in Ansehung der letzten Art von Wörtern, am besten, wenn man weder eins, noch das andere behauptet, sondern die Mittelstraße geht. Die vernünftigsten Gründe geben es nämlich, daß alle europäischen Sprachen von der alten celtischen, und scythischen ihren Ursprung genommen haben. Von dieser alten gemeinschaftlichen Mutter und Großmutter nun, haben die griechische, lateinische, deutsche und sklavonische Sprache, als die vier europäischen Hauptsprachen, eine große Anzahl Stammwörter, so unverfälscht beybehalten, daß sie einander darinnen noch gewissermaßen [237] ähnlich sind. Denn wenn man entweder einige Buchslaben ausläßt, oder versetzet, oder hinzusetzet, oder verwandelt: so sieht man, daß es eben dieselben Wörter sind, die in allen, oder etlichen dieser Sprachen herrschen. Dieses haben Besold, Leibniz, Eckard, Wachter, u.a.m. sonderlich Pelloutier, in seiner Historie der Celten, und noch neulich BULLET in seinem celtischen Wörterbuche, sehr deutlich gewiesen.

23 §. Weit geringer ist die Zahl derjenigen Wörter, die wir von unsern neuern Nachbarn, den Pohlen, Wälschen und Franzosen angenommen haben. Denn wenn wir bey den ersten die Titel gewisser Ämter und Würden, als Woywode, Starost, u.d.gl. das Wort Kretschem, welches in Schlesien und in der Lausitz eine Schenke heißt, und wenige andere ausnehmen 22; den Italienern das Wort Arie, Cantate, Lärmen, (AL' ARME) Noten, Opern, Post, Serenate, Spesen, Strapazen, sonderlich musikalische Kunstwörter; den Franzosen gewisse Namen der Tänze, der Kleidungen, sonderlich des Frauenvolkes, und einige kriegerische Kunstwörter wiedergeben: so werden wir uns übrigens gar wohl ohne sie behelfen können. Es ist nämlich nur eine unnöthige Mengesucht einiger vormaligen Schriftsteller gewesen, daß sie sich unzähliche fremde Wörter angewöhnet, die man eben sowohl deutsch geben kann, wenn man nur in guten deutschen Büchern ein wenig belesen ist.

[238] 24 §. Um davon ein Beyspiel zu geben, wollen wir die Kriegesbedienten vornehmen, die man vormalsGebiethiger nannte, itzt aber ohne Noth Officiers 23 zu nennen pflegt, und mehrentheils mit französischen Namen beleget. Man hat aber bey dem kaiserlichen Kriegeswesen, fast durchgehends lauter deutsche Benennungen der sämmtlichen Befehlshaber, und anderer dahin gehörigen Stücke. Diese will ich, so wie sie mir von einem vornehmen kaiserlichen Obersten mitgetheilet, und von mir mit einigen vermehret worden, hieher setzen; um zu zeigen, daß man der ausländischen Namen gar nicht nöthig hat.


Es heiße also

ein GOUVERNEUR,ein Statthalter.
ein COMMENDANT,ein Befehlshaber einer Vestung.
Ferner, bey dem großen Stabe 24:

GENERAL EN CHEF
GENERALISSIMUSder Feldherr,
MARECHAL DE CAMPFeldmarschall,
FELDMARECHAL-LIEUTENANTUnterfeldmarschall,
GENERAL DE CAVALLERIEFeldoberster,
GENERAL D'ARTILLERIEFeldzeugmeister,
GENERAL D'INFANTERIEFeldhauptmann,
GENERAL-LIEUTENANTUnterfeldhauptmann,
GENERAL-MAJORFeldwachtmeister,
COLONELOberster,
COLONEL-LIEUTENANTUnteroberster,
MAJOROberstwachtmeister,
CAPITAINE D'INFANT. DE CAV.Houptmann, Rittmeister,
[239]
LIEUTENANT PREMIERerster Unterhauptmann,
LIEUTENANT SECONDzweyter Unterhauptmann
NB über 50 Mann.
ENSEIGNE, CORNETFähnrich, über 40 Mann,
SERGEANTFeldwaibel, über 30 Mann,
CAPITATNE D'ARMESFahnjunker, oder Führer,
FOURIERRechnungsführer,
CORPORALRottmeister, Gefreyter, u.s.w.

Worauf noch die Spielleute, das ist Trompeter, Pfeifer und Trummelschläger, nebst den Gemeinen folgen. Überhaupt aber nenne man deutsch


die INFANTERIEFußknechte, Söldner,

die CAVALUERIEReuter, Söldner,

die CUIRASSIERSgeharnischte Reuter, Söldner,

die DRAGONSleichte Reuter, Söldner,

die MUSQUETAIRESLeibschützen, oder Trabanten,

die CARABINERSBüchsenschützen,

die FUSELIERSFlintenschützen,

die GARDEdie Leibwache, u.d.gl.


Eben so heiße man im kleinen Stabe,


den Regiments-QuartiermeisterLagermeister,

den AUDITEURFeldschultheiß,

den AUMONIERFeldprediger,

den Regiments-SECRETAIREFeldschreiber,

den PREVOSTStockmeister, Steckenknecht

und Freymann, oder Henker.


[240] Außer diesen nenne man:


die ARMÉE,das Kriegesheer, die Heerschaaren,

die AVANTGARDE,den Vortrab,

die ARRIERGARDE,den Nachtrab,

das GROS der ARMÉE,das Hauptheer,

ein DETACHEMENT,einen abgesonderten Haufen,

ein Regiment,eine ganze Schaar,

ein BATAILLON,eine halbe Schaar,

ein ESCADRON,ein Geschwader,

eine COMPAGNIE,eine Fahne, ein Fähnlein,

einen DESERTEUR,einen Flüchtling, Überläufer,

den MARCHE,den Zug, Heerzug, Aufbruch,

eine CAMPAGNE,einen Feldzug,

eine BATAILLE,eine Schlacht, Feldschlacht,

eine ACTION,ein Scharmützel,

eine RETIRADE, FUITE,einen Rückzug, eine Flucht,

ein CORPS DE RESERVE,einen Hinterhalt,

ein CORPS DE GARDE,ein Wachthaus, die Wache,

das PIQUET,eine Feldwacht,

die ARTILLERIE,das Geschütz, Donnerbüchsen,

die CANONS,Karthaunen, ganze, halbe, u. viertel,

die MORTIERS,Mörser,

die ATTAQUE,den Angriff, Anfall,

den MINIRER,einen Schanzgräber,

die APPROCHEN,Laufgräben,

die RETRANCHEMENTS,Verschanzungen,

MINIREN und SAPPIREN,Untergraben,

das BLOQUIREN,Einschließen, sperren,

die BLOCADE,Sperrung der Zufuhr,

die PROVISION,den Mundvorrath,

die MUNITION,das Kriegesbedürfniß,

das PROVIANT,Nahrungs- oder Lebensmittel,

die FOURAGE,hart, rauh Futter, u.d.gl. 25


[241] 25 §. Indessen wollen wir deswegen alle die Grillen einiger vormaligen Zesianer, und Pegnitzschäfer, auch Glieder der fruchtbringenden Gesellschaft nicht billigen; die alles, was einigermaßen fremd war, aus dem Deutschen ausmärzen wollten. Es ist nicht ganz möglich, sich in einer Sprache aller ausländischen Redensarten zu enthalten. Nahmen doch die Griechen vormals persische, phönizische und ägyptische, ja wohl gar celtische und thrazische; die Lateiner aber griechische, punische und gallische Wörter auf. Wo man die Sache selbst von einem benachbarten Volke bekommen hat, da muß man auch wohl das Wort behalten 26: so wie die Franzosen eine zurückschlagende Kutsche, Berline nennen, weil sie in Berlin erfunden worden; ein gewisses Kartenspiel aber LANSQUENET, von Landesknecht heißen: welches die deutschen Soldaten erfunden haben, die man vormals so genannt hat.

26 §. Weil viele Franzosen es läugnen, daß ihre Sprache viele deutsche Wörter in sich habe, die ganz offenbar erweisen, daß ehemals die deutschen Franken ihre Beherrscher gewesen; ja daß man an ihrem Hofe bis an die Zeiten Hug Schaplers (HUGONIS CAPETI) die fränkisch-deutsche Sprache geredet habe: so hatte ich hier in den vorigen Ausgaben ein [242] kleines Verzeichniß solcher Überbleibsel hergesetzet. Es waren aber dieselben lange nicht alle, sondern nur die merklichsten, worinn auch ein Widerspänstiger den deutschen Ursprung erkennen mußte 27. Viele andere, da es nicht so augenscheinlich ist, übergieng man hier mit Fleiß; imgleichen solche, die nur in den ältern französischen Schriftstellern vorkommen, itzo aber nicht mehr im Gebrauche sind. Doch da dieß mehr zur französischen als deutschen Sprachkunst gehörete, so habe ich es hier weggelassen.

27 §. Aus dem Wälschen könnte man gleichfalls ein großes Verzeichniß der deutschen Wörter machen, die sie von ihren vormaligen gothischen und longobardischen Siegern und Herren behalten haben. Allein, wir wollen es bey dem obigen bewenden lassen.

28 §. Wenn man indessen einige fremde Wörter im Deutschen entweder findet, oder neue aus Noth brauchen muß: so gebe man ihnen, so viel möglich ist, ein einheimisches Ansehen; d.i. man lasse am Ende die fremden Schlußsyllben weg, und gebe ihnen deutsche Endungen. So haben unsere [243] Alten, aus dem Worte CHALUMEAU, (von CALAMUS) Schallmey, aus PASTORELLA, ein Pastoreil, aus RECITATIVO, ein Recitativ, aus OPERA, eine Oper, aus PELLEGRINO, einen Pilgrim, u.s.w. gemachet. Eben so hat man es mit den griechischen und lateinischen Wörtern gehalten. Aus PRINCEPS ward Prinz, aus PROVINCIA, Provinz, aus CHRISTIANUS, ward ein Christ, aus EREMITA, ein Eremit, aus POETA, ein Poet, aus NATURA, die Natur, aus TEMPLUM, EXEMPLUM, Tempel, Exempel; aus REGISTRUM, Register, aus CANCELLI, Kanzel, aus CATUS, der Kater, aus PALATIUM, Pallast gemachet; welchen Beyspielen man, so viel möglich ist, folgen muß 28.

29 §. Schicket sichs aber, daß man die fremden Gäste auch in ihrer natürlichen Gestalt, für Landesleute ansehen kann: so lasse man ihnen ihre ganze Tracht: z.E. ein Ball für Tanz, das PORTO, das AGIO, u.a.m. bleiben in ihrer Endung: wo man sie nicht lieber das Postgeld, das Fuhrgeld, oder die Fracht, und das Aufgeld nennen will. Denn auch hier wäre es möglich, eine große Menge solcher fremder Wörter zu entbehren, und gleichgültige deutsche an die Stelle zu setzen. Was hindert uns z.E. solches in der Musik zu thun 29?


[244] ADAGIO, langsam.

ALLEGRO, munter.

ANDANTE, mäßig.

ARIA, Gesang oder Lied.

CANTATA, ein Singgedicht.

CHALUMEAU, Schallmey.

FLUTE TRAVERSE, eine Querflöte, od. ALLEMANDE, od. deutsche Flöte.

FLUTE Á BEC, eine Schnabelflöte.

LARGO, sehr langsam.

MOLTO ALLEGRO, seht munter.

Die OPERA, ein Singespiel.

PRESTO, geschwind.

PRESTISSIMO, sehr geschwind.

RECITATIVO, das Redende.

SERENATA, eine Abendmusik.

VIOLINE, die Geige.

VIOLONCELLO, die Mittelgeige.

VIOLON, die tiefe Geige.

VIOL D'AMOUR, die Doppelgeige.


Eben so heißt:

ALLEMANDE, ein deutscher Tanz
ANGLOISE, ein engländischer Tanz
BOURRÉE, ein alter Bauren-Tanz
COURANTE, ein laufender Tanz
GAVOTTE, ein Gassenhauer, Tanz
MENUET, ein französischer Tanz
PAïSANNE, ein Bauem-Tanz
POLONOISE, ein pohlnischer Tanz
SARABANDE, ein spanischer Tanz.
SICILIENNE, ein sicilianischer Tanz.
IL SOPRANO, die Oberstimme.
IL DISCANTO, die Singstimme.
IL ALTO, die hohe Mittelstimme.
IL TENORRE, die tiefe Mittelstimme.
IL BASSO, die Grundstimme.
VOLTI, kehr um.
DA CAPO, von Anfange.
VOLTI SUBITO, kehr geschwind um.
PIANO, sacht.
FORTE, stark.
ARPEGGIO, durchbrochen.
STOCCATO, gestoßen, u.d.m.

30 §. Noch eins ist in Ansehung der verschiedenen Geschlechter in Titeln und Würden zu merken, die zuweilen auf verschiedene Art gebildet werden. Denn bey einigen, wird dem Herrn die Frau entgegen gesetzet, dem Junker das Fräulein, dem Junggesellen die Jungfer, dem Lackeyen das Mägdchen, dem Diener die Magd. Und dieß geschieht, wenn diese wirklich selbst in Diensten stehen; als da sind:


Der Kammerherrdie Kammerfrau,

Der Kammerjunkerdas Kammerfräulein,

[245]

Der Kammerdienerdie Kammerjungfer,

Der Kammerlackeydas Kammermägdchen, u.d.gl.


Hergegen, wo das Frauenvolk nicht selbst die Dienste thut, da behalten sie den Namen ihrer Männer, mit einer weibliehen Endung. Z.E.


MinisterMinisterinn,

Geheimer RathGeheime Räthinn,

KammerjunkerKammerjunkerinn,

Kammerrath,Kammerräthinn,

Hofrath,Hofrähinn,

Kammerdiener,Kammerdienerinn,

Bürgermeister,Bürgermeisterinn, u.s.w.


Der Doctor,die Doctorinn,

Der Professor.die Professorinn,

Der Magister,die Magisterinn,

Der Rector,die Rectorinn,

Der Conrector,die Conrectorinn,

Der Kramer,die Kramerinn,

Der Meister,die Meisterinn,

Der Schneider,die Schneiderinn, u.s.w.


Nur bey der Oberhofmeisterinn, und Hofmeisterinn junget fürstlicher Herrschaften, leidet dieses eine Ausnahme: indem nämlich dieser Titel eine wirkliche Bedienung der Frauenspersonen, nicht aber eine bloße Heurath anzeiget.

Fußnoten

1 Ölinger, einer unserer ältesten Sprachlehrer, übergeht diese Abhandlung ganz, und beruft sich auf das Latein, womit das Deutsche übereinkäme, wie er meynet. Allein, Klajus giebt schon in der ersten Ausgabe von 1578, das ein, und der, die, das, zum Kennzeichen der Nennwörter an.

2 Es ist nicht zu sagen, was die alte deutsche Sprache an ursprünglichen eigenen Namen fruchtbar und reich gewesen. Wenn man die alten römischen und griechischen Geschichtschreiber liest, findet man deren eine große Menge; ob sie gleich bisweilen etwas verstümmelt sind, so daß ein Kenner dazu gehöret, sie zu erklären. Denn diese gelehrten Völker nahmen sich insgemein die Mühe nicht, deutsche, in ihren Augen barbarische Namen, recht auszusprechen, oder zu schreiben; wie man im Cäsar, Tacitus, u.a. sieht. So ist es gewiß, daß Ariovistus, Ehrenvest, Arminius, Hermann, Catualdus, Gottwalt, Civilis, Siegviel, Vercingetorix, Herzog Hinrik, Segovesus, Siegvest, Athalarikus, Adelreich, Athaulphus, Adolf, Genserikus, Ganzreich, Viridomarus, Friedmar, u.d.gl. geheißen: wie Luther in seiner Abhandlung von den eigenen Namen der Deutschen viele dergleichen glücklich erkläret hat. S. der kritischen Beyträge V B. Nimmt man die neuern Schriftsteller der mittlern Zeiten, einen Jornandes, Warnefried, Cassiodor, Paulus Diakonus, Saxo Grammatikus, Dietmar von Merseburg, u.d.m. die von den Gothen und Langobarden, Sachsen und andern deutschen Völkern gehandelt haben: so liefern selbige noch eine weit größere Menge derselben, die sich mehrentheils sehr wohl erklären lassen; wie denn auch Zinkgräf in seinen Apophthegm. der Deutschen, viele ganz wohl erläutert hat. Die größte Sammlung altdeutscher, allemannischer, burgundischer und fränkischer Namen findet man inGoldasts SCRIPTORIBUS ALLEMANNICIS, aber ohne Erklärung. Allein, es befindet sich in einer großen Menge deutscher Urkunden, die seit der Zeit im Drucke bekannt geworden, noch eine ungeheure Menge anderer Namen, womit jene Sammlung sehr bereichert werden könnte. Wo bleiben noch alle die angelsächsischen Namen, die man in den engländischen Geschichten findet? wo alle die dänischen, norwegischen, isländischen und schwedischen Namen, die man in den nordischen Alterthümern antrifft; und die gleichfalls zu der GERMANIA MAGNA gehörten? Will man nun von den Personen auch zu den Namen der Örter gehen, so trifft man inCluvers GERMANIA, in P. Hergotts ORIGI NIBUS DOMUS HABSBURGICÆ, in Hrn.BOCHATS Alterthümern der Schweiz, sonderlich aber in Hrn. Pelloutiers HISTOIRE DES CELTES eine große Menge derselben erkläret an. Dieser geht auch mit Grunde so weit, daß er in ganz Europa die Spuren der alten celtischen deutschen Sprache überall findet; sonderlich in Frankreich, dessen alte Bewohner nähere Brüder der Deutschen gewesen. Und lehren nicht die Namen fast aller fränkischen Könige der Gallier, von Pharamunden, bis in die neuern Zeiten, daß sie alle deutsches Ursprunges gewesen? Denn welcher Franzos kann uns erklären, was sie bedeuten: wenn wir sie nicht aus deutschen Stammwörtern herleiten? Dieß wäre also einmal eine Beschäfftigung eines guten Patrioten, uns eine völlige Sammlung und Erklärung aller deutschen Namen zu geben; die gewiß in neuern Zeiten, durch die lateinischen, griechischen und hebräischen, welche das Christenthum eingeführet hat, gar zu sehr verdrungen worden. Was unlängst D. Bullet, in seinem großen Werke von der Sprache der Celten für Proben davon gegeben, dörfte bey Kennern wenig Beyfall finden. Sieh des Neuesten aus der anmuthigen Gel. VI Band, im ersten Art. des Windmonaths.

3 Man muß also sagen, daß die NOMINA PROPRIA den ENTIBUS CONCRETIS, oder INDIVIDUIS; die APPELLATIVA aber den ABSTRACTIS, d.i. den SPECIEBUS und GENERIBUS zugehören, wenn man es lieber mit lateinischen Kunstwörtern ausgedrücket haben will.

4 Es ist aber darum noch nicht ausgemachet, daß ein jedes einsyllbiges Hauptwort ein Stammwort sey. Z.E. Mensch, Jagd, Volk, sind wohl einsyllbigt: und doch kömmt jenes von Mann, männisch, oder wie andere glauben, von אנש ANASCH, ein Mann. Dieses von jagen, das Gejage, oder wie noch im Theuerdank steht, das Gejaid; und das letzte von folgen: wie ich aus einer alten Handschrift der herzogl. Gothaischen Bibliothek von Heinrichen von Veldeke ersehe, darinn fast immer, sin Volg, d.i. sein Gefolg, sein Volk; bisweilen auch Folk; so wievolgen, und folgen, ohne Unterschied steht. Eben so kömmt Frau, von Freye; wie noch Luther, die Magd, Hagar, der Freyen, das ist ihrer Frau, entgegen setzet. Es darf auch niemanden die Verwandelung des ey, in au, oder aw, wie die Alten schrieben, Wunder nehmen: da es ja bekannt ist, daß man aus Neuenburg, Naumburg gemachet hat. So kömmt ferner ohne Zweifel auch Stroh, von streuen;Heu, von hauen; Schmied, von schmieden, u.d.gl. her: nicht zwar aus dem INFINITIVO, sondern aus dem IMPERATIVO, der bey den Alten einsyllbig war.

5 Ein gelehrter Mann hat mir eine dreyfache Abtheilung der Bogengeschütze entgegen gesetzet; 1) die ganze Rüstung, die mit einer Winde gespannet wird; 2) die halbe Rüstung, die mit einem schlechten Spanner aufgezogen wird; 3) die Armbrüste, oder kleinern und schwächern Bogen für Kinder, die mit dem bloßen Arme an der Brust gespannet werden. Mich dünket aber, daß die Benennung der Armbrüste allgemein ist. Frisch in seinem Wörterbuche unterscheidet sie nicht, und beschreibt sie als eine Art eines Geschützes mit der Sehne. Scorpius nennt sie, CATAPULTAM BRACHIALEM. Der alte Tschudi saget; der Armbruster wird von der Stadt Lucern geschickt zum Gesellenschießen. T.H.p. 590. Auch Stumpf in seiner Chronik schreibt aufs 1314 Jahr; vom berufnen Wilhelm Teil, der ein verrümmt Armbrostschütz was: gewiß nicht zum Spiegelfechten! Und zeiget denn nicht die Benennung der ganzen und halben Rüstung, daß auch in Armbrust, die letzte Syllbe vom rüsten, nicht aber von der Brust kommen müsse? Ja, was wäre es für ein wunderlich Wort, das aus Arm und Brust, zusammengesetzet würde, gleichwohl aber ein Geschütz bedeuten sollte? Gerade, als wenn man Augennase zusammensetzte, um eine Brille anzuzeigen! So wunderlich macheten unsere Vorfahren ihre Wörter nicht. Ein anderer Gönner will es von dem jägerischen Kunstworte börsten oder pürsten, wie man in Obersachsen spricht, herleiten. Das heißt aber OBSCURUM PER ÆQUE OBSCURUM erklären. Denn was ist börsten, oder pürsten, etymologisch zu reden?

6 Man sehe davon die Bemühungen eines Claubergs, Vorstius, Casaubons, Lipsius, Leibnitz, Eckards, Vossius, Wachters, Frisches u.v.a. in ihren kleinern und größern Werken, die aus den alten deutschen Mundarten unzählige Wörter ins Licht gesetzet haben; imgleichen die kritischen Beyträge hin und wieder.

7 Wenn ich sage, daß unsere Sprache geschickt dazu ist, so will ich darum nicht alle Zusammensetzungen billigen, die von vielen gar zu neugierigen und modesüchtigen Schriftstellern schon gewaget worden. EST MODUS IN REBUS, SUNT CERTI DENIQUE FINES! Man muß in allen Dingen Maaß halten; aber auch dann, wann es nöthig ist, etwas neues zu wagen, die Sprachähnlichkeit und den Wohlklang beobachten: wie weiter unten folgen wird.

8 Auch hierwider ist mein schlesischer Freund, der durchaus die Theilungszeichen behalten wissen will. Er giebt Exempel von Wörtern, die man ohne dieselben schwer lesen kann: Z.E. Eheideen, Theil scala, u.d.gl. Allein dieser wunderlichen Zwitter wegen, die ohne dieß im Deutschen ungebethene Gäste sind, da wir andere Wörter dafür haben, darf man gewiß ein wohlhergebrachtes Recht bey einheimischen nicht fahren lassen. Warum saget man nichtEhstandsgedanken, oder Maaßstab? so wird sich niemand an der Verbindung stoßen. Der zweyte Einwurf kömmt von Wörtern her, die alsdann zween Accente bekommen: wie in vielsyllbigen allemal geschieht. Hier meynet er, ohne Theilungszeichen könnte man solche Wörter nicht recht aussprechen, weil man nicht wüßte, wo der Ton hinfallen müsse. Allein, haben wir denn nicht sonst Wörter genug im Deutschen, wo zwo lange Syllben entweder gleich auf einander, oder doch bald hernach folgen? Z.E. dieAussprache, Großvater, Annahme, unbarmherzig, unerlaubet, der Menschenfresser, u.a.m. die kein Mensch abtheilet. Mein Herr Gegner schreibt selbst, Zusammensetzung, in einem Stücke: worinnen doch augenscheinlich zwo lange Syllben vorkommen. Was aber endlich die gar zu langen, Wörter aus drey, vier Stücken betrifft, so wird davon im folgenden die Regel gegeben.

9 Es ist aber damit durchaus nicht ausgerichtet, daß alle Theile eines zusammengesetzten Wortes deutsch sind: z.E. Opitz nennet den Bacchus:

Geistrührer, Wackelfuß, Mund binder, Sinnentoll. Das sind größtentheils ungeschickte Zusammensetzungen, zumal sie so dicht zusammen gestopfet sind. Viel besser nennet er seine Laute, die Kummerwenderinn. Und was hat der deutsche Pantagruel nicht, aus lauterm Muthwillen, für seltsame Verbindungen der Wörter gemachet? Indessen kann ich es nicht leugnen, daß in dem Reichskanzleystile eben solche widerliche und unleidliche Verbindungen häufig vorkommen. So finde ich z.E. eine Beschäfftigungssorge, die Cassaumstände, der Jahrsverfluß,Theilungsverwendung, Beschwerführungen, der Außenstand, die Mannschaftsstellung, dieCreismilitarverfügungssache, u.d.m. Was für Misgeburten?

10 Doch hat man auch zuweilen Verbindungen, wo die Beywörter nicht so kurz abgebissen sind, und die doch wohl klingen. Z.E. Reichenhof, Reichenthal, klingen so gut, als Hr. von Wildholz. Nauendorf, Altenburg, Langendorf, Kaltenbrunn, Wildenborn, sind wirkliche Namen sächsischer Örter: wo man bloß des Wohlklanges halber, das en eingeschaltet hat. Dieß muß man in neuen Namen zuweilen nachmachen. Zuweilen steht auch das Beywort am Ende, als kummerfrey, sorglos etc.

11 Opitz z.E. hat einen Zwingeland gemachet, um einen CONQUERANTEN deutsch zu geben: allein, mit schlechtem Glücke. Denn diese Verbindung würde ein Land anzeigen, welches zwingt, und nicht, welches gezwungen wird. EinLänderzwinger sollte es heißen. Ein Störenfried ist eben so falsch, um einen Friedenstörer auszudrücken. Ein Trunkenbold heißt in einer alten Komödie Stürzebächer; aber falsch. Der Bächer stürzet nicht, sondern wird gestürzet: darum sollte es heißen der Bächerstürzer. Auch der Fingerzeig einiger Oberdeutschen besteht nicht in der Probe. Denn zeig ist kein Wort: es müßte zur Noth eine Zeigung oder eine Zeige heißen: denn man saget Anzeigung, und Anzeige.

12 Wer sich nach dieser Analogie richtet, und sonst den Wohlklang zu beobachten weis, der kann auch eine unzählige Menge neuer Zusammensetzungen wagen, und die Sprache damit bereichern. So hat z.E.Rachel, die Zesianer, zum Spotte Hirsenpfriemer geheißen: weil sie eben solche Künstler in der Dichtkunst seyn wollten, als einer, der Hirsenkörner mit einer Pfrieme durchbohren wollte. Aber sie gerathen auch nicht allemal. Z.E. das Wort Achselträger ist nicht richtig zusammengesetzet. Denn man meynet nicht einen Menschen, der Achseln trägt, wie das Wort anzeiget; sondern einen, der den Mantel auf beyden Achseln trägt, welches durch jenes Wort nicht ausgedrücket wird. Ja selbst der Zungendrescher scheint hier die Probe nicht auszuhalten: ein Weizendrescher, heißt einer, der Weizen drischt. Die Zungen aber drischt man nicht, sondern mit der Zunge.

13 Der Reichsstil wimmelt von solchen Wörtern, die jeder Schreiber daselbst nach seinem eigenen Dünkel aushecket. Z.E. das Abmaaß, die Obsorge, derAußenstand, die Vereigenschaftung, die Ausgleichung, die Berichtigung, derAbschluß, rücktheilig, gemeinverläßig, Vorkommenheiten, u.d.gl. seltsame Wortgespenster, davor ein deutsches Ohr laufen möchte. Alle diese Blümchen stehen in einer kurzen Schrift, die unter dem Namen PROPONENDA, auf den fränkischen Kreistag, den 1 Oct. 1751 in den öffentlichen Zeitungen gestanden. Ist das nun ein wahres, fränkisches Hofdeutsch, darauf sich gewisse Gelehrte und Publicisten in ihren Staatsgrammatiken soviel zu gute thun: so weis man wahrhaftig nicht, was denn rothwälsch heißen soll. Was denken immermehr Franzosen und andere Ausländer, wenn sie dergleichen öffentliche Staatsschriften in ihre Sprachen übersetzen wollen; worinnen unzähliche solche seltsame Misgeburten vorkommen, die in keinem Wörterbuche stehen, und sich gar nicht übersetzen lassen? Und ist es wohl ein Wunder, wenn hernach auch Fürsten und Herren, lieber alles in französischer Sprache lesen? da ihre deutschen Concipienten lauter solch fürchterliches Zeug zu Markte bringen, aus welchem mehrmals kein Verstand zu erzwingen ist.

14 Es ist hier von der Reichsacten Schreibart eben das zu sagen, was bey dem vorigen erinnert worden. Ja selbst die sächsischen Landtagsacten, und der übrige Gerichtsstil sind nicht ganz fehlerfrey.

15 Diese Art, die Verkleinerung zu machen, ist in einem großen Theile Deutschlandes im Gebrauche: doch so, daß deswegen das lein nicht verworfen wird; weil es theils in der Bibel, theils in geistlichen Gesängen häufig vorkömmt. So nennet man eine adeliche Jungfrau doch ein Fräulein; ob man gleich sonst im Umgange lieber das chen brauchet, als ein Herrchen, für Herrlein, ein Stäbchen, ein Thierchen, ein Hündchen.

16 Weil einige Obersachsen glauben, ihre Verkleinerung gen sey besser, als chen, so muß ich doch die Ursache anführen, warum es nicht so ist. Das Plattdeutsche entscheidet durch sein ken, für das chen. Denn im Niedersächsischen spricht man en Männken, en Deerken, en Minschken, für Männchen, Thierchen, Menschchen. Nun ist aber k und ch näher mit einander verwandt, als daß g, z.E. wir schreiben Jülich, und im alten Reineke Fuchs stehtGüleker Land: wir sagen gräßlich, Reineke Fuchs hat gräßlike; so heißt machen, plattdeutsch maken, Kochen heißt Kaken, Kuchen,Koken, Sachen, Saken, u.d.gl. Kurz chen ist so viel als ken.

17 Egenolf in seiner Hist. der deutschen Sprache, will dieses aus er, herleiten. Dahin kann man auch die Syllbe un, mis, und einige andere rechnen, die nur immer zu Bestimmung der Bedeutung vor andere gesetzet werden. Die erste benimmt zuweilen denen Wörtern, die darauf folgen, alle Kraft; z.E. Glück, Unglück, möglich, unmöglich, wahrscheinlich, unwahrscheinlich; zuweilen aber giebt es ihnen einen ganz andern Begriff; z.E. ein Unding, einUnstern, eine Unholde, ein Unthier, einUngeziefer, der Unwillen. Das letzte aber kömmt ihm in beyden gleich: z.E. im ersten, Vertrauen,Mistrauen; Gunst, Misgunst; Laut,Mislaut; im andern Falle aber, einMisgeschick, eine Misgeburt, einMisverstand, eine Misheurath, u.d.m. Bisweilen verdringt dieses mis auch wohl eine andere Syllbe, als Gebrauch, Misbrauch: doch saget man freylich auch einfach der Brauch.

18 Ein gelehrter Mann hat uns neulich auch bereden wollen, daß wir auch viel wendische und pohlnische Wörter ins Deutsche bekommen hätten. Allein, wenn man einige Namen von Städten und Dörfern in Pommern, der Mark, Schlesien, Lausitz und Meißen ausnimmt, so wird das übrige nichts bedeuten. In Schlesien heißt eine Schenke ein Kretschem, und ein Gastwirth ein Kretschmer. Bey Dresden heißt Ostra, eine Insel. Bursch aber, welches Herr Wachter in s. GLOSSARIO von TOWARSCH herleitet, ist offenbar aus dem französischen BOURSE, entstanden: denn im XIII Jahrh. schon, trug der Rector der hohen Schule zu Paris einen seidenen Beutel am Gürtel, weil er das Haupt aller BOURSIERS, d.i. Stipendiaten des Königs war. S. LES MUSES EN FRANCE: oder den Auszug davon im Neuesten, aus der anmuth. Gel. I B.a.d. 107 S. Vielmehr haben die Pohlen verschiedene deutsche Wörter im Pohlnischen. Z.E. die Syllbe Grod, in Novogrod, ist unstreitig das alte gothische Wort Garda, welches in Belgard, Stargard, Stutgard, allemal ein Haus, oder Schloß bedeutet.Brat heißt Bruder, und Matka eine Mutter,Halstucha ein Halstuch etc.

19 Dieses hat niemand besser, als Herr Pelloutier in seiner HISTOIRE DES CELTES, dargethan; wiewohl er sich dabey auf die Zeugnisse vieler Alten und Neuern berufen hat, die ihm darinn vorgearbeitet haben. S. auch die Gesch. der paris. Ak. der schönen Wiss. im IX B. der deutschen Übers, im V Art. vom Urspr. der ersten Völker in Italien. Daher sind auch unzähliche Wörter, die im Griechischen und Lateine mit dem Deutschen übereinkommen, mehr für Überbleibsel der alten celtischen Muttersprache aller Europäer, als für solche Wörter zu halten, die wir von Griechen und Römern entlehnet hätten. S. das DICTIONN. CELTIQUE des D. Bullet.

20 Geschickte Sprachkenner werden im Casaubonus DE QUATUOR LINGUIS, und andern guten Etymologisten, noch eine große Anzahl entdecken, die unstreitig sowohl im Deutschen, als im Griechischen, zu Hause sind. Und wo bleiben noch die alten Wörter, die unsere deutsche Sprache mit der persischen gemein hat? als

Aber, über, plattd. awer.

Abron, Augenbraun.

Ackar, Acker.

Achterratz, Achterrede.

Avar, ober.

Baba, Papa.

Bend, Band, plattd. Bend.

Berber, Barbier.

Besten, befestigen.

Bither, plattd. beter, besser.

Bick, eine Pauke.

Borden, Bürde, pld. B \rde.

Brader, Bruder.

Cal, kahl.

Casti, ein Kasten.

Choda, Gott.

Corbos, Kürbis.

Dandan, Tand.

Der, eine Thüre. pld. Deer.

Dochtar, Tochter, Dochter.

Drog, Betrug, pld. Droch.

Ender, unter.

Est, ist.

Ez, aus.

Fadar, Vater, pld. Fader.

Garm, Gram, Harm.

Garph, Grab.

Gheli, Kehle.

Ghirifen, greifen.

Jock, Joch.

Kahl, kahl.

Kisti, Kiste.

Lib, Lippen.

Madeh, Mädchen.

Madar, Mutter.

Mah, Mond. pld. Mahn.

Maliden, malen.

Men, mein.

Mord, Mord.

Musen, Maus, pld. Mues.

Na, nein, plttd. nee.

Naf, Nabel.

Nam, Namen.

Nambar, nambar, nennbar.

Neu, neu.

Neber, Neffe.

Nuh, neun.

Pader, Vater.

Phristar, holl. VRYSTER, Jungfer, von freyen.

Poster, Polster.

Rubaden, rauben.

Sazden, setzen.

Schesch, sechs.

Star, Stern.

Tonder, Donner.

Tu, du.

u.a.m. S. des Hrn. Wachters Vorrede zum kleinen GLOSSARIO; und die Λειψανα VETERIS LINGUÆ PERSICÆ Guil. Burtoni, nach des Herrn vonSeelen Ausgabe, a.d. 117–123 Seite. Und wo bleiben die deutschen Wörter, die in der kleinen Tartarey von den alten Gothen noch übrig geblieben, derenBusbequ in seinen Briefen, und Leibnitz in seinen MISCELLANEIS gedenket.

21 Damit niemand komme, und sage, dieß Wort sey unstreitig lateinisch, so berufe ich mich aufs gothische Evangelium, wo Akra alle Früchte bedeutet; z.E. Matth. 6, v. 17: akrana goda getaugit, zeuget gute Früchte. Davon haben wir noch dieEcker, oder Eichel, als SPECIEM PRO GENERE. Weil nun das Feld auch Früchte trägt, so hat man das fruchtbare Feld Acker genennet.

22 Man kann davon auch Eduard Bernards ETYMOLOGICON BRITANNICUM, oder VOCABULORUM ANGLICORUM & BRITANNICORUM ORIGINES RUSSICAS, SCLAVONICAS, PERSICAS, ET ARMENICAS, nachsehen; die bey des Rudolfs Jonas RECENTISS. LINGUAE SEPTENTRIONALIS INCUNABULIS zu Oxford 1688 in 4 herausgekommen. Auch Frisch hat in seinem Wörterbuche oft die Übereinstimmung der slavonischen und deutschen Wörter gewiesen. Mit dem Gothischen, z.E. hat das Pohlnische verschiedenes gemein. Ein Herr heißt pohln. Pan, gothischFan. Ein Schloß pohln. Grod, wie in Novogrod, Bialogrod; gothisch Gard; wie in Belgard, Stargard, Stutgard; ein Bruder pohln. Brat, goth. Brothar, u.d.gl.m.

23 Das Wort Officier wird im Deutschen ganz widerrechtlich, bloß auf die kriegerischen Befehlshaber gezogen; da es im Französischen durchaus alle Beamten, oder königliche Bedienten bedeutet. LES OFFICIERS DU ROI, heißt die Beamten des Königes. Man sehe des Herrn Kriegsrath Engelhards Abhandlung davon im II, III und IV Bande der Sammlung der Ges. der fr. Künste zu Leipzig.

24 Dieß Wort Stab, kömmt aus dem Gothischen, wo Stava der Richter heißt. Z.E. Matth. 5,25. IA SA STAVA THUK ATGIBAI ANDBAHTA; d.i. und der Richter übergebe dich dem Amtsdiener. Daher kömmt noch im Engländischen Steward. Daher kömmt auch vieleicht die Redensart, den Stab brechen: und die Gewohnheit, daß die Dorfrichter einen weißen Stab in der Hand halten. Wenigstens ist der Stab des Regimentes das ordentliche Soldatengericht.

25 Wenn wir es erleben könnten, daß diese und dergleichen deutsche Benennungen erst in unsern Zeitungsblättern, politischen Monathschriften und historischen Büchern eingeführet würden: so würde man sich gar bald auch aller übrigen ausländischen Brocken entschütten können; und den zulänglichen Reichthum unserer Sprache zur Genüge gewahr werden. Aber wer will der Barbarey unsrer Publicisten ein Ziel stecken?

26 Wo aber im Deutschen gute Wörter vorhanden sind; da ist es lächerlich, sich der fremden zu bedienen; wie diejenigen, die unaufhörlich von PORTE-CHAISEN, COUTEAU-DE CHASSE, PORTÉPÉE, ANTICHAMBREN, GARDEROBBEN, ALLÉEN und PROMENADEN reden: gerade als ob wir keine Sänften, Hirschfänger, Gehenke, Vorzimmer, Kleiderkammern, und Spaziergänge hätten. Die Glieder der fruchtbr. Gesellsch. wurden auch nicht sowohl da durch lächerlich, weil sie alles deutsch geben wollten, als weil sie es bisweilen auf eine seltsame Art thaten, die der deutschen Sprache nicht gemäß war. Wer es gut trifft, der wird nicht ausgelachet werden.

27 Hiervon besehe man Wolfgang Hungers VINDICATIONEM GERMANICÆ LINGUÆ, die 1586 zu Straßburg in 8 herausgekommen; imgleichen was Cramer vor s. Wörterb. davon geschrieben. S. auch God. Guil. Leibnitii COLL. ETYMOL. P. II, N. I, in ANNOT. AD Io. Henr. Ottii FRANCOGALLIAM. Endlich auch den Vnartig Teutschen Sprachverderber etc. von 1643, und Baptista Armati Rettung der edlen teutsehen Hauptsprache etc. Hamb. 1642. und dann der deutschen Sprache Ehrenkranz. Straßb. 1644, 8. Überhaupt aber Eccardi HISTORIAM STUDII ETYMOLOGICI, C. VII. DE IIS, QUI GALLICAM LINGUAM GERMANICÆ ORIGINIS ESSE OSTENDERUNT. Noch neulich hat der junge Burmann dieses in einem eigenen holländischen Buche erwiesen.

Bey vielen von diesen Wörtern wird man unschwer bemerken, daß sie mehr Ähnliches mit dem Plattdeutschen, als mit dem Hochdeutschen haben; welches ich deswegen darneben gesetzet hatte. Dieses bestätiget die Leibnitzische Meynung vom Ursprunge der Franzosen, davon man in den kritischen Beyträgen im VII B.a.d. 460 S. die Übersetzung nachlesen kann.

28 Ich rathe es aber deswegen nicht mit Fleiß, und ohne Noth, solche Fremdlinge ins Deutsche aufzunehmen, so wie uns itzo die Neulinge mit Genien, Planen, Plainen, Terrassen, Phantomen, Sphären, ätherisch, empyreisch, Myriaden, und anderm solchem Ottergezüchte besamen. Wenn man einheimische hat, so gehen diese allemal vor. Nur wenn sich gewisse ausländische Sachen finden, die sich nicht gleich umtaufen lassen wollen: so muß man es machen, wie der türkische Kaiser es mit fremden Gesandten machet, wenn sie öffentlich vor ihm erscheinen. Wollen sie nicht Türken werden, so müssen sie doch türkische Kaftane anziehen: das heißt, die fremden Wörter müssen deutsche Gestalten annehmen. So kann man den SECRETAIRE, in Secretär, die CONDOLÉANCE, in Condolenz, die EXCELLENCE, in Excellenz verwandeln, u.s.w. so viel sichs immer thun läßt.

29 Ich mache mit Fleiß bey der Musik den Versuch, weil dieselbe gar zu sehr an ausländischen Wörtern klebet; so gar daß auch deutsche Componisten ihren Stücken wälsche und französische Namen geben, ja sich selbst ausländisch nennen, um gleichsam für Ausländer angesehen zu werden. Welch eine Neigung zur Sclaverey!

II Abschnitt
II Abschnitt.
Von den verschiedenen Geschlechtern der Hauptwörter.

1 §.


Ich habe schon oben gedacht, daß die meisten Sprachen ihren Wörtern drey verschiedene Geschlechter beygeleget, nämlich das männliche, das weibliche, und ungewisse. Dieses hat nun auch im Deutschen statt: und man muß diesen Unterschied hier durch Regeln zu bestimmen suchen; ob gleich der bloße Gebrauch denselben eingeführet hat. Da aber Deutschland sehr groß ist, und verschiedene Landschaften bisweilen in den Geschlechtern der Wörter von einander abgehen: so muß man nicht fodern, daß diese Regeln nach dem Sinne aller Provinzen seyn sollen. Man wird dieselben nach der hier zu Lande herrschenden hochdeutschen, oder meißnischen Mundart einrichten; allen übrigen Landsleuten aber die Wahl lassen, ob sie sich derselben bequemen, oder bey ihrer alten Art bleiben wollen 1.

2 §. Zuvörderst nun so zeigen schon die oben erklärten Geschlechtswörter der, die, das; einer, eine, ein, die Geschlechter der Hauptwörter an: welches Ausländern im [247] Lesen und Verstehen keine geringe Hülfe giebt Sie dürfen also, wenn sie gute Bücher lesen, oder in guten Provinzen sprechen hören, nicht zweifeln, welches Geschlechtes ein Wort ist. Allein, im eigenen Sprechen ist das noch nicht zulänglich; weil sie oft noch nicht wissen können, ob sie der, die, oder das sagen sollen. Ja auch gebohrne Deutsche sind in gewissen Landschaften gewohnet, unrecht zu reden. Z.E. Ich weis, daß man aus einer ansehnlichen churfürstlichen Residenz die Frage that: ob man derHalstuch, oder das Halstuch, sagen solle 2?


I Regeln vom männlichen Geschlechte.


3 §. Dieses sey also, wie die Natur in allen Sprachen lehret,

die erste Regel:


1) Wörter, die männliche Namen, Ämter, Würden, oder Verrichtungen bedeuten, sind auch männliches Geschlechtes.


Z.E. der Kaiser, der König, der Herzog, der Fürst, der Graf, der Herr, der Mann; imgleichen Papst, Cardinal, Bischof, Abt, Priester, Bürger, Bauer, Bettler, u.s.w. Femer Vater, Sohn, Bruder, Vätter, Oheim, Schwager, Freund, Feind, der Gelehrte, Theolog, Jurist, Arzt, Weltweise, Meßkünstler, Redner, Dichter u.d.gl. Diese Regel hat gar keine Ausnahme; weil sie sich auf das Wesen der Dinge gründet, und gar nicht auf die zufälligen Endungen der Worter sieht, als welche zuweilen triegen können 3.

[248] 4 §. Nächst den Menschen bemerket man auch von den meisten Thieren desgleichen. Es sey also


die zweyte Regel:


Die Namen der Thiere, sie mögen nun vierfüßige, oder Geflügel, Fische oder Gewürm seyn, sind mehrentheils des männlichen Geschlechtes.


Z.E. vierfüßige Thiere, der Äff, Auerochs, Bär, Biber, Dachs, Dromedar, Elephant, Esel, Fuchs, Haas, Hamster, Hirsch, Igel, Leopard, Leu, Luchs, Marder, Parder, Tyger, Wolf, u.s.w.

Vögel, der Adler, Auerhahn, Falk, Fasan, Fink, Geyer, Gümpel, Habicht, Hänfling, Kranich, Pfau, Rab, Schwan, Spatz, Specht, Sperber, Sperling, Staar, Stieglitz, Storch, Straus, Zeisich, u.d.gl.

Fische, der Aal, Bärsch, Bressem, Delphin, Hecht, Kabbeljau, Karpen, Krebs, Lachs, Schley, Stint, Stockfisch, Stör, Zander, u.s.w. Endlich auch von

Gewürmen, der Blindschleich, Crocodil, Drach, Floh, Frosch, Käfer, Molkendieb, Schmetterling, Scorpion, Wurm, Zwiefalter, u.d.m.


5 §. Indessen ist es nicht zu läugnen, daß sich bey dieser Regel nicht viele Ausnahmen finden sollten. Denn so wie die Völker bisweilen beyde Geschlechter derselben mit einem männlichen Namen belegen, so geschieht auch zuweilen das Gegentheil. Ja bisweilen hat man auch das sicherste gespielet, und beyden Arten eine Benennung von ungewissem Geschlechte beygeleget. Daher muß man sich von den ersten, folgendes Verzeichniß bekannt machen, die


Weibliches Geschlechtes sind:


Irdische Thiere, die Gemse, die Maus, die Ratze, die Ziege, etc.

[249] Vögel, die Amsel, Dole, Drossel, Elster, Eule, Goldammer, Krähe, Lerche, Meise, Nachtigall, Schwalbe, Taube, Wachtel; so fast lauter Singvögel sind.

Fische, die Aalraupe, Barbe, Bricke, Forelle, Karausche, Neunauge, Quappe, Schmerle, Scholle, etc.

Ungeziefer, die Ameise, Biene, Brämse, Eidexe, Fliege, Hornisse, Hummel, Kröte, Made, Mücke, Mülbe, Natter, Otter, Raupe, Schlange, Wespe, etc.


6 §. Von der zweyten Art bemerket man gleichfalls unter den vierfüßigen und andern Thieren, einige Arten, die


Ungewisses Geschlechtes sind, weil sie beyde Geschlechter bedeuten,

Das Elend, das Füllen, das Ferkel, das Kameel, das Huhn, das Lamm, das Nasenhom, das Pferd, das Reh, das Rhinoceros, das Schaf, das Schwein, das Thier, das Wild.


Gleichwohl nimmt man bey den Thieren wahr, daß viele unter ihnen, außer den gemeinen Benennungen der ganzen Art, auch besondere Namen beyder Geschlechter haben. Dahin gehören:


Der Anter,Die Änte,der Hund,die Pätze;

Der Bock,die Ziege;der Kater,die Katze;

Der Eber,die Sau;der Bulldie Kuh;

Der Fuchs,die Füchsinn;der Stier,die Kuh;

Der Ganter,die Gans;der Storch,die Störchinn;

Der Hahn,die Honne;der Tauber,die Taube;

Der Hengst,die Stutte;der Widder,Schaf;

Der Hirsch,die Hindinn;der Wolf,die Wölfinn.


u.d.gl.m.


7 §. Ferner sey

die III Regel:


Die Namen der Berge, der Kräuter, der Winde, der Witterungen und Zeiten sind männliches Geschlechtes.


[250] Berge, Der Aetna, der Atlas, der Apennin, der Blocksberg, der Caucasus, der Donnersberg, der Fichtelberg, der Geyersberg, der Gletscher, der Harz, der Hec kla, der Kolmerberg, der Pico, der Vesuv, der Zotenberg u.s.w. Ausgenommen die Alpen, die nur in der mehrern Zahl gebräuchlich sind; und die Schneekuppe.

Kräuter, der Beyfuß, Coriander, Ehrenpreis, Epheu, Fenchel, Hopfen, Klee, Knoblauch, Kümmel, Lauch, Majoran, Rosmarin, Timian u.s.w. Ausgenommen die Camille, die Krausemünze, Melisse, Nessel, Raute, Salvey und einige andere.

Winde, der Ost, Süd, West, und Nordwind, imgleichen Südost, Südwest, Nordwest, Nordost, Orcan, Sturm, Wirbelwind, Zephir.

Witterungen, Blitz, Donner, Frost, Hagel, Nebel, Orcan, Regen, Schnee, Thau, Wirbelwind, Wolkenbruch, u.d.gl. Ausgenommen die Hitze und Kälte; die Schloßen aber sind in der mehrern Zahl allein gewöhnlich.

Jahres- und Tageszeiten, der Lenz, Frühling, Sommer, Herbst und Winter; der Morgen, Mittag und Abend; der Augenblick, der Sonntag, Montag, Dienstag, Donnerstag, Freytag und Sonnabend. Ausgenommen, das Jahr, das Jahrhundert, die Woche, die Mittwoche, die Nacht, die Mitternacht, die Stunde, die Minute und Secunde.


8 §. Doch weil es nicht möglich ist, durch solche Regeln die ganze Menge der Wörter zu erschöpfen, so müssen wir auch auf die Endungen derselben sehen. Es sey also ferner


die IV Regel:


Wörter, die sich auf ahn, al, all, ahn, ant, arm, ang, apf, auch, und aum enden, sind männliches Geschlechtes: z.E.


ahn, der Mahn, Kahn, Krahn, Wahn, Zahn; ausgenommen die Bahn.

al, der Baal, der Pfahl, Saal, Stahl, Stral; ausgenommen die Wahl, Quaal und Zahl; imgleichen das Futteral, Gemahl, Linial, Mahl und das Thal.

all, der Ball, Fall, Gall, (NB. der Laut,) Hall, Knall, Schall, Schwall, Stall, Wall etc.

alm, der Halm, Psalm, Qualm etc.

and, der Alicant, der Band am Buche, der Brand, Rand, Sand, Stand, Strand, und Zuckerkant; ausgenommen die Hand, und die Wand imgleichen das Band, VINCULUM, Gewand, Land und Pfand.

arm, der Allarm, Arm, Darm, Harm, Schwärm, etc.

[251] ang, odet ank, der Drang, Gesang, Hang, Klang, Zwang, imgleichen, der Dank, Stank, Zank, etc. ausgenommen die Bank.

apf, der Klapf, Napf, Tapf, Zapf, etc.

auch, der Bauch, Gauch, Hauch, Schlauch, Strauch.

aum, der Baum, Daum, Gaurn, Raum, Saum, Schaum, etc.


die V Regel.


9 §. Wörter, die sich auf el, elm, en, eig, eim, eis, und er endigen, sind männliches Geschlech tes. Z.E.


el, der Bengel, Engel, Gräuel, Flegel, Flügel, Himmel, Kegel, Kringel, Kümmel, Lümmel, Mantel, Nagel, Prudel, Prügel, Riegel, Schimmel, Schlingel, Spargel, Spiegel, Sprengel, Stengel, Strudel, Teufel, Tiegel, Titel, Vogel, Zagel, Ziegel, Zügel; ausgenommen die weibliches Geschlechtes sind; als Eichel, Fuchtel, Gabel, Geißel, Gurgel, Insel, Kachel, Nadel, NichteL Orgel, Regel, Sichel, Trummel, u.e.a.

Ungewiß sind die vorn ein Ge haben, als das Geflügel, Geklingel, Gerassel, Getändel, Getümmel, u.a.m. wie auch das Exempel, und das Siegel; ausgenommen der Gesell.

elm, der Helm, Schelm etc.

en, der Boden, Braten, Brodem, Faden, Fladen, Frieden, Glauben, Graben, Hopfen, Karren, Kragen, Kuchen, Laden, Magen, Namen, Nutzen, Rechen, Samen, Schaden, Schinken, Schlitten, Schrägen, Schuppen, Segen, Wagen, Zapfen etc.

Ausgenommen das Almosen, Becken, Küssen, Wapen, Wesen, Zeichen, und die von der unbestimmten Art der Zeitwörter (MODO INFINITIVO) gemachet werden, als das Hegen, Lachen, Lallen, Leben, Lesen, Reden, Sagen, Singen, Sterben, Wagen etc.

eig, der Steig, Teig, und Zweig.

eim, der Feim, Keim, Leim, Reim, Seim, Schleim, etc.

eis, der Fleiß, Greis, Preis, Reiß, Schweiß etc.

Ausgenommen die vorn Ge haben; das das Geheiß, Geschmeiß, Gereiß.

er, der Hammer, Jammer, Kummer, Schimmer, Schlummer, Zentner, Zucker etc.

Ausgenommen, die Ammer, Kammer, Klammer, Klapper, Leiter, imgl. das Gekläpper, Geklimper, Leder, Wasser und Zimmer.


Die VI Regel:


10 §. Wörter, die sich auf ieb, ich, icht, ieg, irbs, isch und itz, endigen, sind männliches Geschlechtes. Z.E.


[252] ieb, der Dieb, Hieb, Trieb; ausgenommen das Sieb.

ich, der Dietrich, der Stich, der Strich.

icht, der Bericht, Bösewicht etfc. ausgenommen die Geschichte, Gicht, Pflicht, und das Licht, imgleichen die sich mit Ge anfangen, als Gedicht, Gericht, Gesicht, Gewicht, und fast alle des Ungewissen Geschlechtes sind.

ieg, der Krieg, Sieg, Stieg, Jungfernstieg, d.i. Steg.

irbs, der Knirbs und Kürbs.

isch, der Fisch, Plisch, Tisch, Wisch: ausgenommen die mit Ge anfangen, als das Gebüsch, Gemisch, Gezisch

itz, der Blitz, Ritz, Schlitz, Sitz, Witz, an einigen Orten auch der Grütz; ausgenommen das Antlitz, und das Geschütz.


Die VII Regel:


11 §. Wörter, die sich auf ein ock, of, ohn, ol, oll, olch, opf, orn, ort, ost, und otz endigen, sind männliches Geschlechtes. Z.E.


ock, und og, der Block, Pflock, Rock, Stock, Trog; ausgenommen das Schock.

of, der Hof, Soff, Stoff.

ohn, und on, der Hohn, Lohn, Sohn, Spion, Thon, Ton, Thron. 2o

ol, und oll, Kohl, Pol, Spaniol, Groll, Knoll, Zolletc ausgenommen das Zoll, ein Maaß.

olch, der Dolch, Molch.

opf, der Knopf, Kopf, Kropf, Schopf, Topf, Tropf, Zopf.

orn, der Born, Dom, Zorn; ausgenommen das Horn, und das Korn.

ort, und ord, der Bort, Hort, Ort, Mord, Nord, Port; ausgenommen das Wort.

ost, der Frost, Most, Ost, Rost, Trost; ausgenommen die Kost, und die Post.

otz, der Klotz, Plotz, Rotz, Trotz. Einige sagen auch das Klotz.


Die VIII Regel:


12 §. Wörter, die sich endigen auf ein uch, uck, umpf, und, unk, uß, und utz, sind männliches Geschlechtes; z.E.


uch, der Besuch, Bruch, Fluch, Geruch, Versuch, Spruch; ausgenommen das Buch, Gesuch, und Tuch.

[253] uck, und ug, der Druck, Ruck, Schmuck, Schluck, Spuck, Bug, Flug,Krug, Pflug, Trug, Zug.

umpf, der Klumpf, Rumpf, Strumpf, Sumpf, Triumph, Trumpf.

und, der Bund, Fund, Grund, Mund, Schlund; ausgenommen das Pfund und das Rund; imgleichen das Bund für Bündel, z.E. Reiser.

unk, als Prunk, Strunk, Trunk.

, der Fluß, Fuß, Genuß, Gruß, Guß, Kuß, Ruß, Schluß, Schuß und Verdruß; ausgenommen die Nuß, das Mus, und das Muß.

utz, der Nutz, Putz, Schutz, Stutz und Trutz.


Regeln vom weiblichen Geschlechte.


13 §. Zu diesem Geschlechte gehöret nun zuvörderst alles, was in der That weiblich ist. Es sey also

die I Regel:


Alle Namen und Benennungen, Ämter und Titel, Würden und Verrichtungen des Frauenvolkes, sind weibliches Geschlechtes. Z.E.


Namen, die Adelgunda, Anna, Barbara, Elisabeth, Erdmuth, Hanna, Kunigunda, Luise, Maria, Salome, Thusnelde, Victoria, etc.

Benennungen, Base, Dirne, Frau, Jungfrau, Magd, Metze, Muhme, Mutter, Nichtel, Schwester, Tochter, etc.

Titel, Äbtissinn, Fürstinn, Gräfinn, Herzoginn, Kaiserinn, Königinn, etc.

Würden, Dichterinn, Doctorinn, Feldmarschallinn, Freyherrinn, Gräfinn, Hauptmanninn, Hofräthinn, Oberstinn, Poetinn, Prinzessinn, Prophetinn, etc.

Verrichtungen, Amme, Bäuerinn, Hirtinn, Kammerfrau, Köchinn, Nähterinn, Schäferinn, Strickerinn, Stubenmagd, Wäscherinn, Zofe, u.s.w.


14 §. Indessen ist diese Regel nicht sonder Ausnahme. Denn 1) werden das Weib, das Mensch, wenn es ein gemein Weibstück bedeutet, und das neumodische Wort Frauenzimmer, ausgenommen: welches letzte aber wegen der Zusammensetzung mit Zimmer geschieht; so sein ungewisses Geschlecht behalten muß, wie wir hernach hören werden. Es ist aber ein Misbrauch im Reden, wenn man durch das Wort Frauenzimmer, eine einzige Person versteht: da es augenscheinlich, [254] entweder das ganze weibliche Geschlecht, oder doch eine gewisse Anzahl desselben, so viel etwa in einem Zimmer beysammen sind, bedeuten muß. 2) Werden hiervon die verkleinerten Wörter und Benennungen des weiblichen Geschlechtes ausgenommen, die nämlich dadurch zum ungewissen Geschlechte kommen; als das Fräulein,Jungfräulein, Mägdlein, oder Mägd chen, Weiblein, u.d. gl.


Die II Regel ist:


15 §. Die Namen der Flüsse, der Bäume, der Blumen und Früchte, sind weibliches Geschlechtes, Z.E.


Flüsse, die Donau, Elbe, Fulde, Garonne, Guadiana, Leine, Loire, Oder, Rhone, Saale, Seyne, Themse, Tyber, Unstrut, Weichsel, Weiseritz, Weser, Wolga, ausgenommen der Ebro, Euphrat, Dnieper, Dniester, Ganges, Mayn, Nil, Po, Pregel, Rhein, Tagus, Tanais; etc.

Bäume, die Aesche, Birke, Buche, Ceder, Eiche, Erle, Fichte, Hasel, Kiefer, Linde, Pappel, Staude, Tanne, Weide, etc. ausgenommen der Busch, Hagedorn, Hollunder, Taxus, Wacholder, und alle die mit Baum, Busch und Stock verbunden werden.

Blumen, die Anemone, Aurikel, Hiazinthe, Kaiserkrone, Lilie, Narzisse, Nelke, Päonie, Ranunkel, Rose, Tacette, Tuberrose, Tulpe etc. ausgenommen der Klee, der Lavendel, und das Tausendschön etc.

Früchte, die Apricose, Beere, Birne, Castanie, Dattel, Erdbeere, Feige, Gerste, Gurke, Kirsche, Mandel, Melone, Mispel, Nuß, Pflaume, Pfirsich, Pomeranze, Quitte, Rosine, Rübe, Träube, Wurzel, Zwiebel etc. ausgenommen der Apfel, Haber, Knoblauch, Kürbis, Pasternack, Rettig, Spargel, Weizen, und wenig andere; imgl. das Korn, und Geträyd überhaupt.


Die III Regel:


16 §. Alle Wörter, die sich auf acht, ät, aft und au endigen, sind weibliches Geschlechtes. Z.E.


acht, die Acht, Fracht, Macht, Obacht, Pracht, Tracht, Wacht, wovon einige nur das Wort Pracht für Luxus männlich brauchen, der Pracht; imgleichen der Schacht, und der Pacht.

[255] ät, die Calamität, Communität, Elektricität, Facultät, Majestät, Nativität, Probabilität, Pluralität, Qualität, Quantität, Universität, etc.

aft, die Haft, Kraft, Verhaft, und alle die sich mit schaft enden; als: Bürgerschaft, Erbschaft, Freundschaft; Gemeinschaft, Gesellschaft, Grafschaft, Herrschaft, u.d.gl. Hier werden ausgenommen, der Saft, der Schaft am Spieße, und der Taft.

au, die Au, die Frau, die Klau, die Sau, die Schau; die vieleicht alle ein e haben sollten: ausgenommen der Bau, Pfau, Thau, und das Tau, ein Schiffseil.


Die IV Regel:


17 §. Alle Wörter, die sich auf ein kurzes e enden, sind weibliches Geschlechtes; als z.E.


Ähre, Baare, Dürre, Ebbe, Ehre, Farbe, Gabe, Glocke, Gnade, Grube, Güte, Habe, Haube, Hütte, Krone, Laube, Mappe, Nabe, Plage, Quelle, Runde, Stube, Taube, Tiefe, Traufe, Wolle u.s.w. Nur einige wenige ausgenommen; als: der Bube, Glaube, Knabe, Name, Rabe, Saame u.d.gl. wiewohl es noch zweifelhaftig ist, ob nicht der Glaub ohnee, wie der Raub, oder wie die zween folgenden, Namen, Samen, von NOMEN, SEMEN; mit einem n, der Glauben, und die drey letzten, als männliche Benennungen, lieber der Bub, der Knab, und der Rab, heißen sollen? Wenigstens schrieben die Alten, der Knapp, der Rapp, für Rab und Knab; als welches damals einerley war. Ein Bergknapp, ein Mühlknapp, hieß nämlich ein Bergknab, ein Mühlknab. Ein Rapp aber und ein Rab, sind beyde der Farbe wegen, so benennet worden.


18 §. Wie also diejenigen unrecht thun, die den weiblichen Wörtern das Endungs-E rauben, wenn sie z.E. sprechen und schreiben, die Kron', dieLieb', die Gnad' u.s.w. als welches die Sprache ohne Noth hart und rauh machet: also fehlen andere dadurch eben so sehr, daß sie ohne Ursache den männlichen Wörtern am Ende ein e anflicken; indem sie sprechen, der Franke, der Franzose, der Pohle, der Sachse, Schwabe, Türke etc. ja wohl gar der Fürste, der Grafe, der Herre, der Narre, der Pfarre, der Poete, und der Prophete. Noch andere hängen solches auch ohne Noth den [256] Wörtern des ungewissen Geschlechtes an, die sich mit Ge anfangen: als das Gesichte, Gedichte, Gerüchte, Gespräche, Geheule, u.d.gl. die doch solches weder fodern können, noch irgend nöthig haben.


Die V Regel:


19 §. Wörter, die sich auf heit, keit, enz und ey enden, sind weibliches Geschlechtes. Z.E.


heit, die Beschaffenheit, Bescheidenheit, Ergebenheit, Gewogenheit, Lüsternheit, Verbundenheit, Zufriedenheit etc.

keit, die Bitterkeit, Fröhlichkeit, Langsamkeit, Lieblichkeit, Mäßigkeit, Munterkeit, Sterblichkeit, Tapferkeit etc.

enz, die Condolenz, Consequenz, Eminenz, Excellenz, Jurisprudenz, Magnificenz, Präcedenz, u.d.gl. ausgenommen der Peter Squenz, der schon durch eine obige Regel, männlich geworden; und der Lenz.

ey, die Betteley, Büberey, Dieberey, Hudeley, Läffeley, Lapperey, Mengerey, Meyerey, Schelmerey, Tändeley, Zauberey, u.s.w. Ausgenommen der Brey, das Ey, und die mit Ge anfangen, als das Geschrey.


Die VI Regel:


20 §. Fremde Wörter, die sich auf ik, das ein-und zwey-syllbige ie, ift, niß und das fremde on, endigen, sind weibliches Geschlechtes. Z.E.


ik, die Arithmetik, Botanik, Hydraulik, Hydrostatik, Logik, Metaphysik, Mnemonik, Optik, Physik, Pnevmatik, Statik etc. Ausgenommen die deutschen Wörter, der Blick und Strick, imgleichen das Genick, Geschick, Glück etc.

ie, einsyllbigt, die Astronomie, Astrologie, Chiromantie, Chronologie, Geographie, Philosophie, Theologie, u.s.w.

ie, zweysyllbig, die Calumnie, Ceremonie, Historie, Glorie, Komödie, Memorie etc.

ift, die Mitgift, die Schrift, die Trift; ausgenommen das Gift und das Stift; imgleichen der Stift, für einen Nagel.

[257] niß, die Ärgerniß, Betrübniß, Erkenntniß, Finsterniß, Hinderniß, Kümmerniß, Säumniß, u.s.w. welche vorzeiten mit einem ü geschrieben worden; auch wohl noch in gewissen Landschaften mit einem das gesprochen werden. Z.E. in der Bibel steht, werfet ihn in das Finsterniß hinaus.

on, die Ambition, Communion, Garnison, Nation, Oration, Promotion, Sanction, u.d.gl. Ausgenommen die deutschen, der Hohn, Lohn, Sohn, der Ton und Thron.


Die VII Regel:


21 §. Wörter, die sich auf ucht, uft, uld, unft, ung, ur und uth endigen, sind auch noch weibliches Geschlechtes. Z.E.


ucht, die Bucht, Flucht, Frucht, Sucht, Zucht, und nichts ist davon ausgenommen.

uft, die Duft, Gruft, Kluft, Luft; ausgenommen der Schuft, als eine Mannsperson. An der Donau spricht man der Luft, und in Niedersachsen der Duft, und vieleicht ganz richtig, wie der Dampf, Qualm, Nebel, Rauch, als Witterungen nach der 3ten Regel.

uld, die Geduld, Huld, Schuld etc. der Pult und Tu mult, als fremde, gehören nicht hieher.

unft, die Brunft, bey den Jägern, für Brunst, die Ankunft, die Vernunft, Wiederkunft, Zunft, Zukunft, und dergleichen.

ung, die Änderung, Beförderung, Besserung, Lästerung, Lieferung, Meynung, u.d.gl. ausgenommen der Sprung.

ur, die Cur, Captur, Clausur, Collegiatur, Fuhr, Natur, Prälatur, Präpositur, Spur, Statur, Uhr, u.s.w.

uth, die Armuth, Bruth, Demuth, Gluth, Großmuth, Huth, Kleinmuth, Obhuth, Wehmuth, Wuth, u.s.w. Ausgenommen das Blut, Gut, der Hut, PILEUS, imgl. der Muth, und die sonst von Muth zusammengesetzet werden 4; imgleichen der Schutt, und Calecut, als der Namen eines Landes, davon bald folgen wird.


[258] Regeln des ungewissen Geschlechtes.


22 §. Das dritte Geschlecht im Deutschen ist das ungewisse (NEUTRUM), welches gleichfalls sehr vielen Hauptwörtern eigen ist. Man merke sich davon folgende Regeln.


I Regel:


Alle Benennungen der Thiere, die beyden Geschlechtern derselben eigen sind, sind auch in der Sprache ungewisses Geschlechtes. Z.E.


Das Einhorn, das Ferkel, das Füllen, das Geflügel, Gevögel, Geschmeiß, Gesind, Gewürm, Hermelin, Kalb, Kameel, Kind, Lamm, Pferd, Rhinoceros, Reh, Rind, Schwein, Thier, Ungeziefer, Vieh, Volk, Wild, u.d.m. Doch werden hiervon ausgenommen der Elephant, der Fasan, der Fisch, der Frosch, der Mensch, der Rab, der Sperling, der Storch, der Vogel, der Wurm; imgleichen alle, die sich auf ein e enden, und also zu einer andern Regel gehören.


Die II Regel:


23 §. Alle Namen der Länder, der Städte, Flecken und Dörfer, Metalle, und Buchstaben, sind ungewisses Geschlechtes. Z.E.


Das volkreiche Deutschland, das kalte Schweden, das reiche Britannien, das fruchtbare Wälschland etc. Ausgenommen die Lausitz, die Mark, die Schweiz, nebst denen, die sich auf au enden, als die Wetterau, der Sundgau, der Brisgau, und die sich auf ey endigen, als die Bulgarey, Lombardey, Wallachey etc.

Ferner von Städten, das prächtige Dresden, das große Berlin, das schöne Leipzig, das reiche Hamburg, etc. ausgenommen der Haag, der vom Walde den Namen hat.

Von Flecken, das erühmte Lützen, Altranstadt, etc.

Von Dörfern, das nahe Golitz, wie Flemming in einer Ode saget.

Ferner Metalle, das Bley, Eisen, Erz, Gold, Kupfer, Meßing, Metall, [259] Silber, Zinn, etc. ausgenommen derStahl, der Tomback, der Zink, und die Piatina, etc.

Endlich Buchstaben, das A und O, das Alpha und Omega, das A B C. u.s.w.


Die III Regel:


24 §. Alle Verkleinerungen der Hauptwörter, imgleichen alle, die aus Zeitwörtern, entweder durch Vorsetzung der Syllbe Ge, oder bloß aus der unbestimmten Art (MODO INFINITIVO) gemachet werden, sind ungewisses Geschlechtes. Z.E.


Das Fräulein, Herrlein, Hündlein, Kindlein, Knäblein, Mägdlein, Männlein, Mäuslein, u.s.w. oder auch das Bübchen, Häuschen, Hündchen, Knäbchen, Mägdchen, Thierchen, u.d.gl.m.

Ferner, Gebäu, Gemahl, Genick, Gepräng, Gereiß, Gerüst, Geschrey, Getümmel, Gezier, von bauen, mählen, nicken, prangen, reißen, rüsten, schreyen, tummeln, zieren, u.s.w. Doch sagen einige die Geschwulst.

Endlich das Thun und Lassen, das Stehen und Gehen, das Reuten und Fahren, das Trinken und Essen, das Leben und Sterben; imgleichen das Wesen, als ein alter INFINITIVUS, anstatt seyn, das Daseyn, u.d.gl.m.


Die IV Regel:


25 §. Alle Wörter, die sich auf at, ech, et, ier, und iv enden, sind ungewisses Geschlechtes; als z.E.


at, das Bad, Cad, Canonicat, Cantorat, Concordat, Dekanat, Diakonat, Majorat, Pastorat, Rectorat, Seniorat etc. ausgenommen der Pfad, der Rath, der Staat, und die Saat etc.

ech, das Blech, das Pech: die Zeche muß als ein weibliches, ein e am Ende haben.

et, das Banquet, Baret, Cabinet, Lazaret, Paquet, Privet, Secret, Spinet, Stilet, Tapet, u.d.gl. Ausgenommen der Komet, Magnet, und Planet. Der Poet und Prophet sind Männernamen. Die auf ät gehören nicht hieher.

ier, das Bier, Clavier, Clystier, Elixier, Panier, Papier, Quartier, Rappier, Revier, Turnier, u.d.gl. Ausgenommen die Begier und Zier; imgleichen [260] die als Benennungen der Mannspersonen, oder Thiere und Edelsteine wegfallen, als Balbier, Courier, Vezier, Seraskier und Sapphier. Im Theuerdanke steht Revier weiblich.

iv, das Creditiv, Laxativ, Perspectiv, Recitativ, Stativ, Vomitiv, u.d.gl.m.


Die V Regel:


26 §. Wörter, die sich auf och, or, os und ot endigen, sind des ungewissen Geschlechts; als z.E.


och, das Joch, das Loch; mit ihren zusammengesetzten; ausgenommen der Koch, als ein männliches Wort, und die Woche, die das weibliche e hat.

oos und os, das Loos, das Moos, das Roß, das Schloß, das Geschoß, u.a.m. ausgenommen der Kloos, Schoß, Stoß, Troß, und die Schooß.

or, das Chor, Contor, Nagelbohr, das Ohr, das Rohr, das Thor, u.s.w. ausgenommen der Flor, imgleichen Major, Matador, Mohr, Pastor und Thor; die aber als männliche Benennungen, hieher nicht gehören.

ot, Banquerot, Brodt, Complot, Geboth, Loth, Motgenroth, Schrot, u.d.gl. ausgenommen, der Tod, der Sod, der Koth, die Noth, und der Spott, der eigentlich nicht hieher gehöret.


Die VI Regel:


27 §. Wörter, die sich auf um, thum, und umt endigen, sind auch des ungewissen Geschlechtes. Z.E.


um, als die fremden, das Evangelium, Monopolium, Clavicordium, Seculum, u.d.gl. ausgenommen die einheimischen, der Ruhm, und der Thum.

thum, das Bischofthum, Christenthum, Fürstenthum, Heydenthum, Kaiserthum, Lutherthum, Papstthum, Heiligthum, Priesterthum, Witthum, u.d.gl.

umt, das Grummt, das Kummt. Vieleicht aber sollten diese zweysyllbigt lauten, Grummet, Kummet.


Was nun unter diesen Regeln noch nicht enthalten ist, das muß am Ende in einer besondern Tafel vor Augen geleget [261] werden, damit man es sich bekannt, und durch die Übung im Lesen und Umgange selbst, geläufig mache.

28 §. Außer allen diesen Regeln kann man noch einige Wörter merken, die in verschiedenen Bedeutungen, auch verschiedene Geschlechter haben. Dahin gehören alle die, die schon im 9 §. des II Hauptstückes angegeben worden, und die man oben auf der 167 Seite nachschlagen kann.

29 §. Ferner giebt es Wörter, die in verschiedenen Landschaften von Deutschland verschiedenes Geschlechtes sind; davon ich etliche, die mir bekannt geworden, hersetzen will; so, daß ich das allhier in Meißen 5 gewöhnliche voransetze;


Der Altar,das Altar;Das Gift,der Gift;

Der Bach,die Bach;Der Grütz,die Grütze;

Die Butter,der Butter;Die Katheder,der Katheder;

Die Duft,der Duft;Der Klotz,das Klotz;

Die Dunst,der Dunst;Die Luft,der Luft;

Die Ecke,das Eck;Der Markt,das Markt;

Die Finsterniß;das Finsterniß;Der Schild,das Schild;

Die Gewalt,der Gewalt;Die Schwulst,der Schwulst;

Die Gelübde,das Gelübd:Der Scepter,das Scepter, u.a.m.


30 §. Noch eine Regel muß man in Ansehung der zusammengesetzten Wörter machen, daß nämlich dieselben insgemein das Geschlecht des hinten stehenden letzten Theiles behalten.


Z.E. das Thor, das Stadtthor, obgleich Stadt weiblich ist; so auch die Thüre, die Hausthüre, obgleich Haus ungewisses Geschlechtes[262] ist. So auch das Halstuch, Schnupftuch,Leichentuch; ob man gleich der Hals, der Schnupfen, die Leiche saget, u.s.w. Indessen giebt es auch hier Ausnahmen. Z.E. man saget zwar die Aue, und doch heißt es, bey Namen der Städte und Dörfer, das Hanau, Kommothau, Langenau, Lindenau, Torgau, Wiederau; imgl. die Ecke, und doch das Dreyeck, Viereck etc. Doch solcher Abweichungen von der Regel giebt es sehr wenige: dahingegen die andern unzählbar sind: als das Haus, Rathhaus, Gotteshaus, Armenhaus, Waisenhaus, Provianthaus, Zeughaus, Zuchthaus etc.


31 §. Die letzte und VII Regel von den zusammengesetzten Wörtern heißt daher so:


Wörter, die aus zweyen oder mehrern einfachen Hauptwörtern zusammengesetzet worden, behalten das Geschlecht derer, die am Ende zu stehen kommen.


Die Ursache davon ist leicht einzusehen: denn dasjenige Wort, das am Ende steht, giebt allemal den Hauptbegriff zu verstehen, davon die Rede ist; die erstern aber drücken nur die verschiedenen Bestimmungen desselben aus. Der Hauptbegriff aber muß billig sein natürliches Geschlecht behalten; gesetzt, daß ihn der Nebenbegriff einbüßen müßte. Z.E.


Männliche.Weibliche.Ungewisse.

Der Knecht der

Jungfernknecht.Die Aue, die Wetterau.Das Haus, das Zuchthaus.

Der Kopf,

der Ziegenkopf.Die Beere, die Weinbeere.Das Holz, das

Tannenholz.

Der Mann,

der Hauptmann.Die Jagd, die Hirschjagd.Das Nest, das Vogelnest.

Der Markt, der

Fleischmarkt.Die Noth, die Landesnoth.Das Thor, das Stadtthor.

Der Muth,

der Weibermuth.Die Plage, die Landplage.Das Tuch, das Halstuch.

Der Schuh,

der Handschuh.Die Thüre, die Hausthüre.Das Zeichen das

Luftzeichen.

Der Wald derDie Uhr die Sanduhr.Das Zimmer das

Birkenwald.Frauenzimmer, u.d.m.


[263] 32 §. Ein jeder sieht wohl, daß diese Regel sich auf diejenigen Wörter nicht erstrecket, die nicht aus lauter Hauptwörtern, sondern zum Theile aus andern Redetheilchen zusammengesetzet sind. Von diesen heißt


die VIII Regel:


Wörter, die nur aus einem Hauptworte, und aus andern Redetheilchen bestehen, müssen das Geschlecht des Hauptwortes behalten, welches darinnen vorkömmt, und dessen Begriff darinnen herrschet.


Z.E. Der Muth, der Edelmuth, der Unmuth, der Übermuth, etc. Der Rath, der Unrath, Vorrath, Zierrath etc. Die Lust, die Unlust; Der Witz, der Aberwitz; Die Acht, die Aberacht etc. Der Schnabel, der Geelschnabel etc. Der Hall, der Wiederhall u.d.gl.m. Doch giebt es auch hier einige Ausnahmen, sonderlich in dem Worte Muth. Denn hier ist es seit alten Zeiten eingeführet, daß man saget, die Demuth, die Großmuth, die Schwermuth, die Wehmuth, obgleich das einfache Muth männliches Geschlechtes ist. In wenig andern Wörtern wird man eben dergleichen finden, z.E. das Wort, die Antwort, das Geräth, der Haustath, der Unrath, Vorrath, Zierrath.


33 §. Nun will ich schließlich das versprochene Verzeichniß derjenigen Hauptwörter hersetzen, die nach den obigen Regeln nicht bestimmet worden, auch sonst schwerlich unter einige Regeln zu bringen sind. Diese muß sich ein Fremder, oder Anfänger bekannt machen, indem er sie fleißig durchliest, und allemal das im Anfange stehende Geschlechtswort dazu wiederholet; bis sie ihm geläufig werden. In andern Sprachlehren für Ausländer, stehen ungleich größere solche Register; welches denn die Lernenden sehr abschrecket. Das meinige aber ist darum viel kürzer und erträglicher gerathen; weil ich die meisten Hauptwörter, durch die obigen Regeln nach den Endungen derselben bestimmet habe. Vieleicht könnte man einige aus den folgenden, auch noch unter gewisse Regeln bringen.


[264] Verzeichniß derer Hauptwörter, deren Geschlecht man ohne Regeln lernen muß, nach den Endbuchstaben geordnet.


Männliches Weibliches Ungewisses Geschlechtes. Geschlechtes. Geschlechtes.

Auf B sind:B. B. Korb, Stab,Diese haben nachDas Grab, Trab, Erwerb.heutigerGewerb, Art alle ein e,Laub, Lob, Sieb. als Garbe, Habe, Kerbe, Gabe, Nabe.

D. D. D. Der Brand, Bund,Die Gegend,Das Bad, Band, Jagd,Bild, Eid, Grind,Jugend, Tugend.Brod, Elend, Grund,Feld, der Mond, Mund,Geträyd, Gewand, Schlund, Sod,Glied, Kleid, Tand,Kleinod, Wald, Wind.Leid, Lied, Pfand, Pfund, Rad, Schild.

F. F. F. Der Beruf,Haben alle einDas Dorf, Haf, Brief,e, alsHuf, Griff, Hanf,Hufe, Kufe,Schiff. Hof, Huf,Zofe, etc. Kauf, Knauf, Kniff, 6 Krampf, Ruf, Soff, Torf, Wurf.

G. G. G. Der Balg, Berg,Die Burg.Das Ding, Lug,Geding, Rang, Ring,Gedrang, Trog,Gedräng, Trug, Ursprung,Werg, (STUPA) Zeug,und Zug.Zeug.

H. H. H. Der Bach, Bauch,Die Milch,Das Buch, Dach, Schmach.Fach, der Gauch,Die Sache,Fleisch, Gemach, Hauch,Rache, und Rauch, Schlauch.Wache hat ein e.Reich, Strauch, Tuch.

[265] K. K. K Der Dreck,Die Bank, Mark,Das Mark, Fleck, Gestank,für(MEDULLA) Kalk, Kleck,Gränze, Harke,Volk, Werk. hat Kork, Quark,ein e. Rock.

L. L. L. Der Apfel, Keil,Die Deichsel,Das Achttheil, Kiel,Eichel,Beil, Pfeil, und dieGeisel, Gurgel,Exempel, Fell, meistenInfel,Heil, auf el, davonInsel, Kachel,Insiegel, oben dieKlingel,Knäuel, Lägel, V Regel desKugel, Kunkel,Linial, Maul, männlichenMeißel, GeschlechtsMorchel, Nadel,Mehl, Mittel, gehandeltOel, hat.Orgel, Regel,Pistol, Schachtel,Protocoll, Schaufel,Räthsel, Segel, Scheitel,Seil, Schindel,Siegel, Spiel, Schüssel,Thal, Semmel, Sichel,Theil, Spindel,Viertheil, Urtheil, Staffel,nicht die Stoppel,Urtheil, Trommel, Windel,wie einige Juristen Wurzel, Zahl.sagen; Ziel.

M. M. M. Der Gehorsam,Die Form,Das Lärm, oder Gram,besser, Forme,Lärmen, Kamm, Kram,Scham.Gedärm, Geschwärm, Schlamm,Gelärm. Schwamm.

N. N. N. Der Alaun, Bann,Die Pein,Das Garn, Person,Gehirn, Born, Brunn,Stirn.Gestirn, Horn, Dorn,Kinn. Stern, Zaun, Zorn, Zwirn.

P. P. P. Der Kneip, Kamp,Haben ein e, als Kappe, Syrup.Puppe etc.

R. R. R. Der Altar,Die Begier,Das Gehör, Staar.Creatur,Geschirr, Figur, Gebühr,Haar, Jahr, Gefahr,Paar. Zugehör. Die Baare hat ein e.

[266] S. S. S. Der Biß, Kloß,Die Ameis, Gans,Das Aas, Eis, Riß,Faß, Reiß, Schooß,Geis, Horniß,Glas, Gleis, Schoß,Iltis,Geheiß, Stoß, Strauß,Laus, Maus,Gehäus, Steiß,Plateis;Geschmeiß, Troß.da sonst dieGereiß, Gras, ThiereHaus, männlichesMaaß, Mus, Muß, GeschlechtesReis, sind.Wachs, Wamms.

St. St. St. Der Ast, Bast,Die Angst,Das Armrust, Brast,Brunst,Fest, Durst, Dunst,Brust, Faust,Gespenst, Frost,Geschwulst,Gespinst, Gewinnst, Ost,Kunst, Last,Nest. Wanst, West.List, Lust, Pest, Post, Schwulst, Wurst.

T. T. T. Der Bart,Die Andacht,Das Amt, Blatt, Contract,Anfurt,Blut, Drat, Einhalt,Anstalt, Armuth,Brett, Edict, Gurt,Art,Element, Koth, Ritt,Axt, Einfalt,Geboth, Gemächt, Schnitt,Fahrt, Schritt, Tritt,Furcht, Furt,Geschlecht, Gut, Vorrath,Geburt, Unrath, Werth,Gegenpart,Haupt, Heft, Gegenwart,Hundert, Zierrath.Gestalt, Gewalt,Jahrhundert, Kraut, Glut, Haut,Licht, Recht, Heimath,Pult, Nath, Noth,Scheit, Schwert, Pflicht,Stift, Predigt,Verboth, Schrift,Unschlitt, Statt, Sucht,Zelt. Vernunft, Welt, Zeit, Zucht, Zuversicht.

X. X. X. Der Kux, Nix,Die Eidex, Tax;Das Crucifix. Styx.besser Eidexe, Taxe.

Y. Y. Y. Der May.Die Bay, Convoy,Das Ey, dieGeschrey. Kley, Pastey.

Z. Z. Z. Der Furz, Grütz,Die Balz, Hatz,Das Erz, Milz,Geschütz, Kranz, Latz,Pfalz, Wurz. DieGeschwätz, Mutz,öbrigenGesetz, Nutz, Putz,haben ein e, wieHerz, Holz, Pelz, Satz,Kreuz, Schmelz, Schurz,Grütze, Hitze,Malz, Netz, Mütze,Salz, Schwanz, Sturz,Stütze etc.Schmalz. Tanz, Umsturz.

Fußnoten

1 Schon Ölinger und Clajus haben sich bey nahe vor 200 Jahren bemühet, Regeln davon zu geben; die aber sehr vielfältig, und schwer zu behalten sind.

2 Eben dergleichen Anfrage ist mir vor ein Paar Jahren von zwoen streitenden Parteyen aus Petersburg geschehen, ob man der oder das Macherlohn sagen solle? S. des N. Büchers, der seh. W. IX B. auf der 69 und folg. S. Zu geschweigen, was man neulich aus Regenspurg, und vor kurzem 1762, aus Gotha, für Zweifel an mich gelangen lassen.

3 Gleichwohl sind hier die Verkleinerungen auszunehmen, die sich.auf lein, oder chen endigen, welche durchgehends des ungewissen Geschlechtes sind. Z.E. das Herrlein, Männlein, Söhnlein, Brüderlein imgleichen Väterchen, Söhnchen, Brüderchen, Knäbchen, Bübchen, Engelchen, Teufelchen. Nur diese Anmerkung muß ich hier auch noch machen, daß auch Gott und alle Geister so angesehen werden, als ob sie des männlichen Geschlechtes wären: der Abgott, Götz, Engel, Teufel, Kobold, Poltergeist, Alp, u.d.gl.

4 Der Gebrauch hat hier eine Unrichtigkeit eingeführet, daß von dem männlichen einfachen Muthe, wider die Sprachähnlichkeit, die obigen zusammengesetzten weibliches Geschlechtes gebildet werden; und nur der Edelmuth, der Heldenmuth, derWankelmuth, der Übermuth, der Unmuth, der Zweifelmuth, bey der Regel geblieben sind.

5 Hier hat man mich gefraget, ob ein Poet diese Wörter nach Belieben brauchen könne, wie sie sich am besten in die Verse schicken? Ich antworte: Es ist eben so viel, als ob man alle Mundarten von Deutschland, österreichisch, bäyerisch, schweizerisch, niederrheinisch, westphälisch, hollsteinisch und pommerisch, zugleich ins Hochdeutsche mengen wollte. Homer hats im Griechischen gethan. Die neuern Poeten aber sind ihm darinn nicht gefolget. So müssen wirs auch machen.

6 Hiebey fraget mich ein Niedersachs, ob Huf nicht in Hufeisen, ungewisses Geschlechtes, und wenn es 30 Morgen Landes bedeute, des weiblichen sey?Antw. In Hufeisen, ist nach der VII R. im 31 §. Eisen das Hauptwort, welches sein Geschlecht behält. Die Hufe aber geht nach der IV R. im 17 §. weil sie allein ein e hat.

III Abschnitt
III Abschnitt.
Von den Abänderungen (Declinationibus) der Hauptwörter.

1 §.


Wenn wir auf unsere Gedanken Achtung geben: so denken wir bisweilen nur an eine einzige Sache, bisweilen aber an viele von derselben Gattung oder Art. Dieser Unterschied muß nun auch durch die Hauptwörter, als Namen der Dinge, angedeutet werden: daher hat man ihnen, durch gewisse Veränderungen der lauten oder stummen Buchstaben, oder auch wohl durch ganze Endsyllben, einen Unterschied zu geben gesuchet. Z.E. Der Mangel, die Mängel; die Hand, die Hände; die Frau, die Frauen; die Achsel, dieAchseln; der Mann, die Männer, u.a.m. Nur einige wenige sind davon ausgegangen, die nämlich einzeln und vielfach einerley Gestalt behalten, und nur durch das Geschlechtswort, oder durch den Zusammenhang unterschieden werden müssen: als der Engel, die Engel; der Bürger, die Bürger; der Stängel, die Stängel; u.a.m.

2 §. Daher haben nun die Sprachlehrer Anlaß genommen, von verschiedenen NUMERIS, oder Zahlen der Hauptwörter, Beywörter und Fürwörter zu handeln: wovon auch beym Geschlechtsworte schon beyläufig etwas gedacht worden. Unsere deutsche Sprache hat dieses mit allen andern gemein, daß sie bey den meisten Hauptwörtern, es durch gewisse[268] Buchstaben oder Syllben anzeiget, ob man von einem, oder von vielen redet. Und aus den obigen Exempeln wird man merken, daß es dabey, theils auf die Veränderung der Selbstlauter, theils auf einige Buchstaben ankömmt: welcher letztern nicht mehr als vier sind, nämlich e, en, n, und er; als, Band, Bande; Taube, Tauben; Trummel, Trummeln; Reis, Reiser.

3 §. Wollen wir also im Deutschen einige Abänderungen (DECLINATIONES) unterscheiden: so können wir dieselben füglich in fünf Arten abtheilen.

Die I begreift diejenigen Hauptwörter, deren vielfache Bedeutung mit der einfachen einerley Endung hat.

Die II begreift diejenigen in sich, die in der mehrern Zahl ein e annehmen, als Hand, dieHände.

Die III enthält die Hauptwörter, so der einzelnen Zahl die Syllbe en hinzusetzen, als Frau, die Frauen.

Die IV hält diejenigen in sich, die den bloßenBuchstab n hinzusetzen, als Regel, dieRegeln.

Die V endlich begreift diejenigen, welche ein er am Ende annehmen, welches sie in der einzelnen Bedeutung nicht hatten; als der Mann, dieMänner.

So können wir die Eintheilung viel besser machen, als wenn wir, wie die Lateiner, auf die GENITIVOS CASUS sehen; oder wie unsere alten Sprachlehrer, bloß nach den dreyen Geschlechtern gehen wollten 1.


[269] Die I Abänderung.


4 §. Diese erste Art der Abänderung begreift die Hauptwörter in sich, deren mehrere Zahl mit der einzelnen gleichlautend ist: und diese haben in der einfachen Zahl dreyerley Endungen: nämlich die Syllbenel, en, und er: welche sie auch in der mehrern Zahl unverrückt beybehalten. Sie sind aber von zweyerley Art. Einige darunter ändern ihren Selbstlaut in der vielfachen Bedeutung ganz und gar nicht: und diese haben in der zweyten Endung der einzeln Zahl das s; in der dritten und sechsten der vielfachen Zahl aber, ein n; wie folgende Muster zeigen.


Einfach.

Der Himmel,Der Bürger,
des Himmels,des Bürgers,
dem Himmel,dem Bürger,
den Himmel,den Bürger,
o du Himmel,o du Bürger,
von dem Himmel.von dem Bürger.
Vielfach.

Die Himmel,Die Bürger,
der Himmel,der Bürger,
den Himmeln,den Bürgern,
die Himmel,die Bürger,
o ihr Himmel,o ihr Bürger,
von den Himmeln.von den Bürgern.

5 §. Nach dem ersten dieser Muster nun richten sich folgende Wörter; die theils des männlichen, theils des ungewissen Geschlechtes sind.


[270] Männliches Geschlechtes.

Der Adel,Der Igel,Der Schimmel,Der Teufel,
Bengel,Kegel,Schlägel,Tiegel,
Beutel,Knebel,Schlingel,Titel,
Bügel,Knöchel,Schlüssel,Tölpel,
Engel,Kringel,Schwängel,Tüpfel,
Esel,Kübel,Spargel,Wedel,
Flegel,Kümmel,Speichel,Winkel,
Flügel,LöffelSpiegel,Wirbel,
Giebel,Lümmel,Sprengel,Würfel,
Gipfel,Mörsel,Sprenkel,Ziegel,
Gümpel,Nabel,Sprügel,Zipfel,
Gürtel,Pöbel,Stämpel,Zirkel,
Hagel,Prügel,Stängel,Zügel,
Hebel,Riegel,Stiefel,Zweifel,
Henkel,Rüpel,Strützel,Zwickel
Hobel,Säbel,Tadel,
Hügel,Schemel,Tempel,
Ungew. Geschl.

Das Exempel,Das Gemurmel,Das Räthsel,Das Siegel,
Ferkel,Gevögel,Riechsel,Stöpsel,
Geflügel,Lägel,Ringel,Übel.
Geklingel,Mittel,Segel,

Nach dem zweyten Muster gehen folgende:
Männliches Geschlechtes.

Der Adler,Der Bäcker,Der Brauer,Der Drucker,
Anger,Bärenhäuter,Bürger,Eimer,
Anker,Bereiter,Büttner,Färber,
Apotheker,Beschützer,Centner,Faulenzer
Arbeiter,Bettler,Decker,Fechter,
Aufpasser,Beutler,Dichter,Fischer,
Aufseher,Binder,Donner,Fleischer,
Bader,Böttcher,Drechsler,Führer,
Bächer,Bohrer,Drescher,Gärtner,
[271] Männliches Geschlechtes.

Der Gaffer,Der Lecker,Der Röder,Der Tänzer,
Ganter,Lehrer,Römer,Täschner,
Geiger,Leuchter,Rothgießer,Täuber,
Gerber,Lügner,Sänger,Täufer,
Geyer,Macher,Säufer,Taucher,
Glaser,Mahner,Sammler,Teller,
Glöckner,Mäkler,Sattler,Thürmer,
Gräber,Maler,Schäfer,Tischler,
Grübler,Marder,Schaffner,Töpfer,
Gürtler,Märtyrer,Schiffer,Traber,
Gypser,Mäurer,Schimmer,Träger,
Haber,MautnerSchinder,Treffer,
Händler,Meister,Schläfer,Trichter,
Häscher,Metzger,Schläger,Triller,
Henker,Mörder,Schlösser,Trödler,
Höcker,Müller,Schlummer,Tuchmacher,
Hudler,Münzer,Schmaucher,Wächter,
Hümpler,Nadler,Schnarcher,Wäscher,
Hüter,Pater,Schneider,Wagner,
Jäger,Pfeifer,Schnitter,Walker,
Kaiser,Pfeiler,Schornsteinfeger,Werder,
Kater,Pfuscher,Widder,
Kärker,Pracher,Schreiner,Winzer,
Kläffer,Praler,Schüler,Würger,
Klempner,Pranger,Schuster,Zahler,
Klipper,Prasser,Seiger,Zeiger,
Köder,Prediger,Seiler,Zepter,
Köhler,Priester,Sieder,Zieler,
Körper,Puster,Sommer,Zober,
Kober,Quacksalber,Sperber,Zunder,
Köcher,Quäker,Spieler,Zuschauer,
Kramer,Räuber,Spötter,Zwitter,
Kummer,Raufer,Springer,u.d.gl.
Kürschner,Reiger,Sticker,
Küster,Retter,Stricker,
Kutscher,Reuter,Stümper,
Lästerer,Richter,Sudler,
Laufer,Riemer,Tadler,
Lauser,Ritter,Tändler,
[272] Ungew. Geschl.

Das Fenster,Das Gewitter,Das Muster,Das Ungeziefer,
Feuer,Gitter,Opfer,Ungewitter,
Fieber,Laster,Pflaster,Wasser,
Fuder,Leder,Polster,Wetter,
Futter,Luder,Pulver,Zimmer.
Gatter,Messer,Ruder,
Gewässer,Münster,Ufer,

6 §. Die dritte Endung en, hat wegen ihres letzten Buchstabs n, das besondere, daß sie in der vielfachen Bedeutung, in der dritten und sechsten Endung, kein n mehr annehmen kann; sondern durchgehends einerley bleibt, sie mag nun den Selbstlaut ändern, oder nicht. Z.E.


Einz.Der Kragen,Vielf.Die Kragen,

des Kragens,der Kragen,

dem Kragen,den Kragen,

den Kragen,die Kragen,

o du Kragen,o ihr Kragen,

von dem Kragen.von den Kragen.


Eben so gehen auch


Der Balken,Der Kragen,Der Roggen,

Braten, Laden, 2 Rocken,

Degen, Magen, Rücken,

Frieden, Nachen, Saamen,

Funken, Namen, Segen,

Glauben, Orden, Schlitten,

Karpen, Pfosten, Schragen

Karren, Posten, Schranken,

Kasten, Ragen, Sparren,

Kloben, Regen, Weizen,

u.d.m.


Diejenigen, die von der unbestimmten Art der Zeitwörter kommen (MODO INFINITIVO), sind ungewisses Geschlechtes, und haben nur die einzelne Zahl allein: als das Geben, Hören, Leben, Nehmen, Sterben, u.d.gl. unzählige mehr 3.

[273] 7 §. Die zweyte Classe der ersten Abänderung, ändert nur den Selbstlaut in der vielfachen Zahl; sonst aber bleibt alles, wie vorhin gewiesen worden. Und dahin gehören folgende, aus allen drey Endungen, von denen ich auch drey ausführliche Muster hersetzen will.


Einfach.

Der Hämmel,Der Boden,Der Bruder,
des Hämmels,des Bodens,des Bruders,
dem Hämmel,dem Boden,dem Bruder,
den Hämmel,den Boden,den Bruder,
o du Hämmel,o du Boden,o du Bruder,
von dem Hämmel.von dem Boden.von dem Bruder.
Vielfach.

Die Hämmel,Die Böden,Die Brüder,
der Hämmel,der Böden,der Brüder,
den Hämmeln,den Böden,den Brüdern,
die Hämmel,die Böden,die Brüder.
o ihr Hämmel,o ihr Böden,o ihr Brüder,
von den Hämmeln.von den Böden.von den Brüdern.

Eben so gehen folgende:

Bogen, Bögen,Laufer, Läufer,Schaden, Schäden,
Faden, Fäden,Magen, Mägen,Schnabel, Schnäbel,
Hammer, Hämmer,Mangel, Mängel,Vater, Väter,
Handel, Händel,Mantel, Mäntel,Vogel, Vögel,
Klaffer, Kläffer,Nabel, Näbel,Wagen, Wägen,
Kramer, Krämer,Nagel, Nägel,Zagel, Zägel,
Laden, Läden,Ofen, Öfen,u.d.gl.

[274] 8 §. Drey Wörter weibliches Geschlechtes giebt es in dieser Abänderung, nämlich die Mündel, die Mutter, und die Tochter. Diese nun sind darinn ausgenommen, daß sie in der zweyten Endung der einzeln Zahl kein s annehmen, sondern sich überall gleich bleiben. Das zeigen folgende Muster:


Einfach.

Die Mündel,Die Mutter,Die Tochter,
der Mündel,der Mutter,der Tochter,
der Mündel,der Mutter,der Tochter,
die Mündel,die Mutter,die Tochter,
o du Mündel,o du Mutter,o du Tochter,
von der Mündel.von der Mutter.von der Tochter.
Vielfach.

Die Mündel,die Mütter,die Töchter,
der Mündel,der Mütter,der Töchter,
den Mündeln,den Müttern,den Töchtern,
die Mündel,die Mütter,die Töchter,
o ihr Mündel,o ihr Mütter,o ihr Töchter,
von den Mündeln.von den Müttern.von den Töchtern.

Die II Abänderung.

9 §. Diese Abänderung begreift alle die Hauptwörter in sich, die in der vielfachen Bedeutung ein e annehmen. Diese sind nun wiederum von verschiedenen Geschlechtern. Z.E. Der Stand, die Stände; dieHand, die Hände; das Thier, die Thiere. Diese nehmen in der zweyten Endung der einzelnen Zahl, die Syllbe es, und in der dritten und sechsten ein e. In der vielfachen Zahl aber hat die dritte und sechste ein n. Nur die weiblichen Wörter gehen davon ab, und behalten in der einfachen Zahl durchgehends einerley Endung. Ich will folgende Muster hersetzen.


[275] Einzeln.

männl.weibl.ungew. Geschl.
Der Stand,Die Hand,Das Thier,
des Standes,der Hand,des Thieres,
dem Stande,der Hand,dem Thiere,
den Stand,die Hand,das Thier,
o du Stand,o du Hand,o du Thier,
von dem Stande.von der Hand.von dem Thiere.
Vielfach.

Die Stände,Die Hände,Die Thiere,
der Stände,der Hände,der Thiere,
den Ständen,den Händen,den Thieren,
die Stände,die Hände,die Thiere,
o ihr Stände.o ihr Hände.o ihr Thiere,
von den Ständen.von den Händen.von den Thieren.

10 §. Nach diesen Mustern nun richten sich alle folgende Wörter: so daß sich in dem männlichen und weiblichen Geschlechte allemal das a, o, und u der einzelnen Zahl, in der vielfachen in ä, ö, und ü, verändern; das ungewisse Geschlecht aber seinen Selbstlaut behält.


Männliche.

Der Ast, die Aeste.Flor, Flöre.Klang, Klänge.
Band, Bände.Fuchs, Füchse.Kopf, Köpfe.
Barsch, Bärsche.Fuß, Füße.Krug, Krüge.
Bart, Bärte.Fund, Fünde.Kuß, Küsse.
Bauch, Bäuche.Gang, Gänge.Lauf, Läufe.
Baum, Bäume.Gaul, Gäule.Markt, Märkte.
Bock, Böcke.Gesang, Gesänge.Mund, Münde.
Born, Börne.Grund, Gründe.Napf, Näpfe.
Brand, Brände.Gruß, Grüsse.Pallast, Palläste.
Damm, Dämme.Guß, Güße.Pfahl, Pfähle.
Dampf, Dämpfe.Hahn, Hähne.Pflock, Pflöcke.
Duft, Düfte.Hals, Hälse.Pfuhl, Pfühle.
Dunst, Dunste.Kahn, Kähne.Platz, Plätze.
Fall, Fälle.Kamm, Kämme.Rath, Räthe.
Fang, Fänge.Kampf, Kämpfe.Raum, Räume.
[276]
Rausch, Räusche.Schwanz, Schwänze.Sturm, Stürme.
Rock, Röcke.Schwulst, Schwülste.Ton, Töne.
Rumpf, Rümpfe.Schwung, Schwünge.Topf, Töpfe.
Saal, Säle.Sohn, Söhne.Traum, Träume.
Sarg, Särge.Span, Späne.Trog, Tröge.
Saum, Säume.Sprung, Sprünge.Trumpf, Trümpfe.
Schatz, Schätze.Stall, Ställe.Trunk, Trünke.
Schlaf, Schläfe.Stamm, Stämme.TFlurm, Thürme.
Schlag, Schläge.Stand, Stände.Wolf, Wölfe.
Schlauch, Schläuche.Stock, Stöcke.Wurf, Würfe.
Schlund, Schlünde.Stoß, Stöße,Wurm, Würme.
Schluß, Schlüsse.Strom, Ströme.Zahn, Zähne.
Schmaus, Schmäuse.Strumpf, Strümpfe.Zaum, Zäume.
Schuß, Schüsse.Strunk, Strünke.Zaun, Zäune.
Schwaffi, Schwäme.Sumpf, Sümpfe.Zoll, Zölle.
Schwan, Schwäne.Stuhl, Stühle.Zug, Züge.
Weibliche.

Die Bank, Bänke.Die Laus, Läuse.Die Zunft, Zünfte, u.
Braut, Bräute.Luft, Lüfte.alle die sich auf
Brunst, Brünste.Lust, Lüste.niß enden, als die
Brust, Brüste.Magd, Mägde.Ärgerniß,
Gans, Gänse.Macht, Mächte.Betrübniß,
Gruft, Grüfte.Maus, Mäuse.Bewandniß,
Gunst, Günste.Nath, Näthe.Erkenntniß,
Hand, Hände.Noth, Nöthe.Finsterniß,
Haut, Häute.Nuß, Nüsse.Hinderniß,
Kluft, Klüfte.Sau, Säue.Kenntniß,
Kraft, Kräfte.Stadt, Städte.u.s.w.
Kuh, Kühe.Wand, Wände.
Kunst, Künste.Wurst, Würste.
Ungewisse.

Das Band, Bande.Das Erz, Erze.
Befugniß, Befugnisse.Fell, Felle.
Beil, Beile.Gedächtniß, Gedächtnisse.
Bier, Biere.Gefängniß, Gefängnisse.
Brod, Brode.Gehirn, Gehirne.
Kamel, Kamele.Geschwür, Geschwüre.
[277]
Das Gestlndniß, Geständnisse.Das Rohr, Röhre.
Handwerk, Handwerke.Roß, Rosse.
Heer, Heere.Salz, Salze.
Huf, Hufe.Schaf, Schafe.
Jahr, Jahre.Schwein, Schweine.
Kamehl, Kamehle.Seil, Seile.
Land, Lande.Tau, Taue.
Licht, Lichte. 4Thier, Thiere.
Loos, Loose.Thor, Thore.
Loth, Lothe.Werk, Werke.
Maaß, Maaße.Wort, Worte.
Meer, Meere.Zeug, Zeuge.
Metall, Metalle.Ziel, Ziele, nebst allen, die
Pferd, Pferde.auch in diesem Geschlechte
Pfund, Pfunde.sich auf enden
als Erkenntniß
Pult, Pulte.etc.

11 §. Doch ist von dieser Veränderung des Selbstlautes in der vielfachen Zahl, bey dem männlichen Geschlechte, eine starke Ausnahme zu machen. Denn eine gute Zahl solcher Wörter, und zwar mehrentheils solche, die kein a, o, und u, haben, bleiben unverändert bey ihrem Selbstlaute, wie die vom ungewissen Geschlechte. Folgendes Verzeichniß wird die meisten davon bekannt machen.


Aal, Aaale.Greis, Greise.Pferd, Pferde.

Arm, Arme.Habicht, Habichte.Port, Porte.

Bett, Bette.Hecht, Hechte.Preis, Preise.

Beil, Beile.Heering, Heeringe.Punct, Puncte.

Blitz, Blitze.Hirsch, Hirsche.Reim, Reime.

Dachs, Dachse.Hund, Hunde.Ritz, Ritze.

Dienst, Dienste.Keil, Keile.Schlitz, Schlitze.

Drat, Drate.Kiel, Kiele.Sitz, Sitze.

Feind, Feinde.Kranich, Kraniche.Sperling, Sperlinge.

Freund, Freunde.Lachs, Lachse.Staar, Staare.

Gewinst, Gewinste.Pfeil, Pfeile.Steg, Stege.

Grad, Grade.Pilz, Pilze.Stein, Steine.


[278]

Stiel, Stiele.Theil, Theile.Zeug, Zeuge.

Stier, Stiere.Tisch, Tische.Zweck, Zwecke.

Strauß, Strauße.Weg, Wege.Zweig, Zweige.

Streich, Streiche.Wein, Weine.

Tag, Tage.Wind, Winde.


12 §. Indessen giebt es bey dieser Abänderung noch eine Art von Ausnahmen, in Ansehung einer guten Anzahl von Wörtern, die nur in der einzelnen Zahl gebräuchlich sind; entweder, weil sie an sich schon etwas vielfaches bedeuten, oder sonst keine vielfache Bedeutung haben. Davon kann folgendes Register Nachricht geben.


Männliche.Männliche.Ungewisse

Der Argwohn.Der Trotz.Das Bast.

Ballast.Trug.Bley.

Bund.Verstand.Dacht.

Glanz.Wahn.Garn.

Gram.Witz.Gedächtniß.

Harm.Zank.Gefieder.

Haß.Zorn.Genist.

Klee.Zwang.Gereiß.

Kram.Zwirn.Geschmeiß.

Kummer.Getös.

Leim.Weibliche.Gewürm.

Mund.Die Ankunft.Gold.

Neid.Burg.Grummt.

Pracht.Einsicht.Heu.

Prunk.Geschwulst.Inselt.

Putz.Kenntniß.Kupfer.

Rauch.List.Mehl.

Reif.Pracht.Meßing.

Sand.Rückkunft.Moos.

Schmuck.Schmach.Silber.

Strand.Schwulst.Stahl.

Sund.Vernunft.Stroh.

Thau.Zier.Tocht.

Theer.Zucht.Vieh.

Torf.Zukunft.

Trost.Zurückkunft.


[279] Endlich giebt es auch noch etliche wenige, die nur in der vielfachen Zahl allein gewöhnlich sind: z.E. die Läufte an den Thieren, in der Jägersprache; die Zeitläufte, die Kriegsläufte, u.d.gl.


Die III Abänderung.


13 §. Zu dieser Abänderung gehören alle Hauptwörter, die in der mehrern Zahl die Syllbe en annehmen: ob sie dieselbe gleich in der einzelnen Bedeutung nicht haben. Diejenigen nämlich, die es nur behalten, wie Garten, Gärten, u.d.gl. gehörten zu der ersten Abänderung. Die es aber annehmen, sind von unterschiedenen Geschlechtern: denn es giebt sowohl männliche, als weibliche, ja auch vom ungewissen Geschlechte etliche, die hieher gehören. Wir wollen folgende Exempel davon sehen.


Die einzelne Zahl.

Männlich.Weiblich.Ungewiß.
Der Mensch,Die Flur,Das Ohr,
des Menschen,der Flur,des Ohres,
dem Menschen,der Flur,dem Ohre,
den Menschen,die Flur,das Ohr,
o du Mensch,o du Flur,o du Ohr,
von dem Menschen.von der Flur.von dem Ohre.
Die vielfache Zahl.

Die Menschen,Die Fluren,Die Ohren,
der Menschen,der Fluren,der Ohren,
den Menschen,den Fluren,den Ohren,
die Menschen,die Fluren,die Ohren.
o ihr Menschen,o ihr Fluren,o ihr Ohren,
von den Menschen.von den Fluren.von den Ohren

[280] 14 §. Aus diesen Mustern sieht man:

1) Daß die männlichen Wörter in der einfachen Zahl, gleich in der zweyten, dritten, vierten und sechsten Endung, das en annehmen; so daß nur die fünfte, den ersten gleich bleibt.

2) Daß die zweyte Endung kein s annimmt, wie einige aus böser Gewohnheit, bey Menschens, Herrns, Grafens, Fürstens, u.d.gl. zu sprechen pflegen.

3) Daß die weiblichen Wörter, sowohl in der einzelnen als vielfachen Zahl, vollkommen unabänderlich bleiben; und daß also diejenigen unrecht thun, die bey dem Worte Frau, in der zweyten, dritten und sechsten Endung ein en anflicken; ob es gleich an gewissen Orten geschieht. Meiner Frauen Brüder, klingt, als ob einer viele Frauen hätte.

4) Daß die vom ungewissen Geschlechte den männlichen darinn ungleich sind; daß in der einzelnen Zahl die erste, vierte und fünfte Endung einander gleich bleiben, auch die zweyte Endung ein es, und die dritte ein e annimmt.


15 §. Nach diesen Regeln richten sich nun alle folgende Hauptwörter.


Männliche.


Der Aff, Affen.Wälsche, und kurz alle Namen
Atheist, und alle, die sich aufder Nationen: ausgenommen
ist endigen.die schon in der einzelnen Zahl
Bär, Bären.bey dem bestimmten
Geschlechtsworte
Basilisk, Basilisken.ein er haben,
Bauer, Bauern.als der Ägyptier, Persier,
Brunn, Brunnen.Spanier, Unger, etc.
Bub, Buben.Der Eremit, Jesuit, und alle übrige
Der Communicant, und alle, diegleicher Endung.
sich auf ant enden.Der Falk, Falken.
Der Delinquent, und
alle, auf ent.Fürst, Fürsten.
Der Dän, Deutsche, Franzos, PohlGraf, Grafen.

Der Hans, Hansen.Der Pilz, Pilzen.
Held, Helden.Poet, Poeten.
Herr, Herren.5Pohl, Pohlen.
Knab, Knaben.Principal, Principalen.
Knapp, Knappen.Prinz, Prinzen.
Komet, Kometen.Prophet, Propheten.
Leu, Leuen.Quast, Quasten.
Mohr, Mohren.Rab, Raben.
Mond, Monden.Ruß, Russen.
Narr, Narren.Schmerz, Schmerzen.
Ochs, Ochsen.Schwed, Schweden.
Pastor, Pastoren.Sclav, Sclaven.
Path, Pathen.Soldat, Soldaten.
Pfaff, Pfaffen.Thor, (fatuus) Thoren.
Pfau, Pfauen.Thron, Thronen.
Phantast, Phantasten.Türk, Türken, etc.

Weibliche.


Die Begegnung.Die Kleidung,
Begegnungen.Kleidungen.
Belagerung, Belagerungen.Leistung, Leistungen.
Besserung, Besserungen.Mauer, Mauren.
Beugung, Beugungen.Nachtigall, Nachtigallen.
Böschung, Böschungen.Nation, Nationen.
Brustwehr, Brustwehren.Natur, Naturen.
Brut, Bruten.Neigung, Neigungen.
Drohung, Drohungen.Neuigkeit, Neuigkeiten.
Erbarmung, Erbarmungen.Papagey, Papageyen.
Fahrt, Fahrten.Pflicht, Pflichten.
Festung, Festungen.Post, Posten.
Figur, Figuren.Quittung, Quittungen.
Fluth, Fluthen.Ratze, Ratzen.
Fracht, Frachten.Regung, Regungen.
Freyheit, Freyheiten.Saat, Saaten.
Fröhlichkeit, Fröhlichkeiten.Schlacht, Schlachten.
Furcht, Furchten.Schuld, Schulden.
Gasterey, Gastereyen.Schuldigkeit, digkeiten.
Gegend, Gegenden.Seligkeit, Seligkeiten.
Gesinnung, Gesinnungen.Seltenheit, Seltenheiten.
Gluth, Gluthen.Spur, Spuren.
Hinderung, Hinderungen.Süßigkeit, Süßigkeiten.
Hoffnung, Hoffnungen.That, Thaten.

[282]
Die Tracht, Trachten.diesen alle, die sich in der
Tugend, Tugenden.einfachen Zahl auf e, heit,
Uhr, Uhren.keit, ung und inn endigen,
Würdigkeit, Würdigkeiten.als Taube, Seltenheit,
Zeit, Zeiten.Hoffnung, Königinn,
Zeitung, Zeitungen, u. außeretc.

Ungewisses Geschlechtes giebt es nur wenige, als: das Aug, das Herz, und das Ohr; welche in der vielfachen Zahl en haben. Doch pflegt man das zweyte in der einzeln Zahl des Wohlklanges wegen, auf eine ganz abweichende Art, so zu verändern 6; wie man unter den männlichen, den Schmerz abändert:


Das Herz,Der Schmerz,
des Herzens,des Schmerzens,
dem Herzen,dem Schmerzen,
das Herz,den Schmerz,
o du Herz,o du Schmerz,
von dem Herzen.von dem Schmerzen.

[283] Die IV Abänderung.


16 §. Zu dieser gehören alle die Wörter, die in der vielfachen Zahl, ein bloßes n annehmen, und sich in der einfachen alle auf el, und er endigen. Sie sind in ziemlicher Menge vorhanden, und man bemerket, daß sie fast alle weibliches Geschlechtes sind. Wir wollen ein Paar Muster davon hersetzen:


Einzeln.


Die Amsel,Die Auster,
der Amsel,der Auster,
der Amsel,der Auster,
die Amsel,die Auster,
o du Amsel,o du Auster,
von der Amsel.von der Auster.
Vielfach.

Die Amseln,Die Austern,
der Amseln,der Austern,
den Amseln,den Austern,
die Amseln,die Austern,
o ihr Amseln,o ihr Austern,
von den Amseln,von den Austern.

17 §. Man sieht hieraus, daß diese Wörter, sowohl in der einfachen, als vielfachen Zahl völlig unabänderlich sind 7, und also gar keine Schwierigkeit bey sich haben; indem alles auf das Geschlechtswort, und dessen Abänderung ankömmt. Nach dieser Art gehen nun alle folgende;


Die auf ein el ausgehen.


Die Achsel.Die Cartuffel.Die Eichel.Die Gabel.
Angel.Cymbel.Fabel.Geißel.
Aurikel.Dattel.Fackel.Gründel.
Bibel.Deichsel.Fiebel.Gurgel.
Capsel.Distel.Fiedel.Haspel.
Carbunkel.Drossel.Fuchtel.Hechel.

[284]
Die Hummel.Die Morchel.Die Schachtel.Die Tarantel.
Infel.Mündel.8Schaufel.Trüffel.
Insel.Muschel.Scheitel.Trummel.
Kachel.Nadel.Schindel.Wachtel.
Kanzel.Nessel.Schüssel.Waffel.
Klingel.Nichtel.Sichel.Weichsel.
Kugel.Nudel.Spindel.Windel.
Kunkel.Orgel.Sportel.Wurzel.
Kurbel.Pappel.Staffel.Zwiebel, u.
Mandel.Ranunkel.Stoppel.d. gl.
Meißel.Raspel.Striegel.
Mispel.Regel.Tafel.
Die auf ein er ausgehen.

Die Ader.Die Folter.Die Klapper.Die Schulter.
Älster.Goldammer.Leber.Schwester.
Aglaster.Halfter.Leiter.Schwieger.
Ammer.Holfter.Letter.Steuer.
Blatter.Hummer.Leyer.Trauer.
Dauer.Jungfer.Lorber.Vesper.
Ecker.Kammer.Marter.Ziffer.
Eller.Kelter.Mauer.Zither, und
Elster.Kiefer.Natter.s.w.
Feder.Klafter.Nummer.
Feyer.Klammer.Otter.

18 §. Doch giebt es auch einige wenige Wörter des männlichen Geschlechtes, die zu dieser Abänderung gehören. Es sind dieselben mehrentheils Namen der Völker, die sich auf [285] ein ar oder er endigen, als:Barbar, Caffer, Tartar, Unger, u.d.gl. nebst dem Worte Splitter. Diese sind von der obigen Art der Abänderung in nichts unterschieden, als daß sie in der zweyten Endung der einzelnen Zahl ein s haben, des Barbars, Caffers, Tartars, Ungers, Splitters. Alles übrige bleibt unveränderlich, sowohl in der einzelnen, als vielfachen Zahl: als die Barbarn, Caffern, Splittern, Tartarn, Ungern. Doch haben einige Dichter, des Reims wegen, auch die Barbaren,Tartaren, als dreysyllbicht gebrauchet.


Die V Abänderung.


19 §. Diese begreift alle diejenigen Wörter in sich, die in der vielfachen Bedeutung die Syllbe er annehmen, die sie in der einfachen Zahl nicht hatten. Diese sind theils des männlichen, theils des ungewissen Geschlechtes, und ändern insgemein die Selbstlauter a, o, und u, der einzelnen Zahl, in ä, ö, und u; als:Mann, Männer, Haus, Häuser, Ort,Örter, Huhn, Hühner, u.s.w.


Einzeln.


Der Mann,Das Amt,
des Mannes,des Amtes,
dem Manne,dem Amte,
den Mann,das Amt,
o du Mann,o du Amt,
von dem Manne.von dem Amte.
Vielfach.

Die Männer,Die Ämter,
der Männer,der Ämter,
den Männern,den Ämtern,
die Männer,die Ämter,
o ihr Männer,o ihr Ämter,
von den Männern.von den Ämtern.

[286] 20 §. Man sieht leicht, daß hier die zweyte Endung der einzelnen Zahl ein es, die dritte und sechste aber ein e erfodern: so wie in der vielfachen Zahl, die dritte und sechste Endung ein n annehmen: welches sie mit der obigen II Abänderung gemein haben. Sonst ist hier anzumerken, daß die Wörter dieser Abänderung fast durchgehends des ungewissen Geschlechtes sind; wie folgendes Verzeichniß ausweisen wird.


Das Amt,Die Aemter.Das Korn,Die Körner.
Bad,Bäder.Kraut,Kräuter.
Band,Bänder,Kreuz,9Kreuzer.
Bild,Bilder.Lamm,Lämmer.
Blatt,Blätter.Land,Länder.
Brett,Bretter.Licht,Lichter.
Buch,Bücher.Lied,Lieder.
Dach,Dächer.Loch,Löcher.
Dorf,Dörfer.Losament,Losamenter.
Faß,Fässer.Maal,Mäler.
Feld,Felder.Maul,Mäuler.
Floß,Flösser.Nest,Nester.
Geld,Gelder.Pfand,Pfänder.
Gewölb,Gewölber.Rad,Räder.
Glas,Gläser.Regiment,Regimenter.
Glied,Glieder.Reis,Reiser.
Grab,Gräber.Rind,Rinder.
Gras,Gräser.Scheit,Scheiter.
Gut,Güter.Schloß,Schlösser.
Haupt,Häupter,Schwert,Schwerter.
Haus,Häuser.Stift,Stifter.
Holz,Hölzer.Thal,Thäler.
Horn,Hörner.Tuch,Tücher.
Huhn,Hühner.Wamms,Wämmser.
Kalb,Kälber.Weib,Weiber.
Kind,Kinder.Wort,Wörter.
Kleid,Kleider.Zelt,Zelter.
Kloß,Klößer.

[287] Männliche sind wenig:


Der Dorn,Die Dörner.Der Ort,Die Örter.
Fleck,10Flecker.Pflock.Pflöcker.
Halm,Hälmer.Rand,Ränder.
Kloß,Klößer.Schild,Schilder.11
Klotz,Klötzer.Strauß,Sträußer.
Klumpf,Klümpfer.Wald,Wälder.
Leib,Leiber.Wurm,Würmer.
Mann,Männer.

Von weiblichen fällt mir nur ein einziges bey, nämlich die Spreu, die Spreuer; welches doch nicht oft vorkömmt, weil die einzelne Zahl schon ein vieles bedeutet.

[288] 21 §. Auf diese Weise hoffe ich nun die deutschen Abänderungen der Hauptwörter etwas besser eingeschränket und in Regeln gebracht zu haben; als wenn man bisher bloß nach den dreyen Geschlechtern, drey Abänderungen gemachet hat. Denn da gab es keine geringe Schwierigkeit, wie man die vielfache Zahl bilden sollte; ob sie der einzelnen ähnlich bleiben, oder e, en, n, oder er annehmen solle? und es ließ sich weder von männlichen, noch andern Wörtern die geringste Regel geben, wie die gebildet werden müßten. Ja selbst die zweyte und dritte Endung der einfachen Zahl, war nirgends auf einerley Art zu bestimmen möglich. Hierauf kömmt es aber im Deutschen hauptsächlich an.

22 §. Hat nun gleich manche von diesen neubestimmten Abänderungen sehr vielerley Ausgänge in der ersten Endung, oder auch bisweilen zweyerley Schlußsyllben in der zweyten Endung; weil nämlich die weiblichen Wörter von den männlichen insgemein abgehen: so ist doch dieses leicht durch eine einzige Regel festgesetzet; da jenes durch sehr viele nicht ausgemachet werden konnte. Hernach haben ja auch die lateinischen GENITIVI, in einer Declination, wohl zweyerley Endungen, z.E. in der ersten und vierten: welches auch bey ihnen desto schlimmer ist, da der GENITIVUS eben das Merkmaal der Declination seyn sollte. Der ACCUSATIVUS geht in NEUTRIS u.s.w. auch öfters ab.

23 §. Die größte Schwierigkeit dagegen ist, daß es einem Anfänger, zumal einem Ausländer, schwer seyn wird, zu wissen: zu welcher Abänderung ein deutsches Hauptwort gehöret. Denn wie weis er gleich die Endungen der vielfachen Zahl? Hier dienet zur Antwort: Wie weis ein Anfänger im Lateine den Genitiv? Muß er ihn nicht bloß im Gedächtnisse behalten? Daß MENSA, MENSÆ, und POËMA, [289] POËMATIS hat; daß DOMINUS, DOMINI, VIRTUS aber VIRTUTIS, und FRUCTUS, FRUCTUS hat; daß LIBER, LIBRI, und PATER, PATRIS hat; daß endlich NUBES, NUBIS, und SPECIES, SPECIEI bekömmt: das alles läßt sich durch keine Regeln einschränken. Wer es noch nicht auswendig weis, der muß seinen Lehrmeister fragen. Eben so muß man es mit der deutschen vielfachen Zahl auch machen, bis man sie aus dem Lesen und Umgange lernet: welche doch in allen Sprachen die besten Lehrer sind.

24 §. Ein neuer Einwurf ist dieser, daß viele Wörter nur in der einzelnen Zahl allein gewöhnlich sind; und also in gar keine von obigen Abänderungen gehören würden. Das erste giebt man gern zu: allein, daraus folget noch das letzte nicht. Denn wenn gleich die vielfache Zahl eines Wortes nicht gewöhnlich ist: so kann man doch auch aus der Ähnlichkeit mit andern, gar wohl schließen, wie sie lauten würde, wenn sie gewöhnlich wäre. Eben so bildet man dann, nach der bloßen Ähnlichkeit, die Endungen der einfachen Zahl. Die Beobachtung der besten Schriftsteller, wird die dabey vorkommenden Schwierigkeiten, wie in allen Sprachen, also auch bey uns, am besten heben.

25 §. Will man indessen ein Verzeichniß einer guten Anzahl solcher Wörter haben, die gar keine vielfache Zahl annehmen, sie mögen nun gehören zu welcher Abänderung sie wollen; so merke man folgende:


1) Alle eigene Namen, der Länder, Städte, Dörfer, Berge, Flüsse, Winde und Monathe.

2) Die Namen der Weltgegenden, Gestirne, Jahreszeiten und Witterungen, als Morgen, Mittag, Abend, Mitternacht, Ost, Süd, West, und Nord, der Saturn, Jupiter, Mars, Venus, Mercur; der Orion, Wagen, Jakobsstab, die Leyer, Gluckhenne u.d.gl. (Ausgenommen Stern, Komet, Sonn und Mond, deren es nach den neuern Philosophen viele giebt), Lenz oder Frühling, Sommer, Herbst und Winter; ausgenommen die Witterungen, als Regen, Schnee, Reif, Thau, Frost, Hagel,[290] die Nebel, und die Nachtfröste. Denn man sagt die vielen Regen, die frühen Reife, Thaue, Fröste, u.d.gl.

3) Die Erdfrüchte, die man Geträyde nennet, und was dazu gehöret; als Roggen, Weizen, Gerste, Haber, Hirsen, Heidekorn, Reiß, Grütze, Grieß, Mehl etc. ausgenommen Linsen, Erbsen, Bohnen; imgleichen das Wort Obst, Heu, Stroh, Futter, Hanf, Flachs, Lein, Grummet, Hopfen.

4) Ausländische Würze, als Indigo, Pfeffer, Ingwer, Zittwer, Galgant, Saffran, Zucker; wie auch verschiedene einheimische Gewächse edler Art, als: Fenchel, Lavendel, Kalmus, Kümmel, Majoran, Petersilge, Salvey, Senf, Timian, Ysop.

5) Die Metalle, und was ihnen gleicht: Gold, Sil ber, Zinn, Bley, Messing, Kupfer, Eisen, Stahl, Erz, Zinnober, Alaun, Salpeter, Zink, Harz, Pech, Schwefel, Wachs etc.

6) Allerley Speisewaren, als: Milch, Öl, Essig, Thee, Caffe, Speck, Butter, Schmalz, Fleisch, Fett, Wild, Sauerkraut, Wildprät, Geflügel, Weidwerk, imgleichen Talg, Inselt, oder Unschlitt etc. Ausgenommen die Salate, Weine, Biere, die auch wohl in der mehrern Zahl vorkommen.

7) Vieles, was zu Kleidern gehöret, als: Garn, Leinwand, Parchent, Seide, Wolle, Zwirn, u.d.gl. Doch findet man theils einige von diesen, theils auch die Atlasse, Damaste, Dradore, Flonelle, Goldstücke, Kamelotte, Kattune, Samte, Stoffe, Tücher, oder Tuche, Taffente, Zitze, u.d.gl. in der mehrern Zahl.

8) Die Gemüthsbewegungen, Empfin dungen, Krankheiten, Tugenden und Laster: als, Eifer, Eifersucht, Furcht, Grimm, Haß, Kummer, Liebe, Neid, Schrecken, Verzweiflung, Zorn, Zwietracht; (ausgenommen die Erbarmungen einiger Neuern, und die Fröhlichkeiten, auch Freuden, Gesinnungen, und Traurigkeiten,) Ferner; Gefühl, Gehör, Geruch, Gesicht, Geschmack, Gestank, Licht, Dunkel, Krachen, Prasseln, Kälte, Hitze, Härte, Weiße, Schwärze, Röthe, Schall, Klang, Lärmen, Getümmel; (ausgenommen die Schatten, Finsternisse, Süßigkeiten, Bitterkeiten, u.d.gl.m.) Sodann, Durchfall, Friesel, Gicht, Husten, Krätze, Krampf, Podagra, Ruhr, Schnupfen, Zipperlein; ausgenommen die Fieber; endlich, Besserung, Demuth, Ehrbarkeit, Frömmigkeit, Keuschheit, Mäßigkeit, Sparsamkeit, Würdigkeit etc. imgleichen die Falschheit, Hochmuth, Lästersucht, Spielsucht, Unzucht, Verschwendung, u.d.gl.m.

9) Das Vermögen, als: Geräth, Geschmeid, Gesind, Hausrath, Schmuck, das Vieh, der Vorrath, Zubehör, u.s.w.


26 §. Endlich sind in der vielfachen Zahl allein folgende gewöhnlich: Die Ältern, Ahnen,Alpen, Graupen, [291] Hefen, Leute, Ostern, Pfingsten, Schloßen, Trebern, Weihnachten. Außer diesen pflegt man zwar die Bohnen, Capern, Erbsen, Gurken, Linsen und Schoten mehr in der vielfachen Zahl zu brauchen: sie haben aber deswegen doch auch die einfache zugleich.

27 §. Zuletzt giebt es noch abweichende Abänderungen (ANOMALIA): z.E. von dem Worte Mann, wenn es mit etwas zusammengesetzet ist. Denn von Ackermann, Amtmann, Bettelmann, Edelmann, Fuhrmann, Hauptmann, Kaufmann, Kundmann, Landsmann, Spielmann, Trödelmann, saget man nicht Ackermänner, u.s.w. sondern Ackersleute, Amtleute, Bettelleute, Edelleute, Fuhrleute, Hauptleute, Kaufleute, Kundleute, Landsleute, Spielleute 12, u.d.gl.m.

28 §. Ich habe noch anzumerken, daß einige neue Sprachlehrer, und selbst der Verfasser der in Straßburg auf meinen Namen ausgefertigten Sprachkunst für die Franzosen; zwar die Abänderungen nach meiner Art beybehalten; gleichwohl aber die Ordnung meiner Abänderungen verändert haben. Ich untersuche hier nicht, ob sie, oder ich, es besser getroffen. Es sey immerhin etwas willkührliches, ob diese, die erste, zweyte, oder dritte Abänderung ist. Im Grunde läuft es auf eins hinaus. Hätte man aber nicht auch im Lateinischen, an der Ordnung Donats grübeln, und das erste zuletzt ordnen können? Gleichwohl haben es alle Sprachlehrer beym alten gelassen. Und daran haben sie wohlgethan. Meines Erachtens entsteht aus solchen Aenderungen der Zahlen kein Vortheil, aber wohl eine Verwirrung der Lehrlinge; die hernach nicht mehr wissen, woran sie sind.

Fußnoten

1 Nur die Herren Niedersachsen scheinen hier noch einen Einwurf zu haben; weil sie gleichsam eine VI Abänderung bey sich zu machen pflegen; wenn sie viele Wörter in der mehrern Zahl mit einem s verlängern. So sagen sie zuweilen, die Jungens, die Mägdchens, die Schülers, die Dieners, u.d.gl. Thun sie dieses in der plattdeutschen Mundart, so wird kein Hochdeutscher etwas dagegen zu erinnern haben. Allein im Hochdeutschen müssen sie solches nicht thun; sonst werden ihnen alle hochdeutsche Landschaften widersprechen. Nur in einigen fremden Wörtern scheint hier eine Ausnahme statt zu haben. Denn man findet und höret zuweilen die Ambassadeurs, die Ministers, die Generals, Officiers, Kürassiers, Grenadiers, u.d.gl. das machet, daß die alten Franken, so zuerst aus Deutschland nach Gallien gegangen, plattdeutsche Leute gewesen, die in der mehrem Zahl das s anzuhängen gewohnt waren; von denen die Franzosen es angenommen. Allein in bloß deutschen Wörtern spricht hier und in allen obern Provinzen kein Mensch so: folglich können wir die Zahl der deutschen Abänderungen damit nicht vermehren.

2 Einige sagen auch die Lade z.E. des Bundes, aber dann heißt es eine Kiste, nicht ein Kaufmanns- oder Krämer- oder Fensterladen.

3 Man muß hier nicht diejenigen Hauptwörter, mit den Zeitwörtern vermischen, die einander verwandt sind. Z.E. das Reden und Schweigen, ist in der einzelnen Zahl allein; aber die Rede hat auch dieReden. Das Blitzen und Donnern ist auch nur einfach; aber der Blitz, hat auch die Blitze. Eben so ist das Sitzen und der Sitz unterschieden, u.s.w.

4 Man saget auch die Länder und die Lichter des Himmels, und also sind beyde da zur fünften Abänderung zu zählen.

5 Dieß Wort hat in der dritten Endung der einzelnen Zahl nur ein n ohne e, dem Herrn, zum Unterschiede der mehrern Zahl, den Herren. Man setzet ihm auch in der zweyten Endung fälschlich ein s bey, desHerrns.

6 Da man im Lateine auch einige ganz abweichende Wörter hat, wie z.E. DOMUS, u.a.m. so darf einen dieses nicht Wunder nehmen. Indessen würde es noch erträglicher fallen, des Schmerzes, dem Schmerze, von dem Schmerze, zu sagen; als: des Herzes, dem Herze, von dem Herze. So spricht und schreibt kein Mensch. Es ist falsch, wenn die Dichter seit Opitzen, das Herze sagen. Sie thuns nur des Syllbenmaaßes wegen. Z.E. Opitz schreibet in s. Trostgedichten vom Ulysses:

Du kannst Fortune ja den werthen Helden zwingen,

Hin in die wilde See bis an den Hals zu springen;

Du kannst ja wider ihn vermischen Luft und Fluth,

Kannst fodern, willst du so, sein Leben, Gut und Blut.

Daß aber er vor dir die Knie auch solle beugen,

Viel weinen, kläglich thun, sich wie ein Weib erzeugen,

Sein Leben, seine Zeit, verdammen für und für,

Sein Herze lassen gehn, das stehet nicht bey dir!

7 Auch hievon haben wir im Lateine an der Endung U in der 4 DECLIN. ein Muster; da CORNU, VERU, GELU, u.d.gl. immer so bleiben. Wegen dieser Ähnlichkeit habe ich diese auch im Deutschen zur IV Abänderung gemachet.

8 Ein guter Freund erinnert hiebey, daß Mündel sowohl männliches, als weibliches Geschlechtes sey, indem es von Knaben sowohl als von Mägdchen gebrauchet wird. Allein, ist nicht Weyse, auch von der Beschaffenheit? und gleichwohl saget man auch von Knaben: er ist eine Weyse, nicht ein Weyse. Das Mündel aber, für Mündlein, gehöret hier nicht her.

9 Ein gelehrter Freund machet wider dieß Wort die Anmerkung, daß das Kreuz 1) die Trübsal der Christen bedeute, und da habe es keine mehrere Zahl. 2) Die Figur von Holz, oder gemalet; und da habe esKreuze. 3) Eine Münze, die hieße einfach schon Kreuzer. Allein, wenn derselbe hören sollte, wie die katholischen Büßer von dem Schleppen ihrer Kreuzer reden; so würde er an dem r in der mehrern Zahl, nicht zweifeln können.

10 Ein gelehrter Freund will dieses Wort mit einem ä schreiben, weil man saget Flagge, und muthmaßet, daß es von Laken herkomme. Allein, solches ist sehr ungewiß. Und wo käme das f her? Vermuthlich kömmt es von fliegen, er flog, flackern, wie die Flamme des Lichtes.

11 Von Dorn, wird freylich zuweilen auch dieDornen, und von Schild, die Schilde gefunden. Allein, alsdann bedeutet jenes ein ganzes Gebüsch von Dornen, wenigstens, die dornichten Zweige oder Äste zugleich; dieses aber die kriegerischen Schilde der Helden. Wenn jenes aber von den Stacheln der Dornbüsche verstanden, hergegen dieses von den Silberzierrathen eines Hochzeitbitters, oder den gemalten Zeichen der Künstler und Handwerker gebrauchet wird: so hat jenes vielfache Dörner, dieses Schilder. Daher haben wir ein poetisches Buch untet dem Titel; Rosen und Dörner, Hülsen und Körner. Mit Fleck ist es eben so. Ist ein Flecken in der Wäsche oder Kleidern: so heißt er sowohl einfach, als vielfach ein Flecken. Aber ein Lappen, odet Stück von etwas, heißt ein Fleck Tuch, und vielfach, die Flecker. Von Halm machen einige auch nur Hälme, wie die Kaufleute von Tuch, Tuche, und vom Fasse, die Fasse, sagen: so daß alsdenn beydes zur 2ten Abänderung kömmt. Eben dergleichen kann man auch von Kloß und Klotz anmerken, die in gewissem Sinne, nurKlöße und Klötze haben. Von Strauß, dem Vogel, kömmt Strauße, aber von Blumenstraus, spricht man hier die Sträußer.

12 Gleichwohl saget man von Leyermann, nicht Leyerleute, sondern Leyermänner, von Lampenmann, Lampenmänner, u.d.gl. Die Sprachen haben alle ihren gewissen Eigensinn, der sich nicht ganz an Regeln binden läßt.

Das IV Hauptstück
I Abschnitt
I Abschnitt.
Von der Beywörter Abänderung.

1 §.


Nachdem wir schon wissen, daß sowohl die Geschlechtsals Hauptwörter, theils in einfacher, theils in vielfacher Bedeutung verschiedene Endungen haben, um den Sinn einer Rede deutlich zu machen: so hat es keine Schwierigkeit mehr, daß auch die Beywörter solche Abänderungen annehmen müssen. Sie haben also fürs erste einfache und vielfache Zahlendungen (NUMEROS SINGULARES ET PLURALES): z.E. Der gute Freund, die guten Freunde. Zweytens auch in einer und derselben Zahl verschiedene Fallendungen (CASUS); als: guter Muth, gutes Muthes, gutem Muthe,guten Muth, u.s.w. Endlich haben sie auch noch die Änderungen dreyer Geschlechter. Denn weil die Beywörter sich zu allen Hauptwörtern schicken müssen: so müssen sie auch die verschiedenen Geschlechter derselben gewissermaßen annehmen: einalter Mann, eine alte Frau, ein altes Haus.


Die 1 Abänderung der Beywörter.


2 §. Aus diesen dreyerley Anmerkungen entsteht nun die erste Abänderung der Beywörter, mit dem unbestimmten Geschlechtsworte, ein, eine, ein; deren Muster so aussieht:


[296] Einfach.


Ein junger Mann,Eine junge Frau,Ein junges Kind,
eines jungen
Mannes,einer jungen Frau,eines jungen Kindes,
einem jungen
Manne,einer jungen Frau,einem jungen Kinde,
einen jungen Mann,eine junge Frau,ein junges Kind,
o ein junger Mann,o eine junge Frau,o ein junges Kind,
von einem jungenvon einer jungenvon einem jungen
Manne.Frau.Kinde.

Da wir schon oben (4 §.) angemerket haben, daß das unbestimmte Geschlechtswort in der mehrern Zahl unsichtbar wird, oder wegfällt, so ist es auch hier also:


Vielfach.


Junge Männer,Junge Frauen,Junge Kinder,
junger Männer,junger Frauen,junger Kinder,
jungen Männern,jungen Frauen,jungen Kindern,
junge Männer,junge Frauen,junge Kinder,
o ihr jungen
Männer,o ihr jungen Frauen,o ihr jungen Kinder,
von jungen
Männern.von jungen Frauen.von jungen Kindern.

3 §. Wir sehen also aus diesem Exempel, daß ein jedes Beywort mit dem unbestimmten Geschlechtsworte, in den dreyen Geschlechtern der einfachen Zahl die Endung er, e, und es annimmt; und so weiter in der zweyten und dritten Endung en, en, en bekömmt etc. So wie es nun in diesem Muster geht, so geht es überall. Nur in der mehrern Zahl sind aller dreyen Geschlechter Endsyllben in allen Fallendungen einerley. Man merke hiebey nur an, daß außer der dritten, fünften und sechsten Endung der vielfachen Bedeutung, kein n zu dem Beyworte gehöret: und daß also einige selbiges sehr unrecht zur ersten und vierten Endung setzen wollen. Sie irren sich aber zwischen den verschiedenen Geschlechtswörtern: denn was bey dem bestimmten der, die, das, angeht und nöthig ist, das ist bey dem unbestimmten überflüßig.


[297] Die II Abänderung der Beywörter.


4 §. Diese entsteht wegen der Verbindung mit dem bestimmten Geschlechtsworte, der, die, das, und hat ein Vieles, was von der ersten abgeht. Denn was die erste Endung der einfachen Zahl betrifft, so verliert gleich das männliche Geschlecht des Beywortes sein r, und das ungewisse sein s: denn man saget nicht mehr, der alter Mann, das altes Haus, wie oben; sondern durchgehends, der, die, das alte 2. In den übrigen Endungen geht es eben so, wie folgendes Muster zeigen wird:


Einfach.


Der arme Mann,Die arme Frau,Das arme Kind,
des armen Mannes,der armen Frau,des armen Kindes,
dem armen Manne,der armen Frau,dem armen Kinde,
den armen Mann,die arme Frau,das arme Kind,
o du armer Mann,o du arme Frau,o du armes Kind,
von dem armen
Manne.von der armen Frau.von dem armen Kinde.

Vielfach.


Die armen Männer,Frauen,Kinder,
der armen Männer,Frauen,Kinder,
den armen Männern,Frauen,Kindern,
die armen Männer,Frauen,Kinder,
o ihr armen Männer,Frauen,Kinder,
von den armen Männern.Frauen.Kindern.

[298] 5 §. Bey dieser Abänderung ist nur zu merken: daß hier das bestimmte Geschlechtswort in der vielfachen Zahl, bey dem darauf folgenden Beyworte ein n erfodert; nicht aber mit einem e zufrieden ist, wie dasunbestimmte. Man spricht z.E. gelehrte Leute sind einem Lande unentbehrlich; aber nicht:die gelehrte, oder die gelehrteste Leute sind der Meynung; sondern die gelehrten, oder die gelehrtesten Leute sind etc. 3 Viele, die diesen Unterschied nicht wissen, oder bemerken wollen, beißen hier sehr unrecht das n ab, sonderlich in gewissen Landschaften, die man daran kennen kann. Eben das ist bey den Fürwörtern, dieselben,diejenigen, zu merken: die, wegen des mit ihnen verknüpften die, in der vielfachen Zahl, allemal einn an den Beywörtern erfodern; wie bald folgen wird.

6 §. Noch eins ist wegen des bestimmten Artikels, oder Geschlechtswortes zu merken. Wie nämlich selbiges in der ersten Endung der einzelnen Zahl, dem Beyworte das r im männlichen, und das s im ungewissen Geschlechte benimmt; indem man nicht saget, der armer Mann, das armes Kind; sondern der,die, das, arme: eben so verlieren auch die zweyte, dritte und sechste Endung, in der einfachen und vielfachen Zahl, die gewöhnlichen Endbuchstaben der Geschlechter; weil der Artikel dieselben schon hat. Man saget nämlich nicht, des armes Mannes, dem armem Manne; oder der armer Männer, u.s.w. sondern das n tritt an die Stelle aller dieser Endbuchstaben, so lange das bestimmte Geschlechtswort zugegen ist. Ein anders wäre es, wenn dieses wegfiele; denn da würde sich die Geschlechtsendung an dem Beyworte wieder einstellen: wie folgende Abänderung zeigen wird.


[299] Die III Abänderung der Beywörter.


Ohne Geschlechtswort.


7 §. Diese zeiget den Gebrauch der Beywörter ohne alle Geschlechtswörter. Zwar bey allen Hauptwörtern ist es nicht möglich, dieselben so anzubringen: allein bey vielen, die in einer sehr unbestimmten Bedeutung genommen werden; als Bier, Brod, Fleisch,Luft, Milch, Wasser, Wein, u.d.gl. so daß man sie auch für sich, ohne Geschlechtswort setzen kann; da haben die Beywörter auch statt. Denn wie ich sagen kann, Wein ist besser, als Bier; Fleisch ohne Brod ist nicht gesund; Milch ist nahrhafter, als Wasser; Luft schöpfen; Athem holen; Holz kaufen; Leder gerben u.s.w. eben so kann man auch sagen: alter Wein, gutes Bier, fettes Fleisch, süße Milch, frische Luft u.s.w. Imgleichen das Kleid ist aus feinem Tuche gemachet; dieß Tuch ist von guter Farbe; das Buch ist von großem Werthe; treuem Rathe muß man folgen, und was dergleichen Ausdrückungen mehr sind.

8 §. Weil man also wissen muß, wie dergleichen Beywörter abgeändert werden müssen: so mögen folgende Muster es zeigen.


Einfach.


Starker Wein,Feine Haut,Zartes Papier,
starkes Weines,feiner Haut,zartes Papieres,
starkem Weine,feiner Haut,zartem Papiere,
starken Wein,feine Haut,zartes Papier,
o starker Wein,o feine Haut,o zartes Papier,
von starkem Weine.von feiner Haut.von zartem Papiere.

Vielfach.


Starke Weine,Feine Häute,Zarte Papiere,
starker Weine,feiner Häute,zarter Papiere,
starken Weinen,feinen Häuten,zarten Papieren,

[300]
starke Weine,feine Häute,zarte Papiere,
o starke Weine,o feine Häute,o zarte Papiere,
von starken Weinen.von feinen Häuten.von zarten Papieren.

9 §. Man sieht also, daß diese Abänderung von beyden obigen unterschieden ist. Die zweyte Endung nämlich, giebt dem Beyworte das s, r, welches in jener das Geschlechtswort hatte: und wodurch dessen Abwesenheit gleichsam ersetzet wird. Eben so geht es in der dritten und sechsten Endung mit dem m; und in der vielfachen Zahl mit dem r in der zweyten Endung. Diejenigen fehlen also, die solche Endungen in dergleichen Fällen versäumen, oder sich nach obigen Abänderungen richten. Z.E. Es würde falsch seyn, zu sagen: sie sind voll süßen Weines. Denn es muß heißen süßes Weines: nicht anders, wie man saget, gutes Muths. Es ist falsch: guten Rathe muß man folgen; es soll heißen: gutem Rathe etc. So auch aller Orten und Enden; vieler Orten u.d.gl.

10 §. Noch fraget es sich, wie man es mit den Beywörtern zu halten habe, die als Hauptwörter gebrauchet werden? z.E. weise, gelehrt, klug, schön, stark, u.d.gl. Sobald dergleichen Wörter zu Hauptwörtern werden, nehmen sie alle obige Artikel an, behalten auch alle ihre Endungen, die sie als Beywörter gehabt haben. Z.E. Ein Weiser ist besser, als ein Starker; und, der Weise ist besser, als der Starke. EineSchöne bezwingt oft einen Starken. Es irren also alle die, welche sagen, ein Weise, seinerSchöne, von meiner Liebste, u.d.gl. Denn nach dem unbestimmten Geschlechtsworte des ersten gehörete das r; und nach den beyden letzten das n. In der mehrern Zahl aber kann man dergleichen Wörter ohne Artikel gar nicht brauchen: man spricht, die Gelehrten sagen; nicht, Gelehrten sagen: Die Schönen wissen es; nicht, Schönen wissen es.

11 §. Wenn die Beywörter nach den Hauptwörtern gesetzet werden, so verlieren sie alle ihre Geschlechts-Endungs- und [301] Zahlzeichen, (SIGNA GENERIS, CASUS, ET NUMERI,) und werden so unveränderlich, wie die Nebenwörter. Z.E. Der Held istgroß, nicht großer; Helena ist schön, nicht schöne; und das Land ist reich, nicht reiches. Imgleichen: die Menschen sind sterblich, die Blumen werden welk, und die Häuser schlecht; nicht sterbliche, welke, und schlechte. Dieses scheint unsere Sprache als ganz etwas besonders an sich zu haben: und man wird, außer bey ihren Schwestern, schwerlich etwas dergleichen finden. Der Franzos saget wenigstens: LES JOURS SONT BEAUX, LES FEMMES SONT BELLES; nicht BEAU, durchgehends; oder auch BELLE bey dem letzten allein. Dieses erleichtert also Fremden den Gebrauch unserer Beywörter um ein Vieles.

12 §. Dieses letzte Wort erinnert mich eines Fehlers, der damit begangen zu werden pflegt, wenn man es zum Hauptworte machet. Wie man nämlich von vortrefflich, gelehrt, schön, u.d.gl. sagen kann, etwas Vortreffliches, etwas Gelehrtes, etwas Schönes: so kann man auch von groß, klein, viel, u.d.gl. ein Großes, ein Kleines, ein Vieles machen. Z.E. Wenn man saget: dieses Gesetz trägt ein Großes zur gemeinen Wohlfahrt bey: so spricht man recht. Nach diesem Muster nun muß man auch sagen: über ein Kleines; ein Langes und Breites; und die Schönheit der Sprache thut ein Vieles zu dem Ruhme eines Volkes. Es ist also wider die Sprachähnlichkeit, wenn einige sprechen: dieses thut vieles, oder trägt vieles dazu bey; ohne das Geschlechtswort ein hinzu zu setzen. Denn wenn dieses nicht dabey steht, so sollte man schlechterdings, nach der obigen Regel (§. 5.) sagen: es thut viel, es trägt viel dazu bey.

13 §. Noch eine Anmerkung wegen der Beywörter kann hier nicht schaden, um den Misbräuchen gewisser Neuern vorzubeugen, die sich den Ruhm einer schönen Schreibart nur durch Verdrehungen der Wörter zu erwerben suchen. Da es in gewissen Fällen nöthig gewesen ist, den Mangel gewisser [302] Hauptwörter durch Beywörter zu ersetzen; z.E. wenn man das ὕψος aus dem Longin, durch das Erhabene, auszudrücken gesuchet; weil die Hoheit einen ganz andern Begriff erweckete: so haben sich Schriftsteller gefunden, die solches auch bey solchen Beywörtern nachgethan, wo gar keine Noth es erforderte. Sie haben z.E. das Große, das Schöne, das Edle, und wer weis was für Wörter mehr gemachet: da wir doch die Größe, die Schönheit und den Adel schon hatten 4. Meine Warnung geht also dahin, ohne dringende Noth solche Neuerung nicht zu machen: denn eben dadurch hat das Latein des goldenen Alters, in den abfallenden Jahrhunderten, alle seine Schönheit und Reinigkeit in ein wildes Wesen verwandelt.

Fußnoten

1 Nur muß man sich hier vor einer unbändigen Neuerungssucht hüten, die im Reiche einigen Kanzleyscribenten anklebet. Diese hecken fast ohne Unterlaß solche Wörter, als sonstige, nunige, soige,mehrige, ohnige, kaumige, schonige und dergleichen Misgeburten mehr aus, die vernünftigen Deutschen nur einen Gräuel erwecken.

2 Hier hat vor hundert und mehr Jahren, Schottel eine andere Meynung gehabt; und so geschrieben:

Wenn Naso so verzückt wollt eine Liebste zwingen,

Der großer Cicero so gar beweglich sprach:

Der tiefer Tacitus die Klugheit oben brach.

imgl. der silberheller Mond etc. u.d.gl. S. sein Buch der deutschen Spracheinleitung, in dem Gedichte, das er vorangesetzet, a.d. 14 S. Dieses hat aber weder vor ihm jemand geschrieben, noch nach seiner Zeit nirgends Beyfall gefunden.

3 Und das sowohl wenn zwey drey Beywörter zugleich stehen, als wenn eins allein ist; es wäre denn, daß man des Wohlklanges wegen, das r der zweiten Endung in der mehrern Zahl, nicht vielmal wiederholen wollte. Z.E. Vieler großen, berühmten Leute Meynung ist etc. anstatt vieler großer berühmter etc.

4 Bey den meisten, die sich dieses Fehlers schuldig gemachet, ist es eine blinde Nachäffung der Franzosen gewesen, die seit einiger Zeit nur aus einer unzeitigen Neuerungssucht, LE BEAU, LE BON, für LA BEAUTÉ, LA BONTÉ; imgl. LE GRAND, LE FIN, LE TENDRE u.d.gl. für LA GRANDEUR, LA FINESSE, und LA TENDRESSE ZU schreiben angefangen. Allein, CUI BONO? möchte man hier fragen. Denn was hat man es nöthig, solche unnütze Neuerungen zu machen, da man Wörter genug hatte, eben das auszudrücken? Da sind nun manche bey uns in solchen Wörtern recht ausschweifend kühn; indem sie das Leichtfertige, das Feine, das Kühne, das Lose, ja wohl gar das Schalkhafte geschrieben haben, wenn sie die üppigsten Zoten zu verstehen geben wollen. Kurz, es ist eine lächerliche Modesucht.

II Abschnitt
II Abschnitt.
Von den Vergleichungsstaffeln (gradibus comparationis) der Beywörter.

1 §.


Unsere Gedanken bleiben nicht allemal dabey stehen, daß wir die Eigenschaften der Dinge erkennen; und sie ihnen entweder beylegen, oder absprechen: wir vergleichen sie auch mit den Eigenschaften anderer Dinge, und beurtheilen ihr Verhältniß gegen einander. Z.E. Cajus ist gelehrt; Kleopatra schön; Penelope tugendhaft: allein Titius ist noch gelehrter, Helenaschöner, und Lucretia tugendhafter; als jene. Dieses ist also eine Art der Vergleichung, wodurch ich die Gelehrsamkeit, Schönheit und Tugend dieser Personen eine Stufe höher setze. Zuweilen aber dünket es uns, daß diese Eigenschaften bey jemanden den allerhöchsten Grad erreichet haben; und alle übrige Dinge von der Art übertreffen. Daraus entsteht eine neue Vergleichungsstaffel; z.E. der gelehrteste Mann, die schönste Frau, das tugendhafteste Fräulein.

2 §. Wir zählen also bey unsern Beywörtern, wie in andern Sprachen, drey Vergleichungsstaffeln: die erste Staffel (POSITIVUS GRADUS) ist, wenn man der Sache eine Eigenschaft schlechtweg beyleget: als Hektor ist tapfer. Die zweyte Staffel (COMPARATIVUS) ist, wenn man etwas, in Vergleichung des vorigen, eine Stufe höher setzet; als Achilles ist tapferer. Die dritte Staffel (SUPERLATIVUS) [304] endlich ist, wenn man einem Dinge den höchsten Gipfel einer Eigenschaft beyleget: Alexander ist der tapferste. Aus diesen Beyspielen sieht man wohl, daß wir im Deutschen durch zwo Syllben, die dem ersten Beyworte gemeiner Bedeutung beygefüget werden, diese Art steigender Gedanken ausdrücken, nämlich durcher, und ster, oder ste: als groß, größer, dergrößeste; schön, schöner, der schönste 1.

3 §. So sehen die steigenden Beywörter aus, wenn sie ohne das Geschlechts- und Hauptwort gebrauchet werden: etwas anders werden sie gebildet, wenn man diese hinzusetzet. Denn da bey dem unbestimmten Geschlechtsworte, ohne dieß schon bey dem männlichen Geschlechte ein er, stund: so muß dasselbe bey der zweyten Vergleichungsstaffel verdoppelt, und auch bey den übrigen etwas verändert werden. Wir müssen davon ein Muster geben:


Ein großer,ein größerer,der größte Mann.
Eine schöne,eine schönere,die schönste Frau,
Ein wildes,ein wilderes,das wildeste Thier.

Mit dem bestimmten Geschlechtsworte aber geht es so:


Der reiche,der reichere,der reicheste Fürst.
Die gnädige,die gnädigere,die gnädigste Fürstinn.
Das glückliche,das glücklichere,das glücklichste Volk.

[305] 4 §. Von der ersten Staffel dörfen wir darum hier nichts mehr sagen: weil alle Beywörter, wovon wir bisher geredet haben, dergleichen vorstellen können. Bey der Bildung der zweyten und dritten Staffel, ist außer den Endungen, noch zu bemerken, daß die Selbstlauter a, o, und u, in der Hauptsyllbe des Beywortes, sich darinnen in ä, ö, und ü, verwandeln. Z.E.


Alt,älter,der älteste.
arm,ärmer,der ärmste.
bang,bänger,der bängste.
blaß,blässer,der blässeste.
dumm,dümmer,der dümmste.
fromm,frömmer,der frömmste.
gesund,gesünder,der gesündeste.
grob,gröber,der gröbste.
groß,größer,der größeste.
hart,härter,der härteste.
hoch,höher,der höchste.
kalt,kälter,der kälteste.
krank,kränker,der kränkeste,
krumm,krümmer,der krümmste.
kurz,kürzer,der kürzeste.
lang,länger,der längste.
nah,näher,der nächste.
plump,plümper,der plümpeste.
roth,röther,der rötheste.
schwach,schwächer,der schwächste.
schwarz,schwärzer,der schwärzeste.
stark,stärker,der stärkeste.
stolz,stölzer,der stölzeste.
voll,völler,der völleste.
warm,wärmer,der wärmste.

Herzhaft, behält also sein a, wie grausam; weil es nicht in der Hauptsyllbe steht: wie denn auch in den vielsyllbigen diese Veränderung unterbleibt: als, gebogen, gebogener, der gebogenste. Die übrigen aber, die in der ersten Staffel schon entweder diese, oder andere Doppellaute, oder andere Selbstlauter[306] haben, behalten dieselben in allen drey Staffeln unveränderlich; als


blau,blauer,das blaueste,
bös,böser,das böseste.
derb,derber,das derbeste.
frey,freyer,das freyeste.
früh,früher,das früheste.
grau,grauer,das graueste.
hübsch,hübscher,das hübscheste.
klein,kleiner,das kleineste.
schlecht,schlechter,das schlechteste.
schön,schöner,das schönste.
schlimm,schlimmer,das schlimmeste.
spät,später,das späteste.2
wild.wilder,das wildeste.

[307] 5 §. So sehen die Vergleichungsstaffeln aus, wenn sie richtig gehen: allein es giebt auch einige unrichtige, die nicht bey den Regeln bleiben. Z.E.


Bald,eher,am ehesten.
Gern,lieber,am liebsten.
Gut,besser,am besten.
Viel,mehr,am mehresten, oder meisten.

Vielleicht kömmt aber die Unordnung daher, daß die erstern Staffeln dieser Wörter, mehr für Nebenwörter, als für Beywörter zu halten sind. Daher hätte man sagen können, dieser Wörter Vergleichung wäre mangelhaft (DEFECTIVA); indem ihnen die erste Staffel fehlete; an deren Stelle denn nur ein Nebenwort genommen würde. Wenigstens geht es mitminder und am mindesten so: denn hier muß man den Mangel der ersten Staffel mit wenig ersetzen, welches doch sonst seine regelmäßige Stuffen behält,


wenig,weniger,am wenigsten.

Das Wort der letzte, ist zur dritten Staffel zu zählen, der aber im Deutschen die erstern beyden mangeln. Die Engländer und Niedersachsen haben alle drey, LATE, LATER, THE LATEST 3.

[308] 6 §. Man wird oben bemerket haben, daß in der höchsten Staffel, das e bald geblieben, bald ausgelassen und verbissen worden. Dieses geschieht, nachdem der Wohlklang es erfodert. Denn wo gelinde Mitlauter vor dem ste zu stehen kommen, da läßt man es aus: wie in länger, der längste; lieber, der liebste; schöner, der schönste, u.d.gl. Wo aber harte Buchstaben damit zusammen treffen, da behält man das e; als der beliebteste, schärfeste, lauteste, wildeste, schlechteste: dahin man auch größeste rechnen muß, wenn man es regelmäßig schreiben will; ob man es gleich meistentheils verkürzet, und dergrößte, zu schreiben pflegt 4. Eben so geht es mit andern, die auf beyderley Art, zumal von Dichtern, gebrauchet werden, nachdem sie eine Syllbe mehr oder weniger nöthig haben: z.E. der treueste, freyeste, und treuste, freyste, u.s.w. Anstatt dieses e aber ein i zu setzen, als geehrtiste, werthiste, ist in der guten Mundart nicht erlaubet 5.

7 §. Übrigens giebt es auch noch Zusätze zu den beyden letzten Staffeln, die ihre Bedeutung entweder etwas vermindern oder erhöhen. Bey der zweyten sind es die Wörterchen, etwas, oder ein wenig besser,noch größer, viel klüger, ungleich besser, um ein großes schöner, u.d.gl. [309] bey der letzten aber das Wort aller; als, das beste, das allerbeste. Mit mehr und minder aber die zweyte Staffel zu bilden, wie einige französirende Schriftsteller einführen wollen, als mehr schön, minder gelehrt; das ist undeutsch, und kaum einem Dichter, um des Syllbenmaaßes wegen, zu verstatten 6. Warum spricht man nicht lieber: nicht so gelehrt, als etc.

8 §. Was nun endlich die Abänderung der zwo letzten Vergleichungsstaffeln der Beywörter betrifft, so ist zu merken: daß die erstere, oder mittlere, nach Art der schlechten Beywörter, sowohl mit dem unbestimmten, als bestimmten Geschlechtsworte abgeändert werden kann. Das erste sieht so aus:


Einfach.


Ein lieberer Mann,Eine liebere Frau,Ein lieberes Kind.
eines liebern,einer liebern,eines liebern,
einem liebern,einer liebern,einem liebern,
einen liebern,eine liebere,ein lieberes,
o du lieberer,o du liebere,o du lieberes,
von dem liebern,von der liebern,von dem liebern.

Vielfach.


Liebere Männer,Frauen,Kinder,
lieberer Männer,Frauen,Kinder,
liebern Männern,Frauen,Kindern,
liebere Männer,Frauen,Kinder,
o ihr liebern Männer,Frauen,Kinder,
von liebern Männern,Frauen,Kindern.

9 §. Wie nun dieses von den obigen Mustern fast in nichts abgeht: also ist es auch mit dem bestimmten Geschlechtsworte. Ein Beyspiel machet die Sache klar;


[310] Einfach.


Der höhere Berg,Die höhere Macht,Das höhere Haus,
des höhern,der höhern,des höhern,
dem höhern,der höhern,dem höhern,
den höhern,die höhere,das höhere,
o du höherer,o du höhere,o du höheres,
von dem höhern,von der höhern,von dem höhern.

Vielfach.


Die höhern Berge,Mächte,Häuser,
der höhern Berge,Mächte,Häuser,
den höhern Bergen,Mächten,Häusern,
die höhern Berge,Mächte,Häuser,
o ihr höhern Berge,Mächte,Häuser,
von den höhern Bergen,Mächten,Häusern.

10 §. Die dritte Art der Abänderung, ohne alle Artikel, hat hier gleichfalls statt. Denn wenn man sie zu solchen Hauptwörtern setzet, die an sich ohne Geschlechtswort gebrauchet werden können: so können sie sich denenselben auch bequemen, nur daß der letzte Buchstab des Geschlechtswortes an das Beywort gehenket wird. Z.E.


stärkerer Wein,bessere Butter,feineres Papier,
stärkeres Weines,besserer Butter,feineres Papieres,
stärkerem Weine,besserer Butter,feinerm Papiere,
starkern Wein,bessere Butter,feineres Papier,
stärkerer Wein,bessere Butter,feineres Papier,
von stärkeren Weine.besserer Butter.feinerm Papiere.

Endlich kann man auch die mittlere Vergleichungsstaffel, sowohl als die andern Beywörter, nach ihren Hauptwörtern, in allen Zahlen, Geschlechtern und Endungen, ganz unabänderlich brauchen. Z.E. Der Vater ist weiser, als der Sohn; die Mutterist klüger, als die Tochter; das Haus ist größer, als die Hütte; oder auch: die Stoiker warenweiser, als die Epikurer; die Griechen waren gelehrter, die Deutschen aber sind tapferer, als die Römer.

[311] 11 §. Mit der dritten Vergleichungsstaffel ist es etwas anders. Denn fürs erste leidet sie den unbestimmten Artikel nicht: welches die Natur der Gedanken so mit sich bringt. Man kann nämlich nicht sagen: ein gelehrtester Mann: sondern weil das höchste in jeder Art nur ein einziges bestimmtes Ding seyn muß: so muß man allemal sagen, der gelehrteste Mann; gleichsam, als ob man mit dem Finger auf ihn wiese 7. Da geht nun die Abänderung so vor:


Einfach.


Der kürzeste Weg,Die kürzeste Zeit,Das kürzeste Holz,
des kürzesten,der kürzesten,des kürzesten,
dem kürzesten,der kürzesten,dem kürzesten,
den kürzesten,die kürzeste,das kürzeste,
o du kürzester,o du kürzeste,o du kürzestes,
von dem kürzesten.von der kürzesten.von dem kürzesten

Vielfach.


Die kürzesten Wege,Zeiten,Hölzer,
der kürzesten Wege,Zeiten,Hölzer,
den kürzesten Wegen,Zeiten,Hölzern,
die kürzesten Wege,Zeiten,Hölzer,
o ihr kürzesten Wege,Zeiten,Hölzer,
von den kürzesten Wegen.Zeiten.Hölzern.

12 §. Noch eine Art der Erhöhungsstaffeln giebt es bey den deutschen Beywörtern, durch die Zusammensetzung mit andern Wörtern, die sich dazu schicken. Z.E.


alt,steinalt,elend,höchstelend,
arm,bettelarm,gelehrt,grundgelehrt,
bekannt,weltbekannt,gerad,schnurgerad,
bitter,gallenbitter,hart,steinhart,
blind,stockblind,hoch,himmelhoch,
dumm,erzdumm,kalt,eiskalt,

[312]
klar,sonnenklar,still,stockstill, auch
mager,hundmager,still,mausestill,
nackt,fingernackt,süß,honigsüß,
nackt,fasennackt,toll,rasend toll,
sauer,blutsauer,weiß,hagelweiß,
sauer,eßigsauer,weiß,schneeweiß,
schön,wunderschön,wenig,blutwenig.
schwarz,pechschwarz,

imgleichen durch gewisse steigende Nebenwörter: als


beliebt,hochbeliebt,höchstbeliebet;
berühmt,sehr berühmt,überaus, ungemein berühmt;
erfahren,besonders,und über die maßen erfahren;
schlecht,gar schlecht,unerhört schlecht;
schön,besonders schön.unglaublich schön, u.d.gl.

Wie man nun bey dem ersten wohl sieht, daß alle die Vergrößerungen nur die dritte und höchste Vergleichungsstaffel ausdrücken, also drücken die letztern, alle drey Staffeln nach einander aus. Man hüte sich dabey nur, daß man nicht widersinnische Worte zusammen nehme: als, entsetzlich schön: abscheulich gelehrt; grausam beliebt; oder erbärmlich schön 8.


13 §. So viel ist indessen gewiß, daß nicht alle Beywörter eine Vergrößerung in solchen Staffeln annehmen können; theils weil die Begriffe keine Erhöhung leiden, theils weil ihre Endsyllben es nicht zulassen, daß noch ein er, oder ste [313] angehängt wird. Z.E. ledern, hölzern, papieren, eisern, u.d.gl. leiden es nicht, daß man sage, lederner, der ledernste; hölzerner, der hölzernste; papierner, der papierenste; oder eiserner, der eisernste. Die Zahl derselben ist aber nicht leicht zu bestimmen. Die gesunde Vernunft muß einen lehren, wo das erste nicht thulich ist: so wie das Gehör den Ausspruch thut, wo das letztere nicht angeht. Z.E. von mächtig, prächtig, kann man wohl sagen, mächtiger, prächtiger, der mächtigste, prächtigste: aber man kann darum nicht sagen, ein mächtiger, ein mächtigerer, prächtigerer, weil solches übel klingt. Das übrige kömmt bey den Nebenwörtern vor.

Fußnoten

1 Unsere Sprache hat also einen großen Vorzug, in der Kürze dieser Bildung der Vergleichungsstaffeln, vor der französischen. Diese nämlich kann nichts ohne den Zusatz ganz neuer Wörter bilden; z.E. SAVANT, PLUS SAVANT, LE PLUS SAVANT; BELLE, PLUS BELLE, LA PLUS BELLE; VERTUEUSE, PLUS VERTUEUSE, LA PLUS VERTUEUSE; welches denn viel Umschweife im Reden giebt. Eben so ist es im Wälschen beym COMPARATIVO; DOTTO, PIU DOTTO; BELLA, PIU BELLA; und im Engländischen auch mit dem SUPERLATIVO; MORE LEARNED, MOST LEARNED, MOST HONOURED. Nur in wenigen hat dieses den Vortheil seiner Mutter, der deutschen Sprache, beybehalten, als FAIR, FAIRER, THE FAIREST; GREAT, GREATER, THE GREATEST.

2 In einigen Landschaften spricht man auch bey spät und früh, in der ersten Staffel spat und fruh. Es ist auch dieses der Analogie nicht zuwider, wenn sie nur, in den beyden folgenden Staffeln hernach das ä, undü, brauchen. Nur folgende scheinen eine Ausnahme von der obigen Regel der Verwandlung zu machen; denn es heißt davon:

Spricht man aber in andern plattdeutschen Landschaften von dumm, plump, und stolz, dummer,plumper, und stolzer, der dummste, plumpeste und stolzeste; so wird ihre böse Gewohnheit im Hochdeutschen kein Ansehen fodern können: so wenig eines Hochdeutschen Mundart, ihr Plattdeutsches ändern kann. Sie müssen sich nach den hochdeutschen Landschaften richten.

3 Eben so hat vermuthlich bey den Alten das besser, seine erste Staffel baß, gehabt, davon hernachbesser, und der beste, gebildet worden. Vielleicht sollte man diesem Ursprunge zufolge, das ä, sowohl aus diesen Wörtern, als aus letzte, nicht wegwerfen. In einem alten Gedichte, Pauper Henricus, vom Laufe der Welt, 1536, finde ich auch dasa.

Sind doch ein Theil grobe Fantasten,

Haben yhr Handwerk nicht am basten

Gelernet noch gemerket eben,

Vnd lassen yhn doch Weyber geben.

Indessen ist es gewiß, daß man das baß bey den Alten auch als einen COMPARATIVUM gebrauchet findet.

4 Ein anders wäre es, wenn ein Wort einen gar zu wunderlichen Klang bekommen würde. Z.E. gesittet, gesitteter, der gesitteteste. Hier wirft man lieber das e heraus, gesittetste. Das t aber mit wegzuwerfen, gesitteste, würde nicht gut klingen: weil man die Mitlauter im Deutschen bey Zusammenziehungen beybehält. Z.E. leidest, leidst, leidet,leidt, nicht leid, auch nicht leit. In größeste,größte, besseste, beste, wird das ß oder s, nur darum ausgelassen, weil es unmöglich ist, drey s hintereinander auszusprechen.

5 Wegen des h ist noch zu merken, daß selbiges in der dritten Staffel, bisweilen in ein ch verwandelt wird, als der nahe, der nähere, der nächste: so wie hingegen auch das ch zuweilen in der zweyten Staffel zum h wird, als hoch, höher, nicht höcher, der höchste, nicht höheste: ob man gleich auch in der ersten Staffel saget, der hohe.

6 Man hat mir die Einwendung gemachet, daß man gleichwohl sagen könne: Karl der XII war mehr tapfer, als weise. Dieses gebe ich, meiner Regel unbeschadet, zu. Denn dieses heißt nicht FORTIOR, QUAM SAPIENS; sondern, FORTIS POTIUS, QUAM SAPIENS.

7 Bey Gott allein scheint es anzugehen, wenn man saget: Er ist ein höchstes Gut, ein vollkommenstes Wesen, ein allerhöchster König. Doch ist es nicht recht gewöhnlich. Du allerhöchster! ist SUBSTANTIVE genommen, und ohne Geschlechtswort.

8 Brokes hat diesen Ausdruck in seiner Paßion gebrauchet, und einige haben wunder! was schönes darinn finden wollen. Aber ohne Grund. Denn solche Zusätze von Nebenwörtern, bestimmen nicht den Verstand des Hauptwortes, sondern des nächst dabeystehenden Beywortes. Z.E. ein trefflich gelehrter Mann heißt nicht, einen trefflichen und gelehrten Mann; sondern einen Mann dessen Gelehrsamkeit vortrefflich ist. So würde denn erbärmlich schön, eine Person bedeuten, deren Schönheit erbärmlich wäre; welches aber ungereimt seyn würde.

III Abschnitt
III Abschnitt.
Von den Zahlwörtern.

1 §.


Zu der Zahl der Beywörter muß man sonder Zweifel auch die Zahlen rechnen; welche zu den Hauptwörtern gesetzet werden können, ihre Bedeutung zu bestimmen. Es sind aber dieselben zweyerley; die Grundzahlen (NUMERI CARDINALES) und die Ordnungszahlen (NUMERI ORDINALES). Die ersten werden entweder allein, oder mit einem Hauptworte im Reden gebrauchet; doch so, daß man auch im ersten Falle allemal etwas in Gedanken hat, das gezählet wird. Bis zwölf gehen sie mit einzelnen Wörtern fort, hernach werden sie aus den einfachen und Zehnern so zusammen gesetzet, daß man allemal die kleine Zahl der großen vorsetzet, wie folgende Tafel zeiget:


1 Eins,11 Eilf,21 Ein und zwanzig,
2 Zwey,12 Zwölf,22 Zwey und zwanzig,
3 Drey,13 Dreyzehn,23 Drey und zwanzig,
4 Vier,14 Vierzehn,24 Vier und zwanzig,
5 Fünf,15 Funfzehn,25 Fünf und zwanzig,
6 Sechs,16 Sechszehn,26 Sechs und zwanzig,
7 Sieben,17 Siebzehn,27 Sieben und zwanzig,
8 Acht,18 Achtzehn,28 Acht und zwanzig,
9 Neun,19 Neunzehn,29 Neun und zwanzig,
10 Zehn,20 Zwanzig,130 Dreyzig.

Und so weiter mit 40, vierzig, 50, funfzig, 60, sechzig, 70, siebenzig, 80, achtzig, 90, neunzig, bis 100, hundert.

[315] 2 §. Wenn man über hundert kömmt, so ist zu merken, daß die kleine Zahl im Zählen hinten nach, die große aber vorangesetzet wird; z.E. 101 hundert und eins; 110 hundert und zehn, u.s.w. Denn wollte man sie vorhersetzen, so würde es eine Vervielfältigung der hunderte anzeigen: z.E. drey hundert ist 300, und so auch sechstausend, 6000, da hergegen hundert und drey, nur 103, tausend und sechs aber, nur 1006, anzeigen würden. Die übrigen Reihen der steigenden Zahlen heißen so:


200 zweyhundert,1000 tausend,10000 zehntausend,
300 dreyhundert,2000 zweytausend,20000 zwanzigtausend,
400 vierhundert,3000 dreytausend,30000 dreyzigtausend,
500 fünfhundert etc.4000 viertausend etc.100000 hunderttausend etc.

Sodann folgen Millionen, 1000, 000 und so ferner auch die Billionen, 1'', 000, 000', 000. 000, u.s.w.


3 §. Was nun die Abänderung der Zahlen betrifft, wenn sie zu Hauptwörtern gesetzet werden: so leiden sie dieselbe sowohl in Ansehung des Artikels, als in Ansehung der Geschlechter. In der ersten Absicht stehen sie entweder ganz allein mit dem Hauptworte, und vertreten gleichsam die Stelle des unbestimmten Geschlechtswortes; wie folgende Muster zeigen werden.


[316] Einfach.


Nur ein Mann,nur eine Frau,nur ein Kind,
eines Mannes,einer Frau,eines Kindes,
einem Manne,einer Frau,einem Kinde,
einen Mann,eine Frau,ein Kind.
die fünfte Endung fehlet.
von einem Manne.von einer Frau.von einem Kinde.

Da das einfache Zahlwort, mit dem unbestimmten Geschlechtsworte sehr übereinkömmt: so pflegt man zuweilen den Zusatz, einziger, dem ersten beyzufügen: ein einziger Mann, eine einzige Frau, ein einziges Kind. Weil es aber wider die Natur der Einheit läuft, auch vielfach zu seyn 2: wie gleichwohl die Franzosen mit ihrem UN, umgehen; wenn sie sagen, LES UNS, ET LES AUTRES (welches auch bey uns einige ganz abgeschmackt, die einen, und die andern, zu übersetzen gesuchet; da sie nur hätten sagen dörfen, Einige): so kömmt anstatt der vielfachen Zahl, das zween, zwo,zwey hieher.


Zween Männer,Zwo Frauen,Zwey Kinder,
zweener Männer,zwoer Frauen,zweyer Kinder,
zweenen Männern,zwoen Frauen,zweyen Kindern,
zween Männer,zwo Frauen,zwey Kinder,3
– – – – – –– –
von zweenen Man.zwoen Frauen,zweyen Kindern.

[317] 4 §. So wie also diese beyden, sowohl in den Geschlechtern, als in den Endungen eine Veränderung leiden: so fällt das erste bey der folgenden Zahl weg. Sie bleibt nämlich bey allen Geschlechtern unveränderlich.


Drey Männer,Frauen,Kinder.
dreyer Männer,Frauen,Kinder.
dreyen Männern,Frauen,Kindern.
drey Männer,Frauen,Kinder.
o ihr drey Männer,Frauen,Kinder.
von dreyen Männern.Frauen.Kindern.

Vier, fünf, sechs, und alle übrige bleiben ganz unveränderlich; außer wenn sie ohne ein Hauptwort gesetzet werden. Denn da ändern sich alle übrige Zahlen auch; wie wir gleich sehen werden.

5 §. Ganz anders sieht es mit den Zahlen aus, wenn sie mit dem bestimmten Geschlechtsworte gesetzet werden. Hier läßt man dasselbe die verschiedenen Geschlechter der Hauptwörter anzeigen, und das Zahlwort bleibt unveränderlich; wie folgendes Muster zeigen wird.


Der Eine.


Der eine Baum,Die eine Blume,Das eine Thier,
des einen Baumes,der einen Blume,des einen Thieres,
dem einen Baume,der einen Blume,dem einen Thiere,
den einen Baum,die eine Blume,das eine Thier,
– – –– – –– – –
von dem einen
Baume,von der einen Blume.von dem einen Thiere.

Ein anders ist es mit zwey.


Zwey.


Die zween Bäume,Die zwo Blumen,Die zwey Thiere,
der zween,der zwo,der zwey,
den zweenen,den zwoen,den zweyen,
die zween,die zwo,die zwey,
– – –– – – – – –
von den zweenen,zwoen,zweyen.4

Eben so geht es mit drey, vier, fünf, und allen übrigen Zahlen, die aber in allen Fallendungen einerley bleiben; außer in der dritten und sechsten, wo sie einen annehmen: dreyen, TRIBUS, und von dreyen; er fährt mit vieren, sechsen. Sie gehen zu fünfen, zu achten, zu zwölfen, u.s.w.

6 §. Noch anders ist es mit diesen Zahlen, wenn man sie, wie die Fürwörter, ohne alle Geschlechtswörter und ohne Hauptwörter abändert. Denn da nehmen sie die Endbuchstaben derselben an, um die Fallendungen zu zeigen. Z.E.


Einzeln.


Einer,eine,eins,
Eines,einer,eines,
Einem,einer,einem,
Einen,eine,eins,
o du einer,eine,eins,
von einem,einer,einem.

Vielfach.


Zweene,Zwo,Zwey,Drey,
Zweener,zwoer,zweyer,dreyer,
Zweenen,zwoen,zweyen,dreyen,
Zweene,zwo,zwey,drey,
o ihr Zweene,zwo,zwey,o ihr drey,
von Zweenen, zwoen, zweyen, von dreyen.

[319] Fast eben so geht es mit vieren, und allen übrigen Zahlwörtern, bis auf die zusammengesetzten. Denn diese nehmen auch zwar nach dieser Art verschiedene Endungen an, doch nur an dem letzten Theile. Man saget nämlich mit sechszehnen, mit fünf und zwanzigen, u.s.w. nicht mit sechsen zehnen, oder fünfen und zwanzigen. Eben so geht es mit dem hundert und tausend; wo man sie nicht zu Hauptwörtern machet, wie ich hernach sagen will.

7 §. Die ordnenden Zahlwörter werden mehrentheils von den vorigen abgeleitet, bekommen aber auch andere Endungen, nachdem sie mit, oder ohne Geschlechtswörter, oder Hauptwörter gebrauchet werden. Mit dem unbestimmten Geschlechtsworte kann man sie auch brauchen. Z.E. der zweyte Mann, setzet einen ersten voraus: es ist ein zweyter, oder ein dritter Theil davon heraus. Ich habe es von einer dritten Person gehöret 5. Ihre Abänderung wird alsdann so:


Ein zweyter,eine zweyte,6ein zweytes,
Eines zweyten,einer zweyten,eines zweyten,
Einem zweyten,einer zweyten,einem zweyten,
Einen zweyten,eine zweyte,ein zweytes, u.s.w.

Eben so gehen die übrigen, der dritte, vierte, fünfte;, sechste, siebente, achte, neunte, zehnte, eilfte, zwölfte, dreyzehnte, u.s.w. zwanzigste, dreyzigste, vierzigste etc. hundertste, tausendste, u.s.w.

[320] 8 §. Viel gewöhnlicher sind die Zahlen mit dem bestimmten Geschlechtsworte, der, die, das; wie man hier sehen wird:


Einfach.


Der erste,die erste,das erste,
des ersten,der ersten,des ersten,
dem ersten,der ersten,dem ersten,
den ersten,die erste,das erste,
o du erster,o du erste,o du erstes,
von dem ersten.der ersten.dem ersten.

Vielfach.


Die ersten Männer,Frauen,Kinder,
der ersten Männer,Frauen,Kinder,
den ersten Männern,Frauen,Kindern,
die ersten Männer,Frauen,Kinder,
o ihr ersten Männer,Frauen,Kinder,
von den ersten Männern,Frauen,Kindern.

Eben so gehen der dritte, der vierte, der fünfte, u.a.m. Wann aber die Oberländer, anstatt des zweyten, der anderte sagen, so fehlen sie doppelt: einmal, weil sie ein t in das Wort mengen, wo es nicht hinein gehöret; und sodann, weil andere sich nicht auf das erste, sondern auf das eine, beziehen muß:Der eine hie, der andere dort.

9 §. Endlich pflegt man die Zahlwörter auch neben den Hauptwörtern, ohne alle Geschlechtswörter zu setzen: und alsdann kommen sie eben so heraus, als oben im 6 §. wenn man den unbestimmten Artikel wegläßt. Z.E. Erster Theil, zweyte Schrift,drittes Buch, u.s.w. Doch kann man dergestalt die Fallendungen nicht bilden, ohne ein Geschlechtswort dazu zu nehmen. Auch in der vielfachen Zahl geht es nicht an, dergestalt zu reden. Z.E. Siebente Jahre der [321] Menschen sind gefährlich, kann man nicht sagen: denn man muß sprechen, die siebenten; oder noch besser, das siebente etc. Daß diese Ordnungszahlen zuweilen mit einem großen Buchstab geschrieben werden: z.E. August, der Dritte, ist ein Misbrauch, und eben so wenig gegründet, als wenn man die Beywörter so schreibt Z.E. Karl derGroße 7.

10 §. Schlüßlich können die Zahlwörter auch zu Hauptwörtern werden, wenn man sie abgesondert betrachtet, oder gewisse Zahlen zu einem Maaße der übrigen machen will. Z.E. eine Zehn, das Zehend, das Dutzend, das Mandel, das Schock, daserste Hundert, das zweyte Tausend, u.s.w. 8 Man hat aber dabey eben nichts besonders zu beobachten, als daß sie alle des ungewissen Geschlechtes sind: daher denn einige fälschlich sagen, die Mandel; zumal da es dergestalt mit den Mandeln vermenget werden könnte. Daß man aber auch Nebenwörter aus den Zahlen machen könne, als erstlich, zweytens, drittens, u.s.w. und daß man theilungsweise, je vier und vier, oder je sechs und sechs, in einem Gliede, u.s.f. zu sagen pflegt, welches die Lateiner, QUATERNI, SENI, etc. zu sagen pflegen; das hat keine Schwierigkeit; wird auch bey den Nebenwörtern noch vorkommen.

[322] 11 §. Noch zweyerley Arten der Zahlwörter muß man merken, ehe wir schließen; nämlich die theilenden, und die vermehrenden. Die ersten sondern etwas in seine Classen oder Abtheilungen, deren so viele und so wenige seyn können, als man nur will. Diese Art wird aus den Grundzahlen und der Syllbe ley 9 zusammengesetzet, und alsdann sehen sie nach der Reihe so aus:


Einerley,neunerley,vierzigerley,
zweyerley,zehnerley,funfzigerley,
dreyerley,eilferley,sechzigerley,
viererley,zwölferley,siebzigerley,
fünferley,dreyzehnerley,achtzigerley,
sechserley,vierzehnerley, etc.neunzigerley,
siebenerley,zwanzigerley,hunderterley,
achterley,dreyzigerley,tausenderley.

12 §. Diese Art der Zahlen nun ist in allen Geschlechtern unveränderlich, und leidet auch sonst keine Abänderung. Ganz anders ist es mit den vermehrenden Zahlwörtern. Diese sind wieder dreyerley: denn einmal werden sie mit der Syllbe fach, zweytens mit fältig, und drittens mit der Syllbe mal, als dreyen Vermehrungszeichen zusammen genommen. Sie sehen so aus:


Einfach,Einfältig,Einmal,
zweyfach,zweyfältig,zweymal,
dreyfach,dreyfältig,dreymal,
vierfach,vierfältig,viermal,
fünffach, etc.fünffältig, etc.fünfmal, etc.
zehnfach,zehnfältig,zehnmal,
zwanzigfach, etc.zwanzigfältig, etc.zwanzigmal, etc.
hundertfach,hundertfältig,hundertmal,
tausendfach, etc.tausendfältig, etc.tausendmal, u.s.w.

[323] 3 §. Sind nun gleich diese Zahlwörter, so schlechthin als Grundzahlen betrachtet, wie die Nebenwörter, unveränderlich: so können sie doch auch mit den Hauptwörtern zusammengesetzet werden, und alsdann verschiedene Geschlechter und Fallendungen annehmen; nachdem sie mit dem unbestimmten, oder bestimmten Geschlechtsworte verbunden werden. Z.E. das erste sieht so aus:


Ein einfacher
Zeug,eine zweyfache Schnur,ein dreyfaches Tuch,
eines einfachen,einer zweyfachen,eines dreyfachen,
einem einfachen,einer zweyfachen,einem dreyfachen,
einen einfachen,eine zweyfache,ein dreyfaches,
o du einfachet,o du zweyfache,o du dreyfaches,
von dem
einfachen.von der zweyfachen.von dem dreyfachen.

Hierbey ist nur zu merken, daß das zweyfache auch wohl zwiefach gesprochen und geschrieben wird; nichtaber zweenfach, oder zwofach. Die Ursache ist, weil die Zahl hier niemals auf das Hauptwort, sondern auf das fach geht, und also immer einerley bleiben muß. Mit dem einfältigen, u.s.w. und einmaligen etc. geht es auf eben die Art, wenn das unbestimmte Geschlechtswort davor steht. Man spricht auch wohl zwiefältig; aber nie zwiemalig, sondern zweymalig.

14 §. Ein anders ist es mit dem bestimmten Artikel, der, wie oben bey den Beywörtern, also auch hier, die Endungen in vielen Fällen ändert. Ich will davon dasfältige, und malige zum Muster geben.


Der, die, das zweyfältige,zweymalige.
des, der, des dreyfältigen,dreymaligen,
dem, der, dem vielfältigen,viermaligen, etc.
den fünffältigen, die
und das fünffältige, fünfmalige.
o du sechsfältiges
sechsfältige, sechsfältiges,
von dem, der, dem siebenfältigen.

In der vielfachen Zahl bleibt alles unverändert bey dem en, in allen Endungen und Geschlechtern.

[324] Auf eben die Art geht es mit dem Worte doppelt. Es pflegt auch von einigen mit den Zahlen verbunden zu werden, als zweydoppelt, dreydoppelt, vierdoppelt. Allein, es geschieht nicht mit sattsamer Richtigkeit. Doppelt heißt an sich schon zweyfach; was bedarf es denn das zwey? Dreydoppelt aber ist widersinnisch: wofern es nicht soviel, als sechsfach, wie vierdoppelt achtfach heißen soll.

Fußnoten

1 Es ist eine etymologische Frage, woher das zig, bey unsern Zehnern komme? Da ist mir nun folgende Muthmaßung eingefallen. Man hat, wie ich glaube, erstlich nach der Zahl der Finger gezählet, und wenn es z.E. Geld gewesen, die ersten zehn Stücke weggezogen; um die folgenden zehn hinzuzählen. Diese zog man wieder weg, und so zählete man der Kürze wegen, zween Züge, u.s.f. drey Züge, vier Züge, d.i. zwanzig, dreyzig, vierzig, u.s.w. Nach dieser Ableitung sollte man nicht dreyßig, sondern wie bey allen andern zig, schreiben. Ich habe in alten Büchern auch Spuren gefunden, daß meine Muthmaßung gegründet ist. Es stund nämlich vierzüg, funfzüg, u.d.gl. gedrucket.

2 Doch könnte man zuweilen auch so sagen: Die Spanier, Franzosen und Wälschen sind verdorbene Lateiner: nur die einzigen Deutschen reden eine eigene Sprache. Dieß hat mir ein scharfsinniger Freund angemerket.

3 Wem hier das zween, zwo, zwey, fremd vorkömmt, der bedenke nur: daß unsere Alten, und selbst die deutsche Bibel dieses genau beobachtet haben. Es heißt z.E. in derselben: Es giengen seiner Jünger zween etc. zwo junge Tauben etc. zwey Dinge, o Herr, bitt ich von dir. Imgleichen in dem Evangel. am Michaelisfeste heißt es: es ist dir besser etc. denn daß du zween Füße, zwo Hände, zwey Augen habest etc. Und Besser schrieb im vorigen Jahrhunderte:

Zwo Seelen, durch ein Feur wie Wachs zuhauf geronnen,

Zwey Herzen, die vermischt ein Wesen nur gewonnen,

Zween Menschen, die vereint, ein Leben nur gefühlt etc.

4 Hier wendet mir jemand ein, daß es gewöhnlicher sey, diese Zahlwörter in allen Fällen, als unabänderlich zu brauchen. Allein, es fraget sich, bey wem diese Gewohnheit gelte? Nachläßigkeiten, auch der Gelehrten, geben keine Regeln in der Sprache. Wie wenig aber hat man sich bisher beflissen, grammatisch deutsch zu reden oder zu schreiben? da unzählige nicht einmal gewußt, ob es eine deutsche Grammatik gäbe?

5 Viele pflegen so zu zählen: der erste, andere, dritte, vierte, abet falsch: es muß heißen, der zweyte. Denn wie im Lateine auf PRIMUS, nicht ALTER, sondern SECUNDUS folget: so ist es auch im Deutschen. Wann nur zwey Dinge sind, so kann man gar wohl sagen, das eine, das andere, wie sich im Lateine, ALTER auf ALTER bezieht. Auf den ersten aber, muß der zweyte folgen. Ein langer Misbrauch rechtfertiget nichts.

6 Man merke hier, daß es eine unnöthige Spitzfindigkeit ist, wenn einige im weiblichen Geschlechte sagen wollen, det zwote. Denn wenn dem also wäre, so müßte es auch im männlichen Geschlechte heißen, der zweente, welches aber abgeschmackt wäre. Auch der zwete, oder zweete, kann keine statt finden.

7 Ein gelehrter Mann fraget hier, ob diese Beywörter nicht eigene Namen sind? Ich antworte, daß noch niemand den Großen schlechtweg genannt hat; wenn er Alexandern, oder Karlen den Großen hat nennen wollen. Denn wer würde das verstehen? Ein anders wäre es, wenn der Beynamen an sich ein Hauptwort wäre; als Heinrich der Vogler; oder Friedrich derRothbart; nicht der rothbärtige. Man wirft mir ein, der Große sey ein SUBSTANTIVUM; weil niemand sagen würde, der große Karl. Aber falsch: Denn freylich hat Kanitz so geschrieben:Dieß ist der große Karl, Pipins des kleinen Sohn.

8 Man saget aber auch theilungsweise zu Hunderten, zu Tausenden: so wie zu Schocken, zu Mandeln, zu Dutzenden. Imgleichen Dutzendweis, Mandelweis, Schockweis: aber Hundertweis, Tausendweis, saget man nicht.

9 Diese Syllbe wird von einigen Oberländern auch an andere Fürwörter gehenket, z.E. derley, aber ohne Grund und Noth. Denn machet man gleich allerley, beyderley, keinerley, mancherley, solcherley, vielerley, so folget darum noch nicht, daß auch derley gut sey; zumal, da wir schon dergleichen, odersolche haben, welche eben das bedeuten.

Das V Hauptstück
Das V Hauptstück.
Von den Fürwörtern (Pronominibus).

1 §.


Es ist schon oben gemeldet worden, daß es unbequem seyn würde, in allen Fällen die Hauptwörter selbst zu brauchen. Darum haben alle Sprachen gewisse kleinere Wörter, die man an ihrer statt brauchet. Und weil sie also für andere gebrauchet werden: so nennet man sie Fürwörter. Man muß damit die Vorwörter (PRÆPOSITIONES) nicht vermengen, die nichtfür, sondern vor andere gesetzet werden, wie wir hernach zeigen wollen. Es sind aber die Fürwörter 1)persönliche, 2) zueignende, 3) anzeigende, 4) fragende, 5) beziehende, und 6) noch einige uneigentliche Fürwörter. Alle haben gewisse Abänderungen, von denen wir besonders handeln wollen.


I. Persönliche Fürwörter.
(Pronomina Personalia.)

2 §. Die deutschen Fürwörter sind in ihren Abänderungen eben so wenig ganz gleichförmig, als die Fürwörter anderer Sprachen; sondern sie weichen zuweilen von ihrem Stamme merklich ab, sonderlich die persönlichen. Diese sind aber dreyerley, so viel es nämlich Personen giebt, von denen man sprechen kann. Denn der redende selbst, ist die erste Person:Ich. Derjenige, mit dem dieser spricht, ist die zweyte Person, Du: und von wem sie sonst, außer ihnen, sprechen, das ist [326] die dritte Person; Er, oder Sie. Denn in diesem Falle unterscheidet man in der einzelnen Zahl auch die Geschlechter; die aber in den beyden ersten Personen, wie hier in der mehrern, durchgehends einerley bleiben. Die Abänderung derselben wird so gemachet:


Einfach.Einfach.
I. P. Ich,II. P. Du,III. P. Er,Sie,Es,
Meiner,Deiner,Seiner,Ihrer,Seiner,
Mir,Dir,Ihm,Ihr,Ihm,
Mich,Dich,Ihn,Sie,Es,
o Ich!o Du!– –– –– –
von Mir,von Dir,von Ihm,von Ihr,von Ihm.

Vielfach.Vielfach.

Vielfach.Vielfach.
I. P. Wir,II. P. Ihr,III. P. Sie,
Unser,Euer,Ihrer,
Uns,Euch,Ihnen,
Uns,Euch,Sie,
o Wir!o Ihr! – – –
von Uns,von Euch.von Ihnen.

3 §. Von dem Gebrauche dieser Fürwörter ist zu merken, daß die alten Deutschen, sowohl als die Griechen und Römer, dieselben in ihrer natürlichen Bedeutung gebrauchet haben: die Leute, mit denen sie redeten, mochten so vornehm seyn, als sie wollten. So hieß Diogenes den großen Alexander, Cicero den Cäsar, und Plinius den Trajan schlechtweg Du: und in Übersetzung alter Schriftsteller muß man dabey bleiben 1; obgleich einige Neuere, z.E. Sartorius, in des Plinius Briefen, das Du allemal in Er verwandelt haben. Denn diese neumodische Höflichkeit würde in dem Munde der Alten nur lächerlich klingen, und ihre Rede entkräften. Ja, selbst unsere Dichter thun sehr wohl daran, daß sie, in ihren Gedichten, auch die großen Herren mit Du anreden: denn dieses klingt viel edler, und ersparet ihnen viel Umschweife von Titeln und weitläuftigen Redensarten.

[327] 4 §. Als aber, in den mittlern Zeiten, die deutschen Longobarden, Franken und Gothen in Wälschland, Frankreich und Spanien herrscheten, hat man unvermerkt die Art von Höflichkeit und Ehrerbiethung eingeführet, daß man mit einer vornehmen Person in der vielfachen Zahl sprach; und sie anstatt du mit ihr anredete. Da dieses mehr und mehr Beyfall fand, ward es in ganz Europa allgemein, und erstreckete sich um Karls des V Zeiten schon auf alle Mittelleute, die mit ihres gleichen sprachen 2. Und hiebey haben es die Franzosen und Engländer bis auf diese Stunde gelassen: die auch gegen Könige und Fürsten, mit ihrem VOUS, und YOU, auskommen. Wir Deutschen haben auch noch ein Überbleibsel davon übrig, wenn wir in einer Anrede sagen, und schreiben: Eure Majestät, Eure Durchlauchten, Eure Hoch- und Wohlgebohrnen, Eure Hochwürden, u.d.gl.m.

5 §. Doch dabey blieb es nicht. Im vorigen Jahrhunderte hat Deutschland und Italien einen höhern Grad der Höflichkeit darinnen gesuchet, daß man anstatt der zweyten Person Du, die dritte der einzelnen Zahl, nämlich Er und Sie, zu brauchen angefangen. Man sprach also, für, Du hast [328] mirs gesagt, Er hat mir gesagt, oder Sie hat mir gesagt: und so redeten die höflichsten Leute damals; ja noch itzo giebt es Landschaften in der Schweiz und in Niedersachsen, wo man damit zufrieden ist. Allein, bald zu Anfange dieses Jahrhunderts hat man die Sprache noch höher getrieben, und gar die vielfache Zahl der dritten Person, für die einfache der zweyten, zu brauchen angefangen. So heißt es nunmehr, anstatt des obigen:


Natürlich.althöflich.mittelhöflich.
1 P. Ich bitte dich,Ich bitte euch,Ich bitte ihn,
2 P. Du bittest mich,Ihr bittet mich,Er bittet mich,
3 P. Er bittet mich,Sie bitten mich,Dieselben bitten mich.

neuhöflich.überhöflich.
1 P. Ich bitte Sie,Ich bitte Dieselben
2 P. Sie bitten mich,Dieselben bitten mich.
3 P. Ich habe es von Ihnen,Ich habe es von Denenselben.

6 §. Aber auch in diesen Überfluß von Höflichkeit haben sich noch einige Unordnungen eingeschlichen. Man hat nämlich angefangen, einigen Wörtern andere Endungen zu geben, und wohl gar andere an ihre Stelle einzuschieben, als z.E. Ihro, anstatt Ihre, oderIhrer; und Dero gleichfalls für Ihre, oderIhrer: als wenn man saget: Ich kenne Dero Bibliothek; ich liebe Dero Haus. Und spricht man gleich häufig: Ihro Majestät, Ihro Durchl. so sollte doch dafür billig Eure gesetzet werden, wenn man die Person anredet. Hergegen wenn man in der dritten Person von ihr spricht; so muß es heißen: Seine Majestät, wenn es ein König, und Ihre Majestät, wenn es eine Königinn ist: wie auch wirklich die besten Schriftsteller bereits seit einiger Zeit gethan haben 3. Es heißt also:


recht.falsch.
2 P. Eure Wohlgebohrnen,Ihre Wohlgebohrnen Gnaden.
3 P. Seine Wohlgebohrnen,Ihre Hochwohlgebohrnen
Gnaden.
3 P. Ihre Wohlgebohr, oderIhre Hochgeb. Gnaden.

recht.falsch.
2 P. Eure Gnaden, oder Durchlauchten,
3 P. Seine Gnaden, oder Durchlauchten,Ihro Gnaden.
3 P.Ihre Gnaden, oder Durchlauchten.Ihro Durchl.

recht.falsch.
1 P. Unsere Majestät,
2 P. Eure Majestät,Ihro Majestät.
3 P. Seine, oder Ihre Majestät.Ihro Majestät.

7 §. Zu diesen persönlichen Fürwörtern kömmt nun noch ein gewisser erhöhender Zusatz, der bald ganz unabänderlich, [330] bald auch mit einigen verschiedenen Endungen gebrauchet wird. Es ist das Wörtchenselbst, selber oder selbsten: denn es ist ohne allen Unterschied auf dreyerley Art im Schwange. Man saget nämlich:


Ich selbst,Du selbst,Er selbst,Sie selbst.
Ich selber,Du selber,Er selber,Sie selber, u.s.w.

Doch in der zweyten Fallendung, um des Übelklanges halber, meiner selber, deiner selber, seinerselber, nicht im Gebrauche: und in der mehrern Zahl ist es eben so; daß man lieber unser selbst, oder selbsten, als, unser selber, saget und schreibt 4. Sonst aber saget man ohne Unterschied:


Wir selbst,Ihr selbst,Sie selbst,
selber,selber,selber,
selbsten,selbsten,selbsten, u.s. w

8 §. Zu diesen gehöret noch das zurückkehrende Fürwort (PRONOMEN RECIPROCUM) Seiner, welches so abgeändert wird:


Einfach.


Die erste Endung fehlet,

Seiner,Ihrer,Seiner.

Sich, durchgehends; nicht im männl. Geschl. Ihm, im weibl. Geschl. Ihr.

Sich, nicht ihn, sie, oder es.

– – – – – –

von Sich; nicht von Ihm und von Ihr.


Vielfach.


Die erste Endung fehlet,

Ihrer,

Sich, nicht Ihnen,

Sich,

Die fünfte mangelt,

von Sich; nicht von Ihnen, wie einige sprechen.


[331] Man soll nämlich keine Undeutlichkeit dadurch einführen, daß man die dritte Person mit diesem zurückkehrenden Fürworte vermischet. Es heißt: sie haben das von sich selbst gethan: nicht von ihnen 5 selbst. Denn mehreres Nachdruckes halber, wird dieß Wort gemeiniglich noch beygefüget.


Die zueignenden Fürwörter.
(Pronomina Possessiva.)

9 §. Das zueignende Fürwort ist, mein, meine,mein, welches wie ein Beywort dreyer Endungen, abgeändert werden kann; wie folget:


Einfach.


Mein Mann,meine Frau,mein Kind,
meines Mannes,meiner Frau,meines Kindes,
meinem Manne,meiner Frau,meinem Kinde,
meinen Mann,meine Frau,mein Kind,
o mein Mann,meine Frau,mein Kind,
von meinem Manne.meiner Frau.meinem Kinde.

Vielfach.


Meine Männer,Frauen,Kinder,
meiner Männer,Frauen,Kinder,
meinen Männern,Frauen,Kindern,
meine Männer,Frauen,Kinder,
o meine Männer,Frauen,Kinder,
von meinen Männern,Frauen,Kindern.

[332] 10 §. Nach eben diesem Muster gehen auch folgende fünf:


Dein,deine,dein,
Sein,seine,sein,
Ihr,ihre,ihr,
Unser,unsere,unser,
Euer,eure,euer.

In der einfachen Zahl nämlich, leiden sie nach den Geschlechtern eine Veränderung: in der mehrern Zahl aber nicht. Man merke nur, als etwas besonders: daß nämlich die Wörter des weiblichen Geschlechtes, anstatt des Fürwortes sein, allemal das ihr zu sich nehmen. Wenn zum Exempel der Lateiner saget: FEMINA SUAM HABET DOTEM; und der Franzos, LA FEMME À SA DOT: so saget der Deutsche nicht, die Frau hat sein Heurathsgut; sondern ihr Heurathsgut 6.

11 §. Bey diesen Fürwörtern ist noch zu merken, daß sie bisweilen auch ohne Hauptwort zu stehen kommen: und alsdann nimmt das männliche Geschlecht in der ersten Endung der einfachen Zahl, einer, das ungewisse aber ein es an: als:


Meiner,meine,meines,
Deiner,deine,deines,
Seiner,seine,seines,
Ihrer,ihre,ihres, u.s.w.

Ja man läßt es dabey nicht bewenden; sondern man bildet auch noch folgende Arten von abgesonderten Wörtern daraus, die mit dem bestimmten Geschlechtsworte gebrauchet werden:


[333]
Der Meinige,die Meinige,das Meinige,
des Meinigen,der Meinigen,des Meinigen,
dem Meinigen,der Meinigen,dem Meinigen,
den Meinigen,die Meinige,das Meinige,
– – – – –– – – – –– – – – –
von dem Meinigen.der Meinigen.dem Meinigen.

Eben so gehen auch, der Deinige, Seinige, Unsrige, Eurige, Ihrige. In der mehrern Zahl heißt es davon in allen Geschlechtern unverändert:


Die Meinigen,Deinigen,Seinigen,
Unsrigen,Eurigen,Ihrigen,
der Meinigen,Deinigen,Seinigen,
Unsrigen,Eurigen,Ihrigen,
den Meinigen,Deinigen,Seinigen,
Unsrigen,Eurigen,Ihrigen,
die Meinigen,Deinigen,Seinigen,
Unsrigen,Eurigen,Ihrigen,
o ihr Meinigen,– – –– –
Unsrigen,– – –– –
von den Meinigen,Deinigen,Seinigen,
Unsrigen,Eurigen,Ihrigen.

III. Die anzeigenden Fürwörter.
(Pronomina Demonstrativa.)

12 §. Die Anzahl dieser Art Fürwörter ist ziemlich groß. Denn außer dem, daß der, die, das, auch als ein solches angesehen wird, wenn es ohne ein Hauptwort gebrauchet wird: so giebt es noch folgende: Dieser, jener, selbiger, solcher,derselbe, derselbige, derjenige, u.s.w. Wie sie abgeändert werden, zeigen diese Muster:


Einfach.


Der,die,das,Dieser,diese,dieses,
dessen,deren,dessen,dieses,dieser,dieses,
dem,der,dem,diesem,dieser,diesem
den,die,das,diesen,diese,dieses,
von dem,der,dem.von diesem,dieser,diesem.

[334] Vielfach.


Die, in allen Geschlecht.Diese, in allen Geschlecht.
derer, in allen Geschlecht.dieser, in allen Geschlecht.
denen, in allen Geschlecht.diesen, in allen Geschlecht.
die, in allen Geschlecht.diese, in allen Geschlecht.
von denen, in
allen Geschlecht.von diesen, in allen Geschlecht.

Hier bemerke man den Unterschied dieses Fürworts von dem bestimmten Geschlechtsworte, den wir oben a.d. 165 S. angezeiget haben; imgleichen, daß man unrecht im dritten Geschlechte, dis oder diß, schreibt: denn von dieser und diese, kann nurdieses; und verkürzet, durch Ausstoßung des e dieß, herkommen. Man läßt nämlich in der deutschen Zusammenziehung nichts mehr, als den Selbstlaut aus.

13 §. Wie aber die erste Hälfte dieser Classe von Fürwörtern aussieht, als ob sie einen unbestimmten Artikel vor sich hätte: so ist die letzte Hälfte derselben wirklich mit dem bestimmten zusammen gesetzt. Daher ändert sich auch die Abänderung derselben in etwas, und folgendes Muster wird zeigen, wie auch die übrigen dieser Art gehen müssen.


Einfach.Vielfach.
Derselbe,dieselbe,dasselbe,Dieselben,
desselben,derselben,desselben,derselben,
demselben,derselben,demselben,denselben,
denselben,dieselbe,dasselbe,dieselben,
die fünfte mangelt, – –
von demselben,derselben,demselben,von demselben.

14 §. Man merke also, daß es auch in der mehrern Zahl ein Überfluß ist, dererselben und denenselben; imgleichen dererjenigen, und denenjenigen zu sagen und zu schreiben: weil das Geschlechtswort der, die, das, womit hier dasselbe verbunden wird, diese Verlängerung nicht erfodert. Imgleichen ist es falsch, wenn man in der er sten Endung der vielfachen Zahl saget, dieselbe Männer; diejenige Freunde etc. da es heißen sollte, dieselben oder dieselbigen [335] Männer, diejenigen Freunde, und so weiter 7. Denn daß das bestimmte Geschlechtswortder, die, das, solches n in der mehrern Zahl erfodere, haben wir oben im 5 §. a.d. 252 S. erinnert. Eben das ist von den vorigen Fürwörtern diese, und jene zu beobachten; welche auch an denen nach ihnen folgenden Beywörtern, in der vielfachen Zahl ein n begehren: als z.E. diese gelehrten Leute; jeneschönen Kinder.


IV. Die fragenden Fürwörter.
(Pronomina Interrogativa.)

15 §. Die Deutschen haben eigentlich nur ein fragendes Fürwort, Wer? welches zugleich männliches und weibliches Geschlechtes ist, und im ungewissenwas? hat. Es war auch sehr natürlich, das erste ohne Unterschied zu brauchen; da der Fragende eigentlich noch nicht weis, ob es Mann oder Weib seyn wird, der etwas gethan, oder gesaget hat. Die Abänderung geht so: doch das ungewisse Geschlecht hat nur die erste und vierte Endung.


Einfach.


Männl.
u. weibl.Wer?ungew. was?
wessen? in dreyen Geschl.
wem? in dreyen Geschl.
Männl. u. weibl.wen?was?
– –– –
von wem? in dreyen
Geschl. nicht von was?

Die mehrere Zahl fehlet auch gänzlich: indem gleichsam ein Fragender noch nicht weis, ob es einer, oder viele gethan [336] haben. Wem diese Ursache nicht zuzulangen scheint, der mag so gut seyn, und uns eine bessere geben.

16 §. Indessen pflegt man auch die Wörter, welcher, und was für einer, zu fragenden Fürwörtern zu machen. Das erste gehöret auch wirklich dazu; ob es gleich auch in folgender Classe, zu den beziehenden gerechnet wird: wo man seine Abänderung sehen kann. Das andere ist sehr zusammen gesetzet, und richtet sich ganz nach der Abänderung des Zahlwortes Einer, eine, eines. Man merke nur, daß man nicht sagen muß, was vor einer, sondern wasfür einer; wie bey den Vorwörtern in der Wortfügung gezeiget werden wird 8. Zum Überflusse mag folgendes Muster noch hier stehen:


Einfach.


Was für einer?was für eine?was für eins?
was für eines?was für einer?was für eines?
was für einem?was für einer?was für einem?
was für einen?was für eine?was für eins?
von was für einem?was für einer?was für einem?

Vielfach.


Was für welche?in allen Geschlechtern,
was für welcher?
was für welchen?
was für welche?
von was für welchen?
[337] V. Die beziehenden Fürwörter.
(Pronomina Relativa.)

17 §. Eigentlich haben wir nur das einzige beziehende Fürwort, welcher, welche, welches; ob es gleich auch zu der Zahl der fragenden gerechnet werden kann, und muß. Seine Abänderung sieht folgender Gestalt aus:


Einfach.Vielfach.
Welcher,welche,welches,Welche,
welches,welcher,welches,welcher,
welchem,welcher,welchem,welchen,
welchen,welche,welches,welche,
– – –– – –– – –– – –
von welchem,welcher,welchem.von welchen.9

18 §. Indessen ist zu merken, daß auch das Fürwort, der, die, das, mit zur Zahl der beziehen den gezogen werden kann. Man spricht nämlich eben sowohl: Derjenige, der mir das [338] gesaget hat: als, derjenige, welcher mir das gesaget hat: Helena, umderen willen Troja zerstöret worden; als, Helena, um welcher willen etc. Das Capitol, das einmal hölzern war; als, welches einmal hölzern gewesen. Seine Abänderung sieht daher so aus:


Einfach.Vielfach.
Der,Die,Das,Die,
dessen,deren,dessen,derer,
dem,der,dem,denen,
den,die,das,die,
– –– –– –– –
von dem,der,dem.denen.

Indessen brauchen gute Schriftsteller, weder eins, noch das andere allein; sondern wechseln damit, nachdem es der Wohlklang erfodert. Sonderlich muß man das Wörtchen das, welches sehr oft wiederzukommen pflegt, weil es bald das Geschlechts- bald das Fürwort, bald auch das Verbindungswort daß abgiebt, gut beobachten; damit es nicht etlichemal sehr nahe hintereinander vorkomme 10. Man brauchet daher an seiner Stelle, im ungewissen Geschlechte, auch wohlwas. Z.E. Das, was du mir gesaget hast: für welches, oder das.

19 §. Endlich wird auch das Wörtchen so sehr häufig, als ein beziehendes Fürwort, und zwar ohne Unterschied der Geschlechter, Fall- und Zahlendungen gebrauchet; und es fraget sich, was davon zu halten sey? Die Redensarten klingen so: Derselbe, so zuerst die Sache erfunden; Die Braut, so er sich erwählet; Dasjenige, so sie mir geschrieben etc. Die Gaben, so ihm von der Natur verliehen worden, u.d.gl. Nun wäre zwar diese, bey vielen eingeführte Art zu schreiben, gar wohl zu dulden; wenn nur dieses Wörtchen [339] nicht schon ohne dieß gar zu oft vorkäme. Denn auf sehr viele Verbindungswörter, als wie,weil, nachdem, seitdem, wofern, etc. folget es in der andern Hälfte des Satzes überall. Die Vergleichungen werden auch damit gemacht, so groß, so reich, etc. andere Fälle zu geschweigen. Man enthalte sich also dessen, als eines beziehenden Fürwortes, so viel man kann; und brauche es nur, wo entweder ein Wort des ungewissen Geschlechtes, oder wann viele Wörter von verschiedenen Geschlechtern vorhergegangen: so wird es nicht gar zu oft erscheinen 11.


VI. Uneigentliche Fürwörter.
(Pronomina Impropria.)

20 §. Daß es noch verschiedene andere Fürwörter gebe, die zu den vorigen Arten nicht gehören, wird man leicht zugeben: wenn man sich nur auf man, es, einer, keiner, mancher, solcher, ein jeder, alle, ein einziger, jemand, niemand, jedermann und jedweder besinnt. Wir müssen also auch diese nicht vergessen. Diesesman, heißt fast soviel als jemand; nur daß es noch einen viel allgemeinern Gebrauch hat. Es ist aber eben sowohl unabänderlich, als das Wörtchen es, welches sich gar in der geschwinden Aussprache mit Wegwerfung des e, hinten an die Wörter [340] henken läßt. Z.E. ich habs ihm gesaget; er hats gesehen; erwirds thun. Das einer ist hier kein bloßes Zahlwort; wenn man saget: Was einer nicht gelernet hat, das kann er auch nicht. Denn es heißt soviel, als: was man, oder was jemand nicht gelernet hat etc.

21 §. Wir wollen also das Muster der Abänderung an keiner geben.


Einfach.Vielfach.
Keiner,keine,keines,Keine,
keines,keiner,keines,keiner,
keinem,keiner,keinem,keinen,
keinen,keine,keines,keine,
– –– –– –– – –
von keinem,keiner,keinem.von keinen.

Nach diesem richtet sich auch einer, nur daß dieses keine vielfache Zahl hat. Dafür aber könnenbeyde und alle gelten, welche nur in der mehrern Zahl statt haben. Weil man also sagen kann, sie gehöreten dazu: so wollen wir sie zusammen paaren:


Einfach.Zwiefach.Vielfach.
EinerEineEinsBeydeAlle
eines,einer,eines,beyder,aller,
einem,einer,einem,beyden,allen,
einen,eine,eins,beyde,alle,
o du einer,eine,eines,o ihr beyde!ihr alle!
von einem,einer,einem.von beyden.von allen.

Hergegen mancher und solcher, haben auch die mehrere Zahl, und gehen ohne alle Geschlechtswörter, so:


Einfach.Vielfach.
Mancher,manche,manches,Manche,
manches,mancher,manches,mancher,
manchem,mancher,manchem,manchen,
manchen,manche,manches,manche,
– – –– – –– – –– – –
von manchem,mancher,manchem.von manchen.

[341] 22 §. Ein jeder, ein jeglicher, ein jedweder, und ein einziger, richten sich ebenfalls mehrentheils nach diesem Muster; nur, daß das ein, auch für sich alle Abänderungen leidet; und gleichfalls keine mehrere Zahl hat.


Einfach.Vielfach.
Ein jeder,eine jede,ein jedes,fehlet
eines jeden,einer jeden,eines jeden,bey
einem jeden,einer jeden,einem jeden,allen,
einen jeden,eine jede,ein jedes,ausgen.
– – –– – –– – –die
von einem jeden,einer jeden,einem jeden.einzigen.

Was die übrigen anlanget, so haben sie gleichfalls ihre eigene Art der Abänderungen; wie wir gleich sehen wollen:


Jemand,Niemand,Jedermann,
Jemandes,Niemandes,Jedermanns,
Jemanden,Niemanden,Jedermann,
Jemanden,Niemanden,Jedermann,
– – –– – –– – –
von Jemanden.Niemanden.Jedermann.

In der vielfachen Zahl sind sie ihrer Bedeutung nach ungewöhnlich. Es ist ein Misbrauch, wenn viele, die aus gewissen Landschaften sind, in der ersten Endung zu sagen pflegen, jemands; oder in der sechsten, von jemandsen, niemandsen. Falsch ist auch jedermands, in der zweyten Endung: denn weil die erste kein d hat, so kann es auch die zweyte nicht bekommen. Außer dem s der zweyten Endung aber, nimmt dieß Wort keine weitere Bildung an; sondern bleibt in allen Verbindungen ganz unabänderlich.

Fußnoten

1 So hat der berühmte Ritter Hans von Schwarzenberg, im Anfange des XVI Jahrhunderts, den Cicero verdeutschet, und alle Römer einander du nennen lassen. S. seine übersetzten Officia, die er, von den tugendlichen Ämtern, gegeben hat; imgleichen den so genannten Teutschen Cicero, darinn das Buch dieses Römers, von dem Alter und von der Freundschaft enthalten sind. Auch in Nytharts verdeutschtem Terenz, der 1499 zu Ulm, in Fol. gedruckt worden, bemerket man eben dieses.

2 Schon am Ende des XV Jahrhunderts hat Hinrik von Alkmar, in Reineken dem Fuchse, alle Thiere einander ohne Unterschied mit ihr und euch anreden lassen! so gar, daß auch König Nobel, der Leu, die geringern Thiere eben so höflich anredet, als sie ihn anreden. Gleichwohl ist in fürstlichen Kanzleyen noch eine Spur der alten Art übrig, wenn große Herren ihre Edelleute und Amtleute, mit Du, Dir,Dich, anreden; da sie doch die Gelehrten, alsGeistliche, ihr nennen. Der Kaiser nennet in öffentlichen Schreiben auch Fürsten, Du.

3 Man machet hier den Einwurf: man spräche gleich wohl, Ihre Majestät haben befohlen; und da sollte das haben uns erinnern: daß es heißen müßte, Ihre und nicht Seine Majestät. Wenn dem also wäre, so müßte das Ihre der PLURALIS seyn: denn wäre es ein SINGULARIS, so schicket es sich eben so schlecht zum haben, als Seine. Nun ist es aber ein bloßer SINGULARIS, wie aus dem nebenstehenden Majestät erhellet. Denn Majestäten saget man nur in dem Falle, wo von zwoen oder mehrern königlichen Personen die Rede ist. Und wenn man bisweilen von einer so redet, so ist es ein Misbrauch. Reden große Herren von sich in PLURALI;Wir etc. so bedeutet dieß, aus Bescheidenheit, Sie und ihren Rath, ohne den sie nichts befehlen. Die Räthe aber sind keine Majestäten. Es ist also in der neuen Art von Höflichkeit ein handgreiflicher SOLŒCISMUS, der durch das Ihre oder Ihro nicht gut gemachet werden kann. Und man sollte ihn desto mehr abschaffen, da er nach einer für freye Deutsche ganz unanständigen Niederträchtigkeit schmecket. In der ganz alten fränkischen Sprache ist keine Spur von solcher gezwungenen Redensart. Ottfried redet, in seiner Zueignungsschrift an König Ludwigen, immer in der dritten Person, ohne ihn damit anreden zu wollen.

Themo, tihton ich thiz buah,

Oba er das habe ruah,

Oda er thaz gewinnet scit,

thaz er sa lezan heizit etc.

Dem dichte ich dieß Buch,

Ob er etwa geruhe,

Oder Zeit gewinne,

Daß er es lesen heißt.

Und schreiben die Alten gleich iro, anstatt ihre, so schreiben sie auch sinemo, sinero, thinero, d.i. seinem, seiner, deiner, u.d.gl. themo, wemo, für dem, wem. Wer eins behalten wollte, der müßte alle behalten.

4 Es wäre denn, daß einige andere Wörter darzwischen kämen, etc. Z.E. Unser keiner lebet ihm selber, unser keiner stirbt ihm selber, etc. wo aber das ihm unrichtig ist. S. den folg. §.

5 Folglich hat D. Luther, sowohl in der obigen Stelle, als sonst in der Bibel und in andern Schriften, ganz unrecht das ihm für sich gesetzt. Unser keiner stirbt sich selber etc. sollte es heißen. AuchOpitz hat hierinn bisweilen gefehlet: z.E. in dem Lobg. auf König Vladislas:

daß ihm der Ackersmann

Zur Ärnte keinen Trost noch Hoffnung machen kann.

Allwo es heißen sollte: daß sich der Ackersmann. Einige seiner Landsleute pflegen darinn auch noch itzo zu straucheln.

6 Vieleicht kömmt das daher, weil die Lateiner nur das eine PRONOMEN POSSESSIVUM in der dritten Person haben, SUUS, SUA, SUUM, welches sich auf beyde Geschlechter schicken muß. Die Franzosen sind ebenfalls nicht reicher hierinn: wir Deutschen aber haben für jedes Geschlecht eins, sein, seine,sein, und ihr, ihre, ihr.

7 Die Herren Thüringer, Franken und Schwaben haben den Ruf, daß sie nicht nur in diesen, sondern fast in allen andern Wörtern das n am Ende verbeißen. Daher sprechen sie, lebe', gebe', nehme', anstatt leben, geben, nehmen. Ob das schön gesprochen sey, weis ich nicht. Indessen sieht man, von wem die Franzosen ihre Nachläßigkeit in Aussprechung der letzten Syllben gelernet haben.

8 Der sel. Hofrath Geßner stund hier in den Gedanken, für sey altfränkisch, und vor sey neu deutsch; seitdem man anstatt des untrennbaren Vorwortesvor, angefangen hätte ver, zu schreiben. Allein, hier kann man leicht zeigen, daß vor eben so alt ist, als für; und zwar in eben dem Unterschiede der Bedeutungen, die ich angebe: so wie in einer besondern Abhandlung in den kritischen Beyträgen erwiesen worden. In Notkers 43stem Psalme (S. Schilters THES. TOM. I.p. 98. im 17ten V.) steht: PRO PATRIBUS TUIS NATI SUNT FILII etc. Fure die Apostolos, die er uuaren, sind dir uuorden ihro chind; und im 46sten Ps. im 1 V. die uuurden ju fore gezeichnet, mit dero chinde etc. d.i. die wurden auch vorbedeutet durch ihr Kinder. Auch steht in des 54sten Ps. 3tem V. Unde bin getruobet fore des etc. fiendes Stimme, unde fore dero pinun des sundigen, d.i. ET CONTURBATUS SUM A VOCE INIMICI, ET A TRIBULATIONE PECCATORIS. S, auch den 9ten V. wo das for wiederum zweymal vorkömmt; imgleichen den 5ten V. des 53sten Cap. ne habeton sie Gott fore Augen. So sind denn diese beyden Wörter gleich alt, nämlich aus dem 10ten Jahrhunderte. Das ver aber, als ein untrennbares Vorwort, ist eben so alt, ob es gleich auch in viel neuern Schriften, als vor geschrieben und gedrucket worden. Notker hat in diesen Psalmen ferloren, fernim, ferchoren, ferchurin, ferbrennet, ferfuorton, u.a.m.

9 Z.E. Das ist der Gelehrte, welcher das Buch geschrieben hat. Sieh da, die Frau, welcher Tochter dein Bruder hat. Dieß ist das Buch, welchem ich so gut bin. Das ist der Jünger, welchen Jesus lieb hatte. Es kömmt die Zeit, von welcher ich euch gesaget habe etc. Leute, welche sich klug dünken lassen; welcher Ehre zu Schanden wird, welchen der Bauch ihr Gott ist, welche das Unglück treffen wird, welches sie andern bereitet haben; und von welchen noch keiner der Strafe entgangen ist.

10 Man sehe hiervon im engländischen Zuschauer, die Spötterey über einige Schriftsteller seines Volkes, die selbiges in allerley Bedeutung gar zu oft hintereinander brauchen, im I Bande, a.d. 399 S.

11 Z.E. Das jenige Buch, so sie mir angepriesen haben etc. nicht der Mann, so sie mir, sondern den, oder welchen sie mir gerühmet; auch nicht die Frau, so ihnen schön dünket, sondern welche, oder die ihnen gefällt. Imgleichen der Kutscher, die Kutsche und die Pferde, so mich bedienet haben, gefallen mir sehr wohl. Bisweilen bedienet man sich auch der Bindewörter, da, und wo, anstatt des beziehenden Fürwortes; sowohl wenn sie durch ein Vorwort regieret werden, als wenn sie allein stehen. Z.E. der Ort, wo durch ich gegangen bin, das Geld, dafür ich Bürge geworden; der Weg, wo das Vieh weydet, oder wo hin das Heer geht.

Das VI Hauptstück
I Abschnitt
[349]
I Abschnitt.
Von den Hülfswörtern.

1 §.


Die Anzahl der Hülfswörter im Deutschen erstrecket sich auf zehn, und sie heißen 1) ich bin, 2) ich habe, 3) ich werde, 4) ich will, 5) ich soll, 6) ich kann, 7) ich darf, 8) ich mag, 9) ich muß, und 10) ich lasse. Alle diese werden mehr oder weniger, mit andern Zeitwörtern vereinbaret; als: ich bin gegangen, ich habe gegessen, ich werde sterben, ich will leben, ichsoll glauben, ich kann lesen, ich darf sprechen, ich mag hören, ich muß schweigen, und ich lasse reden. Die ersten drey kommen am häufigsten vor, darum müssen wir ihre Abwandelung ausführlich hersetzen. Dadurch werden sich auch die Anfänger vorbereiten, die folgenden Zeitwörter alle mit einander desto leichter zu fassen. Es ist aber kein Wunder, daß sie im Deutschen nicht ganz richtig bey einerley Regel bleiben; da sie auch im Lateine nicht ordentlich fließen. Denn von SUM, sollte kommen SUS, SUT; aber es hat dafür SUM, ES, EST: und so geht es auch mit den übrigen Zeiten, ERAM, ESSE, FUI, ERO, ENS, u.d.gl. 4.

[350] 2 §. Die Abwandelung des Hülfswortes, ich bin, ist folgende:


Die anzeigende Art.Die verbindende Art.
(Modus indicativus.)(Modus conjunctivus.)

Die gegenwärtige Zeit. (PRÆSENS.)


Einz.Ich bin,Daß ich sey, nicht seye,5
Du bist,daß du seyst, nicht seyest,
Er ist.daß er sey, nicht seye.
Vielf.Wir sind,Daß wir seyn, nicht seyen,
Ihr seyd,daß ihr seyd,
Sie sind, (nicht seyn.)daß sie seyn, nicht seynd.

Die kaum vergangene. (IMPERFECTUM.)


Einz.Ich war,Daß ich wäre,
Du warest,   du wärest,
Er war.   er wäre.
Vielf.Wir waren,Daß wir wären,
Ihr waret,   ihr wäret,
Sie waren.   sie wären.

Die völlig vergangene. (PERFECTUM.)


E. Ich bin gewesen, nicht gewest,6Daß ich gewesen sey,
 Du bist gewesen,   du gewesen seyst,
 Er ist gewesen.   er gewesen sey.
V. Wir sind gewesen,Daß wir gewesen seyn,
 Ihr seyd gewesen,   ihr gewesen seyd,
 Sie sind gewesen.   sie gewesen seyn.

Die längst vergangene. ( PLUSQUAMPERFECTUM.)


E. Ich war gewesen,Daß ich gewesen wäre,
 Du warest gewesen,   du gewesen wärest,
 Er war gewesen.   er gewesen wäre.
V. Wir waren gewesen,Daß wir gewesen wären,
 Ihr waret gewesen,   ihr gewesen wäret,
 Sie waren gewesen.   sie gewesen wären.

[351] Die ungewiß zukünftige. (FUTUR, INCERTUM.)


E. Ich will seyn,Daß ich seyn wolle,
 Du willst seyn,   du seyn wollest,
 Er will seyn.   er seyn wolle.
V. Wir wollen seyn,Daß wir seyn wollen,
 Ihr wollet seyn,   ihr seyn wollet,
 Sie wollen seyn.   sie seyn wollen.

Die gewiß künftige (FUTURUM CERTUM.)


E. Ich werde seyn,Daß ich seyn werde,
 Du wirst seyn,   du seyn werdest,
 Er wird seyn.   er seyn werde.
V. Wir werden seyn,Daß wir seyn werden,
 Ihr werdet seyn,   ihr seyn werdet,
 Sie werden seyn.   sie seyn werden.

Die bedingt künftige. (FUTUR. CONDIT.)


E. Ich würde seyn,Daß ich seyn würde,
 Du würdest seyn,   du seyn würdest,
 Er würde seyn.   er seyn würde.
V. Wir würden seyn,Daß wir seyn würden,
 Ihr würdet seyn,   ihr seyn würdet,
Sie würden seyn.   sie seyn würden.

Die gebiethende Art.Die unbestimmte Art.
(Mod. Imperat.)(Mod. Infinitiv.)

Gegenw. Z.E. Sey du.Gegenw. Z.Seyn,
V. Seyd ihr.Vergang. Z.Gewesen seyn,
Künft. Z.E. Du sollst seyn,Künft. Z.Seyn werden.
 Er soll seyn.Supin.Zu seyn,
V. Ihr sollet seyn,Gerund.Im seyn,
 Sie sollen seyn.Vom seyn,
Zum seyn.

[352] Mittelwörter. (PARTICIPIA.)


Der Gegenw. Zeit, ein Wesender 7.
Vergang. Zeit, ein Gewesener.
Künftig. Zeit, einer, der seyn wird.

3 §. Die Abwandelung des Hülfswortes Haben, geht so:

Die anzeigende Art.Die verbindende Art.

Die gegenwärtige Zeit.


Einz.Ich habe,Daßich habe,
Du hast,   du habest,
Er hat.   er habe.
Vielf.Wir haben,Daßwir haben,
Ihr habet,   ihr habet,
Sie haben.   sie haben.

Kaum vergangen.


E. Ich hatte,Daß ich hätte,
 Du hattest,   du hättest,
 Er hatte.   er hätte.
V. Wir hatten,Daß wir hätten,
 Ihr hattet,   ihr hättet,
 Sie hatten.   sie hätten.

Völlig vergangen.


E. Ich habe gehabt,Daß ich gehabt habe,
 Du hast gehabt,   du gehabt habest,
 Er hat gehabt.   er gehabt habe.
V. Wir haben gehabt,Daß wir gehabt haben,
 Ihr habet gehabt,   ihr gehabt habet,
 Sie haben gehabt.   sie gehabt haben.

[353] Längst vergangen.


E. Ich hatte gehabt,Daß ich gehabt hätte,
 Du hattest gehabt,   du gehabt hättest,
 Er hatte gehabt.   er gehabt hätte.
V. Wir hatten gehabt,Daß wir gehabt hätten
 Ihr hattet gehabt,   ihr gehabt hättet,
 Sie hatten gehabt.   sie gehabt hätten.

Ungewiß künftig.


E. Ich will haben,Daß ich haben wolle,
 Du willst haben,   du haben wollest,
 Er will haben.   er haben wolle.
V. Wir wollen haben,Daß wir haben wollen,
 Ihr wollet haben,   ihr haben wollet,
 Sie wollen haben.   sie haben wollen.

Gewiß künftig.


E. Ich werde haben,Daß ich haben werde,
 Du wirst haben,   du haben werdest,
 Er wird haben.   er haben werde.
V. Wir werden haben,Daß wir haben werden,
 Ihr werdet haben,   ihr haben werdet,
 Sie werden haben.   sie haben werden.

Bedingt künftig.


E. Ich würde haben,Daß ich haben würde,
 Du würdest haben,   du haben würdest,
 Er würde haben.   er haben würde.
V. Wir würden haben,Daß wir haben würden,
 Ihr würdet haben,   ihr haben würdet,
 Sie würden haben.   sie haben würden.

Die gebiethende Art.Die unbestimmte Art.
(Imp.)(Inf.)

Gegenw. Z.Habe du,Gegenw. Z.Haben.
Habet ihr.Vergang. Z.Gehabt
haben.
Künft. Zeit.Du sollst haben,Künftige Z.Haben
werden.
Er soll haben,Supin.Zu haben.
Ihr sollet haben,Gerund.Im haben,
Sie sollen haben.Vom haben,
Zum haben

[354] Mittelwörter.


Der gegenw. Z. Ein Habender, eine habende, ein habendes.
Der vergang. Z. Einer, der es gehabt hat.
Der künftig. Z. Einer, der da haben wird.

4 §. Das dritte Hülfswort, ich werde, hat folgende Abwandelung.

Die anzeigende Art.Die verbindende Art.
(mod. indic.)(mod. conjunct.)

Die gegenwärtige Zeit.


E. Ich werde,8Daß ich werde,
 Du wirst,   du werdest,
 Er wird.   er werde.
V. Wir werden,Daß wir werden,
 Ihr werdet,   ihr werdet,
 Sie werden.   sie werden.

Kaum vergangen.


E. Ich ward, oder wurde,9Daß ich würde,
 Du wardst, oder wurdest,   du würdest,
 Er ward, oder wurde.   er würde.
V. Wir wurden,Daß wir würden,
 Ihr wurdet,   ihr würdet,
 Sie wurden.   sie würden.

Völlig vergangen.


E. Ich bin geworden,10Daß ich geworden sey,
 Du bist geworden,   du geworden seyst,
 Er ist geworden.   er geworden sey.
V. Wir sind geworden,Daß wir geworden seyn,
 Ihr seyd geworden,   ihr geworden seyd,
 Sie sind geworden.   sie geworden seyn.

Längst vergangen.


E. Ich war geworden,Daß ich geworden wäre,
 Du warest geworden,   du geworden wärest
 Er war geworden.   er geworden wäre.
V. Wir waren geworden,Daß wir geworden wären,
 Ihr waret geworden,   ihr geworden wäret,
 Sie waren geworden.   sie geworden wären.

[355] Ungewiß künftig.


E. Ich will werden,Daß ich werden wolle,
 Du willst werden,   du werden wollest,
 Er will werden.   er werden wolle.
V. Wir wollen werden,Daß wir werden wollen,
 Ihr wollet werden,   ihr werden wollet,
 Sie wollen werden.   sie werden wollen.

Gewiß künftig.


E. Ich werde werden,Daß ich werden werde,
 Du wirst werden,   du werden werdest,
 Er wird werden.   er werden werde.
V. Wir werden werden,Daß wir werden werden,
 Ihr werdet werden,   ihr werden werdet,
 Sie werden werden.   sie werden werden.

Bedingt zukünftig.


E. Ich würde werden,Daß ich werden würde,
 Du würdest werden,   du werden würdest,
 Er würde werden.   er werden würde.
V. Wir würden werden,Daß wir werden würden,
 Ihr würdet werden,   ihr werden würdet,
 Sie würden werden.   sie werden würden.

Die gebiethende Art.Die unbestimmte Art.

Gegenw. Z.Werde du,Gegenw. Z.Werden.
Werdet ihr.Vergang. Z.Geworden seyn.
Künft. Z.Laßt uns werden,Supin.Zu werden.
Ihr sollet werden,Gerund.Im werden,
Sie sollen werden.Vom werden,
Zum werden.
Mittelwörter.

Der gegenw. Zeit, ein Werdender.
Der vergang. Zeit, ein Gewordener.
Der künftig. Zeit, einer, der da werden wird.

5 §. Die übrigen Hülfswörter wollen wir nur nach den Anfängen ihrer Zeiten hieher setzen, weil das übrige leicht nach diesen dreyen Mustern ausgefüllet werden kann. Sie gehen so:


Ich will, ich wolle,Ich soll, ich solle,
Du willst, nicht willt, etc.Du sollst, nicht sollt, etc.11
Ich wollte, etc.Ich sollte, etc.
Ich habe gewollt, etc.Ich habe gesollt, etc.12
Ich hatte gewollt, etc.Ich habe gesollt, etc.
Ich werde wollen, etc.Ich werde sollen, etc.
Wolle du, etc.Die gebiethende Art fehlet.
Wollen, etc.Sollen, etc.
ein Wollender.ein Sollender.

Die andern Mittelwörter fehlen.


[357] Eben auf den Schlag gehen, ich kann, und ichdarf.

Ich kann, ich könne,ich darfe, ich dörfe,
Ich konnte, ich könnte,Ich dorfte, ich dörfte,13
Ich habe gekonnt,Ich habe gedorft,
Ich hatte gekonnt,Ich hatte gedorft,
Ich werde können.Ich werde dörfen.

Die gebiethende Art fehlet hier in beyden.

Die unbestimmte Art.


Können, gekonnt haben,Dörfen, gedorft haben.
Ein Könnender.Ein Dörfender. Die andern fehl.

Ich mag, daß ich möge,Ich muß, daß er müsse,
Du magst, er mag,Du mußt, er muß,
Ich mochte, ich möchte,Ich mußte, müßte,
Ich habe gemocht,Ich habe gemußt,
Ich hatte gemocht,Ich hatte gemußt,
Ich werde mögen.Ich werde müssen.
Die gebiethende Art fehlet.

Mögen, gemocht haben,Müssen, gemußt haben.

Ein Mögender, ist nur in der Zusammensetzung gebräuchlich, ein Vermögender, imgl. die Hochmögenden Herren Gen. St.


Die beyden letzten gehen unrichtig.


Ich helfe,14Ich lasse,
Du hilfst, er hilft,Du lässest, er läßt,
Ich half, ich hülfe,Ich ließ, ich ließe,
Ich habe geholfen,Ich habe gelassen,
Ich hatte geholfen,Ich hatte gelassen,
Ich werde helfen,Ich werde lassen,
Hilf du,Laß du etc.
Helfen,Lassen,
Ein Helfender,Ein Lassender,
Ein Geholfener.Ein Gelassener.

[358] 6 §. Bey allen diesen Hülfswörtern bemerket man den Unterschied, daß sieben davon in der jüngstvergangenen Zeit die Syllbe te, und in der völlig vergangenen ein et, oder doch ein t annehmen; drey hergegen im ersten Falle kein te, sondern eine ganz andere Endsyllbe, und im zweyten ein en haben. Z.E. die ersten sind:


Ich darf,ich dorfte,dörfte,gedorft.
Ich habe,ich hatte,hätte,gehabt,
Ich kann,ich konnte,könnte,gekonnt.
Ichich
mag,mochte,möchte,gemocht,
Ich muß,ich mußte,müßte,gemußt,
Ich soll,ich sollte,15gesollt,
Ich will,ich wollte,gewollt.

Zur zweyten Art gehören


Ich bin,ich war,gewesen,
Ich lasse,ich ließ,gelassen,
Ich werde,ich ward,geworden.

Dieses hat nun bey allen übrigen Zeitwörtern statt, und giebt den Grund an: warum wir die Abwandelung der deutschen Zeitwörter in zwoen Arten vorstellen müssen. Die erste nennen wir die richtige Abwandelung; die zweyte aber die unrichtige 16. Von der ersten, als der leichtesten, machet folgender Abschnitt den Anfang: die andere folget, und alsdann machen einige abweichende Arten den Schluß.

Fußnoten

1 Vieleicht könnte man auch mit einigem Grunde einen MODUM POTENTIALEM, oder OPTATIVUM im Deutschen bilden. Denn man verbindet die Zeitwörter oft mit den Hülfswörtern mögen, können, wollen, sollen, u.d.gl. Z.E. Ich möchte es wissen: Ich könnte, wollte, sollte es wissen. Imgleichen ohne dieselben. O sähe, wüßte, hätte ich das! sähestu, wüßtestu, hättestu das! Allein, da dieses nur durch die Zusammensetzung der in den vorigen Arten schon vorkommenden Wörter geschieht, so kann man es dabey bewenden lassen. Ein verständiger Sprachenkenner hat bey mir schriftlich darauf gedrungen, einen MODUM OPTATIVUM einzurücken, und zwar der Jugend wegen, wenn sie aus dem Lateine was zu übersetzen hat. Allein, ich besorge, andern, zumal Ausländern, die Sprache dadurch, als sehr schwer vor Augen zu legen; wenn sie so viele MODOS lernen müßten.

2 Ich kann dieses nämlich gar wohl einräumen, ohne deswegen zuzugeben, daß das Hebräische die Sprache des ersten Menschen in der Welt gewesen; als welches von vielen gelehrten Männern nicht unglücklich widerleget worden. S. Clerici COMM. IN PENTATEUCH. DISS. PRÆL. Noch weniger darf ich das Deutsche von dem babylonischen Thurme, aus der vermeynten allgemeinen Sprachenverwirrung herleiten. Denn entweder ist dasjenige wahr, was der gelehrte Stiernhielm in der Vorrede zum gothischen Evangelio sehr gründlich dargethan: daß näml.Japhet, mit allen 15 Häuptern seines Geschlechtes, von welchem, nach Mosis Erzählung, die europäischen Völker herstammen, zum Thurmbaue nichts beygetragen, ja nicht einmal dabey gewesen: und folglich wäre die Sprache aller Japhetiten unmittelbar aus der Noachischen, vor der Sündfluth schon üblich gewesenen Sprache herzuleiten; ob sie sich gleich nach und nach in viele Zweige ausgebreitet hat, die von einander mehr oder weniger abgegangen. Oder es ist gar dasjenige wahr, was Joh. Georg Eccard, in seinem Werke DE ORIGINE GERMANORUM, gelehret: daß alle europäische Völker gar nicht vom Noah herstammen, sondern von einer ältern Colonie übrig geblieben, die vor der Sündfluth schon hieher gezogen; weil nämlich diese nicht alle nordische und westliche Länder getroffen, und also auch ihre Einwohner nicht vertilget hätte. Und so kömmt doch abermal der Schluß heraus; daß die celtische und scythische Sprache nicht unmittelbar aus der hebräischen, sondern aus der viel ältern Mutter derselben entsprungen, und also sowohl, als die übrigen asiatischen Sprachen, nur für eine Schwester derselben zu achten gewesen. Die dritte Meynung aber, daß gar die alte gothische, cimbrische oder schwedische Spr. wie einige glauben, für eine Mutter aller übrigen, auch der hebräischen Sprache zu halten sey, überlasse ich billig ihren Urhebern, einem Schriekius, Rudbek, und Becanus, zu verantworten. Wenigstens haben sie weder Sam. Rachel in Kiel, nochMorhof, so deutlich ins Licht gesetzet, daß man ihr Beyfall geben müßte. Überhaupt aber ist das falsch, daß die gothische Sprache im Evang. des Ulfilas mehr mit der schwedischen, isländischen oder dänischen, als mit unserm Deutschen, übereinkäme: wie der Augenschein in Stiernhielms Ausgabe, und die Vergleichung mit dem Dänischen sattsam zeiget. Denn ich getraue mir allemal doppelt soviel deutsche Wörter darinn zu finden, als ein Schwede oder Isländer, oder Däne, mir von den seinigen darinn zeigen wird.

3 Wenn die gothische Sprache des Ulfilas die Oberhand bekommen hätte, und nicht in König Theodorichs italienischem Reiche ins Wälsche gemenget worden, und also verloren gegangen wäre: so würden wir diese Weitläuftigkeit nicht nöthig gehabt haben. Denn darinn findet man diese sogenannten Hülfswörter nicht so, wie in dem alten Allemannischen und Fränkischen. Daher kann ich dem Abte Bessel in seiner gottwichischen Chronik nicht recht geben, wenn er diese Dollmetschung den Gothen ab-, und einem allemannischen oder fränkischen Übersetzer zuschreiben will. Im Ev. Luc. 1 Cap. 76 v. heißt das Gothische: Jah thu Barnilo, Praufetus hauhistins haitaza; fauragangis auk faura andwairthja Fanins, manujoms vigans imma. D.i. Und du Kindlein wirst ein Prophet des Höchsten heißen, und wirst vor dem Herrn hergehen, daß du ihm den Weg bereitest. Hier ist nun im Gothischen keine Spur eines Hülfswortes, oder Artikels, sondern alles ist durch bloße Endungen gebildet.

4 Der Griechen ihr ἐιμι ist nichts regelmäßiger. Der Wälschen ihr IO SONO, TU SEI, etc. und der Franzosen ihr JE SUIS, TU ES, NOUS SOMMES, J' ETOIS, ist ein verstümmeltes Latein, und also noch unordentlicher. Der Engländer I AM, I WAS, TO BE u.s.w. ist ein verdorbenes Deutsch, und also nichts richtiger gerathen. Kurz, kein Volk hat uns hierinn etwas vorzurücken.

5 Jemand meynet, das seye habe in verneinenden Reden, sey aber bey bejahenden statt. Meines Wissens ist dieser Unterschied weder irgendwo eingeführet, noch überhaupt nöthig.

6 Daß dieses falsch sey, zeiget die Analogie, oder Ähnlichkeit aller unrichtigen Zeitwörter, dergleichen dieses eins ist. Denn sobald das PRÆT. IMPERF. sich nicht auf te endiget, gehen alle SUPINA auf einen, und nicht auf ein t aus. Z.E. ich sehe, ich sah, gesehen; nicht gesehet; ich nehme, ich nahm, genommen, nicht genehmet; ich sitze, ich saß, gesessen, nicht gesesset: also auch ich bin, ich war, gewesen; nicht gewest.

7 Dieses einfache Mittelwort ist nun zwar nicht im Gebrauche: allein, in der Zusammensetzung saget man oft ein Abwesender, ein Anwesender. Es geschieht nämlich im Deutschen vielmals, daß zusammengesetzte Wörter gewöhnlich sind, wovon die einfachen das Glück nicht gehabt haben, beliebet zu werden.

8 Dieses werde haben die Gothen zwar, aber als ein bloßes Zeitwort für sich, nicht als ein Hülfswort; wie es auch mit dem vorigen haben war. Sie schrieben es vairthan; wobey man das v, wie ein w, ai wie ein langes e oder ä, und das th, wie d aussprechen muß, d.i. werdan. Vairthit heißt, wird.

9 Man erinnert, dieß sey wider die Regel der unrichtigen Zeitwörter, die niemals ein e hier leiden. Allein, darum habe ich ward, als das bessere vorgesetzet: dieß wurde aber, als den Grund von dem würde doch mitnehmen müssen. Für solche Unrichtigkeiten der Sprachen kann ein Sprachlehrer nicht.

10 In der Verbindung mit andern Zeitwörtern fällt das ge hier überall weg. Z.E. Ich bin genennet worden, nicht geworden.

11 Man hat mir eingewandt, daß in guten Bibeln gleichwohl stünde, du sollt, und du willt etc. Das weis ich wohl, und lese es selbst in Hans Lufts Ausgabe von 1545 nicht anders. Allein, das machet noch nicht, daß es auch gut sey. Denn in eben den Bibeln steht noch viel mehr, das wir heute zu Tage nicht billigen. Z.E. jr, für ihr; jm, für ihm; Jhesus, für Jesus;vbel, für übel; hawe, für haue; vnuergolten, für unvergolten; ergern, für ärgern; Fewr, für Feuer; Kröpel, für Krüppel; Helle, für Hölle; abe, für ab; u.d.gl. Dieß sind Überreste des Alterthums, die man zwar an Luthern, und unsern andern Vorfahren entschuldigen, aber nicht nachahmen muß.

12 Hier sieht man, sowohl als in den beyden folgenden, die Richtigkeit meiner obigen Anmerkung, vom gewest. Hier haben nämlich, sollen, wollen, können und dörfen, im SUPINO ein t, gesollt, gewollt, gekonnt, und gedorft; weil sie alle im IMPERF. ein te hatten, sollte, wollte, konnte, dorfte, Diese haben also eine richtige Abwandelung; jenes hatte eine unrichtige.

13 Einige sagen auch durfte, dürfte; wie denn in gewissen Mundarten das kurze o leicht in u, da ö aber in ü übergeht

14 Ich zähle helfen mit zu den Hülfswörtern, weil es eben so gebrauchet werden kann, als diese: Z.E. ich lasse gehen, ich helfe machen, ich helfe schreiben, etc. Doch gehen freylich auch einige andere so; alssehen, hören, etc.

15 Die verbindende Art von diesem und dem folgenden Hülfsworte hat das Besondere an sich, daß sie das o nicht in ö ändert, wie dorfte, konnte, undmochte oben thaten. Denn man saget, daß ichsollte, daß ich mochte, wie in der anzeigenden Art. Es werden sich auch unter den richtigen Zeitwörtern einige von der Art finden.

16 Man wird leicht den Grund einsehen, warum wir diese Benennungen nicht umgekehret haben. Alle Regeln entstehen aus der Übereinstimmung der meisten Exempel. Da nun schon in den Hülfswörtern sieben gegen drey einig sind: so machet billig die größte Anzahl die Regel, die kleinste aber die Ausnahme. Man wird weiter unten sehen, daß es mit allen Zeitwörtern so geht.

II Abschnitt
II Abschnitt.

Von der Abwandelung der richtigen Zeitwörter.


(Conjugat. Verborum Regularium.)


1 §.


Durch richtige Zeitwörter versteht man solche, die in der jüngstvergangenen Zeit ein te, und in der völlig vergangenen ein et annehmen. Als ich labe, ich labete, gelabet; ich lebe, ich lebete, gelebet; ich liebe, ich liebete, geliebet; ich lobe, ich lobete, gelobet; ich ruhe, ich ruhete, geruhet, u.d.gl. Diese machen nun im Deutschen die größte Anzahl aus, und man bemerket, daß sie durch alle Gattungen, Arten und Zeiten, ja in allen Personen, durchgehends den Selbstlaut des Stammwortes beybehalten: Z.E. das Laben behält immer sein a, das Leben immer sein e, das lieben sein ie, das loben sein o, und das ruhen sein u. Dieses erleichtert nun die Abwandelung dieser Zeitwörter ungemein: und weil sie alle auf einen Schlag gehen, so brauchen wir auch nur ein einziges Muster davon 1.

2 §. Doch haben wir eine kleine Ausnahme dabey zu merken. Es giebt einige sonst richtige Zeitwörter, die gleichwohl [360] ihren Selbstlaut in etwas ändern. Z.E. ich kenne, ich nenne, ich brenne, sollten zwar ordentlich, ich kennete, nennete, brennete, und gekennet, genennet, gebrennet, bekommen: allein, eine gewisse Unbeständigkeit in der Aussprache hat es auch eingeführet, daß man nicht nur spricht, sondern auch schreibt; kannte, nannte, brannte; gekannt, genannt, und gebrannt 2 Dieses ist nun eine Art der Zusammenziehung, dergleichen die griechische Sprache auch hat; ändert aber sonst in der Abwandelung nicht das geringste. Eben so ist es mit dem Worte bringen und denken; denn diese haben nicht, ich bringete, gebringet, oder denkete, gedenket; sondern ich brachte, gebracht; ich dachte, gedacht; sonst aber bleiben sie dennoch bey der richtigen Abwandelung.

3 §. Da oben der Stammsyllbe der Zeitwörter gedacht wurde: so fraget es sich, wo dieselbe zu suchen sey? Einige Sprachlehrer wollen sie in der ersten Person der gegenwärtigen Zeit suchen. Andere nehmen lieber die unbestimmte Art, (INFINITIVUM) dafür an: allein, noch andere geben besser die gebiethende Art, (IMPERATIVUM) dafür aus. Denn erstlich ist dieselbe mehrentheils einsyllbig, zumal bey den Alten gewesen; z.E. komm, gib, nimm, geh, steh, iß, treib, u.d.gl. Und sodann ist es wahrscheinlich, daß, bey dem ersten Ursprunge der Sprachen, die gebiethende Art zu reden, denen vorhin sprachlosen Menschen, zuerst die Lippen aufgeschlossen. Indessen ist es auch wahr, daß diese gebiethenden Wörter nicht alle einsyllbig geblieben: wie wir bald hören werden.

4 §. Es bilden sich aber in der richtigen Abwandelung die verschiedenen Zeiten folgender Gestalt. Von der gebiethenden Art lob, oder wie man itzo gelinder spricht, [361] lobe, entsteht die erste Person der gegenwärtigen Zeit, durch Anhängung des e, und Vorsetzung des ich; ich lobe. Zu diesem e setzet man noch den Buchstab n, so hat man die unbestimmte Art, loben. Will man die jüngst vergangene Zeit haben, so setzet man anstatt des n, das te hinten zu: ich lobete. Läßt man das letzte e hier weg, und setzet die Syllbe ge voran, so hat man die völlig vergangene Zeit: gelobet, die auch in der längst vergangenen bleibt. Die künftige entsteht aus der unbestimmten Art, durch das Hülfswort, ich werde; ich werde loben. Die Mittelwörter endlich setzen in der gegenwärtigen Zeit, zu der unbestimmten Art, die Syllbe der, als einlobender: und in der vergangenen, zu dem obigengelobet, nur das er hinzu, ein gelobeter.

5 §. Wegen der unbestimmten Art der Zeitwörter ist zu bemerken: daß sich dieselben, allezeit ohne Unterschied, auf en endigen. Denn wenn gleich von der geschwinden Aussprache in einigen das e wegzufallen scheint, als wenn man saget gehn, stehn, sehn, geschehn, thun: so soll es doch eigentlich heißen,gehen, stehen, sehen, geschehen, thuen, u.s.w. ob es gleich den Poeten frey steht, sie auch nach der verkürzten Art zu brauchen. Selbst in den Zeitwörtern, die sich auf eln und ern enden, und also eine Ausnahme zu erfodern scheinen, alsmangeln, klingeln, segeln, hindern, rudern, wettern, u.d.gl. scheint das e nur darum weggefallen zu seyn; weil es zwischen zween flüßige Mitlauter, oder halbe Selbstlauter zu stehen gekommen. Man findet auch in alten Schriften wirklich seglen, hindren, klinglen, auch wohl segelen, hinderen, u.s.w.

6 §. Einige Sprachlehrer haben sich die Mühe gegeben, die Mitlauter zu überzählen, die in der unbestimmten Art, vor der Schlußsyllbe hergehen können; und daraus haben sie eben soviel Endungen derselben erzwingen wollen. [362] Allein ohne Noth. Denn das b inloben, laben, oder leben, gehöret nicht zur Endung, sondern ist dem Stammworte, oder der Wurzel selbst eigen. Eben so geht es mit den übrigen Mitlautern, die in gleiche Umstände zu gerathen pflegen: wie die Wörter lachen, laden, hoffen, legen, leihen, stärken, fallen, wärmen, nennen, schnappen, zerren, lesen, löschen, fasten, biethen, bitten, larven, hexen, scherzen, set zen, u.a.m. zur Gnüge zeigen. Hernach hilft auch dieser beobachtete Unterschied zu weiter nichts, als daß er Anfänger abschrecket; die sich Wunder einbilden, wie schwer die deutschen Abwandelungen seyn müßten; weil sie siebzehn oder mehr Endungen der unbestimmten Art hätten; da sie doch in der That alle miteinander nur eine einzige Endung haben.

7 §. Das Vorbild der Abwandelung richtiger Zeitwörter sieht nunmehr so aus:


I Abwandelung.


Der thätigen Gattung (ACTIVI GENERIS).


Die anzeigende Art.Die verbindende Art.
(mod. indicat.)(mod. conjunct.)

Gegenwärtige Zeit.


E. Ich lobe,Daß ich lobe,
 Du lobest,   du lobest,
 Er lobet.   er lobe,
V. Wir loben,Daß wir loben,
 Ihr lobet,  ihr lobet,
 Sie loben.  sie loben.

Kaum vergangene.


E. Ich lobete,Daß ich lobete,3
 Du lobetest,   du lobetest,
 Er lobete.   er lobete.
V. Wir lobeten,Daß wir lobeten,
 Ihr lobetet,   ihr lobetet,
 Sie lobeten.   sie lobeten.

Völlig vergangene.


E. Ich habe gelobet,Daß ich gelobet habe,
 Du hast gelobet,   du gelobet habest,
 Er hat gelobet.   er gelobet habe.
V. Wir haben gelobet,Daß wir gelobet haben,
 Ihr habet gelobet,   ihr gelobet habet,
 Sie haben gelobet.   sie gelobet haben.

Längst vergangene.


E. Ich hatte gelobet,Daß ich gelobet hätte,
 Du hattest gelobet,   du gelobet hättest,
 Er hatte gelobet.   er gelobet hätte.
V. Wir hatten gelobet,Daß wir gelobet hätten,
 Ihr hattet gelobet,  ihr gelobet hättet,
 Sie hatten gelobet.   sie gelobet hätten.

I. Die ungewisse, künftige Zeit.


E. Ich will loben,Daß ich loben wolle,
 Du willst loben,   du loben wollest,
 Er will loben.   er loben wolle.
V. Wir wollen loben,Daß wir loben wollen,
 Ihr wollet loben,   ihr loben wollet,
 Sie wollen loben.   sie loben wollen.

[364] II. Die gewisse.


E. Ich werde loben,Daß ich loben werde,
 Du wirst loben,   du loben werdest,
 Er wird loben.   er loben werde.
V. Wir werden loben,Daß wir loben werden,
 Ihr werdet loben,   ihr loben werdet,
 Sie werden loben.   sie loben werden.

III. Die bedingte.


E. Ich würde loben,Daß ich loben würde,
 Du würdest loben,   du loben würdest,
 Er würde loben.   er loben würde.
V. Wir würden loben,Daß wir loben würden,
 Ihr würdet loben,   ihr loben würdet,
 Sie würden loben.   sie loben würden.

Die gebiethende Art.Die unbestimmte Art.

Gegenw. Z.(Lobe du, er, sie.)Gegenw. Z.Loben.
Lobet ihr.Vergang. Z.Gelobet haben.
Künft. Zeit.Laßt unsKünft. Zeit.Loben
loben,werden.
Ihr sollet loben,Supin.Zu loben.
Sie sollen lobenGerund.Im loben,
Vom Loben,
Zum Loben.

Mittelwort.


Der gegenw. Z. Ein Lobender, LAUDANS.


8 §. Die künftige Zeit hat eigentlich im Deutschen kein Mittelwort. Denn der Umschweif, einer, der da loben wird, verdienet diesen Namen nicht; da er nur die Erklärung des lateinischen PARTICIPII, LAUDATURUS, abgiebt. Die Franzosen habens auch nicht. Übrigens ist von diesen Mittelwörtern zu wissen, daß sie die völlige Art der Beywörter von dreyen Geschlechtern an sich haben; von welchen schon [365] oben gehandelt worden. Man kann sie nämlich sowohl mit dem unbestimmten Geschlechtsworte, ein lobender, eine lobende, ein lobendes; als mit dem bestimmten, der, die, das, lobende verbinden; und ihnen hernach alle Fall- und Zahlendungen geben, die den andern Beywörtern gemein sind.

9 §. Wegen der wenigen abweichenden, deren ich oben im 2 §. gedacht habe, ist nur dieses anzumerken: daß sie in der jüngstvergangenen Zeit der verbindenden Art, (CONJ. MOD.) ihr a in ein ä verwandeln. Von dachte, wird also ich dächte, und vonbrachte, ich brächte, du brächtest, er brächte, wir brächten, ihr brächtet, sie brächten. Sie folgen darinn den Hülfswörtern muß, und darf, und kann; die auch ihr mußte, in müßte, ihr dorfte in dörfte, und ihr konnte in könnte, verwandelten, u.s.w. Hergegen das brannte, kannte, nannte, ändern ihr a nicht 4; sondern das e kömmt wieder.

10 §. Bis hieher geht nun die thätige Bedeutung dieses Wortes loben: nunmehr müssen wir auf die leidende kommen. Diese wird von der völlig vergangenen Zahl der thätigen Gattung, mit Zuziehung der obigen Hülfswörter, ich werde, gebildet. Es heißt, ich werde, du wirst gelobet, etc. ich ward gelobet; ich bin gelobet worden, ich war gelobet worden. Und endlich brauchet man zur künftigen Zeit, wiederum das werden doppelt; als, ich werde gelobet werden. Auch diese Art haben die Töchter der lateinischen Sprache von unsern sie beherrschenden Vorfahren, in ganz Italien, Spanien und Frankreich, annehmen; und dagegen die weit kürzere Art der lateinischen Abwandelungen fahren lassen müssen. Das völlige Muster sieht so aus:


[366] I Abwandelung


Der leidenden Gattung, (GENERIS PASSIVI.)


Die anzeigende Art.Die verbindende Art.
(mod. indic.)(mod. conjunct.)

Gegenwärtige Zeit.


E. Ich werde gelobet,Daß ich gelobet werde,
 Du wirst gelobet,   du gelobet werdest,
 Er wird gelobet.   er gelobet werde.
V. Wir werden gelobet,Daß wir gelobet werden,
 Ihr werdet gelobet,   ihr gelobet werdet,
 Sie werden gelobet.   sie gelobet werden.

Kaum vergangene Zeit.


E. Ich wurde gelobet,Daß ich gelobet würde,
 Du wurdest gelobet,   du gelobet würdest,
 Er wurde gelobet.   er gelobet würde.
V. Wir wurden gelobet,Daß wir gelobet würden,
 Ihr wurdet gelobet,   ihr gelobet würdet,
 Sie wurden gelobet.   sie gelobet würden.

Völlig vergangene Zelt.


E. Ich bin gelobet worden,Daß ich gelobet worden sey,
 Du bist gelobet worden,   du gelobet worden seyst,
 Er ist gelobet worden.   er gelobet worden seyn.
V. Wir sind gelobet worden,Daß wir gelobet worden seyn,
 Ihr seyd gelobet worden,   ihr gelobet worden seyd,
 sie sind gelobet worden.   sie gelobet worden seyn.

Längst vergangene Zeit.


E. Ich war gelobet worden,Daß ich gelobet worden wäre,
 Du warest gelobet worden,   du gelobet worden wärest,
 Er war gelobet worden.   er gelobet worden wäre.
V. Wir waren gelobet worden,Daß wir gelobet worden wären,
 Ihr waret gelobet worden,   ihr gelobet worden wäret,
 Sie waren gelobet worden.   sie gelobet worden wären.

[367] I. Die ungewisse künftige Zeit.


E. Ich will gelobet werden,Daß ich gelobet werden wolle,
 Du willst gelobet werden,   du gelobet werden wollest,
 Er will gelobet werden.   er gelobet werden wolle.
V. Wir wollen gelobet werden,Daß wir gelobet werden wollen,
 Ihr wollet gelobet werden,   ihr gelobet werden wollet,
 Sie wollen gelobet werden.   sie gelobet werden wollen.

II. Die gewisse.


E. Ich werde gelobet werden,Daß ich werde gelobet werden,
 Du wirst gelobet werden,   du wirst gelobet werden,
 Er wird gelobet werden.   er wird gelobet werden.
V. Wir werden gelobet werden,Daß wir werden gelobet werden,
 Ihr werdet gelobet werden,   ihr werdet gelobet werden,
 Sie werden gelobet werden.   sie werden gelobet werden.

III. Die bedingte.


E. Ich würde gelobet werden,Daß ich gelobet werden würde,
 Du würdest gelobet werden,   du gelobet werden würdest,
 Er würde gelobet werden.   er gelobet werden würde.
V. Wir würden gelobet werden,Daß wir gelobet werden würden,
 Ihr würdet gelobet werden,   ihr gelobet werden würdet,
 Sie würden gelobet werden.   sie gelobet werden würden.

Die gebiethende Art.Die unbestimmte Art.
(modus imperat.)(modus infinit.)

Gegenw. Z.Werde du gelobet,Gegenw.Gelobet werden.
Werdet ihr gelobet.Vergang.Gelobet worden seyn.
Künft. Z.Du sollstKünft.Werden gelobet
gelobet werden,werden.
Er soll gelobet werden,Supin.Gelobt zu werden.
Wir sollen gelob. werden,
Ihr sollet gelob. werden.Mittelwort.
Sie sollen gelob. werden.Verg. Z.Ein Gelobter.

11 §. Nach diesem Vorbilde nun werden alle folgende Zeitwörter abgewandelt: nur mit dem Unterschiede, daß eine [368] große Zahl davon keine leidende Bedeutung annimmt; weil sie von der mittlern Gattung (NEUTRA) sind. Man hat dieses Verzeichniß darum hergesetzet, damit die große Anzahl richtiger Zeitwörter im Deutschen, in die Augen fallen möchte; indem die unrichtigen nicht den siebenten, oder achten Theil ausmachen: welches denn ein deutlicher Beweis von der Schönheit unserer Sprache ist 5. Man hat aber so viel möglich, nur die einfachen Zeitwörter hieher gesetzet; weil die zusammengesetzten fast unzählbar sind: und doch alle, auf eben die Art abgewandelt werden. Nur einige zusammengesetzte hat man mitnehmen müssen, die als einfache gar nicht gebräuchlich sind; oder doch ganz andere Bedeutungen haben 6.

[369]
Verzeichnis
der einfachen richtigen Zeitwörter in der deutschen Sprache.

A.


Abmüßigen.ändern.aufmuntern.
abfeimen.ängsten.aufmutzen.
achten.anberaumenäugeln.
ackern.anfeinden.äußern.
adeln.angeln.argwöhnen.
ächzen.ankern.arten.
äffen.ärnten.arzneyen.
ahnden.arbeiten.athmen.
ältern.ätzen.ausfenstern.

B.


Baden.bemühen.bläuen.
bähen.benedeyen.blinken.
bähnen.bereiten.blinzeln.
bändigen.bereichern.blitzen.
balbieren.beseelen.blöcken.
balgen.beseligen.blößen.
ballen.bethen.blühen.
balsamiren.betheuren.bluten.
banketiren.bethören.bohren.
bankerutirenbetiteln.borgen.
bannen.betrachten.brachen.
bauen.betteln.brämen.
beben.betten.brauen.
bedauren.beunruhigen.brausen.
beeiden.beurlauben.breiten.
beerdigen.beugen.brennen.
befriedigen.beuteln.brecken.
befehden.beuthen.brüllen.
befleißigen.bewahren.brüsten.
begaben.bewähren.brummen.
begegnen.bewehren.brunzen.
begehren.bewegen.7brüten.
beglücken.beweiben.buchstabieren.
begnadigen,bewirthen.buhlen.
behagen.bezüchtigen.bürden.
bejahen.biegeln.bürgen.
bejammern.bilden.bürsten.
beizen.bildern.burzeln.
beköstigen.blähen.büßen.
belieben.blättern.buttern.
bemänteln.

C.


Calciniren.casteyen.concipiren.
candiren.caviren.confisciren.
canoniren.censiren.contrahiren.
canonisiren.chymisiren.convoyiren.
cantoniren.citiren.copiren.
cantorisiren.clystieren.credenzen.
capelliren.collationiren.creditiren.
capern.coloriren.curiren.
capiteln.comuniciren.curtesiren.
cassiren.componiren.

D.


Damasciren.dictiren.drechseln.
dampfen.dielen.drehen.
dämmen.dienen.drohen.
dämpfen.dingen.8drucken.
danken.dirigiren.drücken.
darben.discuriren.dudeln.
dauen.distilliren.duften.
dauren.doctoriren.dünken.
decken.dörren.dulden.
dehnen.dollmetschen.düngen.
demüthigen.donnern.dünsten.
deputiren.doppeln.dupliren.
deuten.drängen.dutzen.
dichten.dräuen.

E.


Eggen.entzweyen.erläutern.
ehelichen.erachten.erlustigen.
eifern.eräugen.ermahnen.
eignen.erbarmen.ermannen.
eilen.erben.ermatten.
einäschern.erbeuten.ermüden.
einfädmen.erblassen.ermuntern.
einhändigen.erboßen.erneuern.
einpfarren.erdrosseln.erniedrigen.
eisen.erfrischen.erobern.
eiteln.ergänzen.erörtern.
eitern.ergrimmen.erquicken.
ekeln.erhellen.erstatten.
empören.erinnern.erstaunen.
enden.erkalten.ersticken.
endigen.erkargen.erstummen.
entblöden.erkiesen.erübern.
entfremden.erklären.erwähnen.
enthaupten.erkühnen.erweichen.
entkräften.erkundigen.erweitern,
entledigen.erlahmen.erwiedern.
entlehnen.erlangen.erwischen,
entmannen.erlauben.exerciren.
entseelen.erledigen.
entübrigen.erlegen.

F.


Fabuliren.feyern.foltern.
fachen.fiedeln.foppen.
fackeln.fiedern.fördern.
fädmen.figuriren.formen.
falliren.filtriren.formiren.
fälschen.filzen.forschen.
falten.fingern.fragen.
falzen.firmeln.freveln.
fantasiren.firnissen.freuen.
färben.fischen.freyen.
farzen.fistuliren.frisiren.
faseln.flackern.fristen.
fasern.flammen.frohlocken.
fasten.flankiren.frommen.
faulen.flattern.fröhnen.
faulenzen.flecken.frösteln.
federn.flehen.fruchten.
fegen.fleißigen.9fuchteln.
fehlen.flennen.fugen.
feilen.flicken.fühlen.
feilschen.flistern.führen.
ferkeln.flöhen.füllen.
fernen.flößen.fürchten.
fertigen.fluchen.füttern.
fesseln.flüchten.fundiren,
fetzen.flügeln.funkeln.
feuchten.fodern.fußen.
feuern.folgen.

G.


Gabeln.geloben.glucksen.
gaffen.gelüsten.glühen.
galoppiren.gemahnen.genügen.
gällen.gerben.10gönnen.
gähnen.gesellen.gränzen.
gastieren.gewarten.grasen.
gatten.gewohnen.grauen.
gaukeln.gewöhnen.grausen.
gebrauchen.geziemen.greinen.
gedulden.girren.grübeln.
gehorchen.glänzen.gründen.
geifern.glasuren.grünen.
geigen.glätten.grüßen.
gellen.glauben.gucken.
geißeln.glitschen.gürten.
geizen.glossiren.gypsen.
gelangen.glucken.

H.


Haaren.harren.herrschen.
hacken.harzen.herzen.
hadern.haschen.hetzen.
hägen.haseliren.heulen.
häkeln.hassen.heuren.
hälsen.haspeln.himmeln.
hänseln.hauchen.hindern.
härmen.hauen.hinken.
härten.hausen.hobeln.
häuben.hausiren.hofieren.
häucheln.hecheln.hoffen.
häufen.hecken.höhnen.
häuten.heften.hölen.
haften.hefteln.holen.
hageln.hegen.holpern.
halbiren.heilen.holzen.
halftern.heiligen.horchen.
hallen.heurathen.hören.
hammern.heischen.hörnen.
handeln.heitern.hudeln.
handhaben.heizen.huldigen.
handthieren.hemmen.hungern.
handlangen.henken.huren.
harken.herbergen.husten.
harnen.herbsten.hüten.

J.


Jagen.impfen.jubiliren.
jammern.inrotuliren.juchzen.
jäten.inventiren.jucken.
jauchzen.investiren.judenzen.
ihrzen.irren.jungen.

K.


Kalben.klappen.koppeln.
kälbern.klätten.körnen.
kalken.klatschen.kosen.
kalmäusern.klauben.kosten.
kälten.klauen.kotzen.
kämmen.kleben.krachen.
kämpfen.klecken.krähen.
kappen.kleiden.kramen.
kapaunen.kleistern.kranken.
kargen.klemmen.kränken.
karren.kleppeln.kränzen.
karten.klettern.krappeln.
käuen.klimpern.kratzen.
kaufen.klingeln.krausen.
kegeln.klingern.kräuseln.
kehren.klinken.kräuteln.
keichen.klittern.krebsen.
keifen.klopfen.kreiden.
keilen.klügeln.kreiseln.
keimen.knäbeln.kreißen.
keltern.knacken.krengeln.
kennen.knallen.kreuzen.
kerben.knarren.kreuzigen.
kerkern.knappen.kriegen.
kernen.kneten.krönen.
ketten.knicken.krümmen.
kielen.knieen.kugeln.
kiesen.knirren.kühlen.
kindern.knirschen.kümmern.
kippen.knitschen.kundschafen.
kirren.knöpfen.künsteln.
klaffen.knüpfen.kürzen.
klaftern.kochen.kurzweilen.
klagen.kollern.küssen.
klammern.köpfen.kützeln.

L.


Laben.laxiren.liebkosen.
lachen.leben.liedern.
lächeln.lecken.liefern.
läffeln.ledern.lindern.
lagern.ledigen.linkiren.
lähmen.leeren.lispeln.
lallen,legen.loben.
lämmern.lehnen.löchern.
landen,lehren.lockern.
langen,leichtern.lodern.
lärmen,leimen.lohnen.
lästern,leisten.löschen.
lauten,leiten.lösen.
lauben.lenken.loosen.
läugnen.lernen.lothen.
lauren.letzen.löten.
lausen,leuchten.ludern.
läuten,leyren.lüften.
läutern,lieben.

M.


Machen.mausen.mindern.
malen.mätzeln.miniren.
mähen.mätzgen.11mischen.
mäkeln.mehren.missen.
mälzen.meißeln.misten.
mahnen.meistern.mitteln.
mangeln.melden.modeln.
mangen.melken.morden.
markten.mengen.mucksen.
marmeln.mergeln.mundiren.
martern.merken.münzen.
mäßigen.merzen.murmeln.
mästen.meynen.murren.
mäucheln.miethen.mustern.
maulen.mildern.muthmaßen.
mauren.

N.


Nagen.nährenniesen.
nageln.nebeln.nieten.
nahen.neiden.nippen.
narren.neigen.nisten.
naschen.nennen.nöthigen.
nähen.netzen.numeriren.
nähern.nicken.nutzen.

O.


Oeffnen.opfern.orgeln.
ölen.ordnen.

P.


Paaren.pickeln.prangen.
pachten.pilgern.prassen.
packen.pinseln.prasseln.
panzern.pissen.predigen.
pappen.pitschieren.prellen.
passen.placken.pressen.
patschen.plagen.pritschen.
peinigen.planieren.privilegiren.
peitschen.plätten.probieren,
pfählen.platzen.processiren.
pfänden.plaudern.profitiren.
pfarren.plerren.prophezeihen.
pfeffern.plumpen.protestiren.
pferchen.plündern.protocolliren.
pflanzen.pochen.proviantiren.
pflastern.poetisiren.prüfen,
pflegen.polieren.prügeln,
pflöcken.polstern.psalmiren.
pflücken.poltern.pudern,
pflügen.posaunen.pülvern,
pfriemen.postieren.puffen,
pfründen.prachern.pulverisiren.
pfuschen.practisiren.purgiren.
philosophirenprägen.pusten.12
pichen.pralen.putzen.
picken.

Q.


Quacksalbern.qualstern.quinkeliren.
quacken.quartieren.quintiren.
quackeln.quarren.quirlen,
quadriren.queicheln.quittiren.
quälen.quetschen.

R.


Rächen.regen.röcheln.
radbrechen.regieren.rollen.
rädern.regnen.rösten.
radiren.registriren.rosten.
räuchern.reichen.röthen.
räumen.reifen.rotten.
räuspern.reichen.rottiren.
raffen.reimen.rücken.
rammeln.reinigen.rudern.
ranzioniren.reisen.rügen.
rasen.reizen.ruhen.
raspeln.rennen.rühmen.
rasseln.restiren.rühren.
rasten.retten.rülpsen.
rauben.reuen.rumoren.
rauchen.reuten.rumpeln.
raufen.richten.rümpfen.
rauschen.riegeln.runden.
rebelliren.rieseln.runzeln.
rechnen.rindern.rupfen.
rechten.ringeln.rüsten.
rechtfertigen.ringern.rutschen.
reden.ritzen.rütteln.
reformiren.

S.


Saalbadern.schmecken.sippen.
säbeln.schmelzen.13sömmern.
säcken.schmerzen.sönnen.
säckeln.schmieden.sorgen.
säen.schmieren.sortiren.
sägen.schminken.spähen.
sagen.schmitzen.spaliren.
salzen.schmollen.spalten.
sammlen.schmoren.spannen.
sättigen.schmücken.sparen.
satteln.schmutzen.speisen.
saubern.schnäbeln.sperren.
säugen.schnäuzen.spicken.
säumen.schnacken.spiegeln.
sauren.schnallen.spielen.
sausen.schnappen.spießen.
schäffeln.schnarchen.spillen.
schälen.schnarren.spitzen.
schäumen.schnattern.splittern.
schätzen.schnaufen.spornen.
schaben.schnellen.spotten.
schaden.schniffeln.spreizen.
schaffen.schnitzen.sprenkeln.
schallen.schnorren.sprengen.
schälen.schnupfen.spritzen.
schämen.schnüren.sprossen.
schänden.schnurren.spülen.
schanzen.schonen.spünden.
scharmützeln.schöpfen.spüren.
scharren.schossen.stallen.
schattiren.schrammen.stammen.
schaudern.schränken.stämmen.
schauen.schrapen.stammeln.
schaufeln.schrecken.stämpeln.
scheiteln.schröpfen.stampfen.
scheitern.schroten.stänkern.
schenken.schrumpfen.stärken.
scherzen.schulen.starren.
scheuchen.schultern.stäuben.
scheuen.schuppen.stäupen.
schicken.schüren.stecken.
schiefern.schürzen.stehnen.
schielen.schüsseln.steifen.
schienen.schütteln.stellen.
schiffen.schütten.steuern.
schildern.schützen.stiefeln.
schimmeln.schwächen.stiften.
schimmern.schwängern.stillen.
schimpfen.schwänzen.stimmen.
schippen.schwanken.stocken.
schirmen.schwänken.stolpern.
schirren.schwärmen.stolziren.
schlachten.schwärzen.stopfen.
schlämmen.schwatzen.stoppeln.
schländern.schweben.stören.
schlecken.schwefeln.stochern.
schleimen.schweifen.sträuben.
schlemmen.schweimeln.stralen.
schlenkern.schweißen.strafen.
schleppen.schwelgen.stranden.
schleudern.schwemmen.stranguliren.
schleyern.schwirren.straucheln.
schlichten.schwitzen.streben.
schlimmem.scrupuliren.strecken.
schlitzen.secundiren.streicheln.
schlottern.segeln.streifen.
schlucken.segnen.sticken.
schlummern.seifen.strotzen.
schlupfen.seigen.stümpeln.
schlurfen.senden.stümpfen.
schmähen.sengen.stürzen.
schmachten.senken.stützen.
schmählen.setzen.stutzen.
schmählern.seufzen.suchen.
schmalzen.sichern.sudeln.
schmarotzen.sichten.sühnen.
schmauchen.sieben.summen.
schmäucheln.siechen.summiren.
schmausen.siegeln.sündigen.
schmatzen.siegen.suppliciren.

T.


Tadeln.thränen.trennen.
täfeln.tilgen.triumphiren.
tagen.tingiren.trocknen.
takeln.tischen.trödeln.
tändeln.tituliren.trollen.
tanzen.toben.trompeten.
tappen.tödten.tröpfeln.
tasten.tönen.trösten.
tauchen.torkeln.trotzen.
taufen.traben.trüben.
taugen.trachten.trummeln.
taumeln.trampeln.tummeln.
tauschen.tränken.tünchen.
täuschen.trauen.tunken.
testiren.träufeln.turniren.
thauen.träumen.tygern.
theeren.trauren.tyrannisiren.
theilen.

U.V.


üben.verketzern.versilbern.
überlisten.verkleiben.verspäten.
verarmen.verkleinern.verspünden.
verbittern.verkündigen.verstecken.
verblenden.verleumden.verstummen.
verblinden.verlarven.vertheidigen.
verblümen.vermachen.vertheuren.
verderben.vermählen.vertuschen.
verdeutschen.vermahnen.verwahren.
vereiteln.vermaledeyen.verweilen.
verewigen.vermaskiren.verwesen.
verfertigen.vermummen.verwildern.
verfinstern.vergeringern.verwöhnen.
vergällen.verneinen.verwunden.
vergatten.verneuren.verwundern.
vergeuden.vernichten.verwüsten.
vergewissern.vernünfteln.verzäunen.
vergiften.verordnen.verzehenden.
vergittern.verpachten.verzinnen.
vergnügen.verpesten.vexiren.
vergöttern.verrenken.viertheilen.
vergrößern.versanden.vollenden,
vergülden.versauren.umarmen,
verherrlichen.verschanzen.umringen.
verjähren.verschlimmern.urlauben.
verjüngern.verschwägern.urtheilen.
verkeilen.verschwenden.

W.


Wachen.wehen.wintern.
wackeln.wehren.winzen.
wädeln.weigern.wippen.
waffnen.weihen.wirbeln.
wagen.weinen.wirken.
wählen.weißen.wischen.
wähnen.wellen.wissen.14
wallen.wenden.wittern.
wallfahrten.wetten.wohnen.
walken.weyden.wollen.
walten.wetzen.wuchern.
wälzen.wickeln.wühlen.
wandeln.wichsen.15wundern.
wandern.wiegen.wünschen.
wanken.willigen.würdigen.
wapnen.willfahren.würfeln.
wärmen.wimmern.würgen.
wässern.winken.wurzeln.
waten.windeln.wüthen.
wechseln.winseln.

Z.


Zacken.zeigen.zittern.
zäckern.zeihen.zollen.
zagen.zeitigen.züchtigen.
zählen.zerfleischen.zücken.
zähmen.zergliedern.zuckern.
zanken.zerlumpen.zustutzen.
zannen.zermalmen.zünden.
zapfen.zerstücken.züngeln.
zappeln.zerstümmeln,zürnen.
zärteln.zerren.zupfen.
zäsern.zetteln.zwacken.
zaubern.zeugen.zwecken.
zaudern.zielen.zweifeln.
zäumen.zieren.zwicken.
zäunen.ziffern.zwibeln.
zausen.zimmern.zwirnen.
zechen.zinsen.zwitschern.
zehren.zirkeln.zwitzern.
zeichnen.zischen.
Fußnoten

1 Wie sehr diese so einträchtige Art der Abwandelungen die Erlernung unserer Sprache erleichtere, das werden diejenigen am besten einsehen, die des Lateinischen, Griechischen und Hebräischen kundig sind. Denn wie viele Abwandelungen muß man da nicht lernen! ehe man nur mäßig mit diesen Sprachen zurechte kömmt.

2 So redet wenigstens die deutsche Bibel: Brannte nicht unser Herz in uns etc. Allein, hier in Meißen spricht man itzo, ich habe ihn lange gekennt; ist er mir bekennt; ich habe ihn genennt. Meines Erachtens, gerade wider die allgemeinere biblische Mundart.

3 Die jüngst vergangene Zeit kann auch mit verschiedenen Hülfswörtern gebildet werden; z.E. daß ich loben möchte, daß du loben möchtest, u.s.w. Hier sieht man, daß das Wort mag wirklich ein Hülfswort wird, welches mir ein gelehrter Gönner in Zweifel gezogen. Denn es heißt obiges doch nichts mehr, als UT LAUDAREM. Indessen istich mag, sonst auch ein Wort für sich. Vondarf, kann, muß, wird sich eben das zeigen; wenn man nur die Beschreibung eines Hülfswortes, nach dem Buchstaben machet: ein Wort, welches die Zeitwörter in ihren Abwandelungen bestimmen hilft. Da hindert es nun nichts, daß ein Wort auch für sich ein Zeitwort ist, und bisweilen allein gebrauchet werden kann. Denn das verhält sich mit seyn, haben, werden, eben so.

4 Man meldet mir: am Niederrheine spräche man, brännte, nännte, kännte. Es wird aber wohl nur wie das Meißnische gesprochen werden, dessen ich oben in der Anmerkung zum 2 § gedacht habe. Der Niederrhein schlägt schon sehr ins Plattdeutsche. Ich glaube, das a wird im CONJ. ganz wegfallen.

5 Dieß Verzeichniß wird aber auch den Nutzen haben, daß man in den verschiedenen Provinzen von Deutschland, wo man in Ansehung der Abwandelungen oft sehr von einander abgeht, oder ungewiß ist, ob sie richtig oder unrichtig zu bilden sind, den guten Gebrauch von Obersachsen, oder des wahren Hochdeutschen ersehen könne. Viele wüßten es gern, wie man hier spricht, um sich darnach zu richten. Hier darf man nur dieß Register nachsehen, so weis man gleich, ob es seinen Selbstlaut behält oder nicht. Z.E. Viele oberländische Landschaften an der Donau, sagen, und schreiben auch wohl, ich gebete, ichsehete, u.d.gl. für gieng, und sah, u.d.gl. Allein, sie werden das gehen, und sehen, vergeblich in diesem Verzeichnisse suchen; sondern sie erst im folgenden Abschnitte finden.

6 Es ist wahr, daß man hier auch einige ausländische Zeitwörter, aus dem Lateine, oder Wälschen, oder aus dem Französischen finden wird; nicht als ob ich dieselben für gut Deutsch hielte, oder dafür erklären wollte: nein, und davon habe ich meine Gedanken schon oft gesaget. Aber weil sie einmal, theils unter Gelehrten, theils unter andern Lebensarten, als Kunstwörter eingerissen sind: so ist es die Pflicht eines Sprachlehrers, zu zeigen, wie sie abgewandelt werden müssen. Das mag sich ein gewisser überkluger Tadler merken, der sich für sehr listig hält; weil er es hat merken können, daß z.E. Calciniren, Candiren, Canonisiren, u.d.m. nicht deutsches Ursprunges sind. Welcher Schulknabe weis das nicht? Solche Helden sind die Meister nicht, von denen ich etwas lernen mag.

7 Wem bey diesem Worte das bewog einfällt, der muß wissen, daß es in physikalischem Sinne, (DE MOTU LOCALI) bewegte hat, und beweget. Nur in moralischem Verstande, hat es bewog, und bewogen, und gehöret also zur unrichtigen Abwandelung. Welch eine Schönheit unserer Sprache!

8 Dieß Wort steht in der Bibel: es hat uns niemandgedinget. Indessen wird es itzo auch als unrichtig gesprochen; ich habe darum gedungen, es ist bedungen. Das sind Unbeständigkeiten der Völker, dafür ein Sprachlehrer nichts kann.

9 Auch hier ist ein Unbestand. Man höret nämlich, auch er befliß sich, er ist darauf beflissen.

10 Einige sagen auch gestorben.

11 Diese Wörter haben unstreitig von MACTARE ihren Ursprung.

12 Ist sowohl, als oben das prachern, ein niedersächsisch Wort. Dieses heißt betteln, oder vielmehr mit lauter Stimme Gebethe hersagen, und kömmt mit dem engl. TO PREACH, predigen, überein. Vonpusten aber, (blasen) kömmt das franz. EPOUSTER, und der alte Götze Puster her, der die innerliche Flamme durch das runde Loch des Mundes heraus blies. Davon heißt auch das heutige Werkzeug des Puderns bey den Perrückenmachern der Püster.

13 Ich weis wohl, daß man auch saget ichschmolz, und geschmolzen: allein, dieß ist nur das Zeitwort der mittlern, nicht aber der thätigen Gattung. Ich schmelzete das Bley, und das Lichtschmolz in der Hitze. Welch eine Schönheit!

14 Man wendet ein, von Wachs müsse wächsen, nicht wichsen kommen. Freylich sollte es so seyn. Allein, USUS TYRANNUS hat es anders gewollt.

15 Man stoße sich nicht an die Änderung des Selbstlauters in wußte, und gewußt. Es ist damit wie mitbrachte und gebracht, dachte, und gedacht. Genug, das te bleibt in der kaum vergangenen, und das t, in der völlig vergangenen Zeit.

III Abschnitt
III Abschnitt.

Von den unrichtigen Zeitwörtern.


(Verbis irregularibus.)


1 §.


Die zweyte Classe der deutschen Zeitwörter ist, wie oben bereits erwähnet worden, von weit geringerer Anzahl: aber ihre Abwandelung geht nicht so richtig hintereinander fort, als die vorige. Sie bleibt nämlich nicht so genau bey einerley Selbstlautern des Stammwortes; sondern ändert dieselben auf vielerley Art. Z.E. von der gebiethenden Weise gib, kömmt die erste Person der gegenwärtigen Zeit, ich gebe; die zweyte, du giebst, etc. die jüngst vergangene Zeit aber, ich gab; gegeben. Eben so wird ausschlage, du schlägst, schlug, und geschlagen; u.d.gl. Ferner endet sich die jüngst vergangene Zeit nicht mehr auf te, gebete, undschlagete; sondern auf allerley Art; wie z.E.gab, und schlug; imgleichen die völlig vergangene nicht auf ein et, z.E. gegebet, und geschlaget; sondern auf en, gegeben,geschlagen, u.s.w.

2 §. Hieraus erhellet nun, daß, ungeachtet aller scheinbaren Unrichtigkeit dieser Abwandelung, den noch eine gewisse Ordnung darinnen statt hat, die sich nach Regeln richtet. Denn die Veränderung der Selbstlauter, in verschiedenen Zeiten, kein te in der jüngst vergangenen, und ein en in der völlig vergangenen Zeit, sind untrügliche Merkmaale [378] eines solchen unrichtigen Zeitwortes. Wir wollen aber, aus einigen Exempeln derselben, ihre Regeln noch genauer bestimmen.

3 §. Ich spreche, ich schreibe, ich fließe, ich reite, ich stehe, sind z.E. solche unrichtige Zeitwörter. Nun bilden sie aber ihre jüngstvergangene Zeit, zwar nicht mit einerley Selbstlautern, aber doch allemal einsyllbig. Denn es heißt: z.E.


Ich spreche,ich sprach,gesprochen,
ich schreibe,ich schrieb,geschrieben,
ich reite,ich ritt,geritten,
ich fließe,ich floß,geflossen,
ich stehe,ich stund,gestanden.

Hieraus erhellet nun die erste Regel dieser unrichtigen Zeitwörter; die jüngst vergangene Zeit derselben, muß sich niemals auf ein e endigen, sondern immer einsyllbig mit einem Mitlauter schließen. Es ist also unrecht, wenn manche, aus einer übel angewandten Nachahmung der richtigen Abwandelung, schreiben: ich ware, ich sahe, ich gabe, ich nahme, ich ließe, ich litte, ich fande, u.d.gl. Es muß nämlich heißen, ich war, ich sah, ich gab, ich nahm, ich litt, ich fand: so wie alle Welt saget: ich that, ich kam, ich stund, ich lag, ich gieng; nicht thate, kame, etc. Denn wenige böse Exempel, zumal aus schlechten Provinzen, können wider die Sprachähnlichkeit, und den Gebrauch der besten Scribenten nichts ausrichten 1.

4 §. Die zweyte Regel ist diese: Die jüngstvergangene Zeit, die in der anzeigenden Art (MODO INDIC.) [379] so einsyllbig ist, nimmt in der verbindenden, (MODO CONJUNCT.) ein e an, und verwandelt die Selbstlauter a, o, und u, in die Doppellaute ä, ö, ü.


aus gab, wird also ich gäbe,aus floß – – – ich flösse,
aus kam, – – – ich käme,aus floh, – – – ich flöhe,
aus nahm, – – ich nähme,aus schlug – – ich schlüge,
aus sah, – –  – – ich sähe,aus stund – – ich stünde.

Und alle, die davon im Reden oder Schreiben abweichen, entfernen sich merklich von der guten Mundart. Die andern aber, die kein a, o, oder u haben, nehmen doch in der verbindenden Art, das e an.


ich fiel, daß ich fiele,ich schliff, daß ich schliffe,
ich gieng – ich gienge,ich schmiß, – ich schmiesse,
ich litt, – ich litte,ich schrieb, – ich schriebe,
ich ritt, – ich ritte,ich stieß, – ich stieße,
ich schlief, – ich schliefe.ich stritt, – ich stritte.

5 §. Die dritte Regel ist zwar so allgemein nicht, als die bisherigen: aber doch trifft sie bey den meisten ein. Sie heißt so: Die zweyte und dritte Person der gegenwärtigen Zeit in unrichtigen Zeitwörtern, ändern insgemein den Selbstlaut der ersten, entweder in einen Doppellaut, oder doch in einen andern Selbstlaut. Die Exempel beyder Arten sind gemein:


ich breche,du brichst,er bricht,
ich fliehe,du fleuchst,er fleucht,
ich fließe,du fleußt,er fleußt,
ich gebe,du giebst,er giebt,
ich komme,du kömmst,er kömmt2
ich nehme,du nimmst,er nimmt,
ich schlage,du schlägst,er schlägt,
ich sehe,du siehst,er sieht,
ich spreche,du sprichst,er spricht,
ich trage,du trägst,er trägt,
ich triefe,du treufst,er treuft.

[380] 6 §. Hierbey muß ich anmerken, daß in gewissen Landschaften einige Zeitwörter, die von rechtswegen ganz richtig gehen sollten, auf eben diese unrichtige Art abgewandelt werden. Sie sagen und schreiben z.E. ich jage du jägst, ich jug; ich frage, du frägst, ich frug: als wenn diese Wörter sich nach schlage und trage richten müßten. Allein, daß dem nicht also sey, zeiget die völligvergangene Zeit derselben zur Genüge. Denn da saget man nichtgejagen und gefragen, sondern gejaget, und gefraget: zu einem deutlichen Beweise, daß diese Wörter eine richtige Abwandelung haben, und wie klage, durchgehends bey einerley Selbstlaute bleiben, auch ihr te in der jüngst vergangenen Zeit behalten müssen:


ich frage,du fragest,ich fragete,ich habe gefraget.
  jage,du jagest,ich jagete,ich habe gejaget,
  klage,du klagest,ich klagete,ich habe geklaget.

Und so wird wirklich in der hiesigen guten Mundart von jedermann gesprochen. Die Sprachähnlichkeit giebt allhier abermal für die obersächsische Gewohnheit den Ausschlag.

7 §. Etwas ungewissers ist die letzte Regel, in Ansehung der Zeitwörter, die aus dem ie der gegenwärtigen Zeit, in der jüngstvergangenen ein o machen; und in der zweyten Person der ersten, das eu bekommen sollen. Dieses letzte erfodert gleichfalls die Sprachähnlichkeit; und der gute Gebrauch der Alten, wovon in der Bibel und in den Kirchengesängen die Beweise stehen. So muß nämlich


von fliehen,er fleucht,ich floh,geflohen,
– fliegen,er fleugt,ich flog,geflogen,
– fließen, er fleußt, ich floß,geflossen,
– gießen,er geußt,ich goß,gegossen,
– kriechen,er kreucht,ich kroch,gekrochen,
– lügen,er leugt,ich log,gelogen,
– schießen,er scheußt,ich schoß,geschossen,
– schließen,er schleußt,ich schloß,geschlossen,
– triegen,er treugt,ich trog,getrogen,

u.s.w. kommen: wie auch wirklich in einigen Landschaften noch gesprochen wird. Allein, die Unbeständigkeit der Aussprache hat hier in Meißen gemachet, daß man zwar diese alte und gute Art noch kennet, und nicht verwirft; aber doch im gemeinen Gebrauche nicht mehr beobachtet. Man saget und schreibt nämlich in allen diesen Fällen, er fliegt, er flieht, er fließt, er gießt, er lügt, er schießt, er schließt, er triegt; als ob es richtige Zeitwörter wären, die den Selbstlaut der ersten Person behielten.

8 §. Zu einer Entschuldigung dieser Abweichung kann dienen: daß gleichwohl nicht alle unrichtige Zeitwörter diese Änderung mit machen. Denn eine sehr große Anzahl derselben, behält in der zweyten und dritten Person den Selbstlaut der ersten; ja man könnte fast sagen, daß ihre Zahl, der ersten gleich käme; zumal wenn man die oberwähnte Ausnahme von dem eu noch machen will. Indessen ist allen Dichtern und Rednern, die gern eine männlichere und edlere Schreibart brauchen wollen, zu rathen, bey der alten und regelmäßigen Art der Abwandelung zu bleiben. Es klingt nämlich viel besser: geuß sehr tief in mein Herz hinein etc. Itzt schleußt er wieder auf die Thür etc. oder wie Opitz in dem Gedichte auf den König in Pohlen schreibt:


Man sah sie ja wohl auch Smolensko hart umschließen;

Doch du umschleußest sie, und bringst den Feind so weit,

Daß er, wie schwer es fällt, für Sieg, Genade! schreyt.

Er kreucht zu Kreuze hin etc.


als wenn man gießt, schließt, umschließest, kriechet, sagete.

[382] 9 §. Indessen giebt es Zeitwörter, die dem Scheine nach, zweyerley Abwandelung haben, deren eine richtig, die andere aber unrichtig aussieht: Z.E. bewegen, hat ich bewegete und bewog; löschen, hat ichlöschete, und ich erlosch: von preisen, ichpreisete, gepreiset, und ich pries, gepriesen. Ich verderbe, verdarb, verdorben, auch ich verderbete, und verderbet, ich biege, ich bog, gebogen, und ich beugete, und gebeuget, u.d.gl. Allein, das scheint nur so ungewiß zu seyn: denn das erste davon ist von physikalischer Bedeutung; als, die Erde bewegete sich; das zweyte von moralischer: Deine Vorstellungbewog mich etc. Das zweyte ist nicht einerley Wort, sondern es sind zwey unterschiedene Wörter. Das eine ist von thätiger Bedeutung, und geht richtig: Ich lösche, nämlich das Feuer, ich löschete, ich habe gelöschet: das andere ist von der Mittelgattung, (GENER. NEUTRIUS) und geht unrichtig; das Licht, oder die Flamme verlischt, sie erlosch, sie ist erloschen. Eben so ist es mitbeugen, welches, als eine sittliche Wirkung betrachtet, richtig geht: ach! meine Tochter, wie beugest du mich! er beugete mich, ich bin gebeuget. Ein anders aber ist es mit biegen, welches eine physikalische Wirkung anzeiget; und unrichtig fließt: ich biege, ich bog, gebogen. Das preisen aber ist nur vor Alters richtig gegangen: z.E. Herr Gott, nun sey gepreiset. Heute zu Tage ist es durchaus zur unrichtigen Art gezogen worden. Ich pries, gepriesen, ich hange, hat ichhieng; das thätige, ich hänge, oder henke, hat ich hängete, oder henkete.

10 §. Noch ein Unterschied äußert sich bey diesen zwoen Arten der Zeitwörter, in Ansehung der gebiethenden Art. Denn da die richtige Abwandelung heute zu Tage durchgehends zweysyllbige Befehle giebt, als labe, lebe, liebe, lobe, lache, mache, u.s.w. so fallen sie in dieser unrichtigen Abwandelung, durchaus einsyllbig. Z.E. sprich, nimm, reiß, schmeiß, komm, wirf, brich, stich, [383] u.d.gl. Es fehlen also diejenigen wider die Sprachähnlichkeit, die in solchen Fällen ein e hinten anhenken. Als siehe, gehe, stehe, thue, falle, schreibe, u.d.gl. 3. Denn so wie die vorigen gebildet waren, so müssen auch die andern werden, damit sie nicht den richtigen Zeitwörtern ähnlich werden mögen.

11 §. Endlich ist es auch bey vielen guten Schriftstellern schon gewöhnlich, die zweyte und dritte Person der gegenwärtigen Zeit von der anzeigenden Gattung unrichtiger Zeitwörter, die nicht das eu annehmen, auch den Selbstlaut nicht ändern können, wenigstens einsyllbicht zu bilden. Z.E.


Ich gehe,du gehst,er geht,ich gieng, gegangen.

Ich stehe,du stehst,er steht,ich stund, gestanden.

Ich leide,du leidst,er leidt,ich litt, gelitten, u.d.gl.

es wäre denn, daß zuviel harte Mitlauter zusammen kämen, wie in folgenden:

Ich reiße,du reißest,er reißt,ich riß, gerissen,

Ich beiße,du beißest,er beißt,ich biß, gebissen.


Das völlige Muster der Abwandelung eines unrichtigen Zeitwortes kömmt daher so heraus.

[384] II Abwandelung.


Der thätigen Gattung. (ACTIVI GEN.)


Die anzeigende Art. Die verbindende Art.

(MOD. INDIC.)(MOD. CONJUNCT.)


Gegenwärtige Zeit.

E. Ich sehe,Daß ich sehe,
Du siehst, nicht sichst, oder siehest, du sehest,
Er sieht, nicht sicht, oder siehet. er sehe.
V. Wir sehen,Daß wir sehen.
Ihr sehet, ihr sehet,
Sie sehen. sie sehen.
Jüngstvergangen.

E. Ich sah, nicht sahe,Daß ich sähe,
Du sahst, nicht sahest, du sähest,
Er sah, nicht sahe. er sähe.
V. Wir sahen,Daß wir sähen,
Ihr sahet, ihr sähet,
Sie sahen. sie sähen.
Völlig vergangen.

E. Ich habe gesehen,Daß ich gesehen habe,
Du hast gesehen, du gesehen habest,
Er hat gesehen. er gesehen habe.
V. Wir haben gesehen,Daß wir gesehen haben,
Ihr habet gesehen, ihr gesehen habet,
Sie haben gesehen. sie gesehen haben.
Längst vergangen.

E. Ich hatte gesehen,Daß ich gesehen hätte,
Du hattest gesehen, du gesehen hättest,
Er hatte gesehen. er gesehen hätte.
V. Wir hatten gesehen,Daß wir gesehen hätten,
Ihr hattet gesehen, ihr gesehen hättet,
Sie hatten gesehen. sie gesehen hätten.
I. Ungewiß künftig.

E. Ich will sehen,Daß ich sehen wolle,
Du willst sehen, du sehen wollest,
Er will sehen. er sehen wolle.
[385] V. Wir wollen sehen,Daß wir sehen wollen,
Ihr wollet sehen, ihr sehen wollet,
Sie wollen sehen. sie sehen wollen.
II. Gewiß.

E. Ich werde sehen,Daß ich sehen werde,
Du wirst sehen, du sehen werdest,
Er wird sehen. er sehen werde.
V. Wir werden sehen,Daß wir sehen werden,
Ihr werdet sehen, ihr sehen werdet,
Sie werden sehen. sie sehen werden.
III. Bedingt.

E. Ich würde sehen,Daß ich sehen würde,
Du würdest sehen, du sehen würdest,
Er würde sehen. er sehen würde.
V. Wir würden sehen,Daß wir sehen würden,
Ihr würdet sehen, ihr sehen würdet,
Sie würden sehen. sie sehen würden.
Die gebiethende Art. Die unbestimmte Art.
Gegenw. Z.Sieh du,Gegen. Z.sehen.
Sehet ihr.Verg. Z.gesehen
haben.
Künftig. Z.Laßt unsKünft. Z.sehen
Künftig. Z.sehen,Künft. Z.werden.
Ihr sollt sehen,Supin.zu sehen.
Sie sollen sehen.Gerund.im sehen,
vom sehen,
zum sehen.
Mittelwort.

Gegenw. Zeit, sehend, oder der, die, das sehende, imgleichen ein Sehender, u.s.w.
12 §. Das Muster der leidenden Gattung sieht so aus.

Der II Abwandelung
leidende Gattung.

Anzeigende Art. Verbindende Art.
(MOD. IND.)(MOD. CONJ.)
Gegenwärtige Zeit.

E. Ich werde gesehen,Daß ich gesehen werde,
Du wirst gesehen, du gesehen werdest,
Er wird gesehen. er gesehen werde.
[386] V. Wir werden gesehen,Daß wir gesehen werden,
Ihr werdet gesehen, ihr gesehen werdet,
Sie werden gesehen. sie gesehen werden.
Jüngstvergangene Zeit.

E. Ich wurde gesehen,Daß ich gesehen würde.
Du wurdest gesehen, du gesehen würdest,
Er wurde gesehen. er gesehen würde.
V. Wir wurden gesehen,Daß wir gesehen würden,
Ihr wurdet gesehen, ihr gesehen würdet,
Sie wurden gesehen. sie gesehen würden.
Völlig vergangene Zeit.

E. Ich bin gesehen worden,Daß ich sey gesehen worden,
Du bist gesehen worden, du seyst gesehen worden,
Er ist gesehen worden. er sey gesehen worden.
V. Wir sind gesehen worden,Daß wir seyn gesehen worden,
Ihr seyd gesehen worden, ihr seyd gesehen worden,
Sie sind gesehen worden. sie seyn gesehen worden.
Längstvergangene Zeit.

E. Ich war gesehen worden,Daß ich wäre gesehen worden,
Du warest gesehen worden, du wärest gesehen worden,
Er war gesehen worden. er wäre gesehen worden.
V. Wir warenDaß wir wären gesehen worden,
gesehen worden,
Ihr waret gesehen worden, ihr wäret gesehen worden,
Sie waren gesehen worden. sie wären gesehen worden.
I. Ungewiß künftige Zeit.

E. Ich will gesehen werden,Daß ich gesehen werden wolle,
Du willst gesehen werden, du gesehen werden wollest,
Er will gesehen werden. er gesehen werden wolle.
V. Wir wollenDaß wir gesehen werden wollen,
gesehen werden,
Ihr wollet gesehen werden, ihr gesehen werden wollet,
Sie wollen gesehen werden. sie gesehen werden wollen.
II. Gewiß.

E. Ich werdeDaß ich werde gesehen werden,
gesehen werden,Daß ich werde gesehen werden,
Du wirst gesehen werden, du werdest gesehen werden,
Er wird gesehen werden. er werde gesehen werden.
[387] V. Wir werdenDaß wir werden gesehen werden,
gesehen werden,
Ihr werdet gesehen werden, ihr werdet gesehen werden,
Sie werden sie werden gesehen werden.
gesehen werden.
III. Bedingt.

E. Ich würdeDaß ich gesehen werden würde,
gesehen werden,
Du würdest du gesehen werden würdest,
gesehen werden,
Er würde gesehen werden. er gesehen werden würde.
V. Wir würdenDaß wir gesehen werden würden,
gesehen werden,
Ihr würdet gesehen werden, ihr gesehen werden würdet,
Sie würden gesehen werden. sie gesehen werden würden.
Gebiethende Art. Unbestimmte Art.
Geg. Z.Werde du gesehen,Gegenw. Z.gesehen
Z.werden.
Werdet ihrV.Z.gesehen worden
gesehen.seyn.
K.Z.Ihr solltK.Z.werden gesehen
gesehen werden,werden.
Sie sollenGer.vom, im, und zum
gesehen werden.Ger.gesehen werden
Mittelwörter.

Gegenw. Z. Einer, der da gesehen wird.
Vergang. Z. Einer, der da ist gesehen worden. Ein Gesehener.
Künftig. Z. Einer, der da wird, soll oder muß gesehen werden.

13 §. In diesem Worte sehen nun, und in verschiedenen andern, die in der völlig vergangenen Zeit, den Selbstlauter der gegenwärtigen beybehalten, ist die Änderung, in Ansehung der richtigen Zeitwörter, fast gar nicht zu bemerken; außer, daß jene sich auf ein t endigten. Das thun aber die allerwenigsten, und weil die Veränderungen der Selbstlauter eben die größte Schwierigkeit machen: so wird es nöthig seyn, die ganze Anzahl der unrichtigen Zeitwörter, mit den sämmtlichen Bildungen ihrer übrigen Zeiten in ein Register zu bringen. Die Oberdeutschen, sonderlich an der Donau, wissen sich damit gar nicht zu behelfen, und fehlen nirgends öfter, als darinnen. Durch bloße Regeln aber läßt sich [388] solches nicht ausmachend 4; der Gebrauch und das Lesen guter Schriftsteller muß es allmählich geben.

14 §. Es nehmen aber zuvörderst einige unrichtige Zeitwörter in der jüngstvergangenen Zeit ein a, und in der gebiethenden Art ein i an: die zweyte und dritte Person der gegenwärtigen Zeit aber fällt überall einsyllbig; außer wo es der Wohlklang verbeut, und diese sind nach alphabetischer Ordnung folgende.


Ich befehle, du befiehlst, er befiehlt etc. ich befahl, befohlen, befiehl.

Ich beginne, du beginnst, er beginnt, ich begann, nicht begunnte, begonnen, beginn.

Ich berge, du birgst, er birgt, ich barg, geborgen, birg.

Ich berste, du birstest, er birst, ich barst, geborsten, birst.

Ich besinne, du besinnst, er besinnt, ich besann, besonnen, besinn.

Ich binde, du bindst, er bindt, ich band, gebunden, bind.

Ich bitte, du bittest, er bittet, ich bath, gebethen, bitt. NB. hiermit muß man das Bethen nicht vermengen, welches richtig geht, ich bethe, ich bethete, gebethet etc.

Ich breche, du brichst, er bricht, ich brach, gebrochen, brich.

Ich dringe, du dringst, er dringt, ich drang, gedrungen, dring.

Ich empfinde, du empfindst, er empfindt, ich empfand, empfunden, empfind.

Ich erschrecke, du erschrickst, er erschrickt, ich erschrack, erschrocken, erschrick 5.

Ich esse, du issest, er ißt, ich aß, gegessen, iß.

Ich finde, du findst, er findt, ich fand, gefunden, find.

Ich fresse, du frissest, er frißt, ich fraß, gefressen, friß.

Ich gebähre, du gebiehrst, er gebiehrt, ich gebahr, gebohren, gebiehr.

Ich gebe, du giebst, er giebt, ich gab, gegeben, gib.

Ich gelte, du giltst, er gilt, ich galt, gegolten, gilt.

Ich genese, du genesest, er geneset, ich genaß, genesen.

[389] Es geschieht, es geschah, es ist geschehen 6.

Ich gewinne, du gewinnst, er gewinnt, ich gewann, gewonnen, gewinn.

Ich helfe, du hilfst, er hilft, ich half, geholfen, hilf.

Ich klinge, du klingst, er klingt, ich klang, geklungen, kling.

Ich komme, du kömmst, er kömmt, ich kam, gekommen, komm.

Ich lese, du liesest, er liest, ich las, gelesen, lies.

Ich messe, du missest, er mißt, ich maß, gemessen, miß.

Ich nehme, du nimmst, er nimmt, ich nahm, genommen, nimm.

Ich pflege, SOLEO, du pflegst, er pflegt, ich pflag, gepflogen. NB. man muß dieß Wort nicht mit pflegen, NUTRIRE, vermengen; welches ganz richtig geht: er pflegete sein; er hat seiner gepfleget.

Ich ringe, du ringst, er ringt, ich rang, gerungen, ring.

Ich rinne, du rinnst, er rinnt, ich rann, geronnen, rinn.

Ich schelte, du schiltst, er schilt, ich schalt, gescholten, schilt.

Ich schlinge, du schlingst, er schlingt, ich schlang, geschlungen, schling.

Ich schwimme, du schwimmst, er schwimmt, ich schwamm, geschwommen, schwimm.

Ich schwinde, du schwindst, er schwindt, ich schwand, geschwunden, schwind.

Ich schwinge, du schwingst, er schwingt, ich schwang, geschwungen, schwing. Einige sagen auch, er schwung.

Ich sehe, du siehst, er sieht, ich sah, gesehen, sieh.

Ich sinke, du sinkst, er sinkt, ich sank, gesunken, sink.

Ich singe, du singst, er singt, ich sang, gesungen, sing.

Ich sinne, du sinnst, er sinnt, ich sann, gesonnen, sinn.

Ich sitze, du sitzest, er sitzt, ich saß, gesessen, sitz.

Ich spinne, du spinnst, er spinnt, ich spann, gesponnen, spinn.

Ich spreche, du sprichst, er spricht, ich sprach, gesprochen, sprich.

Ich springe, du springst, er springt, ich sprang, gesprungen, spring.

Ich steche, du stichst, er sticht, ich stach, gestochen, stich.

Ich stehe, du stehst, er steht, ich stund, bisweilen auch ich stand, gestanden, steh. Dieß weicht von der Regel des i ab.

Ich stehle, du stiehlst, er stiehlt, ich stahl, gestohlen, stiehl.

Ich sterbe, du stirbst, er stirbt, ich starb, gestorben, stirb.

Ich stinke, du stinkst, er stinkt, ich stank, gestunken, stink.

Ich thue, du thust, er thut, ich that, gethan, thu. Dieß weicht auch in der gebiethenden Art, vom i ab.

Ich treffe, du triffst, er trifft, ich traff, getroffen, triff.

Ich trete, du trittst, er tritt, ich trat, getreten, tritt.

[390] Ich trinke, du trinkst, er trinkt, ich trank, getrunken, trink.

Ich verderbe, du verdirbst, er verdirbt, ich verdarb, verdorben, verdirb. Doch muß man dieses nicht mit dem thätigen Zeitworte, ich verderbe, (CORRUMPO) vermischen; welches richtig fließt, du verder best, er verderbet, ich verderbete, ich habe verderbet, verderbe.

Ich vergesse, du vergissest, er vergißt, ich vergaß, vergessen, vergiß.

Ich verschwinde, du verschwindst, er verschwindt, ich verschwand, ich bin verschwunden, verschwind.

Ich versehe, geht wie sehen.

Ich werbe, du wirbst, er wirbt, ich warb, geworben, wirb.

Ich werde, du wirst, er wird, ich ward, geworden, werde. Auch dieß verläßt das i in der gebiethenden Art.

Ich werfe, du wirfst, er wirft, ich warf, geworfen, wirf.

Ich winde, du windest, er windet, ich wand, gewunden, wind.

Ich zwinge, du zwingst, er zwingt, ich zwang, gezwungen, zwing. 7


15 §. Eine andere Classe von 34 unrichtigen Zeitwörtern, nimmt in der jüngstvergangenen Zeit ein ie an; in der gebiethenden Art aber behält sie den Selbstlaut der gegenwärtigen Zeit. Die a, o, und u in der ersten Person haben, bekommen in der zweyten und dritten ä, ö, ü; die übrigen werden einsyllbig gemachet, wie folgendes Verzeichniß zeigen wird.


Ich blase, du bläsest, er bläst, ich blies, geblasen, blas!

Ich bleibe, du bleibst, er bleibt, ich blieb, geblieben, bleib!

Ich brate, du brätst, er brät, ich briet, gebraten, brat!

[391] Ich falle, du fällst, et fällt, ich fiel, gefallen, fall!

Ich fange, du fängst, er fängt, ich fieng, gefangen, fang!

Ich gedeihe, du gedeihst, er gedeiht, ich gedieh, gediehen, gedeih!

Ich gefalle, du gefällst, er gefällt, ich gefiel, gefallen, gefall!

Ich gehe, du gehst, er geht, ich gieng, gegangen, geh!

Ich halte, du hältst, er hält, ich hielt, gehalten, halt!

Ich hange, du hängst, er hängt, ich hieng, gehangen, häng! Man muß dieses Zeitwort nicht mit hängen, oder henken vermischen, welches thätiger Bedeutung ist, und ganz richtig fließt: du henkest, er henket, ich henkete, gehenket, henk! davon denn der Henker kömmt.

Ich haue, du häust, er häut, ich hieb, gehauen, hau!

Ich heiße, du heißest, er heißt, ich hieß, geheißen, heiß!

Ich lasse, du lässest, er läßt, ich ließ, gelassen, laß!

Ich laufe, du läufst, er läuft, ich lief, gelaufen, lauf!

Ich leihe, du leihst, er leiht, ich lieh, geliehen, leih!

Ich meide, du meidst, er meidt, ich mied, gemieden, meid!

Ich preise, du preisest, er preist, ich pries, gepriesen, preis!

Ich rathe, du räthst, er räth, ich rieth, gerathen, rath!

Ich reibe, du reibst, er reibt, ich rieb, gerieben, reib!

Ich rufe, du rufst, er ruft, ich rief, gerufen, ruf! Es ist zu merken, daß einige auch sprechen, ich rufete, geruft: allein, in der deutschen Bibel, und in den besten Scribenten gilt das erste.

Ich scheide, du scheidst, er scheidt, ich schied, geschieden, scheid!

Ich scheine, du scheinst, er scheint, ich schien, geschienen, schein!

Ich schlafe, du schläfst, er schläft, ich schlief, geschlafen, schlaf!

Es schneyt, (unpersönlich) es schnie, geschnien: doch sagen auch einige, es schneyete und es hat geschneyet.

Ich schreibe, du schreibst, er schreibt, ich schrieb, geschrieben, schreib!

Ich schreye, du schreyst, er schreyt, ich schrie, geschrieen, schrey!

Ich schweige, du schweigst, er schweigt, ich schwieg, geschwiegen, schweig!

Ich speye, du speyst, er speyt, ich spie, gespieen, spey!

Ich steige, du steigst, er steigt, ich stieg, gestiegen, steig!

Ich stoße, du stößest, er stößt, ich stieß, gestoßen, stoß!

Ich treibe, du treibst, er treibt, ich trieb, getrieben, treib!

Ich verzeihe, du verzeihst, er verzeiht, ich verzieh, verziehen, verzeih!

Ich weise, du weisest, er weist, ich wies, gewiesen, weis!

Ich zeihe, du zeihst, er zeiht, ich zieh, geziehen, zeih!


16 §. Nun folget eine Classe solcher Zeitwörter, die in der jüngstvergangenen Zeit, ein schlechtes i, mit einem doppelten Mitlauter annehmen. Ihrer sind nur 25.


[392] Ich befleiße, du befleißest, er befleißt, ich befliß, beflissen, befleiß! Man spricht aber auch ich befleißige, und alsdann ist es ein richtiges Zeitwort, ich befleißigte, ich habe mich befleißiget; jenes hat dafür ich bin beflissen.

Ich beiße, du beißest, er beißt, ich biß, gebissen, beiß!

Ich gleiche, du gleichst, er gleicht, ich glich, geglichen, gleich!

Ich gleiße, du gleißest, er gleißt, ich gliß, geglissen, gleiß!

Ich gleite, du gleitest, er gleitet, ich glitt, geglitten, gleit!

Ich greife, du greifst, er greift, ich griff, gegriffen, greif!

Ich kneife, du kneifst, er kneift, ich kniff, gekniffen, kneif!

Ich kneipe, du kneipst, er kneipt, ich knipp, geknippen, kneip!

Ich leide, du leidst, er leidt, ich litt, gelitten, leid!

Ich pfeife, du pfeifst, er pfeift, ich pfiff, gepfiffen, pfeif!

Ich reiße, du reißest, er reißt, ich riß, gerissen, reiß!

Ich reite, du reitest, er reitet, ich ritt, geritten, reit!

Ich scheiße, du scheißest, er scheißt, ich schiß, geschissen, scheiß!

Ich schleiche, du schleichst, er schleicht, ich schlich, geschlichen, schleich!

Ich schleife, du schleifst, er schleift, ich schliff, geschliffen, schleif!

Ich schleiße, du schleißest, er schleißt, ich schliß, geschlissen, schleiß. Dieß ist von schließen, (CLAUDERE) ich schloß, geschlossen, ganz unterschieden.

Ich schmeiße, du schmeißest, er schmeißt, ich schmiß, geschmissen, schmeiß!

Ich schneide, du schneidst, er schneidt, ich schnitt, geschnitten, schneid!

Ich schreite, du schreitst, er schreitet, ich schritt, geschritten, schreit!

Ich spleiße, du spleißest, er spleißt, ich spliß, gesplissen, spleiß!

Ich streiche, du streichst, er streicht, ich strich, gestrichen, streich!

Ich streite, du streitst, er streitet, ich stritt, gestritten, streit!

Ich verbleiche, du verbleichst, er verbleicht, ich verblich, verblichen, verbleich!

Ich vergleiche, du vergleichst, er vergleicht, ich verglich, verglichen, vergleich!

Ich weiche, du weichst, er weicht, ich wich, gewichen, weich!


17 §. Nun kömmt eine ziemliche Anzahl derer, die in der jüngstvergangenen Zeit, ein o annehmen. Diese nehmen großentheils in der zweyten und dritten Person der gegenwärtigen Zeit ein eu an. Sie belaufen sich auf 44 Stücke.


[393] Ich biege, du beugst, er beugt, ich bog, gebogen, bieg!

Ich betriege, du betreugst, er betreugt, ich betrog, betrogen, betreug!

Ich bewege, du bewegst, er bewegt, ich bewog, bewogen, beweg. NB. Dieß ist im moralischen Verstande: im physikalischen geht es richtig. ich bewegete, ich habe beweget.

Ich biethe, du beutst, er beut, ich both, gebothen, beut!

Ich dresche, du drischest, er drischt, ich drosch, gedroschen, drisch!

Es erschallet, es erscholl, es ist erschollen. Das Stammwort hievon schallen, ist richtig in der Abwandelung, es schallete, es hat geschallet!

Ich erwäge, du erwägst, er erwägt, ich erwog, erwogen, erwäg!

Ich fechte, du fichtst, er ficht, ich focht, gefochten, ficht!

Ich flechte, du flichtst, er flicht, ich flocht, geflochten, flicht!

Ich fliege, du fleugst, er fleugt, ich flog, geflogen, fleug! Die Neuern sagen auch, du fliegst, er fliegt, fliege!

Ich fliehe, du fleuchst, er fleucht, ich floh, geflohen, fleuch! Die Neuern sagen auch, du fliehst, er flieht, flieh!

Ich fließe, du fleußest, er fleußt, ich floß, geflossen, fleuß! Auch hier sprechen einige, du fließest, er fließt, fließe!

Ich friere, du freuerst, er freuert, ich fror, gefroren, frier! Doch pflegen ebenfalls einige du frierst, er friert zu sagen.

Ich gebiethe, du gebeutst, er gebeut, ich geboth, gebothen, gebeut! Einige sagen auch gebiethest, gebiethet.

Ich genieße, du geneußest, er geneußt, ich genoß, genossen, geneuß! Andere sagen auch genießest, genießt.

Ich gieße, du geußest, er geußt, ich goß, gegossen, geuß! Von diesen gilt ebenfalls die vorige Anmerkung.

Ich glimme, du glimmst, er glimmt, ich glomm, geglommen, glimm!

Ich hebe, du hebst, er hebt, ich hob, gehoben, heb!

Ich krieche, du kreuchst, er kreucht, ich kroch, gekrochen, kreuch! Andere sagen auch du kriechst, er kriecht.

Ich kühre, du kührst, er kührt, ich kohr, gekohren, kühr!

Ich erlösche, du erlischest, er erlischt, ich erlosch, erloschen, erlisch: Dieses ist ein Zeitwort der mittlern Gattung (NEUTRUM), wie es von einem Lichte, oder einer Flamme gebrauchet wird. Das andere ich sche, ist von richtiger Abwandelung: ich löschete, ich habe gelöschet.

Ich lüge, du leugst, er leugt, ich log, gelogen, leug! Auch hier sagen einige du lügest, er lüget, lüge!

Ich melke, du melkest, er melket, ich molk, gemolken, melk!

Ich quelle, du quillst, er quillt, ich quoll, gequollen, quell!

Ich rieche, du reuchst, er reucht, ich roch, gerochen, reuch! Man merke, daß einige, auch du riechest, er riechet, sagen. Das Wort rächen aber, [394] ist von richtiger Abwandelung, und hat nicht ich roch, gerochen, sondern ich rächete, gerächet, räche!

Ich saufe, du säufst, er säuft, ich soff, gesoffen, sauf!

Ich sauge, du saugest, er saugt, ich sog, gesogen, saug! Hiermit muß man das thätige Zeitwort säugen nicht vermengen, welches richtig geht, ich säugete, gesäuget, säuge!

Ich schere, du schierst, er schiert, ich schor, geschoren, schier! Doch sagen auch einige du scherest, er scheret, schere!

Ich schiebe, du schiebst, er schiebt, ich schob, geschoben, schieb!

Ich schieße, du scheußest, er scheußt, ich schoß, geschossen, scheuss! Wiewohl man wegen der Zweydeutigkeit, lieber spricht, du schießest, er schießt, schieß!

Ich schließe, du schleußest, er schleußt, ich schloß, geschlossen, schleuß! Einige sprechen auch, schließest, schließt, schließe!

Ich schmelze, LIQUESCO, du schmilzest, er schmilzt, ich schmolz, geschmolzen, schmilz! Dieß ist vom Wachse oder Metalle leidend zu verstehen: das thätige Zeitwort aber, LIQUEFACIO, ich schmelze, ist von der richtigen Art, du schmelzest, er schmelzet, ich schmelzete, ich habe geschmelzet, schmelze!

Ich schniebe, du schniebst, er schniebt, ich schnob, geschnoben, schnieb! Das Wort schnauben, das ist pochen, wüthen, ist von richtiger Abwandelung; Saul schnaubete noch, geschnaubet.

Ich siede, du siedest, er siedet, ich sott, gesotten, sied!

Ich sprieße, du sprießest, er sprießt, ich sproß, gesprossen, sprieß!

Ich stiebe, du stiebst, er stiebt, ich stob, gestoben, stieb! Man muß es nicht mit stäuben vermischen, welches thätig ist, und richtig fließt, ich stäubete, gestäu bet.

Es schweret, nämlich ein Geschwür, es schwor, geschworen.

Ich triefe, du treufst, er treuft, ich troff, getroffen, treuf! Träufeln hergegen geht richtig, es träufelte, geträufelt.

Es verdreußt, verdroß, es hat verdrossen. Doch sagen auch viele schon, es verdrießt.

Ich verhöhle, du verhöhlst, er verhöhlt, ich verhohl, verhohlen, verhöhl!

Manche sagen auch verhöhlete, verhöhle!

Ich verliere, du verleurst, er verleurt, ich verlor, verloren, verleur! Wiewohl viele schon sprechen, du verlierst, er verliert, verlier!

Ich verwirre, du verwirrst, er verwirrt, ich verworr, verworren, verwirr! Viele machen es auch richtig, ich verwirrete, ich habe verwirret.

Ich wiege, du wiegst, er wiegt, ich wog, gewogen, wieg! Das Wiegen beym Kinderwiegen geht richtig, ich wiegete etc.

Ich ziehe, du zeuchst, er zeucht, ich zog, gezogen, zeuch! Aber auch hier schreiben die meisten schon ziehst, zieht, ziehe!


[395] 18 §. Endlich kömmt die letzte Classe derjenigen unrichtigen Zeitwörter, die in der jüngstvergangenen Zeit ein u bekommen. Es sind ihrer nicht mehr, als 20.


Ich backe, du bäckst, er bäckt, ich buck oder buch, gebacken, back!

Ich fahre, du fährst, er fährt, ich fuhr, gefahren, fahr!

Es gelingt, es gelung oder gelang, es ist gelungen.

Ich grabe, du gräbst, er gräbt, ich grub, gegraben, grabt

Ich lade, du lädst, er lädet, ich lud, geladen, lad!

Ich mahle, (Mehl) du mahlst, er mahlt, (sollte auch haben ich muhl, davon Mühle kömmt; ist aber nicht mehr gebräuchlich;) manche sagen, er mühlete, gemahlen, mahl! Das Malen, PINGERE, ist ein richtiges Zeitwort, ich malete etc.

Ich schaffe, du schaffst, er schafft, ich schuff, geschaffen, schaff!

Ich schinde, du schindst, er schindt, ich schund, geschunden, schind!

Ich schlage, du schlägst, er schlägt, ich schlug, geschlagen, schlag!

Ich schlinge, du schlingst, er schlingt, ich schlung oder schlang, geschlungen, schling!

Ich schwöre, du schwörst, er schwört, ich schwur, geschworen, schwör!

Ich schwinge, du schwingst, er schwingt, ich schwung oder schwang, geschwungen, schwing!

Ich singe, du singst, er singt, ich sung, gesungen, sing! andere sagen, sang.

Ich sinke, du sinkst, er sinkt, ich sunk, gesunken, sink! andere sagen auch sank.

Ich springe, du springst, er springt, ich sprung oder sprang, gesprungen, spring! So haben auch noch stinken, trinken, u.e.a. zugleich stank, und stunk, trank, und trunk; allein, die erste Art klingt allemal edler, und die andere pöbelhafter.

Ich trage, du trägst, er trägt, ich trug, getragen, trag!

Ich wachse, du wächsest, er wächst, ich wuchs, gewachsen, wachs!

Ich wasche, du wäschest, er wäscht, ich wusch, gewaschen, wasch!

Ich werde, du wirst, er wird, ich wurd, geworden, werd! doch hat es auch, ich ward.

Ich winde, du windst, er windt, ich wund, gewunden, wind! Doch ist oben in der ersten Classe, das ich wand, viel besser.


19 §. Dergestalt beläuft sich die ganze Anzahl der unrichtigen Zeitwörter im Deutschen ungefähr, auf 185 bis 190: ob sie gleich von einem neuen Sprachlehrer für viel größer ausgegeben worden. Dieser hat viele richtige, die [396] ihr te, und et behalten, bloß deswegen hierher gerechnet, weil sie den Selbstlaut ändern; als ich wende, ich wandte, ich kannte, nannte, brannte, brachte u.d.gl. Allein, ein jeder sieht, daß dieses nur eine Verkürzung, auswendete, kennete, nennete, brennete, ist; welche auch noch gewöhnlich geblieben sind. Da sich nun die richtigen auf die 13 bis 1400 belaufen: so sieht man wohl, daß die Schwierigkeit diese wenigen zu merken, so groß nicht sey, als sich viele einbilden.

Fußnoten

1 Ich weis wohl, daß in der Bibel sehr oft steht, ich sahe; imgleichen daß viele ich stritte und litte sprechen. Auch manche Poeten haben wohl um des Reimes, oder Syllbenmaaßes willen, so geschrieben. Allein, um so weniger abweichenden Exempel halben, eine Ausnahme von der Regel zu machen, das belohnet die Mühe nicht. Ist es nicht besser, diese drey Wörter, nach dem großen Haufen der andern, ohne das e der regelmäßigen Zeitwörter zu bilden?

2 Man weis wohl, daß viele Landschaften sprechen, du kommst, er kommt. Allein, wenn die Provinzen von Deutschland uneins sind: so muß die Sprachlehre nach der Analogie entscheiden, welche recht hat. Nun sprechen aber die Schlesier und Meißner im ersten Falle, kömmst, kömmt; so gar, daß Opitz es auch einmal mit nimmt gereimet hat. Nach der Regel, haben also die Meißner und Schlesier recht.

3 Es thut nichts, daß einige Landschaften hier abweichen. Denn wie schon oben erinnert worden: so muß die Analogie der meisten Exempel entscheiden, wer recht hat. Auch das siehe, das so oft in der Bibel vorkömmt, muß der Regel nachgeben. Man fraget mich, ob denn die Poeten nicht, ware, sahe, u.d.gl. brauchen dörfen? Ich antworte, Nein. Eine solche Kleinigkeit nämlich verdienet keine Ausnahme.

4 Einige unserer alten Sprachlehrer haben sich zwar bemühet, solches zu thun: allein, ihre Regeln leiden so viele Ausnahmen, daß es vergeblich seyn würde, sie auswendig zu behalten.

5 Dieß ist das NEUTRUM: das thätige Zeitwort, icherschrecke dich, ist regelmäßig, icherschreckete ihn, ich habe ihn erschrecket.

6 Dieß ist ein unpersönliches Zeitwort, wovon ich schon oben einen Begriff gegeben, unten aber noch mehr sagen werde.

7 Bey vielen von diesen Wörter ist zu merken, daß, ob zwar in der anzeigenden Art die jüngstvergangene Zeit ein a hat, dennoch die verbindende ein ü bekömmt: wie wir oben bey dem Hülfsworte ward, würde, schon gesehen haben. Als, ich starb, ich stürbe, ich verdarb, ich verdürbe, ich warb, ich würbe, ich warf, ich würfe, ich stand, ich stünde, u.d.gl.m. die man aus dem Lesen anmerken muß. Vieleicht kömmt es daher, daß man vor Alters gesaget hat, ich sturb, verdurb, wurb, wurf, stund; wie man denn das letzte noch itzo so spricht. Allein, in den meisten hat das a auch in der verbindenden Art die Oberhand behalten. Man fraget mich, ob ein Poet nicht noch das alte brauchen dürfe? Wenn er sich durch solche veraltete Worte einer Armuth im Verändern schuldig geben und lächerlich werden will: so kann ers thun.

IV Abschnitt
IV Abschnitt.
Von der Mittelgattung der Zeitwörter.

(De Verbis Neutris.)


1 §.


Nachdem wir nun wissen, wie die thätigen und leidenden Zeitwörter, sowohl in der richtigen, als unrichtigen Abwandelung aussehen: so müssen wir noch dieMittelgattung (GENUS NEUTRUM) derselben genauer ansehen. Es sieht aber dieselbe der thätigen Gattung ziemlich ähnlich, außer darinnen nicht, daß sie keine leidende Bedeutung annimmt, Z.E. ichlebe, ich sterbe, leiden es nicht, daß man sagen kann, ich werde gelebet, ich werde gestorben. Der philosophische Grund davon ist dieser: weil diese Wörter, wie ich oben schon bemerket, einen Zustand des Menschen, nicht aber sein Thun ausdrücken. Hergegen ich belebe, ich tödte, drücken ein Thun aus: daher kann man auch sagen: ich werde belebet, ich werde getödtet. Und scheint es gleich, daß auch manches thätige es nicht leiden will, ein ich werde, vorzusetzen; als ich rathe, ich werde gerathen; ich begegne,ich werde begegnet: so saget man doch auf eine unpersönliche Art, es wird mir gerathen; es wird mir wohl oder übel begegnet.

2 §. Es äußert sich aber noch ein Merkmaal bey dieser Mittelgattung, wiewohl es nur bey den meisten eintrifft. Die thätigen Zeitwörter nehmen in der völlig und längst vergangenen Zeit, das Hülfswort, habe und hatte zu sich, [398] um ihre Personen und Zahlen zu bilden. Die Mittelgattung aber brauchet großentheils das bin. Z.E. ich sterbe, machet nicht, ich habe gestorben, sondern ich bin gestorben; ich gehe, hat nicht, ich habe, sondern ich bin gegangen, u.s.w. Wenn nun diese Regel allgemein wäre, so wäre nichts leichter, als das. Allein, es ist wahr, daß viele davon abgehen: z.E. ich lebe, hat ich habe gelebet; ob es gleich zur Mittelgattung gehöret. Bey andern aber ist es gar zweifelhaft, und wird in einer Landschaft so, in der andern anders gebrauchet. Z.E. ich sitze, hat hier in Meißen, ich habe gesessen: in der Bibel aber steht, wie man auch noch im Reiche spricht: ich bin gesessen; er ist gesessen zur Rechten Gottes etc.

3 §. Einheimische lernen es nun zwar von Jugend auf, aus der Übung, wie in ihrem Vaterlande gesprochen wird; wofern sie nicht, aus billigem Mistrauen auf ihre besondere Provinz, in Zweifel gerathen, welches recht, oder besser ist. Z.E. das Wort ich be gegne, ist diesem Zweifel unterworfen. Einige sagen, ich bin ihm, er ist mir begegnet; andere sprechen: ich habe ihn begegnet, und er hat mich begegnet: daher denn noch andere sich so weit verwirren, daß sie gar auch leidend sagen wollen: er ist begegnet worden; welches ganz ungereimt ist. Das erste nämlich ist nach der Sprachähnlichkeit, und dem Gebrauche der besten Schriftsteller recht; das zweyte aber ist verwerflich; das letzte endlich muß durch man, oder es, ausgedrücket werden: Man ist ihm sehr höflich begegnet; oder es ist ihm so und so begegnet worden: wiewohl dieses letzte auch schon anstößig klingt.

4 §. Wie also selbst gebohrne Deutsche hierinn zuweilen einen Wegweiser brauchen: also haben ihn die Ausländer noch nöthiger; die sich oft nicht zu rathen wissen, ob sie ich bin, oder ich habe, vor manches Zeitwort setzen sollen. Denn so lächerlich es klingt, ich bin gelebet, so lächerlich klingt es auch, ich habe gestorben. Eine Anweisung ist also [399] nöthig: aber diesen unbeständigen Gebrauch in Regeln zu bringen, noch zur Zeit unmöglich. Es ist daher kein anderer Rath, als erstlich ein Muster dieser mittlern Abwandelung herzusetzen; und hernach, ein Verzeichniß der Zeitwörter mitzutheilen, die das Hülfswort, ich bin annehmen; das haben aber nicht leiden können. Die übrigen gehen alsdann, wie oben die thätigen abgewandelt wurden; und brauchen also auch kein besonderes Muster der Abwandelung.

5 §. Da es aber in dieser Mittelgattung sowohl richtige als unrichtige Zeitwörter giebt: so müssen wir von beyden eine Probe sehen:


III Abwandelung.


Der Zeitwörter von der Mittelgattung.


(CONJUGATIO VERBI NEUTRI.)


Ein richtiges.Ein unrichtiges.


Die anzeigende Art. (MOD. INDIC.)

Gegenwärtige Zeit.

E. Ich wandele,Ich gehe,
du wandelst,du gehst,
er wandelt.er geht.
V. Wir wandeln,Wir gehen,
ihr wandelt,ihr gehet,
sie wandeln.sie gehen.
Jüngstvergangene Zeit.

E. Ich wandelte,Ich gieng,
du wandeltest,du giengst,
er wandelte.er gieng.
V. Wir wandelten,Wir giengen,
ihr wandeltet,ihr gienget,
sie wandelten.sie giengen.
[400] Völlig vergangene Zeit.

E. Ich binIch bin
du bistdu bist
er ist gewandelt.er ist gegangen.
V. Wir sindWir sind
ihr seydihr seyd
sie sind gewandelt.sie sind gegangen.
Längst vergangene Zeit.

E. Ich warIch war
du warestdu warest
er war gewandelt.er war gegangen.
V. Wir warenWir waren
ihr waretihr waret
sie waren gewandelt.sie waren gegangen.
I.Die ungewisse, künftige Zeit.

E. Ich willIch will
du willstdu willst
er will wandeln.er will wandeln.
V. Wir wollenWir wollen
ihr wolletihr wollet
sie wollen wandeln. sie wollen gehen.
II. Die gewisse.

E. Ich werdeIch werde
du wirstdu wirst
er wird wandeln.er wird gehen.
V. Wir werdenwir werden
ihr werdetihr werdet
sie werden wandeln.sie werden gehen.
III. Die bedingte.

E. Ich würdeIch würde
du würdestdu würdest
er würde wandeln.er würde gehen.
V. Wir würdenWir würden
ihr würdetihr würdet
sie würden wandeln.sie würden gehen.

[401] Die gebiethende Art. (MOD. IMPER.)

Gegenw. Z.Wandle du,Geh du
Wandelt ihr.gehet ihr.
Künftig. Z.Du sollst wandeln,Du sollst gehen,
Er soll wandeln,er soll gehen.
Laßt uns wandeln,laßt uns gehen,
Ihr sollet wandeln,ihr sollet gehen,
Sie sollen wandeln.sie sollen gehen.

6 §.Die verbindende Art. (MOD. CONJ.)
Gegenwärtige Zeit.

E. Daß ich wandle,Daß ich gehe,
du wandelst, du gehest,
er wandle. er gehe.
V. Daß wir wandeln,Daß wir gehen,
ihr wandelt ihr gehet,
sie wandeln. sie gehen.
Jüngstvergangene Zeit.

E. Daß ich wandelte,Daß ich gienge,
du wandeltest, du giengest,
er wandelte. er gienge.
V. Daß wir wandelten,Daß wir giengen,
ihr wandeltet, ihr gienget,
sie wandelten.Sie giengen.
Völlig vergangene Zeit.

E. Daß ich gewandelt sey,Daß ich gegangen sey,
du gewandelt seyst, du gegangen seyst
er gewandelt sey. er gegangen sey.
V. Daß wir gewandelt seyn,Daß wir gegangen seyn,
ihr gewandelt seyd, ihr gegangen seyd,
sie gewandelt seyn. sie gegangen seyn.
Längst vergangene Zeit.

E. Daß ich gewandelt wäre,Daß ich gegangen wäre,
du gewandelt wärest, du gegangen wärest,
er gewandelt wäre. er gegangen wäre.
[402] V. Daß wir gewandelt wären, er gegangen wäre.
ihr gewandelt wäret, ihr gegangen wäret,
sie gewandelt wären. sie gegangen wären.
I. Die ungewiß, künftige Zeit.

E. Daß ich wandeln wolle,Daß ich gehen wolle,
du wandeln wollest, du gehen wollest,
er wandeln wolle. er gehen wolle.
V. Daß wir wandeln wollen,Daß wir gehen wollen,
ihr wandeln wollet, ihr gehen wollet,
sie wandeln wollen. sie gehen wollen.
II. Die gewisse.

E. Daß ich wandeln werde,Daß ich gehen werde,
du wandeln werdest, du gehen werdest,
er wandeln werde. er gehen werde.
V. Daß wir wandeln werden,Daß wir gehen werden,
ihr wandeln werdet, ihr gehen werdet,
sie wandeln werden. sie gehen werden.
III. Die bedingte.

E. Daß ich wandeln würde,Daß ich gehen würde,
du wandeln würdest, du gehen würdest,
er wandeln würde. er gehen würde.
V. Daß wir wandeln würden,Daß wir gehen würden,
ihr wandeln würdet, ihr gehen würdet,
ihr wandeln würden. sie gehen würden.
Die unbestimmte Art.(MODUS INFINIT.)
Gegenw. Z.Wandeln,Gehen,
Vergang. Z.Gewandelt seyn,Gegangen seyn,
Künftig. Z.Wandeln werden,Gehen werden.
Supin.Zu wandeln.Zu gehen.
Gerund.Im wandeln,Im gehen,
Vom wandeln,Vom gehen,
Zum wandeln.Zum gehen.

[403] Mittelwörter.

Der gegenwärtigen Zeit.

Ein Wandelnder.Ein Gehender.
oder

der, die, das, wandelnde, oder gehende.

Bey dem Worte wandeln ist zwar auch dashaben bisweilen gewöhnlich: doch das machet nicht, daß man nicht lieber bey der Regel bleiben sollte.

7 §. Verzeichniß der Zeitwörter von der Mittelgattung, die das Hülfswort ich bin brauchen.


Richtige.Unrichtige.

Arten,ich bin geartet,befleißen,ich bin beflissen.

begegnen, – begegnet, 1bergen, – geborgen.

bemühen, 2ich binbersten,ich bin

bemühet.geborsten.

beweiben, – beweibet.bleiben, – geblieben.

eilen, – geeilet.dringen, – gedrungen.

ergrimmen, – ergrimmet.erfrieren, – erfroren.

erkalten, – erkaltet.erschallen, – erschollen.

erstaunen, – erstaunet.erschrecken, – erschrocken.

erstarren, – erstarret.fahren, – gefahren.

flattern, – geflattert.fallen, – gefallen.

flügeln, – geflügelt.fliegen, – geflogen.

folgen, – gefolget.fliehen, – geflohen.

gelangen, – gelanget.fließen, – geflossen.

gewohnen, 3 – gewohnet.frieren, – gefroren.

klettern, – geklettert.gedeihen, – gediehen.

lagern, – gelagert.gehen, – gegangen.

landen, – gelandet.genesen, – genesen.

prallen, – geprallet.gleiten, – geglitten.

reisen, – gereiset.klimmen, – geklommen.

rennen, – gerennet.kommen, – gekommen.


[404]

Richtige.Unrichtige.

rollen, – gerollet.kriechen, – gekrochen.

segeln, – gesegelt.laufen, – gelaufen.

sinnen, – gesinnet, 4reiten, – geritten.

stolpern, – gestolpert.rinnen, – geronnen.

stranden, – gestrandet.scheiden, – geschieden.

straucheln, – gestrauchelt.schleichen, – geschlichen.

stutzen, – gestutzet.schreiten, – geschritten.

traben, – getrabet.schwellen, – geschwollen.

veralten, – veraltet.schwimmen, – geschwommen.

verarmen, – verarmet.schwinden, – geschwunden.

verblinden, – verblindet.sinken, – gesunken.

verkrummen, – verkrummet.sitzen, – gesessen.

verlahmen, – verlahmet.springen, – gesprungen.

versanden, – versandet.stehen, – gestanden.

versauren, – versauret.steigen, – gestiegen.

verstummen, – verstummet.sterben, – gestorben.

verwesen, – verweset.verbleichen, – verblichen.

verwildern, – verwildert.verderben, – verdorben.

verzagen, – verzaget.verlöschen, – verloschen.

wandeln, – gewandelt.verschwinden, – verschwunde.

wandern, – gewandert, 5wachsen, – gewachsen.

weichen, – gewichen.

werden,– geworden.


[405] 8 §. Wenn nun gleich einige von diesen Wörtern auch mit dem Hülfsworte haben bisweilen vorkommen möchten: so dörfen sich doch die Anfänger das nicht irren lassen; indem das bin bey ihnen gewiß den Vorzug verdienet. Es sind aber hier freylich nur die einfachen Zeitwörter ins Register gebracht; die zusammengesetzten aber verschwiegen worden. Diese bleiben nämlich bey eben der Art, als die einfachen; daher es fast keiner Erinnerung deswegen gebrauchet hätte: außer wenn die zusammengesetzten Zeitwörter, ein Thun ausdrucken, s. des IV Abschn. 1 §. als beleben, berathen, u.a.m. Es kann nämlich ein einfaches Zeitwort zur Mittelgattung gehören: so bald es aber zusammengesetzet wird, gehöret es zur thätigen und leidenden Gattung; z.E. reden, bereden, überreden; eilen, übereilen; dienen, bedienen.

9 §. Nun folget das Verzeichniß derjenigen Zeitwörter, die von der Mittelgattung sind, und mit haben, abgewandelt werden.


Die unrichtigen sind mit * bezeichnet.

ich ächze.danke.fluche.
alte, altere.däue.funkele.
angele.daure.gähne.
ankere.*denke, dachte.gaukele.
antworte.dichte.*gefalle, gefiel.
appellire.diene.geize.
argwohne.discurire.ich glänze.
athme.donnere.*gleiche, glich.
balge.drohe.gleite.
banketire.dürste.grinze.
bankerotire.eifere.handele.
bethe.eile.harre.
*befehle, befahl.ich eitere.hausire.
befleißige.entäußere.handthiere.
befürchte,entrüste mich.*helfe, half.
*beginne, begann.entsage.herrsche.
begnüge.erbe.hindere.
beharre.*erwerbe, warb.hinke.
ich bettele.fackele.horche.
blinzele.fantasire.hungere.
blühe.faule.hüpfe.
borge.*fechte, focht.hure.
buhle.fehle.huste.
bürge.flattere.hüte.
büße.flecke.jauchze.
[406]
ich irre.*rathe, rieth.seufze.
kalbe.rauche.*sinke, sank.
kämpfe.räume.*sinne, sann.
karge.räuspere.*sitze, saß.
*keife, kiff.rausche.sorge.
keime.rechne.spaziere.
kirre.rechte.spiele.
klaffe.rede.*springe, sprang
klage.regne.stalle.
klebe.reife.steure.
klatsche.reime.*stinke, stank.
*klimme, klomm.*reite, ritt.stocke, stolziere.
*klinge, klang.*ringe, rang.*streite, stritt.
klügele.rudere.ich studiere.
knacke.*saufe, soff.stürme.
knalle.säume.stutze.
knickere.sause.sudele.
kniee.schade.summe.
kollere.schaffe.sündige.
koste.schäme mich.supplicire.
krähe.scharmützele.tappe.
krame.schaudere.taste.
kranke.*scheine, schien.throne.
krappele.scherze.tische.
krebse.schimmele.tobe.
*kreiße, kriß.*schlafe, schlief.töne.
kriege.*schleiße, schliß.trachte.
kuppele.ich schlucke.träume.
lache.schmachte.trauere.
läffele.schmarutze.trödele.
lärme.schmatze.triumphire.
lande.schmause.tyrannisire.
laure.schmähle.verarge.
laute.schmäuchele.*verbreche, ach.
lebe.schmolle.*verfresse, fraß.
*leide, litt.schmunzele.vergaffe.
leiste.schmutze.*vergehe mich.
ludere.schnäbele.verlerne.
mangele.schnarche.vermeyne.
ich meyne.schnattere.verneine.
murmele.*schnaube, schnob.verschlafe, ief.
musicire.*schreye, schrie.wache.
nahe mich.schwärme.wage.
orgele.*schweige, ieg.weine.
poetisire.*schwimme, amm.willfahre.
prophezeihe.schwindele.zage.
quacksalbere.*schwinge, ung.zähre.
qualstere.schwitze.zanke.
rase.*schwöre, ur.ziele.
raste.segele.zürne. u.a.

NB. Man machet mir hier niedersächsische Einwürfe. Allein, ich kann nicht dafür, daß man das Hochdeutsche daselbst oft nach dem Plattdeutschen [407] deutschen bildet. Und wenn gleich befleißigen, begnügen, entäußern, entrüsten, schämen und vergaffen zurückkehrende Zeitwörter sind, so brauchen sie doch das haben, und sind von der mittlern Gattung; als wovon hier die Rede ist: wie denn auch fallen, laufen, klimmen, schwingen, nur als solche RECIPROCA das haben fodern. Ich habe mich müde gelaufen, ich habe mich empor geklommen, er hat sich zu Tode gefallen; er hat sich empor geschwungen. Von dursten, hungern, träumen, saget man auch mich dürstet, hungert, träumet: aber es heißt auch etwas anders. Die Armen hungern und dürsten, heißt nur: sie leiden Noth. Wenn aber ein Reicher saget, mich hungert; so hat er nur Lust zu essen. Er träumet saget man, wenn einer im Schlafe liegt, und etwas redet; oder wenn er in tiefen Gedanken sitzet. Allein, wenn man saget, mich oder ihn träumet, so muß gleich dabey stehen, was ihn träumet: z.E. den Pharao träumete von sieben magern Kühen.

Fußnoten

1 Gewisse niedersächsische Schriftsteller setzen auch wohl aus Versehen,»ich bin sehr hart begegnet worden«, aber sehr unrecht. Denn es muß heißen, man ist mir sehr hart, oder ganz höflich begegnet. Schnitzer solcher Art haben im Hochdeutschen nicht das geringste Gewicht.

2 Man spricht zwar recht, ich bin bemühet, das zu Stande zu bringen: allein, oft heißt es auch, ich habe mich bemühet, dieß oder jenes zu thun. Eben so sprechen einige, ich habe geeilet, geflattert, gefolget, mich gewöhnet, gereiset, gestrauchelt; aber falsch. Man spricht auch, ich habe das Pferd geritten.

3 Gewöhnen in thätiger Bedeutung, wird mit haben gebrauchet.

4 Man machet mir den Einwurf, ich bin geartet, bemühet, beweibet, geflügelt, gesinnet, u.d.gl. wäre nicht in der vergangenen, sondern gegenwärtigen Zeit. Ich gebe es zu, der Bedeutung nach: aber der grammatischen Bildung nach, ist es ein anders, Z.E. wie SATIATUS SUM, AMATUS SUM, u.d.gl. Sonst saget man auch ich bin gesonnen; als von einem unrichtigen Zeitworte.

5 Wenn einige von diesen Wörtern zurückkehrend, oder VERBA RECIPROCA werden, so bekommen sie das habe. Z.E. Ich habe mich gelagert, ich habe mich aus dem Athem gelaufen; ichhabe mich müde gesessen, gegangen, gestanden.

V Abschnitt
V Abschnitt.

Von den zusammengesetzten Zeitwörtern, und

andern abweichenden Arten derselben.


(Verbis Compositis & Anomalis.)


1 §.


Aus der bisher erzählten, an sich schon ziemlich großen Menge, der einfachen Zeitwörter, wird nun durch die Zusammensetzung eine noch weit größere Menge zuwege gebracht; um alle die verschiedenen Begriffe des Thuns und Leidens, im Deutschen auszudrücken. Diese Zusammensetzung aber geschieht mit allerley kleinen Redetheilchen, oder Syllben, die den Zeitwörtern theils vor, theils nachgesetzet werden. Es sind dieselben zweyerley. Einige vereinigen sich damit so genau, daß sie denselben ganz unzertrennlich anhangen, und ihren Platz in allen Veränderungen des Zeitwortes nicht verlassen: und diese nennet man untrennbare Zusätze, (PARTICULAS INSEPARABILES:) die andern aber stehen bald vor, bald hinter dem Zeitworte, und können also gar wohl trennbare Zusätze (PARTICULAE SEPARABILES) heißen. Von beyden wollen wir handeln.

2 §. Der untrennbaren giebt es nicht mehr, als folgende siebzehn:


After, als afterreden, er afterredet, sie afterreden etc.

Be, als befinden, begrüßen, besehen, bevollmächtigen etc

Emp, als empfangen, empfehlen, empfinden etc.

[409] Ent, als entstehen, entsprießen, entwenden etc.

Er, als erfinden, ergeben, erhöhen, ersehen etc.

Ge, als gedeihen, gelüsten, gerathen, gewinnen etc.

Hinter, als hinterbleiben, hintergehen, hinterlassen etc.

Mis, als misfallen, mislingen, misrathen etc.

Verab, als verabfolgen, verabreden, verabscheiden etc.

Ver, als veranstalten, vergeben, vergehen, verschlagen etc.

Verun, als verunehren, verunglimpfen, verunzieren etc.

Voll, als vollbringen, vollenden, vollziehen etc. 1

Über, als überdenken, übergeben, übernehmen etc.

Um, als umgeben, umringen, umzäunen etc.

Unter, als unterfangen, unternehmen, unterstehen etc.

Ur, als Urkunden, urtheilen, und mit dem obigen be, beurlauben, oder mit ver, verursachen.

Zer, als zerreißen, zerstören, zertrennen u.s.w.


3 §. Wenn nun einer von diesen Zusätzen vor ein Zeitwort zu stehen kömmt, dessen Hauptbedeutung zu bestimmen und zu verändern 2: so bleibt derselbe die ganze Abwandelung hindurch, sein unzertrennlicher Gefährt, und das zwar ohne Unterschied; das Zeitwort mag richtig, oder unrichtig fließen. Z.E. Ich bese he, ich besah, ich habe besehen, ich werdebesehen, besieh, besehet, u.s.w. ich bestelle, ich bestellete, bestellet, bestellen, bestelle du, u.s.w. Ja es ist so genau an dasselbe gebunden, daß es auch das ordentliche Merkmaal der völlig vergangenen Zeit, ge, von seiner Stelle verdringt. Denn da es sonst heißen müßte, begesehen, begestellet, oder gebesehen, gebestellet: so muß das ge hier heraus, und fällt also gar weg: außer bey etlichen, die es vor sich treten lassen: als misbrauchen, gemisbrauchet, Urkunden, geurkundet, welches aber auch die einzigen sind.

[410] 4 §. Derjenigen Zusätze hingegen, die sich von ihrem Zeitworte trennen lassen, ist eine größere Anzahl. Es sind lauter kleine Vorwörterchen, die auch sonst für sich gebrauchet werden können: daher kömmt es eben, daß sie sich nicht so gar genau an ihr Zeitwort binden wollen; sondern sich zuweilen ziemlich weit von ihm verlaufen, welches dann den Ausländern sehr fremd vorkömmt. Wir wollen ein Verzeichniß davon sehen:


Abgehen. herziehen.

anheimstellen. herzunahen.

antragen. hinlangen.

aufstehen. hinanwerfen.

auslegen. hinabsteigen.

beyfügen. hinaufklettern.

darthun. hinausgehen.

darangehen. hindansetzen.

daraufhalten. hineinkommen.

davonlaufen. hinterherlaufen.

daruntermischen. hinübertreten.

darwiderhandeln. hinzutreten.

darzwischenlegen. innenhalten.

durchwischen. mitmachen.

einflechten. nacheilen.

fortlaufen. niederwerfen.

gleichkommen. obwalten.

heimführen. überladen.

herabsteigen. übereinstimmen.

herannahen. umbringen.

heraufkommen. unterlegen.

herausfordern. vollschütten.

herbeytragen. vorlegen.

herdurchwaten. voranrücken.

hereintreten. vorausgehen.

hervorblicken. vorbeyfahren.

hernachtraben. vorübereilen.

herniederfallen. weggeben.

herüberkommen. wiederkommen.

herumtragen. zuwenden etc.

heruntersteigen.


5 §. Wenn nun ein Zeitwort mit einem von diesen Zusätzen abgewandelt werden soll, so bleibt selbiger nicht etwa vor demselben stehen, wie die unabsonderlichen; sondern er tritt in der gegenwärtigen und jüngstvergangenen Zeit, hinter dasselbe: wie die Muster einer richtigen und unrichtigen Abwandelung [411] zeigen werden. Dieses ist hier noch anzumerken, daß die Syllbe ge, die oben verstoßen ward, hier bleibt; aber so, daß sie zwischen das Zeitwort und den Zusatz zu stehen kömmt. Z.E. von anschlagen, kömmt angeschlagen; von vorbethen, vorgebethet. Eben das gilt von dem Wörtchen zu, in der unbestimmten Art. Denn von anzeigen, kömmt anzuzeigen; von fortlaufen, fortzulaufen, u.d.m.


IV Abwandelung


eines zusammengesetzten Zeitwortes.


Die anzeigende Art. Die verbindende Art.


Gegenwärtige Zeit.

Ich fodre heraus,Daß ich heraus fodere,
Du foderst heraus, du heraus foderest,
Er fodert heraus. er heraus fodere.
Wir fodern heraus,wir heraus fodern,
Ihr fodert heraus, ihr heraus fodert,
Sie fodern heraus. sie heraus fodern.
Jüngst vergangene Zeit.

Ich foderte heraus,Daß ich heraus foderte,
Du fodertest heraus, du heraus fodertest,
Er foderte heraus. er heraus foderte.
Wir foderten heraus,Daß wir heraus foderten,
Ihr fodertet heraus, ihr heraus fodertet,
Sie foderten heraus. sie heraus foderten.
Völlig vergangene Zeit.

Ich habe – –Daß ich herausgefodert habe,
Du hast – – du – – – habest,
Er hat herausgefodert. er – – – habe.
Wir haben – –Daß wir herausgefodert haben,
Ihr habet – – ihr – – – habet,
Sie haben herausgefodert. sie – – – haben.
[412] Die anzeigende Art. Die verbindende Art.
Längst vergangen.

Ich hatte – –Daß ich herausgefodert hätte,
Du hattest – – du – – – hättest,
Er hatte herausgefodert. er – – – hätte.
Wir hatten – – –Daß wir herausgefodert hätten,
Ihr hattet – – – ihr – – – hättet,
Sie hatten herausgefodert. sie – – – hätten.
I. Die Ungewisse künftige Zeit.

Ich will – – –Daß ich herausfodern wolle,
Du willst – – – du – – – wollest,
Er will herausfodern. er – – – wolle.
Wir wollen – – –Daß wir herausfodern wollen,
Ihr wollet – – – ihr – – – wollet,
Sie wollen herausfodern. sie – – – wollen.
II. Die gewisse.

Ich werde – – –Daß ich herausfodern werde,
Du wirst – – – du – – – werdest,
Er wird herausfodern. er – – – werde.
Wir werden – – –Daß wir herausfodern werden,
Ihr werdet – – – ihr – – – werdet,
Sie werden herausfodern. sie – – – werden.
III. Die bedingte.

Ich würde – – –Daß ich herausfodern würde,
Du würdest – – – du – – – würdest,
Er würde herausfodern. er – – – würde.
Wir würden – – –Daß wir herausfodern würden,
Ihr würdet – – – ihr – – – würdet,
Sie würden herausfodern. sie – – würden.
Die gebiethende Art. Die unbestimmte Art.
Gegenw. Z.Fodere du heraus.Gegenw. Z.Herausfodern.
FodertVergang. Z.Herausgef. haben.
ihr heraus.
Künftig. Z.Lasset unsKünft. Zeit.Herausf.
herausf.werden.
Ihr sollet herausf.Supin.Heraus zu fodern
Sie sollen herausf.Gerund.Im herausfodern,
Vom herausfodern,
Zum herausfodern.
Mittelw.Ein herausfodernder.

[413] 6 §. Nun sollten wir noch die leidende Gattung von diesem Zeitworte hersetzen. Allein, es würde ein Überfluß seyn, wenn wir es thäten; da es nichts besonders hat, sondern sich ganz nach dem obigen richtet. Doch wollen wir zum Überflusse die erste Person aller Zeiten, und die gebiethende, nebst der unbestimmten Art mittheilen. Sie heißen so:


Anzeigende Art. Verbindende Art.


Gegenwärtige Zeit.

Ich werdeDaß ich
herausgefodert etc.herausgefodert werde.
Jüngstvergangene Zeit.

Ich wardDaß ich
herausgefodert etc.herausgefodert würde.
Völlig vergangene Zeit.

Ich binDaß ich sey
herausgefodert worden.herausgef. worden.
Längst vergangene Zeit.

Ich warDaß ich wäre
herausgef. worden.herausgef. worden.
Künftige Zeit.

Ich werdeDaß ich werde
herausgef. werden etc.herausgef. werden.
Gebiethende Art.

Gegenw. Z. Werde du herausgefodert, werdet ihr herausgefodert.
Vergang. Z. Lasset uns herausgefodert werden,
Ihr sollet herausgefodert werden,
Sie sollen herausgefodert werden.
Unbestimmte Art.

Gegenw. Z. Herausgefodert werden.
Vergang. Z. Herausgefodert worden seyn.
Künftige Z. Werden herausgefodert werden.
Supin. Herausgefodert werden.
Mittelwort.

Vergang. Z. Ein Herausgefoderter.

7 §. Nun müssen wir noch ein unrichtiges Zeitwort ansehen; und da soll uns zu Ersparung des Raumes, eins von der Mittelgattung zum Muster dienen. Es sey das Wort davonkommen.


[414] Muster eines zusammengesetzten unrichtigen Zeitwortes von der Mittelgattung.


Die anzeigende Art. Die verbindende Art.


Gegenwärtige Zeit.

Ich komme davon,Daß ich davonkomme,
Du kömmst davon, du davonkommest,
Er kömmt davon. er davon komme.
Wir kommen davon,Daß wir davonkommen,
Ihr kommet davon, ihr davonkommet,
Sie kommen davon. sie davonkommen.
Jüngstvergangene Zeit.

Ich kam davon,Daß ich davonkäme,
Du kamst davon, du davonkämest,
Er kam davon, er davonkäme.
Wir kamen davon,Daß wir davonkämen,
Ihr kamet davon, ihr davonkämet,
Sie kamen davon. sie davonkämen.
Völlig vergangene Zeit.

Ich bin – –Daß ich davongekommen sey,
Du bist – – du – – – seyst.
Er ist davongekommen. er – – – sey.
Wir sind – –Daß wir davongekommen seyn.
Ihr seyd – – ihr – – seyd,
Sie sind davongekommen. sie – – seyn
Längstvergangene Zeit.

Ich war – –Daß ich davongekommen wäre,
Du warest – – du – – wärest,
Er war davongekommen. er – – wäre.
Wir waren – –Daß wir davongekommen wären,
Ihr waret – – ihr – – wäret,
Sie waren davongekommen. sie – – wären.
[415] I. Die ungewiß, künftige Art.

Ich will – –Daß ich davonkommen wolle,
Du willst – – du – -wollest,
Er will davonkommen. er – – wolle.
Wir wollen – –Daß wir davonkommen sie
– – wären.
Ihr wollet – – ihr – -wollet,
Sie wollen davonkommen. sie – – wollen
II. Die gewisse.

Ich werde – –Daß ich davonkommen werde
Du wirst – – du – – werdest
Er wird davonkommen. er – – werde
Wir werden – –Daß wir davonkommen werden
Ihr werdet – – ihr – – werdet
Sie werden davonkommen. sie – – werden
III. Die bedingte.

Ich würde – –Daß ich davonkommen würde,
Du würdest – – du – – würdest,
Er würde davonkommen. er – – würde.
Wir würden – –Daß wir davonkommen würden,
Ihr würdet – – ihr – – würdet,
Sie würden davonkommen. sie – – würden.
Die gebiethende Art. Die bestimmte Art.
Gegenw. Z.KommeGegenw. Z.Davonkommen,
du davon,
KommetVerg. Z.Davongekommen seyn.
ihr davon.Davongekommen seyn.
Künft. Z.Ihr solletKünft. Z.Davon kommen
davon k.werden.
Sie sollenSup.Davongekommen seyn.
davon kommen.
Gerund.Im davonkommen.
Zum
davonkommen.
Mittelwörter.

Ein davonkommender.Ein davongekommener.

II. Das Hülfswort, mit einem Beyworte.

8 §. Mit diesen zusammengesetzten Zeitwörtern haben eine große Verwandtschaft die mit Mittelwörtern, Vorwörtern [416] oder Beywörtern verbundenen Hülfswörter. Z.E. Ich bin beliebt, ich bin traurig, zornig, ich habe genug, ich werde gut, oder günstig, u.d.m. Man muß sich diese und dergleichen Redensarten fleißig aus Büchern, und aus dem Umgange merken; denn es steht nicht frey, sie nach Belieben zusammen zu setzen: und sie machen eine eigene Schönheit der deutschen Sprache aus, wenn man sie recht brauchet. Aber es klingt auch sehr widrig, wenn man sie unrecht zusammen nimmt; als wenn gewisse Provinzen sprechen: ich bin bange: denn hier müßte es heißen: mir ist bange 3! Z.E. Wie ist mir doch so herzlich bange! So wenig man also sagen kann, mir ist traurig: so wenig kann es auch heißen, ich bin bange, ich bin angst.

9 §. Die Abwandelung solcher Verbindungen aber, kann demjenigen keine Schwierigkeit machen, der die Hülfswörter selbst, nach dem ersten Abschnitte dieses Hauptstückes recht inne hat. Sie gehen nach einerley Regel damit fort, und das Mittelwort, oder Beywort, oder Nebenwort bleibt unveränderlich. Z.E.


G.Z.Ich bin beliebt.Ich habe genug,

Wir sind beliebt.Wir haben genug.

J.V.Ich war beliebt.Ich hatte genug.

Wir waren beliebt.Wir hatten genug.

V.V.Ich bin beliebt gewesen,Ich habe genug gehabt,

Wir sind beliebt gewesen.Wir haben genug gehabt.

L.V.Ich war beliebt gewesen,Ich hatte genug gehabt,

Wir waren beliebt gewesen.Wir haben genug gehabt.

U.K.Ich will beliebt seyn,Ich will genug haben,

Wir wollen beliebt seyn.Wir wollen genug haben.

[417] G.K.Ich werde beliebt seyn,Ich werde genug haben,

Wir werden beliebt seyn,Ich werde genug haben,

B.K.Ich würde beliebt seyn,Ich würde genug haben,

Wir würden beliebt seyn.Wir würden genug haben.

G.A.Sey beliebt, seyd beliebt etc.Habe genug, habet genug.

U.A.Beliebt seyn.Genug haben.

Beliebt gewesen seyn,Genug gehabt haben.

Beliebt werden,Genug haben werden.

Beliebt zu seyn, u.d.m.Genug zu haben.


10 §. Eben so gehen verschiedene andere solche Verbindungen, darinnen noch irgend ein Fürwort vorkömmt. Z.E. Ich bin dir gut, ich habe dich lieb, ich werde ihm gram; ich will ihm wohl; ich lasse ihn los, u.d.m. Denn hier ist es eben so viel, als ob dieses so viel zusammengesetzte Zeitwörter wären: gutseyn, liebhaben, gramwerden, wohlwollen, loslassen, u.s.w. zu welchen aber nur die Person gesetzet würde, darauf sie sich beziehen sollen. Mehrerer Deutlichkeit halber, wollen wir die erste Person aller Zeiten hersetzen.


Gut seyn.


Ich bin dir gut,

Ich war dir gut,

Ich bin dir gut gewesen,

Ich war dir gut gewesen,

Ich will dir gut seyn,

Ich werde dir gut seyn,

Ich würde dir gut seyn.

Sey mir gut etc.


Gramwerden.


Ich werde ihm gram,

Ich ward ihm gram,

Ich bin ihm gram geworden,

Ich war ihm gram geworden,

Ich will ihm gram werden,

Ich werde ihm gram werden,

Ich würde ihm gram werden,

Ihm gram geworden seyn,

Ihm gram zu werden etc.


Liebhaben.


Ich habe dich lieb,

Ich hatte dich lieb,

Ich habe dich liebgehabt,

Ich hatte dich liebgehabt,

Ich will dich liebhaben,

Ich werde dich liebhaben,

Ich würde dich liebhaben.

Habe mich lieb etc.


Wohlwollen.


Ich will ihm wohl,

Ich wollte ihm wohl,

Ich habe ihm wohlgewollt,

Ich hatte ihm wohlgewollt,

Ich will ihm wohlwollen,

Ich werde ihm wohlwollen.

Ich würde ihm wohlwollen.

Ihm wohlgewollt haben,

Ihm wohl zu wollen etc.


[418] III. Zurückkehrende Zeitwörter. (RECIPROCA.)


11 §. Es giebt auch eine Art der Zeitwörter, deren Bedeutung gleichsam rückwärts auf denjenigen geht, der sie ausspricht; oder sich auf die Art wirksam erzeiget. Als, ich ärgere mich, ich bescheide mich, ich erfreue mich, ich gräme mich, ich quäle mich, ich rühme mich, ich tröste mich, ich vergnüge mich, ich unterstehe mich, ich zermartre mich, u.d.gl. Es können aber dieselben übrigens sowohl richtige, als unrichtige Abwandelungen haben; und ihre Anzahl ist ziemlich groß, die man aber aus dem Lesen und Umgange lernen muß. Wir wollen von beyden Arten ein Muster geben; doch nur die Anfänge der verschiedenen Zeiten hersetzen, nach welchen sich alle einfache, mit unabsonderlichen Zusätzen vereinigte Zeitwörter richten.


Sich ermannen. Sich befleißen.


Ich ermanne mich,Ich befleiße mich,

Du ermannest dich,Du befleißest dich,

Er ermannet sich.Er befleißt sich.

Wir ermannen uns,Wir befleißen uns,

Ihr ermannet euch,Ihr befleißet euch,

Sie ermannen sich.Sie befleißen sich.

Ich ermannete mich,Ich befliß mich,

Ich habe mich ermannet,Ich habe mich beflissen,

Ich hatte mich ermannet,Ich hatte mich beflissen,

Ich will mich ermannen,Ich will mich befleißen,

Ich werde mich ermannen,Ich werde mich befleißen,

Ich würde mich ermannen,Ich würde mich befleißen,

Ermanne dich,Befleiß dich,

Ihr sollet euch ermannen,Ihr sollet euch befleißen,

Sich ermannet haben,Sich beflissen haben,

Sich zu ermannen etc.Sich zu befleißen etc.


12 §. Wie aber diese Art sich auch auf solche Zeitwörter erstrecket, die mit absonderlichen Redetheilchen zusammengesetzet sind: also müssen wir auch zeigen, wie alsdann die Abwandelung aussieht. Z.E. sich etwas einbilden, und [419] sich etwas herausnehmen, sind ein Paar solche Wörter, theils von richtiger, theils von unrichtiger Abwandelung. Das vornehmste davon ist folgendes:


Ich bilde mir etwas ein,Ich nehme mir etwas heraus,

Du bildest dir etwas ein,Du nimmst dir etwas heraus,

Er bildet sich etwas ein.Er nimmt sich etwas heraus.

Wir bilden uns etwas ein,Wir nehmen uns etwas heraus,

Ihr bildet euch etwas ein,Ihr nehmet euch etwas heraus,

Sie bilden sich etwas ein.Sie nehmen sich etwas heraus.

Ich bildete mir etwas ein,Ich nahm mir etwas heraus,

Ich habe mirIch habe mir

etwas eingebildet,etwas herausgenommen,

Ich hatte mirIch hatte mir etwas

etwas eingebildet,herausgenommen,

Ich will mirIch will mir

etwas einbilden,etwas herausnehmen,

Ich werde mirIch werde mir

etwas einbilden,etwas herausnehmen,

Ich würde mirIch würde mir

etwas einbilden,etwas herausnehmen,

Bilde dir etwas ein,Nimm dir etwas heraus,

Ihr sollet euchIhr sollet euch

etwas einbilden,etwas herausnehmen,

Sich etwasSich etwas

eingebildet haben.herausgenommen haben,

Sich etwas einzubilden.Sich etwas heraus zu nehmen.


Eben so gehen auch, sich emporschwingen, sich niederlassen, sich Mühe geben, sich worauf verlassen, u.d.gl.


13 §. Endlich giebt es noch zusammengesetztere Redensarten, die gleichwohl hieher gehören, und ebenfalls durch alle Zeiten abgewandelt werden können. Zu Mustern sollen uns folgende dienen.


Ich mache mich breit damit,Ich thue mir etwas zu gute,

Du machest dich – –Du thust dir – – –

Er machet sich – –Er thut sich – – –

Wir machen uns breit damit,Wir thun uns etwas zu gute,

Ihr machet euch – –Ihr thut euch – – –

Sie machen sich – –Sie thun sich – – –

Ich machte mich breit damit,Ich that mir etwas zu gute,

Ich habe mich breitIch habe mir etwas

damit gemachet,zu gute gethan,

Ich hatte mich breit – –Ich hatte mir – – –

[420]

Ich will michIch will mir etwas

breit damit machen,zu gute thun,

Ich werde mich – – machen,Ich werde mir – – –

Ich würde mich – – machen,Ich würde mir – – –

Mache dich breit damit,Thu dir etwas zu gute,

Ihr sollet euchIhr sollet euch etwas

breit damit machen,zu gute thun,

Sich damit breit machen.Sich etwas zu gute thun,

Sich damit breitSich etwas zu

gemachet haben,gute gethan haben,

Sich damit breit zu machen.Sich etwas zu gute zu thun.


Die verbindende Art setzet die Wörter etwas anders herum.


Daß ich mich breit damit mache,Daß ich mir etwas zu gute thue,

– – – breit damit machete,– – – zu gute thäte,

– – – gemachet habe,– – – zu gute gethan habe,

– – – gemachet hätte,– – – – – hätte,

– – machen wolle,– – – – thun wollte,

– – – machen werde,– – – – thun werde,

– – – machen würde.– – – – thun würde.


IV. Die unpersönlichen Zeitwörter.


(IMPERSONALIA.)


14 §. Es giebt auch noch eine ziemliche Anzahl solcher Zeitwörter, die man weder von sich selbst, noch von einem andern Dinge sagen kann, weil sie eigentlich weder ein Thun, noch ein Leiden andeuten. Man saget sie aber überhaupt, von Begebenheiten, Veränderungen in der Natur, Pflichten, Gewohnheiten und Sitten der Menschen. Diese haben nun die gewöhnlichen Fürwörter, ich, du, er, nicht vor sich stehen; sondern nehmen dafür ein es zu sich; welches zu allen Zeiten gesetzet werden kann. Z.E. Es regnet, es schneyt, es friert, es dauet, es gebühret sich, es geziemet sich, es trägt sich zu, es begiebt sich; u.d.m. Ja, diese Redensarten werden wohl bisweilen noch weitläuftiger; als: es will verlauten, es geht die Rede, [421] es ist nicht Sitte im Lande, es ist etwas unerhörtes, u.d.gl. Sie richten sich aber alle nach folgenden Mustern, wovon das eine richtig, das andere unrichtig fließt.


Anzeigende Art. Verbindende Art.


Ein richtiges.

Es geziemet sich,Daß es sich gezieme,
Es geziemete sich,sich geziemete,
Es hat sich geziemet,sich geziemet habe,
Es hatte sich geziemet,sich geziemet hätte,
Es will sich geziemen,sich geziemen wolle,
Es wird sich geziemen,sich geziemen werde,
Es würde sich geziemen.sich geziemen würde.
Ein unrichtiges.

Es friert,Daß es friere,
Es fror,fröre,
Es hat gefroren,gefroren habe,
Es hatte gefroren,gefroren hätte,
Es will frieren,frieren wolle,
Es wird frieren,frieren werde,
Es würde frieren,frieren würde.
Es soll frieren.Es soll gefroren haben, u.s.w.

15 §. Indessen nehmen auch andere Zeitwörter bisweilen diese unpersönliche Gestalt an. Denn so gut ich sagen kann, ich erfreue mich, ich betrübe mich, ich vergnüge mich, ich ärgere mich, ich ergötze mich, ich belustige mich, u.d.m. eben so wohl kann man sagen: es erfreuet, es betrübet, es vergnüget, es ärgert mich, es ergetzet, es belustiget mich. Ja, in dieser Art der Zeitwörter scheinen auch die übrigen Personen und Zahlen gar wohl statt zu finden; wie folgendes Muster zeiget.


Die anzeigende Art. Die verbindende Art.


Gegenwärtige Zeit.

E. Es vergnüget mich,Daß es mich vergnüge,
es vergnüget dich.es dich vergnüge,
es vergnüget ihn.es ihn vergnüge.
[422] V. Es vergnüget uns,Daß es uns vergnüge,
es vergnüget euch,es euch vergnüge,
es vergnüget sie.es sie vergnüge.

Eben so gehen auch die übrigen Zeiten:

Es vergnügte mich,Daß es mich vergnügete,
Es hat mich vergnüget,vergnüget habe,
Es hatte mich vergnüget,vergnüget hätte,
Es will mich vergnügen,vergnügen wolle,
Es wird mich vergnügen,vergnügen werde,
Es würde mich vergnügen.vergnügen würde.

16 §. Indessen giebt es auch unpersönliche, die das Ich, Du, Er, vorne gar nicht leiden, und doch nach dem vorigen Muster, das mich, dich, ihn, uns, euch, sie, hinter sich annehmen. Z.E. Es verdreußt mich, länger zu leben, wie dort Jonas saget. Dieses ist nun ein wahrhaftes unpersönliches Zeitwort; da die vorigen nur den Schein davon hatten. Ich will seine Abwandelung zum Überflusse noch hersetzen.


Es verdreußt mich, dich,Daß es mich, dich, ihn

ihnverdrieße,

Es verdreußt uns, euch,es uns, euch, sie

sie,verdrieße,

Es verdroß mich, dich,daß es mich, dich, ihn

ihn,verdrösse,

Es verdroß uns, euch,uns, euch, sie

sie,verdrösse,

Es hat mich, dich, ihndaß es mich, dich, ihn

verdrossen,verdrossen habe,

Es hat uns, euch, sieuns, euch, sie

verdrossen,verdrossen habe,

Es hatte mich, dich, ihndaß es mich, dich, ihn

verdrossen,verdrossen hätte,

Es hatte uns, euch, sieuns, euch, sie

verdrossen,verdrossen hätte,

Es will mich, dich, ihndaß es mich, dich, ihn

verdrießen,verdrießen wolle,

Es wird mich, dich, ihnmich, dich, ihn

verdrießen,verdrießen werde,

Es würde mich, dich, ihnmich, dich, ihn

verdrießen.verdrießen würde.


[423] So wie nun dieses mit der vierten Endung der Fürwörter aussieht: so werden auch einige mit der dritten verbunden. Z.E. Es geziemet mir, dir, ihm, uns, euch, ihnen; es gebühret mir, dir, ihm, u.s.w. Es gehöret mir, dir, ihm, u.s.f. Doch ist weiter nichts dabey zu bemerken 4


17 §. Die zweyte Art der unpersönlichen Wörter sind die, welche anstatt der Fürwörter, das man vor sich haben. Dieses brauchet man, wenn die rechte Person ungewiß ist; oder wenn man ein Bedenken trägt, sie zu nennen; als: man saget, man glaubet, man hat Nachricht, man hoffet,man bildet sich ein, u.d.gl.m. Ja, es ist bey den Schriftstellern eine Art der Bescheidenheit geworden, wenn sie von sich selbst reden wollen, nicht ich, oder wir, sondern man zu brauchen: z.E. Man hat sich bemühet, dieses so oder so abzuhandeln; man will sich nicht rühmen, alles getroffen zu haben; man schmäuchelt sich mit keiner Vollkommenheit; u.d.gl. Allein, übrigens verändert dieses man in der Abwandelung der Hauptwörter nichts. Es heißt allemal wie oben: Man saget, man sagete, man hat gesaget, man hatte gesaget, man will, wird oder würde sagen. Man glaubet, man versichert, man läugnet, man zweifelt, u.a.m. gehen eben so. Nur wenn noch hinten ein Fürwort zu stehen kömmt, als: man läugnet mir, dir, ihm; oder man versichert mich, dich, ihn: so kommen wiederum, dem Scheine nach, die Personen hinein, wie oben gewiesen worden.


[424] V. Die altväterische Abwandelung mit Thun.


18 §. Man höret in einigen Reichsstädten unter Handwerksleuten noch eine Art, die Zeitwörter abzuwandeln, die vorzeiten auch in Schriften gewöhnlich war, und die bey den Engländern noch diese Stunde im Schwange geht 5. Man bedienet sich hier des Wortes thun mit seiner Abwandelung, alle Zeiten, Zahlen und Personen zu bilden: das hauptsächliche Zeitwort aber bleibt unverändert in der unbestimmten Art. Z.E. anstatt ich esse, ich gehe, ich reise, saget man,ich thue essen, gehen, reisen; und so ferner, ich that essen, gehen, reisen. Ich habe essen gethan, ich hatte essen gethan, ich werde essen thun. So schrieb noch Opitz:


Ein fettes Haselhuhn,

Darnach die Bürger sonst die Finger lecken thun.


Doch diese Art zu reden und zu schreiben, ist heutiges Tages lächerlich geworden, und gilt kaum unter Handwerksburschen und in altväterischen Reichsstädten noch. Man muß aber damit die Redensartenböses oder gutes thun, kund thun, sanft thun, weh thun, wohl thun, zu wissen thun, zu Gefallen thun, zu Liebe thun, nicht vermengen: denn diese gehören zu den zusammengesetzten Zeitwörtern, wovon oben die Muster gegeben worden.

Fußnoten

1 Die Syllbe voll ist bey einigen Zeitwörtern auch ein trennbarer Zusatz: als vollgießen, vollmachen, u.d.m. Denn hier heißt es, ich gieße voll, ich mache voll; nicht, ich vollgieße, ich vollmache. Eben das ist vonunter zu merken, denn in unterlegen, trennet es sich: er legete unter etc. imgleichen von um, welches bey umbringen, auch getrennet wird; er brachte ihn um. Imgleichen bey einigen das über, z.E. überfahren, überkochen, überlegen, von einigen körperlichen Sachen u.s.w.

2 Was dieselben für eine Kraft und Bedeutung haben, das hat Wachter, in der Einleitung zu seinem kleinen GLOSSARIO GERMANICO, am besten gewiesen.

3 Man fraget mich, ob das schlechter ist, als ich hungere? Antwort: In gewissen Fällen, wenn ich sagen will, daß ich Lust zu Essen habe, ist, michhungert, recht. Allein, um zu sagen, man bekäme nichts zu essen, so saget man: sie essen und trinken soviel sie wollen; wir aber hungern und dursten. Wie schicket sich nun das ich bin bange hieher?

4 Bey einigen von diesen Wörtern ist es zweifelhaft, ob man sie mit der dritten oder vierten Endung brauchen soll. Z.E. Es dünket, und es däucht, werden von vielen bald so, bald anders gebrauchet. Mich anlangend, so finde ich bey den besten Schriftstellern, und in den meisten Fällen, mich dünket; und mir däucht. Dieses will ich also auch andern zu brauchen anrathen. Man wendet mir ein, weil dünken, so viel als scheinen heißt, so müsse es gleichfalls die dritte Endung haben. Allein, folget das? Bitten und betteln, heißen einerley: nehmen sie aber einerley Endung an? Kann man sagen, ich bettle dich?

5 I DO SEE, LIVE, HOPE, GIVE, d.i. ich thue sehen, leben, hoffen, geben, heißt nichts mehr, als ich sehe, lebe, hoffe, gebe, u.d.gl. Und das bekannte How Do Ye Do? Wie thut ihr thun? heißt eigentlich bey ihnen: Wie befindet ihr euch?

Das VII Hauptstück
Das VII Hauptstück.
Von den Mittelwörtern. (Participiis.)

1 §.


Wir haben zwar schon bey der unbestimmten Art der Zeitwörter allemal die Mittelwörter, wo es deren einige gab, angemerket. Allein, weil selbige doch von besonderer Natur, und gleichsam Zwitter sind, die etwas vom Nennworte, und etwas vom Zeitworte an sich haben: so müssen wir von ihnen noch ins besondere handeln. Wir wollen dabey erstlich sehen, was sie mit den Zeitwörtern gemein haben; hernach aber auch anmerken, worinn sie mit den Nennwörtern übereinkommen. Einige von unsern Sprachlehrern haben sie gar mit Stillschweigen übergangen.

2 §. Mit den Zeitwörtern kommen sie fürs erste darinn überein, daß sie eine gewisse Zeit anzeigen. Z.E. ein schreibender bedeutet einen Menschen, der wirklich im Schreiben begriffen ist; welches einSchreiber schon nicht anzeiget. Ein geschriebener Brief hingegen zeiget eine vergangene Zeit an, worinn der Brief geschrieben worden. Eben so ist es mit liebender, und geliebter; mit tragender, und getragener, lügender, und gelogener, u.s.w. Man muß sich also in Acht nehmen, daß man diese Zeiten der Mittelwörter nicht vermische, wie einige aus Unachtsamkeit zu thun pflegen 1. Doch ist es nicht zu läugnen, daß einige von der vergangenen Zeit, auch eine Art der Gegenwart, oder der Fortdaurung in sich schließen: als z.E. belobter Mann, beliebter Freund, geehrter Herr, bedeutet [426] nicht nur einen, den man vormals gelobet und geliebet hat; sondern auch einen, den man noch lobet, liebet und ehret. Ein gelehrter Mann zeiget nicht nur einen, der vormals gelehret worden; sondern auch noch wirklich gelehrt ist, u.d.gl.m.

3 §. Das andere, was die Mittelwörter mit den Zeitwörtern gemein haben, ist, daß sie das Thun undLeiden ausdrücken. Ein wirkender, z.E. drücket etwas thätiges aus, das gewirkte aber etwas leidendes, welches von einem andern gewirket worden. Ein lehrender bedeutet denjenigen, der einen andern durch seine Bemühung unterrichtet; ein gelehrter aber, einen, der von einem andern unterwiesen worden. Das Zeichen von diesen letzten ist insgemein die Syllbe ge, welche gemeiniglich bey der vergangenen Zeit gebrauchet wird; außer bey denen mit unabsonderlichen Partikeln zusammengesetzten Zeitwörtern nicht: als ein verstehender, hat ein verstandenes Wort, nicht geverstandenes u.s.w. Doch leidet auch diese Anmerkung noch eine gute Ausnahme. Denn von der Mittelgattung der Zeitwörter (NEUTRIS) kommen auch Mittelwörter mit einem ge, die darum nichts leidendes andeuten. Z.E. von Gehender, ein Gegangener; von Sterbender, ein Gestorbener; von Sitzender, ein Angesessener; u.d.gl. bedeuten in den letzten Fällen, [427] auch nur einen, der gegangen, gestorben und angesessen 2.

4 §. Einige Sprachlehrer haben auch von der künftigen Zeit Mittelwörter machen gelehret, und gesaget, daß man sie vom Supino hernehmen müsse; z.E. vonzu lesen, käme ein zu lesendes Buch, vonzu schreiben, ein zu schreibender Brief. Allein diese Art zu reden und zu schreiben, dünket mich nicht die beste zu seyn, und ist nur von einigen schlechten Federn dann und wann gebrauchet worden. Man saget besser: ein Buch, das noch gelesen, ein Brief, der erst geschrieben werden soll. Nur in einer einzigen Redensart scheint das Mittelwort der künftigen Zeit eingeführet zu seyn; nämlich in den Titularanreden der Briefe: z.E. Hochzuehrender, Höchstzuverehrender Herr, oder Gönner. Allein, da es lächerlich seyn würde, wenn man nach eben diesem Muster, hochzuschätzender, oder herzlich zu liebender Freund, sagen und schreiben wollte: so verlohnet sichs der Mühe nicht, um eines außerordentlichen Ausdruckes halber, allen Zeitwörtern Mittelwörter der künftigen Zeit beyzulegen 3.

[428] 5 §. Was die Mittelwörter mit den Nennwörtern, und zwar sonderlich mit den Beywörtern für eine Ähnlichkeit haben, das erhellet sogleich, wenn man auf das Geschlecht, die Endungen und die Zahlen sieht. Denn 1) nehmen sie sowohl den unbestimmten, als den bestimmten Artikel an: Ein liebender, eine liebende, ein liebendes; und, der, die, das liebende, ein geliebter, eine geliebte, ein geliebtes, imgleichen der geliebte, die geliebte, das geliebte. 2) Zweytens lassen sie sich, nach Art anderer Beywörter, durch alle Endungen abändern; als des liebenden, dem liebenden, den liebenden, o du liebender, von dem liebenden. 3) Nehmen sie auch die verschiedenen Zahlendungen an: als, die liebenden, oder schlechtweg liebende, liebender, liebenden, liebende, liebende, liebenden: oder ein geliebter, eines geliebten, einem geliebten, einen geliebten, o du geliebter, von dem geliebten, u.s.w. Weil aber wegen aller dieser Stücke bey den Mittelwörtern nichts besonders vorfällt; sondern alles eben so gebildet wird, wie bey den schlechten Beywörtern: so lasse ich es billig bey dem bewenden, was oben bereits davon gesaget worden. Was aber ihren Gebrauch im Reden und Schreiben anlanget, so wird davon im folgenden Theile dieser Sprachkunst, von der Wortfügung, gehandelt werden.

Fußnoten

1 Z.E. Wenn einige Kanzleybediente setzen: die gegen E.H. Gn. tragende Hochachtung; oder die gegen E.H. hegende Freundschaft, u.d.gl. Hier klingen die Worte nicht anders, als ob die Hochachtung selbst etwas trüge, oder die Freundschaft etwas hegete: weil es Mittelwörter der thätigen Gattung, und der gegenwärtigen Zeit sind. Gleichwohl will man eine Hochachtung die getragen, eine Freundschaft, die geheget wird, dadurch verstehen; welches aber, den Worten nach, nicht angeht. Besser sage man, die besondere Hochachtung, die ich gegen E.H. Gn. trage; die treue Freundschaft, welche ich gegen E.H. hege; oder noch kürzer, meine Hochachtung, meine Freundschaft, gegen E.H. Eine zu tragende, zu hegende Hochachtung würde zwar etwas erträglicher seyn, doch aber sind die andern besser. S. den folgenden 4 §.

2 Eine besondere, aber ganz eingeführte Unrichtigkeit ist es, wenn man einen Diener, d.i. einen, der andern dienet, einen Bedienten nennet, d.i. der grammatischen Bildung nach, einen solchen, der bedienet wird. Hier sieht man was der Usus TYRANNUS für ein böses Ding ist. Denn welcher Sprachlehrer kann das nun ändern?

3 Man wendet mir ein, eine auszuklagende Sache, eine einzutreibende Schuld, ein nichtzuergründendes Gemüth, eine anzupreisende Tugend etc. Wen diese Redensarten schön bedünken, der brauche sie meinetwegen! Ich würde lieber sagen, eine anhängige Sache, eine ausstehende Schuld, ein unergründliches Gemüth, eine preiswürdige Tugend. Ein andrer Freund versichert, hochzuschätzender Freund sey bey ihm zu Lande gewöhnlich, und komme in Briefsteilem vor. Allein, welches ist sein Land? und welches ist sein Briefsteller? Wer mich auch einenhochzuschätzenden nennet, ehret mich noch schlecht. Wäre es nicht kräftiger, er schätzte mich auch wirklich hoch? Hier fällt mir noch ein Misbrauch einiger niedersächsischen Schriftsteller ein, die Wunder denken, was sie einem für eine Ehre anthun, wenn sie einen, einen geschätzten Freund nennen. Schätzen heißt den Werth einer Sache bestimmen; und ist also ein VOCABULUM μεσον, das weder Lob noch Tadel in sich schließt, wofern man nicht dazusetzet, wie hoch oder tief man einen geschätzet hat.

Das VIII Hauptstück
Das VIII Hauptstück.
Von den Nebenwörtern. (Adverbiis.)

1 §.


Was Nebenwörter sind, das ist bereits oben gesaget worden. Es sind nämlich Zeichen, wodurch die Bedeutungen der Zeitwörter auf allerley Art bestimmet werden: z.E. ich gehe, ist ein solches Zeitwort, dabey man aber nicht sieht, wie man geht? Setze ich aber hinzu, bald, oft, stark, langsam, schnell, voran, hinterher, u.d.gl. so sieht man die besondere Art meines Gehens. Es beziehen sich also die Nebenwörter auf das Thun oder Leiden, oder auf die Zeitwörter überhaupt; nicht aber auf Nennwörter, oder Fürwörter. Weil aber die Mittelwörter auch etwas von der Natur der ersten an sich haben; nämlich, daß sie ein gewisses Thun mit andeuten: so können auch Nebenwörter dabey statt haben; z.E. ein liebender, ein beständig liebender; ein Geliebter, ein herzlich Geliebter, u.d.m.

2 §. Nun gehören aber die Nebenwörter unter die so genannten Partikeln, oder unabänderlichen Redetheilchen, die in allen Verbindungen einerley bleiben. Daher erleichtert sich der Gebrauch derselben um ein großes; indem man sie weder abändern, noch abwandeln darf. Sie haben auch weder Geschlechter, noch Zahlen, noch Zeiten, vielweniger verschiedene Personen. Nur die Vergrößerungsstaffeln haben einige mit den Beywörtern gemein. Z.E.


Ich gehe stark, stärker, am stärkesten,

ich komme oft, öfter, am öftesten,

ich schreibe schön, schöner, am schönsten, u.s.w.


[430] Doch kann man nicht alle Nebenwörter dergestalt vergrößern. Denn viele brauchen zu ihren Staffeln ganz andere Wörter. Z.E. Wenn ich von bald, bälder, am bäldesten sagen wollte, wie einige Landschaften thun: so würde es unrecht seyn; indem auf bald, eher, aufs eheste folgen muß. Der Gebrauch guter Provinzen, und der besten Scribenten muß solches lehren.

3 §. Man kann aber die Nebenwörter in vielerley Ordnungen abtheilen, um sie desto besser zu unterscheiden, und zu beurtheilen. Einige betreffen den Ort, wo ein gewisses Thun oder Leiden vorgefallen ist; andere die Zeit, wann etwas gethan, oder gelitten worden, oder werden soll; noch andere die Beschaffenheiten der Dinge; andere ihre Größe; andere ihre Zahl, oder Ordnung; andere eine Vergleichung, Vergrößerung, Verkleinerung, Stellung und Lage; andere das Fragen, Bejahen, und Verneinen. Alle diese Classen müssen wir, den Anfängern und Ausländern zu gut, hieher setzen: weil man, ohne ihre Kenntniß, weder eine Schrift oder Rede recht verstehen; noch selber recht sprechen, oder schreiben kann.

4 §. Ehe wir aber dieses Verzeichniß mittheilen, müssen wir erst, die allgemeine Bildung derselben erklären. Etliche darunter sind einfache Stammwörter, als hie, da, hin, her, heut 1, gestern 2,früh, spät, u.d.gl. andere aber abgeleitete, oder sonst zusammengesetzte. Die abgeleiteten sind entweder von Nennwörtern, oder von Zeitwörtern entsprungen. Man setzet nämlich zu einigen Hauptwörtern, die Syllbe weise hinzu, um Nebenwörter daraus zu machen: z.E. Paar, paarweise, spielweise, gesprächweise. Zu andern kann man die Syllbelich setzen; so wird aus Schimpf, Ehre, Herr, u.d.gl. schimpflich, ehrlich, herrlich. Von Heil ist erst das Beywort heilsam, sodann aber, durch Zusetzung der Syllbe lich, ein Nebenwort,heilsamlich entstanden. So wird aus gut, gütlich, aus böse, böslich, aus grob, gröblich. Selbst von Zeitwörtern werden dergleichen gebildet,[431] als von thun, thunlich; von mögen, möglich, von angeben, angeblich. Vormals pflegte man hier noch unnöthiger weise, das en anzuflicken; als gütlichen; welches aber itzo altväterisch klingt.

5 §. Die vornehmsten Syllben, oder Anhänge, wo durch theils aus Hauptwörtern, theils aus Beywörtern, Nebenwörter gebildet werden, sind folgende:


bar, achtbar, nennbar, unzählbar, wunderbar.
haft, mannhaft, nahrhaft, tugendhaft, wehrhaft.
halb, außerhalb, innerhalb, oberhalb.
hand, allerhand, ist so viel als ley. Nur bey überhand heißt es etwas anders.
icht, als bergicht, fleckicht, fleischicht, schimmlicht.
ig, barmherzig, ewig, gnädig, gütig 3, trächtig.
isch, bäurisch, grämisch, kindisch, sclavisch, weibisch, u.s.w.
ley, allerley, mancherley, vielerley, zehnerley.
lich, d.i. gleich, als herrlich, kindlich, väterlich.
los, erblos, fruchtlos, gottlos, heillos, sinnlos.
mal, allemal, einmal, keinmal, vielmal.
sam, arbeitsam, furchtsam, heilsam, mühsam, etc.
selig, armselig, mühselig, saumselig, trübselig.
wärts, anderwärts, herwärts, hinwärts, vorwärts, etc.

[432] 6 §. Diejenigen Beywörter, die sich auf ig undisch endigen, können auch ohne die Syllbe lich zu Nebenwörtern werden. Z.E. er hat mich gütig aufgenommen, er ist mir tückisch begegnet. Eben so geht es mit vielen Mittelwörtern der leidenden Gattung: man saget z.E. er hat mich geneigt angesehen; er hat mich erwünscht empfangen. Eben so hält es mit andern Beywörtern, die ohne Änderung auch Nebenwörter werden können; so daß man oft zweifelhaft wird, ob sie eher zu dieser, oder zu jener Classe gehöret haben. Z.E. bös, gerad, gut, hoch, kurz, lang, niedrig, recht, schlimm. Ja, man kann fast sagen, daß alle Beywörter, ohne Geschlechtswort und Geschlechtsendung, zu Nebenwörtern werden.

7 §. Was die Zusammensetzung anbetrifft: so werden sie theils unter sich, theils mit andern Redetheilchen verbunden. Z.E. aus her, und nach, wird hernach; vor und hin, giebt vorhin; unter und Weg, giebt unterweges; aus Muth und willig, wirdmuthwillig, u.d.gl. Ja, vielmals werden wohl drey, oder vier kleine Wörter zusammengenommen, um ein Nebenwort daraus zu machen; als, um seinetwillen, von meinet-wegen, hin-unter-wärts, irgend-wo-hin, von oben-her-ab, von allent-halben-her, u.d.gl. Doch steht es nicht frey, in solchen Fällen willkührlich zu verfahren; sondern man muß sich nach dem richten, was eingeführet ist 4. Es ist also übel gethan, wenn manche widersinnische Theile zusammen nehmen, als da und hier, in dahier; oder unnütze Zusammensetzungen machen, als anheute, oderansonsten, welche nichts mehr sagen, als heut, und sonst; oder nachher, welches doch nur hernach oder nachmals ist.

[433] 8 §. Nun wollen wir das Verzeichnis selbst mittheilen; und zwar erstlich die Nebenwörter, die einen Ort andeuten (ADVERBIA LOCI). Sie sind vielerley: denn mit einigen beantwortet man die Frage: wo? mit andern die Fragen wohin? woher? wodurch? wieweit?


Nebenwörter des Ortes.


1) Auf die Frage wo?

Hier, allhier, hieselbst,
da, allda, daselbst,
dort, dorten, drüben,
oben, unten,
droben, drunten,
innen, außen,
hierinnen, hieraußen,
darinnen, draußen,
anderswo, anderwärts,
sonst wo, auswärts,
irgend, irgendwo,
irgends, nirgends,
inwendig, auswendig,
allerwegen, keinerwegen,
zugegen, gegenwärtig,
daheim, zu Hause,
abwesend, außer Hause,
außer Landes, weit von hier,
hier zu Lande, außerhalb,
hinten, vorne,
oben an, unten an,
oben auf, oben drauf,
mitten inne, darzwischen,
unten, unten an,
aller Enden,
jenseit, diesseit,
gleich über, gegen über,
zur Seiten, überzwerch,
aller Orten, allenthalben,
überall, nirgendswo,
zur Rechten, zur Linken,
rechts, links,
bergan, bergauf, bergab.
2) Auf die Frage wohin?

Hieher, hieherwärts.
dahin, dahinwärts.
dorthin, hinüber, herüber,
hinauf, hinab, hinunter,
herauf, herab, herunter,
hinein, hinaus,
herein, heraus,
dahinein, dahinaus,
dorthinein, dorthinaus.
anders wohin, sonst wohin,
nach außen zu, nach innen zu.
irgend wohin, nirgend hin 5.
nach oben zu, nach unten zu.
nach vorne zu, nach hinten zu.
vorwärts, hinterwärts,
rücklings, rückwärts,
längsthin, querüber,
hin und her, hin und wieder,
nach Hause, heim,
in die Länge und Quere,
über und über,
drüber und drunter weg.
hinternach, voran,
hinterher, voraus,
aufwärts, abwärts,
obenhinan, untenhinab.
vorne an, hinten drein.
mitten hinein.
nach unten hin, nach oben hin.
hinwärts, herwärts.
seitwärts, dorthin.
rechtshin, linkshin.
[434] 3) Auf die Frage woher?

Von hier, von da, von daher,
von dort, von dorten her,
von dannen, von dannenher,
von innen, von außen,
von drinnen, von draußen,
von hinten, von vornen,
von oben her, von unten her,
von droben, von drunten,
von Hause, von ferne her,
von oben herab, von unten herauf,
von Hofe, vom Lande her,
nirgendher, irgendwoher,
allerwegen her, allenthalben her,
von beyden Seiten her,
von allen Seiten her,
von allen Enden her,
von allen Orten her,
von der Rechten, von der Linken her.
4) Auf die Frage wodurch?

Durch dieß oder das.
hiedurch, dadurch, hindurch.
dahindurch, dorthindurch.
unten weg, oben weg.
hinten herdurch, voranweg.
dahinauf, dahinunter.
darnebenhin, seitwärtsherum.
dahinüber, dahinab.
gleichaus, gleich durchhin.
gleich hinauf, gleich hinab.
gleich hinüber, gleich herunter.
gerade herauf, gerade herab.
gerade zu, gerade hinaus.
rund vorbey.
5) Auf die Frage wieweit?

Hieher, bis hieher, so weit.
dahin, bis dahin, nicht weiter.
bis dorthin, bis daher.
immer weiter, immer fort.
bis zum Ende, so weit als möglich.

9 §. Nun wollen wir die Nebenwörter der Zeit (TEMPORIS) gleichfalls vornehmen, deren es eine ziemliche Anzahl giebt. Man kann auch hier verschiedene Fragen unterscheiden, darauf sie zur Antwort dienen. Das erste ist:


[435] Nebenwörter der Zeit.


1. Die Frage wann?

Heut, gestern, vorgestern,
vor Tage, frühmorgens,
vormittags, nachmittags,
zu Mittage, (aber nicht zu früh.)
gegen Abend, etwas spät,
gegen Mitternacht, sehr spät,
des Nachts, des Morgens,
des Tages, des Abends,
bey Tage, bey Nacht, imgl.
Sonntags, Montags, etc.
diesen Abend, diese Nacht,
morgen früh, übermorgen,
den folgenden Tag,
den dritten, vierten Tag,
den Tag hernach,
die Woche darauf,
nächsten Monath, alsdann,
künftiges Jahr,
auf den Sommer, Herbst etc.
nächsten Winter, Frühling,
allezeit, immer, allemal,
immerdar, stets, immerfort,
unaufhörlich, ohn Unterlaß.
2.Die Frage seit wann?

Seit einer halben, ganzen St.
seit heute früh, seit gestern spät,
seit gestern Abends,
seit vorgestern Mittags,
seit heute Morgens,
seit drey, vier fünf Tagen,
seit einer, oder etlichen Wochen.
seit einem, oder etl. Monathen,
seit einem, oder etlichen Jahren,
ein halbes oder ganzes Jahr her,
seit undenklichen Jahren her,
von alten Zeiten her,
von der Sündfluth her,
seit Adams Zeiten,
seit undenklichen Zeiten,
von Anbeginn der Welt,
von der Welt her, von je her,
von Ewigkeit her,
von Zeit zu Zeit,
von Menschen Gedenken her.
3. Die Frage wie bald?

Bald, alsobald, so gleich,
stracks, von Stund an,
augenblicklich, unverweilt,
sonder Aufschub, also fort,
urplötzlich, mit der Zeit,
mit nächstem, nachmals,
geschwind, zur Stunde,
den Augenblick, alsofort,
augenblicklich, behende,
mit ehestem, ehestens,
ohne Verzug, unverzüglich,
in aller Eil, ungesäumt,
plötzlich, unverhofft,
aufs eheste, nächstens,
ehester Tage, nächster Tage,
mit anbrechendem Abende,
je eher, je besser, fluchs.
in kurzem, nach diesem,
nimmermehr.
4. Die Frage wie lange?

So lange es dauert, währet,
bis auf diesen Tag, bis itzund.
Jahr und Tag, bis diese Stunde,
je länger, je lieber,
bis auf diese Stunde, bisher, bis itzo, bis dato 6,
bis nachmittage, noch immerzu,
bis auf den Abend, bis Morgen,
bis in die Nacht, bis frühmorgens,
bis zu Nacht, oder Mitternacht,
bis übers Jahr, bis auf die Woche.
[436] Jahr aus, Jahr ein, ohn Ende,
unaufhörlich, immerfort,
ohn Aufhören, unabläßig.
ohn Unterlaß, in Ewigkeit.
5. Die Frage wie oft?

Selten, oftmals, öfters.
einmal, ein einzigmal.
zweymal, dreymal, viermal etc.
abermal, noch einmal.
einmal für allemal.
wieder, von neuem, zu guter letzte.
hundertmal, tausendmal.
dann und wann, bisweilen.
unterweilen, nicht selten.
mehrmals, vielmals.
stündlich, täglich.
wöchentlich, monathlich.
jährlich, von Jahr zu Jahr,
alle Tage, von Tage zu Tage.
etlichemal, niemals.
täglich einmal, tagtäglich.
Zwier in der Wochen 7.
all mein Lebenlang,
unzähligemal.
unendlichemal.
6. Die Frage zu welcher Zeit?

Allemal, jederzeit,
jetzo, schon längst, vorlängst,
vormals, neulich, damals,
hernach, nachmals, nachher 8,
zuvor, vorzeiten, vorhin,
weiland, vor Alters,
nun, nunmehr, jetzunder.
spät und früh, letztlich.
immer und ewig, niemals.
in einer Weile, über ein Kleines.
in kurzem, für und für.
unterdessen, mittlerweile.
nach und nach, allmählich.
wiederum, abermal.
nochmals, zeitig genug.
gemeiniglich, übers Jahr.
all mein Lebetag.
nun und nimmermehr.

10 §. Nunmehr folgen billig die Nebenwörter der Beschaffenheiten (QUALITATIS); und da sich diese nach den Dingen selbst richten: so sind sie entweder geistlicher oder körperlicher Art.


[437] Nebenwörter der Beschaffenheiten, auf die Frage wie?


Geistlicher Art. Körperlicher Art.


Christlich, heydnisch,Kalt, warm, heiß,

klüglich, einfältig,eiskalt, siedendheiß,

weislich, thöricht,fett, mager, dürr,

witzig, dumm,dick, dünne, schmächtig,

listig, verschlagen,schlank, geschmeidig,

schlau, durchtrieben,krumm, gerade, eben, uneben,

ehrlich und redlich,naß, trocken, feucht.

aufrichtig und rechtschaffen,hart, weich, süß, sauer.

redlicher Weise,rauh, glatt, eben, uneben.

hinterlistig, betrüglich,langsam, behend,

schändlich, rühmlich,schön, häßlich, garstig,

ansehnlich, verächtlich,lieblich, abscheulich.

gütig, zornig,gräulich, anmuthig.

grimmig, wüthend,rund, eckicht, hoch, tief.

grämisch, hämisch,länglich, kurz, rauch, glatt.

schrecklich, fürchterlich,faul, frisch, neu, alt.

herzhaft, kühn, keck,träg, hurtig, schnell.

frech, verwegen, toll,plump, ungeschickt.

wild und schüchtern,grob, fein, zierlich.

zahm, muthwillig,stinkend, wohlriechend.

widerlich, willig,sauber, unsauber.

selbständig, zufällig,säuisch, schmutzig.

gern, ungern,reinlich, unreinlich.

billig, unbillig,arg, schlimm, gut, böse.

fälschlich, wahrhaftig,hübsch und fein.

männlich, weiblich,altväterisch, neumodisch.

mündlich, schriftlich,elend, jämmerlich, scheußlich.

öffentlich, ingeheim,bunt, einfärbig, vielfärbig.

offenbar, insbesondre,schäckicht, einträchtig.

tugendhaft, lasterhaft,gedoppelt, vielfach.

künstlich, ungeschickt,wohl, übel, schlecht und recht.

höflich, bäurisch, grob,wunderlich, seltsam.

artig, unartig, plump,eigentlich, ungefähr.

wohlerzogen, ungezogen,gemächlich, leise.

freundlich, feindlich,schleunig, geschwind.

lustig, traurig,eben recht, nach Wunsche.

betrübt, bekümmert,deutsch heraus, rund heraus.

[438]

gesellig, einsam, allein,auf französisch, pohlnisch.

ernstlich, scherzhaft,auf rothwälsch, malabarisch.

scherzweise, spaßhaft,lappicht, läppisch,

freywillig, gezwungen,armselig, kümmerlich.

zu Wasser, zu Lande,zärtlich, ungeschliffen.

zu Pferde, zu Fuße,schwärzlich, weißlich.

mir zu Liebe, zu Trotze,röthlich, bläulich.

mit Fleiße, nachläßig.grünlich, gelblich, u.d.m.


Doch wollen wir nicht versichern, daß sie dieses alle sind. Es sind nur die meisten und gewöhnlichsten: man kann aber, auf oben erklärte Art, ihre Zahl darum nicht bestimmen; weil täglich aus den Hauptwörtern und Beywörtern mehrere gebildet werden.


11 §. Nun folgen die Nebenwörter der Größe, (QUANTITATIS) die aber fast alle eine Vergleichung mit andern bey sich führen; als:


Nebenwörter der Größe.


Wie groß? wie lang? wie viel?


Groß, klein, größer, kleiner.

lang, kurz, weit, enge, dick, dünne.

viel, sehr viel, überaus viel, erschrecklich viel.

mehr, noch mehr, am meisten, am mehresten.

wenig, weniger, am wenigsten, aufs wenigste.

nichts, gar nichts, ganz und gar nichts.

minder, aufs mindeste, nicht das mindeste.

zuviel, garzuviel, allzuviel, doppelt so viel.

je mehr, je besser; je weniger, je lieber.

mehr oder weniger, über kurz oder lang.

aufs beste, aufs längste, aufs weiteste.

zum wenigsten, wenigstens, mindstens.

längstens, länger als lang, doppelt so lang.

zwiefach, dreyfach, zehnfach länger.

zweymal, dreymal, zehnmal breiter.

eben so kurz, lang, viel, oder wenig.

mächtig groß, gewaltig lang oder breit.

[439] halb so kurz, lang, viel, oder wenig.

ein Drittheil kürzer, mehr oder weniger.

noch einmal so groß, so breit, so dick.

unerhört groß, lang, breit oder dick.

ungemein viel, wenig, kurz oder lang.

ungleich mehr, weniger, größer, kleiner.

erstaunlich viel, wenig, breit oder lang.

überhaupt, in allem, eins ins andere gerechnet u.d.m.


Hier hüte man sich nur vor der Verbindung widersinnischer Vergrößerungswörter: z.E. Entsetzlich schön, abscheulich schön, entsetzlich angenehm, gewaltig klein, mächtig dünne, schrecklich beliebt, u.d.gl. die manche aus böser Gewohnheit zusammen zu setzen pflegen.

12 §. Es folgen nunmehr die Nebenwörter der Ordnung und Unordnung (ADVERBIA ORDINIS); dazu man denn auch die eine Art der Zahlwörter zählen kann. Die vornehmsten sind folgende:


Nebenwörter der Ordnung.


1. Der Ordnung.

Anfangs, anfänglich,
sodann, hernach, gemächlich,
darnach, darauf,
nachmals, nachgehends,
endlich, zuletzt, schließlich,
erstlich, letztlich, letztens,
übrigens, im übrigen,
schließlich, zum Beschlusse,
nach der Reihe, reihenweise,
ordentlich, kürzlich,
weitläufig, ausführlich,
deutlich, genau,
wohl abgetheilet, unvermenget,
der Länge nach, kurzgefasset,
gliederweise, paarweise,
nach und nach, allgemach, allmählich.
2. Der Unordnung.

Verwirrt, durcheinander.
vermischet, vermenget.
das oberste zu unterst.
das unterste zu oberst.
eins ins andre.
das hinterste zu vörderst.
das vörderste zu hinterst.
alles unter einander.
über und drüber.
drüber und drunter.
alles über einen Haufen.
alles durch einander.
unordentlich, umgekehret.
undeutlich, unvollständig.
verstümmelt, verhunzet.
wie Kraut und Rüben.
[440] 3. Zahlwörter mit zum.

Zum ersten, zweyten,
zum dritten, vierten,
zum fünften, sechsten,
zum siebenten, achten,
zum neunten, zehnten u.s.w.
4. Zahlwörter mit ens.

Erstlich, zweytens.
drittens, viertens,
fünftens, sechstens,
siebentens, achtens,
neuntens, zehntens etc.

5. Theilende Zahlwörter.

je zwey und zwey.oder zu zweyen.
drey und drey,zu dreyen.
vier und vier etc.zu vieren etc. 9

6. Unterscheidende Zahlwörter.

Einerley,Einfältig,Einfach.
zweyerley,zweyfältig,zweyfach.
dreyerley, u.s.w.dreyfältig,dreyfach.
zehnerley,zehnfältig,zehnfach.
hunderterley,hundertfältig.hundertfach.

13 §. Es kommen nun die Nebenwörter der Vergleichung, (ADV. COMPARAT.) die aber mit den Nebenwörtern der Größe oft übereinkommen. Sie sind dreyerley.


Nebenwörter der Vergleichung.


Vergrößernde. Vergleichende. Verkleinernde.


Größer, als das,Eben so groß, als,Kleiner, als dieses

etc.

länger, als das,eben so lang, als,minder, als jenes

etc

unerhört groß,übermäßig,viel schmähler.

breiter, denn das,gleich breit,nicht so breit.

viel dicker, als,gerade so dick,nicht halb so dick,

noch einmal sovon einer Dicke,bey weit. nicht so

dick,

stark,von gleicher Stärke,ungleich schwächer,

zweymal dicker,eins wie das andre,es langet nicht an

die

ungleich stärker,gleichsam, als,Hälfte.

doppelt so groß,sowohl, als,viel weniger, als.

zehnmal mehr,nicht weniger,sonder Vergleich.

[441]

unvergleichlich vielnichts minder,Entgegensetzende.

größer,wie dieß, so das,Dagegen, hergegen.

ungemein vieleben so als wenn,hingegen,

größer,wiedrigenf.

hundertmal länger,desgleichen,im Gegentheile.

tausendmal so groß,ebenermaßen,lange nicht so hoch.

unendlich vielgleichergestalt.sehr viel niedriger.

größer.


14 §. Nun können die Nebenwörter des Fragens (INTERROGANDI) folgen, die zum Theile auch unter den Fürwörtern vorgekommen sind. Sie beziehen sich theils auf Personen, theils auf Sachen, theils auf Zeiten, theils auf Oerter, theils auf die Größe, theils `auf die Beschaffenheiten der Dinge.


Nebenwörter des Fragens.


Auf Personen.

Wer? welcher? welche?
was für einer?
was für eine?
wessen? durch wen?
weß ist das Bild?
wem gehöret das?
zu wem? für wen?
mit wem? von wem?
Auf Zeiten.

Wann? wie lange?
seit wann?
wie bald? wie spät?
wie oft, wie vielmal?
zum wievielstenmal?
wie langsam?
wie geschwinde?
Auf Größen.

Wie groß, wie klein,
wie lang, wie kurz?
wie breit, wie schmal?
wie dick, wie dünn?
wie schlank, wie plump?
wievielmehr? wievielweniger?
wieviel größer, kleiner?
um wieviel stärker?
wirds nicht immer größer?
kann mans auch übersehen? u.d.gl.
Auf Sachen.

Was? was denn?
warum? weswegen?
weshalben? womit?
woran? wodurch?
wozu? zu was?
woraus? woher?
wieviel? wovon?
ists nicht so? nicht wahr?
Auf Örter.

Wo? woher? wohin?
wodurch? wie weit?
wie fern? wie nahe?
was gilts, es ist weiter?
gelt, es ist näher?
ists nicht eben so weit?
von wo ist, oder kömmt er?
[442] Auf Beschaffenheiten.

Wie kalt? Wie warm?
wie viel artiger, lieber?
um wie viel schlimmer?
ists nicht besser so?
ists nicht ein Elend?
hat man nicht seine Noth?
wirds nicht immer ärger?
bleibts wohl beym Alten?
kann man sich auch retten?
ists nicht allerliebst? u.d.gl.

15 §. Die Nebenwörter des Bejahens undVerneinens (AFFIRM. & NEG.) können eine neue Classe ausmachen; und theilen sich außer diesen, auch noch in die zweifelnden und betheurenden ein.


Nebenwörter des Bejahens.


Bejahende.

Ja! so ist es! jawohl!
dem ist freylich also,
allerdings, gewißlich,
nicht anders, ganz recht,
ohne Zweifel, zweifelsohne,
zweifelsfrey, unfehlbar,
ohne Bedenken,
ungezweifelt, ungelogen,
wie gesaget, ohne Vergrößerung,
freylich wohl.
Verneinende.

Nein, nicht doch, gar nichts.
ganz und gar nicht.
durchaus nicht.
im geringsten nicht.
niemals.
nirgends.
mit nichten.
keineswegen,
niemand, keiner.
nimmermehr.
nun und nimmermehr.
Zweifelnde.

Wer weis auch ob,
vieleicht, vieleicht auch nicht.
etwan dieß, oder das,
im Falle, daß,
auf den Fall,
so oder so, oder anders,
wie oder wann,
ists dieß oder das
nun oder niemals,
heut oder morgen,
ists dieses oder jenes.
Betheurende.

Gewiß, wahrlich!
wahrhaftig.
unstreitig, auf Treu und Glauben.
unfehlbar, es bleibt dabey.
bey meiner Treue.
auf mein Wort.
so wahr ich lebe.
ein Wort ein Mann.
in Ewigkeit nicht, durchaus nicht.
den Tag soll niemand erleben.

[443] Kommen nun hier, und im vorigen, gleich etliche ganze Redensarten mit vor; so darf sich daran niemand stoßen. Waren doch der Römer Betheurungen, AEDEPOL, ME CASTOR, MEHERCULES, MEDIUS FIDIUS, ITA ME DII DEAEQUE OMNES, u.a.m. auch dergleichen.

Fußnoten

1 Ob heut von HODIE, oder dieses von jenem herstamme, ist schwer zu wissen. Im Gothischen V.U. heißt heute: Himmadaga. Matth.

2 Ob gestern von HESTERNUS herstamme, ist eben so schwer zu wissen. Ich mag es weder bejahen, noch verneinen.

3 Man fraget, ob man auch gütiglich sagen könne? Frisch habe gütlich, welches daraus entstanden sey. Allein, gütiglich eine so unnöthige Verlängerung, als seliglich, williglich, gnädiglich etc. Wer lange Wörter im Verse brauchet, hat sie zu seinen Diensten. Gütlich ist der Gespan von böslich, und hat seine eigene Bedeutung. Sie thun uns gütlich, d.i. sie bewirthen uns wohl.

4 Hier herrschet im Reiche bey den Kanzeleyen der Kraise, auch wohl in Regenspurg zum Theile, eine seltsame Sucht, täglich neue Misgeburten dieser Art auszuhecken. Ja, je verwägener mancher Schreiber, oder Briefsteller seine Zusammensetzungen machet, desto geschickter dünket er sich zu seyn. Das sind dann rothwälsche Überbleibsel, von denen Horaz, wie von der FESCENNINA LICENTIA, sagen möchte:

MANENTQUE ADHUC VESTIGIA RURIS!

Wir wollen nur sagen:

RISUM TENEATIS AMICI!

5 Man fraget, ob man auch sagen könne, nirgend wohin? Antw. Nein. Das wohin zeiget eine Frage an.

6 So schlecht dieser Zwitter aus dem Lateine und Deutschen an sich ist; so kann ich ihm doch um der Ausländer willen, den Platz hier nicht versagen; weil sie ihn in unzähligen deutschen Büchern finden werden. Gute Schriftsteller brauchen ihn nicht: aber ein Sprachlehrer kann nicht alles weglassen, was er für schlimm hält. Er machet die Sprache nicht; sondern er lehret sie nur.

7 Man fraget mich, was das heiße? Antw. der Pharisäer im Evangelio fastete so. Man dünket, es ist zwar alt, aber deutlich.

8 Weil es viele brauchen, muß ichs hersetzen, ob ichs gleich nicht billige. Dieß ist die Antwort auf die Frage eines Gönners. Es ist manches gewöhnlich, was nichts tauget. S. die vorige Anmerkung c).

9 Ein gewisser Zeitungsschreiber in Franken, setzet dieß zu, öfters zu Wörtern, dahin sichs nicht schicket. Z.E. Dieser Prinz ist zu früh da angekommen. Zu früh traf er ein, u.d.gl. wenn er sagen will, er sey frühmorgens angekommen. Zu Mittage kann man wohl sagen: aber zu Morgen, zu früh, undzu Abend nicht.

Das IX Hauptstück
Das IX Hauptstück.
Von den Vorwörtern (praepositionibus.)

1 §.


Da nun alle bisherige Nebenwörter sich mehr auf die Zeitwörter, als auf die andern beziehen: so folget nunmehr auch eine Gattung, die sich mehr an die Hauptwörter hält, und gleichsam zu ihnen gehöret. Z.E. wenn man saget: Vom Himmel, durch die Luft, bis auf die Erde: so sind von, durch, und auf, solche Wörter, die hier zum Himmel, zur Luft und zur Erde gehören. Weil sie nun, nebst andern ihres gleichen, ordentlicher Weise vor den Hauptwörtern stehen: so haben schon die Lateiner sie PRAEPOSITIONES, d.i. Vorwörter, genennet.

2 §. Man bemerket aber, daß alle diese Vorwörter gewisse Endungen der Nennwörter fodern. So hatten in dem obigen Exempel von die sechste, durch und auf aber, die vierte Endung hinter sich. So nimmt das wegen, in meines Vortheils wegen, die zweyte Endung; vor aber, in vor mir stehen, die sechste; in mir vorstehen aber, die dritte, u.d.m. Daher entsteht nun der Unterschied, den man unter ihnen zu machen hat. Denn einige von ihnen fodern immer dieselbe Endung; andere aber bald diese, bald jene, doch in gewisser Ordnung. Und wenn gleich einige Landschaften in Deutschland darinn von der guten Mundart abgehen: so machet doch dieß die Regeln nicht zweifelhaft; zumal wenn etwa, wie insgemein geschieht, nur das Plattdeutsche eine Unordnung verursachet.

[445] 3 §. Wir wollen also zuerst diejenigen Vorwörter hersetzen, die allezeit nur eine und dieselbe Endung des Geschlechtswortes, Nennwortes und Fürwortes, imgleichen der Mittelwörter, nach sich fodern. Man bleibt am besten in der Ordnung: und da die erste und fünfte Endung von keinem Vorworte begehret werden; so machen den Anfang diejenigen


1 Vorwörter,

welche die zweyte Endung fodern.


Anstatt meiner,laut seiner Handschrift,

in Beyseyn meiner,unangesehen alles Einwendens,

besage dessen,unerachtet aller Schwierigkeit,

diesseits, des Berges,aller Sorgfalt ungeachtet,

in Gegenwart meiner,vermöge dessen,

seines Wortes halben, vermittelst dessen,

jenseit des Grabens,in Vollmacht seiner,

Inhalts dessen,wegen einer Zusage,

kraft seiner Zusage,um des Himmels willen.


2 Vorwörter,

welche die dritte Endung fodern.


Bey mir, nicht mich,nächst ihm,

dir zuwider, neben mir, nicht mich,

mir entgegen, zu mir, nicht mich,

gegen über mir,zunächst mir,

nach mir,zwischen mir.


3 Vorwörter,

welche die vierte Endung fodern.


Durch mich,Ohne mich,(nicht mir,)

Für alle,Sonder ihn,(nicht ihm,)

Gegen mich,(nicht mir,)Wider alle,

Gen Jerusalem,Nach Rom.


4 Vorwörter.

welche die sechste Endung fodern.


Aus der Schlacht,

Mit aller Gewalt,

Nebst seiner Gesellschaft,

Ob der Ens, ob dem Rechte, ob dem Guten halten: d.i. über der Ens etc. ist schon veraltet.

Sammt seinem Gefolge,

Von dem, oder vom Kriege,

Von Hause aus,

Von seiner Jugend auf,

Von unserer Kindheit an.


[446] 4 §. Endlich folgen diejenigen Vorwörter, die in verschiedenen Redensarten zweyerley Endungen leiden können, oder ausdrücklich begehren; und zwar erstlich:


1 Vorwörter, welche

die zweyte und sechste Endung fodern.


Außer Landes,und außer dem Hause,

Außerhalb Landes,und außerhalb dem Lande,

Innerhalb des Landes,und dem Hause,

Oberhalb des Berges,und dem Berge,

Unterhalb des Hügels,und dem Hügel.


2 Vorwörter, welche

die sechste und vierte Endung nehmen.


Hier zeiget sich der Unterschied bey den Fragen wo, und wohin. Bey der ersten nehmen sie die sechste; bey der zweyten aber die vierte zu sich.


Wo? Wohin?

Es liegt an mir,es kömmt an mich,

es beruhet auf mir,es fällt auf mich,

es liegt hinter mir,wirf es hinter dich,

es stecket in mir,er dringt in mich,

er ist in der Kirche,er geht in die Kirche,

es steht neben mir,es geht über mich,

es schwebet über mir,lege es neben dich,

er sitzt unter mir,stoß es unter dich,

er steht vor mir,tritt vor den Richter,

er ist zwischen mir und dir.setze es zwischen mich und dich.


Man kann dieses zu erleichtern, auch sagen: daß diese neun Vorwörter, wenn sie eine Ruhe bedeuten, die sechste; und wenn sie eine Bewegung anzeigen, die vierte Endung fodern.

5 §. Gewissermaßen könnte man sagen, daß auch die unabsonderlichen Vorwörter, be, emp, ent, er, mis, ver, u.d.gl. gewisse Endungen regierten. Allein, davon wird in der Wortfügung gehandelt werden. Ihre Ursprünge und Bedeutungen hat Herr Wächter in seinem kleinen GLOSSARIO [447] erkläret: welches eigentlich nicht für uns gehöret. Emp, in empfehlen, scheint von anbefehlen zu kommen, allein in empfangen, empfahen, empfunden, ist es ganz etwas anders. Ent ist gleichfalls zweifelhaft: und von un, und mis habe ich oben schon die verschiedenen Bedeutungen angezeiget. Man kann in Sprachen nicht von allem Ursache geben, und lernet alles am besten aus dem Gebrauche guter Schriftsteller.

[448]
Das X Hauptstück
Das X Hauptstück.
Von den Bindewörtern.
(conjunctionibus.)

1 §.


Doch alle bisherige Bestimmungswörter würden noch nicht Zusammenhang genug in eine Rede oder Schrift bringen: wenn man nicht noch die eigentlich so genannten Bindewörter hätte, vermöge deren die Verbindung der Gedanken völlig zu Stande gebracht wird. Z.E. wenn ich sage: Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte vergehen nicht: so sindund und aber, solche Bindewörter, ohne welche die Rede keine Verknüpfung haben würde.

2 §. Es sind aber dieselben wiederum vielerley, und zwar erstlich giebt es


1) Verknüpfende, als: und, auch, gleichfalls, ebenermaßen, imgleichen, desgleichen, ferner, weiter, nicht minder, gleichergestalt, dazu auch, nicht weniger, darneben auch, außerdem noch, überdas, überdem, ebenfalls u.d.gl.

2) Zuwiderlaufende; aber, oder, sondern, hergegen, dagegen, hingegen, im Gegentheile, ungeachtet, unangesehen, hinwiederum, widrigenfalls, gegenfalls.

3) Verursachende; denn, weil, also, daher, darum, deswegen, derohalben, deshalben, deinethalben, eurenthalben, ihrenthalben, meinethalben, seinethalben, unserthalben, um meinetwillen, um dessentwillen, u.s.w. so auch meinetwegen, dessentwegen, derowegen, u.s.w. dem nach, dem zu Folge, folglich, sintemal; jemehr, destomehr; je weniger, destoweniger.

[449] 4) Ausschließende; entweder, oder, oder aber; weder dieß, noch das, so wenig dieß, als das andre; eins von beyden; keins von beyden; dieß oder jenes; rechts oder links; ausgenommen.

5) Entgegensetzende; als, aber, wenn gleich, obgleich, obschon, obwohl, wiewohl: doch, jedoch, dennoch, jedennoch, nichts destoweniger, nichts destominder.

6) Bedingende; wo, wenn, wofern, da, dafern, wo nicht, wills Gott; wo Gott will; wo ich lebe; geliebt es Gott! Dieß vorausgesetzt.

7) Fortsetzende; nachdem, indessen, unterdessen, in währender Zeit, stehendes Fußes, unterweilen, die Zeit über, den Tag über; die Nacht hindurch, ferner, weiter, im übrigen, endlich, immerfort.

8) Abzweckende; daß, auf daß, damit, in der Absicht, in dem Vorhaben, des Vorhabens, in der Meynung, vorsetzlich, in dem Vorsatze, mit Fleiß, mit Rath, in der Meynung, u.d.gl.


Das übrige, was davon zu wissen nöthig ist, gehöret in die Wortfügung.

[450]
Das XI Hauptstück
Das XI Hauptstück.
Von den Zwischenwörtern.
(INTERJECTIONIBUS.)

1 §.


Wir haben schon oben erinnert, daß man auch bisweilen den Gemüthszustand desjenigen ausgedrücket haben will, der da redet, oder schreibt. Und auch hier hat die große Lehrmeisterinn aller Sprachen, die Natur, es an Wörtern nicht fehlen lassen. Nun sind aber dabey hauptsächlich die Leidenschaften in Betrachtung zu ziehen, die den Redenden in Bewegung setzen, und die ihn treiben, auch andere gleichergestalt rege zu machen. Nachdem also Freude, Traurigkeit, Furcht, Hoffnung, Muth, Schrecken, Verachtung oder Verwunderung, sich des Herzens bemeistern: nachdem entstehen auch solche Zwischenwörter im Munde, die das alles auszudrücken geschickt sind: als Ach ich Elender! Weh mir Armen! Lustig ihr Freunde! Wohlan! u.s.w.

2 §. Wir wollen sie aber auch in ihre Classen eintheilen. Denn einige sind


1) Aufmunternde: auf, auf! wohlan! wohl her! sieh da! lieber! ey lieber! getrost! nur frisch! frisch ge wagt, ist halb gewonnen! unverzagt! hurtig! munter! fort, fort!

2) Jauchzende: Hey! heysa! lustig! juchhey! Sa, sa! Eya! Wohl mir! wohl uns! Gott Lob und Dank!

3) Klagende, als: Ach! ach! Ach und weh! weh mir! au weh! leider! leider Gottes! daß es Gott erbarme! erbarm es Gott! mich Armen! ich Elender! Gott erbarme es! So geht es leider! welch ein Unglück! das habe ich wohl gedacht!

[451] 4) Schwörende; Wahrhaftig! So wahr Gott lebet! Gott ist mein Zeuge! bey meiner Seele! so wahr ich vor euch stehe! so wahr ich ein ehrlicher Mann bin! auf Treue und Glauben! auf Ehre und Redlichkeit! u.d.m.

5) Verabscheuende! Weg! weg damit! pfuy! pfuy dich an! packe dich fort! trolle dich weg! geh mir aus den Augen! Hebe dich von mir! packe dich mit deinem Gelde!

6) Verfluchende: Strafe mich Gott! Gott strafe mich! Der Henker soll mich, dich, ihn, holen! Daß dich der Kuckuck, der Geyer, der Henker, der Teufel hole! etc.

7) Wünschende: wollte Gott! hilf lieber Gott! Gott helfe uns! der Himmel geb es! geb es der Himmel! Gott befohlen! lebe wohl! Gute Nacht! Glück zu! Glück auf! 1.


3 §. Sind nun gleich die letztern aus verschiedenen andern Worten zusammengesetzte Redensarten: so vertreten sie doch im Reden und Schreiben die Stelle solcher Zwischenwörter. Andere gemeine aber, die nur unter dem Pöbel im Schwange gehen, haben wir mit Bedacht hier nicht rechtfertigen wollen; weil sie von guten Schriftstellern nicht gebrauchet werden. Die endlich aus dem Französischen kommen, brauchet man zwar häufig im gemeinen Leben; als ALLONS! COURAGE! ADIEU! u.d.gl. Allein, da dieses nicht einheimische Wörter, sondern Fremdlinge auf unserm Boden sind: so überläßt man sie billig ihrem Vaterlande. Von Zeter, und Mordio, wird an einem andern Orte gehandelt.

4 §. Und also hätten wir nun in diesem zweyten Theile unserer Sprachlehre, als in der Wortforschung, alle Redetheilchen der deutschen Sprache erkläret, und sie in ihren Geschlechtern, Abänderungen, Endungen, Zahlen, Abwandelungen, Gattungen, Arten und Zeiten; kurz, in allen ihren Gestalten und Zusammensetzungen, nach der Länge betrachtet. Ist ja hier und da noch etwas übergangen, so wird es entweder im folgenden Theile, in der Wortfügung, noch [452] vorkommen: oder es ist auch so nothwendig nicht, daß es ein Anfänger gleich wissen müßte. Ein vieles wird auch hernach, wie in andern Sprachen, der Umgang und das Bücherlesen selbst, am besten lehren.


Ende der Wortforschung.

Fußnoten

1 Nur kein brittenzendes Heil dir! wie einige Neulinge schnitzern. Denn wer kann das dulden:Glück dir! Tod dir! Pestilenz dir!

III Theil: Die Wortfügung

Vorerinnerung
[455][457]
Vorerinnerung.

1 §.


Eine jede Sprache setzet die bisher erklärten verschiedenen Redetheile, nach einer gewissen Art zusammen: damit dadurch der Sinn des Redenden desto leichter verstanden werde. Die Gewohnheit der ersten Stammväter eines Volkes hat es zuerst eingeführet, wie ihre Nachkommen reden sollten: allein, diese haben durch den Umgang, und die Beobachtung der Bequemlichkeit in den Ausdrückungen, nach und nach viel daran verbessert, oder wenigstens geändert. In einer allgemeinen Sprachlehre könnte man zeigen, welches die natürlichste Ordnung der Gedanken wäre, die in einer philosophischen Sprache beobachtet werden müßte. Hier ist es genug, zu bemerken, daß fast jedes Volk sich einbildet, seine Art, die Wörter zu setzen, sey der Natur der Gedanken die gemäßeste 1. Allein, sie irren alle, und bemerken nicht, daß ihnen ihre Art zu denken, zuerst durch ihre Muttersprache beygebracht worden.

[457] 2 §. Auch die deutsche Sprache hat eine ihr eigene Art, die Wörter mit einander zu verbinden, oder auf einander folgen zu lassen. Doch hat dieselbe sich seitOttfrieds Zeiten, das ist seit 900 Jahren; oder gar seit des Ulfila Zeiten, das ist beynahe seit 1400 Jahren, um ein merkliches verändert. Fast jedes Jahrhundert hat gewisse Arten zu reden eingeführet, oder von andern benachbarten Sprachen angenommen: und wir bemerken sogar, daß seit Karls des V Zeiten, schon verschiedene neue Fügungen der Wörter aufgekommen sind. Viele hingegen, die vor 200, ja nur vor 100 Jahren, noch im Schwange giengen, sind veraltet und abgeschaffet worden.

3 §. Nun dringen zwar einige Bewunderer des Alterthums sehr auf die Beybehaltung derselben: wie auch einige Römer, zu Horazens Zeiten 2, auf ihres Ennius und Pacuvius altväterisches Latein hielten. Allein, die Menge guter Schriften, die unser Vaterland seit Opitzen hervorgebracht; und womit sonderlich dieses XVIII Jahrhundert fast alle Künste und Wissenschaften bereichert hat, giebt unsern Zeiten ein unstreitiges Vorrecht, die Art ihrer Wortfügungen der altfränkischen vorzuziehen. Hierzu kömmt nun noch der Fleiß so vieler Sprachlehrer, die sich seit zweyen Jahrhunderten bemühet haben, unsere Wortfügung in ein besseres Geschick zu bringen. Will man nun denselben nicht für ganz unnütz erklären, so muß man auch der heutigen Sprache nicht alle ihre Vorzüge absprechen.

[458] 4 §. Doch auch die heutige Wortfügung ist nicht in allen Provinzen eines so großen und weitläuftigen Landes, als Deutschland ist, einerley. In seinen obern Theilen, die an der Donau liegen, spricht man anders, als am Rheine herunter. An der Weser ist abermal eine andere Verbindung der Wörter im Schwange, als an der Elbe und Oder. Ja, an dem obern Theile dieser beyden Flüsse redet man schon anders, als nah am Ausflusse derselben. Selbst der Mayn und der Rhein haben verschiedene Mundarten an ihren Ufern, die entweder mehr oder weniger von der alten Sprache beybehalten haben. Hier muß man es nun machen, wie die Wälschen; und zwar der Mundart des größten Hofes in der Mitte des Landes, den Vorzug geben; aber sie doch nach den Regeln derjenigen Stadt verbessern, wo man sich am meisten um die Schönheit der Sprache bekümmert hat 3.

[459] 5 §. Heißt es also von Italien LA LINGUA TOSCANA IN BOCCA ROMANA, sey die beste Sprache; weil nämlich in Florenz die berühmte ACADEMIA DELLA CRUSCA, als eine Sprachgesellschaft, viel Fleiß auf ihre Muttersprache gewandt, ein treffliches Wörterbuch, und viele andere dahingehörige Sachen und Anmerkungen geschrieben; in Rom aber, als in der größten Residenzstadt, die angenehmste Aussprache herrschet: so werden wir in Deutschland ohne Zweifel der chursächsischen Residenzstadt Dresden 4, zumal des Hofes angenehme Mundart, mit den Sprachregeln und kritischen Beobachtungen verbinden müssen, die seit vielen Jahren in Leipzig gemachet, und im Schreiben eingeführet worden; um durch beydes die rechte Wortfügung im Deutschen fest zu setzen 5.

[460] 6 §. Dieses soll nun meine Richtschnur seyn, indem ich diesen Theil der Sprachlehre abhandeln werde. Das meiste wird freylich mit demjenigen übereinstimmen, was schon von unsern ältern und neuern Sprachlehrern in diesem Falle festgesetzet worden: das übrige aber wird dem Gebrauche der besten Schriftsteller gemäß seyn, die sich seit einem Jahrhunderte hervorgethan, und einen allgemeinen Beyfall erlanget haben. Die Provinzialredensarten aber, nebst denen Wortfügungen, die nur diesem oder jenem Scribenten eigen sind; oder wohl gar nur neuerlich aus fremden Sprachen nachgeäffet worden, wollen wir eben so sorgfältig zu verbiethen, und auszumärzen suchen, als die Lateiner die Solöcismen verbothen, und aus der guten Mundart verbannet haben.

Fußnoten

1 Dieses Vorurtheil seiner Franzosen hat der gelehrteP. Büffier sehr gründlich und herzhaft bestritten. S. seine GRAMMAIRE FRANÇOISE SUR UN NOUVEAU PLAN; imgleichen der kritischen Beyträge VIII B.a.d. 420 u.f.S. Und wie könnte z.E. ein Franzos wohl sagen, das sey die natürlichste Art zu reden, wenn er saget: JE VOUS DIS: ich euch sage. Sollte nicht, nach dem Subjecte ich, erst das Zeitwort sage, und sodann erst, wem ich es sage, folgen? Daber reden wir ja der Natur der Gedanken viel gemäßer, ich sage dir. Eben das gilt von dem, JE VOUS PRIE, ich euch bitte, und JE NE LE SAIS PAS: ich nicht es weis nicht. Auch hier sollte auf ich, als das Subject, das Prädicat weis folgen, sodann das, was man nicht weis; wie wir im Deutschen reden: ich weis es nicht. Eben so ist es in: ME CONNOISSEZ VOUS? mich kennet ihr? VOUS ME CONNOISSEZ, ihr mich kennet; M'ENTENDEZ VOUS; mich verstehet ihr? u.d.gl. So ungegründet sind ihre Pralereyen, von der natürlichsten Art der Gedanken in ihrer Sprache.

2 S. EPIST. L. II. EP. I. AD AUG.

MIRATURQUE NIHIL, NISI QUOD LIBITINA SACRAVIT.

– – ADEO SANCTUM EST VETUS OMNE POEMA!

3 Wollten gleich die Franken sagen: sie hätten die berühmte Pegnitzschäfergesellschaft gehabt, die sich mit dem Deutschen sehr viel zu thun gemachet; und die Niedersachsen sich auf ihren Schwanenorden berufen, welchen Rist gestiftet; oder auf die zesianische deutschgesinnte Genossenschaft, und deren Rosen-Näglichen- und Lilgenzunft stolziren: so werden wir viel zu antworten haben. Denn 1) ist der obersächsische Palmenorden, oder die sogenannte fruchtbringende Gesellschaft, älter, als jene beyde; ja das Muster gewesen, wornach sich jene Franken und Niedersachsen gerichtet haben. 2) Hat dieser Orden viel mehr Ansehen, und wegen seiner hochfürstlichen Vorsteher und Mitglieder, ein weit größeres Gewicht gehabt. Man sehe nur Neumarks deutschen Palmbaum, oder meine Einladungsschrift von diesem Orden, in den Sammlungen der Gesellsch. der fr. Künste nach, und überzähle alle die Könige, Churfürsten, Herzoge, Landgrafen, Fürsten und Reichsgrafen, die dazu getreten; so wird man sich wundern. 3) Hat dieser Orden auch viel mehr Schriften geliefert, und sich durch viel gelehrte Mitglieder, als: Opitzen, den Obersten vom Werder, und viele andere berühmte Federn hervorgethan, denen jene nichts gleiches entgegen setzen können. 4) Haben sowohl die Pegnitzschäfer, als die Zesianer, sich theils durch ihre Spielwerke und Tändeleyen, theils durch orthographische Seltsamkeiten, verächtlich und lächerlich gemachet: welches man von den Gliedern der fruchtbringenden Gesellschaft nicht sagen kann. Folglich bleibt es wohl dabey, daß die Gegenden von Deutschland, zwischen Köthen, Weimar und Halle, als den dreyen Örtern, wo die Oberhäupter des Palmenordens ihren Sitz gehabt, d.i. das eigentliche sogenannte Obersachsen, oder Meißen, die beste Mundart im Deutschen behaupten könne.

4 Man halte nun übrigens von der vormaligen Deutschen Gesellschaft in Leipzig, was man will: so ist doch soviel gewiß, daß sie seit ihrer Erneuerung 1727. (S. die Nachricht davon) durch ihre Schriften, ganz Deutschland aufmerksam gemachet hat. Alle andere deutsche Gesellschaften, die nach der Zeit, fast auf allen hohen Schulen, entstanden, sind gleichsam für Töchter derselben anzusehen; und haben sich destomehr gehoben, jemehr sie auf der guten Bahn geblieben, die jene ihnen gewiesen hatte. Die Beyträge zur kritischen Historie der deutschen Sprache, Poesie und Beredsamkeit, die einige Glieder derselben, unter meiner Aufsicht ans Licht gestellet; und die ich auch nach meinem Austritte aus derselben 1738, bis auf 8 Bände fortgesetzet, haben die wahren Regeln der Kritik im Deutschen allererst recht bekannt gemachet; ohne in die lächerlichen Ausschweifungen des vorigen Jahrhunderts zu verfallen. Und kurz, die heutige Reinigkeit und Richtigkeit der deutschen Schreibart, die fast durchgehends in denen überall herauskommenden Schriften herrschet, ist bloß durch ihre Bemühungen und Schriften ausgebreitet, ja fast zu einem Gesetze gemachet worden. Und es ist kein Zweifel, daß nicht der große Ruhm ihrer beyden Vorsteher, des Hofr.Johann Burchard Menkens, als eines vernünftigen Dichters, und des Kanzlers von Mosheim, als eines großen Redners, sehr viel zu ihrem Ansehen und Einflusse beygetragen hätte.

5 Ich weis wohl, daß einige andere Residenzen und Universitäten diese Ehre unserm Meißen nicht gönnen wollen, und sich wohl gar einbilden: sie hätten eben soviel Recht und Ansehen in der Sprache. Allein, ich bin kein Meißner von Geburt und Auferziehung, sondern in männlichen Jahren erst hieher gekommen: und also muß wenigstens mein Zeugniß von der Parteylichkeit frey seyn. Man sehe, was in dem Neuesten aus der anmuth. Gel. I B. bey Gelegenheit einer schönen Rede gesaget worden, die Hr. Prof. Michaelis zu Göttingen, DE EA DIALECTO, QUA IN SACRIS UTIMUR, geschrieben hat. Doch billige ich freylich nicht alles, was man in Meißen täglich spricht. Der Pöbel hat überall seine Fehler, so wie er sie in Rom, Paris und London auch hat. Es ist aber gar keine Landschaft in Deutschland, die recht rein hochdeutsch redet: die Uebereinstimmung der Gelehrten aus den besten Landschaften, und die Beobachtungen der Sprachforscher müssen auch in Betrachtung gezogen werden.

Das I Hauptstück
Das I Hauptstück.
Von Fügung der Geschlechtswörter.

1 §.


Wenn wir gleich wissen, daß die deutschen Hauptwörter, nach Art der griechischen, Geschlechtswörter zu sich nehmen: so ist doch dieser Gebrauch in gewisse Regeln eingeschränket. Wir wollen dieselben hier deutlich abfassen, und mit Beyspielen erläutern. Diese alle aus andern Schriftstellern aufzusuchen, würde uns voritzo zu weitläuftig fallen: daher wollen wir uns mit täglichen und gemeinen Redensarten behelfen, die einem jeden bekannt seyn werden, der nur halbicht deutsch versteht 1.


[462] Die I Regel:


2 §. Das Geschlechtswort muß allezeit in gleichem Geschlechte, gleicher Zahl und Endung mit seinem Hauptworte, Beyworte oder Mittelworte stehen. Z.E.


»Der Hausvater, die Hausmutter und das Gesinde, machen in dem Hause eine kleine Gesellschaft aus: die durch eine gute Einrichtung den er sten Grund zur Wohlfahrt eines Staates leget.« Hier haben wir erstlich den bestimmten Artikel in allen Geschlechtern, in der ersten Endung der einfachen Zahl; imgleichen in dem und den, die sechste und vierte Endung des männlichen; in der aber die dritte des weiblichen Geschlechtes: so dann aber auch von dem unbestimmten Artikel ein, die erste Endung des weiblichen, und die zweyte des männlichen Geschlechtes 2.


3 §. Hiervon scheinen nun zwar ein Paar Ausnahmen zu merken zu seyn. 1) Wenn zwischen den Artikel und das Hauptwort, ein ist, oder sonst ein Wort geschaltet wird: so bleibt derselbe im ungewissen Geschlechte: z.E. das ist mein Mann; ob man gleich sonst saget, der Mann; imgleichen das ist meine Frau, wiewohl es heißen sollte, die ist meine Frau. 2) Wenn man viele Wörter, auch aus der mehrern Zahl, zusammen nimmt, so folget darauf doch wohl das ungewisse Geschlecht der einzeln Zahl. Z.E. Kinder und Bücher, das sind insgemein die Erbstücke der Gelehrten. Man kann aber mit Grunde sagen, daß in beyden Fällen dieses das, kein Geschlechtswort, sondern ein Fürwort ist: weil es beydemal ohne ein Hauptwort steht.


[463] Die II Regel:


4 §. Das Geschlechtswort muß allezeit vor dem Nennworte, nicht aber hinter ihm stehen. Dieses lehren alle Beyspiele. Z.E.


Ein Sinn, der Ehre liebt, hat immer was zu schaffen,

Bald schärfet er den Sinn, bald schärfet er die Waffen:

Zwey Dinge machen uns in aller Welt bekannt,

Die Waffen und das Buch; der Degen und Verstand.


Damit will man aber nicht sagen, daß kein ander Wort zwischen das Geschlechtswort und das Hauptwort gesetzet werden könne; denn allerdings stehen öfters ein, oder mehrere Beywörter, oder Mittelwörter darzwischen. Z.E. Besser schreibt:


Die Gott und ihrem Mann getreueste Kalliste etc.


Hier sind zwischen das erste und letzte Wort, fünf andere Wörter geschoben. Doch muß man eben nicht denken, daß darinn eine Schönheit bestünde. Jemehr man nämlich zwischen beyde Wörter einschaltet, desto schlimmer ist es.


5 §. Man muß sich hierbey noch vor einem Fehler hüten, den diejenigen begehen, die vor und nach dem Hauptworte Geschlechtswörter setzen, ja sie wohl noch mit einem Fürworte häufen. Z.E. der Mann, derselbige, der hat mirs gesaget. Scheint nun hier gleich das zuletzt wiederholte, ein Fürwort zu werden: so ist es doch sehr ungeschickt, so zu reden. Etwas eher ließe sich einiger Poeten Art entschuldigen: z.E.


Der Weisheit Lob und Ehr,

Die sterben nimmermehr.


Denn hier ist wirklich das die ein Fürwort: doch sieht man wohl, daß bloß das Syllbenmaaß dieses eingeflicket hat. Es wäre besser gewesen, zu setzen:


Verschwinden nimmermehr, oder

Erlöschen nimmermehr.


[464] Die III Regel:


6 §. Man muß das bestimmte Geschlechtswort mit dem unbestimmten niemals verwechseln. Wo aber dieses oder jenes stehen müsse, das lehret die Benennung selbst. Denn rede ich von einem gewissen bestimmten Dinge, so hat der bestimmte Artikel statt. Z.E. Der Straßburger Thurm, die Erfurter Glocke,das Capitol. Hier würde es nämlich ungeschickt klingen ein, eine, oder ein zu setzen: weil man von einzelnen Dingen redet. Allein, wenn die Sache ungewiß und unbestimmet gelassen wird: so ist es an diesem genug. Z.E. Einem fliehenden Feinde muß man eine goldene Brücke bauen; oder wie der Poet singt:


Eine Quell', ein frisches Gras,

Liebten wir ohn Unterlaß 3.


Die IV Regel:


7 §. Wann man viele Hauptwörter hinter einander setzet, so darf man nicht immer die Geschlechtswörter vorsetzen. Z.E.


Geduld und Hoffnung, Zeit und Glück, machen alles möglich. Es würde nämlich sehr langweilig klingen, wenn man hier überall das die, und das, hätte vorsetzen wollen. Doch [465] pflegt man um des Nachdruckes halber, es zuweilen auch zu wiederholen: Z.E. Opitz schreibt:


Den Wankelmuth, den Neid, den Haß, die Weibersinnen. 4


Die V Regel:


8 §. Setzet man aber das Geschlechtswort vor das erste von zweyen, oder mehrern Hauptwörtern einerley Geschlechts: so dörfen die folgenden keins bekommen. Z.E.


Der Schmerz und Jammer nehmen täglich zu;die Angst und Noth sind nicht auszusprechen; das Elend und Verderben sind allgemein. Ein zweymaliges der, die, das, würde hier Eckel erwecken:Der Jammer und der Kummer ist nicht auszusprechen. Das Leid und das Elend ist sehr groß 5.


Die VI Regel:


9 §. Wann Hauptwörter von verschiedenen Geschlechtern zusammen kommen, und das erste einen Artikel brauchet; so müssen auch alle folgende die ihrigen bekommen. Z.E.


[466] Der Tod, die Hölle, und das ewige Leben, sind die wichtigsten Dinge, die ein Mensch zu betrachten hat. Hier würde es sehr ungereimt klingen, wenn man sagen wollte, der Tod, Hölle, und ewige Leben etc. Noch besser wäre es in gewissen Fällen, das erste Geschlechtswort auch wegzulassen; als: Tod, Sünde, Teufel, Leben und Gnade, das alles hat er in Händen. Wider diese Regel wird aber von vielen, aus Übereilung, sehr verstoßen: die sich oft einbilden, dieselbe gehöre nur für das Französische.


Die VII Regel:


10 §. Die eigenen Namen der Menschen, Län der und Städte brauchen keinen Artikel vor sich. Z.E. Saul hat 1000 geschlagen, David aber 10000.


Man sage also nicht, der Cyrus, der Alexander,der Sokrates, der Cicero, der Virgil: sondern schlechtweg, Cyrus, Virgil; Cäsars, Alexanders Thaten; Cicerons, Virgils Schriften etc. Cäsarn, Alexandern, Aristoteln etc. Nur folgende Fälle sind auszunehmen. 1) Wenn vor das Hauptwort noch ein Beywort kömmt, als: das große Rom; der tapfere Scipio. 2) Wenn die ausländischen Namen keine deutschen Endsyllben annehmen wollen: denn da setzet man sie den übrigen Fallendungen, bloß zur Bezeichnung der Endsyllben vor, z.E. David liebte den Jonathan: Damon flieht die Phyllis; Chloe hasset den Palämon, u.s.w. 6. 3) Wenn die eigenen Namen zu gemeinen Nennwörtern werden; allwo der unbestimmte Artikel nöthig wird. Z.E. Du bist ein Herkules, ein Plato, eine Penelope dieser Zeit 7.

[467] 11 §. Ursprünglich deutsche Namen leiden nun dieselben fast nirgends: und dieser muß man sich in allen Verbindungen, ohne das Geschlechtswort überall bedienen 8. Eben so machet man es mit fremden Namen, die sich entweder von selbst in eine deutsche Gestalt schicken, als Abraham, Hannibal, Jacob,Joseph, David, Asdrubal, Hamilkar; oder doch durch Abkürzung einer Syllbe am Ende, eine deutsche Endung annehmen; als Aristotel,Diogen, Epikur, Heraklit, Horaz 9. Ganz anders aber geht es mit denen, die sich nicht so willig bezeigen; dahin Baldus, Cotta, Sokrates,Cato, Cicero, Varro, u.d.m. sonderlich aus neuern Sprachen, gehören. Bey diesen muß man denn zu den Geschlechtswörtern seine Zuflucht nehmen, und den Mangel ihrer Endsyllben dadurch ersetzen. Man sehe also in dergleichen Fällen die Namen als unabänderlich (INDECLINABILIA) an; und sage:


Wer?– Balbus,– Cotta,– Phyllis.

Wessen?Des Balbus,des Cotta,der Phyllis.

Wem?Dem Balbus,dem Cotta,der Phyllis.

Wen?Den Balbus,den Cotta,die Phyllis.

O Balbus,o Cotta,o Phyllis.

Von wem?Vom Balbus,vom Cotta,von der Phyllis


[468] Z.E. Balbus sprach zum (d.i. zu dem) Cotta; Cato war dem Cicero gewogen 10; Korydon liebte die Phyllis; Amaryllis bekam vom (d.i. von dem) Korydon ein Geschenk 11.


[469] Die VIII Regel:


12 §. Die Namen der Völker, der Flüsse, der Berge und Wälder, auch der Thiere, behalten ihr Geschlechtswort. Z.E.


Paulus schreibt an die Römer, Korinther, u.s.w. Cäsar geht über den Rhein; über den Rubicon etc. und Opitz schreibt:


Der Pruth, der Tyras hält den Türken nicht so an,

Als deines Namens Ruhm den Räuber binden kann.


Der Fichtelberg, die Alpen, der Zotenberg,der Ätna, der Vesuv etc. der Schwarzwald, der Harz, die Dübenerheide, u.d.gl. Der Bucephalus war Alexanders, der Rossinant Don Quischotens Leibpferd; der Sultan, der Packan hat es gethan; wenn dieses Hundenamen sind.


[470] Die IX Regel:


13 §. Wenn zwey Hauptwörter zusammen kommen, und das eine in der zweyten Endung voransteht: so verliert das folgende sein Geschlechtswort. Z.E.


Des Vaters Segen bauet den Kindern Häuser, aber der Mutter Fluch reißt sie nieder. Ein ganz anders wäre es, wenn die erste Endung vorne, und die zweyte hinten zu stehen käme: denn da müßten beyde Artikel bleiben; wo nicht das erste ein eigener Namen wäre. Als z.E. das Aug des Herrn, die Hand des Herrn ist nicht verkürzet, der Grimm eines Löwen, u.d.m. Die erstere Art ist bey den Poeten sehr gewöhnlich: weil sie die Rede verkürzet.Opitz saget:


Des Himmels treue Gunst wird dich mit dem begaben.

Und Rachel:

Um aller Welt Gewinn,

Bringt ihr mir nimmermehr noch eine Schurmanninn.


Die X Regel:


15 §. Das einzige Wort Gott wird, wenn es den wahren Gott andeutet, ohne Geschlechtswort gebrauchet: wenn es aber nur den abgesonderten Begriff der Gottheit, oder falsche Götter anzeiget; so nimmt es auch den Artikel an.


So saget man im ersten Falle insgemein:
Wer? Gott wird mir helfen;
Wessen? Gottes Wille muß doch geschehen;
Wem? Gott will ich trauen;
Wen? Gott will ich lassen rathen;
Von wem? Von Gott will ich nicht lassen.

Aber im andern Falle heißt es: Gott ist nicht ein Gott, dem gottlos Wesen gefällt etc. Es ist der Gott Abrahams [471] Isaaks und Jacobs. Gott ist nicht ein Gott der Todten etc. und Opitz im 113 Ps. singt:


Wo kann ein Herr, wie Er ist, seyn?

Ein Gott, wie unser Gott allein.


Was endlich die Götzen betrifft: so saget man freylich der Seegott Neptun, der Windgott Äolus, der Liebesgott; oder wie Flemming:


Bis der Gott der güldnen Gluten,

Der die braunen Mohren brennt,

In die hesperischen 12 Fluthen,

Freygelassnes Zügels rennt.


Die XI Regel:


15 §. Gleichwohl können die Geschlechtswörter auch oft, mit ihrem letzten Buchstaben, an gewisse Vorwörter auch Beywörter angehenket werden.


So wird z.E. von an das, ans; aus bey dem,beym; aus von dem, vom; zu der, zur; zu dem,zum; hinterdem, hinterm; unter dem, unterm; u.d.gl. S. oben, a.d. 166 S. den 7 §. Eben so saget man: laß dein Herz guter Dinge seyn; ein Tagguter Bothschaft; oder wie Flemming im vorigen Exempel, freygelaßnes Zügels; imgleichenOpitz, mit verhangenem Zügel, das ist, mit einem verhangenen Zügel. Voll guter Wissenschaft und unsträfliches Wandels; nicht unsträflichen 13.


[472] Die XII Regel:


16 §. Wenn Fürwörter vor ein Hauptwort zu stehen kommen, fallen die Geschlechtswörter gemeiniglich weg. Z.E. So singt Dach:


Mein Churfürst, sagt man mir durch gründlichen Bericht,

Erkennt, ob ich ein Lied geschrieben oder nicht?


Dein Freund, sein Bruder, unser Haus,euer Feld, ihr Land, u.d.m. Hierinn geht das Deutsche vom Griechischen ab; als welches auch bey den Fürwörtern den Artikel behält,ἡ βασιλεια σου; dafür es bey uns heißt, dein Reich. Die Alten sagen auch so: der liebe Vater mein. Eben so gilt diese Regel von den Fürwörtern, derselbe undderjenige, welcher, solcher, kein, etliche, wenige, alle, u.d.m. Die Exempel sind leicht zu finden 14.


17 §. Bey diesen zwölf Regeln kann man es hier bewenden lassen; wenn man nur noch die Warnung hinzusetzet: daß man sich hüten muß, daß die Wörterder, die, das, und einer, eine, eines, nicht gar zu oft in einem Satze wiederkommen; damit kein Übelklang daraus erwachse. Denn weil das Fürwortder, die, das, theils für sich, theils für das Beziehungswort welcher, vorzukommen pflegt; daseiner, eine, eins, aber auch eine Zahl bedeuten kann: so kann leicht eine Verwirrung entstehen. Man helfe sich also im ersten [473] Falle, durch die Abwechselung, mit welcher und so: im andern aber mit einer geschickten Veränderung, Auslassung, Versetzung oder Einschaltung des Wortes einziger, wenn es eine Zahl seyn soll.


18 §. Fast von allen diesen Fällen ein Beyspiel zu geben, mag folgendes von Opitzen dienen:


Wir haben in die Schlacht Den Donner selbst geholt, und etwas aufgebracht, So Glut und Eisen speyt; vor dem die Mauren fallen; Die Thürme Sprünge thun; Gebirg und Thal erschallen; Die wilde See erschrickt. Der reichen Erde Schlund Schickt dieses an den Tag, vor dem sein tiefer Grund Hernach erzittern muß. Wir mischen uns zusammen Die Elemente selbst; und fodern mit den Flammen Das blaue Himmeldach; so ganz bestürzet geht, Wann unsers Pulvers Macht dem Feind entgegen steht, Und führt ihn in die Luft.

Fußnoten

1 Gewisse Grübler, die meine Lehre von der Wortfügung niederzuschlagen suchen, bedienen sich gerade der lächerlichsten Gründe dazu. Sie sagen: ich gäbe Regeln, die in andern, ja in allen Sprachen auch statt hätten. Allein, ist das ein Fehler? Bleibt denn eine Regel nicht eine Regel, wenn sie in mehreren Sprachen gilt? Oder können denn alle, die das Deutsche grammatisch lernen wollen, auch viel andere Sprachen? Hernach könnte man diesen Einwurf wider die andern Grammatiken auch machen: und so würden gerade die Regeln, die in den meisten Sprachen gelten, aus allen Grammatiken verbannet werden müssen. Welch ein Widersinn! Meine Sprachkunst ist eben so sehr, wo nicht mehr, für die Deutschen, als für die Ausländer geschrieben worden. Solche Tadler wissen also nicht, was sie wollen; wenn sie lauter sonderbare und seltsame Regeln des Deutschen fordern. Meines theils wünschte ich, daß alle Sprachen nach einerley, und übereinstimmenden Regeln geschrieben und gesprochen würden. Dieß einmal für allemal.

2 Hierwider fehlet hier in Meißen die gemeine Redensart, bey einer Haare. Denn da das Haar des ungewissen Geschlechtes ist, so muß es heißen: bey einem Haare. Hier ist also unsere Sprache viel richtiger, als die französische, die sehr oft, um des bloßen Wohlklanges halber, den unrechten Artikel zum Hauptworte füget: z.E. MON AME, TON ELEGIE, SON EXCELLENCE; da es doch MA AME, TA ELEGIE, SA EXCELLENCE heißen sollte.

3 Dagegen hat der Gebrauch nur eine Ausnahme, bey ganzen obrigkeitlichen Versammlungen, Raths- und Gerichtsstuben eingeführet; von denen man, wenn sie gleich bestimmet sind, dennoch nur mit ein zu reden pflegt. Z.E. Ein hochpreisliches geheimtes Consilium; eine hohe Landesregierung; ein hochlöbliches Appellationsgericht; ein hochlöbliches Oberhofgericht, eine löbliche Universität, ein hochweiser,ein edler Rath dieses oder jenes Landes, oder dieser oder jener Stadt. Dieses, sage ich, haben die Herren Kanzellisten und Curialschreiber, der Grammatik zu Trotze, eingeführet. Doch kann man viel besser der,die, das dafür brauchen.

4 Wollte man hier sagen, daß zuweilen auch einzelne Hauptwörter im Anfange ohne Geschlechtswörter gesetzet würden; wie Kanitz seine Rede anfängt: Fürsten sterben zwar eben so etc. so dienet zur Antwort, daß der unbestimmte Artikel in der mehrern Zahl unsichtbar wird; der bestimmte aber, die Fürsten, sich hieher nicht geschickt hätte. So spricht man auch:Menschen sind Menschen; Kinder sind Kinder; oder, Kinder machens nicht anders. Das aber klingt höchst schnitzerhaft, wenn einige Neulinge auch in der einfachen Zahl das Geschlechtswort ersparen wollen. Z.E. Natur gebeut das; Tugend ist liebenswürdig, u.d.gl. Welch deutsches Ohr kann das ertragen?

5 Die Franzosen wiederholen es überall: obgleichRollin es nur bey gleichviel bedeutenden Redensarten billiget. Bey uns saget man auch: Der Gewinnst und Verlust, der Nutzen und Schaden. Die Zeit und Ewigkeit; das Gold und Silber.

6 Hiervon hat uns schon die deutsche Bibel die Muster gegeben, 1 Sam. im 18 Cap. 20 V. Aber Michal, Sauls Tochter, hatte den David lieb. Und im 26 V. Da sagten seine Knechte dem David solche Worte. Indessen geschieht es freylich nicht überall so richtig: welches man dem Alterthume zu gute hält: aber an neuern, zumal niedersächsischen Schriftstellern, die dadurch oft unverständlich werden, kann mans nicht billigen. Ich mag keine nennen. Doch der Übersetzer der Geschichte des osmannischen Reiches, vom Prinzen Cantemir, welcher der berufene Übersetzer der Werthheimer Bibel, Joh. Lorenz Schmidt gewesen, war ein Frank, und that es auch. Aber wie ekelhaft liest sich das?

7 Doch muß man dieses nicht auf solche Würden erstrecken, die ein Amt, oder einen eingeführten Titel bedeuten; als Kaiser, König, Churfürst, Erzherzog, Erzbischof, Bischof, Graf, Baron, Kanzler, Hofrath, Doctor, Magister, Rector, u.d.gl. Denn alle diese fodern kein Geschlechtswort vor sich. Man saget nämlich viel öfter und besser: Kaiser Franz,König Karl, Churfürst August, Bischof Bruno, Erzbischof Fenelon, Graf Piper, Baron Leibnitz, Kanzler Krell, Doctor Luther, u.s.w. als wenn man das unnöthige der allenthalben vorsetzen wollte; wie einige aus böser Gewohnheit zu thun pflegen.

8 Z.E. Das ist Zieglers Schauplatz: Ich lese Amthorn; Opitzens Gedichte sind geistreich, u.d.gl.m.

9 Flemming schreibt so:

Phyllis schickt (wem?) Silvanen Kränze.

Kanitz aber:

Stamm von Achillen her, von Cäsarn Alexandern.

Neukirch gleichfalls:

So hört man Fried richen sich um Charlotten quälen.

10 Doch kann man hier die zweyte Endung auch mit der Abkürzung der lateinischen bilden; als Catons Tod, Cicerons Bücher, Varrons Gelehrsamkeit. Das n nämlich schaltet man auch in deutschen Namen, des Wohlklanges wegen, bisweilen ein; als Kanitzens Gedichte, auch Baldens lateinische Poesie.

11 Ein gelehrter Freund in Schlesien hat mir hierbey verschiedene Einwürfe gemachet, und ist der Meynung, fremde Namen müßten immer ihre eigenen Endungen behalten. Es ist hier zu weitläuftig, seine Gründe einzurücken, ohne sie zu entkräften, geschweige denn zu beantworten. Es gehöret auch eigentlich ins Hauptstück, von den Abänderungen der Nennwörter. Man sehe also des Büchersaales VIII Band im Vten Stücke nach, wo es nach der Länge eingerücket und beantwortet worden. Hier merke man nur: 1) daß die Lateiner die griechischen Fallendungen, oder CASUS nicht behalten, sondern nach ihrer Art eingerichtet haben. Der griechische Genitiv ου, ος, wird I, und IS, der griechische Accusativ ην, ον, α, wird EM, UM, EM, u.s.f. Die Griechen macheten es mit den lateinischen Endungen in ihrer Sprache auch so: wie man aus Polyben, Appianen, dem Dionysius von Halikarnaß, und aus Plutarchen sehen kann. Die Deutschen haben also ein Recht, dieses eben sowohl allemal zu thun, wenn es sich schicket. 2) Da die Lateiner sich die Freyheit nahmen, fremde Namen, mit einigen Syllben zu verlängern, bis sie lateinische Endungen bekamen, wie sie aus Hermann, Arminius, aus Ehrenfest, Ariovistus, u.s.w. gemachet; so muß es uns auch frey stehen, die fremden Namen, die nach Art unserer Sprache zu lang sind, zu verkürzen; und z.E. aus Hippokrates, Hippokrat, aus Kleobulus, Kleobul, aus Pomponius, Pompon, aus Cornelius, Cornel, ausAntonius, Anton zu machen u.s.w. So schrieb Lohenstein in der Kleopatra.

Der Götter Rath verkehrt dir die Cypressenreiser,

Des sterbenden Antons, in einen Lorbeerkranz.

Endlich 3) wenn das nicht angeht, so können wir uns der Geschlechtswörter bedienen, die Abfälle oder Endungen anzuzeigen. Z.E. Cicerons, oder des Cicero Beredsamkeit, des Brutus Könighaß; des Cato, oder Catons Großmuth etc. Alle drey Stücke hat eine vieljährige Gewohnheit der neuesten und besten Schriftsteller bereits gerechtfertiget und eingeführet.

Ungeachtet man nun mit diesen Regeln und Ausnahmen in weltlichen Schriften ziemlich auskommen kann: so wollte ich doch nicht rathen, in der Kanzelberedsamkeit vom Gebrauche der deutschen Bibel abzugehen. Da sind wirs nun längst gewohnet, auch die lateinischen Endungen, Matthäi, Marci, Lucä, Johannis, Petri, Pauli u.s.w. ja auch die übrigen Endungen zu hören. Der gemeine Mann würde sich also, an einer solchen Neuerung stoßen; und sie einem geistlichen Redner übelauslegen. Dieser muß also denken: Ich habe es wohl alles Macht, aber etc.

12 Es sollte freylich hespérischen Fluthen heißen. Allein, nach dem Lateine ist das e doch kurz; undFlemming kann sich damit schützen. VENIT HESPERUS, ITE CAPELLÆ. Virg.

13 Imgleichen so: ich versichere dich einer aufrichtigen Liebe, beständigen Treue, und unverrücklichen Ehrfurcht: wo man das r des Geschlechtswortes an das Beywort hängt; ich versichere dich, aufrichtiger Liebe, beständiger Treue, und unverrückter Ehrfurcht. Eben so geht es in der dritten und sechsten Endung an: z.E. zu und mit einem gnädigen Wohlgefallen; zu und mit einem reifen Ermessen; wo abermal das m des Geschlechtswortes, an das Beywort gnädigem, reifem u.d.gl. gehängt wird. Es irren also diejenigen, die solche Endbuchstaben zum Beyworte eben sowohl, als zum Geschlechtsworte setzen: als z.E. mit einem großem und unauslöschlichem Zorne; von einer gnädiger und gehoffter Entschließung. Denn wo das Geschlechtswort selber ist, da darf das Beywort dessen Merkmaal nicht mehr tragen.

14 Saget man gleich: alle die Menschen, welche etc. so ist doch hier die kein Artikel, sondern ein anzeigendes Fürwort, darauf das beziehende welche folget.

Das II Hauptstück
Das II Hauptstück.
Von Fügung der Hauptwörter und Beywörter.
(Syntaxis Nominum.)

1 §. Die I Regel:


Wann ein Hauptwort ein Beywort bekömmt, so stehen sie allezeit in einerley Geschlechte, Zahl und Endung. Z.E.


Ein gutes Wort, findet eine gute Stelle. Oder wie Opitz singt:


Liebe, wer sich selber haßt!

Aber wer sein gutes Leben

Will der freyen Ruh ergeben

Reißt sich von der argen Last,

Suchet für das süße Leiden,

Felder, Wild, Gebüsch und Heiden.


Die II Regel:


2 §. Das Beywort muß sowohl in gebundener als in ungebundener Rede, allemal vor dem Hauptworte stehen.


Von der ungebundenen Schreibart wird nicht leicht jemand zweifeln; allein von der poetischen ist es gewiß, daß vorzeiten unsere Dichter, nach dem Exempel der Lateiner, das Beywort auch wohl hinter das Hauptwort gesetzet. Z.E. Des Elias Wagen roth, deine Wunden roth, ein Tröpflein kleine; oder wie Barthel Ringwald noch 1585 schrieb:


Sondern gehorch den Eltern dein,

Und andern frommen Herzen rein etc.


[475] Aber in neuern Zeiten hat Opitz uns gelehret, auch um des Syllbenmaaßes halber, die Ordnung der Wörter nicht zu stören. Z.E.


So kam der Heyden Volk weit von dem Nilusstrande,

Von Taurus Klippen her, dem heißen Medersande,

Dem wilden Thracien, dem schweifenden Euphrat,

Und was der Bluthund mehr für große Länder hat.


Die III Regel:


3 §. Wann das Beywort bisweilen, als die Aussage eines Satzes, nach dem Hauptworte gesetzet werden muß: so verliert es seine Geschlechts- und Zahlendung, und wird fast gar zu einem unveränderlichen Nebenworte. Z.E.


Gott ist gnädig und barmherzig; die Menschen aber sind gottlos und ungerecht. Hier würde es sonst heißen müssen, Gott ist der gnädige und barmherzige, oder Gott ist ein gnädiger und barmherziger; imgleichen die Menschen sind Gottlose und Ungerechte. Allein, weil diese Beywörter hinten nach folgen, und zur Aussage gehören: so bleiben diese Geschlechts- und Zahlendungen weg. Ja, es kann geschehen, daß dergestalt auch das Beywort vor dem Hauptworte, doch mit einem ist, ganz ohne die sonst nöthige Beugung, vorkomme: z.E. wieOpitz schreibt:


Du spricht schon oftmals ja, eh als man bitten kann:

So freundlich ist dein Sinn!


Da es sonst der freundliche, oder ein freundlicher Sinn heißen müßte.

Die IV Regel:


4 §. Wann zwey oder mehr Hauptwörter zusammen kommen, die weder ein und, noch ein oder verbindet: [476] so stehen eins oder mehrere allemal in der zweyten Endung. Z.E.


Gott des Himmels und der Erden, oder wie Opitz gleich nach den vorigen Worten saget:


Wie auch die klaren Stralen

Der Sonne, nicht nur bloß Gefild und Berge malen.


Hier sieht man Gefild und Berge, beyde in der vierten Endung, weil ein und sie verbindet: aber die Stralen der Sonne, dazwischen kein Verbindungswort steht, setzen das eine in die zweyte Endung. Doch steht dieselbe nicht allemal hinten; sondern bisweilen auch vorn, dabey das andere Hauptwort seinen Artikel verliert: z.E. des Herrn Auge sieht etc. für, das Auge des Herrn. Oder wie Kanitz singt:


Du wirst des Fürsten Rath, im allerhöchsten Orden etc.


Die V Regel:


5 §. Wann zwey oder mehr Hauptwörter zusammen kommen, die nur eine und dieselbe Sache bedeuten: so bleiben sie alle, auch ohne Bindewort, in einerley Endung.


Z.E. Die Stadt Leipzig, Kaiser Franz,König August, Churprinz Friedrich, der Herr Vater, die Frau Mutter, der Herr Bruder, das Fräulein Schwester, der Herr Vätter, die Jungfer Muhme, u.d.m. Dieß sind lauter erste Endungen. Allein, mit den übrigen ist es eben so: z.E. Opitz saget:


Du stammst von Leuten her,

Die häufig vor der Zeit, durch ihr so kaltes Meer

Mit heißer Brunst gesetzt, und Rom, das Haupt der Erden,

Der Völker Königinn, gezwungen zahm zu werden.


Wo drey Wörter hinter einander die vierte Endung hatten; oder in der fünften: Herr, Gott, Vater, und Herr meines Lebens etc.


[477] Die VI Regel:


6 §. Die Beywörter gelangen bisweilen zu der Würde der Hauptwörter, wenn man dem ungewissen Geschlechte einen Artikel vorsetzet.


Z.E. Ihr lieben Herren, wie habet ihr das Eitele so lieb? Das Ganze etc. Bisweilen wird auch das es am Ende weggelassen: z.E. dieses All, dießRund der Welt; wie Opitz saget:


Das ist ihr ganzes All, ihr Trost und ihre Ruh; oder

Daß einer über uns, dieß große Rund verwalte etc.


Imgleichen:

Sein Gut wird ihm von Gott, auch wenn er schläft, bescheret.


Allein, man muß die Sucht, solche neue Wörter zu machen, nicht zu hoch treiben: wie einige neuere Dichter gethan haben. Wo man nämlich schon gute Hauptwörter hat, da brauchet man keine Beywörter dazu zu erheben. Das Schöne, das Große ist also unnütz; denn wir haben schon die Schönheit, die Größe. Das Süße, das Bittre, das Saure, dasGrausame, das Angenehme sind lauter überflüßige Wörter; weil man längst die Süßigkeit, Bitterkeit, Säure, die Grausamkeit und Anmuth, oder Annehmlichkeit gehabt hat 1.


[478] Die VII Regel:


7 §. Auch die unbestimmte Art der Zeitwörter, kann vielfältig durch Vorsetzung des ungewissen Geschlechtswortes zum Hauptworte werden.


Z.E. das Schweigen ist eine edle Kunst. Um des Lebens und Sterbens halber. Das Thun undLassen. Das Gehen und Stehen: wie Opitz schreibt:


Das Stehen der Trabanten, etc.

Imgleichen das Wehen.

Wer hat nicht angesehen

Verwundert und bestürzt, wie da das scharfe Wehen

Der unbewohnten Luft etc.

Imgleichen das Fechten:

Zwar durch Verstand und Rath

Ein Feldherr, aber auch durchs Fechten ein Soldat.


Ferner auch das Zittern:

Mit Zittern, fiengst du an, ist dem nicht abzuwehren,

Der mit dem Säbel kömmt.


Alle solche Wörter aber bekommen sodann auch billig einen großen Buchstab; damit man ihnen ihre neue Würde ansehe.


Die VIII Regel:


8 §. Auf gleiche Art bemerket man, daß auch wohl einige andere Arten der Zeitwörter und Fürwörter, aus [479] verschiedenen Zeiten und Personen bisweilen als Hauptwörter gebrauchet werden.


Z.E. Das Muß ist eine harte Nuß: Ein Hab ich ist besser, als zehn Hätt ich. Eben so pflegt man auch die Fürwörter wohl zuweilen in Hauptwörter zu verwandeln. Man saget z.E. das Mein und Dein machet viel Händel in der Welt. Die Meinen,Deinen, Seinen sind bekannt: wie z.E. Ka nitz schreibt:


Damit du bald genug mit den geliebten Deinen,

Auf meinem Meyerhof, am Freytag kannst erscheinen.


So saget man auch die Meinigen, Deinigen, Seinigen, Unsrigen, Eurigen, Ihrigen, als wenn es lauter Hauptwörter wären.


Die zweyte Endung.


Die IX Regel:


9 §. Hauptwörter, die ein Vaterland, Geschlecht, Alter, Amt, Wesen, oder Handwerk bedeuten, nehmen die zweyte Endung des andern Hauptwortes zu sich.


Z.E. Er ist seiner Geburt ein Deutscher; seiner Herkunft ein Schlesier; seines Geschlechts ein Edelmann, oder ein Bürgerlicher;seines Alters im zehnten, dreyzigsten, fünfzigsten Jahre; seiner Bedienung ein geheimter Rath; seiner Lebensart ein Gelehrter; seines Handwerks ein Schneider. Man pflegt aber vielmals diese Redensarten auch in die sechste Endung zu spielen; wenn man saget: ein Sachs von Geburt. Ein Graf von Geschlecht; von Ankunft ein Bürgerlicher; von Lebensart ein Soldat u.d.gl. 2.


[480] Die X Regel:


10 §. Die Wörter, viel, wenig, genug, und satt, werden oft als Hauptwörter angesehen, und fodern also die zweyte Endung der andern Hauptwörter.


Z.E. Er machet viel Wesens, viel Aufsehens,viel Lärmens und Schreyens. So viel Hirnes ist in seinem Kopfe nicht, sagte Luther. Und viel Volkes folgte ihm nach. Trink ein wenig Weins. Ich habe des Dinges genug; und wieOpitz saget, Lasters genug;


Die Langmuth, der Bezwang des Zornes, der allein

Genug sonst Lasters ist, kömmt dir vom Nüchternseyn.


Ein anderer Poet schreibt: Ich bin dein satt, o Welt! Denn obgleich Welt in der fünften Endung steht: so ist doch Dein soviel, als Deiner, und also in der zweyten Endung.


Die XI Regel:


11 §. Die Zahlwörter einer, zwey, drey, etc. imgl. etliche, einige, viele, mehr, weniger, keiner, niemand, nehmen entweder vor sich, die zweyte; oder nach sich die sechste Endung, mit aus, oder von zu sich.


Z.E. Seiner Jünger einer; seiner Jüngerzween, etliche unserer Landsleute, viele unsers Mittels. Unser ist viel, oder sind viele; unser sind mehr, oder weniger, als der Eurigen. Imgleichen Einer von, oder aus der Schaar: [481] viele von, oder aus unserer Bürgerschaft; einige von unsern Freunden; wenige aus unserm Orden; niemand von uns ist da gewesen. Keiner von ihnen u.d.m.


Die XII Regel:


12 §. Auf die Frage wann? setzet man die Namen der Tage, und auf die Frage wie oft? gleichfalls den Tag, oder das Jahr, in der zweyten Endung.


Z.E. Sonntags, Montags, Dienstags, Donnerstags, Freytags, Sonnabends habe ich das gethan. Ja so gar die Mittewoche, ob sie gleich weibliches Geschlechtes ist, ist der Ähnlichkeit wegen, in dieser Fügung zu einem s gekommen: denn man saget Mittwochs 3 früh, wie Montags spät; Mittwochs zu Mittage, wie Dienstags Abends. Eben so saget man, des Tages, des Nachtes. Z.E. Sind nicht des Tages zwölf Stunden? So heißt es auch, zweymal des Tages; des Monaths zweymal: des Jahres einmal, oder dreymal. NB. Nur mit der Woche geht solches nicht an.


Die XIII Regel:


13 §. Hauptwörter, die auf eine Neigung, Meynung, einen Willen, Fleiß, oder die Beschaffenheit einer Sache abzielen, stehen auch in der zweyten Endung. Z.E.


Der Fürst befindet etwas seines gnädigen Wohlgefallens; Seines hohen Ermessens; er gebeutalles Ernstes; er verlanget, man solle etwasmöglichstes Fleißes thun, u.s.w. Man saget, meines Wissens, meines Erachtens, oder Bedünkens, ist das so; ich bin des Vorhabens, des Willens, [482] oder nur, ich bin Willens, (nicht, ich habs in Willens, wie etliche ganz falsch sprechen.) Er geht gerades Weges; die Sache verhält sichfolgender Gestalt; itzt erwähnter Weise; vorgedachter Maaßen, u.d.m.


Die XIV Regel:


14 §. Beywörter, die einen Überfluß oder Mangel, eine Schuld oder Unschuld, Fähigkeit, Ver gessenheit, oder ein Gedächtniß bedeuten, nehmen die zweyte Endung zu sich.


Z.E. Viel Geldes und Gutes. Ein Haus voll Goldes und Silbers; Scheuren, die alles Vorrathes leer sind; aller Dinge bedürftig seyn. Ich bin der Sache los. Er ist der Frevelthat schuldig; ich bin dessen unschuldig. Ich kann mich seiner gar wohl erinnern. Herr, gedenke meiner, wenn du in dein Reich kömmst. Ich denke der vorigen Zeit. Der Herr hat mein, d.i. meiner vergessen; kann auch ein Weib ihres Kindes vergessen? Ich bin keiner Hülfe benöthiget, u.d.m. Doch pflegt man das vergessen, auch wohl schon mit der vierten Endung zu brauchen: ich habe dieß oder das vergessen. Ich erinnere mich dessen.


Die dritte Endung.


Die XV Regel:


15 §. Beywörter, die einen Nutzen, Schaden, ein Eigenthum, eine Gleichheit, Leichtigkeit, Schwierigkeit oder Unmöglichkeit andeuten, nehmen die dritte Endung der Personen zu sich.


Z.E. Das ist dem Könige nützlich, vortheilhaft; Landen und Leuten ersprießlich. Das ist mir schädlich, nachtheilig; die Wohlthat, das Ge schenk ist mir zu Theil worden. Gib [483] mir den Theil der Güter, der mir gehöret. Man nimmt, man raubetmir das Meinige. Der Sohn ist dem Vater ähnlich; er ist dem Herkules gleich; die Arbeit ist mir leicht, oder schwer: die Last ist mir unerträglich. Die Sache ist mir und meines gleichen unmöglich.Einem Faulen ist das leichteste schwer, ja unerträglich; einem Fleißigen aber auch das schwerste leicht.


Die vierte Endung.


Die XVI Regel:


16 §. Was ein Maaß, eine Größe, eine Entfernung oder Zeit, auf die Frage, wie lange? bedeutet, fodert die vierte Endung.


Z.E. Das Haus ist sechzig Fuß breit. Das Dach ist zehn Ellen lang. Das Faß ist vier Tonnen groß. Das Oxhoft hält drey Eimer. Der Thurm ist hundert Klaftern hoch. Das Feld ist funfzehn Morgen oder Acker groß. Dresden ist dreyzehn Meilen von hier. Die Predigt ist eine oder anderthalb Stunden lang. Er blieb drey Tage bey ihm. Ich bin zehnJahre allda gewesen, u.d.gl. Er ist dreyzig Jahre alt. Sara war neunzig Jahre alt, als sie den Isaak gebahr.


Die XVII Regel:


17 §. Wenn eine Sache nach einem Orte zu geht, oder sich beweget, oder darauf abzielet; so folget die vierte Endung mit, gen, gegen, vor, nach, auf, darauf zu, oder darauf los.


Z.E. Er fährt gen Himmel; der Franzos rücket gegen Mastricht; er lagert sich vor Breda hin; Cajus geht nach England; er denket nach Rom; er zielet auf den Thurm; die Kugel fliegt auf den Wall; er geht auf mich los u.d.gl. er tritt vor den Richter, er begiebt sich an den Hof. Es [484] ist also falsch, wenn man in plattdeutschen Landschaften spricht: er geht in der Kirche; oder er kömmt zu Hause; er zog indem Kriege; oder er geht am Hofe; denn es muß heißen: er geht in die Kirche; er kömmt nach Hause 4; er zog in den Krieg; an den Hof.


Die sechste Endung.


Die XVIII Regel:


18 §. Beywörter, die ein Lob oder einen Tadel bedeuten, nehmen die sechste Endung mit von, oder an, zu sich.


Z.E. Ein Weibsbild von schöner Gestalt, ein Mann von trefflichem Verstande, von vieler Einsicht, von gründlicher Gelehrsamkeit. Ein Held von großer Tapferkeit und Klugheit, ein Mensch von schlechter Art, von geringer Ankunft, von böser Aufführung, von geringen Mitteln, u.d.gl. Ferner mit an; er ist reich an Gaben der Natur: sie ist an Schönheit unvergleichlich, an Tugenden vortrefflich; oder wie Opitz schreibt:


Er habe darum sich an Leuten stark gemacht,

Daß ihrer mehr durch uns, auch würden umgebracht.

Soll er der Meister seyn, du edeles Geblüte,

Er, der beschnitten ist an Leib und an Gemüthe,

An Art und Sinnen weich?

oder wie Kanitz schreibt:

Was ist es für ein Thier, du Held von großen Gaben,

Das wir gemeiniglich am allerliebsten haben?


[485] Die XIX Regel:


19 §. Wann eine Sache irgend an einem Orte befindlich ist, oder von dem Orte herkömmt; so setzet man den Ort in der sechsten Endung; und brauchet im ersten Falle die Vorwörter vor, in,auf, an, und zu; im andern aber, von und aus.


Z.E. Er steht vor dem Richter; Gott wohnet im, d.i. in dem Himmel; die Musen sitzen auf dem Helikon; die vaticanische Bibliothek ist zu Rom; die Universität zu Leipzig. Ich bin zu Hause; das Gewürm in, oder auf der Erde; die Vögel in der Luft; die Fische in dem Wasser; die Ochsen stehen an dem Berge. Z.E. Wie Kanitz singt:


In den Wäldern, auf den Höhen,

In den Thälern, an den Seen,

Such ich, wider die Gewalt

Meines Schmerzens, Aufenthalt.


Eben so heißt es im andern Falle, er zieht aus dem Lande, er kömmt von dem Berge, von der See her, u.d.m.


Zusammensetzungen der Haupt- und Beywörter.


Die XX Regel:


20 §. Wenn man ein Maaß, oder eine gewisse Vergleichung ausdrücken will, so ist es ein besonderer Nachdruck der deutschen Sprache, ein Hauptwort mit einem dahinterstehenden Beyworte zu verbinden, und ein zusammengesetztes Beywort daraus zu machen.


Z.E. Hoch, oder weit, wie der Himmel;


Dein himmelhoher Sinn.


Opitz.


und anderswo:

Dein Sinn ist himmelweit.


Opitz.

so dick, als ein Daumen:

[486]

Darf auf der wüsten See nicht immer furchtsam schweben.

Von Winden umgeführet, da zwischen Tod und Leben

Ein daumendickes Brett.


Opitz.


Und im Vesuvius, so rund, als ein Zirkel:

Vollkommen zirkelrund, erleuchtet hell und klar.

So roth, als die Sonne, so rund, als der Himmel.

Diese sonnenrothen Wangen.

Und dein himmelrund Gesicht.


S. Dach.


So tief, als viele Klaftern; wie Kanitz schreibt:

Und wo wir jedes Pfund, das wir vom Himmel haben,

Zuweilen klaftertief in dürren Sand vergraben.

Oder so breit, als ein Fuß lang ist:
Hier ist kein fußbreit Land durch schlimmes Recht erworben.

Ebend.


Eben so saget man eisenhart, eiskalt, ellenlang, fasennackt, faustdick, federleicht, fingerlang, feuerheiß, handbreit, himmelhoch, klafterdick, meilenweit, pechschwarz, schneeweiß, stahlfest, steinhart, wolkenhoch, zentnerschwer, zirkelrund, u.d.m.


Die XXI Regel:


21 §. Beywörter, die einen Überfluß oder Mangel andeuten, werden gleichfalls mit Hauptwörtern, die sich dazu schicken, sehr bequem vereiniget, und zusammen gezogen.


Z.E. Reich an Geist 5, an Gnade, an Sinn, Freude, Kunst, Liebe, und Trost; heißt gnadenreich,sinnreich, geistreich, liebreich, trostreich, kunstreich, freudenreich;[487] voll von Andacht, Kummer, Sorgen, Demuth, heißtandachtvoll, kummervoll, sorgenvoll, oder wie Kanitz singt:


Daß bald mein demuthsvoller Kuß

Den bösen Daum mag wieder heilen.


So saget man auch geistarm, witzarm, gedankenarm, grundlos, bodenlos, sinnlos, trostlos, herrenlos, sinnenleer, kummerfrey, sorgenfrey, u.d.gl.


Die XXII Regel:


22 §. Doch ist es nicht gut, wenn man in dieser Zusammensetzung zu weit geht, und sie entweder zu oft, oder mit gar zu langen Wörtern vornimmt.


Denn da dieses einige Dichter des vorigen Jahrhunderts thaten, so verwarf es der kluge Kanitz, dessen Geschmack so fein war, in seiner Satire von der Poesie:


Ein flammenschwangrer Dampf beschwärzt das Lustrevier,

Der stralbeschwänzte Blitz bricht überall herfür.


Auch steht es nicht frey, die einmal eingeführten Zusätze zu verwechseln; z.Z. wenn man anstatt geistreich, trostreich, sinnreich, setzen wollte, geistvoll, trostvoll, sinnvoll; so klänge es widerlich, und noch seltsamer; wenn man anstatt sinnlos, trostlos, unmaaßgeblich: sinnleer, trostleer, [488] trostfrey, unzielsetzlich sagte 6, wie neulich ein Reichsstilist versuchet hat.


Die XXIII Regel:


23 §. Hauptwörter, die eine Art, Eigenschaft, Gleichheit, Zubehör; oder einen Theil eines Menschen, oder Thieres bedeuten, können mit dem Namen solcher Menschen, oder Thiere, in ein Wort zusammen treten.


Z.E. Der Sinn eines Weibes, heißt der Weibersinn:


Den Wankelmuth, den Neid, den Haß, die Weibersinnen:


So saget man, die Adlersflügel, eine Bärentatze, ein Elephantenrüssel, das Eselsohr, die Eulenbrut, ein Falkenauge, der Fuchsschwanz, die Hasenläufte, die Hundepfoten, die Heldenart, das Kinderspiel, ein Männerherz, eine Schweinschnauze, die Tygerklauen u.d.gl. Man sieht aber wohl, daß die Endung und Zahl des ersten Wortes nicht immer einerley ist. Denn bald ist es die erste Endung der einfachen Zahl, wie ein Hammelstoß, die Rehkeule, das Schweinfleisch; bald die zweyte, wie Adlersklauen, Eselsohr; bald die erste Endung der mehrern Zahl, wie ein Heldenherz, der Lerchengesang, u.d.gl. oder wie Kanitz saget:


Nach Papageyenart dem Lehrer nachgesprochen.


Die XXIV Regel:


24 §. Nach eben dieser Art, werden noch verschiedene andre Zusammensetzungen aus zweyen Hauptwörtern [489] gemachet, die sich schwerlich in eine Regel bringen lassen.


So findt man z.E. in Kanitzens Satire von der Freyheit folgende: das Ehgemahl, das Götterbrodt, das Hausgesind, ein Klagelied, ein Kriegesheer, der Leichenstein, die Sommerzeit, die Tagereisen, Verführungsschlangen 7; und in dem Gedichte von der Poesie: das Beichtgeld, das Bibergeil, der Blocksberg, die Dichtkunst, ein Erdenschwamm, die Feuerkluft, Gaukelpossen, die Grabschrift, Hasenpappeln, die Mondsucht, die Redensart, das Richteramt, die Sängerzunft, ein Schulregent, der Schülerstand, die Streitaxt, die Wetterglocke, und der Zeitvertreib. Andere solche Wörter kann man allenthalben unzählige antreffen: wer sie aber neu machen will, der muß sich genau nach dieser Wörter Art richten; oder die Sprachähnlichkeit, (d.i. die Analogie) beobachten. Und gleichwohl gerathen sie nicht einem jeden, auch nicht allemal.


Die XXV Regel:


25 §. Doch leidet unsere Sprache auch Zusammensetzungen der Hauptwörter mit Beywörtern, so daß diese voran gesetzet werden, und ihre Geschlechtsendung verlieren.


Z.E. Ältermutter, Altdorf, Altenburg, ein Edelknab, der Edelmann, der Edelmuth, die Großmuth, der Großvater, der Jachzorn, der Müßiggang, Wildenborn: wie Kanitz schreibt:


Der mich verwundet hat, vom Jachzorn angetrieben,

An dem wird das Gesetz auch seinen Eifer üben etc.


[490] Hier ist auch zu bemerken, daß man diese Art der Zusammensetzung nicht wohl nach eigenem Belieben wagen kann, selbst wenn es der Analogie gemäß wäre. Z.E. Weil ich sagen kann, der Edelmann, der Edelknab: so darf ich doch noch nicht sagen, das Edelweib, die Edeljungfer. Weil ich sage, der Hofmann, so darf ich noch nicht sagen: die Hoffrau. Die Gewohnheit im Reden, und das Lesen der besten Schriftsteller, ist hier die sicherste Lehrerinn.


Die XXVI Regel:


26 §. Auch Zeitwörter können mit den Hauptwörtern verbunden werden, wenn man sie ohne ihre Endsyllben vor die letztern setzet, und damit zusammen schmelzet.


Z.E. Ein Laufzettel, ein Schnürleib; wie Kanitz saget:


Wie jener seinen Wanst läßt in ein Schnürleib zwingen,

ein Schauspiel, eine Schutzwehre, wie eben derselbe singt:

Du stiller Blumenberg, du Schutzwehr meiner Lust.


So saget man auch von blenden, bitten, brummen, drohen, essen, fahren, reiten, schreiben, stechen, steigen, u.d.gl. ein Blendwerk, eine Bittschrift, ein Brummeisen, Drohworte, Eßwaren, ein Fahrzeug, ein Reitpferd, eine Schreibfeder, eine Stechbahn, ein Steigbügel, u.s.w. Die andern Arten der Zusammensetzung mit Nebenwörtern, Vorwörtern und Bindewörtern lernet man am besten aus dem Bücherlesen, und dem Umgange.


Von Beywörtern.


Die XXVII Regel:


27 §. Bey den Vergleichungsstaffeln der Beywörter müssen auf die zweyte Stuffe, als, oder denn; auf die dritte [491] aber, von, oder unter, mit ihren Endungen, oder auch nur die zweyte Endung schlechterdings, folgen.


So schreibt Kanitz:


So tröste dich damit, daß du, mein werther Gast,

Nicht weniger, als dort, hier zu befehlen hast.


In beyden Fällen hätte man auch denn setzen können. Z.E. Opitz sagt:

Ich bleibe wer ich bin;

Wenn ich zu Fuße geh, und Struma prächtig fähret,

Der zwar so viel nicht kann, doch aber mehr verzehret,

Denn einer, der nichts weis, als nur verständig seyn.


Von der dritten Staffel saget man: du schönste unter den Weibern. Imgleichen mit von, saget Opitz:

Die für die Liebste dann von allen ward erkannt,

Sprang zu ihm in die Glut, und ward mit ihm verbrannt.


Doch kann auch die zweyte Endung allein folgen; wie Kanitz lehret:

Dein Diener hatte dir, geschickte Römerinn,

Den besten Bräutigam des römschen Reichs versprochen 8.


Die XXVIII Regel:


28 §. Bey einer Vergleichung folget auch auf die erste Staffel, als: bey der zweyten aber folget auf je, desto; oder umgekehret.


Z.E. vom ersten schreibt Kanitz:


Wer ist der, der so leicht die herrlichsten Palläste,

Als Kartenhäuser, baut; der täglich auf das Beste,

Trotz seinem Fürsten, lebt? in dessen Zimmern blinkt,

Was kaum ein König hat, wo man den Tagus trinkt 9


[492] Bey dem andern brauchen zwar die Sprüchwörter, je länger, je lieber; je mehr, je besser; je länger hier, je später dort, u.d.m. zweymal das je. Allein, außer dem muß man sagen: je mehr man verthut, desto weniger behält man selbst; je fleißiger man studiret,desto gelehrter wird man. Oder so: du mußtdesto mehr auf deine Muttersprache halten; jemehr sie an Alter, Reichthum und Nachdruck andern Sprachen vorgeht.


Die XXIX Regel:


29 §. Nach den Zahlwörtern folgen die Wörter Mann und Fuß, auch wohl Schuh, in der einfachen Zahl; alle übrige aber in der mehrern.


Man spricht z.E. zehn Mann, zwanzig Mann; hundert Fuß, tausend Fuß, nicht Männer oder Füße. Dieses kömmt daher, daß die Alten die mehrere Zahl jenes Wortes mit einem e bildeten, und Manne sagten; dabey man denn das e nicht allemal deutlich hörte.


Z.E. im Heldenbuche steht:


Ihn hett die Königinne

Vor allen Mannen verschworen:

und hernach so:

Mich reut das nicht so sehre,

Als meine eilf Dienstmann.


Allein, es ist falsch, daß in andern Wörtern es auch so gienge, wie ein gewisser Sprachlehrer saget: denn man saget in der guten Mundart, zehn Meilen, zwanzig Ellen, hundert Pfunde, fünfzig Klaftern, sechszehn Lothe, fünf Zolle, u.d.gl. Nur schlechte Mundarten beißen hier die Endsyllben ab.


[493] Die XXX Regel:


30 §. Die Zahlwörter werden oft ganz allein, ohne ein Hauptwort gesetzet, welches aber darunter verstanden wird.


Z.E. Opitz schreibt:


Der mit dem Eide spielt', mit Sechsen prächtig führe,

Und, wenn er löge schon, bey seinem Adel schwüre.


So saget man, auf allen Vieren; wie eben der Poet singt:

Als wie ein junger Löw, im Fall er seine Knochen

Im Maule, seine Mähn auf beyden Schultern merkt,

Und alle Viere sieht mit Klauen ausgestärkt.


verstehe Füße. Was einer weis, das erfahren tausend. Er war ein Hauptmann über fünfzig: er kam nicht an die drey. Saul hat tausend geschlagen; David aber zehntausend.


Die XXXI Regel:


31 §. Die Eigenschaft einer Sache wird oft durch ein Beywort ausgedrücket, darauf ein von, oder an, mit seinem Hauptworte folget.


Z.E. mit Opitzen:


Der heiß von Worten ist, und frostig von Geblüte,

Den Löwen außen trägt, den Hasen im Gemüthe 10.


Eben so sagt man auch: ein Frauenzimmer von seltener Schönheit; man ist oft kränker am Gemüthe, als am Leibe. Oder wie Opitz saget:


Soll er der Meister seyn, du edeles Geblüte!

Er, der beschnitten ist, am Leib, und am Gemüthe,

An Art und Sinnen weich?


[494] Man saget auch, reich an Jammer und Noth, arm am Geiste, an Zucht und Tugend groß: reich an Wissenschaft und Erfahrung, u.d.m.

Fußnoten

1 Es ist eine bloße Nachäffung der Franzosen, wenn einige neuere Schreiber bey uns auf diese Neuerungssucht gefallen sind, die auch LE BEAU, LE TENDRE, LE FIN, LE DELICIEUX, LE GRAND, und LE FORT zu brauchen angefangen haben. Daher kömmt denn das Feine, das Zarte, dasSchalkhafte, das Starke, das Edle, u.d.gl. Brocken der Witzlinge mehr, die wir gar wohl entbehren können. Man will mir einwenden, das Schöne sey etwas anders, als die Schönheit; das Große eines Dinges etwas anders, als die Größe desselben, u.s.w. Gewiß, eine neue Metaphysik der Witzlinge! Z.E. Das Schöne an ihrer Schönheit sind die großen Augen. Hat diese Schönheit sonst nichts Schönes, so sieht es schlecht um sie aus. Aber warum brauchet es doch ein Schönes der Schönheit? Wäre es nicht genug zu sagen: Ihre vornehmste Schönheit sind ihre großen Augen? Der Braunschweiger Suer, für Essig, ist gewiß keine Abstraction; und dasSüße, das durch den Wein herschmecket, ist Zucker; würde viel besser gesaget: die Süßigkeit dieses Weins ist lauter Zucker.

2 Damit billiget man aber die neuerliche Redensart keinesweges, es ist ein Mann von Stande, von Vermögen. Denn das giebt noch keinen deutlichen Sinn: man muß hinzu setzen, von was für Stande, oder Vermögen er ist; z.E. von gutem, vornehmen Stande, von großem, geringem Vermögen. Der Franzosen ihre Gewohnheit, womit man sich schützen will, geht uns nichts an, und würde bey uns sowohl ein SOLCECISMUS seyn, als wenn man bey ihnen etwas Deutsches nachäffete. Wer dunkel reden will, der darf lieber gar schweigen, wie Phavorin beym Gellius saget: NONNE, HOMO INEPTE, UT QUOD VIS, ABUNDE CONSEQUARE, MELIUS TACERES?

3 Man meynet hier, in Niedersachsen spräche manrichtiger; Mittewochen früh. Aber wo kömmt das en her, da die Woche, als ein Wort weiblichen Geschlechtes, in der einzelnen Zahl unveränderlich seyn muß? Das ist eine schlechte Richtigkeit!

4 Man meynet hier, es müsse heißen, nach Haus: Weil nicht eine Ruhe, sondern eine Bewegung angedeutet wird. Allein, nach, als ein Vorwort der Zeit, nimmt niemals die vierte Endung: und also könnte es sie auch hier nicht haben, dafern es nicht etwa als ein Vorwort des Ortes, eine andere Fügung bekömmt. Gleichwohl saget kein Mensch, er geht nach Hof, sondern nach Hofe. Hiernach kömmt der, so nach Hause kömmt, auch zur Ruhe. Es heißt gleichsam: nach dem Hause zu.

5 Man will, ich sollte hier schreiben, an Geiste, an Sinne. Wenn dem also wäre, so müßte es heißen, am Sinne und am Gemüthe. So hätte auch Opitz vorhin im 18 §. sagen müssen, am Geiste, und am Gemüthe. Es ist also eine besondere Art unserer Sprache, das an so zu brauchen. Z.E. er ist reich an Geld und Gut, nicht Gelde und Gute; an Haus und Hof, nicht am Hause und Hofe. Es ist nur eine opitzische Freyheit, des Reimes wegen, daß er dem Gemüthe das e zugesetzet hat.

6 Was uns die zürcherische Schule bisher für eine Brut solcher unerhörten und ungeschickten Wörter ausgehecket, zumal in den neuen wurmsamischen Versen der biblischen Epopöen, das liegt am Tage. Allein, es wird ihnen sonder Zweifel gehen, wie den pegnitzschäferischen Geburten des vorigen Jahrhunderts, die itzo nur zum Lachen dienen: oder auch wieBessern in dem Verse:

Der sonnengierige Benister hoher Hügel. u.d.m.

Dem kein Mensch nachgeahmet hat.

7 Dieß Wort steht in den alten Ausgaben der kanitzischen Nebenstunden, die noch unverstümmelt waren; dafür aber König ein Paar elende Flickwörter eingeschaltet: noch solche Schlangen. Er wollte klüger seyn; hatte aber weder soviel Witz, noch Geschmack und Stärke im Deutschen, als Kanitz.

8 Ich weis, daß einige wohl das aus bey der höchsten Vergl. Staffel zu brauchen pflegen: als, der besteaus den dreyen; der stärkste aus den Helden. Allein, das ist ein bloßer LATINISMUS, EX ILLIS; und niemand wird so reden, der kein Latein kann. Es ist also im Deutschen ein Barbarismus.

9 Auch diese Stelle hat König in seiner kanitzischen Ausgabe verhunzet; da sie doch überaus poetisch ist: seine vermeynte Verbesserung aber ist matt, und noch dazu mit einem Sprachschnitzer verbrämet.

10 Man merke hier, daß einige Neulinge diese Redensart zu weit ausgedehnet haben, wenn sie nach Art der Franzosen sagen: Ein Mann von Stande, ein Mensch von Verstande, von Vermögen, u.d.gl. Da kann man nun aus den unbestimmten Worten unmöglich sehen, ob der Mann von gutem, oder schlechtem Stande, von großem oder kleinem Verstande und Vermögen ist. So redet aber der Deutsche nicht, wenn er verstanden werden will. Es ist eben so, wie manche schreiben: ein geschätzter Freund, ein würdi ger Mann; da man ebenfalls nicht weis, ob sie ihren Freund hoch oder geringe schätzen? ob ihr Mann, Lobes oder Tadels würdig ist. Heißt das nicht wider alle Vernunft Affen der Franzosen werden? und zwar nur der neueren, die solche unzulängliche Redensarten ausgehecket haben. Es ist ganz ein anders, wenn ich sage, der Mann hat Verstand, Geld, oder Vermögen: denn das zeiget allemal einen merklichen Grad von dem allen an. So redet auch ein Deutscher, der kein Französisch kann.

Das III Hauptstück
Das III Hauptstück.
Von der Fügung der Fürwörter.
(Syntaxis Pronominum.)

1 §. I Regel:


Die Fürwörter stehen mit ihrem Hauptworte in einerley Geschlechte, Zahl und Endung; gehen auch allezeit vor ihm her.


Z.E. Opitz schreibt:


Wir sind durch deinen Grimm Koth, Wust und Unflath worden,

Vor dieser ganzen Welt.

oder Kanitz:

Ich sehe meinen Leib, wie ein Gewand, verschleißen.


So saget man auch mit Opitzen:

In Gott ruht meine Seel allein,

Und hüllt sich in sich selber ein.


Hierwider sündigen die, welche von einem Könige, oder Kaiser sagen, Ihro königl. oder kaiserl. Majestät: da es heißen sollte, Seine königl. oder kaiserl. Majestät. Noch lächerlicher ist es, von einer Prinzessinn zu sagen: Seine königliche Hoheit etc. Imgleichen reden einige falsch, wenn sie sagen: bey einer Haare: da doch Haar, des ungewissen Geschlechtes ist; und es also heißen muß, bey einem Haare.


[496] Die II Regel:


2 §. Die beziehenden Fürwörter welcher und der, nehmen zwar das Geschlecht und die Zahl des vorhergehenden Hauptwortes an; stehen aber dabey in der Endung, die das folgende Zeitwort fodert.


Z.E. Opitz saget:


Hast also, da man dich für Jüngling noch geschätzt,

Den grünen Lorberkranz auf deinen Kopf gesetzt,

Der itzo Kronen trägt.


Denn dieses der, gehöret zwar dem Geschlechte und der Zahl nach, zu Kopf; steht aber nicht, wie dieser, in der vierten, sondern in der ersten Endung: weil tragen dieselbe erfoderte. Imgleichen eben derselbe:


Das wolle der ja nicht,

Den dieser Hund verhöhnt! Der, welchem Muth gebricht,

Dem Hand und Herze sinkt, mag nur von dannen reisen!

Ihr, denen Ehre lieb, kommt! lasset uns erweisen etc.


Und noch eins auf den Schlag, aus diesem Dichter:

Was kann ein solcher Herr für kluge Sinnen haben,

Dem allzeit die Vernunft im Bächer liegt begraben,

Und auf dem Glase schwimmt?


3 §. Da diese beziehenden Fürwörter sich oft auch auf ganze vorhergehende Reden, oder Aussprüche, und Erzählungen beziehen können; und darneben in der ersten und vierten Endung der mehrern Zahl gleich sind: so folget


Die III Regel:

Man muß sich vorsehen, daß keine Verwirrung und Undeutlichkeit dadurch in einer Rede entstehe.

Dieses kann um desto leichter geschehen, da unsere Sprache auch gewisse Versetzungen leidet; so daß die erste Endung [497] nicht allemal voran geht. Z.E. ein gewisser alter Schriftsteller schreibt so:


»Eine Anzahl venetianisches Volkes hat in die Grafschaft Mitterburg einen Einfall gethan, welche die Erzherzogischen angetroffen, und dreyhundert erlegt etc.«


Hier ist nun gar nicht zu sehen, worauf sich daswelche bezieht, ob auf die Venetianer; oder auf die Grafschaft Mitterburg: ob die Venetianer die Erzherzoglichen erleget haben, oder von diesen erleget worden? Imgleichen eben derselbe schreibt:


»Den 8 May sind 16 treffliche Schiffe, von Dünkirchen ausgefahren, welche der Stadener Kriegsschiffe verfolget.«


Haben hier die ersten die letzten, oder diese die ersten verfolget? Solche Fehler kommen auch bey Neuern häufig vor.


Die IV Regel:


4 §. Weil das zurückkehrende Fürwort, sowohl in der dritten, als vierten Endung sich hat, (P. 278): so muß man es nicht brauchen, wenn die Handlung auf etwas anders geht; aber auch nicht ihm und ihr, ihn und sie brauchen, wenn die Handlung zurück auf den wirkenden geht.


Z.E. einige Landschaften reden so: Er hat ihm vorgenommen; er hat ihm eine Lust gemachet; wo es heißen sollte: Er hat sich vorgenommen, er hatsich eine Lust gemachet. Selbst Opitz fehlet, seiner Landesart nach, bisweilen darinn: doch schreibt er auch öfters recht: z.E.


Er habe darum sich an Leuten stark gemacht.

Daß ihrer mehr durch uns auch würden umgebracht.

nicht ihn. Den Unterscheid davon kann man in folgendem Verse von ihm sehen:

[498]

Wer nichts für Leut' und Land,

Als Wein vergossen hat, der macht sich zwar bekannt,

Doch nicht durch Tapferkeit; muß bösen Menschen trauen,

Die ihn, und sich und mich oft zu verkaufen schauen.


Die V Regel:


5 §. Das Fürwort selbst, selber, oder selbsten, giebt einer Rede oft einen besondern Nachdruck, oder doch viel Deutlichkeit: wenn es nur auf gehörige Art zu einem andern Fürworte gesetzet wird.


Z.E. Opitz:


Soll ich dann auch beschreiben,

Wie du den Rest der Zeit zuweilen willst vertreiben,

Und dich dir selber giebst?


Imgleichen Pietsch wiederholet in einem Gedichte, dieses selbst, mit vielem Nachdrucke:

Er selbst, er selbst war groß!


wo dergestalt eine wahre Größe, der erborgten desto mehr entgegen gesetzet wird. Noch eins von Opitzen:


im Felde nimmt das Hetzen

Dir deine Sorgen hin – – Doch kennst du Maaße hier;

Denn wer nichts anders weis, wird endlich selbst ein Thier,

Und lernet grausam seyn.


Die VI Regel:


6 §. Das Fürwort selbst pflegt auch gewissen andern Fürwörtern, mit Weglassung des st, vorgesetzet zu werden;


als selbander, selbdritte, selbvierte, selbständig, u.d.gl. als z.E. Wir giengen selbander dahin. Er kam selbdritte zu mir; das ist, er selbst war der dritte. Es wird also nur [499] dem Wohlklange zu gefallen, das st, oder er, von selbst, oder selber ausgelassen. Aber das ist nicht zu billigen: wenn Opitz einmal von Deutschland schreibt:


ward, und ist auch noch heute

Sein Widerpart selbselbst, und fremder Völker Beute.


Denn eine solche Verdoppelung hat keinen Sinn oder Nachdruck. Viele brauchen auch das selbst, ohne ein anderes Fürwort dabey zu nennen: als, ich thue es von selbst, sie kamen von selbst, oder vonselbsten. Allein, ganz unrecht. Es sollte allemalmir, oder sich dabey stehen: z.E. Ich thue es von mir selbst; er thut es, oder sie thun es von sich selbst: NB. nicht von ihnen selbst, nach der IV Regel. Man will mir ein Sprüchwort ausnehmen: Selbst ist der Mann! Allein, das kennt und versteht kein Hochdeutscher.


Die VII Regel:


7 §. Was im Lateinischen die Syllbe MET bey den Fürwörtern ist, das drücket im Deutschen, nächst dem selbst, oft das Wörtchen eben aus: wiewohl es beynahe noch einen größern Nachdruck hat.


Z.E. So schreibt Kanitz in der Satire von der Poesie:


Halt ein, verführter Sinn!

Drum eben straf ich dich, weil ich besorget bin,

Es möchte, was itzund noch leicht ist zu verwehren,

Sich endlich unvermerkt in die Natur verkehren.

Und Opitz in seinem Trostgedichte, führet die Holländer so redend ein:

So weit der Himmel reicht, und da die Wolken treiben,

Ist eben wo man wohnt, ist, wo wir können bleiben.


Imgleichen spricht man: das ist es eben! wir eben sind die unglücklichsten; eben ihr habet Schuld daran! u.d.m.


[500] Die VIII Regel:


8 §. Das Fürwort ich, wird bisweilen zu einem Hauptworte, und zwar nicht nur in der ersten Endung, sondern auch wohl in seinen übrigen Endungen und Ableitungen.


Z.E. Opitz:


Mein halbes Ich und ganzer Sinn,

Sammt dem ich in Gesellschaft bin.

So saget man auch, mein ander Ich, mein ganzesIch! imgleichen schreibt Opitz:

Die erste Welt, die hat das Feld nicht können bauen,

Den Weinstock nicht gekannt, kein Gold gewußt zu hauen.

Kein Schiff zur See gebracht, gehabt kein Mir und Dir etc. 1.


Wiewohl man dafür itzo lieber das Mein undDein zu sagen pflegt. Eben so brauchet man auch, der, die, das Meine, oder Deine. Mit dem Du ist es ein anders; denn dieses wird nicht mehr zum Hauptworte gebrauchet. Die Wörter Ichheit undSelbstheit sind zwar von den Mystikern gemachet; aber auch bald lächerlich geworden. Die Einheit ist nur bey den Weltweisen gebräuchlich.


[501] Die IX Regel:


9 §. Bey fragenden Fürwörtern des ungewissen Geschlechts, wird das Wörtchen für, ohne Unterschied des Geschlechtes und der Endungen angehenket, und das vertritt die Stelle des altväterischen Waser.


Z.E. Aus waser Macht thust du das? soll heißen; aus was für einer Macht thust du das. Was ist das für ein Mann, dem Wind und Meer gehorsam ist? Oder wie Opitz schreibt:


Mit was für herber Art, o Herr! sie dieses schmähen.


So saget man auch: zu was für einem Zwecke, inwas für Absicht thut ihr das? Von was für Leuten kömmst du her? Aus was für einem Lande bist du? Oder wie Kanitz schreibt:


Was ist es für ein Thier, du Held von hohen Gaben,

Das wir gemeiniglich am allerliebsten haben?


Von vielen wird hier ganz fälschlich das Vorwort vor gebrauchet; wie auch andere, nach altväterischer Art, beydes auslassen. Z.E. wie Opitz schreibt:


Was Schein, was Änderung doch würde diese Zeit

Ihm zeigen, gegen der, die erst war weit und breit?

Denn so redet und schreibt man nicht mehr zierlich.

Die X Regel:


10 §. Das Fürwort So, welches die Stelle von Welches, oder der, die, das vertritt, wenn sie beziehende Fürwörter sind, ist in allen Geschlechtern und Zahlen unabänderlich.


Z.E. so saget Opitz:


Nun bin ich auch bedacht

Zu sehen, ob ich mich kann aus dem Staube schwingen,

Und von der großen Zahl des armen Volkes dringen,

So an der Erden klebt.

[502] Hier hätte nämlich, auch das, oder welches stehen können. Und abermal:

Wer aber will doch sagen

Der Städte schwere Noth, den Jammer, Weh und Klagen,

So männiglich geführt?


Hier ist das so die vierte Endung. Doch thut man besser, wenn man dieses Wort nicht gar zu häufig, und entweder nur beym ungewissen Geschlechte, oder nach etlichen Wörtern von verschiedenen Geschlechtern brauchet. Denn weil das so, auch in andern Bedeutungen, sehr häufig vorzukommen pflegt: so könnte sonst sehr leicht eine Verwirrung, oder ein Übelklang daraus entstehen.


Die XI Regel:


11 §. Das Fürwort jedermann, pflegte von den Alten auch mit dem iglich verlängert, und dann von vorne wieder durch Auslassung des Jeder verkürzet zu werden.


Jedermänniglich, oder, wie im vorigen §. männiglich. Allein, dieses gehöret heute zu Tage zu dem Altfränkischen, welches in der guten Schreibart nicht mehr statt hat: obwohl sich die Kanzellisten noch damit herumtummeln: z.E. Kund und zu wissen sey männiglich etc. wie männiglich bekannt. Man thut besser, wenn man lieber jeder mann, ein jeder, oder alle dafür brauchet. So hätte Opitz eben sagen können:


So jedermann geführt.


Die XII Regel:


12 §. Die Fürwörter, der, die, das, dieser, derselbe, u.d.gl. können bisweilen auch ohne Abbruch des Sinnes, in einer Rede ausgelassen werden.


[503] Z.E. so schreibt Rachel:


Wer zu dem Reichthum eilt, muß anders was ersehen,

Als Versemacherkunst. Wer plötzlich reich will seyn,

Der lös' um wenig Geld gestohlne Waaren ein;

Der trage Zungen feil, bediene faule Sachen etc.


Hier sieht man sowohl in der ersten Zeile ein ausgelassenes der, als in den folgenden, ein ausdrückliches; beydes ohne Fehler. Und wie Kanitz sagt:


Wer es nun besser weis, kann kaum das Lachen zwingen.

Anstatt, der, kann; imgleichen:

Ein hoher Sinn, der nur nach seinem Ursprung schmeckt,

Und sich nicht in den Schlamm der Eitelkeit versteckt,

Kann, was der Pöbel sucht, mit leichter Müh vergessen.

für, der kann.

Die XIII Regel:


13 §. Wann in einer Rede zweyerley Personen, oder Sachen, unterschieden werden: so bezeichnet man im folgenden, die erste Classe mit jener, die letzte aber durch diese;


Z.E. Kanitz:


Ach Gott! so quälen mich zum öftern die Gedanken;

Noch mehr verwirret mich der Schriftgelehrten Streit:

Wenn sie sich nach der Kunst um deine Worte zanken,

Wenn dieser Gnade bringt, und jener Sterben dräut.


Doch pflegt man dergleichen Abtheilungen auch mit den Fürwörtern der eine, der andere, oder ein anderer, zu machen; wie gleichfalls Kanitz schreibt:


Der eine wiederholt aus den gedruckten Lügen etc.

Ein andrer, dem das Glück nicht will nach Wunsche lachen etc.


[504] Sind aber drey Abtheilungen nöthig: so setzet man zwischen dieser und jener, noch das der; nämlich so: dieser, der, jener; oder umgekehret.

14 §. Es ließen sich noch verschiedene kleinere Anmerkungen von dem Gebrauche der Fürwörter machen; die auch zum Theile von unsern alten Sprachlehrern schon gemachet worden. Allein, theils gehören sie auch mit zu andern Capiteln dieser Wortfügung; theils würden sie für einen Grundriß der Sprachkunst, und für Anfänger, zu subtil seyn; theils aber kann man sie aus dem fleißigen Lesen guter deutscher Bücher viel leichter, als aus Regeln, ja gleichsam spielend lernen: weswegen man sie billig auch hier übergehen kann.

Fußnoten

1 Ein gelehrter Freund in Schlesien hat mir bey Gelegenheit dieser opitzischen Zeilen, den Einwurf gemachet, daß man wegen der poetischen Freyheiten, die sich Opitz hier, und sonst zuweilen genommen, lieber keine poetische Exempel hätte geben sollen: weil sich Anfänger nur daran stießen. Er beurtheilet darauf diese Stelle des Vaters unserer neuern Dichtkunst, aufs schärfeste; ungeachtet man seinen Zeiten sonst viel zu gute zu halten pflegt. Ich kann ihm in beyden nicht unrecht geben. Indessen habe ich mich, was das erste betrifft, bemühet, solche ungezwungene Exempel der Poeten zu wählen, die so rein waren, als die Prose. Was aber das letzte betrifft, so ist freylich diese opitzische Stelle die reinste nicht. Der wiederholte Artikel die in der 1 Z. das gewußt auf der unrechten Stelle, in der 2 Z. das gehabt voran gesetzet, in der 3 Z. und endlich noch das Mir undDir wegen des Reimes, sind freylich nicht schön. Allein, wer sieht das nicht? und wer wird wohl glauben, daß ich das billige? Haben aber nicht auch heutige Poeten, in ihren so genannten gedrungenen, oder vielmehr vollgestopften Versen, wohl noch ärgere Schnitzer gemachet?

Das IV Hauptstück
Das IV Hauptstück.
Von Fügung der Zeitwörter.
(Syntaxis Verborum.)

I. Das Zeitwort mit der ersten Endung.


1 §. I Regel:


Jedes persönliche Zeitwort, erfodert vor sich ein Hauptwort oder Fürwort der ersten Endung, in gleicher Person und Zahl; ausgenommen, wenn es in der unbestimmten, oder auch in der gebiethenden Art steht.


Z.E. Pietsch schreibt an den Prinzen Eugen:


Mein Blut, mein Vaterland sind kalt:

Doch deine rührende Gewalt

Erhitzet mich mit starken Trieben.

Dein hoher Arm hat mich erhöht;

Denn vor der Nachwelt Augen steht,

Was deine Faust gethan, was meine Hand geschrieben.

Denn hier hat bey Blut, Vaterland, Gewalt, Arm, Faust, und Hand, überall die Frage, wer? statt.

Die II Regel:


2 §. In der ausdrücklichen Frage, wer? steht zwar das Hauptwort, oder Fürwort auch in der ersten Endung; aber allererst nach dem Zeitworte.


Z.E. Wer ist der Herr, dessen Stimme ich gehorchen soll? Wie ist er denn sein Sohn? Nur ist hier zu bemerken, [506] daß die Hülfswörter, die sonst bey ihrem Zeitworte zu stehen pflegen, im Fragen oft von demselben getrennet, und die Haupt- oder Fürwörter zwischen beyde eingeschaltet werden. Z.E. Wo soll ich hingehen, vor deinem Geiste? Wo soll ich hinfliehen, vor deinem Angesichte? Oder wie Kanitz singt:


Soll mich die Hand des Herren ewig drücken:

Verfolgt er mich als seinen Feind?

Ist die Frage aber nur beyläufig, so fällt das weg: Z.E. Wer dieser Herr sey, weis ich nicht.

Die III Regel:


3 §. Wann in einer bedingten Rede das dafern, wenn, wofern ausgelassen wird: so kömmt ebenfalls das Zeitwort vor dem Haupt- oder Fürworte zu stehen.


Z.E. Schläft er, so wirds besser mit ihm: d.i. daferner schläft, oder wenn er schläft. Oder wie Kanitz singt:


Ist an des Sünders Heil, dir, Herr, so viel gelegen?

Sagt solches mir dein Mund und Eidschwur selber zu?


Eben dergleichen geschieht auch in einer Bitte, die mit einer Art von Höflichkeit gethan wird. Als: geruhen Eure Majestät nur zu befehlen etc. belieben Sie mir doch das zu geben; thun sie mir das zu gefallen; erlauben sie mir etc. oder, wie abermal Kanitz singt:


Doch wollest du dabey mir solchen Glauben geben,

Der mein Verdienst für nichts, und dich für alles hält.


Doch könnte man auch ohne Fehler sagen: E. Maj. geruhen nur zu befehlen; Sie belieben mir doch das zu geben: sie erlauben mir etc. geruhen sie doch etc. etc.


[507] Die IV Regel:


4. §. Auch in der gebiethenden Weise pflegt man zuweilen, mehrerer Deutlichkeit wegen, die Personen, denen man befiehlt, durch das Fürwort zu nennen; und auch hier hat alsdann die erste Endung desselben statt:


Als, Geh du dahin; Tritt du hieher; Nehmet ihr dieses; Gebet ihr das her; Zahlet ihr euer Geld. Thun sie mir die Liebe etc. hören sie mir zu, u.d.gl. So singt z.E.B. Neukirch:


Rasen meine stolzen Feinde,

Großer Gott, so segne du.

Und Kanitz ebenfalls:

Wirke du in meine Sinnen.

Wohne mir im Schatten bey etc.

Auch in der mehrern Zahl setzet eben derselbe:

Geht, ihr meine müden Glieder etc.

Wiewohl es fast scheint, daß dieß durchgehends die fünfte Endung seyn könnte.

Die V Regel:


5 §. Auf die Hülfswörter seyn, werden, und bleiben, folget außer der vorhergehenden ersten Endung des Nennwortes, oder Fürwortes, auch hinterher dergleichen.


Z.E. Du bist ein Tigerthier! er ist ein Herkules: dieser Fürst war ein Titus seiner Zeit:du wirst ein Krösus, ein Salomo deines Volkes: er wird König, er wird Feldherr, Oberster, Amtmann, Schreiber etc. Imgleichen: Ich bleibe dein Freund und Diener; er blieb sein Patron, Gönner, u.d.gl. So schrieb Neukirch:


Dein Wachen, treuer Hirt, ist dir ein süßes Schlafen,

Dein Schlaf (ist) ein steter Traum, von so viel tausend Schafen,

Die dir vertrauet sind.

[508] Und Kanitz brauchet das wird so:

So wirst du ein Poet, wie sehr du es verneinest etc.

Auch Opitz schreibt so:

– – – Du würdest König seyn,

Und wäre nichts um dich, als dein Verdienst allein.

imgleichen von der Tugend:

Sie ist wohl ausgeübt, sich hoch empor zu schwingen,

Mit Flügeln der Vernunft, von diesen schwachen Dingen;

Ist über alle Macht, wird keines Menschen Magd.


Die VI Regel:

6 §. Das Zeitwort heißen, fodert vor und hinter sich die erste Endung des Nennwortes.
Z.E. Er heißt Wunderbar, Rath, Kraft, Held, ewig Vater, Friedefürst. So schreibt Opitz:

Dich, Held, hat eingenommen
Ein Ehrgeiz, hinter das mit ganzer Macht zu kommen,
Was Weisheit heißt und ist.
Und Neukirch in der Ode auf Friederichen den I.
Nun er Preußens König heißt etc.

Man muß nur die Fälle davon ausnehmen, wenn heißen so viel, als gebiethen, oder nennen bedeutet; denn bey dem ersten fodert es die vierte, beym zweyten aber die fünfte Endung. Z.E. Ihr heißet mich Meister und Herr. So schreibt Kanitz:


Da mich mein Bauer kaum, gestrenger Junker! heißt.


[509] 2. Das Zeitwort mit der zweyten Endung.

Die I Regel:

7 §. Auf die Frage, Wessen? gehört die zweyte Endung des Hauptwortes zur Antwort 1.

Z.E. Wes, oder Wessen ist das Bild und die Überschrift? Antw. des Kaisers. So saget man: sie ist eines Sohnes, einer Tochter genesen. Er weigert sich dessen; ich habe mich dessen besonnen. Erbesinnet sich eines andern, eines bessern. Man muß ihn eines bessern belehren; sich eines Dinges erwehren; erfreue dich dessen, u.s.w. Er hat sich dessen zu bescheiden. Er ist des Todes, eines plötzlichen Todes verblichen; er ist Todes verfahren. Man würdiget ihn dessen nicht; sie achtet ihn keines Anblickes werth. Doch langet diese Regel nicht überall zu, und wir müssen ihrer noch mehrere geben.


Die II Regel:


8 §. Wenn das Hülfswort bin oder seyn eine Meynung, Zuneigung oder Abneigung bedeutet, so fodert es die zweyte Endung.


Z.E. Ich bin der Meynung, des Sinnes, des Glaubens; er ist Willens, (NB. nicht in Willens, vielweniger, er hats in Willens) des Vorhabens, des Vorsatzes; sie sind des Dinges satt, der Arbeit müde; ich bin des Lebens, des Laufens und Bettelns müde. Es ist meines Thuns, meines Amtes, meines Wesens nicht. Imgleichen pflegten die Alten wohl zu sagen: er ist des Erbiethens, der Hoffnung, des nachbarlichen Versehens; [510] er ist treffliches Adels; sie ist großer Schönheit und scharfes Verstandes: wo man heute zu Tage theils ganz anders spricht, theils die sechste Endung mitvon brauchet.


Die III Regel:


9 §. Wann das Wort leben, in der Verbindung, ein Vertrauen, eine Hoffnung oder Zuversicht bedeutet, so hat es auch die zweyte Endung nach sich.


Z.E. Ich lebe der gewissen Hoffnung, ich lebe des ungezweifelten Vertrauens, der vollkommenen Zuversicht. Außer diesen Fällen nimmt es, wie die meisten thätigen Zeitwörter, die vierte Endung zu sich. Z.E. ich lebe einen Monath, ein Jahr, er lebet hundert Jahre.

Die IV Regel:

10 §. Die Zeitwörter wahrnehmen, warten und pflegen, fodern gleichfalls die zweyte Endung.

Z.E. Er nimmt seines Alters wahr, er wartet seines Feldes, oder Gartens; ausgenommen, wenn jenes einen erblicken oder sehen heißt 2. Er pfleget seiner Kinder; er hub ihn auf sein Thier, brachte ihn in seine Herberge, und pflegete sein, d.i. seiner. Vor Alters pflegten auch harren und kennen so gebrauchet zu werden: wie in der Bibel steht: täglich harre ichdein; und ich kenne des Menschen nicht. Allein, die Fügungsart ist in neuern Zeiten ganz abgekommen. Man spricht: ich harre auf ihn; ich kenne ihn.


[511] Die V Regel:


11 §. Die Zeitwörter lachen, sich rühmen, sich schämen und spotten, nehmen auch die zweyte Endung des Hauptwortes zu sich.


Z.E. Ich lache der Thorheit, des Stolzes, der Einfalt, des Kummers, u.s.w. imgleichen über einen lachen. Ich spotte der Blindheit, der Grillen, des Hoflebens, der Städte u.d.gl. Ich schäme mich der That, der Lebensart, der Arbeit. Ich rühme mich der Unschuld, der Freyheit, des guten Willens, der Ehrlichkeit u.s.w. Wenn aber rühmen schlechtweg steht: so hat es die vierte Endung, wie loben, preisen u.a.m.


Die VI Regel:


12 §. Sich annehmen, bemächtigen, bemeistern, entschlagen, unterfangen und unterwinden, fodern auch noch die zweyte Endung nach sich.


So saget man: er nahm sich der Armen, der Witwen und Weysen an, u.d.gl. Er unterfieng sich einer großen Sache; ich unterwinde mich einer schweren That, eines unerhörten Dinges. Der Feind bemächtigte sich der Stadt, er bemeisterte sich des Landes, des ganzen Rheinstromes 3. Ich entschlage mich dessen; er entschlug sich aller Sorgen, und alles Kummers, u.d.m.


Die VII Regel:


13 §. Zeitwörter, die eine freywillige Beraubung oder Äußerung eines Gutes bedeuten, nehmen auch die zweyte Endung zu sich.


Z.E. Sich einer Sache verzeihen. Ich kann dessen entbehren; sich eines Dinges begeben. Ich entschlage mich [512] dessen; ich entäußere mich der Sache; ich entohnige mich aller Vortheile; sie berauben sich dieses Gutes. Entledige dich deiner Schulden. Enthalte dich dessen. Begib dich nur der Sache. Doch sind auch einige ausgenommen: als sich etwas entziehen, etwas los schlagen, abtreten, weggeben, austheilen, u.d.m. welche die vierte Endung haben.


Die VIII Regel:


14 §. Die Zeitwörter, sich bedienen, bedürfen, gebrauchen, genießen, und nöthig haben, nehmen gleichfalls die zweyte Endung zu sich.


Z.E. Er gebrauchet sich seiner bey wichtigen Geschäfften; sich seiner Hände oder Füße gebrauchen oder bedienen. (NB. brauchen aber nimmt die vierte Endung.) Ferner: Er genießt seines Vermögens, seiner Tage, seines Lebens, in Ruhe. Imgleichen, er bedarf vieler Dinge; ich bedarf deiner Hülfe; deines Rathes und Beystandes. Endlich, ich habe seiner Zucht, seiner Treue und Liebe von nöthen. Doch ist es nicht zu läugnen, daß diese drey letzten Wörter, auch schon häufig mit der vierten Endung gebrauchet werden.


Die IX Regel:


15 §. Die Zeitwörter denken, sich erinnern und vergessen, imgleichen sich verwundern, und erbarmen, nehmen auch die zweyte Endung.


Z.E. Ich erinnere mich dessen, ich denke der vorigen Zeiten: kann auch ein Weib ihres Kindesvergessen. Seine Ältern verwunderten sich dessen, das von ihm gesaget ward. Vater Abraham,erbarme dich meiner! Indessen pflegen freylich auch viele zu sagen; ich erinnere mich das 4, ich vergesse das, ich denke daran; desgleichen, ich verwundere und erbarme mich darüber, oder über etwas.


[513] Die X Regel:


16 §. Die Wörter anklagen, beschuldigen, überführen, überzeugen, zeihen, fodern endlich auch die zweyte Endung.


Z.E. Man beschuldiget ihn des Diebstahls: man klaget ihn des Ehebruches an. Welcher unter euch kann mich einer Sünde zeihen? Eineneiner Frevelthat überzeugen; eines Verbrechens überführen. Gleichwohl pflegt man die beyden letztern, auch in der sechsten Endung, mitvon zu brauchen; von etwas überzeugen, überführen: welches auch nicht zu verwerfen ist. Am besten ist es, wenn ich von den bisherigen Zeitwörtern ein Verzeichniß hersetze.


Verzeichniß der Zeitwörter, die die zweyte Endung fodern.


A.


Anklagen. Man klaget ihn des Hochverraths, des Vatermordes an. Er wird des Kirchenraubes angeklaget.

Annehmen. Sie nehmen sich meiner an. Er nimmt sich der Armen, der gemeinen Nothdurft an.

Äußern. Er äußerte sich seines Standes und Ansehens, d.i. er begab sich dessen.


B.


Bedienen. Ich bediene mich eines Schreibers; er bedienet sich meiner Hülfe.

Bedürfen. Er bedarf meiner nicht. Der Herr bedarf ihrer etc.

Begeben. Er begiebt sich dieses Vorzuges. Wir begeben uns dieser Vortheile nicht.

[514] Belehren. Ich will dich eines bessern belehren. Er muß sich eines andern belehren lassen.

Bemächtigen. Der Feind bemächtiget sich unsers Landes; wir müssen uns seiner Vestungen bemächtigen.

Bemeistern. Er bemeistert sich unserer Stadt. Du hast dich meines Herzens bemeistert.

Berauben. Er ist seines Lebens, seines Vermögens beraubet. Man beraube ihn nur seines guten Namens nicht.

Bescheiden. Ich bescheide mich dessen. Man muß ihn eines andern bescheiden.

Beschuldigen. Man beschuldiget ihn der Verrätherey, des Straßenraubes.

Besinnen. Ich besinne mich eines bessern.


E.


Entbehren. Ich kann dessen entbehren. Er will des Geldes nicht entbehren. Doch saget man auch, etwas entbehren.

Entbrechen. Ich muß mich dessen entbrechen. Er entbrach sich meiner.

Enthalten. Ich kann mich der Sache leicht enthalten. Enthalte dich nur des Spottens.

Entledigen. Ich will dich der Bande, des Gefängnisses entledigen. Entledige mich dieses Besuches, oder auch von diesem Besuche.

Entohnigen. Ich möchte dieser Last gern entohniget seyn.

Entschlagen. Entschlage dich seines Umganges. Ich habe mich seiner Freundschaft entschlagen.

Entsinnen. Ich kann mich dessen nicht entsinnen. Entsinne dich nur der Sache. Besinnen ist ganz was anders, man besinnet sich auf etwas.

Entübrigen. Ich kann seiner entübriget seyn.

Erbarmen. O Herr! erbarme dich meiner. Wer sich des Armen erbarmet. Doch saget man auch, sich über einen erbarmen.

Erinnern. Ich erinnere mich dessen gar wohl. Du erinnerst dich noch wohl der vorigen Zeit.

Erwähnen. Einer Sache erwähnen. Er hat dessen gar oft erwähnet.

Erwehren. Sich des Feindes erwehren. Ich konnte mich der Mücken nicht erwehren.


F.


Freuen. Ich freue mich dessen, das mir geredet ist etc. Erfreue dich, Jüngling, des Weibes deiner Jugend. Doch saget man auch, sich über etwas freuen.


G.


Gebrauchen. Ich gebrauche mich meiner Augen und Ohren. Er gebrauchet sich seiner Zunge rechtschaffen. Hergegen brauchen, nimmt die vierte Endung. Ich brauche mein Geld selbst.

[515] Gedenken. Gedenke meiner, mein Gott, im besten. Ich will deiner gedenken. Man spricht aber auch, an etwas denken.

Genesen. Sie ist eines Sohnes genesen.

Genießen. Er geneußt seines Erbtheils in Ruhe. Ich will meines Lebens und Vermögens genießen.

Getrösten. Ich getröste mich deines Beystandes. Er getröstet sich meiner Hülfe.


H.


Harren. Harre meiner! täglich harre ich dein, d.i. deiner; dieses ist etwas alt geworden.

Hoffe. Wird auch bey den Alten, wie das vorige gebrauchet, ist aber nicht mehr so gewöhnlich. Man saget lieber, auf etwas hoffen.


L.


Lachen. Ich will dein, d.i. deiner lachen. Ich lache der Thoren. Man spricht aber auch, über einen lachen.

Leben. Ich lebe der Hoffnung, der Zuversicht, des völligen Vertrauens. Außer diesen Redensarten heißt es: Er lebete fünfzig Jahre, acht Monate und drey Tage.


M.


Mangeln. In der Bibel steht noch; sie mangeln des Ruhmes etc. allein man spricht nicht mehr so. Man saget unpersönlich: Es mangelt an diesem, oder jenem; oder das mangelt mir.


P.


Pflegen. Er pflegte seiner. Seines Leibes pflegen, weil er noch jung ist. Man spricht aber auch, einen verpflegen.


R.


Rühmen. Ich will mich keines Dinges rühmen, als meiner Schwachheit. Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weisheit.


S.


Schämen. Ich schäme mich des Evangelii nicht. Schäme dich deiner Unart; deines Verhaltens.

[516] Seyn. Ich bin der Meynung, ich bin Willens, (nicht, ich habe in Willens) ich bin des Vorhabens, des Sinnes, der Meynung. Sie sind reines Herzens; guter Art.

Spotten. Sie spotten mein, d.i. meiner. Man spottet der Thoren. Verspotten aber, nimmt die vierte Endung.

Schweigen. Ich schweige der Freuden, ist altfränkisch; doch kömmt davon noch, geschweige dessen, d.i. ich schweige dessen; oder dessen zu geschweigen.


U.

Überführen. Ich habe ihn dessen überführet; doch saget man auch von etwas überführet.
Überweisen. Ist wie das vorige.
Überzeugen. Ist eben so.
Unterfangen. Sich eines Dinges, einer That unterfangen.
Unterstehen. Er unterstund sich dessen. Man saget aber auch das.
Unterwinden. Sie unterwanden sich der Heldenthat, ist auch schon etwas alt; besser die Heldenthat.

V.

Verbleichen. Er ist Todes verblichen.

Verfahren. Er ist eines plötzlichen Todes verfahren; außer dieser Redensart gilt diese Fügung desselben Wortes nicht.

Verwundern. Seine Ältern verwunderten sich dessen, das von ihm gesaget ward. Man saget aber auch dar über.

Verzeihen. Er verzieh sich seines Lebens: es ist aber alt, für begiebt. Auf etwas eine Verzicht thun, kömmt daher.


W.


Wahrnehmen. Nimm deiner Jugend, deines Dienstes, Standes, oder Amtes wahr.

Warten. Warte meiner. Ich will am letzten Garten, der in der Vorstadt liegt, zu Fuße deiner warten.

Weigern. Man weigert sich dessen.

Würdigen. Einen eines Anblickes würdigen.


Z.

Zeihen. Wer kann mich einer Sünde zeihen? ist schon aus der Übung gekommen.

[517] 3. Das Zeitwort mit der dritten Endung.
Die I Regel:

17 §. Die Frage wem? erfodert die dritte Endung, vor oder nach dem Zeitworte.

Diese Regel kann nun zwar gebornen Deutschen aus manchem Zweifel helfen; wenn sie nämlich Bescheid wissen, recht zu fragen. Doch viele Landschaften fragen auch wohl falsch: und manche verkehren das Deutsche wem? in das Französische an wen? und so wissen sie weder aus, noch ein 5. Den Ausländern aber ist damit noch weniger gedienet: denn wie wissen sie es, wie man im Deutschen fragen soll; da ihre Wortfügung mit der unserigen selten übereinstimmet?


Die II Regel:


18 §. Zeitwörter, die ein geben, und nehmen, und einen Nutzen oder Schaden bedeuten, nehmen die dritte Endung zu sich.


Z.E. Gib mir den Theil der Güter, der mir gehöret. Das alles will ich dir geben. Das nützet mir, das ist mir [518] nützlich, vortheilhaft. Dasfrommet dir, ich schenke dir das, dasschadet mir, das ist mir schädlich, nachtheilig; Er nimmt mir das Brod aus dem Munde; er ziehtmir das Kleid vom Leibe; er raubet mir das Geld aus der Tasche. er stiehlt mir meine Baarschaft; er entzieht mir das Meinige. Man verkümmert mir meine Einkünfte. Bey diesem allen ist zu merken, daß bey der dritten Endung der Person, auch die vierte Endung der Sache statt haben muß.


Die III Regel:


19 §. Die Zeitwörter befehlen, gebiethen, gehorchen, sagen, sprechen, verbiethen und versprechen, fodern die dritte Endung.


Z.E. Jüngling, ich sage dir, stehe auf. Imgleichen: er sagte mir: er sprach zu mir. Ich verspreche dir meine Freundschaft. Er geboth ihnen, er verboth ihnen, sie solltens niemand sagen. Befiehl dem Herrn deine Wege. Wenn du thun wirst, was ich dir heute gebiethe. Es ist geschehen, was du mir befohlen hast. Mein Kind gehorche mir, und sey gehorsam meinen Worten. Folge mir, mein Sohn; folge mir nach. Herr, ich will dir folgen, wohin du gehst. Wenn aber versprechen ein zurückkehrendes (RECIPROCUM) wird, so hat es die vierte Endung.


Die IV Regel:


20 §. Die Zeitwörter dienen, helfen, lohnen, thun, vergeben, verzeihen, widersetzen und widerstehen, fodern gleichfalls die dritte Endung.


Thu mir den Gefallen, diene mir treu und ehrlich, so will ich dir lohnen nach deinen Verdiensten; (NB. aber bedienen, belohnen und ablohnen nehmen die vierte Endung). Herr; hilf mir, es hilft mir nichts; was hilft mir das? [519] Verzeih mir meine Missethat, und vergib mir meine Sünde. Ein Freund widersteht dem andern; imgleichen, man ist mir zuwider, man widersetzet sich mir: ferner, einem im Wege stehen;einem etwas in den Weg legen. Wenn aber vergeben, so viel als vergiften heißt, hat es itzo die vierte Endung; wie es vormals die dritte gehabt.


Die V Regel:


21 §. Die Zeitwörter, begegnen, erwiedern, gleichen, vergelten, vergleichen und weichen, fodern auch die dritte Endung.


Hüte dich, daß du ihm nicht anders, als freundlich begegnest. Er begegnete mir auf der Straße. Ich will dirs auf alle Weise erwiedern. Der Sohn gleicht dem Vater. Vergilt mir nach meinen Werken. Wer ist ihm gleich? Vergleichen aber wird itzo nur selten so gefüget; da es eigentlich die sechste Endung erfodert: eins mit dem andern vergleichen. Weiche dem Stolzen. Sie sinddem Feinde gewichen. (Man saget auch, vor dem Feinde weichen. Man saget auch, weichet von mir!)


Die VI Regel:

22 §. Die Zeitwörter, nennen, rufen, weisen, winken und zeigen, fodern auch die dritte Endung.

Z.E. Nenne mir einen 6: ich will dir zehnenennen; Zeige mir deine Wege; ich will dir den Weg weisen; weise mir deine Felder; deinen Garten, u.s.w. Er winkete mir; ich will dir einen Wink geben. Ich rief zum, d.i. zu demHerrn in meiner Noth; du hast mir gerufen. Doch muß man hiermit das anrufen nicht vermischen: denn da heißt es mit der vierten Endung,Rufe mich an, in der Noth.


[520] Die VII Regel:


23 §. Die Zeitwörter, erzählen, gönnen, und misgönnen, melden, prophezeihen, verkündigen, weißagen und wünschen, nehmen gleichfalls die dritte Endung zu sich.


Als z.E. Ich gönne dir das Glück; er misgönnet mir das Wenige, so ich habe. Ich wünsche dir viel Gutes; Was erzählen sie mir neues? man meldete mir solches; man verkündiget mir etwas erwünschtes. Weissage mir; prophezeihe ihnen Heil und Frieden. Eben so ist es auch mit dem vorhersagen. Man spricht: Man hat mir vorher gesaget, daß es so gehen würde.


Die VIII Regel:


24 §. Die Zeitwörter, anheimstellen, danken, klagen, leben, sterben und trauen, begehren auch die dritte Endung der Person.


Ich stelle dirs anheim: er hat mir seine Nothgeklaget; Herr, dir traue ich; er will mir alles Seinige anvertrauen, (vertrauen aber nimmt die vierte Endung der Sache mit auf; wie auch wohl das einfache trauen zuweilen so stehen kann: traue, oder vertraue auf mich). Wir danken dir für alle deine Wohlthaten: Herr, dir lebe ich, dir sterbe ich; unser keiner lebet ihm selber, unser keiner stirbt ihm selber etc. (sollte billig heißen: sich selber) leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir etc. Doch dieses ist, außer der Bibel, schon aus dem Gebrauche gekommen.


Die IX Regel:


25 §. Die Zeitwörter abtragen, bereiten, biethen, borgen, bringen, bezahlen, langen, leihen und reichen, fodern [521] ebenfalls die dritte Endung der Person, nebst der vierten der Sache.


Bereitet dem Herrn den Weg. Lange mir das her; Reiche mir das Buch; Leih mir Geld. Ich will dirs noch länger borgen. Er beuth mir seine Hand. Morgen mußt du mirs bringen. Ich will dir alles abtragen. Entrichte mir, was du mir schuldig bist. Bezahledem Höchsten deine Gelübde.


Die X Regel:


26 §. Die Wörter, abschlagen, drohen, steuren und wehren, trotzen, versagen und weigern, sind nicht minder die dritte Endung der Person, und bisweilen auch der Sache, gewohnet.


Er hat mirs rund abgeschlagen, er versaget mir alles. Ich weigere dir solchen Beystand. Steure dem Übel beyzeiten. Wehre dem Einbruche des Feindes. Drohe ihm deine Feindschaft; trotze nicht einem Mächtigern: wiewohl dieß Wort auch mit der vierten Endung vorzukommen pflegt: er trotzet mich.


Die XI Regel:


27 §. Die Wörter aufwarten, häucheln, hofiren, liebkosen, opfern, räuchern und schmäucheln, fodern auch die dritte Endung.


Dem Herrn opfern, sich ihm aufopfern. Sie räucherten dem Götzen; er häuchelt mir; ich schmäuchele dir nicht; ich kann keinem liebkosen; den Großen muß man hofiren, oder ihnen, in den Vorzimmern aufwarten, um ihren Hof zu vergrößern. Dahin gehöret auch das Aufpassen: denn man saget: sie passen mir auf; ich will ihm schon aufpassen; imgleichen ihm auflauren.


[522] Die XII Regel:


28 §. Alle Zeitwörter, die mit dem Nebenworte zu, zusammengesetzet sind, nehmen auch die dritte Endung der Person zu sich.


Z.E. Ich sehe ihm zu; einem etwas zutragen, zulangen, zuführen, zuschanzen, zubringen, zulegen, zuweisen, u.d.m. Ich habe ihm das zugedacht: sie haben mir etwas zubereitet, zugeschnitten. Man hatihm brav zugetrunken, zugesetzet, u.d.gl. Doch ist zu merken, daß diese dritte Endung allemal die Person trifft: wo also diese nicht vorkömmt, da kann auch ein mit zu vereinigtes Zeitwort dieselbe nicht bey sich haben. Z.E. Zutreffen, das Zeug will nicht zulangen u.d.m.


Die XIII Regel:


29 §. Alle Zeitwörter, die mit nach und vor zu sammengesetzet werden, fodern auch die dritte Endung.


Z.E. Folge mir nach; einem nachbringen, nachgehen, nachlaufen, nachsagen, nachsprechen, nachtragen, nachtreten, nachziehen, u.d.gl. Denn hier ist es so viel, als wenn das Vorwort nach, besonders stünde, und seine Endung foderte. Eben so ist es mitvor. Z.E. Geh mir mit gutem Exempel vor: ich will dirs vorsagen, er reitet mir vor, er fährt mir vor; er wird mir vorkommen, vorlegen, vorlesen, vorschreiben, vorsagen, vorsprechen, u.s.w. Doch gilt die Anmerkung des vorigen §. hier auch.


30 §. Da es nun bey dem allen für einen Ausländer, oder aus gewissen Provinzen entsprossenen, etwas schweres ist, so viele Regeln zu merken: so will ich hier den Zweifeln kürzer zu begegnen, alle die bisher angeführten Zeitwörter in alphabetischer Ordnung hersetzen: da man sie auf einen Anblick wird übersehen können. Sollten ja noch einige fehlen, so kann sich dieselben ein jeder leichtlich aus guten Schriften anmerken, und hinzuschreiben.


[523] Verzeichniß der Zeitwörter, so die dritte Endung der Person fodern.


A. K. T.


abfodern,klagen.thun,

absagen,trauen,

abschlagen,trotzen.

abtragen,L.

anbefehlen,

angehören,läugnen,V.

anmerken,langen,

anheimstellen,leben,verbiethen,

ankündigen,leihen,vergällen,

anschlagen,leuchten,vergeben,

antragen,liebkosen,vergönnen,

anzetteln,lohnen,verhalten,

anzünden,lügen.verhölen,

auflauern,verkümmern,

aufpassen,verkündigen,

aufwarten.M.versagen,

versprechen,

misgönnen.verweisen,

B.verzeihen,

verzuckern,

befehlen,N.vorbethen,

begegnen,vorfahren,

bereiten,nachbethen,vorhalten,

bezahlen,nachbringen,vorlesen,

bezeugen,nachgehen,vorreiten,

biethen,nachjagen,vorsagen,

borgen,nachlaufen,vorschreiben,

bringen.nachrennen,vortreten.

nachsetzen,

nachsingen,

D.nachspringen,W.

nachstreben,

danken,nachtrachten,weigern,

dienen,nachtreten,weisen,

dräuen,nachziehen,weißagen,

drohen.nehmen,widerstehen,

nennen,widerstreben,

nützen.widerstreiten,

E.winken,

wünschen.

empfehlen,O.

entbiethen,

entrichten,opfern.

entziehen,Z.

erhandeln,

erkaufen,P.zählen,

eröffnen,zeigen,

erstehen,prophezeihen.zubereiten,

erwiedern,zubringen,

erzählen.zudenken,

R.zueignen,

zuführen,

F.rauben,zugeben,

räuchern,zugehören,

folgen,reichen,zulachen,

fröhnen,rufen.zulegen,

frommen.zureden,

zusagen,

S.zuschanzen,

G.zuschlagen,

sagen,zuschneiden,

geben,schaden,zusetzen,

gehören,schenken,zusprechen,

gehorchen,schmäucheln,zustellen,

gleichen,sprechen,zutrinken,

gönnen.stehlen,zutragen,

[524]

sterben,zutrauen,

steuern.zuweisen,

H.zuwenden,

zuwinken,

häucheln.zuzählen etc. 7

helfen,

hofieren.


4. Das Zeitwort mit der vierten Endung.


Die I Regel:


31 §. Auf die Fragen Wen? und Was? steht neben dem thätigen Zeitworte, insgemein ein Nennwort in der vierten Endung.


Z.E. Fürchtet Gott, und ehret den König. Liebe deinen Nächsten, als dich selbst. Ich sage aber mit Bedachte, das Nennwort stehe nur neben ihm, nicht aber, es folge darauf. Denn man kann es zuweilen auch vorhersetzen. Z.E. Gott lieben, ist die höchste Weisheit; Gutes thun und Böses meiden, ist die Pflicht aller Menschen.Das thust du, und ich schweige etc. Bisweilen steht es auch zwischen den Hülfswörtern und dem Zeitworte: Kain hat seinen Bruder [525] Abel erschlagen. Warum hast du uns das gethan? Dein Vater und ich, haben dich mit Schmerzengesuchet 8.


Die II Regel:


32 §. Auf die Fragen wieviel, wieweit, wie lang, wie hoch, wie breit, wie dick, wie lange, wie alt, steht billig bey dem thätigen Zeitworte auch die vierte Endung.


Z.E. Das Tuch kostet die Elle drey Thaler; er reiset täglich zehn Meilen; der Garten istfünfhundert Schritt lang. Der Thurm isthundert Ellen hoch. Der Acker ist zwanzig Ruthen breit. Der Baum ist zwo Klaftern dick. Er ist drey Jahre auf Reisen gewesen; oder der Krieg hat nun sechs Jahre gedauret. Er lebet nun schon fünf und zwanzig Jahre daselbst. Die Jungfer ist nunmehr sechzehn Jahre alt.


Die III Regel:


33 §. Wenn man fraget: wie hoch, wofür, oder wie theuer etwas verkaufet worden, so steht außer der einen vierten Endung, noch eine andere bey dem thätigen Zeitworte, mit dem Wörtchen um, unter oder für.


Ich habe das Haus für zehntausend Thaler gekaufet. Den Garten kriegt ihr nicht um viertausend Thaler. Ich gebe das Pferd nicht unter fünfzig Thaler 9. Ihr bekommet das Landgut kaumfür, um, oder unter dreyzig tausend Thaler.


[526] Die IV Regel:


34 §. Auf die Frage Wohin? wird zu den Zeitwörtern, die eine Bewegung bedeuten, allemal die vierte Endung gesetzet.


Z.E. Wo reitest du hin? Auf die Jagd, auf das Feld, aufs Dorf. Wo gehst du hin? In die Kirche, in die Stadt, in die Komödie, in den Garten. Wo steigst du hin? Auf den Thurm, auf den Mastbaum. Wo fährst du hin? Ins Holz, durch den Wald; in den Schacht, u.d.gl. Nur die Vorwörter zu und nach sind hier ausgenommen, welche allemal die dritte Endung nehmen: Z.E. er kömmt zu mir; nicht zumich; er geht dem Walde zu; er geht zu Felde, zu Dorfe, zu Weine, zu Biere, u.s.w. er reiset nach der Stadt, nach Hofe, nach Hause, u.d.gl. 10.


Die V Regel:


35 §. Einige thätige Zeitwörter, als fragen, heißen, lehren, machen und nennen, fodern zwey Nennwörter, oder Fürwörter der vierten Endung neben sich.


Er lehret sie seine Sitten und Rechte. Herr, lehre mich deine Steige. Er nennetihn seinen Freund. Du nennest mich deinen Bruder. Du heißest Israel deinen Sohn; ich heiße Preußen mein Vaterland. So gar wenn heißen soviel als befehlen, gebiethen, bedeutet, so hat solches noch statt. Wenn du mich demüthigest, so machest du mich groß. Er fragte mich etwas. Sonst aber wird machen, mit zu und der dritten Endung verbunden. Er machte ihn zu seinem Kanzler, zum Feldherrn, zum Priester.


[527] Die VI Regel:

36 §. Die zurückkehrenden Zeitwörter nehmen auch meistenteils die vierte Endung zu sich.

Z.E. Ich besinne mich, ich erinnere mich; er ermannet, erkühnet, untersteht sich; du entschließest dich; sie bemühen, bestreben, beschäftigen sich. Wir schämen uns, wir rühmen uns der Trübsal etc. u.d.m. Das machet, die meisten davon sind von der Mittelgattung (GENERIS NEUTRIUS) und sehen also der thätigen, in diesem Stücke ähnlich. Nur etliche wenige sind ausgenommen. Z.E. ich kann mirs einbilden, helfen, rathen, vorstellen, u.d.gl. die schon nach der vorigen Abtheilung die dritte Endung foderten. Diese behalten sie auch, wenn sie zurückkehren, ich bilde mir ein, du stellest dir vor, hilf dir selber, ich weis mir nicht zu rathen, ich bilde mirs ein, ich mache mir die Hoffnung, u.d.gl.


Die VII Regel:

37 §. Die unpersönlichen Zeitwörter nehmen auch größtentheils die vierte Endung zu sich.

Z.E. Es regnet große Tropfen; Es friert Keulen; es schicket sich, es geziemet, es gebühret sich, es gehöret sich, es trägt sich zu, es begiebt sich, es eräuget sich der Fall; u.d.gl. Hieher gehören auch viel andere unpersönliche Redensarten, die von persönlichen Zeitwörtern, sonderlich von Wirkungen und Leidenschaften des Gemüthes gemachet werden. Z.E. Es wundert mich, es befremdet mich, es nimmt mich Wunder, es dünket mich, es verlanget mich, es betrübet mich, es erfreuet und vergnüget mich, es betrifft mich, es rühret, beweget, jammert und erbarmet mich etc. u.d.gl.m.

38 §. Indessen ist, als eine Ausnahme davon, zu bemerken, daß etliche von dieser Art, auch die dritte Endung fodern, weil nämlich die Frage Wem?dabey [528] statt findet. Z.E. Es gehöret mir, es gebühret mir, es däucht mir, oder mir däucht; es ahnet mir, es träumet mir, es begegnet mir, es wiederfährt mir, es gelingt mir, es mislingt mir, es glücket mir, es geräth und misräth mir, es ist mir leid, es gefällt, behaget, beliebet mir; es fällt mir leicht, oder schwer, es mangelt, es gebricht mir, es grauet mir, es misfällt mir u.d.m. die mehrentheils schon in dem vorhergehenden Abschnitte vorgekommen sind.

39 §. Übrigens ist die Anmerkung noch nöthig, daß die meisten Zeitwörter, die nach dem vorigen Abschnitte die dritte Endung der Person foderten,dennoch zu gleicher Zeit die vierte Endung der Sache begehren. Z.E. Er hatmir die Nachricht gegeben, ertheilet, geschrieben. Des Vaters Segen bauet den Kindern Häuser; unser täglich Brod gib uns (mir) heute, u.d.m. Auf dergleichen Art aber, können auch noch andere Endungen zugleich, neben einem und demselben Zeitworte zu stehen kommen. Z.E. Die vierte und sechste: Erlöse uns vom Übel.

40 §. Noch eine Beobachtung ist von gewissen Wörtern beyzufügen, darinn der gemeine Gebrauch unbeständig und zweifelhaft ist. Z.E. lassen, lehren und lohnen. Von dem ersten saget man recht;laß mich, (nämlich gehen) denn die Morgenröthe bricht an; laß mich den Tag vollenden; laß mich gehen; laß mich beugen meine Kniee; denn in allen diesen Redensarten ist lassen das Hülfswort, und bedeutet eine Vergünstigung, Erlaubniß, u.d.gl. Aber man saget auch in einer andern Bedeutung: Er läßt mir das Haus, und nimmt den Garten; ich lasse dir den Rock, und behalte den Mantel. Denn in diesem Falle, ist lassen kein Hülfswort, sondern ein besonderes thätiges Zeitwort, welches eine Ueberlassung oder eine Zuwendung eines Besitzes, Eigenthumes oder Gebrauches anzeiget.

41 §. Das Wort lehren kömmt in der Bibel allemal richtig, mit der vierten Endung vor: Herr, lehremich thun, nach deinem Wohlgefallen; ich will dich fragen, lehre mich; u.d.gl. [529] Allein, der gemeine Mann hat durch eine Unbeständigkeit, die ihm natürlich ist, theils die dritte Endung zu brauchen angefangen; theils das Lehren mit dem Lernen vermenget, wenn er spricht: er hat mir die Kunst gelernet. Dieses aber ist höchst falsch; denn es soll heißen: er hat mich die Kunst gelehret, und ich habe sie von ihm gelernet. Die Sprachkenner müssen dieses niemals vermischen, und dadurch dem bösen Gebrauche eifrig widerstehen.

42 §. Endlich ist es mit dem Worte lohnen zweifelhaft, wie man sagen soll: Er lohnet mir, oder man lohnet mich. Denn wenn man spricht: Es verlohnet, belohnet, oder lohnet sich nicht der Mühe: so ist theils das sich zweydeutig, theils ist das der falsch. Es sollte heißen: Es belohnet sich nicht die Mühe, d.i. die Mühe belohnet sich nicht einmal; wenn man die Arbeit thut. Oder, es verlohnet sich nicht die Mühe, auf eben die Art; oder: Es (d.i. die Arbeit) lohnet nicht die Mühe 11. Das Zeitwort lohnen, nimmt also die dritte Endung der Person, und die vierte der Sache zu sich. Man lohnet, oder belohnet mir die Arbeit.


5. Das Zeitwort mit der fünften Endung des Nennwortes.


Die I Regel:


43 §. Wenn das Zeitwort in der gebiethenden Art steht, so fodert es die fünfte Endung des Nennwortes, vor oder nach sich.


[530] Z.E. Herr! höre mein Wort, und merke auf meine Rede. Vernimm mein Schreyen, mein König und mein Gott! Träufelt ihr Himmel, von oben etc. Gib mir, mein Sohn, dein Herz etc. Doch ist dieses nicht allemal nöthig: denn zuweilen läßt man das Hauptwort ganz weg, weil es sich schon versteht: z.E. Laß mich hören deine Stimme etc. oder wieOpitz saget:


Der Feind hat dir dein Schloß, dein Haus hinweg gerissen:

Fleuch in der Mannheit Burg! die wird er nicht beschießen.


Die II Regel:


44 §. In einer heftigen Anrede pflegt die fünfte Endung auch die Stelle der ersten zu vertreten, und das Zeitwort außer der gebiethenden Art, neben sich zu leiden.


So singt z.E. Simon Dach:


Du, Gott! bist außer aller Zeit,

Von Ewigkeit zu Ewigkeit,

Eh noch die Welt vorhanden etc.

Und Opitz am Ende der Trostbücher:

Du aber, lieber Herr! du pflegest nicht zu schlafen,

Dein Auge schlummert nicht etc.

imgleichen Kanitz:

Nun, edles Preußen! du, du kriegst so einen Gast,

Den du gewiß zu lieben Ursach hast.

Und abermal:

Es schien, als wolltet, schönstes Paar!

Ihr beyde mit einander streiten.


Doch könnte man auch die Schuld auf das FürwortDu, und Ihr schieben. Nur das erste Beyspiel bleibt noch.


[531] Die III Regel:


45 §. In einer Frage, oder einem brünstigen Wunsche, kann auch vor dem Zeitworte die fünfte Endung des Hauptwortes stehen.


Z.E. Kanitz schreibt so auf den Gr. von Dohna:


Verhängniß! stehet es allein in deinen Händen,

Den Zeiger auf die Zahl des Todes hinzuwenden;

Und schaffest du, was uns hierunten wiederfährt?

Und auf seine Doris:

Hälfte meines matten Lebens!

Doris! ist es denn vergebens,

Daß ich kläglich um dich thu?

Imgleichen:

Doris! kannst du mich betrüben?

Wo ist deine Treu geblieben;

Die an meiner Lust und Gram,

Immer gleichen Antheil nahm?

Mehr läßt sich von der fünften Endung schwerlich vorschreiben.

6. Das Zeitwort mit der sechsten Endung.


Die I Regel:


46 §. Wenn das Zeitwort eine Gesellschaft oder Hülfe, Ursache, Weise, Zeit, oder ein Werkzeug bedeutet, so fodert es die sechste Endung nach, oder vor sich.


Z.E. Neukirch im Telemach:


Hier herrscht die Schönheit auch, ach! aber mit Verstande.

[532] Und Kanitz:

Wenn ich nach dem alten Bunde,

Und dem allgemeinen Schluß,

Endlich in der letzten Stunde,

Mit dem Tode kämpfen muß.

Auch Opitz:

Was heißet trotzig seyn, und mit dem Himmel streiten,

Wie Mimas und sein Volk gethan vor alten Zeiten;

Wenn dieses nicht so heißt?


Die II Regel:


47 §. Zeitwörter, die ein Seyn oder Bleiben an einem Orte, oder bey einer Sache bedeuten, nehmen auf die Frage, wo? und nach den Vorwörtern, auf, bey, in, über und unter, die sechste Endung zu sich.


Z.E. Daß du lange lebest in dem Lande, das dir der Herr giebt. Herr, bleibe bey mir, oder bey uns; daß du lange lebest auf Erden; in welcher Redensart nur der Artikel weggelassen wird. Er liegt beständig auf der Bärenhaut. Er liegt Tag und Nacht über den Büchern. Ist Saul auchunter den Propheten? Er wohnet in der Stadt, oder auf dem Lande. Alle, die im Himmel, auf Erden, und unter der Erden sind 12.


[533] Die III Regel:


48 §. Nach den Zeitwörtern der leidenden Gattung, folgen insgemein die Vorwörter von, oder mit, nebst der sechsten Endung des Hauptwortes.


Z.E. Ein weiser und gnädiger Fürst wird von seinen Unterthanen geliebet. Die Schlacht ist, mit der Hülfe, und dem Beystande der Bundesgenossen, gewonnen worden. Wenn aber durch dabey vorkömmt, so folget die vierte Endung. Als: durch der Feldherren gute Anstalt, und der Soldaten Tapferkeit, ward der Feind in die Flucht geschlagen. Hier sind nur die Geschlechtswörter ausgelassen worden.


49 §. Als eine Zugabe zu diesen Abtheilungen kömmt noch


Die IV Regel:


Nach zwey oder mehrern Hauptwörtern oder Fürwörtern, steht das Zeitwort in der mehrern Zahl, und zwar in der vorzüglichen Person.


Z.E. Dein Vater und ich, haben dich mit Schmerzen gesuchet. Hier versteht sich das wir, bey haben; weil die erste Person vor der dritten den Vorzug hat. Eben so hat auch die zweyte eine mehrere Würde, als die dritte: Z.E. Du und dein Freund,waret meine Zuversicht. Imgleichen: Wissenschaft und Tugend sollen billig allezeit treue Freundinnen seyn. Armuth und ein guter Kopf sind insgemein beysammen. Wider diese Regel pflegen noch viele zu verstoßen 13.


[534] 7. Von der Fügung der zusammengesetzten Zeitwörter.


50 §. Wir wissen aus dem obigen, daß die absonderlichen Vorwörter, in verschiedenen Zeiten, von den Zeitwörtern getrennet werden können: und hier fällt es Ausländern schwer, zu wissen, wohin sie dieselben setzen sollen? Man merke also folgende Regeln davon.


Die I Regel:


In der gegenwärtigen und unlängst vergangenen Zeit der thätigen Gattung, sowohl der anzeigenden als gebiethenden Art, steht das Vorwort erst nach dem Hauptworte oder Fürworte, das vom Zeitworte regieret wird, ganz zuletzt.


Z.E. Wir kamen von der Reise, gesund, in unser Vaterland zurück. Sie griffen den Feind, mit unerschrockenem Muthe an. Hier sieht man, wie weit zurückkommen und angreifen, von einander abgesondert worden. Bisweilen kommen sie auch noch weiter aus einander.


Die II Regel:


51 §. Wann aber das zusammengesetzte nur ein Hülfswort ist, so daß in derselben Rede noch ein ander Zeit [535] wort vorkömmt: so wird das getrennte Vorsetzwort, nicht bis ans Ende gesparet; sondern vor dem zweyten Zeitworte gesetzet.


Sie fiengen frühmorgens mit Sonnenaufgange an, zu schlagen; nicht, zu schlagen an. Ich hebe morgen an, zu arbeiten; nicht, zu arbeiten an. Rufe ihn her, oder herauf, zum essen; nicht, zum essen herauf. Nimm deinen Bruder mit zum tanzen; nicht zum tanzen mit.


Die III Regel:


52 §. In allen andern Gattungen, Arten und Zeiten, behalten die zusammengesetzten Zeitwörter ihre Verbindung unverrückt: außer daß die Syllbe ge, in der vergangenen Zeit, und leidenden Gattung, und die Syllbe zu, in der unbestimmten Art, (MODO INFINITIVO) eingeschaltet werden.


Z.E. Daß ich herkäme, sie werden herkommen, u.d.gl. Ich bin hergekommen, er bittet mich herzukommen. Ich werde dafür gehalten, ich ersuche sie inständig, fest dafürzuhalten: Man hat mir viel böses nachgeredet; man hüte sich, jemanden böses nachzureden.


Die IV Regel:


53 §. Sind die Vorsetzwörter von den Zeitwörtern unzertrennlich; so wird die Syllbe der vergangenen Zeit, ge, ganz weggelassen, und das zuder unbestimmten Art, ganz vorangesetzet.


Z.E. Ich begebe mich, ich habe mich begeben, nicht gebegeben, oder begegeben; man räth mir, mich der Sache zu begeben, nicht bezugeben. Ich entschlage mich, [536] ich habe mich seiner entschlagen; nicht entgeschlagen: ich denke mich seiner zu entschlagen, nicht entzuschlagen. Ich habe ihm viel zu verdanken, nicht, verzudanken.


8. Zwey Zeitwörter bey einander.

Die I Regel:

54 §. Wann zwey Zeitwörter zusammen kommen, so steht eins in der unbestimmten Art. (INFINITIVO).

Z.E. Er lehret meinen Arm einen ehernen Bogen spannen. Er läßt mich grüßen; ich will dichlehren Gutes thun. Er will nichts arbeiten. Erkann lesen und schreiben. Ich darf es nicht sagen; ich muß schweigen; er will es gern sehen; ichsoll es nicht wissen. Wir sahen ihn gehen; ichfand ihn sitzen, oder liegen. Er lehret, auch lernet tanzen, reiten, fechten. Er geht betteln.Laß mich gehen! Heiß ihn schweigen! 14.


Die II Regel:

55 §. Wenn einige Zeitwörter zu andern kommen, so verlangen sie, daß dieselben das zu annehmen.

Z.E. Ich hoffe, es zu erleben; ich wünsche, dich zu sprechen; ich rathe dir, das zu thun, zu sagen, zu wagen. Gib mir was zu trinken, zu essen. Ich habe viel zu thun, zu schreiben, zu rechnen, zu arbeiten: ich denke, dahin zu reisen; ich meyne dich daselbst zu finden, zu sprechen, zu sehen. Und in zusammengesetzten: ich rathe dir, ihm zuvorzukommen, ihm aufzupassen, ihn mitzunehmen, ihm [537] nachzufolgen, ihn auszulösen, ihn loszumachen. Gleichwohl denke man nicht, als ob alle solche Verbindungen zweyer Zeitwörter erlaubet wären. Nein. Z.E. wenn jemand schreibt:


Du machest nach dem Rang der Fürsten,

Der Menschen eiteln Sinn zu dürsten.


so ist das barbarisch. Ja auch ohne das zu würde diese Redensart falsch seyn. Ein Franzos spricht zwar so: FAIRE DIRE, FAIRE SAVOIR, u.d.gl. Aber im Deutschen ist das sagen machen, wissen machen, dürsten machen, rothwälsch, oder hottentottisch.


Die III Regel:


56 §. Die Zeitwörter, dörfen, heißen, hören, können, lassen, lernen, mögen, müssen, sehen, wollen, brauchen neben andern, anstatt der vergangenen Zeit, die gegenwärtige der unbestimmten Art: weil sie alsdann Hülfswörter sind.


Z.E. Ich habe ihn reiten sehen, für gesehen; ich habe es sagen hören, für gehöret; er hat reiten lernen, für gelernet; ich habe sagen wollen, für gewollt; er hat mich grüßen lassen, anstatt gelassen; er hat es glauben müssen, anstatt gemußt; ich habe es nicht glauben können, anstatt gekonnt; ich habe es nicht sagen mögen, anstatt gemocht; er hat es nicht thun dörfen, anstattgedorft; wer hat dichs sagen heißen? d.i. geheißen.


Die IV Regel:


57 §. Die Hülfswörter werden in der völlig, und längst vergangenen Zeit, insgemein von ihrem Zeitworte getrennet; so daß sie in der anzeigenden Art vorn, in der verbindenden aber hinten stehen.


Z.E. Ich bin vor vielen Jahren, in Breßlau, Lübek und Hamburg sehr vergnügt gewesen. Der Frieden zu Aachen [538] soll nunmehr völlig zur Richtigkeit gekommen seyn. Imgleichen von der zweyten Art: Es heißt, daß dieser Frieden keinen langen Bestand haben werde; daß bald ein neues Kriegesfeuer in Europa aufgehen solle. Doch kann man hier auch das Wörtchen daß auslassen, und so sagen: Es heißt: der Aachener Frieden solle nun völlig geschlossen seyn: es werde bald ein neues Kriegesfeuer angehen.


Die V Regel:


58 §. Es klingt im Deutschen nicht unrecht, wenn man einen Spruch, oder die völlige Meynung eines Satzes, mit dem Zeitworte schließen kann.


Z.E. Kanitz schreibt:


Als gestern unsre Stadt, wie vormals Ninive,

In Sack und Asche lag, und ihre Fasten hielte:

Geschah es bey der Nacht, daß zwischen Ach und Weh,

Das schon betrübte Volk ein neues Schrecken fühlte.

Drey Masken ließen sich in fremden Kleidern sehn:

Ich weis nicht, ob sie uns vieleicht zum Trost erschienen?

Sie sahen denen gleich, die dort zum Paris gehn,

Durch seinen Richterstuhl den Apfel zu verdienen.


Und in seiner Lobrede auf die Churprinzeßinn:


»Wer kann es mit gleichem und unbewegtem Muthe ansehen, daß der Sohn unsers großmächtigen Churfürsten, der theure Churprinz, der Trost so vieler Länder, vor Schmerzen außer sich selbst gesetzet ist; weil ihm der allerempfindlichste Zufall, der Tod seiner unvergleichlichen Gemahlinn, zugesto ßen


Die VI Regel:


59 §. Gleichwohl muß niemand denken, als ob alle Zeitwörter im Deutschen am Ende stehen müßten; weil dieses oft ein großer Übelstand seyn würde.


[539] Z.E. Kanitz saget in eben der angezogenen Rede:


»Seine Gegenwart und seine Vergnügung brachten ihr Freude; seine Abwesenheit, und seine Sorgen lauter Unlust. – – So bald sie eine Tochter in diesem Chur fürstlichen Hause ward, machte sie unter denen hohen Ältern, die ihr die Natur, oder das Glück gegeben, ganz keinen Unterscheid.«


Die VII Regel:


60 §. Sonderlich ist es ein großer Übelstand, mit der Kanzleyschreibart, etliche Zeitwörter ganz von vorne, bis ans Ende zu werfen, und daselbst mit etlichen andern aufzuhäufen: Z.E.


»Wir wollen dir hiemit, daß du solches höchsten Fleißes vermeidest, und dich unserm Willen gemäß gezeigest, nachdrücklich, und alles Ernstes anbefeh len


Imgleichen:


»Wie er, daß solches geschehen, auch von ihm nicht gehindert, oder geahnet worden, verant worten wolle


Denn in solchen und vielen andern Fällen, sollten und könnten die letzten Zeitwörter viel besser bald im Anfange stehen.


Wir wollen dir hiermit nachdrücklich, und alles Ernstes anbefehlen etc.

Wie er verantworten wolle, daß solches geschehen etc.


Die VIII Regel:


61 §. Man setze also zu Beförderung der Deutlichkeit, jedes Zeitwort, unmittelbar zu seinem Hauptworte, und lasse lieber den Anhang des Satzes nachfolgen, als daß man denselben, auf eine langweilige Art zwischen beyde einschalte. Z.E.


»Es ist billig, daß man den deutschen Landen und Provinzen ein Haupt, welches dieselben in sämmtlicher Liebe erhalten, zieren, beschützen, und die Unfurchtsamen, mit dem Zaume weltlicher Gewalt aufhalten möchte, ordnen sollte, Goldast


[540] Hier sieht man wohl, daß die beyden letzten Worte, billig, und viel besser gleich nach den Worten, einHaupt, hätten stehen können. Noch viel ärger ist folgendes Exempel aus Londorpen, a.d. 634 S.


»Wann dann vor vielen Monaten, viel zu früh, gleich einer unzeitigen Geburt, etliche Ursachen, von welcher wegen die böhmischen Rebellen, ihren von Gott vorgesetzten, rechtmäßigen, angenommenen, geschwornen, gekrönten König, selbstthätiger, verbothener Weise, ohne vorhergehende Erlassung geleisteter Pflicht, ganz schimpflich verworfen, degradiret und abgesetzet; hingegen die vermeynte Aufwerfung eines andern vorgenommen, herausgekrochen


Wer sieht hier nicht, welch eine Verwirrung und Dunkelheit, aus einer so weiten Trennung der Zeitwörter von ihren Hauptwörtern erfolge? Gleichwohl geht man darinn zuweilen noch weiter, wie bey eben demLondorp auf der 657 Seite, und in Lünigs Reichsarchive vielfältig zu sehen ist. Indessen fehlen freylich auch andere, wenn sie die Zeitwörter gar zu früh vorherschicken. Einige alte Poeten pflegten, nebst Opitzen, hierinnen oft tadelhaft zu seyn: und selbst die deutsche Bibel, nebst Luthers Schriften sind hierinn nicht unsträflich.


9. Andere Regeln für die Zeitwörter.

Die I Regel:

62 §. Die gegenwärtige Zeit wird öfters anstatt der künftigen gebrauchet.

Z.E. Wann ich nach Dresden komme, so besuche ich dich gewiß: d.i. Wann ich dahin kommenwerde, so werde ich dich gewiß besuchen. Wann ich übers Jahr um diese Zeit lebe, so schenke ich dir ein Buch. Hier versteht man abermal, das lebenwerde, und werde dir schenken. Wann du an mich schreibst, und mir Nachricht von deinem Wohlbefinden [541] giebst; so bleibe ich die Antwort nicht schuldig: auch dieses ist vom Künftigen zu verstehen.


Die II Regel:


63 §. Im Erzählen bedienet man sich, eine Sache desto lebhafter zu machen, auch von vergangenen Dingen der gegenwärtigen Zeit.


Z.E. »Ich komme an den Ort, und frage, wo der gute Freund wohnet. Man weist mich dahin. Ich treffe ihn glücklich zu Hause an, und wir umarmen einander mit großen Freuden. Er bittet mich zu Tische; und ich bleibe ohne alle Weigerung bey ihm. Es kömmt eine andere Gesellschaft dazu, und wir bleiben bis in die späte Nacht vergnügt beysammen.« Hier sieht man wohl, daß alles von der vergangenen Zeit zu verstehen ist: und selbst im Lateine haben die besten Scribenten, z.E. Plinius in dem Briefe vom Regulus, schon so erzählet.


Die III Regel:


64 §. Im Übersetzen aus lateinischen Schriftstellern muß man insgemein die völlig vergangene Zeit der Lateiner, mit der jüngstvergangenen im Deutschen verwechseln.


Z.E. Sueton schreibt im Cäsar gleich anfangs: ANNUM AGENS CÆSAR XVI PATREM AMISIT, SEQUENTIBUSQUE COSS. – – – CORNELIAM, CINNÆ FILIAM, DUXIT UXOREM: EX QUA ILLI MOX JULIA NATA EST; NEQUE UT REPUDIARET ILLAM, COMPELLI A DICTATORE SYLLA ULLO MODO POTUIT. Dieß muß im Deutschen so heißen: »Als Cäsar ins sechszehnte Jahr gieng, verlohr er seinen Vater. Unter den nächsten Bürgermeistern heurathete er Cornelien, des Cinna Tochter; von welcher ihm bald Julia gebohren ward: ja er konnte [542] auch vom Dictator Sylla durchaus nicht bewogen werden, jene zu verstoßen.« Die völlig vergangene Zeit würde hier ganz fremd klingen.


Die IV Regel:


65 §. Hingegen ist es auch gewiß, daß bisweilen umgekehret das lateinische PRÆTERITUM IMPERFECTUM, im Deutschen mit der völlig vergangenen Zeit besser ausgedrücket werden kann.


Z.E. Sallust schreibt bald nach dem Anfange: IGITUR INITIO REGES DIVERSI, PARS INGENIUM, ALII CORPUS EXERCEBANT: ETIAM TUM VITA HOMINUM SINE CUPIDITATE AGITABATUR; SUA CUIQUE SATIS PLACEBANT. POSTEA VERO QUAM IN ASIA CYRUS, IN GRÆCIA LACEDÆMONII ETC. Dieses wird nicht übel so lauten: Anfänglich haben also verschiedene Könige, theils ihren Verstand, theils ihren Körper geübet. Damals nämlich ist das menschliche Leben noch durch keine Begierden bestürmet worden; einem jeden hat noch das Seine am besten gefallen. Nachdem aber in Asien Cyrus, in Griechenland die Lacedämonier etc. Doch muß man sich nicht allemal so zwingen. Es kömmt viel auf ein gutes Ohr an.


Die V Regel:


66 §. Wann man etwas erzählet, wobey man selbst zugegen gewesen, oder woran man mit Theil gehabt, so bedienet man sich der unlängst vergangenen Zeit: redet man aber von dem, was andere ohne uns gethan haben; so nimmt man die völlig vergangene Zeit.


Z.E. Wenn ich sagen wollte: Gestern bewirthete Cajus verschiedene gute Freunde, und Titius war auch dabey: so würde ein jeder denken, ich wäre mit dabey gewesen. Spräche ich aber: gestern hat Cajus Gäste bey sich gehabt, und Titius [543] ist auch bey der Gesellschaft gewesen: so wird ein jeder glauben, ich sey nicht dabey gewesen; sondern habe es nur vernommen. Gewisse Landschaften bemerken diesen Unterschied nicht, und werden dadurch so unverständlich, daß man sie fragen muß: ob sie dabey gewesen, oder nicht 15?


Die VI Regel:


67 §. Da im Deutschen keine wünschende Art der Zeitwörter (MODUS OPTATIVUS) statt findet 16: so brauchet man dazu die verbindende Art, entweder mit den Ausrufswörtern, O! Ach! Ach daß! wollte Gott! oder schlecht weg, in der unlängst vergangenen Zeit der Hülfswörter, mögen, können, wollen, sollen, u.s.w. nebst der unbestimmten Art eines andern Zeitwortes.


Z.E. O hätte ich Flügel, daß ich flöge etc. Ach möcht ich in deinen Armen etc. Ach! daß die Hülfe aus Zion über Israel käme. Wollte Gott, daß dieß oder jenes geschähe! oder endlich, wie Kanitz singt:


Euch, ihr Zeiten! die verlaufen,

Könnt ich euch mit Blut erkaufen!


So auch, wenn sie etwas bedingen, als: saget man das, so glaubet man es; thauet es, so frieret es nicht. Ein anderer Freund wünschet hier eine Regel zu sehen, nach welcher alle Zeitwörter eines ganzen Satzes auf einander folgen sollen. Allein, mich dünket es unmöglich zu seyn, dergleichen zu bringen. Die Rede kann auf so vielerley Art abwechseln, und einen so mannichfaltigen Schwung nehmen, daß kein Satz [544] dem an dern ganz ähnlich werden darf. Das fleißige Lesen guter Bücher muß einem in allen Sprachen den feinen Geschmack davon beybringen.


10. Von den unpersönlichen Zeitwörtern.


Die I Regel:


68 §. Wenn die unpersönlichen Zeitwörter schlechterdings etwas bejahen, oder verneinen, so steht das man, oder es, vorher: fragen sie aber, so stehen diese Wörterchen hinten nach.


Z.E. Man saget, man schreibt, man schläft, man ißt und trinkt, bejahen schlechterdings: wie auch folgende thun; es regnet, es thauet, es friert, es schneyt. Kehret man aber das hinterste zuförderst; so fragen sie: z.E. saget man das? schreibt man dieses? glaubet man solches? schläft man? ißt man? trinkt man gut? Imgleichen mit andern Fragewörtern: Wie lebet man? was saget man? was glaubet man? u.d.gl. Endlich auch: regnet es? schneyet es? Geht es gut? Steht es noch wohl? Was giebt es neues? Was machet man? Wie geht es? und dergleichen.


Die II Regel:


69 §. Unpersönliche Zeitwörter, die das man haben, nehmen die vierte Endung der Sache; gesetzt, daß sie vorhin schon die dritte Endung der Person foderten.


Z.E. Man trinkt den besten Wein; man ißt Gebratenes und Gebackenes; man geht seine Straße; man läugnet alles: [545] man schwört Stein und Bein; man hoffet alles; man besorget viel Böses u.d.gl. Die Ausnahme aber zeiget sich bey den folgenden: Man klaget mir seine Noth; man erzählet mir viel Neues; man hilft ihm, u.d.m. die schon oben angezeiget worden 17. Eine andere ist bey den zurückkehrenden Zeitwörtern, die ein sich fodern: denn da heißt es: Man hilft sich, so gut man kann; man bemühet sich umsonst; man trägt sich mit der Zeitung; man machet sich viel zu schaffen, u.d.gl.m.


Die III Regel:


70 §. Zeitwörter, so die vierte Endung der Person fodern, wann sie persönlich sind, behalten dieselbe auch, wann sie unpersönlich werden.


Z.E. Man liebet und lobet mich, man bittet mich, man versichert mich, man tröstet und stärket mich, u.d.gl. Dahin gehören auch folgende mit es: die als zurückkehrende (RECIPROCA) aussehen. Es gehöret sich, es findet sich, es giebt sich, es trägt sich zu, es gebühret sich, es geziemet sich, es schicket sich, es begiebt sich, u.d.gl. Imgleichen diese: es jammert mich, es erbarmet mich, es dauret mich, es reuet, vergnüget, belustiget mich, u.s.w.


Die IV Regel:


71 §. Unpersönliche Zeitwörter, die eine Leidenschaft oder sinnliche Begierde anzeigen, können nicht nur mit es, sondern auch durch michangefangen, und ausgesprochen werden, dabey das es wegbleibt.


Z.E. Mich dürstet, mich friert, mich gelüstet, mich hungert, mich jammert des Volks, mich reuet, mich schläfert, mich [546] schmerzet, mich verdreußt, u.d.gl. die sonst alle auch mit es anheben könnten. Dahin rechne man auch das, mich dünket: dahingegen dasdeucht, die dritte Endung vor sich hat, mir deucht. Daher hat die neue Ausgabe von Kanitzen unrecht also:


Von deinem schönen Zeug entdeck ich, wie mich deucht,

Schon manch geheimes Blatt, das durch die Zechen fleucht.

Denn daß Kanitz die dritte Endung für recht gehalten, erhellet aus der Strophe eines Morgenliedes:

Deine Pflicht kannst du erlernen

Von den Sternen,

Deren Gold der Sonne weicht,

So laß auch vor Gott zerrinnen,

Was den Sinnen,

Hier im Finstern schöne deucht.


Die V Regel:


72 §. Auch die unpersönlichen Zeitwörter, welche die dritte Endung fodern, wann das es voran steht, können dieses weglassen, und schlechtweg mit dem mir anfangen.


Z.E. Es begegnet, behaget, beliebet, gebühret, gefällt, glücket, geräth, geziemet, schadet, träumet, wiederfährt mir, u.s.w. können auch so stehen: Mir begegnet etwas, mir behaget dieses, mir beliebet es so, mir gebühret das, mir gefällt solches, mir glücket es, mir geräth es, mir geziemet das nicht, mir schadet es, mir träumet es 18, mir ist das wiederfahren, und dergleichen.


[547] Die VI Regel:


73 §. Einige unpersönliche nehmen gar keine Endung zu sich, die nämlich ohne Zuthun eines Menschen, von natürlichen Ursachen herrühren.


Z.E. Es blitzet, es brennet, es donnert, es friert, es faulet, es hagelt, es klappert, es klirret, es knastert, es regnet, es schloßet, es schmettert, es schneyet, es schwirret, es stinkt, es wanket, es wettert, es zittert und bebet, u.d.gl.m. Nur bey dem Regnen heißt es doch zuweilen, es regnet große Tropfen; und beym Frieren, es friert Keulen, es friert Eis; wie beym Brennen, es brennet Kohlen.

[548]
Das V Hauptstück
Das V Hauptstück.
Von Fügung der Mittelwörter.

1 §. I Regel:


Die Mittelwörter werden zuförderst im Deutschen gebrauchet, wie die Beywörter, und stehen also vor ihren Hauptwörtern in einerley Geschlechte, Zahl und Endung.


Z.E. Ein liebender Mann, eine liebende Frau, ein liebendes Kind; ein geliebter Sohn, eine geliebte Tochter, ein geliebtes Hündchen. Der verwünschte Tag, die verwünschte Nacht, das verwünschte Haus. Ein erseufzter Morgen, eine erbethene Stunde, ein verdammtes Jahr. Ein segnender Vater, eine segnende Mutter, ein gesegnetes Kind; die hohe vor Augen schwebende Noth; die seit vielen Jahren herrschenden Laster der Üppigkeit und Verschwendung 19.


Die II Regel:


2 §. Wenn man das Mittelwort nach einem Zeitworte setzet: so bedeutet es den Zustand, oder die Beschaffenheit der Person oder Sache.


Z.E. Ich fand ihn sterbend, oder mit dem Toderingend; er redete sitzend oder stehend; er kam eilend: dafür einige hernach eilends gesaget haben, als ob es ein Nebenwort [549] wäre. Er lebet unvermählet, unverheurathet; er stund ganz erschrocken und verwirrt; er liegt ganz entkräftet, schmachtend, und ächzend; er sitzt gefangen und gebunden; er thut es unwissend; er verhält sich leidend dabey, u.s.w. Nur hänge man hier kein unnützes e an, wie einige thun: leidende, wissende u.s.w. 20.


Die III Regel:


3 §. Hergegen ist es ein Misbrauch, wenn man die Mittelwörter aus ihrer rechten Bedeutung reißt, und sie von Personen auf Sachen, oder aus der leidenden Gattung in die thätige zieht, und umgekehret.


Z.E. Es ist ihm wissend; denn wissend gehöret zur Person, ein Wissender. Es sollte heißen, bewußt, bekannt. Die zu ihm tragende Liebe, oder hegende Freundschaft; ist falsch. Denn die Liebe und Freundschaft heget, und trägt nicht, sondern wird geheget und getragen. Imgleichen, die von ihm habende gute Meynung; ist falsch: denn die Meynung hat nichts, sondern wird von jemanden gehabt. Es soll heißen, die gute Meynung, die ich von ihm habe. Eben so falsch ist, ein säugend oder stillend Kind; denn ein Kind säuget und stillet nicht: es sollte heißen, ein saugendes Kind; ein Kind, das noch an der Brust ist, das gestillet wird, u.d.m.


Die IV Regel:


4 §. Es ist eine altväterische Nachahmung des Griechischen und Lateinischen, die wider den natürlichen [550] Schwung unserer Sprache 21 läuft, wenn man einen Satz mit einem Mittelworte der gegenwärtigen Zeit anfängt.


Z.E. Im gothischen Evangelio (im 16 Vers des zehnten Capitels Marci) steht: Ja gathlaithands jm, lagjands Handuns ana tho; d.i. ET COMPLEXANS EOS & IMPONENS MANUS SUPER ILLOS, oder deutsch: Und umarmend sie, und legend die Hände auf sie. Imgleichen im 23 V. Jah bisaihuands Jaisus; d.i. und besehend Jesus etc. Wir haben davon nur noch ein Paar alte Redensarten im Gebrauche; wenn wir sagen: Anlangend nun das Leben und Wandel, oder: Betreffend dieses oder jenes. Aber in allen andern Redensarten kann man dergestalt nicht anheben: z.E. Sehend, daß dieses geschah, sprach er etc. Auch so darf man nicht einmal sagen: Dieses sehend, sprach er etc. Selbst die obigen Redensarten klingen besser so: Was nun das anlanget, oder was jenes betrifft etc. Unsere Neulinge fangen indessen an, solche Barbarismen einzuführen, die allen deutschen Ohren einen Ekel erwecken.


Die V Regel:


5 §. Eben so ist es eine ungeschickte Nachäffung des Französischen, wenn man das Mittelwort der vergangenen [551] Zeit, gleich im Anfange der Sätze und Redensarten, brauchen wollte.


Z.E. Erschrecket durch deine Worte, kann ich dir nichts antworten; oder so: vergnügt über deinen Antrag, ergreife ich ihn mit beyden Händen. Das ist eine barbarische oder undeutsche Art zu reden und zu schreiben: die weder Luther, noch Opitz, noch sonst einer von unsern guten Schriftstellern, alsKanitz, Besser, Neukirch, oder Gundling und Mosheim gebrauchet haben. Sind aber ja einige Poeten, durch den Zwang des Syllbenmaßes, zuweilen verleitet worden, dieses zu wagen: so bleibt es doch ein Fehler, den man in ungebundener Rede nicht verantworten kann 22.


[552] Die VI Regel:


6 §. Hieher gehören auch solche Redensarten, die zwar nicht eigentliche Mittelwörter sind, aber doch so klingen; weil man die ausgelassenen Hülfswörter seyend, (ÉTANT) oder worden seyend, (AYANT ÉTÉ) ETC. darunter verstehen muß.


Z.E. Zu schwach, eine Schlacht zu liefern, zog er sich zurück, d.i. zu schwach seyend: aber wie barbarisch klingt das? Oder so: Verschrenkt (worden seyend), im tiefen Traum nachforschender Gedanken, schwingt ein erhabner Geist etc. Gleichwohl hat man unlängst angefangen, uns solche ungeheure Sprachschnitzer, als Schönheiten aufzudringen; indem man sich im Übersetzen allerley französischer und englischer Sachen, gar zu sclavisch an den Grundtext gehalten hat 23.


7 §. Die Einwürfe, die man hier machet, thun nichts zur Sache. Man führet Exempel von Mittelwörtern aus guten Schriftstellern, sonderlich aus Poeten an. Allein, 1) habe ich denn alle Mittelwörter verworfen? Man brauchet sie allerdings, nach der ersten und zweyten Regel als Beywörter im Deutschen, wie auch als Nebenwörter bey den Zeitwörtern: [553] und so kommen sie bey allen guten Scribenten vor. Kommen sie aber 2) in der Bibel zuweilen nach hebräischer, griechischer, oder lateinischer Art vor: so hat das seine Ursachen. Es ist bekannt, daß die biblischen Redensarten oft nach dem Hebräischen und Griechischen schmecken, auch oftmals nach der Vulgata lateinisch klingen. Ist das aber gut deutsch geredet, was ein HEBRAISMUS, GRÆCISMUS, oder LATINISMUS ist? Eben so wenig, als die GERMANISMI in den EPISTOLIS OBSCURORUM VIRORUM, gutes Latein sind.

8 §. Was 3) die alten Poeten betrifft, denn auch auf diese beruft man sich; so nehmen sie sich bey allen Völkern, wegen des Syllbenmaaßes, zuweilen Freyheiten heraus. So haben Virgil und Horaz zuweilen griechische Redensarten gebrauchet; die aber von den Kunstrichtern angemerket, und von prosaischen Schriftstellern der guten Zeiten nicht gebrauchet worden. Hätten nun einige deutsche Dichter dergleichen gethan, so wären sie darinnen ebenfalls nicht nachzuahmen. Endlich aber 4) setzen doch die besten deutschen Dichter die Mittelwörter nicht vom Anfange, sondern in die Mitte der Rede, nach der obigen zweyten Regel. Z.E. Opitz:


Der schwatze Schäfer steht bey einer hohen Linde,

Gelehnet auf den Stab.


Hier ist gelehnet, zwar ein Mittelwort: es steht aber nicht von forne. Und gleichwohl hätte es noch besser so stehen mögen:


Auf seinen Stab gelehnt.

Und in der Trostbücher II Buche:

Nun, unser weiser Mann, gewohnet nicht zu wanken,

Gewohnet durchzugehn mit feurigen Gedanken,

Zu stehn, als eine Wand, der wird durch nichts verletzt etc. 24.


[554] 9 §. Auch dieser Einwurf fällt endlich weg, wenn man saget: Man könne durch dergleichen neue Schwünge die Sprache bereichern; und mit kürzern Worten mehr Gedanken ausdrücken, als wenn man sich ihrer enthält. Eben dieses dachten die verwägenen Poeten in den abfallenden Jahrhunderten zu Rom auch; denen Virgil und Ovid zu wässerig und zu langweilig vorkamen: weil sie die Sprache mehr schoneten, und nicht so frech in neuen Wortfügungen waren, als ein Lucan, Silius, Statius,Claudian, u.a.m. Allein, was haben sie sich bey den Kunstrichtern für ein Urtheil dadurch zugezogen? Dieses, daß sie ehernes, ja eisernes Latein geschrieben, und nicht nachzuahmen sind. Eben dieses Urtheil werden die gedrungenen Dichter unserer Zeiten, die alle ihre Zeilen voll Mittelwörter stopfen, und der Sprache dadurch Gewalt thun, bey der gescheiden Nachwelt auch verdienen. Selbige hat nämlich in unsern besten Dichtern, Kanitzen, Neukir chen, Amthorn, Pietschen, Günthern und Hagedornen in aller ihrer Stärke erscheinen können; ohne sich auf eine so undeutsche Art der Mittelwörter zu bedienen 25.

Fußnoten

1 Ich weis es wohl, daß diese Regeln, von den Fragen wessen, wem, wen etc. einem Ausländer nicht viel helfen: außer wenn sie sich die Exempel, die hier gegeben werden, im Durchlesen geläufig machen. Allein, Einheimischen und Kindern, können sie doch Dienste thun: und für diese schreibe ich.

2 Warten wird auch in seiner andern Bedeutung so gefüget. Z.E. Kanitz schreibt:

Ich will am letzten Garten,

Der in der Vorstadt liegt, zu Fuße deiner warten.

Man saget auch, auf jemanden warten, und einen Kranken warten, d.i. pflegen.

3 Hier hüte man sich vor einer falschen Redensart, da einige sagen, sich der Sache Meister machen: da es heißen sollte, sich zum Meister einer Sache machen; wie man saget, sich zum Herrn einer Stadt, eines Landes machen, aufwerfen: nicht von einer Stadt, oder vom Lande: ob es gleich einige sagen möchten.

4 Imgleichen sprechen und schreiben einige: ich erinnere dich, oder mich daran. Dieses klingt aber bey weitem nicht so gut, als dessen. Man wirft mir ein: Keine Gewohnheit könne die Redensarten: ich erinnere mich das, ich unterstehe mich das; rechtfertigen. Antwort. Habe ich es denn gebilliget? Ich sage nur, daß einige so reden; und das letzte ist gewiß recht; obgleich dessen besser wäre.

5 Z.E. ein Niedersachs, Meklenburger, Märker und Pommer, wird wohl fragen: An wen hast du das gesaget, gegeben, u.d.gl.? wo er wem hätte fragen sollen. Daher kommen denn die schönen Brocken, die in dem kleinen Lustspiele, der Witzling, in der deutschen Schaubühne, an einem solchen Landsmanne verspottet werden. S. den VI Band, a.d. 522 u.f.S. Dahin gehören die Blümchen bey mich, mit den Hut auf den Kopf: ich bin in etliche Collegia gewesen. Ich hätte mich nicht vermuthet; aus meine Stube gehen. Ich mache mir einmal drüber; meine Anmerkungen über dem Aristoteles; wie ich noch in die Schule war. u.d.gl. Ja, damit die Herren Obersachsen nicht stolz werden möchten, so sind auch ihre Blümchen in diesem Stücke nicht vergessen worden: z.E. es ist mir ein Vergnügen, ihnen kennen zu lernen: ihnen hier zu sehen. Haben sie in Willens; ich werde Sie mit einer Dissertation aufwarten. Die Erfindungen gehören alle meine. Ich besinne mich nicht, etwas vonSie gelesen zu haben, u.d.m. lauter grobe Schnitzer!

6 Doch kann nennen, wenn es so viel, als heißen bedeutet, auch die vierte Endung bekommen: ichnenne dich meinen Freund: nenne mich nicht deinen Bruder etc.

7 Man machet mir hier den Einwurf, daß man gleichwohl auch saget: Den Cajus abfodern: das Geldauszahlen; die Tagelöhner bezahlen; eine Frau nehmen; den Wolf nennen; die Prinzenrauben; einen rufen, z.E. Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen, u.d.gl. Allein, man muß bemerken, daß man im ersten Falle, den Cajus als eine Sache betrachtet, die NB. einem andern, als einer Person abgefodert wird. Mit der Frau ist es eben so: denn man nimmt sie NB. als eine Sache, sich, oder für sich. Die sächsischen Prinzen wurden auchihren Ältern geraubet, und auch hier wurden sie selbst die gestohlne Sache. Es bleiben also nur zween Fälle übrig, wo neben der dritten Endung, auch die vierte zuweilen statt hat, nämlich bey dem Bezahlen der Tagelöhner, und dem Rufen des Sohnes. Allein, dergleichen Zeitwörter giebt es in allen Sprachen. Gleichwohl ist bey dem bezahlen der ACCUSATIVUS REI verschwiegen: widrigenfalls es auch hier heißen würde: den Arbeitern ihr Tagewerk bezahlen.

8 Es versteht sich hier abermal, was bey der vorigen Endung schon erinnert worden, daß man nämlich recht zu tragen wisse: Denn wenn z.E. ein Niedersachs hier fragete: Wem hast du lieb? Wem suchest du? so wird er auch antworten: mir. Joh. Ad. Hofmanns Schriften waren voll solcher Fehler, ehe man sie von guten Sprachrichtern verbessern lassen: und insgemein ist dieß das Schiboleth, wodurch sich Niedersachsen, aller ihrer Aufmerksamkeit ungeachtet, verrathen.

9 Vieleicht sollte man hier sagen, unter fünfzig Thalern. Allein, da man niemanden so reden höret: unter aber auch die vierte Endung nehmen kann: so kann man es dabey bewenden lassen. Daß es aber auch die sechste haben kann, wird bey den Vorwörtern erinnert.

10 Auch hier fehlen die Niedersachsen häufig. Z.E. Er geht am Hofe, in der Kirche, auf der Börse, sagen sie häufig, wenn sie sagen sollten nach Hofe, oder an den Hof, in die Kirche, auf die Börse; weil man hier überall wohin? fraget. Hergegen das zu undnach brauchen sie oft mit der vierten Endung; er frägt nach mich, er kömmt zu mich; welches in hochdeutschen Ohren sehr häßlich klingt.

11 Hier ist ein gelehrter Mann der Meynung: man solle lieber gestehen, daß einige Redensarten auf eine ganz eigensinnige Art von den Regeln abgiengen, wie z.E. schlechterdings; als daß man sie ganz verdammete. Allein, dieses thut man ja nicht; man weist nur, bey dem unbeständigen Gebrauche derselben, welcher der beste sey. So sagen einige Landschaften schlechterdinge, allerdinge. Allein dann siehts keinem Nebenworte gleich. Saget man aber allenfalls, allerseits, hinterrücks, so muß auch schlechterdings gelten.

12 Dieß thut dem Gebrauche des Wortes unter keinen Abbruch, da es die vierte Endung fodert: z.E. er ist unter die Mörder gefallen, oder gerechnet. Das über ist von eben der Art: sie fodern beydes. Indessen fehlen hier Brandenburger, Pommern, Meklenburger, Hollsteiner, Westphalen und überhaupt alle Niedersachsen, sehr häufig; wenn sie z.E. sagen: er ist ins Haus, in die Fremde, aufs Feld, hoch ans Brett; er ist unter die Leute gewesen, er hatmit die Sache zu thun; er versteht was von die Sache: Denn es sollte heißen, er ist im Hause, inder Fremde, aufm Felde, hoch am Brette, unterLeuten gewesen: er hat mit der Sache zu thun; er versteht was von der Sache.

13 Einige große Anbether des Alterthums bilden sich ein, oder wollen wenigstens andern einbilden, die Lateiner wären in diesem Stücke viel genauer gegangen, als wir zu thun pflegen. Allein, es ist ganz falsch. Auch ihre besten Stilisten fehlen hier mannichfaltig. Z.E.L.I. RHETOR, AD HER. IN EXORDIENDA CAUSA SERVANDUM EST, UT LENIS sit SERMO, & USITATA VERBORUM CONSUETUDO: Dieß sind zwey SUBSTANTIVA zu dem SINGUL. SIT. Cicero LIB. I. DE INV. C. 1. SÆPE ET MULTUM HOC MECUM COGITAVI, AN MALI PLUS attulerit HOMINIBUS & CIVITATIBUS, COPIA DICENDI, AC SUMMUM ELOQUENTÆ STUDIUM. NB. Wiederum zwey SUBJECTA, ZU ATTULERIT. Livius LIB. I C. 2. am Ende: SITUS EST, QUEMCUNQUE EUM DICI jus fasQUE est, SUPER NUMICIUM FLUMEN ETC. Der jüngere Plinius L. I EP. 3. QUID agit COMUM, TUÆ MEÆQUE DELICIÆ? QUID SUBURBANUM AMCENISSIMUM? QUID ILLA PORTICUS, VERNA SEMPER? ETC. IDEM IBID. HOC sit NEGOTIUM TUUM, HOC OTIUM, HIC LABOR, HÆC QUIES ETC. Nicht HÆC SINT ETC. Der Poeten itzo zu geschweigen, wo solches noch viel öfter vorkömmt.

14 Ein berühmter Sprachkenner hält diese Regel in allen lateinischen und deutschen Sprachlehren für überflüßig: weil ganz Europa so spricht. Aber mich dünket, das sind die besten Regeln, die in allen Sprachen gelten. Wollte Gott, daß sie alle so gemein wären!

15 Sonderlich bemerket man, daß die Oberdeutschen in Franken, Schwaben, Bayern und Österreich, mit der jüngstvergangenen Zeit sich gar nicht zu behelfen wissen, ja wohl itzt, und kaum geschehene Sachen mit der völlig vergangenen Zeit erzählen: welches uns denn sehr fremd und weitschweifig dünket.

16 Es wäre denn, daß man das einen OPTATIVUM nennen dörfte, wenn man die verbindende Art mit,möchte oder könnte ich das sehen, oder hören! abwandeln wollte. z.E. Kanitz:

Möchte mir ein Wunsch gelingen,

Dich nach Würden zu besingen etc.

17 Diese und die folgende Regel hätten zwar können zusammen gezogen werden, wie ein gelehrter Freund gemeynet hat: allein, weil die eine von dem CASU REI, die andere vom CASU PERSONÆ handelt, so ist es besser, man läßt sie getrennet.

18 Daß man nämlich mit der dritten Endung dieß Wort brauche, erhellet aus dem Neumeisterischen Gedichte bey Philanders Werken: wo es heißt:

Wer sagt mir, wie ich soll auf recht poetisch sagen:

Ich schlief, und träumte mir? Denn das ist zu gemein.

Und hernach:

– – Weg mit den Narrenpossen!

Viel besser kurz gesagt: ich schlief und träumte mir.

19 Man nehme hier die altväterische Fügung der Bibel aus: die heute zu Tage nicht mehr gilt. Z.E. Er ist wie ein Baum, gepflanzet an den Wasserbächen; d.i. wie ein am Wasser gepflanzter Baum.

20 Hieher gehöret auch der Misbrauch einiger Oberdeutschen, die bey Mittelwörtern gar die Syllbe er anhängen, z.E. er hat es unbesonnener gethan. Vieleicht haben sie das Wort Weise im Sinne; welches sie aber nicht verschweigen sollten. Wenn aber andere gar sagen: er ist todter, für todt; es ist gedruckter, für gedruckt; so ist es vollends ganz unverantwortlich.

21 Diesen natürlichen Schwung will jemand näher bestimmet haben. Allein, der Schwung einer jeden Sprache lernet sich bloß aus dem vielen Lesen der besten Schriftsteller, und aus dem Umgange mit gelehrten und wohlgesitteten Leuten; läßt sich aber durch Regeln nicht völlig bestimmen. Cicero gab zur Vorschrift eines Redners: UT ORATIO SIT LATINA, NON PEREGRINA. Wenn ihn nun jemand um nähere Bestimmung gebethen hätte, QUID SIT LATI NUM? Was würde er gesaget haben? Ich glaube, es würde geheißen haben, QUIDQUID NON EST PEREGRINUM. Eben so antworte ich auch: Was weder auf lateinischen und griechischen, noch auf französischen und englischen Schlag construiret ist; sondern was aufrichtige Deutsche, die keine andere Sprache können, auch reden und schreiben würden: das ist der eigentliche deutsche Schwung.

22 Wenn diese Sucht, Mittelwörter zu brauchen, ferner so fortgeht, so wird man auch noch wohl des alten Niklas von Weil Deutschungen etlicher Bücher Enee Siluii, etc. die 1536 herausgekommen sind, bald wieder nachahmen, der in seiner Vorrede schreibt: man müsse das lateinische SENES AMANTES VIDI PERMULTOS, AMATUM NULLUM, so verdeutschen: ich habe gesehen viel liebhabend Mann, aber liebgehapten keinen; oder auch den alten Übersetzer der schönen Schäferinn Juliana, (eines alten franz. Romans,) der einen Theil desselben so anhebt: Des hochtragenen und stolzen Phaetons Vater, welcher die krummen und gebogenen Gewölber des Himmels umspazierende, aller athemschöpfenden Thieren Leben, nachdem er ihnen solches verliehen, verzehret etc. Vortrefflich! Denn wie sehr könnten wir, traun! nicht unsere Sprache bereichern, wenn wir ein solches spannagelneues, oder vielmehr recht altbackenes und vermodertes Deutsch wieder in Schwang brächten? Gleichwohl überhäufen uns sonderlich die neuen wurmsamischen Dichter mit solchen Leckerbissen, die schon an den Pegnitzschäfern, und Zesianern vormals ausgelachet worden. Wo bleiben nun solche Mittelwörter, die nicht einmal einen rechten Verstand haben? z.E. Geschätztes Nichts der eiteln Ehre etc. Denn was soll man sich bey geschätzt denken? Ist das Nichts hoch oder niedrig geschätzet worden? Etwas schätzen heißt taxiren oderwürdern. So heißt denn jenes,

Taxirtes Nichts der eiteln Ehre!

23 Z.E. Die Nachwelt, angesteckt von ihrer Ahnen Blut,

Pflanzt Glauben mit dem Schwert, und dünget sie mit Blut.

Man wendet mir ein: Sterbend gieng er hin, lebend kam er wieder, das klinge ganz gut, sey verständlich, und beleidige das Ohr nicht. Ich gebe es zu. Klingen aber alle Mittelwörter der Neulinge so deutsch? Man saget nämlich auch mit andern Beywörtern so: Arm zog er aus, reich kam er wieder. Das ist also auch bey Mittelwörtern erlaubt. Übrigens ist es nicht genug, so zu schreiben, daß man zur Noth verstanden werden kann, wenn man recht Latein oder Deutsch schreiben will. Die GERMANISMI im Lateine sind auch zu verstehen, und taugen doch nichts. So ist es mit den LATINISMIS, GALLICISMIS, ANGLICISMIS im Deutschen auch.

24 Ob ich nun gleich an Opitzen solche Freyheiten entschuldige, ohne sie selbst nachzuahmen, und anzupreisen: so hat mir doch ein vornehmer und gelehrter von Adel aus Schlesien, sein Misfallen, über diese und andere dergleichen opitzische Abweichungen, von der regelmäßigen Wortfügung, deutlich zu verstehen gegeben; ja angerathen, alle solche Stellen, aus meiner Sprachlehre wegzustreichen. Allein, ich denke hier von Opitzen, wie Quintilian vom Ennius dachte: Ennium, SICUT SACROS VETUSTATE LUCOS, ADOREMUS: IN QUIBUS GRANDIA & ANTIQUA ROBORA JAM NON TANTAM HABENT SPECIEM, QUANTAM RELIGIONEM. L.X. C. 1. ED. GRYPH. LUGD. 1549. in 8. P.M. 511.

25 Ich weis auch wohl, daß einige sich auf denLongin berufen, der zuweilen ein ὕψος darinnen zu finden vermeynet, wenn dieser oder jener Schriftsteller von der gewohnten Wortfügung abgewichen. Allein, fürs erste sind wir von der griechischen Sprache versichert, daß sie viele Versetzungen der Wörter gelitten, die unsere Sprache nicht verträgt. Fürs andere sind wir keine JUDICES COMPETENTES mehr, die den Ausspruch thun könnten: ob die Abweichungen der Griechen und Römer, in recht zarten und kritischen Ohren der Alten, deren Muttersprache sie schrieben, eben so kühn und frey gewesen, als unserer deutschen Participianer ihre sind? Endlich drittens, ist es auch ausgemachet, daß nicht der Sprachschnitzer das ὕψος oder Erhabene ausgemachet; sondern, daß nur um eines erhabenen Gedankens willen, eine kleine Verwägenheit geduldet worden. Dessen ungeachtet erkläret Tanaquil Faber, in seiner kurzen Lebensbeschreibung der griechischen Poeten, den Äschylus für hart und unerträglich in der Schreibart, wegen seiner gar zu verwägenen Beywörter und Wortfügungen. Und was hat man nicht vom Lykophron, und seiner Dunkelheit gesaget? Eben derFaber zieht ein griechisches MSt. an, darinn erzählet wird: Lykophron habe einen Strick fertig gehalten, sich sogleich zu erhenken, wenn sich jemand fände, der sein Gedicht Cassandra verstünde, und alle Schwierigkeiten heben könnte. Allein, es sey niemand gefunden worden, der sich solches unterstanden hätte. Was kann das aber zur Entschuldigung derer Schnitzerhelden thun, die alle Augenblicke schnitzern, und bloß in seltsamen Wortfügungen ihre Schönheiten suchen; die aber kein ὕψος, sondern ein wahrhaftes ψύχος oder βάθος werden? Man sehe, was der engl. Zuschauer im 595 St. des VIII Bandes der engl. oder deutschen Ausgabe gleich anfangs davon schreibt; und was in der Belustigungen des Verstandes I B. von dem Schulmeister steht, der seinen Schülern immer das σκοτισον! zurief. Ich muß ein Paar Stellen daraus hersetzen, weil sie hieher gehören. Es ist die erste Strophe von der 515, und die letzte von der 517 Seite, des Brachmonats, 1742.

Ein Feind der Kunst, recht klar zu denken,

Der nur verjährte Bücher las,

Orbil, stund vor den vollen Bänken,

Darauf die junge Nachwelt saß.

Er floh mit Fleiß die klaren Stellen,

Nur wenn er etwas Dunkles fand,

Davon auch nichts im Faber stand;

So hörte man das Urtheil fällen:

Ihr Kinder! merkts euch, das ist schön!

Ich selber kann es kaum verstehn.

Ein loser Bube stund von weiten,

Dem Schalkheit aus den Augen lacht.

Der hatt' auf seine Trefflichkeiten,

Ein schwer zu lesend Lied gemacht.

»Erkiest, der Geister Kraft zu mehren,

Die kaum gewollte Glut durchbricht;

Erfrorner Seelen schmelzend Licht!

Erhabner Quell von höhern Lehren!

O! schrie Orbil: das, das ist schön,

Der Teufel selbst kanns nicht verstehn.«

Das VI Hauptstück
Das VI Hauptstück.
Von Fügung der Hülfswörter.
(VERB. AUXIL.)

1 §.


Von diesen Wörtern würde man es fast nicht nöthig haben, besondere Regeln zu geben, wenn nicht gewisse Misbräuche des vorigen Jahrhunderts es erfoderten, ihnen abzuhelfen. Denn theils hat man die Hülfswörter bey den Zeitwörtern gar zu oft weggelassen; theils hat man sie in der Fügung mit andern, auf die unrechten Stellen gesetzet. Beydes aber verursachet bald eine Dunkelheit, bald einen Übelklang; weswegen man dieser Unart vorbeugen muß. Z.E. Wenn ich so schriebe:


Dero Schreiben habe zu recht erhalten, und da sehr über die von Ihnen gemeldete Krankheit erschrocken, sogleich zum Vätter geschickt, solches melden zu lassen. Wenn hätte sollen oder können rathen; so hätte sagen würden, daß sie sich hätten sollen besser in acht nehmen; womit nebst dienstl. Gruß und Anwünschung guter Besserung bin und beharre etc. Hier fehlet überall das ich; und außer dem ist das hätte, sagen, würden, ein märkischer Provinzialfehler, den unter andern Reinbeck oft begangen; für, ich würde gesaget haben.


Die I Regel:


2 §. Die Hülfswörter, dörfen, haben, können, mögen, sollen u.d.gl. erfodern eben so wohl, als die andern Zeitwörter, die Wörterchen, Ich, Du, Er, bey sich; und diese sollen daher durchaus nicht weggelassen werden.


Es ist also eine eingebildete Zierlichkeit oder Bescheidenheit, wenn manche Briefsteller schreiben: Dero Zuschrift [557] habe erhalten, ohne das ich; dafürbin sehr verbunden, für bin ich, oder so: bitte sehr, mir damit zu helfen; oder, beharre, verbleibe, und ersterbe mit aller Hochachtung u.s.w. Alle diese Auslassungen des Fürworts ich, sind eine bey andern heutigen Völkern (die Wälschen ausgenommen), unerhörte Demuth oder Schamhaftigkeit, die weiter nichts, als eine Verderbniß der Sprache wirket. Scheuen sich denn Franzosen und Engländer ihr JE, oder I, zu setzen, wohin es gehöret? Oder sind diese Völker etwa nicht höflich 1?


Die II Regel:


3 §. Bey der völlig und längstvergangenen Zeit, lasse man das Haben, Seyn, und Werden nicht ohne dringende Noth, und erhebliche Ursache weg; damit man nicht dunkel und unverständlich schreibe.


Z.E. Wenn man schreibt: da er bey mir gewesen; da ich vernommen; da er gebohren und gestorben; u.d.m. Hier ist es allenthalben zweifelhaft, ob das ist, oderwar; das [558] habe, oder hatte; das ward oder worden; u.s.w. zu verstehen ist: welches aber den Sinn sehr undeutlich machet. Aus diesem Misbrauche aber ist noch ein anderer entstanden, da man gar die Wörterchen bin und habe, zu der Zeit ausläßt, wenn sie keine Hülfswörter, sondern rechte Zeitwörter sind: Als ich versichere dich, daß ich kein Geld (nämlich habe): oder wie Opitz schreibt:


Darf auf der wüsten See nicht immer furchtsam schweben,

Von Winden umgeführt, da zwischen Tod und Leben

Ein daumendickes Brett. (ist)


Die III Regel:


4 §. Wann indessen zuweilen viele solche Hülfswörter zusammen stoßen sollten: so kann man freylich, um des Wohlklanges halber, dasjenige, welches der Deutlichkeit unbeschadet, am entbehrlichsten ist, weglassen.


Die Schreibart der Kanzleyen und Gerichtsstäten, ist bisweilen an weitschweifigen Wortfügungen so fruchtbar, daß wohl drey, vier solche Hülfswörter kurz hinter einander kommen. Hier ist es nun rathsam, ein haben, seyn, oder werden, zu verbeißen, damit die Weitläuftigkeit nicht zu groß werde, und einerley Ton nicht zu oft komme, und keinen Ekel erwecke. Exempel kommen überall vor.


Die IV Regel:


5 §. Auf die Bedingungsformeln; Dafern, wofern, im Falle, wann, wenn, u.d.gl. folgen die Hülfswörter nach ihren Zeitwörtern, am Ende des Sinnes: läßt man sie aber weg, oder fraget schlecht weg, so stehen sie ganz forn.


Z.E. Wenn du das überlegen wolltest. Dafern sie das gethan haben; im Falle ihr euch entschließen könnet; [559] u.d.gl. Dieß kann auch heißen: Wolltest du das überlegen; Haben sie das gethan; Könnet ihr euch entschließen; u.d.gl. Imgleichen im Fragen: Sollen wir dahin gehen? wollen wir diesen Schimpf erdulden? Sollte man das denken? u.d.gl.


Die V Regel:


6 §. In allen Aufmunterungen und Wünschen, wo kein O daß! oder Ach! vorher geht, steht auch das Hülfswort vor seinem Zeitworte.


Z.E. Laßt uns von hinnen gehen! Laßt uns eilen! Möchten wir doch den Tag erleben! Könnten wir uns doch endlich retten! Müßten wir nur den Jammer nicht ansehen! Sollten wir nur nicht alle die Noth erleben! Hätte ich nur meine Freyheit! u.d.gl. Kanitz schreibt:


Möchte mir ein Lied gelingen,

Sie nach Würden zu besingen!

Und Flemming singt:

Wollte sie nur, wie sie sollte!

Und sollt ich nur, wie ich wollte etc.


Die VI Regel:


7 §. Es ist eine große Unrichtigkeit, wenn eine gewisse Landschaft spricht: ich hätte ihn loben würden; anstatt daß es heißen sollte, ich würde ihn gelobet haben.


Denn ich hätte würden, ist in der Abwandelung des Hülfswortes werden, gar keiner Zeit gemäß: (S. im 4 §.) ja das habe schicket sich ganz und gar nicht zum werden. Hergegen aushaben, kann mit dem werden, schon die bedingte zukünftige Zeit entstehen:


ich würde haben, (HABITURUS ESSEM)
du würdest haben,
er würde haben, u.s.w.

[560] Und daraus entsteht hernach der Ausdruck; ich würde gesaget, gethan oder gelobet haben. Wem die obige Redensart nicht bekannt ist, der kann sie in einigen märkischen Schriftstellern z.E. im Reinbek finden.


Die VII Regel:


8 §. Wann viele Hülfswörter bey einem Zeitworte zu stehen kommen: so setze man eins vor, die andern nach demselben; damit sie nicht gar zu dick auf einander kommen.


Z.E. ich versichere dich, daß ich dahin würde gekommen seyn, wenn ich nicht wäre abgehaltenworden. Dieses klingt etwas besser, als wenn man, gekommen seyn wäre, und abgehalten worden wäre, geschrieben hätte. Hergegen wenn nur ein einziges Hülfswort da ist, so muß es in der verbindenden Art allemal hinten stehen; wie in dem I Abschnitte des VI Hauptstückes der Wortforschung, bey der Abwandelung des Hülfswortes gewiesen worden.


Die VIII Regel:


9 §. Wenn das Wort werden ein Hülfswort eines andern Zeitwortes ist, so verliert es in der völlig und längst vergangenen Zeit die Vorsyllbe ge; ist es aber ein selbständiges Zeitwort, so behält es dieselbe.


Z.E. Ich bin gelehret worden; du bist geliebet worden; er ist befördert worden, nicht geworden. Hergegen sagen einige unrecht: Er ist Graf, Hofrath, Doctor, Magister worden. Denn weil hier kein ander Zeitwort ist, so muß das Worden, sein ge behalten; er ist Kanzler, Abt, Pfarrer, Rector u.s.w. geworden 2.


[561] Die IX Regel:


10 §. Es ist ein Misbrauch im Reden, wenn einige die völlig und längstvergangene Zeit thätiger Zeitwörter, mit einem doppelten habe, zu bilden pflegen.


Z.E. Ich habe es ihm gesaget gehabt, ich hätte es ihm gerathen gehabt, u.d.gl. Alle dieß gehabt ist überflüßig, und saget nichts mehr, als wenn es nicht da stünde. Nun kommen zwar diese und dergleichen Fehler in Schriften nicht so leicht vor: aber wenn sie Fehler sind, so muß man sie, auch der Redenden wegen, anmerken, und davor warnen.


Die X Regel:


11 §. Wenn man den Anfang gemachet hat, in einem Satze eine gewisse Zeit der Hülfswörter, oder andrer Zeitwörter zu brauchen: so muß man damit durchgehend fortfahren: es wäre denn, daß die Sache selbst eine Änderung erfoderte.


Z.E. Er sprach zu mir, ich sollte ihm, wenn ichwollte und könnte, (nicht will und kann) den Gefallen thun. Wenn ich aber nicht dörfte odermöchte, (nicht, darf und mag, oder gedorft, oder gemocht) so bäthe er mich doch, ihn zu schonen;verbände sich auch mit aller Aufrichtigkeit, mich schadlos zu halten. Imgleichen so: Was ich vermocht habe, das habe ich gethan, (nicht, that ich, oder thue ich;) so gut ich gewußt und gekonnt, (nicht, weiß oder kann). Oder so: Was ich zu deinem Besten nützlich befinden werde, das werde ich nicht unterlassen; will dir auch mit allem Vermögen beystehen, u.d.m.


12 §. Weil auf den rechten Gebrauch der Hülfswörter im Deutschen sehr viel ankömmt, wenn man deut lich reden, und recht verstanden werden will: so muß man sich durch das Lesen der besten Schriftsteller, in ihrem rechten Gebrauche [562] befestigen. Denn die Gewohnheit ist der große Lehrmeister der Sprachen: und alle diejenigen fehlen, die aus Neuerungssucht, etwas besonders aushecken, das den Leuten fremd, neu und unerhört vorkömmt. Dergleichen ausgekünstelte Wortfügungen nun machen auch die Rede dunkel und unverständlich: wovor uns Cicero und Quintilian, als dem größten Fehler eines Schriftstellers, so oft gewarnet haben 3.

Fußnoten

1 Ich weis wohl, daß auch schon in alten Büchern zum Theil, das ich verbissen worden: allein, wie nicht alles Alte schlecht ist, so ist auch nicht alles gut, was bey den Alten vorkömmt. Man muß unparteyisch wählen, was der Vernunft, dem Muster der besten Sprachen, und dem richtigern Gebrauche gemäß ist. Der gute Camerarius mag also immerhin in seinen 1572 zu Leipzig gedruckten Dialogen geschrieben haben: Habs vernommen etc.bins zufrieden etc. will davon sagen etc. u.d.gl. Er ist kein AUTOR CLASSICUS, dem man folgen müßte, wenn man was bessers findet. D. Luther hat es in der Bibel nirgends ausgelassen; ja auch in seinen andern Schriften wird man es selten vermissen. Und gesetzet, er hätte es auch ausgelassen: so gilt doch bey mir Quintilians Ausspruch: NEQUE ID STATIM LEGENTI PERSUASUM SIT, omnia, quæ magni autores dixerint, utique esse perfecta. NAM & LABUNTUR ALIQUANDO, & ONERI CEDUNT, & INDULGENT INGENIORUM SUORUM VOLUPTATI; NEC SEMPER INTENDUNT ANIMUM, & NONNUNQUAM FATIGANTUR: CUM CICERONI DORMITARE INTERDUM DEMOSTHENES, HORATIO VERO ETIAM HOMERUS IPSE VIDEATUR. L.X.C. 1. ED. GRYPH. 1549. P. 502.

2 Eben so ist es mit wollen. Ich habe das thun wollen, ist recht: denn hier ist es ein Hülfswort. Allein, ich habe gewollt, ist ein selbständiges Zeitwort: Aber ihr habet nicht gewollt: steht in der Bibel.

3 Der letzte schreibt im Eing. seines VIII B. PRIMUM SUNT OPTIMA, MINIME ACCERSITA, & SIMPLICIBUS, ATQUE AB IPSA VERITATE PROFECTIS SIMILIA. NAM ITA, QUÆ CURAM FATENTUR, FICTA & COMPOSITA VIDERI ETIAM VOLUNT, NEC GRATIAM CONSEQUUNTUR, & FIDEM AMITTUNT: PROPTER ID, QUOD SENSUS OBUMBRANT, & VELUT LÆTO GRAMINE SATA STRANGULANT – –. ATQUI SATIS APERTE CICERO PRÆCEPERAT, IN DICENDO VITIUM, VEL MAXIMUM ESSE: a vulgari genere orationis, atque a consuetudine communis sensus abhorrere. SED ILLE DURUS ATQUE INERUDITUS! Nos melius! QUIBUS SORDENT OMNIA, QUÆ NATURA DICTAVIT! QUI NON ORNAMENTA QUÆRIMUS, SED LENOCINIA: QUASI VERO SIT ULLA VERBORUM, NISI REBUS COHÆRENTIUM VIRTUS!

Das VII Hauptstück
Das VII Hauptstück.
Von der Fügung der Nebenwörter,
(ADVERBIORUM.)

1 §. 1 Anmerkung.


Einige Nebenwörter pflegen in besondern Wortfügungen wohl gar als Nennwörter gebrauchet zu werden.


Dahin gehören, Nichts, Nun, Huy, Pfuy, Ja, Nein, u.d.gl. Z.E. Er haschet ein großes Nichts. Aus Nichts wird Nichts. In einem Nun. Das Nun oderNiemals eines Christen. Das Huy und Pfuy der Welt. In einem Huy. Opitz singt:


Eh man die Lippen rührt,

So wird dein Ja gespürt.

Und Kanitz schreibt:

Die alle fodern Geld, und wollen mit dem Nein,

Das ich davon gebracht, nicht abgewiesen seyn.


2 Anmerkung.


2 §. Die meisten Beywörter können entweder schlecht weg, mit Wegwerfung der Geschlechtsendungen, er, e und es; oder mit der angehängten Syllbe lich, welche von gleich, (englisch LIKE, oder lik plattdeutsch) herkömmt, zu Nebenwörtern werden.


Z.E. gut machen, schlimm schreiben,krumm biegen, gerad klopfen, fromm werden, kurz, oder klein schneiden, [564] lang recken, u.d.m. Diese nun leiden das lich entweder gar nicht, oder nur in besondrer Bedeutung bey sich. Denn wenn ich sage: er thut sich gütlich; ich bin nur kürzlich da gewesen; das Holz ist länglich: so sind dieß wohl noch Nebenwörter, aber nicht mehr in der vorigen Bedeutung. Hergegen, leicht, schwer, heilsam, gehorsam, grimmig, ämsig, heilig, selig, grob, u.a.m. nehmen das lich schlechterdings an, und behalten ihre Bedeutung doch; als leichtlich,schwerlich, wenn nur von keinem Gewichte die Rede ist u.s.w.


3 Anmerkung.


3 §. Auch viele Nennwörter können, vermittelst der Syllben, lich, sam, und bar, zu Nebenwörtern werden, eben so, wie sie sich dadurch in Beywörter verwandeln.


Z.E. Von Herr, herrlich, er führet es herrlich hinaus: von Wirth, wirthlich; von Zier, zierlich; vonLob, löblich; von Ehre, ehrlich, ehrsam, und ehrbar; von Wunder, wunderlich, wundersam, und wunderbar; von Furcht fürchterlich, furchtbar und furchtsam. Nur ist von diesen letztern zu merken, daß sie nicht einerley bedeuten. Denn das erste und zweyte bedeuten etwas, davor man sich fürchtet; das letzte aber einen, der sich fürchtet.


4 Anmerkung.


4 §. Alle Nebenwörter halten sich gemeiniglich zu den Zeitwörtern, und stehen in der verbindenden und unbestimmten Art vor ihnen; in den übrigen Arten aber hinten.


Z.E. daß er viel wünschet, wenig fodert, nichts hoffet; stark laufen, schnell reiten, schön schreiben, bald kommen, lange bleiben, u.d.m. Hergegen saget man: ich laufe stark, er reitet schnell, sie schreiben schön, du kömmst bald, ihr bliebet lange, lauf geschwind, schreibe gut, komm her, geh hin, u.d.gl. Allein, weil die völlig und längst vergangene [565] Zeit, mit den Hülfswörtern aus der unbestimmten Art, gebildet werden: so müssen auch hier die Nebenwörter zwar nach dem Hülfsworte, aber vor dem Zeitworte stehen: z.E. ich bin stark gelaufen, nicht, ich bin gelaufen stark; ich hätte fleißig geschrieben; ich werde bald antworten, u.d.m.


5 Anmerkung.


5 §. Die verdoppelte Verneinung, die noch im vorigen Jahrhunderte bey guten Schriftstellern gewöhnlich war, um desto stärker zu verneinen, muß itzo in der guten Schreibart ganz abgeschaffet werden.


Man sagte z.E. damals: ich habe ihn niemals nicht gesehen; Es wird ihm dadurch nichts nicht entgehen; Es kann es keiner nicht so gut. Und Opitz schreibt:


Zwar eine stolze Feder

Ein Ring, ein güldnes Schwert, und auch ein güldnes Leder,

Schmeißt keine Feinde nicht.


Allein, heute zu Tage spricht nur noch der Pöbel so. Artige Leute vermeiden es, und zierliche Scribenten noch mehr. Ich habe ihn niemals gesprochen; dadurch entgeht dir nichts. Es thuts ihm keiner gleich, u.d.m. ohne das Nicht 1. Auch beym verbiethen, untersuchen, brauchet es keine Verneinung hinten nach. Ich verbiethe dirs, das zu thun, ohne nicht. Er hat mirs untersaget, ihn zu nennen.


[566] 6 Anmerkung.


6 §. Es ist etwas besonders, daß man auch einen ganzen Spruch im Deutschen, mit dem Worte Nicht beschließen kann.


Z.E. Gott verläßt die Seinen nicht. Ein Soldat muß den Degen führen, aber ein Gelehrter nicht; oder thut es nicht; brauchet ihn nicht; führet ihn nicht. Das machet aber, daß die Verneinung bey uns, wie alle Nebenwörter, nur vor der verbindenden und unbestimmten Art der Zeitwörter stehen kann; allen andern Arten aber nachgesetzet wird. Z.E. Ich sage dir, daß ich dich nicht höre; Ich kann, will und mag esnicht thun. Ich habe es nicht gehöret (NB. gehöret, ist aus dem INFINITIVO, oder der unbestimmten Art). Ich werde es nicht hören; (hören ist eben daher).


7 Anmerkung.


7 §. Das Verneinungswort, nicht, wird auch zuweilen mit Zeitwörtern verbunden, um einige Hauptwörter daraus zu bilden.


Z.E. Das Wollen und Nichtwollen; das Haben und Nichthaben; das Wissen undNichtwissen; oder so: Nichtmehrthun ist die beste Buße. Imgleichen wie Opitz schreibt:


Ihr Wissen, und Nichtthun, ihr scheußliches Gemüthe

Dringt meines schmerzlich durch.


Denn ob wir gleich das Un, auch dergestalt brauchen könnten, so schicket es sich doch zu Zeitwörtern nicht. Der Unwillen, saget man wohl, aber nicht das Unwollen; die Unwissenheit, aber nicht das Unwissen. Doch saget man mit neuen Vorsyllben, beunruhigen, verunzieren.


[567] 8 Anmerkung.


8 §. Es ist ein Misbrauch, daß viele das Un vor den Nebenwörtern, immer in ohn verwandeln wollen.


Sie sagen also falsch, ohnmöglich,ohnwissend, ohnnöthig, ohnachtsam,ohnmenschlich, ohnchristlich, ohnerträglich u.d.gl. Denn hier sollte überall, sowohl als bey den Hauptwörtern, Unmöglichkeit, Unwissenheit, Unachtsamkeit u.d.gl. die Syllbe un, als das griechische α PRIVATIVUM, stehen. Ein anderes ist es mit dem Worte ohnmächtig, welches von Ohnmacht kömmt: und mit ohngefähr, welches aus ohne, und gewahr werden, zusammengesetzet worden, und also die Spur seines Ursprunges noch behalten muß. Man sage also auch, unartig, unfleißig, unbarmherzig, unerheblich, unbedachtsam, unerhört etc. nicht ohnerhört etc. 2


9 Anmerkung.


9 §. Die Alten vermischten die Wörterchen vor, und ver, wenn sie vor den Zeitwörtern stehen. Es ist aber ein großer Unterschied zwischen beyden; indem das eine absonderlich, das andre aber unabsonderlich ist.


Vertreiben ist nicht vortreiben: vergeben ist nicht vorgeben; verweisen ist nicht vorweisen; verlegen, nicht vorlegen; vergehen, nicht vorgehen; verwerfen, nicht vorwerfen; u.d.m. Vor bedeutet allemal eine Zeit, oder einen Ort; Ver aber niemals.Vor hat auch allemal einen langen, Ver aber einen kurzen Laut. Das Vor wird aber von einigen [568] Landschaften gewissen Wörtern unnöthig vorgesetzet; z.E. Vorfinden 3.


10 Anmerkung.


10 §. In Oberdeutschland wird die Syllbe Anauf eine merkliche Art gemisbrauchet, wenn man sie in Reichskanzleyen, vor solche Zeitwörter setzet, die dadurch auf keine Weise bestimmet werden können, etwas mehr oder weniger zu bedeuten.


So spricht man z.E. anerfodern; anermessen;anbedeuten; anerlauben; angewähren; anheut;ansonst; u.a.m. die noch wohl viel ärger klingen. Hier steht aber das an überall müßig und umsonst; und verlängert die Wörter ohne Noth. Ein anders ist es, mit anrathen, anordnen, anweisen, anzeigen, anmerken, u.a.m. die ihren guten Grund haben, und ohne das an etwas weniger bedeuten würden.


11 Anmerkung.


11 §. Das Wörtchen vor wird überall mit gutem Rechte gebrauchet, wo von Zeit und Ort die Rede ist, wie das lateinische ANTE, PRÆ und CORAM.


Daher ist es ganz unrecht, wenn viele schreiben fürlegen, fürschreiben, fürbilden, fürmalen, fürstellen, u.d.gl. da es doch überall vor heißen sollte; weil man einem etwas vor die Augen leget, schreibt, bildet, malet und stellet. Diese betrafen den Ort: folgende zielen auch auf die Zeit; als vorgehen, vorlaufen, vorfahren, vorreiten, vortraben, vorziehen, u.d.gl. davon auch die Hauptwörter Vorgänger, Vorläufer, Vorfahr, Vorreiter, Vortrab, Vorzug, Vorbild, vornehm, u.a.m. kommen.


[569] 12 Anmerkung.


12 §. Für muß nur in denen Fällen gebrauchet werden, wo man, anstatt eines andern, oder in seinem Namen, oder ihm zu gute etwas thut; welches der Lateiner mit PRO ausdrücket.


Z.E. Man muß sagen: für einen bitten, für einen sprechen, schreiben, reden, zahlen, leiden, u.d.gl. davon der Fürbitter, die Fürbitte, der Fürsprecher, oder die Fürsprache, imgleichen eine Fürschrift kömmt; die von einer Vorschrift ganz unterschieden ist. Jene bedeutet eine INTERCESSION, oder ein Empfehlungsschreiben: diese aber einen Befehl, oder ein Muster, das mannachschreiben soll. Nur das Wort Vormund 4 ist durch die lange Verjährung, auch wider die Regel eingeführet, ob es gleich eigentlich ein Fürmund heißen sollte: weil ein solcher für die Unmündigen sprechen muß 5.


[570] 13 Anmerkung.


13 §. Es ist kein geringer Misbrauch, wenn einige von vielen zusammengesetzten Nebenwör tern, die ersten Syllben abbeißen, und sie dadurch so verkürzen, daß oft eine Undeutlichkeit und Zweydeutigkeit entsteht.


Z.E. Aus hervor, machen sie vor, und daher aus hervorziehen, vorziehen; aus hervortreten, vortreten; aus hervorlangen, vorlangen; aus hervorbringen, vorbringen; u.d.m. welches dann Verwirrungen in der Bedeutung verursachet. Eben so machen sie aus heraus, raus, aus hinein, nein, aus herab, herauf,rab, und rauf, aus herunter und hinunter, runter und nunter: und was dergleichen Verstümmelungen mehr sind, dadurch die Sprache allmählich wankend und ungewiß gemachet wird. NB. Die Geschwindigkeit im Sprechen, muß im Schreiben den Ursprung der Wörter nicht unkenntlich machen.


14 Anmerkung.


14 §. Auf das Nebenwort, desto, folget je, und auf je, desto; außer in etlichen sprüchwörtlichen Redensarten, worinn das je zweymal vorkömmt.


Z.E. Ich werde dich desto höher schätzen, je größer die Freundschaft ist, die du mir hiedurch erzeigest. Oder so: Je mehr Proben deiner Liebe du mir gegeben hast, desto eifriger werde ich auf Gegendienste denken. Die Sprüchwörter aber sind folgende: je länger hier, je später dort; je länger, je lieber; je krümmer Holz, je bessre Krücke: je ärger Schelm, je besser Glück. Je länger, je ärger, u.d.gl.


15 Anmerkung.


15 §. Die Nebenwörter werden ihren Zeitwörtern nach, und nicht vorgesetzet; wenigstens kommen sie zwischen den Hülfswörtern und Zeitwörtern zu stehen.


[571] Z.E. Ich komme bald; mache fort; geh geschwinder. Er studieret fleißig; er kömmt schon; sie fechten tapfer; Wir haben herrlich gesieget; unsere Heerewollen löwenmüthig kämpfen. Daher ist es falsch, wenn einige aus wunderlicher Nachahmung der Franzosen, die das DEJA bisweilen im Anfange setzen, auch im Deutschen, eine Rede mit Schon anfangen, z.E. Schon brach der Tag an etc.Schon sah man die Morgenröthe erscheinen etc. Denn welcher Deutsche hat jemals so geredet? Man spricht: der Tag brach schon an etc. 6.


16 Anmerkung.


16 §. Eine Ausnahme von der vorigen Regel geben die Wörter ab, die eine Beschleunigung einer Sache andeuten; denn diese setzet man, gleichsam die Eilfertigkeit anzudeuten, in einer Gemüthsbewegung, auch von forne.


Z.E. Bald will ich da seyn! Sogleich soll es geschehen! Stracks will ich kommen! Augenblicklich war er da! Plötzlich schlug die Bombe nieder! Unverhofft brach der Boden ein, u.d.m. Zu diesen rechnet man auch das Kaum; denn man spricht: Kaum war er angekommen, als er sich so erklärte etc.


[572] 17 Anmerkung.


17 §. Die Nebenwörter, die eine Zeitfolge bedeuten, pflegen auch mehrentheils im Anfange der Sätze zu stehen.


Z.E. Damals geschah es etc. Nachmals hat sich die Sache geändert. Nachdem man die einheimischen Sachen in Ordnung gebracht, so gieng der Feldzug an. Als dieß geschehen war, oder vorgieng etc. Da Jesus gebohren war, etc. Seit der Zerstörung Jerusalems, sind die Juden in alle Welt zerstreuet. NB. Das Wörtchen Seit ist aus Zeit entstanden, und wird also übel sint der Zeit, oder seit der Zeit geschrieben: denn das ist eine unnöthige Verdoppelung: Zeit der Zeit. Es soll heißen seit dem, oder sint dem. Sobald, aber, kann gar nicht anders, als von vorne gebrauchet werden. Z.E.Sobald er ins Zimmer trat, sprach er etc. Es müßte denn ein denn, oder ein und vorhergehen.


18 Anmerkung.


18 §. Viele Nebenwörter werden nicht nur mit den Zeitwörtern, sondern auch wohl mit Nennwörtern, mit Mittelwörtern und andern kleinern Redetheilchen verbunden.


Z.E. Sehr schleunig; gar früh; hübsch fleißig; fein artig; nur einmal; kaum ein paarmal; heftig erzürnet; ein sehr geliebter Sohn; innigst geliebter Freund; hoch geschätzter Gönner; gerade zu; gleich gegenüber; schlecht weg; lange hernach: weit davon; kurz darauf; gleich hinterher, u.d.m.


19 Anmerkung.


19 §. Daher wird man sich nicht wundern, daß verschiedene Nebenwörter auch gewisse Endungen der Hauptwörter zu sich nehmen.


Z.E. Die zweyte fodern diese, innerhalb der Stadt; außerhalb unsers Gebiethes. Jenseit des Rheins; diesseit [573] der Alpen; laut meines Versprechens; kraft seiner Zusage; vermöge meines Ansehens, u.d.gl. Die dritte begehren: Seit dem Tage, seit dem Male, seit der Stunde, seit meinem Versprechen; längst dem Flusse, neben dem Ufer hin, nächst dem Meere etc. Dahin könnte man auch die Ausrufungen Weh! und Wohl! rechnen; die gleichfalls die dritte Endung fodern: Weh mir! Wohl euch! Wohl uns! 7


20 Anmerkung.


20 §. Folgende Nebenwörter folgen auf einander: Wann, alsdann; oder wenn, so; so lange, bis; nachdem, so; wie, so. Wie, oder gleichwie, also; soweit, als; dafern, oder wofern, so etc. Weil, oder dieweil, so; nachdem, so; sowohl, als; zwar, dennoch, oder gleichwohl, u.d.gl.


Z.E. Wann du das Deine thun wirst, alsdann werde ich auch das Meine thun; wenn du willst, so komm; so lange will ich warten, bis du fertig bist; wie du es mit mir machest, so mache ich es mit dir; gleichwie es zu den Zeiten Noä gieng, also wird es bey der Ankunft des Menschensohns seyn; so weit kann man dieses erlauben, als es billig ist.Dafern er kömmt, so will ich ihn beherbergen;weil ers verlanget, so soll ers haben; nachdem, als, oder da ich das gesehen, so habe ich mich geändert; so wohl die Deinigen, als die Meinigen; das gebe ich zwar zu, gleichwohl fraget sichs etc.

Fußnoten

1 Ein gelehrter Gönner, der sich aber nicht zu nennen beliebet, meynet, weil das Deutsche in diesem Stücke mit dem Griechischen eine Ähnlichkeit hätte, so sollte man diese Verdoppelung nicht abschaffen. Ich würde es auch gewiß nicht thun, wenn es nicht schon von sich selbst abgekommen wäre. Aufbringen aber kann und mag ich es von neuem nicht: denn selbst im Griechischen war das ου μη, ein Überfluß, und folglich keine Schönheit. Und was gewinnet der Franzos mit seinem NON PAS, anders, als einen Umschweif? JE NE VOUS DIS PAS, heißt doch nur, ich sage euch nicht, ohne den geringsten mehrern Nachdruck.

2 Überaus undeutsch ist es auch, wenn man dasnicht dadurch zu ersparen, saget, und schreibet: Wir werden ohnermangeln, es wird euch hiermitohnverhalten. Ich habe diese Erinnerung meinem schlesischen Gönner zu danken: die aber vielen Reichsstilisten sehr nöthig ist.

3 Man will zwar dieß Wort damit entschuldigen, daß es heißen soll, etwas antreffen, das schon vor uns da gewesen ist. Allein, muß denn nicht alles, was man finden soll, schon vorher da gewesen seyn?

4 Einige, die alles im Deutschen, recht haarklein suchen und auskünsteln wollen, wollen durchaus auchFürmund sagen; sie bedenken aber nicht, daß man in allen Sprachen dem Gebrauche etwas nachsehen muß. Z.E. die Lateiner brauchen das PRO, in PROCONSUL PROCURATOR, recht; aber in PROPONERE, unrecht: denn hier heißt es nicht anstatt eines andern, oder für einen andern etwas thun. ANTE und PRÆ werden auch oft vermenget, und nicht immer in einerley Sinne gebrauchet, wie PRÆCELLERE, ANTECELLERE, PRÆCEDERE, und ANTECEDERE, PRÆSUL und ANTISTES sattsam zeigen. Wer will es nun begehren, daß das Alterthum im Deutschen überall richtig geblieben seyn soll? Wenn wir nur die übrigen Verwirrungen des für und vor, aus Bibeln, Gesangbüchern und Katechismen loswerden könnten, so wollten wir bald eine richtigere Schreibart bekommen. Z.E. In der ganzen Litaney ist das Für falsch, anstatt vor gesetzet. Aber welcher Herausgeber von Gesangbüchern versteht die Sprachkunst? Luthers Glauben singt recht; er sorget für uns; imgl. für uns, die wir waren verlohren.

5 Man sehe hiervon mit mehrerm der kritischen Beyträge I Band, a.d. 130sten u.f.S.

6 Es ist indessen dieses nicht von einer völligen Bestimmung der Zeit zu verstehen, die mit dem Wörtchen schon ganz wohl angefangen werden kann. Denn wenn Kanitz schreibt:

In meiner Jugend schon, auf den bestäubten Bänken,

Hub sich die Kurzweil an etc.

So hätte man auch sagen können: Schon in meiner Jugend; imgl. Schon zu unserer Väter Zeiten; u.d.gl. Dieß ist allen geläufig, aber das andere ist eine bloße Nachäffung der Franzosen. Z.E. Schon verderbten sie ihre Muttersprache: als kaum die Hälfte des XVIIIten Jahrhunderts verflossen war! Wird es nicht schön lauten, wenn man dereinst so von unsern Neulingen schreiben wird?

7 Hier ist es eine wunderliche Neuerung und Nachäffung der Engländer, wenn einige Heil dir! Heil ihm! Heil uns! zu schreiben anfangen. Was für einen Mischmasch wird man aus dem Deutschen noch machen, wenn das so fortgeht! Wer saget denn bey uns: Glück dir! Noth ihm! Tod ihnen!

O IMITATORUM SERVUM PECUS! QUAM MIHI SÆPE

BILEM, SÆPE JOCUM VESTRI MOVERE TUMULTUS!

Das VIII Hauptstück
Das VIII Hauptstück.
Von Fügung der Vorwörter
(PRÆPOSITIONUM.)

1 §. 1 Anmerkung.


Die Vorwörter werden zwar hauptsächlich vor die Nenn- und Fürwörter gesetzet, und fodern daher gewisse Endungen derselben, gleichwohl werden sie auch vielfältig den Zeitwörtern beygefüget, so daß sie bald vor, bald hinter denselben zu stehen kommen.


Z.E. Vor ist ein Vorwort, wenn man saget, vor dem Hause, vor mir; aber man setzet es auch bey schreiben, lesen, sagen, gehen, tragen, u.d.gl. und zwar bald von vorne: vorschreiben, vorlesen, vorsagen, vorgehen, vortragen: bald hinten; als, ich schreibe vor, du liesest vor, er saget vor, wir giengen vor, ihr truget vor, u.d.gl. Durch ihre Hülfe werden die meisten zusammengesetzten Zeitwörter gebildet.


2 §. Was für Endungen der Nenn- und Fürwörter die Vorwörter zu sich nehmen, ist oben in dem IX Hauptstücke des II Theils bereits angezeiget worden. Wir dörfen also hier nicht erst Regeln daraus machen, sondern nur einige besondere Fälle anmerken, die von jenen Regeln abweichen; oder sonst durch Misbräuche einschleichen wollen. Z.E.


2 Anmerkung.


Die zusammengesetzten Vorwörter, umher, vorher, dahin, hinterher, u.d.gl. pflegen in vielen Fällen wieder getrennet zu werden.


[575] Als: dieser wird vor mir her gehen; Er warf das Buch da vor mich hin; Er gieng hinter dem Wagen her. Oder wie Opitz schreibt:


Und das fischreiche Meer,

Lief noch mit seiner Fluth nicht um die Felder her.


3 Anmerkung.


3 §. Das Vorwort ohne nimmt zwar insgemein die vierte Endung zu sich, wenn es vor dem Hauptworte steht: setzet man es aber hinter demselben, so nimmt es die zweyte.


Z.E. Ohne mich könnt ihr nichts thun. Ohne deinen Beystand, vermag ich nichts. Zweifelsohne wirst du mich fragen, d.i. ohne Zweifel. Doch ist dieses eine ganz besondere Redensart, die sich auf keine andere Art nachmachen läßt. Man kann nämlich nicht sagen: Kummersohne, Gefahrohne, u.d.gl. Dagegen bildet man von diesem letztern das Nebenwortohngefähr; welches auch wohl zum Hauptworte wird, wenn man saget: Ein blindes Ohngefähr 1.


4 Anmerkung.


4 §. Das Vorwort wegen, steht zwar oft vor seinem Hauptworte, aber bisweilen, nach Art einiger andern Vorwörter, auch hinten: wie willen und halben, welche niemals vorne stehen.


Z.E. Eines bösen, oder zweydeutigen Worteswegen, muß man mit keinem Freunde brechen. Um deines Herzens Härtigkeit willen; deines Bestenshalben, habe ich das [576] gethan. Sonst würde daserste heißen müssen: Wegen der Wahrheit und Tugend, muß man auch etwas leiden: Von wegen der Kinder, entziehen sich oft die Ältern das Nöthige. Sonst spricht man auch, dessen ungeachtet, dem entgegen, dem zufolge, dem zuwider, dem Leibe und der Seele nach, u.d.m. alswodurch, dadurch, hindurch, damit.


5 Anmerkung.


5 §. Das Wort von nimmt zwar sonst die sechste Endung zu sich; doch giebt es eine Redensart, da es auch die zweyte neben sich leidet:


Z.E. Von Alters her. Nun sagen zwar einige auch von anfangs her; allein, dieß ist bey den besten Scribenten nicht gewöhnlich. Es muß heißen,vom Anfange her. Man merke auch folgende Redensarten, darinn das von, einmal an, einmal aber auf nach sich begehrt: Z.E.


O Gott! ich bin nicht werth, daß du mir so viel Güte,

Von Kindesbeinen an, bis diesen Tag erzeigt etc.

Imgleichen:

Von Kindheit an, hab ich in großer Menge

Die Proben deiner Huld gespürt etc.


Kanitz.

Hergegen saget man immer, von Jugend auf; nicht von Jugend an: das habe ich alles gehalten,von meiner Jugend auf.


6 Anmerkung.


6 §. Wenn gleich gegen insgemein die vierte Endung fodert, so heischet doch das zusammengesetzte entgegen, die dritte.


Z.E. Er kam mir entgegen. Wir wollen ihm entgegen gehen. Sonst ist wegen des Wortsgegen, zu bemerken, [577] daß es einige ganz unrecht mit wider vermengen; da doch jenes gemeiniglich eine freundliche, dieß aber eine feindliche Bedeutung hat. Ein Freund hat gegen den andern eine aufrichtige Neigung; imgleichen hat man Ehrfurcht und Hochachtung gegen jemanden; nicht wider. Hingegen heißt es: du redest wider deinen Bruder; imgleichen, man streitet wider den Feind. Andere sprechen: das hat er wider mich gesaget, anstattgegen mich; aber falsch, weil es nichts widriges gewesen ist. Gegen heißt ERGA, wider CONTRA. Er ist mir zuwider, CONTRARIATUR MIHI. Er ist zugegen, PRÆSENS EST 2. Mosheim und andere Niedersachsen fehlen hier oft.


7 Anmerkung.


7 §. Das Vorwort für, nimmt allemal die vierte Endung zu sich, und bedeutet eine Bestimmung des Eigenthums und Nutzens, imgleichen eine Vertretung des andern, oder anstatt (VICE, LOCO, PRO).


[578] Z.E. Das ist für mich bestimmet; das war für mich aufgehoben, mitgebracht, gekommen, gekaufet, ausgesuchet, u.d.m. Für wen machest du, kaufest du, bauest du das? Für meinen Freund, Bruder, u.s.w. Ferner: Christus hat für uns gelitten, bezahlet, das Gesetz erfüllet. Er ist für uns gestorben: Gott sorget für uns. Der Sachwalter spricht für seinen Clienten. Der Bürge steht und zahlet für den Schuldner. Gott sey Dank für seine Gnade; für seine Ehre wir danken 3.


8 Anmerkung.


8 §. Hergegen das Vorwort vor, nimmt zuweilen die vierte, zuweilen auch die sechste Endung zu sich, nachdem die Fragen sind.


Auf die Fragen Wann und Wo, ist es die sechste Endung. Z.E. Wann hat er gelebet? vor funfzig Jahren, vor meiner Zeit, vor zweyen Jahrhunderten.Wo steht er? Vor seinem Hause. Wo steht das Haus? vor der Kirche. Wo bist du gewesen? Vor der Stadt, vor dem Thore. Hergegen auf die FrageWohin, folget die vierte Endung. Wo gehst du hin? Ich gehe vor das Gericht, vor den Richter. Ich trete vor den Altar; der Feldherr stellet sich vor die Spitze seines Heeres 4.


9 Anmerkung.


9 §. Weil dieses noch nicht zulanget, alle Zweifel wegen des Gebrauches dieser Worte zu heben: so merke [579] man, daß man das vor allenthalben brauchen muß, wo die sechste Endung gewöhnlich ist.


Z.E. Ich heule vor Unruhe meines Herzens; denn ich kann sagen, vor großer Unruhe etc. Vor Angst und Kummer; vor Gram und Noth; ist aus eben der Ursache recht. Vornehm aber, nicht fürnehm;vortrefflich, nicht fürtrefflich, muß man deswegen sagen: weil man wohl eine Sache vor der andernnehmen kann, weil sie besser ist, nicht aber für die andere; weil dieses eine Verwechselung bedeuten würde; und weil man wohl eine Sache vor der andern, d.i. eher, als die andere treffen wird, wenn sie besser ist; nicht aber für die andere, weil sie sonst gleich seyn müßten. Kurz, Zeit und Ort, fodern vor, nicht für.


10 Anmerkung.


10 §. Das Vorwort gegen, nimmt zwar sonst die vierte Endung; allein, mit über zusammengesetzt, richtet es sich nach diesem, und nimmt die dritte.


Man saget z.E. gegenüber mir, gegenüber der Kirche, dem Rathhause. Es ist auch 2) zu merken, daß diese Wörter bisweilen getrennet werden können, und die dritte Endung doch behalten. Z.E. Er wohnet gegen dem Schlosse über; er bauet gegen dem Markte über. Endlich 3) können sie auch nach dem Hauptworte, welches sie regieren, zu stehen kommen; z.E. Unserm Hause gegenüber steht die Bibliothek; der Kirche gegenüber stehen die Pfarrhäuser, u.s.w.


11 Anmerkung.


11 §. Zu den Vorwörtern, die schon a.d. 395 S. als solche angegeben worden, welche die dritte und vierte Endung in verschiedenen Umständen fodern, sind noch folgende zu setzen: neben, hinter, unter und zwischen.


[580] Denn bedeuten sie eine Bewegung nach einem Orte zu, so nehmen sie die vierte Endung: Setze dich neben mich; tritt hinter mich; wirf es unter den Tisch; der Hund nimmt den Knochen zwischen die Zähne. Zeigen sie aber eine Ruhe, oder das Befinden an einem Orte an; so begehren sie die dritte: z.E. Er sitzt neben mir; er steht hinter mir; ich stehe unterdem Baume; er hält das Brod zwischen den Fingern, u.s.w.


12 Anmerkung.


12 §. Da nun dieses auch von den übrigen dieser Art, als an, auf, über und in zu verstehen ist: so reden alle diejenigen Landschaften falsch, wo man spricht:


Er hat nicht an mir geschrieben; ich denke anihnen (sie); sie sind auf mir gefallen (mich); er geht auf dem Berge (den Berg); sie lachen über mir (mich); ich gehe über der Brücke (die). Er geht inder Kirche, (die Kirche). Wir gehen im Walde, wenn man sagen will, wohin man geht, in den Wald. Denn die Fragen wo? und wohin? unterscheiden hier die Endungen: auf die erste dienet die dritte; auf die letzte aber die vierte Endung zur Antwort.Wo ist er? An dem Hofe; im Garten; auf dem Berge; über dem Flusse. Wo geht er hin? an den Hof, in den Garten, auf den Berg, über die Brücke. S. das Nachspiel, der Witzling, im VI B. der deutschen Schaubühne.


13 Anmerkung.


13 §. Ein anderer Misbrauch geschieht mit den Wörtern bey und zu; wenn man sie theils verwechselt, theils mit unrechten Endungen setzet.


So sagen z.E. einige Provinzen: Er kömmt bey mir, wo es heißen sollte, zu mir: denn bey bedeutet gar keine Bewegung, sondern ein Seyn oder Bleiben an einem Orte. [581] Daher ist es auch falsch, wenn man saget: Er ist bey mich gewesen; denn es soll heißen, bey mir. Noch falscher ist es, wenn man zu, mit der vierten Endung setzet, die es niemals haben kann; z.E. ich komme zu Sie; anstatt zu Ihnen. Denn wer saget wohl, Sie kommen zu mich? So falsch dieses ist, eben so unrecht ist auch jenes: obgleich einige in diesem und andern Schnitzern eine Art von Höflichkeit zu finden meynen. Z.E. Ich bin bey Sie gewesen, anstatt bey Ihnen. S. das obige Schauspiel nach.


14 Anmerkung.


14 §. Eben dergleichen Unrichtigkeiten gehen mit den Vorwörtern von und mit, im gemeinen Leben vor, und zwar nur dann, wann man besonders höflich zu reden meynet.


Man saget nämlich ganz unrecht: Ich habe dasvon Sie bekommen; ich kam eben von Sie: da es doch heißen sollte, von ihnen: denn kein Mensch saget in Meißen, Sie haben das von mich bekommen; oder er kam von mich. Ferner: Ich will mit Sie gehen, ich werde schon mit Sie davon sprechen; sind eben so falsch, als gewöhnlich: weil niemand hier spricht: Er will mit mich gehen, oder er wird mit mich sprechen 5. Dieselbe Endung nämlich, die ein Vorwort in gleichen Fällen einmal hat, muß es auch behalten.


15 Anmerkung.


15 §. Eine gleiche Complimentirsucht hat uns auch fast alle übrige Vorwörter zu verkehren angefangen; [582] woraus nichts, als eine Verderbniß der guten Sprache entstehen kann.


So sagen einige: Ich will das, durch Ihnen bestellen; Ich ließ mich nebst Sie melden; ich thue das von wegen Ihnen, oder von wegen Sie. Ich gieng hinter Sie; ich werde ja nicht vor Sie gehen; ich gehöre hinter Ihnen; ich begehre nicht über Ihnen den Rang; es ist mir Ehre genug, nach Sie zu gehen, u.d.gl. Dieses alles sind ungeheure Sprachschnitzer, die unmöglich eine Rede höflicher machen können, als sie sonst seyn würde.


16 Anmerkung.


16 §. Manche Vorwörter verwandeln sich auch in Nebenwörter, und nehmen alsdann gar keine Endung zu sich.


Z.E. Es geht alles drüber und drunter; es läuftüber und über; es geht durch und durch; es kömmt so nach und nach; er ist überall oben darauf. Denn obgleich hier das Dar ein Fürwort zu seyn scheint, welches von auf regieret wird: so scheint es doch nur so; denn es ist das Nebenwort des Ortes da, welches nur mit dem auf, durchs r zusammengeschmolzen ist. Auch das altfränkische für und für gehöret hieher, imgleichen die Redensarten: Er weis weder aus noch ein; er läuft auf und ab; er geht hin und her.


17 Anmerkung.


17 §. Noch ein Misbrauch wird in einigen Landschaften mit dem Vorworte an begangen, wenn man es mit seiner Endung zu einem Zeitworte setzet, welches eigentlich die dritte Endung fodert.


Z.E. Er gab es an mich, statt mir; ich habe esan ihn gegeben, statt ihm; er meldet es an mich, anstatt mir, [583] ohne an. So viel ist indessen gewiß, daß diese niedersächsische Art zu reden, in dem Munde der alten Franken, die übern Rhein gegangen, zu der französischen Fügungsart Gelegenheit gegeben; DITES – LE À LA REINE; RENDRE À L'ENNEMI: DONNER À QUELQU'UN: als wo das à augenscheinlich aus unserm an entsprungen ist. Doch saget man noch: an den Hof, an den König oder Fürsten, an den Rath, an die Universität etwas berichten; für, dem Könige, Fürsten, Hofe, oder der Universität etc.


18 Anmerkung.


18 §. Gewisse Vorwörter werden zu einigen wenigen Hauptwörtern, ohne das Geschlechtswort, ganz bloß gesetzet; können aber in andern Redensarten nicht so gebrauchet werden.


Z.E. Er zieht zu Felde; er lebet bey Hofe; er gehtnach Hofe; er fällt zu Boden; er sinkt zu Grunde; er geht zu Biere, zu Dorfe, zu Rathhause etc. Hier kann man nicht sagen: er zieht zu Acker 6; er lebet bey Dorfe; er geht nach Stadt; sondern nach der Stadt; nicht er geht zu Kirche, sondern zur Kirche. Eben so saget man: der Mann ist bey Jahren, bey Vermögen, bey Verstande. Eben das geschieht, wenn man, die Materie eines Dinges anzuzeigen, das Wort von, beym Hauptworte, anstatt des Beywortes brauchet: z.E. Das Crucifix ist von Silber, anstatt silbern; der Tisch ist von Stein, von Holz, anstatt steinern, hölzern 7.


[584] 19 Anmerkung.


19 §. Die Namen der Länder und Städte, imgleichen die Wörter, Hof, Haus, und Tisch werden mit den Vorwörtern nach, zu, bey und von, ohne Artikel, ohne Geschlechtswort gebrauchet.


Z.E. Ich reise nach Wälschland, Frankreich, Rom, Wien, Dresden; er ist zu London, Paris, Amsterdam; ich komme von Hamburg, Berlin, oder Breslau. Es liegt bey Königsberg, Stockhohn oder Coppenhagen. Eben so saget man, er geht nach Hofe, oder nach Hause; er kömmt von Hofe, von Hause; er ist bey Hofe, er ist zu Hause. Beym Worte Tisch ändert es sich etwas: man saget nämlich: vor Tische, nach Tische, will ich das thun: sie sind bey Tische, wir gehen zu Tische, sie kommen von Tische. Man saget zwar auch, er ist, oder geht zu Bette; aber nicht nach Bette, auch nicht, er kömmt von Bette.


20 Anmerkung.


20 §. Die Namen der Länder leiden auch zwar etliche von den obigen Vorwörtern ohne Geschlechtswort vor sich; nur ist das zu und vonausgenommen.


Man saget also recht: Er ist aus Schlesien, Pohlen, Preußen, er geht nach Pommern, Mechelburg 8 und Hollstein; er lebet in Westphalen, Hessen, Thüringen; es liegt bey Schwaben, Holland oder Brabant. Nur bey einigen geht dieß nicht an: als z.E. die Mark, die Pfalz, die Schweiz, die Lombardey, die Türkey, die Wallachey, die Bulgarey und die Lausitz, erfodern allemal ihr Geschlechtswort: er ist aus der Mark, er geht nach der Pfalz, es liegt bey der Schweiz, [585] er begiebt sich in die Lombardey, er lebtin der Türkey, u.s.w. Aber man kann nicht sagen: Er ist zu Pohlen, zu Frankreich; oder er kömmt von Schottland, Dännemark, sondern in Pohlen, in Frankreich, aus Schottland, u.s.w.


21 Anmerkung.


21 §. Gleichwohl hat das zu, eine ganz andere Bedeutung, wenn es bey einem Lande gesaget wird; denn es zeiget eine Herrschaft über dasselbe Land an.


Z.E. Karl der VI schrieb sich, zu Germanien, Hispanien etc. König. Die Kaiserinn ist zu Hungarn, Böheim, Croatien etc. Königinn. So saget man, Churfürst zu Sachsen, zu Brandenburg etc. Herzog zu Braunschweig, Markgraf zu Meißen, Landgraf zu Hessen, die Grafen zu Stollberg, u.d.m. Allein, [586] es ist auch hier eine gewisse Unrichtigkeit, die mit Regeln nicht auszumachen ist. Man saget nämlich bey gewissen Ländern lieber in, als zu: als König in Pohlen, in Preußen, in Schweden, in Dännemark, u.s.w. nicht zu Pohlen, zu Preußen, etc. Bey etlichen saget man auch lieber von. Z.E. König von Frankreich, von England, von Spanien, von Portugall, von Sardinien, von Neapolis. Dieses sind Unterschiede, die man aus der Übung und aus dem Gebrauche lernen muß.


22 Anmerkung.


22 §. Wenn zweyerley oder mehr Hauptwörter auf ein Vorwort folgen, so verlieren sie nicht nur das Geschlechtswort; sondern auch die Endungsbuchstaben, die sie sonst haben würden.


Z.E. Man saget sonst recht in der Noth und im (d.i. in dem) Tode. Allein, wenn man sie beyde vereiniget, so heißt es: in Noth und Tod. Eben so saget man: Mit Gut und Blut, in Freud und Leid, mit Rath und That; einenvon Land und Leuten jagen: einen ohne Klang und Gesang begraben. Durch Feuer und Wasser gehen: er sitzt auf Tod und Leben, bey Brod und Wasser; er liegt in Ketten und Banden, u.d.m.


23 Anmerkung.


23 §. Das Wörtchen zu, hat noch in verschiedenen Redensarten einen Gebrauch, der ihm eigen ist, und bald durch auf, bald durch in, bald noch anders erkläret werden kann.


Z.E. zu Pferde, d.i. auf dem Pferde; zu Schiffe, eben so. Er liegt zu Bette, er geht zu Bette; heißt, er liegt im Bette, oder geht ins Bette. Er ärgert sich zu Tode; heißt, bis auf [587] den Tod. Mir ist nicht wohl zu Muthe; heißt im Muthe, oder Gemüthe. Es will ihm nicht zu Leibe; heißt, in den Leib. Etwas zu Papiere bringen, heißt aufs Papier;zu Markte gehen, heißt auf den Markt gehen, um etwas zu verkaufen. Endlich zu Stuhle gehen, bedeutet, sich auf einen gewissen Stuhl setzen.


24 Anmerkung.


24 §. Das Vorwort vor, hat auch in der Verbindung mit Hauptwörtern, oft die Art, daß es den Artikel vertreibt, und die Bedeutung von aus,oder wegen bekömmt.


Z.E. Er zittert vor Furcht; d.i. aus Furcht; er bebet vor Angst; d.i. aus. Ich weis mich vor Kummer nicht zu lassen; d.i. wegen des Kummers. Vor Hunger und Durst sterben, heißt wegen des Hungers und Durstes sterben. Ich kann vor Kälte nicht gehen oder stehen; d.i. wegen der Kälte. Hergegen sagen einige falsch: ich thue das vor die lange Weile; oder vor die Lust. Denn hier bleibt erstlich das Geschlechtswort nicht aus; 2) ist hier das für mit seiner vierten Endung nöthig; für die lange Weile d.i. zum Zeitvertreibe; für die Lust, oder noch besser, zur Lust.


25 §. Man muß sich gar nicht wundern, daß ich so viele Regeln von den Vorwörtern gebe. Denn 1) ist es gewiß, daß in ihrem rechten Gebrauche eine große Schönheit einer jeden Sprache besteht: und wer sie recht innen hat, der besitzt eine große Stärke im Ausdrucke. 2) Werden darinn im gemeinen Leben, sonderlich in gewissen Landschaften, die meisten Fehler begangen, die sich hernach auch in die Schriften einschleichen, und die Sprache verderben. 3) Hat man ja von dem Gebrauche der lateinischen Partikeln ganze Bücher geschrieben; wie Tursellin gethan: und was dem erlaubet gewesen, das muß uns auch freystehen. Endlich 4) sind diese Anmerkungen noch bey weitem nicht alles, was sich davon sagen läßt. Künftig will ich noch mehrere sammlen.

Fußnoten

1 Dieß Wort kömmt von dem Wahrnehmen, gewahr werden, oder gewahren, wie die Alten redeten. Wenn solches nun unversehens geschieht, ohne es gewahr zu werden, oder wahrzunehmen; so heißt es ohngewahr, ohngefähr.

2 Auch das canzellistische: Cajus entgegen Sempronium, gehöret mit zu den übrigen Barbareyen dieser Schreibart. Von anderer Art aber ist die Anmerkung eines großen Sprachkenners, daß in den Worten, Gegner, Gegensatz, Gegenpart, und einigen andern, die schon von altem Herkommen sind, gleichwohl auch der Begriff der Widerwärtigkeit stecket. Man kann dieses nicht läugnen, so wenig man das wider in gewissen alten Wörtern von der sanftem Bedeutung, ganz freysprechen kann; z.E. erwiedern, d.i. Antwort geben. Allein, in alten Sachen hat bisweilen die Verjährung statt; und man sieht unsern Vorfahren bisweilen nach, worinn man ihnen nicht nachahmen würde. Da es aber, logisch zu reden, sehr heilsam ist, wenn die Wörter, so viel möglich, bestimmte Bedeutungen haben; sollte man denn nicht nach dem Grundsatze des Bessern, lieber wider von gegen unterscheiden, als beyde vermengen wollen? Das Widerspiel, der Widerspruch, die Widerrede, widerwärtig, widerlich, einWidersacher, widersinnisch, er ist mir zuwider u.d.gl. zeigen ausdrücklich eine gänzliche Widrigkeit an. So ist es denn billig, daß man dasgegen, so viel sich thun läßt, zu gelindern Bedeutungen brauche. Erwiedern, kann auch wohl vonwiederum kommen.

3 Hiezu kömmt noch die Redensart, was ist das für ein Mann? was für ein Ding ist das? wo viele fälschlich vor brauchen. Denn dieses ist ein bloßes ANTE, und geht nur auf Zeiten und Örter: wie schon oben erinnert worden.

4 In allen diesen Fällen brauchen einige ganz urecht das für; und man kann nicht läugnen, daß selbst in der Bibel es bisweilen unrecht steht, ein Fürbild, u.d.gl. imgl. in der Litaney, für allen Sünden, für allem Irrsal, u.d.gl. wo überall vor stehen sollte. Das Alterthum brauchet immer einige Nachsicht.

5 In der Mark, Pommern, Meklenburg, Holstein und ganz Niedersachsen sind diese Fehler im Reden seht gemein: die vorigen aber in Obersachsen. Doch seit dem letzten Kriege, da soviel Brandenburger, Westphäler, Magdeburger und Pommern 6 Jahre in Sachsen gelegen; haben diese auch noch falscher sprechen gelernet, und es heißt fast bey uns, wie Cicero von Rom saget: OMNIS PEREGRINITAS IN URBEM EFFUSA EST. Dieß schreibe ich 1762, im Häumonde.

6 Wenn man gleich in einigen Landschaften sagen möchte, der Bauer geht zu Acker: so kann man doch nicht sagen, er geht zu Wiese. Dieses bestätiget abermal meine obige Anmerkung.

7 Nur hüte man sich, mit einigen neuern Schreibern schlechtweg zu sagen: ein Mann von Stande, von Vermögen, von Verdiensten u.d.gl. Ein Mensch von Eigenschaften, ein Frauenzimmer von Schönheit, von Tugend, u.d.gl. Das sind lauter GALLICISMI. Denn hier fehlen überall die Beywörret dazwischen, z.E. von gutem oder schlechtem Stande, von großem oder geringem Vermögen, von vielen oder wenigen Verdiensten; von guten oder schlechten Eigenschaften; von besonderer, oder mäßiger Schönheit und Tugend. Gleichwohl ist auch dieses schon neu, u.d.gl.

8 Ich schreibe mit Bedacht Mechelburg; denn so soll dieß Wort geschrieben werden, um seinen Ursprung anzuzeigen. Es kömmt von Michel, welches vormals groß hieß, und mit dem griechischen μεγαλος übereinstimmte, u. von Burg: Michelburg, oder Mechelburg heißt also die große Burg: so wie hingegen Luxenburg, oder Lützelburg, wie es die Alten schrieben, die kleine Burg hieß. Damit stimmet denn auch die Benennung MEGALOPOLIS sehr wohl überein. Und vieleicht kömmt selbst die Benennung, ein Deutscher Michel, bloß daher, daß die alten Deutschen mehrentheils große ansehnliche Leute gewesen. Denn der hebräische Namen Michael schicket sich hier gar nicht her. Man will mir die Rechtschreibung von Mechelburg abdisputiren. Allein, ich habe ein altes Manuscript deutscher Heldenlieder von 1400 und etlichen 80: darinn steht beym mecklenburgischen Wapen: Balthasar von Gotz Gnaden Herczog czu Mechelwurgk. Wer beym k bleiben will, kann es indessen thun. Ich zeige nur den Sinn und Ursprung. Daß aber Rostock, wie man mich bereden will, von Roß, ein Pferd, und tock, ein Zug, d.i. einem Aufzuge zu Pferde herkomme, werde ich schwerlich glauben. Ich weis längst, daß dieß Wort wendischer Abkunft ist; so gut, als Lübeck und Leipzig selbst. Wären Ritterspiele da gehalten worden: so müßte es vorher schon eine Stadt gewesen seyn, die darum ihren Namen nicht geändert haben würde. Warum hieße es nicht gar Rasttag?

Das IX Hauptstück
Das IX Hauptstück.
Von Fügung der Bindewörter.
(Conjunctionum.)

1 §. 1 Anmerkung.


Das Bindewort und, nebst andern seines gleichen, knüpfet gleiche Zahlen und Endungen der Hauptwörter zusammen.


Z.E. Geduld und Hoffnung; Glück und Zeit etc. Zeit und Stunde ist noch nicht da. Gnädigster König und Herr! Mein Herr, und mein Gott, u.s.w. Es müßte denn seyn, daß in Ansehung der Zahlen, die eine Sache, so ihrer Natur nach, nur einfach oder vielfach wäre, dennoch mit einer andern entgegengesetzten zusammengehörte: z.E. Kaiser und Stände des Reichs; Sonne, Mond und Sterne etc. Sowohl der König, als seine Unterthanen. Sonst aber würde es ein Fehler seyn, zu sagen: ich habe Tag und Nächte vergebens gewartet. Es muß heißen: Tag und Nacht; oder Tage und Nächte. Er rühret weder Hand und Füße, ist falsch; es muß heißen, weder Hände noch Füße, oder weder Hand noch Fuß. Haben die lateinischen Dichter das nicht beobachtet, wie man mir einwendet: schlimm genug!


2 Anmerkung.


2 §. Die Bindewörter verknüpfen auch gleiche Arten und Zeiten der Zeitwörter mit einander.


Z.E. Wo er geht und steht, nicht stund; was wir wünschen und hoffen, nicht hoffeten. Das will ich thun [589] oder lassen. Wenn sie nun so nahe auf einander stehen, so fällt es freylich nicht schwer, solches zu beobachten: allein, wenn die Rede weitläuftiger wird, so fehlen hier sehr viele Schriftsteller: Z.E. Er trat ihm das Land mit allen landesherrlichen Hoheiten und Gerechtigkeiten ab; und hat sich dessen, zu ewigen Zeiten, für sich und seine Nachkommen, beyderley Geschlechts, begeben. Dieß ist falsch: denn es muß in der jüngstvergangenen Zeit bleiben, und begab sich dessen etc.


3 Anmerkung.


3 §. Gewisse Bindewörter stehen niemals allein, sondern fodern ihre Gefährten; die man ihnen richtig zuordnen muß, wenn die Rede deutlich werden soll.


Z.E. Auf weder, folget noch; Er scheuet weder Gott noch Menschen; weder Tod noch Leben. Er glaubet weder Himmel noch Hölle. Es ist also falsch, wenn einige das noch, nach nichts setzen; z.E. er will nichts (weder) davon hören, noch sehen. Man darf auch das weder nicht zweymal setzen; wie Rothfischer, ein Bayer, schrieb: sondern es muß darauf ein noch folgen. Auf wiewohl, folget doch oder jedoch; auf zwar kömmt gleichwohl, oder jedoch, oder jedennoch; auf nicht allein kömmt sondern auch; auf entweder folget oder; auf obschon, oder obgleich, kömmt so, doch, oder gleichwohl, oder nichts destoweniger; auf wie, folgetso. Gleichwohl, dennoch, und doch, setzen wenigstens ein Widerspiel voraus. Wer nun dieses nicht beobachtet, der schreibt unrichtig, und wird undeutlich.


4 Anmerkung.


4 §. Die meisten Bindewörter stehen im Anfange der Rede; nur und, auch, doch, aber, und alle, die eine Schlußfolge [590] anzeigen, stehen bald vorne, bald nach andern Wörtern.


Z.E. Und es begab sich, daß etc. Auch dieses ist noch zu merken etc. Doch will ich dir nichts vorschreiben etc. Aber nach dreyen Tagen trug sichs zu e.tc Hier hätte man auch sagen können: Nach dreyen Tagen aber etc. Die übrigen von der letzten Classe heißen also: Daher, deswegen, derowegen, derohalben, deshalben, dannenher und d. gl. Denn man spricht eben sowohl:Also bleibt es dabey; als: Es bleibt also dabey. Daher ist es nun gewiß, daß etc. und: Es ist also daher 1 gewiß. Derowegen sage ich, und: Ich sage derowegen etc. u.s.w.


5 Anmerkung.


5 §. Die Bindewörter, willen und halben, stehen allemal nach denen Worten, welche die Ursache in sich halten, warum etwas geschieht; wegenaber, oder von wegen, kann hinten und vorne stehen.


Z.E. Wegen deiner Bosheit, wirst du gestrafet: oder deiner Bosheit wegen etc. Deiner Laster halben, kann es dir nicht wohl gehen. Willen aber hat insgemein das um vor sich: Um Davids, meines Knechtes willen, um deiner Sünde willen, u.d.gl. Einige pflegen das um auch zum wegen zu setzen: welches aber nicht so gut ist, als das von;Von wegen deiner großen Barmherzigkeit.


6 Anmerkung.


6 §. Das verursachende Bindewort daß, fodert in vergangenen und gegenwärtigen, d.i. dem Redenden [591] gewissen Sachen, die anzeigende Art; in künftigen, und ungewissen, oder doch zweifelhaften Dingen aber, die verbindende Art der Zeitwörter.


Z.E. Ich versichere dich, daß ich dein Freundbin. Du siehst ja, daß man dich höher schätzet, als andere deines gleichen. Wir wissen, daß Krösus reich gewesen ist, daß Cyrus eine Monarchie gestiftet hat. Allein hingegen heißt es: bemühe dich, daß du gelehrt, reich, berühmt werdest. Hoffe nur, daß dir alles gelingen werde, wenn du das deine redlich thun wirst. Er will nicht glauben,daß ich sein Freund sey. Er meynet, daß ich reich sey. Ich wollte, daß er käme u.d.m. Die Poeten weichen zuweilen davon ab. Aber es sind auch immer Fehler, die einer Nachsicht nöthig haben, die ihnen ein le Clerc nicht bewilligen wird. S. die Parrhasianen; von der Poesie.


7 Anmerkung.


7 §. Die Alten brauchten in einer Bedingungsrede das Bindewort so, im Anfange und in der Mitten: Z.E. Herr, so du willst, so kannst du mich wohl reinigen; allein heute zu Tage brauchet man von vorne lieber wo, wenn, wofern, oder dafern.


Z.E. Wo du mir treu dienest, so will ich dich reichlich belohnen. Wenn du thust, was dir gebühret, so wird man dir auch gütig begegnen. Dafern du kömmst, oder wofern du nicht ausbleibst; so wird es dein Schaden nicht seyn. Das So würde in allen diesen Fällen sehr altväterisch klingen. Man läßt aber manchmal noch zierlicher das erste Bindewort weg: z.E. Kömmst du zu mir; thust du das Deine, u.d.gl. so wird es dein Schaden nicht seyn.


8 Anmerkung.


8 §. Das Bindewort daß, kann auch zuweilen ausgelassen werden, wenn es nach einem Wunsche, einer [592] Bitte, oder Hoffnung, oder Versicherung von etwas, zu stehen kömmt.


Z.E. Ich hoffe, es werde gewiß geschehen, d.i. daß es geschehen werde. Ich wünsche, Gott wolle Sie in seinen Schutz nehmen; der Himmel wolle Sie gesund sparen; ich bitte, Sie geben sich keine Mühe; er versicherte mich, es sey wahr. Wir glauben fest, es werde geschehen: unsere Muttersprache werde noch allgemeiner werden. Man saget, es sey nunmehr geschehen; der Frieden sey geschlossen.


9 Anmerkung.


9 §. In einem Wunsche nimmt daß, gemeiniglich die jüngstvergangene Zeit der verbindenden Art der Zeitwörter zu sich.


Z.E. O daß du den Himmel zerrissest, undführest herab! Ach daß dieses geschähe! Hätte ich Flügel, daß ich flöge, und irgendwobliebe! Könnte ich die Zeit erleben, daß du dich bessertest, und mir die Freude machetest etc. Wie gern sähe ichs, daß du klug würdest, und dein Bestes bedächtest! oder auch bedenken möchtest, oder bedenken wolltest. Bisweilen aber ist es auch die gegenwärtige Zeit der verbindenden Art. Z.E. Ich wünsche, daß er kommen möge. Gott bezahle dirs! Daß dir Gott helfe!


10 Anmerkung.


10 §. Wann die Wörter damit, auf daß, und daß, eine Absicht, oder Endursache bedeuten: so fodern sie die gegenwärtige Zeit der verbindenden Art.


Z.E. Ich sage dir solches, damit du es ein andermal wissest; ich erinnere es, damit man es nicht vergesse; ich melde es, auf daß es hernach niemanden unbekannt sey; ich warne ihn, [593] daß er behutsam sey, oder werde. Ich bitte ihn, daß er dahin gehe, oder zu mir komme. Meine Absicht ist, daß er sich gut aufführe, u.d.gl.


11 Anmerkung.


11 §. Das Bindewort und, wird, wenn viele hinter einander folgende Wörter einer Art verbunden werden sollen, ordentlich nur vor dem letzten gesetzet.


Z.E. Gut Regiment, gut Wetter, Zucht, Ehre, fromm Gemahl, fromme Kinder, gute Freunde, getreue Nachbarn und desgleichen. Hievon wird nun ausgenommen, wenn etwa zweyerley Stücke allemal gewissermaßen zusammen gehören; denn da wird zwischen jedes Paar, ein und gesetzet: als Weib und Kind; Haus und Hof; Acker und Vieh; Kleider und Schuh; Hände und Füße; Stock und Degen. Die Poeten aber pflegen sowohl, als die Redner, in der Hitze des Affects, bisweilen das und, entweder gar auszulassen, oder häufiger zu verdoppeln: welches man denn zu den Figuren zählet; und ASYNDETON, und POLYSYNDETON nennet.


12 Anmerkung.


12 §. Es ist ein Misbrauch der Kanzleyen, die weitschweifigen Bindewörter ohne Noth zu verdoppeln.


Z.E. Sintemal und alldieweil; wie undwelchergestalt; wie und was maßen; so und dergestalten; immaßen und in Betrachtung; wannenhero und weswegen;solchergestalt, und angeregter maßen, u.d.m. Lauter unnütze Umschweife, welche die Schreibart nur langweilig und wortreich machen: daher sie auch schon zum Spotte geworden.

Fußnoten

1 Ein gelehrter Mann wendet hier ein, dieß also daher sey eine unnütze Wiederholung, weildaher eben soviel bedeute, als also. Es kann seyn, daß es bisweilen soviel heißt: aber es heißt auch oft daraus, wie hier leicht zu sehen ist. ERGO EXINDE PATET, es ist also, daher (EXINDE) gewiß. Manchmal machet man aus solchen Verdoppelungen, die einen Nachdruck haben, grammatische Figuren, PLEONASMOS, und EXERGASIAS.

Das X Hauptstück
Das X Hauptstück.
Von Fügung der Zwischenwörter.
(INTERJECTIONUM.)

1 §. 1 Anmerkung.


Die Zwischenwörter, welche eine Leidenschaft des Gemüthes ausdrücken, regieren eigentlich keine Endung: ausgenommen, Wohl und Wehe, welche die dritte Endung fodern, als:


Wohl mir! Wohl uns des feinen Herren! Wehe mir, daß ich ein Fremdling seyn muß zu Mesech! Wehe dir Chorazim! Wehe dir Bethsaida! Doch könnte man sagen, daß auch Ach und O die fünfte Endung foderten. Z.E. Ach Gott vom Himmel sieh darein! O Himmel! was ist das? O großer Gott von Macht! Doch ist dieß nicht immer so; denn bisweilen folget auch auf O, die erste Endung: z.E. O! große Noth! d.i. welch eine große Noth ist das.


2 Anmerkung.


2 §. Die meisten Zwischenwörter stehen im Anfange der Rede; ausgenommen Leider! und, wills Gott! die auch in der Mitte stehen können. Wun der und Traun, stehen immer in der Mitte.


Z.E. Es ist leider! mit uns dahin gekommen; anstatt: Leider! es ist mit uns etc. Wir wollen euch,wills Gott! [595] (so auch, geliebts Gott, oder wo Gott will) übers Jahr besuchen. Sie denken, Wunder! was sie für Thaten gethan haben. Sie haben, traun! dem Feinde viel Abbruch gethan.


3 Anmerkung.


3 §. Das Wort leider! pflegt bisweilen auch mit dem Worte Gott, und zwar in der zweyten Endung verbunden zu werden.


Z.E. Leider Gottes! soweit ist es mit uns gekommen; oder soweit ist es, leider Gottes! nunmehr schon gekommen. Was für ein Sinn aber darunter verborgen liege, ist schwer zu sagen. Ob es vomLeiden Gottes, oder Christi, zu verstehen sey, getraue ich mir nicht zu entscheiden. Indessen könnte es doch wohl seyn: denn man hat mehr Ausrüffe und Betheurungen von heiligen Dingen hergenommen. Z.E. von Sacramenten: imgleich Potzstern; das ist, Gottes Stern; welches vieleicht auf den Stern der Weisen zielen mag; imgl. Potztausend, d.i. Gottes tausend Elemente.


4 Anmerkung.


4 §. Ein altes Zwischenwort ist das bekannte Zeter! dessen Bedeutung und Ursprung auch ungewiß ist: indessen wird es mit, über etwas, verbunden.


Man rufet bey Todesurtheilen: Zeter über diesen armen Sünder! Da man aber diesen Ausruf auch mit Mordio zu paaren pflegt; dieser aber gewiß ausländisch ist, indem er entweder vom französischen MORT DE DIEU! oder noch besser aus dem Wälschen, von AMORE DI DIO, herkömmt: sollte sich denn jenes Zeter nicht auch etwa von unsern Nachbarn herschreiben? Das AbschiedswortAdieu, das sich bis auf den untersten Pöbel, und bis in geistliche Lieder ausgebreitet hat, ist unstreitig aus dem Französischen À DIEU! das ist, Gott befohlen! entsprungen.


[596] 5 Anmerkung.


5 §. Übrigens sind gewisse Provinzen mit Zwischenwörtern so reichlich versehen, daß man sich in der guten Schreibart hüten muß, sie nicht alle anzunehmen.


Manche klingen sehr barbarisch, manche grob und unflätig: manche sind in andern Landschaften lächerlich und unverständlich, wo sie nicht mit einem gewissen Tone der Stimme ausgesprochen werden. Z.E. Man spricht hier in Meißen oft: Je nu! Ey nun ja doch! Ich dachte! Ich dächte, was mich bisse! u.d.m. Diese kann man anderwärts kaum aussprechen, viel weniger verstehen. Eben so sind das österreichischeHalt, oder Halter; und hier das pöbelhaftegleech, oder meech, unnütze Zwischenwörter, die eine Rede nur lächerlich machen: wenn man gleich weis, das jene von ich halte dafür, oder halt ich; diese aber von glaube ich, meyne ich, ihren Ursprung haben.

6 §. Und hierbey mag es für dießmal, in Ansehung der Wortfügung, sein Bewenden haben. Es sind freylich noch viele Anmerkungen übrig, die man darüber machen könnte: allein, für dießmal wollen wir die Anfänger damit nicht überhäufen. Ein andermal könnte noch von der zierlichen Wortfügung eins und das andere beygebracht; imgleichen eine gute Warnung wegen der ausländischen Fügungsarten, die uns einige Neuere haben aufdringen wollen, gegeben werden. Man könnte auch noch eine nützliche Warnung wider die schädlichen Neuerungen in der Wortfügung anhängen: und diese würde desto nöthiger seyn:


Da diese Schreibesucht

Der Sprache Zierlichkeit wird wieder in die Flucht

Verjagen, wie zuvor.


Opitz.


Doch diese so genannte grammatikalische Kühnheit, oder besser, Frechheit und Verwägenheit, muß billig in eigenen [597] Schriften bestrafet werden: da itzo jedermann sich einbildet; das hieße die deutsche Sprache verbessern, wenn er sie so zerzerret und zermartert, daß kein Glied eines Satzes auf der ihm gehörigen Stelle bleibt. Hier mag es genug seyn, daß ich vor allen Neuerungen, dieses oder jenes, auch sonst großen und scharfsinnigen Schriftstellers, gewarnet habe.

[598]
Das XI Hauptstück
Das XI Hauptstück.
Von den grammatischen Figuren.

1 §.


Die lateinischen Sprachlehrer haben sich eine gute Anzahl von Kunstwörtern erdacht, womit sie gewisse Unbeständigkeiten im Reden, oder Abweichungen gewisser Mundarten, und guter Schriftsteller zu entschuldigen gesuchet. Sie haben ihnen überhaupt den schönen Namen der Figuren gegeben; und sie zum Unterschiede der rednerischen, nur grammatische genennet. Weil nun auch verschiedene deutsche Sprachlehrer ihrem Exempel gefolget sind; und einige von meinen Lesern, die solches bemerket haben, denken möchten; daß meiner Sprachlehre etwas Großes fehlete, wenn davon nichts vorkäme: so will ich meine Gedanken noch besser davon eröffnen.

2 §. Die ersten Erfinder dieser grammatischen Figuren mögen wohl die ältesten Bewunderer und Ausleger Homers, und anderer alten Dichter gewesen seyn. Denn weil man an diesen beynahe göttlichen, oder doch göttlich verehrten Männern, nichts tadelhaftes finden wollte; und gleichwohl allerley Unrichtigkeiten in Wörtern und Redensarten anmerkete, die sie größtenteils zu Erfüllung ihres Syllbenmaaßes gewaget hatten: so erdachte man sich gelehrte Namen, alle diese kleinen Fehler zu beschönigen; ja wohl gar in Tugenden zu verwandeln: wie etwa die hitzigen Liebhaber auch die Mäler und Narben ihrer Schönen, sich als Schönheiten derselben vorzustellen, und einzubilden pflegen. Selbst Aristoteles in seiner Dichtkunst, entschuldiget sowohl den [599] Homer, als die tragischen Dichter, wegen solcher Fehler; und behauptet wider alle Wahrscheinlichkeit: sie hätten dieselben zu desto größerer Schönheit ihrer Gedichte machen müssen.

3 §. Es lassen sich aber diese sämmtlichen Figuren in drey Gattungen eintheilen. Die erste verlängert, die andere verkürzet die Wörter; die dritte verwandelt einige Buchstaben und Syllben in andere. Die Verlängerung geschieht sowohl im Anfange, als in der Mitte, und am Ende der Wörter. Die Verkürzung ist ebenfalls dreyfacher Art: und das sind also schon sechs Figuren. Nun kommen noch die Verwandlungen dazu; die auch etliche Arten ausmachen. Wir wollen sie alle nach der Reihe durchgehen, und durch Exempel zeigen, daß sie zwar im Deutschen anzutreffen, aber mehr unter die Fehler, als Schönheiten einer Sprache zu zählen sind.

4 §. Die erste Art der Verlängerung der Wörter geschieht im Anfange derselben, und heißt PROSTHESIS, deutsch ein Vorsatz. Durch diesen gelehrten Namen einer Figur nun, kann man z.E. Hans Sachsen entschuldigen, wenn er in einem bekannten Liede schreibt: Drum kann es anders nicht geseyn. Denn die Syllbe ge ist hier eine PROSTHESIS. Im Reiche sprechen einige: Er gesiehet und gehöret nichts; imgleichen ich kann ihm nicht anders gethun, u.d.gl. Doch es giebt auch noch andere Wörter bey uns, die von besserm Schrote und Korne sind; und dahin gerechnet werden können. Z.E. Hier und allhier; so und also, heim und daheim, weil und dieweil, imgleichen alldieweil; wie, und gleichwie; her,daher; hin, dahin, und d. gl. wo überall die ersten Syllben fast ein müßiger Zusatz sind, der auch wegbleiben kann. Selbst das vorfinden der Niedersachsen, ist ein solches grammatisches Blümchen zu nennen.

5 §. Die zweyte Art der Verlängerung heißt EPENTHESIS, deutsch das Einschiebsel; weil es in die Mitte etwas hineinflicket. [600] Damit pflegen sich nun noch manche Poeten zu behelfen, wenn sie eine Syllbe mehr brauchen; als Genade, Gelück, Genüge, für Gnade, Glück, Gnüge. So haben wir auch das Wort Missethat, für Misthat; und manche sagen Vollenkommenheit, für Vollkommenheit; aber ohne Noth. Dahin gehöret das r in darauf, daraus, darein, darinn, darunter u.s.w. Dahin gehöret auch das s in hoffnungsvoll, Freundschaftspflicht, da es eigentlich nicht hineingehöret; imgleichen das e in Nichtes, welches einigen Poeten bisweilen Dienste gethan hat. Ja auch das e in lobesam und löbelich ist ihnen oftmals gut zu statten gekommen. Ein jeder wird sich leicht auf mehrere Exempel besinnen.

6 §. Die dritte Art der Verlängerung ist die PARAGOGE, oder der Anhang, am Ende. Dieser hat uns vormals das nämlichen, gütlichen, endlichen, weilen, dieweilen, dahero, bishero, anhero, dannenhero, jetzunder, u.d.gl. zuwege gebracht, und aufgedrungen; da doch diese überflüßigen Zipfel überall zu nichts taugen. Das halter gewisser Oberdeutschen ist eben nicht besserer Art. Und in Meißen selbst flicket man an viele Wörter ein e, die es nicht nöthig haben, als an Glücke, Geschicke, Gereiße, und andere solche Hauptwörter des ungewissen Geschlechtes. Ja selbst bey männlichen höret man viele sagen, der Herre, Fürste, Grafe, Prophete, Poete, Narre, u.d.gl.m. die mit dem e nichts besser, klüger und größer werden, als sie sonst seyn würden. So pflegen auch einige, das ware, kame, gabe, imgleichen deme, ihme, seye, ohne alle Noth mit e zu verlängern.

7 §. Die erste Art der Verkürzung geschieht auch im Anfange des Wortes, und heißt APHAERESIS, die Enthauptung. Man beißt nämlich manchen Wörtern, in gewissen Mundarten, so zu reden, den Kopf ab; und schlechte Poeten bedienen sich solcher Kunstgriffe, die Verse desto leichter vollzustopfen. So sehen wir das 'nein, 'rein, 'nauf, 'rauf, 'nab, 'naus, 'raus, 'rab, 'runter, für hinein, herein, hinauf, [601] herauf, hinab, hinaus, heraus, herab, herunter, u.d.m. Andere sagen ring, für gering, und die Österreicher, ich hab kauft, ich bingangen, der Dieb ist hangen worden, u.d. m: wie auch wohl die Plattdeutschen mit dem ge der vergangenen Zeit zu thun pflegen. Noch andere sagen wohl, das höret mir, für gehöret; schwind, für geschwind, u.s.w.

8 §. Die zweyte Art der Verkürzung ist SYNCOPE, die Verbeißung genannt; und laßt aus der Mitte etwas aus. So sagt man überall, drinnen,drein, draußen, drüben, für darinnen, darein, daraußen, darüben. Viele sprechen auch, hinnen,haußen, hoben, hüben, für hier innen, hier außen, hier oben, hier üben: welches letzte aber ganz falsch ist. Man spricht auch sehr häufig, hörte,nährte, währte, legte, setzte, für hörete, nährete, u.s.w. Selbst in der dritten Vergleichungsstaffel der Beywörter, saget man der größte,längste, schmälste, dickste, für größeste, längeste, schmäleste, dickeste. Und mit dem e geht dieß Verbeißen noch am ersten an; aber mit dem i will es bey weitem so gut nicht fort. Denn wenn einige mit Hans Sachsen schreiben: Und was der ew'ge güt'ge Gott, etc. so klingt es viel zu hart. Doch kann auch das e nur in gewissen Syllben nach demeh verbissen werden; als in sehn, geschehn,wehn: aber in sagn, geborn, gefahrn, u.d.gl. will ichs keinem rathen; vielweniger in ich bing'wesen; ich habe g'sehen; es g'schah; es ist g'wiß; wie einige Oberländer sprechen.

9 §. Die dritte Art der Verkürzung ist die APOCOPE, oder die Stutzung, da man den Wörtern den Schwanz abbeißt. Diesen Fehler begehen abermal viele gar zu freye Dichter, welche Wörter, die sich auf e endigen, gar zu gern eine Spanne kürzer haben mögen. Sie schreiben also die Gnad', die Gut', die Kron', die Seel', die Taub', wenn gleich ein Mitlauter folget: gerade wie einige oberdeutsche Landschaften sprechen. Viel erlaubter ist es, das es des ungewissen Geschlechts der Beywörter wegzulassen: z.E. es ist [602] ein groß Glück, anstatt großes; manchmal, anstatt manchesmal; ein schön Frauenzimmer, für schönes. Nur bey dem männlichen Geschlechte darf man solches nicht wagen. Manch'Mann,welch' Vater, geht unmöglich an: wenn es gleich einige alte Dichter z.E. Lohenstein, gewaget haben. Auch bey der jüngst vergangenen Zeit der verbindenden Art der Zeitwörter, stutzen einige das e gern weg: als ich wär', ich hätt', ich käm', u.d.gl. wenn gleich kein Selbstlaut folget: aber es ma chet die Sprache rauh.

10 §. Außer diesen hat man nun noch einige andere Namen erdacht, gewisse Veränderungen in Buchstaben und Syllben anzuzeigen. Die METATHESIS, oder Versetzung, setzet einen Buchstab auf eine andere Stelle: als z.E. aus Brunn machet man Born, oder, wo dieß älter ist, so ist jenes daraus gemachet. Eben so ist, aus Brennstein, Bernstein geworden; denn vor Alters hat man ihn auf die erste Art geheißen, weil er brennet. Wenn man aus Bauern,Bauren, aus Mauern, Mauren machet; oder wenn einige aus mangeln, schütteln, u.d.gl. manglen, schüttlen machen: so ist es eben die Figur. Ja, wieviel orthographische Schnitzer würde man nicht mit diesem gelehrten Namen einer METATHESIS entschuldigen können?

11 §. Versetzet man aber ganze Syllben, aus Übereilung im Reden, oder aus einer poetischen Nothdurft in Versen: so heißt das Ding TMESIS, eine Trennung. Dergleichen finden wir in Opitzen und andern alten Dichtern viele. Z.E. Flemming schreibt:


Hier ist der, der dich so sucht,

Und noch nirgend hat gefunden,

Bis er selbst verlohren sich,

Der ist so erboßt auf dich,

Kann genießen dieser Stunden etc.


Hier sind hat, sich und genießen PER TMESIN (traun! eine sehr zierliche grammatische Figur) von ihrer Stelle verrücket [603] worden. Und welchen Fehler in der Wortfügung kann man so nicht entschuldigen?

12 §. Man hat ferner noch eine ANASTROHPE, oder Umkehrung, da das hinderste zuvörderst zu stehen kömmt; als von um dar, kömmt darum; ausnach dem, wird demnach; aus wegen dessen, kömmt dessentwegen, u.s.w. Man hat auch eine CRASIN, oder Zusammenziehung; als, aus an das, in das, in dem, u.d.gl. wird ans, ins, im. Aus ich sage es, thue es, hoffe es, wird sags, thus,hoffs: welches sich abermal die Poeten zu merken pflegen. Endlich, damit gar kein orthographischer Fehler ohne Entschuldigung bleiben dörfe, wenn nur ein recht gelehrter Grammatiker drüber kömmt, der sich zu rathen und zu helfen weis: so hat man auch noch eine ANTITHESIN oder Vertauschung, da man schlechterdings ein x für ein U 1 setzen kann: Z.E. für Wittib, Wittwe; entfahen, fürempfahen etc.

13 §. Wann würde ich fertig werden, wenn ich noch alle Arten der ENALLAGE anmerken und erklären wollte; da man die Geschlechter der Wörter, ihre Zahlen, Endungen, u.s.w. verwechseln kann? Z.E. Wenn einer schreibt: Den Last, für die Last, oderden Rasen (IN SING.) für die Rasen (IN PLUR.) saget: so sind es ENALLAGEN GENERIS MASCULINI PRO FEMININO, oder NUMERI SINGULARIS PRO PLURALI. Kurz, es ist fast kein grammatischer Schnitzer übrig geblieben, dem ein rechtschaffener Grammatiker, vermittelst dieser Figuren, nicht ein gelehrtes Mäntelchen umgeben könnte. Allein, meine[604] Leser sehen wohl, wie wenig man auf Kunstgriffe dieser Art zu halten habe; die der wahren Sprachrichtigkeit mehr im Wege stehen, als dieselbe befördern. Ich mag also diese grammatischen Figuren keinem anpreisen; sondern lasse sie nur da gelten, wo der allgemeine Gebrauch in einigen Wörtern sie eingeführet, und gebilliget hat.

Fußnoten

1 Ich hätte kaum geglaubet, daß mir mein gelehrter Anmerker dieß Sprüchwort dem Buchstaben nach nehmen, und sagen würde; ihm sey kein Beyspiel bekannt, wo man ein x für ein U genommen. Es ist aber aus der Rechnungsart der Einfältigen, die mit X und V, oder römischen Zahlen rechnen, genommen; wo es übel genug ist, wenn uns ein böser Wirth ein X d.i. 10, für ein V, d.i. für 5 anschreibt. Es bedeutet sodann alle grobe Verwechselungen solcher Dinge, die nichts mit einander gemein haben. So kann man unverständlich schreiben, wenn mans am wenigsten denket.

Das XII Hauptstück
Das XII Hauptstück.
Von den Kern- und Gleichnißreden, imgleichen den Sprüchwörtern der deutschen Sprache.

1 §.


Durch diese Kern- und Gleichnißreden verstehe ich zum Theile die so genannten IDIOTISMOS, oder die unserer Sprache allein zuständigen Redensarten, die sich in keine andere Sprache von Wort zu Wort übersetzen lassen. Daß unsere Sprache dergleichen Ausdrücke habe, das fällt einem jeden in die Augen, der etwas Deutsches entweder übersetzen, oder aus andern Sprachen etwas ins Deutsche bringen will. Z.E. sich mit etwas breit machen, sich auf etwasviel einbilden; einem in den Ohren liegen; einem den Rang ablaufen, u.d.gl.m. In solchen Redensarten nun besteht aller Sprachen wahre Stärke; und wer sich ihrer geschickt und am gehörigen Orte zu bedienen weis, der zeiget sich als einen Meister in denselben 1.

2 §. Hergegen, wer eine Sprache nur so schreibt, daß sie sich von Wort zu Wort in eine andere übersetzen läßt, der hat [606] gewiß ihren rechten Kern noch nicht geschmecket. Drücket er aber die Kernreden einer andern Sprache in der seinen, oder dieser ihre in einer andern, ganz genau aus; so schreibt er elend und schülerhaft, ja barbarisch. Im Lateine nennet man das Küchenlatein, und giebt die EPISTOLAS OBSCURORUM VIRORUM, als Nachahmungen des vormaligen barbarischen Mönchslateins, zum Muster an. Hier muß man nun sonderlich junge Übersetzer warnen, sich nicht durch die eingebildete Schönheit des Französischen, Englischen und Lateinischen, dahin verleiten zu lassen, daß sie die Kernausdrücke dieser Sprachen im Deutschen sclavisch nachäffen wollten: als worinn es bereits mehrere bey uns versehen haben, als uns lieb ist 2.

3 §. Man darf auch nicht sagen: dergestalt könne man unsere Sprache bereichern. Denn dergleichen erbettelte Lappen fremder Sprachen würden in der unsrigen einen schlechten Putz abgeben. Wer würde nicht lachen, wenn ich das französische, SE FAIRE DU JOUR, sich Tag machen; das IL EST DU METIER, er ist vom Handwerke; TUËR LE TEMS, die Zeit tödten; VOIR DU MONDE, Welt sehen; AVOIR DU MONDE, Welt haben; oder PROMENER SES YEUX SUR LES CHAMPS, seine Augen über das Feld spazieren schicken, geben wollte? Die englischen Ausdrücke klingen noch wunderlicher, und wenn es auch nur in der Wortfügung wäre. Man muß also in allen solchen Fällen kerndeutsche Redensarten brauchen, die nach keiner fremden Luft riechen 3.

[607] 4 §. Man bemerket aber, daß die deutsche Sprache unter diesen ihr eigenen Kernreden, einen sehr großen Vorrath von Gleichnißreden hat: die gewiß einen großen Witz der Nation verrathen. Ihr Reichthum darinnen ist fast unaussprechlich; wenigstens viel größer, als viele sich einbilden. Und dadurch entsteht im Reden und Schreiben ein Nachdruck, den Ausländer bewundern, und in ihren Sprachen unmöglich erreichen können. Nun ist es zwar gewiß, daß viele darunter etwas niedrig klingen, und außer dem gemeinen Leben, in edlen Schriften, als in der Beredsamkeit und Dichtkunst, nicht statt finden. Allein, eine gute Urtheilskraft weis ihnen schon, dem Gebrauche nach, ihren Platz anzuweisen: und in dieser Absicht, will ich folgende, als eine Probe mittheilen, die sich ein jeder nach Belieben wird vermehren können. Ein Ausländer, der diese Redensarten versteht, und recht brauchen kann, der kann versichert seyn, daß er recht Deutsch verstehe.

5 §. Was ich nun von diesen Kernwörtern und Gleichnißreden gesaget habe, das gilt auch von Sprichwörtern. Erasmus, und viele andere haben die griechischen und lateinischen ADAGIA gesammlet: und auch im Deutschen haben wir vom Agricola, Eyring, Zinkgräf, und vielen andern solche Sammlungen aufzuweisen. Darinn zeiget sich nun die Weisheit und moralische Klugheit eines Volkes; wie in den Sprüchen Salomons die Weisheit der Hebräer. Es ist also wohl der [608] Mühe werth, daß man sich die besten und gewöhnlichsten davon bekannt mache, und die rechte Art sie zu schreiben und auszusprechen fasse. Zu dem Ende habe ich einen Auszug aus jenen größern Werken gemachet, um Ausländern, die deutsch lernen wollen, sie gleich mit der Sprachkunst bekannt zu machen. Doch auch Einheimische werden sie nicht ohne Vergnügen lesen.

Sammlung einiger Kern- und Gleichnißreden der deutschen Sprache. 4
A.

Einen abführen.
einem was auf den Ärmel binden oder heften.
einem etwas weiß machen.
Affen feil haben.
Affen zu Markte schicken.
einen anschlägigen Kopf haben.
einem aus den Augen geschnitten seyn.
einem etwas an den Augen ansehen.
einem das Weiße in den Augen sehen.
einem nicht die Augen im Kopfe gönnen.
einem ein Dorn im Auge seyn.
einem Sand in die Augen werfen.
einem aus den Augen gehen.
seine Augen woran weiden.
B.

Einem ein Bad zurichten.
das Bad austragen.
das Kind mit dem Bad verschüetten.
lügen, daß sich die Balken biegen.
von der Bank gefallen seyn.
einen zur Bank hauen.
eine Banke machen.
auf die Schlachtbank liefern.
einen Bären anbinden.
sich um des Kaisers Bart streiten.
nicht wissen, wo Barthel Most holet.
weder zu beißen noch zu brechen haben.
bey jemanden hoch am Brete seyn.
einen Stein bey jemanden im Brete haben.
vors heiße Bret kommen.
das Bret bohren, wo es am dünnsten ist.
einem auf einem Brete bezahlen.
einem ein Bein unterschlagen.
einem Beine machen.
mit einem anbinden.
[609] kurz angebunden seyn.
einem auf den Bränden liegen.
einem was braten.
durch die Brille sehen.
es brennet ihm auf der Seele.
einem die Brücke treten.
in einer Sache beschlagen seyn.
einen zum Besten haben.
einem den Beutel fegen.
in einer Sache bewandert seyn.
einen mit Blindheit schlagen.
den Bock zum Gärtner setzen.
die Kunst geht nach Brodte.
Kinder womit zu Bette jagen.
die Hoffhung fällt in den Brunnen.
in die Büchse blasen.
Bley für Gold verkaufen.
kein Blatt vors Maul nehmen.
es tauget weder zu sieden, noch zu braten.
auf der Bärenhaut liegen.
sich breit machen.
C.

Calender machen.
einen clystiren.
einen in der Cur haben.
D.

Ein gläsern Dach haben.
einem auf dem Dache sitzen.
einem den Daumen aufs Auge setzen.
einem den Dampf anthun.
den Daumen halten.
unter einer Decke liegen.
mit einem deutsch reden.
einem auf den Dienst lauren.
einem den Dienst aufsagen.
einen zum Diebe machen.
dreyhärig seyn.
einen blauen Dunst machen.
E.

Bunt über Ecke gehen.
das Eisen schmieden, dieweil es warm ist.
das Eis brechen.
wie auf Erbsen gehen.
Erbsen in den Ohren haben.
F.

Es ist nicht aus dem rechten Fache.
bey jemanden etwas im Fasse haben.
einem eine Falle bauen.
etwas vor den Fäusten haben.
einem die Feigen weisen.
einem das Fell gerben.
einem das Fell über die Ohren ziehen.
einem auf die Finger klopfen.
einen mit Fingern weisen.
etwas an den Fingern herzählen.
der Sache eine Farbe anstreichen.
fliegen, ehe die Federn gewachsen sind.
viel Federlesens machen.
sich mit Feigenblättern bedecken.
aus hohen Fenstern sehen.
Fersengeld geben.
Ferkel machen.
um die Fichte führen.
lange Finger haben.
sich die Finger verbrennen.
einem auf die Finger sehen.
einem durch die Finger sehen.
einen ausfilzen.
den rechten Fleck treffen.
Flöhe husten hören.
einem einen Floh in die Ohren setzen.
Fliegen fangen.
sich die Flügel verbrennen.
einem die Flügel beschneiden.
einen auf die Folter spannen.
[610] einen unter der Fuchtel halten.
nicht fünf zählen können.
Fünf gerade seyn lassen.
die Sache steht auf lahmen Füßen.
G.

Die Galle läuft ihm über.
einer Sache das Garaus machen.
es ist nicht gesalzen, nicht geschmal-zen.
Das hat sich gewaschen.
einem gewachsen seyn.
nicht wissen, wo die Glocken hängen.
Glossen machen.
in seinen Gränzen bleiben.
mit einem Fuße im Grabe gehen.
Gras wachsen hören.
Grillen fangen.
grün und gelb vor den Augen werden.
Grütze im Kopfe haben.
auf den Grund gehen.
H.

Der Haber sticht ihn.
einem auf die Hacken treten.
das Ding hat einen Haken.
Hällerarm, thalerreich.
das bricht ihm den Hals.
die Sache hat nicht Hand, nicht Fuß, oder Hände und Füße.
Haare auf den Zähnen haben.
einem auf den Haspel passen.
einen auf den Händen tragen.
auf seine eigene Hand etwas thun.
die Hand worüber halten.
nichts in der Hand haben.
lange Hände haben.
einen auf das Haupt schlagen.
einen nach Hause führen.
seine Haut theuer verkaufen.
seine Haut zu Markte bringen.
einen bis aufs Hemde ausziehen.
einen heimleuchten.
einem ans Herz greifen.
zu hoch hinaus wollen.
sie trägt die Hosen.
die Hörner ablaufen.
etwas auf die Hörner nehmen.
einem das Seil um die Hörner legen.
mit einem in ein Horn blasen.
ein Hufeisen verlieren.
mit einem ein Hühnchen pflücken.
Hunde führen.
er geht wie ein begossener Hund.
einen Hund aus dem Ofen locken.
Hundehaare drein hacken.
eine Hurenstirn haben.
K.

Dem Kalbe in die Augen schlagen.
dem Kalbfelle folgen.
zu tief in die Kanne gucken.
mit einem in einem Karren ziehen.
die Sache karten.
wie die Katze um den Brey gehen.
Er hat weder Kind, noch Rind.
Kleinlaut werden.
bey der Klinge fechten.
über die Klinge springen.
das Ding hat einen Knoten.
einem den Knoten auflösen.
einem die Kolbe lausen.
wie du kömmst, so gehst du.
einem auf den Kopf bezahlen.
einem den Kopf waschen.
sich auf den Kopf setzen.
sich etwas in den Kopf setzen.
mit dem Kopfe durch die Wand laufen wollen.
auf seinem Kopfe bestehen.
einen Kopf für sich haben.
einen offnen Kopf haben.
[611] einem im Kopfe stecken.
den Korb geben.
den Korb kriegen.
durch den Korb fallen.
mit Körben handeln.
sich den Korb holen.
einem ein Körbchen flechten.
Hahn im Korbe seyn.
er menget es wie Kraut und Rüben.
den Krebsgang gehen.
mit doppelter Kreide anschreiben.
bey einem in der Kreide stehen.
wer das Kreuz hat, segnet sich zu erst.
sein Kreuz tragen.
zu Kreuze kriechen.
am Kreuze stehen.
etwas im Kropfe haben.
den Kropf voll haben.
auf Krücken gehen.
sich krümmen und bücken.
krumm gerade seyn lassen.
krumm gerade machen.
aus der Krümme in die Beuge bringen.
krumme Gänge gehen.
den Kürzern ziehen.
einem den Kützel vertreiben.
L.

Einen in ein Labyrinth führen.
mit der Latte laufen.
einem eine Lauge zubereiten.
einem eine Laus in Pelz setzen.
die Laus um den Balg schinden.
einem ein Licht anzünden.
einem das Licht ausblasen.
einen hinters Licht führen.
einem das Licht halten.
auf dem letzten Loche blasen.
zu Loche kriegen.
Schlösser in die Luft bauen.
lügen, wie gedruckt.
M.

Einem den Magen füllen.
etwas an den Mann bringen.
seinen Mann finden.
an den unrechten Mann kommen.
den Mantel nach dem Winde drehen.
etwas bemänteln.
etwas ausmärzen.
einem das Maul wäßricht machen.
einem das Maul stopfen.
einem ums Maul gehen.
lange Messer tragen.
Mücken säugen.
einen mit gleicher Münze bezahlen.
N.

Einem den Nacken beugen.
etwas an den Nagel henken.
einen zum Narren haben.
am Narrenseile ziehen.
einem eine Nase drehen.
einen bey der Nase herum führen.
gleich der Nase gehen.
eine dünne Nase haben.
einem auf die Nath fühlen.
die Sache ist auf der Neige.
es geht bey ihm auf die Neige.
die Noth geht an den Mann.
O.

Die Ochsen hintern Pflug spannen.
mit ungleich Ochsen pflügen.
hinterm Ofen sitzen.
hinterm Ofen stecken.
einem was ins Ohr setzen.
einem in den Ohren liegen.
sich etwas hinters Ohr schreiben.
er hat es hinter den Ohren.
er hat dünne Ohren.
er ist noch nicht hintern Ohren trocken.
[612] einem das Ohr leihen.
verstopfte Ohren haben.
er hat keine Ohren.
ein Stein vor ihren Ohren.
das Ding am rechten Orte angreifen.
P.

Einem den Pelz ausklopfen.
den Pelz waschen, und ihn nicht naß machen.
am Pfahle stehen.
vom Pferde auf den Esel kommen.
auf einem fahlen Pferde betroffen werden.
Die Pferde hintern Wagen spannen.
einem ein Polster unterlegen.
einem den Puckel fegen.
einem auf den Puls fühlen.
R.

Das fünfte Rad am Wagen.
das Rauhe nach außen kehren.
einen mit Recht aufheben.
einen Schriftsteller reiten.
im Rohre sitzen und Pfeifen schneiden.
welke Rüben schaben.
S.

Umsatteln.
einen aus dem Sattel heben.
in alle Sättel gerecht seyn.
auf den Sand bauen.
einen in den Sattel heben.
mit der Sauglocke läuten.
seine Schafe aufs Trockne bringen.
mit einem Schatten fechten.
aus Scherz Ernst machen.
einen faulen Schinken haben.
er hat den Schnupfen.
über die Schnure hauen.
einem das Geschwür aufstechen.
mit dem Schwerte drein schlagen.
es thut ihm die Seele weh.
wenig Seide wobey spinnen.
sich setzen, (heurathen)
sich mit einem setzen, (vergleichen.)
in seinem Sode leben.
einen Sparren zu viel haben.
einem die Spitze biethen.
mit der Sprache nicht heraus wollen.
einem auf die Sprünge helfen.
einen schlimmen Stand haben.
einem die Stange halten.
aus dem Stegreife etwas thun,
auf Stelzen gehen.
nicht Stich halten.
auf der Mittelstraße bleiben.
einen auf der Streue halten.
einem den Stuhl vor die Thüre setzen.
sich zwischen zween Stühlen niedersetzen.
T.

Den Tag mit Mulden austragen.
aus dem Tage Nacht machen.
einem den Tanz versagen.
einem zum Tanze pfeifen.
nach jemands Pfeife tanzen.
einen tanzen lehren.
auf frischer That ertappen.
einem die Taschen lausen.
einem den Text lesen.
mit der Thüre ins Haus fallen.
einem die Thüre weisen.
zwischen Thür und Angel seyn.
aus dem Regen in die Traufe kommen.
W.

Einem nicht das Wasser reichen.
Wasser ins Meer tragen.
[613] eine Sache zu Wasser machen.
kein Wasser betrüben.
einem die Wege weisen.
einem etwas weiß machen.
am Wege bauen.
in ein Wespennest stören.
Wind machen.
mit Winde handeln.
vom Winde leben.
den Wolf sehen.
mit den Wölfen heulen.
Z.

Einem auf den Zahn fühlen.
mit langen Zähnen essen.
einem die Zähne weisen.
einen in den Zähnen halten.
einen im Zaume halten.
die Gelegenheit vom Zaune brechen.
aus der Zeche fallen.
die Zeche bezahlen.
einen zeichnen.
einen für eine Ziffer halten.
etwas bey allen vier Zipfeln ergreifen.
des Zieles verfehlen.
sich zum Ziele legen.
einem das Ziel verrücken.
einem den Zügel schießen lassen.
einem die Zunge lösen.
[614]
Verzeichniß der gewöhnlichsten deutschen Sprüchwörter.

Adler fangen keine Fliegen.

Alle Freyer reich; alle Bettler arm.

Alle Morgen neue Sorgen.

Aller Tage Abend ist noch nicht gekommen.

Alles mit Bedacht.

Allzuscharf macht schärtig.

Altes Geld machet neuen Adel.

Alte Freunde soll man nicht verlassen.

Alte Kirchen, dunkele Fenster.

Alte Hennen geben fette Suppen.

Alte Liebe rostet nicht.

Alte Wunden bluten leicht.

Alte Fuhrleute hören gern klatschen.

Alter hilft für Thorheit nicht.

An der Hunde Hinken,

An der Huren Winken,

An der Krämer Schwören, Soll sich niemand kehren.

Anfang ist kein Meisterstück.

Angebothener Dienst stinkt.

An Gottes Segen ist alles gelegen.

An Riemen lernen die Hunde Leder käuen.

Arbeit ist für Armuth gut.

Arme Leute, kalte Küche.

Armuth lehret viel Künste.

Armuth thut weh.

Art läßt von Art nicht.

Auf der Neige ist nicht gut sparen.

Auf einen groben Ast gehöret ein grober Keil.

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.

Auf halbem Wege ist gut umkehren.

Auf heiler Haut ist gut schlafen.

Aus den Augen, aus dem Sinne.

Aus fremder Haut ist gut Riemen schneiden.

Aus Kindern werden Leute.

Aus fremdem Beutel ist gut zehren.

Aus zweyen Übeln muß man das kleineste wählen.


B.

Bescheret bleibt unverwehret.
Bey den Lahmen lernet man hinken.
Bey den Wölfen muß man mit heulen.
Bey dem Trunke erkennet man den Narren.
Bey Nachte sind alle Katzen schwarz.
Bekümmere dich nicht um ungelegte Eyer.
Berg und Thal kommen nicht zusammen; aber gute Freunde wohl.
Besser Neider, als Mitleider.
Besser beneidet, als beklaget.
Besser arm mit Ehren, als reich mit Schanden.
Besser einäugig, als blind.
Besser etwas, als nichts.
[615] Besser ists bey Eulen sitzen, als mit Falken fliegen.
Besser ist ein kleiner Zorn, als ein großer Schaden.
Besser ein offenbarer Feind, als ein falscher Freund.
Besser ist ein Sperling in der Hand, als ein Kranich auf dem Dache.
Besser spät, als nie (gelernet.)
Besser spät, als nimmermehr.
Besser einen Arm, als den Hals gebrochen.
Besser ehrlich gestorben, als schändlich gelebet.
Bethe und arbeite.
Biedermanns Erb ist in allen Landen.
Bittet man den Bauren, so schwillt ihm der Muth.
Bittkauf, theurer Kauf.
Bleib daheim bey deiner Kuh, willst du haben Fried und Ruh.
Borgen machet Sorgen.
Böse Art verliert sich nicht.
Böse Augen sehen nichts gutes.
Böse Ältern machen fromme Kinder.
Böser Hund, zerrißnes Fell.
Böser Vogel, böses Ey.
Böses bleibt nicht ungestrafet.
Böses erfahrt man Zeit genug.
Böses Geld kö it immer wieder.
Böses lernet man bald.
Böses muß man mit Bösem vertreiben.
Den Bürgen soll man würgen.
D.

Das Ende trägt die Last.
Das Ey will klüger seyn, als die Henne.
Das Herz triegt nicht.
Das Fett will allezeit oben schwimmen.
Das Hemd ist mir näher, als der Rock.
Das ist ein böser Gast, der seinen Wirth vertreibt.
Das ist ein schlimmer Wirth, der nicht eine Zeche borget.
Das Kind muß man nicht mit dem Bade ausschütten.
Das Gut ist unverloren, was gute Freunde kriegen.
Dem geschenkten Gaule sieht man nicht ins Maul.
Der Apfel fällt nicht weit vom Stamme.
Der am Wege bauet, hat viele Meister.
Der Fuchs läßt seine Tücke nicht.
Der Fuchs weis mehr ab ein Loch.
Der ist nicht Ehren werth, der sich der Schande rühmet.
Der Jugend Fleiß ist des Alters Ehre.
Der Katzen Scherz, der Mäuse Tod.
Der Mensch denket, Gott lenket.
Der Tod will eine Ursache haben.
Der Milde giebt sich reich, der Geizhals nimmt sich arm.
Der muß früh aufstehen, der es allen recht machen will.
Der Tod sieht ihm aus den Augen.
Der Verräther schläft nicht.
Der Tugend Lob stirbt nimmermehr.
Des Menschen Wille ist sein Himmelreich.
Die Alten sind auch keine Narren gewesen.
Die Alten sind gut zu behalten.
Diebe meynen, es stehlen alle.
Die meisten Stimmen gelten.
[616] Die Nacht ist niemands Freund.
Die Worte sind gut: hast du Geld, so kriegst du Schuhe.
Dieser jaget das Wild, jener ißt den Braten.
Disteln tragen keine Trauben.
Drey Schüsseln giebt er leer, und in der vierten nichts.
Durch Wein und Weiber wird mancher bethöret.
E.

Ehre dem Ehre gebühret.
Ehre verlohren, alles verlohren.
Eigener Heerd ist Goldes werth.
Eigen Lob stinkt.
Eigennützig, keinem nützlich.
Ein böses Gewissen ist ein nagender Wurm.
Ein Ding ist, wie mans hält.
Eine Gans flog übern Rhein, eine Gans kam wieder heim.
Ein räudig Schaf stecket die ganze Heerde an.
Ein gutes Wort findet eine gute Statt.
Ein Keil treibt den andern.
Ein kurzes Lied ist bald gesungen.
Ein Lügner muß ein gut Gedächtniß haben.
Ein Mensch ist des andern Wolf.
Ein Narr kann mehr fragen, als sieben Weise antworten.
Ein willig Pferd muß man nicht übertreiben.
Ein Narr machet viel Narren.
Eine Schwalbe machet keinen Sommer.
Ein Schwert hält das andere in der Scheide.
Ein Tag lehret den andern.
Ein Wort ein Wort, ein Mann ein Mann.
Ein Wurm krümmet sich, wenn er getreten wird.
Einem Diebe ist nicht gut stehlen.
Einen Kuß in Ehren, darf niemand wehren.
Einer gewinnt, der andere verliert.
Einer säet, der andere ärndet.
Eines Gewinn ist des andern Verlust.
Eines Glück ist des andern Unglück.
Ende gut, alles gut.
Er bleibt bey seinen Worten, wie Hasen bey der Trummel.
Er geht mit Unglück schwanger.
Er geht herum, wie die Katze um den Brey.
Er geht davon, wie die Katze vom Taubenschlage.
Er hat alle Schaam ausgezogen.
Er hat der Schande den Kopf abgebissen.
Er hat einen breiten Rücken.
Er ist Hans ohne Sorge.
Er höret Gras wachsen, und Flöhe husten.
Er ißt mit allen, und hälts mit keinem.
Er schicket sich dazu, wie der Esel zum Lautenschlagen.
Er ist weder Fuchs noch Hase.
Er ist weder kalt noch warm.
Er nimmt kein Blatt vors Maul.
Er kann mehr als Brod essen.
Er kömmt aus dem Regen in die Traufe.
Es brennt in Zeiten was eine Nessel ist.
Es geht mehr liebes, als schönes zur Kirche.
[617] Es glaube es wer da wolle, in meinen Kopf geht es nicht.
Es gilt treffen, nicht nahe schießen.
Es ist ein böser Vogel, der in sein eigen Nest thut.
Es ist ein schlimmer Brunnen, darein man Wasser trägt.
Es ist gut, den Schnitt an fremdem Tuche zu lernen.
Es ist kein Kinderspiel, wenn alte Leute auf Stecken reiten.
Es ist nicht alles Gold, was da gleißt.
Er hat noch nicht aller Tage Abend erlebet.
Es ist noch nicht in dem Fasse, darinn es gähren soll.
Es giebt nur ein böses Weib: jeder meynet er habe es.
Es ist so große Kunst, erhalten als gewinnen.
Es ist Hopfen und Malz an ihm verlohren.
Es tauget weder zu sieden, noch zu braten.
Es ist so breit, als lang.
Es hat weder Hand noch Fuß.
Es reimet sich nicht, es schicket sich nicht.
Es ist nicht gehauen, nicht gestochen.
Es hat weder Art noch Geschick.
Es ist kein gutes Haar an ihm.
Es muß biegen, oder brechen.
Es muß einmal gestorben seyn.
Es müssen starke Beine seyn, die gute Tage ertragen wol len.
Es sind nicht alles Köche, die lange Messer tragen.
Es stecket im Spiegel nicht, was man drinnen sieht.
Es wird ihm bekommen, wie dem Hunde das Grasfressen.
Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen.
F.

Faule haben immer Feyertage.
Faule Herren, träge Knechte.
Feuer fängt an von Funken.
Fleiß bricht Eisen und Stahl.
Freyheit geht über Gold.
Fremdes Brod schmecket allezeit besser.
Fremdes Pferd und eigene Sporen machen kurze Meilen.
Freund in der Noth, Freund im Tod, Freund hinterm Rücken, das sind drey starke Brücken.
Freunde in der Noth, gehen hundert auf ein Loth.
Fried ernähret, Unfried verzehret.
Friß Vogel, oder stirb!
Frisch gewaget, ist halb gewonnen.
Fröhliches Gemüth, gesundes Blut.
Fromme Kinder ziehen sich selbst.
Fromme Schafe gehen viel in einen Stall.
Früh gesattelt, spät geritten.
Für böse Schuld nimm Bohnenstroh.
Für den Tod ist kein Kraut gewachsen.
G.

Gar zu höflich ist halb grob.
Gebrannte Kinder scheuen das Feuer.
Geld ist die Losung.
Geld machet krumme Sachen schlecht.
Geld machet Schälke.
Geld vergeht, Kunst währet ewig.
[618] Gelegenheit machet Diebe.
Gelehrten ist gut predigen.
Geschwind zum Hute, und langsam zum Beutel.
Geringer Leute Zorn ist lächerlich.
Gewalt geht oft vor Recht.
Gleiche Brüder, gleiche Kappen.
Gleich suchet sich, gleich findet sich.
Gleich und gleich gesellet sich gern.
Glück läßt sich wohl finden; es halten ist die Kunst.
Glück und Glas, wie bald bricht das?
Gott bescheret zwar die Kuh, aber nicht den Strick.
Gott kann man belügen, aber nicht hintergehen.
Gottloser Leute Freude währet nicht lange.
Gott verläßt die Seinen nicht.
Gott weis was wir brauchen, ehe wirs bitten.
Gottes Wort bleibt ewig.
Gottes Güte ist alle Morgen neu.
Groben Leuten muß man aus dem Wege gehen.
Große Fische fressen die kleinen.
Große Herren, große Thorheiten.
Große Herren haben lange Hände.
Große Worte und nichts dahinter.
Gunst geht vor Recht und Kunst.
Gut machet Muth, Muth machet Übermuth, und Übermuth thut selten gut.
Gut gesessen, ist halb gegessen.
Gute Arbeit, guter Lohn.
Gut Ding will Weile haben.
Gute Freunde kommen ungeladen.
Gute Tage kosten Geld.
Gute Waare rühmet sich selbst.
Guter Wein brauchet keinen Kranz.
Gute Worte verkaufen böse Waare.
Guter Muth ist halbes Leben.
Gutes thut man nie zu viel.
Gutes wird erst spät erkannt.
H.

Hab ich, ist besser, als hätte ich.
Hast du Geld, so bist du lieb.
Hast du gut gekochet, so wirst du gut essen.
Hänge dem Narren nicht Schellen an, man kennet ihn so schon.
Hans in allen Gassen.
Herren Bitten, ist befehlen.
Herrenfeuer wärmet und brennet.
Herrengunst währet nicht lange.
Herren und Narren haben frey reden.
Herren Sünde, Bauren Buße.
Heute mir, morgen dir.
Heute roth, morgen todt.
Hilf dir selbst, so hilft dir Gott.
Hilft mir Gott, so geht es wohl.
Hochmuth kömmt vor dem Falle.
Hofart ist leicht gelernet, kostet aber viel zu unterhalten.
Hofart und Armuth halten übel Haus.
Hofart muß Zwang leiden.
Hoffen und harren machet viele zu Narren.
Hohe Berge, tiefe Thäler.
Hohe Gaben, kurzes Leben.
Hohe Steiger fallen tief.
Hundert Jahre unrecht, ist keine Stunde recht.
Hunger ist der beste Koch.
Hunger ist ein scharfes Schwert.
Hunger lehret die Katzen mausen.
Hüte dich vor der That, der Lügen wird schon rath.
Huren sind Kohlen, die schwärzen und brennen.
[619] J.

Jagen und nichts fangen, machet verdrossene Jäger.
Ich weis was ich habe, und nicht was ich bekomme.
Jedem dünket seine Braut die schönste zu seyn.
Jedem Narren gefällt seine Weise.
Jeder bleibe in seinem Stande.
Jeder Kramer lobet seine Waare.
Jeder ist sich selbst der Nächste.
Jedermanns Freund, jedermanns Geck.
Jeder Schäfer lobet seine Keule.
Jeder für sich, Gott für uns alle.
Jedes Ding hat seinen Nutzen.
Je ärgerer Schalk, je besser Glück.
Je krümmer Holz, je bessere Krücke.
Je fetterer Floh, je magerer Hund.
Je lieber Kind, je schärfere Ruthe.
Je größerer Baum, je schwerer Fall.
Je länger, je lieber.
Je länger, je schlimmer.
Je länger hier, je später dort.
Je mehr man hat, je mehr man begehret.
Je näher der Kirche, je später darinnen.
Jenseit dem Wasser wohnen auch Leute.
Im Finstern ist gut mausen.
Immer was neues, selten was gutes.
In des Armen Beutel verdirbt viel Weisheit.
In eigener Sache ist niemand klug.
In einen sauren Apfel beißen.
In solchem Wasser, fängt man solche Fische.
Im trüben Wasser ist gut fischen.
Irren ist menschlich.
Junges Blut, frischer Muth.
Jung gewohnet, alt gethan.
Junge Schlemmer, alte Bettler.
Junge Springer, alte Stelzner.
K.

Kappen machen keine Mönche.
Kaufet in der Zeit, so habt ihrs in der Noth.
Katzen essen gern Fische, wollen aber nicht ins Wasser.
Katzenkinder mausen gern.
Keiner ist zu alt zum lernen.
Keiner ist so arg, er findet einen ärgern.
Kein Feuer ist ohne Rauch, kein Rauch ohne Feuer.
Keine Freude ist ohne Leid.
Kein Meister wird gebohren.
Keiner suchet den andern hinterm Ofen, der nicht selbst dahinter gestecket hat.
Kinder und Narren reden die Wahrheit.
Kinderzorn ist bald gestillet.
Kleider machen Leute.
Kleine Brunnen sind bald erschöpfet.
Kleine Diebe hängt man, die großen läßt man laufen.
Kleine Kinder, kleine Sorgen.
Kleine Liebe, großes Weh.
Kleiner Rauch beißt nicht.
Kleiner Zank machet großen Stank.
Kluge Leute fehlen auch.
Komme ich über den Hund, so komme ich übern Schwanz.
Krauses Haar, krauser Sinn.
Krieg ist kein Kinderspiel.
Krümlein sind auch Brod.
Kundschaft machet Freundschaft.
Kunst hat einen güldnen Boden.
[620] Kunst geht nach Brod.
Künftig Ding ist ungewiß.
Kunst währet lang, das Leben kurz.
Kunst ißt kein Brod.
Kunst ist leicht zu tragen.
Kurze Rechnung, lange Freundschaft.
Kurze Thorheit ist die beste.
Kurzweil will verstanden seyn.
Kurz und gut ist angenehm.
L.

Ländlich, sittlich.
Lange fasten ist kein Brod sparen.
Lange geborget, ist nicht geschenket.
Lange quälen ist der Tod.
Langes Trauren, kurzes Leben.
Laß die Hunde bellen, wenn sie nur nicht beißen.
Laß die Leute reden; Gänse könnens nicht.
Laß die Vöglein sorgen.
Laß die Kleinen unverachtet.
Laß die Todten unbestichelt.
Laß dir keine grauen Haare wachsen.
Laß fahren, was nicht bleiben will.
Laufe nicht, ehe man dich jaget.
Leiden und dafür danken, ist die beste Hofkunst.
Leide, was du nicht meiden kannst.
Lerne was, so kannst du was.
Liebe machet Gegenliebe.
Liebe kann viel; Geld kann alles.
Lieben Kindern giebt man viele Namen.
Lieb und Lust zum Dinge, machet alle Arbeit geringe.
Liegt auf den Bergen Schnee, so ist in Thälern kalt.
Lügen vergeht, Wahrheit besteht.
Lustiger Muth machet gutes Blut.
M.

Mache die Rechnung nach deinem Beutel.
Magre Fliegen stechen scharf.
Man diene wie man wolle, so ist Undank der Lohn.
Man erschöpfet auch einen Brunnen.
Man hat nicht länger Frieden, als der Nachbar will.
Man hängt den Dieb nicht eher, als bis man ihn hat.
Man kann keinem ins Herz sehen.
Man kann es am Neste sehen, was für Vögel drinnen sind.
Man kennet den Vogel am Gesange.
Man kennet den Esel an den Ohren.
Man muß das Beste hoffen.
Man muß sehen und nicht sehen.
Man muß lernen, dieweil man lebet.
Man muß nicht alles zu Bolzen drehen.
Man muß nichts Böses thun, daß Gutes draus erfolge.
Man muß oft Lehrgeld geben.
Man muß aus der Noth eine Tugend machen.
Man muß leben und leben lassen.
Man muß sehr viel hören, ehe ein Ohr abfällt.
Man siehts am Gesichte, was er im Schilde führet.
Man sorget sich eher alt, als reich.
Mancher läuft ungejaget.
Mancher muß bezahlen, was er nicht gegessen.
Mancher vergiebt wohl, aber er vergißt nicht.
Maaß ist zu allen Dingen gut.
Milde Geber liebt Gott.
Misrechnung ist keine Zahlung.
[621] Mit einem Pflaster will er alle Schäden heilen.
Mit einer Klatsche zwo Fliegen schlagen.
Mit fragen kömmt man durchs ganze Land.
Mit redlichen Leuten ist gut handeln.
Mit gefangen, mit gehangen.
Mit gezwungenen Hunden ist übel jagen.
Mit großen Herren ist schlimm Kirschen essen.
Mit Narren muß man Geduld haben.
Mit nichts gewinnt man nichts.
Mit schweigen verräth sich niemand.
Mit vielen zum Streite, mit wenigen zu Rathe gehen.
Mit vielem hält man Haus, mit wenigem kömmt man aus.
Morgenstunde hat Gold im Munde.
Muß ist ein bitter Kraut.
Müßiggang ist aller Laster Anfang.
N.

Nach böser Ärnde muß man doch wieder säen.
Nach dem Regen scheint die Sonne.
Nach dem Sparer kömmt ein Zehrer.
Nach der Arbeit ist gut ruhen.
Nach der That kömmt der Rath zu spät.
Narren haben mehr Glück als Recht.
Narren muß man mit Kolben grüßen.
Narren sind auch Leute.
Narren wirft man bald aus der Wiege.
Nesseln brennen Feinde und Freunde.
Neuer Arzt, neuer Kirchhof.
Neue Besen kehren rein.
Neue Gäste hält man wohl.
Neue Mähre höret man gern.
Nicht alles dienet dem Magen, was gut schmecket.
Nicht mehr thun, ist die beste Buße.
Nicht ein Härlein, saget Kahlkopf.
Nichts ist gut in die Augen, aber nicht in den Magen.
Nichts ist so böse, es ist wozu gut.
Nichts wird so klein gesponnen, es kömmt doch endlich an die Sonne.
Niemand hinket von fremdem Schaden.
Niemand kann dem Tode entlaufen.
Niemand kann des Morgens sehen, was vor Abends geschieht.
Niemand stirbt ohne Erben.
Nimmer Geld, nimmer Gesell.
Noth bricht Stahl und Eisen.
Noth hält keinen Feyertag.
Noth hat kein Geboth.
Noth lehret bethen.
Noth lehret den Bären tanzen.
Noth schlägt den Feind.
Nüchtern Leben, gutes Leben.
O.

Oben aus, nirgend an.
Oft fängt ein kleiner Hund ein großes Schwein.
Oft findet eine blinde Henne auch ein Korn.
Oft irre gehen, machet den Weg nicht recht.
Oft lachet der Mund, und das Herz weinet.
Oft wohnet ein kluger Mann in einem schlechten Hause.
[622] Ohne Macht ist eitler Zorn.
Ohne Wasser schleift sichs übel.
P.

Pfennig ist Pfennigs Bruder.
Pferde, die den Haber verdienen, kriegen ihn nicht.
Pflügen und nicht säen, lesen, nichts verstehen, ist halb müßig gehen.
Priester sollen bethen, Bauren sollen gäten.
R.

Rathe niemanden ungebethen.
Rauch vertreibt die Bienen.
Rechten und borgen, machen viel Sorgen.
Recht ist für Wachende, Glück für Schlafende.
Reiche haben viel Freunde.
Reichthum stiftet viel Thorheit.
Reichen giebt man, Armen nimmt man.
Reich genug wer sich begnügen läßt.
Redet das Geld, so schweigt die Welt.
Röche Hofart wohl, so wäre sie lauter Balsam.
Rom ist nicht in einem Jahre gebauet.
Rüben in die Bauern, Häu in die Ochsen.
S.

Schaden machet klug, aber nicht reich.
Schandthaten lassen sich mit Schandworten nicht gut machen.
Schickt den Esel nach Paris, so wird doch kein Pferd daraus.
Schläge sind eine behaltene Waare.
Schlecht ist bald geschliffen.
Schlimmes Leder, schlimme Schuhe.
Schnelle Ändrung ist gefährlich.
Seine Finger heißen, greif zu.
Sein Leid der Stiefmutter klagen.
Setze keinen Bock zum Gärtner.
Setze Narren nicht auf Eyer.
Sich selber kennen, ist die allergrößte Kunst.
Sie gehen nicht alle bethens halber in die Kirche.
Sie sind nicht alle gleich, die bey dem Kaiser reiten.
So lange der Narr schweigt, hält man ihn für klug.
So lange kriecht ein Kind, bis es gehen lernet.
So viel Köpfe, so viel Sinne.
Sparmund und Nährland kaufen Land und Leute.
Spötter essen auch Brod.
Stehend Wasser wird bald stinkend.
Stiehlt mein Bruder, so hängt der Dieb.
Schneide ich mir in die Nase, so schimpfe ich mein Angesicht.
Stille Wasser haben tiefe Gründe.
Stirbt der Fuchs, so gilt der Balg.
Stolpert doch ein Pferd auf vier Füssen.
Süß getrunken, sauer bezahlet.
T.

Thue recht, scheue niemand.
Todte Hunde beißen nicht.
Traue, schaue wem.
Treue Hand, geht durchs ganze Land.
Trauwohl ritt das Pferd weg.
Treue ist ein seltner Gast.
Trink und iß, Gott nicht vergiß.
Trunken gestohlen, nüchtern gehangen.
[623] Trunkenheit entschuldiget nicht.
Trunken klug, nüchtern närrisch.
Tugend besteht, wenn alles vergeht.
U.

Überfluß macht Überdruß.
Verborgner Schatz liegt sicher.
Versehen ist auch verspielet.
Viel Bäche machen einen Strom.
Viel Geschrey, und wenig Wolle.
Viel Hände machen leichte Arbeit.
Viel Hunde sind der Hasen Tod.
Viel Kinder, viel Vater Unser.
Viel Köche versalzen den Brey.
Viele können einem helfen.
Vierzehn Künste, funfzehn Unglück.
Ungebethene Gäste setzet man hinter die Thüre.
Ungelegte Eyer, ungewisse Jungen.
Unkraut vergeht nicht.
Unrecht Gut gedeihet nicht.
Unrecht leiden ist besser, als unrecht thun.
Unterm Segel ist gut rudern.
Untreue schlägt ihren eigenen Herren.
Undank ist das größte Laster.
Unverhofft kömmt oft.
Ungegönnetes Brod wird auch gegessen.
Unwissend sündiget man nicht.
Unzeitige Gabe verdienet keinen Dank.
V.

Voll machet toll.
Von einem Schlage fällt keine Eiche.
Vom Pferde auf den Esel kommen.
Vor dem Essen wird kein Tanz.
Vorgethan und nach bedacht, hat manchen in groß Leid gebracht.
Vorsicht schadet nicht.
Vorsorge verhütet Nachsorge.
Vorrede machet keine Nachrede.
W.

Wagen gewinnt, wagen verliert.
Was allen gefällt, ist schwer zu behalten.
Was bald kömmt, vergeht auch bald.
Was die Augen sehen, das glaubet das Herz.
Was du säest, wirst du ärnden.
Was einer selbst will, das kann ihm nicht unrecht seyn.
Was der Reiche spricht, das ist klug.
Was Hänschen nicht lernet, wird Hans nicht lernen.
Was hilft genau dingen, und nicht bezahlen?
Was Gott nicht bewahren hilft, das verwahret kein Schloß.
Was nicht von Herzen geht, das geht auch nicht zu Herzen.
Was schadet ein gut Wort? darf man es doch nicht kaufen.
Was zum Häller geschlagen ist, wird kein Groschen werden.
Wem die Kuh gehöret, der greift sie an die Hörner.
Wem Gott hilft, dem ist geholfen.
Wenn das Kind den Willen hat, so weinet es nicht.
Wenn der Bauer nicht muß, so reget er weder Hand noch Fuß.
Wenn die Löwenhaut nicht gilt, muß der Fuchsbalg gelten.
Wer Vögel fangen will, muß nicht mit Knütteln unter sie werfen.
Wer alles verfechten will, hat viel zu rechten.
[624] Wer andern Gruben gräbt, fällt selbst darein.
Wer andre jaget, muß selbst mitlaufen.
Wer viel anfängt, endiget wenig.
Wer jedem Rathe folgen will, kömmt nimmer zur That.
Wer am Wege bauet, hat viel Meister.
Wer Bauern plagen will, muß Bauern dazu brauchen.
Wer nicht bethen kann, werde ein Schiffmann.
Wer da stiehlt, der ist ein Dieb.
Wer den Häller nicht sparet, wird keines Pfennigs Herr.
Wer den Hund henken will, findt leicht einen Strick.
Wer den Schaden hat, darf für den Spott nicht sorgen.
Wer Lust zu tanzen hat, dem ist bald gepfiffen.
Wer den Stein nicht heben kann, der muß ihn fortwälzen.
Wer das kleine nicht begehret, der ist des großen nicht werth.
Wer geliebet werden will, muß sich darnach stellen.
Wer Honig lecken will, muß den Stachel nicht scheuen.
Wer ihn kennet, der kaufet ihn nicht.
Wer im Rohre sitzt, hat gut Pfeifen schneiden.
Wer es vermag, steckt den andern in den Sack.
Wer kann wider Unglück, wenn das Haus voll ist?
Wer kein Gutes thut, hat wenig zu gewarten.
Wer keine Pferde hat, muß mit Ochsen fahren.
Wer keine Stühle hat, muß auf Bänken sitzen.
Wer leicht glaubet, wird leicht betrogen.
Wer bald läuft, ist bald gejaget.
Wer gern zanket, der findt leicht Ursache.
Wer nur ein Auge hat, dem ist immer bange dafür.
Wer Nüsse essen will, der muß die Schalen beißen.
Wer oft schießt, trifft endlich einmal.
Wer schmieret, der fährt.
Wer seinen Satz gewinnt, hat nicht übel gespielet.
Wer Schulden bezahlet, bessert sein Gut.
Wer sich bey Frommen setzet, der steht bey Frommen auf.
Wer sich des Fragens schämet, der schämet sich des Lernens.
Wer sich genügen läßt, der ist der Reicheste.
Wer übersehen kann, darf keine Brille kaufen.
Wer viel fraget, der krieget viel Antwort.
Wer viel redet, lüget viel.
Wer vorhin nicht reich gewesen, dem thut die Arbeit nicht weh.
Wer was bringt, ist überall willkommen.
Wer wohl sitzt, der rücke nicht.
Wie die Zucht, so die Frucht.
Wie der Herr, so der Knecht.
Wie die Frau, so die Magd.
Wie die Mutter, so die Tochter.
Wie der Vogel, so das Ey.
Wie die Alten sungen, so zwitschern auch die Jungen.
Wie einer ins Holz schreyt, so schallt es heraus.
[625] Wie gewonnen, so zerronnen.
Wo der Zaun am niedrigsten ist, da steigt alles hinüber.
Wo Gott eine Kirche bauet, da bauet der Teufel eine Capelle.
Wohl gelebet, wohl gestorben.
Womit man sündiget, damit wird man gestrafet.
Womit man umgeht, das klebet einem an.
Wo Zucht ist, da ist Ehre.
Z.

Zeit bringt Rosen.
Zeit hat Ehre.
Zeit gewonnen, viel gewonnen.
Zeitigen Dieb erläuft ein hinkender Scherg.
Zeit überwindet alles.
Zeit verzehret Stahl und Eisen.
Zerbrochne Töpfe findt man überall.
Ziemliches Glück währet am längsten.
Zins und Heute schlafen nicht.
Zu der Fürsten Gastgeboth, giebt der Bauer Wein und Brod.
Zu große Ehre, ist halbe Schande.
Zu Hofe giebts viel Hände, wenig Herzen.
Zusagen machet Schuld.
Zusagen ist adelich, halten ist bäurisch.
Zuviel ist ungesund.
Zuviel melken, giebt Blut.
Zuviel zerreißt den Sack.
Zwang machet keine gute Christen.
Zween harte Steine malen selten klein.
Zwo Mahlzeiten schlagen sich nicht.
Zween Hunde bey einem Beine, vertragen sich selten.
Zween können mehr, als einer.
Zwey Augen sehen mehr, als eines.
Zwey ungleiche Dinge kann keiner zugleich thun.
Zwischen Thür und Angel stecken.
Fußnoten

1 Wer das Latein und Französische versteht, der wird wissen, daß die rechte Schönheit und Zierde derselben in solchen Redensarten besteht, die man in einer andern Sprache von Wort zu Wort nicht geben kann. Z.E. HOMO EMUNCTÆ NARIS, ALBÆ GALLINÆ FILIUS; IOVEM LAPIDEMQUE JURARE; HOMO NAUCI VEL FRUGI; OMNEM MOVERE LAPIDEM, u.d.gl. TRANCHER DANS LE FIN; SE METTRE AU LARGE; ALLER LE GRAND TRAIN; AVOIR DU MONDE; VOIR LE GRAND MONDE, u.d.gl. Wer sich nun dieser, und unzähliger solcher Redensarten recht bedienen kann, der ist allererst in der Sprache stark: wiewohl allemal eine gute Wahl dazu gehöret, sie am rechten Orte zu brauchen.

2 Z.E. Wenn jemand schreibt, Heil dir! anstattwohl dir! oder die ganze Schöpfung, für die ganze Welt; oder der gesegnete Heiland, anstatt der theureste; weil etwa die Engländer sagen: HAIL YOU! THE WHOLE CREATION, THE BLESSED SAVIOUR, u.d.gl.

3 Das abgeschmackte Wesen dieser Art von Ausdrücken hat niemand begreiflicher gemachet, als der scharfsinnige Verfasser des volleingeschankten Tintenfässels, a.d. 71. S. Hier giebt er einen französischen Brief zur Probe, darinn er der französischen Akademie zu Paris ein Mittel vorschlägt, ihre Sprache zu bereichern; indem sie nur deutsche Redensarten von Wort zu Wort ins Französische bringen dörften: wie einige Schweizer es mit dem Deutschen gethan hätten. Hier kommen nun folgende Brocken vor: SE COUCHER DANS LES CHEVEUX, einander in Haaren liegen. IL M'EST TOMBÉ DEDANS, mir ist eingefallen. TENIR LA BOUCHE, das Maul halten. ON ME COUCHE DANS LES OREILLES, man liegt mir in den Ohren. MONTRER LES FIGUES À QUELQU'UN, einem die Feigen weisen. ILS SE FONT INUTILES, sie machen sich unnütze. EMMANTELER SON OPINION, seine Meynung bemänteln. IL NE ME REGARDE PAS POUR PLEIN, er sieht mich nicht für voll an. CROITRE À LA TÊTE DE QUELQU'UN, einem zu Kopfe wachsen. FAIRE LA VAPEUR À QUELQU'UN, einem den Dampf anthun, u.d.gl.

4 Man gesteht mir, daß man den rechten Sinn und Gebrauch dieser Kern- und Gleichnißreden nicht überall wisse, und verlanget eine Erklärung von mir. Antwort. Das zeiget, daß der Hr. Verfasser kein rechter Hochdeutscher, sondern ein Niedersachs sey, wo man wieder seine Sprüchwörter hat, die ein Oberdeutscher nicht versteht. Aber die Erklärung solcher Reden gehöret nicht in die Sprachkunst, sondern ins Wörterbuch; oder in besondere Sammlungen.

IV Theil: Die Tonmessung

Vorerinnerung
Vorerinnerung.

1 §.


Nicht alle unsere Sprachlehrer haben diesen vierten Theil der Sprachlehre mit abgehandelt. Vieleicht haben sie geglaubet, daß derselbe mehr zur Dichtkunst, als zur Grammatik, gehöre; und desto leichter übergangen werden könne, je mehr deutsche Prosodien, oder Anweisungen zum Versmachen, besonders herausgekommen 1. Es ist auch wahr, daß derselben eine ziemliche Anzahl vorhanden ist: allein, deswegen darf man noch der Sprachlehre keinen Theil rauben, der ihr unstreitig zugehöret 2. Ohne sie nämlich, kann der Dichter kein gegründetes Urtheil, von der Länge und Kürze der Syllben fällen, und also auch von dem verschiedenen Syllbenmaaße keinen deutlichen Begriff haben.

[629] 2 §. Zwar kann man einwenden, daß die Dichter eher Verse, und zwar abgemessene Verse gemachet, als es Sprachlehrer gegeben. Wir räumen dieses gern ein: es beweist aber zu viel 3. Allein, es hat ja auch eher Redner gegeben, als Kunstrichter, welche die Regeln der Redekunst vorgeschrieben haben. Die Künste sind durchgehends eher erfunden und ausgeübet worden, als philosophische Köpfe ihre wahren Regeln herausgesuchet, und in deutliche Vorschriften verwandelt haben. Es kann also gar wohl seyn, daß man auch verschiedene Arten des Syllbenmaaßes eher gebrauchet, als in der Prosodie gelehret hat: allein, die Sprachlehre verliert deswegen ihre Ansprüche darauf so wenig, als auf die syntaktischen Regeln, mit denen es eben so zugegangen ist.

3 §. Es ist aber um desto nöthiger, die ersten Gründe der deutschen Prosodie hier vorzutragen, je mehr Widerspruch dieselben bisher gefunden; und je größern Misbräuchen sie bey vielen Dichtern ausgesetzet gewesen. Denn einige Kunstrichter, die sich nur in alles, was griechisch und lateinisch ist, verliebet haben, wollen in unserer Sprache gar keine Quantitäten der Syllben sehen, oder zugeben. Sie reden davon eben so wunderlich, wie die Franzosen von der ihrigen 4, und meynen: wir hätten nichts, als eine Syllbenzahl in unsern Versen; unser Syllbenmaaß aber wäre nur so aus dem gröbsten, nach dem Gehöre eingerichtet: wie etwa die alten Mönche lateinische Verse gemachet; ohne sich an die wahren Quantitäten der Syllben zu kehren 5.

[630] 4 §. Was uns diese nun mit Gewalt nehmen wollen, dessen haben sich andere deutsche Dichter muthwilliger Weise zu begeben geschienen. Da sie entweder aus Bequemlichkeit, oder aus Ungeduld, sich die Zeit nicht nehmen wollten; oder auch kein zartes Gehör und keine gute Mundart hatten, ein leichtfließendes und wohlklingendes Syllbenmaaß zu beobachten: so haben sie davon, als von einer Kleinigkeit, zu reden angefangen, darauf in Versen nichts ankäme; und die man um eines jeden mäßigen Gedankens wegen, sicher vernachläßigen könnte. Nach diesem Grundsatze, fallen denn ihre Gedichte oft so rauh und hart aus, daß man sie kaum ohne Gefahr der Zunge lesen kann; und daß sie freylich nicht einmal den Wohlklang der alten lateinischen Mönchsverse erreichen 6.

5 §. Beyde aber fehlen, und thun unserer Poesie einen großen Schimpf an. Die ersten sehen nicht ein, daß eben die Natur, welche durch das bloße Gehör, ehe noch die Regeln der Quantität erfunden waren, Griechen und Lateiner scandiren gelehret, auch unsere alten Dichter darauf geleitet, einige Syllben für lang, und andere für kurz zu halten. Sie [631] denken Wunder! was für Geheimnisse ein Livius Andronikus, oder wer sonst zuerst lateinische Verse scandiret haben mag, hinter den Syllben dieser alten Sprache gefunden, weswegen er sie für kurz oder lang erkläret: da sie doch aus einer Stelle Cicerons lernen könnten, daß sie sich bloß nach dem Urtheile der Ohren gerichtet; welches auch der unstudirte Pöbel ohne alle Regeln ausübete, wenn er die Schnitzer theatralischer Poeten auszischete 7.

6 §. Die zweyten aber bedenken nicht, was sie der Dichtkunst für eine Schönheit und Anmuth dadurch rauben, wenn sie ihr den bezaubernden RHYTHMUM gänzlich nehmen: der in den Gedichten der Alten so viel erstaunende Kraft gehabt, und der von den heutigen Töchtern des Lateins fast gänzlich vernachläßiget wird. Wenigstens vergeben sie doch ihren eigenen Gedichten nicht wenig; können auch nicht versichert seyn, daß ihre Gedanken allen Lesern, ohne den Wohlklang, eben so schön vorkommen werden, als ihnen. Viele hingegen, denen man den Namen der Kenner gar nicht absprechen kann, können sich nicht überwinden, das für Verse zu halten, [632] was die wesentlichen Eigenschaften derselben gar nicht an sich hat; und also eher für eine sehr rauhe und harte Prose, als für eine reizende Dichtkunst, zu halten ist 8.

Fußnoten

1 Gleichwohl hat Ölinger, einer unserer ältesten Sprachlehrer 1574 bereits, nach der damaligen Rauhigkeit unserer Dichtkunst, oder vielmehr, nach seiner wenigen Kenntniß derselben, eine Anleitung dazu gegeben. Er weis aber noch nichts von Jamben, Trochäen oder Daktylen; sondern lehret nur aus dem gröbsten die Syllben zählen und reimen: ungeachtet die Dichter schon weit bessere Proben von Versen gegeben hatten. Sein Nachfolger Clajus hats vier Jahre hernach, schon besser gemachet. Denn ob er gleich auch saget: VERSUS NON QUANTITATE, SED NUMERO SYLLABARUM MENSURANTUR: so redet er doch schon von Jamben und Trochäen; giebt auch folgendes Exempel mit darüber gesetzten Zeichen

– ∪ – ∪ – ∪ – ∪

Im Gesetze steht geschrieben;

handelt auch sonst viel genauer die mancherley Versarten ab.

2 Quintilian saget: L.I.c. 4. TUM NEC CITRA MUSICEN GRAMMATICE POTEST ESSE PERFECTA, CUM EI DE METRIS RHYTHMISQUE DICENDUM SIT.

3 So hat es auch eher Dichter, als Anweisungen zur Dichtkunst gegeben. Denn Aristoteles schrieb viel später seine Poetik, als Homer, Aeschylus,Sophokles und Euripides ihre Werke geschrieben hatten. So haben auch bey uns die alten Dichter viel eher gut scandirte Reime geschrieben, als ihnen jemand Regeln dazu gegeben, wie hernach erhellen wird. Indessen sind doch unsere Sprachlehrer die ersten gewesen, die dazu angeführet haben; ehe noch eine deutsche Dichtkunst vorhanden gewesen.

4 S. den Auszug aus des Abts Olivet PROSODIE FRANÇOISE im III Theile des Büchersaales der schönen Wissenschaften und freyen Künste.

5 So redete schon Gesner in seinem MITHRIDATE, und selbst der vorhin angeführte Clajus saget: SIC TAMEN, UT αρσις ET θεσις OBSERVETUR, JUXTA QUAM PEDES censentur AUT JAMBI AUT TROCHÆ. Hier sieht man, daß er sie nur gleichsam, VEL QUASI, für Jamben und Trochäen halten lassen will. Aber die Regel, die er hernach giebt, zeiget, daß es auch wahre Jamben und Trochäen sind.

6 Sonderlich bezeugen die neuern Verfasser der biblischen Epopeen eine solche Gleichgültigkeit, in Ansehung des Syllbenmaaßes, daß sie nach ihrem Eigensinne die kürzesten Syllben lang, und die längsten oft kurz brauchen. Damit stoßen sie nun gleichsam ihre eigene Meynung wieder um. Denn haben die deutschen Syllben keine gewisse Quantität: wie können sie denn Hexameter machen? Haben sie aber eine: warum beobachtet man sie nicht?

7 Er saget L. III, c. 50. DE ORAT. ITAQUE NON SOLUM VERBIS ARTE POSITIS MOVENTUR OMNES; VERUM ETIAM NUMERIS ET VOCIBUS. QUOTUS ENIM QUISQUE EST, QUI TENEAT ARTEM NUMERORUM AC MODORUM? AT IN HIS, SI PAULLUM MODO OFFENSUM EST, UT AUT CONTRACTIONE BREVIUS FIERET, AUT PRODUCTIONE LONGIUS, THEATRA TOTA RECLAMANT. Eben das ist des schon oft angeführten Clajus Meynung auf der 261 S. der Ausgabe von 1578. SYLLABÆ ENIM, schreibt er, QUÆ COMMUNI PRONUNCIATIONE NON ELEVANTUR, SED RAPTIM, QUASI SCHEVA APUD EBRÆOS, PRONUNCIANTUR, IN COMPOSITIONE VERSUS, NEQUAQUAM ELEVANDÆ SUNT, SED DEPRIMENDÆ. ET CONTRA, SYLLABÆ LONGÆ ET ACCENTUM SUSTINENTES, NEQUAQUAM DEPRIMENDÆ, SED ELEVANDÆ SUNT. Dieses ist nun der wahre Grund aller Prosodie, oder alles Tonmaaßes der Syllben. Die Aussprache lehret es im täglichen Umgange, welche Syllbe lang oder kurz ist: und man darf nur theils ein gutes Ohr, theils eine gewisse Scharfsinnigkeit haben, das, was man höret, zu beobachten, und in Versen beyzubehalten. Diese beyden Eigenschaften sind die ersten Quellen der griechischen und römischen Quantitäten gewesen, ehe man sie noch in Regeln gebracht hatte.

8 Von solchen Versen saget Horaz in seiner ARTE POËTICA:

UT GRATAS INTER MENSAS SYMPHONIA DISCORS,

UNGUENTUM CRASSUM, ET SARDO CUM MELLE PAPAVER,

INGRATUM EST; POTERAT QUIA DUCI CŒNA SINE ISTIS:

SIC ANIMIS FACTUM, NATUMQUE POEMA JUVANDIS,

SI PAULLUM A SUMMO DEFLECTIT, VERGIT AD IMUM.

Den innersten Grund dieser ganzen Schönheit hatIsaak Vossius in s. Tr. DE POEMATUM CANTU ET VIRIBUS RHYTHMI recht philosophisch erkläret a.d. 4 S. CIRCUMFER QUAQUAVERSUM OCULOS, NIHIL USQUAM SIMPLEX ET INCOMPOSITUM INVENIAS, QUOD DELECTET ET SENSUS MULCEAT. TOLLAS COMPO SITIONEM ET PARTIUM VARIETATEM; SIMUL QUOQUE TOLLES PULCRITUDINEM. CUM ENIM OMNIS DECOR ET VENUSTAS A SYMMETRIA ET PARTIUM COMMENSU ORIATUR, CLARUM QUOQUE EST, SYMMETRIA CARERE, QUIDQUID UNUM SIT, ET PARTIBUS CAREAT. SED CUM NON PERINDE SE HABENT PARTIUM SITUS, MULTAQUE PASSIM IN REBUS OCCURRANT, QUÆ, LICET EX VARIIS COPULENTUR MEMBRIS, OCULOS TAMEN SENSUSQUE OFFENDANT; RATIO ET EXPERIENTIA DOCUIT, SOLAM PARTIUM COLLECTIONEM NON SUFFICERE AD CONCILIANDAM PULCRITUDINEM; NISI ETIAM ACCEDAT APTA DISPOSITIO, ET PARTIUM INTER SESE MUTUUS CONSENSUS. – – HÆC LICET PLURIBUS NOTA, IDEO TAMEN MONERE NECESSE HABUIMUS, UT CLARIUS INNOTESCAT, QUANTA FUERIT VETERUM INDUSTRIA ET SAGACITAS, IN PERFICIENDIS IIS OMNIBUS, QUÆ AD CARMINUM PRÆSTANTIAM ET MAJESTATEM PERTINERE VIDERENTUR. PRIMO ENIM OBSERVARUNT, NON SUFFICERE, UT QUILIBET VERSUS ÆQUALI SYLLABARUM NUMERO ABSOLVANTUR; SED, UT ILLI CANTUI APTENTUR, NECESSARIO ETIAM HOC REQUIRI, UT TEMPORUM RATIO IN SIN GULIS SYLLABIS SIBI CONSTET etc. etc.

Das I Hauptstück
Das I Hauptstück.
Historie und Vertheidigung des Syllbenmaaßes überhaupt, und des deutschen insonderheit.

1 §.


Wenn wir den rechten Grund und Ursprung des poetischen Syllbenmaaßes erforschen wollen: so müssen wir in die ersten Zeiten zurück gehen, als die Poesie noch in der Wiege gelegen hat. In diesen Tagen, als die bloße Natur eine so schöne Tochter zur Welt brachte, war sie noch ohne allen Putz, den ihr nach und nach die Kunst angeleget hat. Sie redete gleich den Kindern, oder lallete vielmehr bloß die Sprache der Leidenschaften; sie drückte ihre Empfindungen, in einer ungezwungenen Lebhaftigkeit, voller Feuer und Nachdruck, bald zärtlich, bald heftig aus: wußte aber weiter von keinen andern Zierrathen, als welche die Veränderung der Töne in der Aussprache, oder eine gewisse Art einer unförmlichen Musik, zuwege bringen konnte. S. das I Cap. meiner kritischen Dichtkunst 1.

2 §. Auf diese ersten Versuche, worinnen die ältesten Völker, ohne vorhergehende Beyspiele, sich selbst die Bahne gebrochen, mögen wohl diejenigen bessern Lieder gefolget [634] seyn, die uns von den alten Hebräern, unter dem Namen der Psalmen 2 übrig geblieben sind. Diese haben schon eine etwas abgemessenere Gestalt, indem allemal zwo Zeilen zu einem Verse gehören, die ungefähr von gleicher Länge sind, Diese aber haben weder eine gleiche Anzahl von Syllben, noch eine richtige Abwechselung langer und kurzer Syllben, noch einen gleichklingenden Ausgang der Endsyllben; d.i. keinen Reim. Kurz, sie klingen im Hebräischen nicht viel anders, als das älteste hebräische Lied, das Mirjam am rothen Meere anstimmete, im Deutschen klingt:


Ich will dem Herrn singen; denn er hat eine herrliche That gethan:

Roß und Wagen hat er ins Meer gestürzet etc.

Oder wie Debora und Barak gesungen haben:

Lobet den Herrn, daß Israel wieder frey geworden;

Und daß das Volk willig dazu gewesen ist.


3 §. Auf eben die Art sehen die ältesten Überbleibsel der saliarischen und fescenninischen Verse bey den Römern, und der ältesten nordischen Völker ihre aus, die noch übrig geblieben sind. Sie hatten weder eine richtige Syllbenzahl noch ein Syllbenmaaß, noch Reime: bis endlich die Natur des Gesanges die Ohren etwas zärtlicher, und die Aussprache feiner gemachet hatte. Olaus Worm soll uns hernach aus seiner LITERATURA RUNICA in einer Strophe alter nordischer Verse das Beyspiel geben: wo man vergeblich Syllbenmaaß, Wohlklang oder Reim suchen wird. Die Musik nämlich, die sich nach dem Othem des Singenden richten mußte, erfoderte einige gleichere Abschnitte; in den Zeilen aber eine [635] Abwechselung langer und kurzer Töne, damit nicht alles in einerley Langsamkeit und Geschwindigkeit ausgesprochen würde. Dieses hat; wie ich glaube, den ersten Grund zur Scansion, und zu einer gemessenen Art von Versen geleget 3.

4 §. Hierzu half nicht wenig, daß die Sprachen, die im ersten Ursprunge mehrentheils aus einsyllbigten Wörtern bestunden, allmählich auch vielsyllbigte Wörter bekommen haben. Denn je mehr Nebenbegriffe dieselben auszudrücken anfiengen, je genauer man den Zusammenhang der Gedanken bestimmen wollte: desto mehr Syllben bekamen die Wörter, theils vor, theils hinter sich: und da war nichts natürlicher, als daß in der Aussprache die Hauptsyllbe, oder das Stammund Wurzelwort, einen längern Ton bekam; das ist, mit größerm Nachdrucke ausgesprochen werden mußte. Die natürliche Aussprache gab also dem Gehöre schon eine, obwohl unordentliche Abwechselung, langer und kurzer Syllben zu bemerken; wie alle Sprachen zur Gnüge zeigen 4.

5 §. Dichter und Sänger nun, die ein musikalisches Gehör hatten, merketen bald darauf, daß ein langer Ton, zu einer kurzen Syllbe sich eben so schlecht schickete, als ein kurzer Laut zu einer langen Syllbe. Ein Exempel von der Sache zu haben, nehme man das alte deutsche Lied: Vater unser [636] im Himmelreich. Nach der natürlichen Aussprache, sind die beyden ersten Wörter zween Trochäen, die man so zu zeichnen pflegt:


– ∪ – ∪

Vater unser.


Zieht man aber den Fortgang, und die folgende Zeile, nebst der Musik in Betrachtung: so ist alles folgende jambisch, und muß so gezeichnet und gesungen werden.


∪ – ∪ – ∪ – ∪ –

Vater | unser | im Him|melreich


∪ – ∪ – ∪ – ∪ –

Der du | uns al|le hei|ßest gleich | etc.


Eben so geht es mit der dritten Zeile, die man der Melodie nach, wider ihre Natur so aussprechen muß.


∪ – ∪ – ∪ – ∪ –

Brüder | seyn und | dich ru|fen an | etc. 5


Das war nun dem Gehöre eine schlechte Gnüge gethan!

6 §. Wie übel nun dieses klänge, das hörten die ersten zärtlichen Ohren eines Dichters, auch ohne Regel u. Unterricht: ja nicht nur die Dichter, sondern auch das gemeine Volk [637] ward es allmählich gewahr, daß ein Vers, der solch eine verkehrte Aussprache nicht erfoderte, viel besser klang, als ein solcher, darinn man wider die gewohnte Art zu reden, lesen und singen mußte. Cicero bezeuget dieses von seinen Römern, wenn er schreibt:


»Da im Machen, zwischen einem Gelehrten und Ungelehrten ein so großer Unterschied ist: so ist es ein Wunder, wie wenig sie im Urtheilen unterschieden sind. Denn da die Kunst von der Natur entstanden ist, so wird jene gewiß nichts ausrichten: wofern diese nicht beweget und ergetzet. Nichts aber ist unsern Seelen so sehr verwandt, als ein Tonmaaß, und der Gesang etc. welches Numa, jener gelehrte König, und unsere Vorfahren wohl verstanden haben; wie bey ihren feyerlichen Gastmahlen die Seytenspiele und Pfeifen, imgleichen die saliarischen Lieder zeigeten etc. Wie aber der Pöbel in den Versen gewahr wird, wo man gefehlet hat; so merket ers auch, wenn irgend in unsern Reden etwas hinket« etc. 6


7 §. Aus diesem zarten Gehöre nun, leite ich es her, daß die ältesten Dichter, die ohne dieß ein musikalisches Volk waren, schon um des Linus, Musäus, Orpheus und Amphions Zeiten, wohlklingende Lieder gemachet, die eine grobe Art von Syllbenmaaße gehabt: obgleich ihnen noch kein Sprachlehrer und Kunstrichter, von der Länge und Kürze der Syllben, Regeln gegeben hatte. Fehlten sie aber, wie zu vermuthen ist, bisweilen noch, so besserten es [638] ihre Nachfolger je mehr und mehr. Daher kömmt es, daß Homer, Hesiodus, Anakreon, Sappho und Pindarus, bloß nach dem Tone ihrer Musik und Melodien, verschiedene Versarten erfunden; ehe ihnen noch jemand Anweisung gegeben hatte, wie sie das verschiedene Syllbenmaaß derselben einrichten sollten. Daher haben endlich auch die von aller europäischen Kunst entfernten Peruaner in America, lange vor der Spanier Ankunft, wohl scandirte Lieder gehabt; denen es auch ein ihrer Sprache nicht kundiger anhören kann, daß sie ein Syllbenmaaß haben 7.


8 §. Wollen wir auf unsere Landsleute kommen, so ist freylich in den ältesten Zeiten keine größere Richtigkeit von ihnen beobachtet worden, als in den Psalmen der Hebräer. Ottfried, der in der Hälfte des IX Jahrhunderts schrieb, zählet seine Syllben nicht einmal recht, und mischet bald jambische, bald trochäische Zeilen unter einander: welches gewiß keine Schönheit ist. Allein, dieß war der Rauhigkeit seiner Zeiten zuzuschreiben 8. Ganz anders gieng es im XIIten Jahrhunderte, zu Kaisers Friedrichs des I Zeiten. Z.E. im 32sten [639] Verse der Winsbekischen Ermahnung an seinen Sohn, heißt es ganz jambisch:


∪ – ∪ – ∪ – ∪ –

Sun, du | solt sel | ten schaf | fen icht |

An deiner wisen Fründe rat

Ob dir daran gelunge nicht

Das were niht ein missetat.


Will man ein trochäisches aus eben diesen Zeiten haben: so kann folgendes, aus einem Manuscripte unserer Rathsbibliothek zur Probe dienen:


– ∪ – ∪ – ∪ – ∪

Ich quam | da mit | Vreuden | saissen |

Ritter nüne sunder pin

Reyner Wibe lof sie maissen

Sprach der erst die vrauwe min

Is ein erin Husgeruste

Minis Herzen mut geluste

Hait mir got an ir gegebin etc.


[640] 9 §. Wären nun diese guten Muster allenthalben bekannt und gemein geworden, so würde man viel eher gut scandirte Gedichte in Deutschland bekommen haben. Allein, die damalige Schwierigkeit, geschriebene Bücher recht unter die Leute zu bringen, hinderte den Fortgang der guten Prosodie sehr. Im Anfange des XIX Jahrh. nämlich 1312 lebte Niklas Jeroschim, der eine preußische Chronik in Reimen aufsetzete. Die pergamentne Handschrift davon ist von der Königsbergischen Schloßbibliothek nach Berlin genommen worden; wo sie also noch seyn muß: eine Nachricht davon aber, steht in der preuß. Sammlung II B. im V St. Dieser Dichter giebt uns in seiner Vorrede die damaligen Regeln der deutschen Poesie an, nach denen er sich gerichtet: wo man aber nichts von der Länge und Kürze, sondern nur von der Zahl der Syllben höret, die nicht unter sechs, und nicht über neun, in einem Verse vorkommen dörften. Seine Worte lauten halb jambisch, halb trochäisch, also:


Ouch des Tichters Zunge

An der Materien Straße

Soll die rechte Maße,

Gehaltin an den rymen

Glich zu glichen lymen

In lenge sine Lute

Das sich alles betute

Viel Worte man glich schribet

Der Lute unglich blibet.

Solch rimen soll man miden

Den Sin ouch nit verschniden

Die Lenge hält der Silben zahl

Darunter man ouch merken sal

Das fünf Silben sind zu kures,

Zehen han zu langen schures

Zwischen den zween enden

Rimen die behenden.


(d.i. geschickten Dichter.)


10 §. Nach diesen Regeln nun haben sich die Dichter selbiger Zeiten mehr oder weniger gerichtet, wie ich anderwärts 9 durch alle Jahrhunderte zeigen werde. In eben dem [641] XIVten Jahrhunderte lebte der Teichner, ein österreichischer Dichter, der sich vor andern eines genauen Syllbenmaaßes befliß. Er hat fast lauter trochäische Verse, und zwar von verschiedener Länge gemachet, wie folgende Proben zeigen werden. Das eine Gedicht hebt so an:


– ∪ – ∪ – ∪ –

Von ge | schicht ein | frawn ich | vand

Das ich zarters nie bechant

Gar ze wunsch an allen prechen

Abt ich torst ein wort nicht sprechen etc.


Über das zweyte von der Empfängniß Mariä, hat eine neuere Hand des Vorredners, Augustins von Hammersteten, wiewohl mit schlechterer Geschicklichkeit im scandiren, ausdrücklich in trochäischen Zeilen geschrieben:


– ∪ – ∪ – ∪ –

Vff si | ben syl | leb ge | macht,

Merks die sach Ir Inhalt acht

– ∪ – ∪ – ∪ –

Ir hort | wol die | heilig | schrift

Sey ein Vellung und ein gift

Da mans nach dem Text verstat

Und die gloß darczu nicht hat

Dauon sind die Juden swach

Das sie gent dem texte nach etc.


Wer dieß nicht für einen mit Fleiß gesuchten Wohlklang erkennet, der muß ein schlechtes Gehör haben.


11 §. Der erste aber, der sichs im XVten Jahrhunderte unterwunden, recht nach der Kunst zu scandiren, ist ein gewisser Joseph gewesen, der 1486 ein Gedicht von der [642] Buhlschaft gemachet: wie der Schluß seines Gedichtes zeiget, welches ich von der Zwickauischen Bibliothek gedruckt bekommen habe. Er ruft erst den Merkur, hernach den Phöbus und die Musen an, und sodann saget er, was er für Verse machen wolle; nämlich sechssyllbige, die aber überaus richtig scandiren:


∪ – ∪ – ∪ –

O got | mercu|rius |

Von dir zefurdern vß

Beger ich Hilff und gunst

Syd du wolredens kunst

Ein got vnd gebet bist etc.

Das mir nun das gedych

Got Phöbus so verlych

Mir dazu sinn vnd mut etc.

Desglychen ruff ich an

So best ich ymmer kan

Das ich sollichs volleist

Zum höchsten aller maist

In meiner ted begynn

Gedichtes vch göttinn


∪ – ∪ – ∪ –

Die mu|se sind | genant | etc.

Herby vnd helfend mir

Diß ticht mit rymen bloß

Nach rechter Zal vnd maß

Vnd silben sechsen stuntz

Vß tailen bey der vntz

Wie sich zum besten schickt

Die Wörter unvertzückt

Gebrochen recht vnd fry

Nach Kunst ortography

Figuren kurz vnd lang

In mittel nach Anfang

Bis hin zu ende gar etc.


12 §. Im 1497sten Jahre hat Augustin von Hammersteten aus Wien in Österreich, den obigen alten Dichter, den Teichner genannt, an ein paar sächsische Herzoge zum Geschenke geschickt, und darinn die Richtigkeit des Syllbenmaaßes genau angemerket. Das Mspt. ist noch itzo auf der hochf. goth. Bibliothek, und ich habe es zu meinem Gebrauche in Händen gehabt. Am Schlusse nun die ser Teichnerischen Gedichte, saget er seine Meynung von demselben folgendergestalt, daß er auch derSyllbenzahl schon erwähnet.


– ∪ – ∪ – ∪ –

Was der | teychner | hat ge|setzt

Das ist gut und vnuerletzt

In syben vnd auch in acht

Der Sillebzal wol gemacht.


[643] Weil aber bey diesem Dichter ein ander Gedicht eines Meistersingers, Conrads von Wirzburg goldene Schmiede, geschrieben war: so setzet unser Kunstrichter, der doch selber darinn tadelhaft ist, was er an andern aussetzet, seinen kritischen Ausspruch so hinzu, daß er auch das Syllbenmaaß nicht vergißt. NON PERLEGI ILLA:


QUARE? Daz ist maystergesank

Etwan kurz etwan lank

Vnd west dadurch nit erlangen kain Dank

Darvmb Maister vnd gesellen

Singen wie sy wellen

Achten wenig der sillebmaaß

Das gedicht ich in sein wirden laß.


13 §. Wem nun diese Syllbenzahl, und dieses bemerkte Syllbenmaaß noch keine Gnüge thut, den will ich in den Anfang des XVIten Jahrhunderts führen. Zwar in der Schweiz, und im Frankenlande fand sich noch kein besser Gehör. D. Thomas Murner zu Basel, der 1515 den Virgil deutsch herausgab, und sonst Verse genug machte, schrieb nichts besser, als sein Landsmann Sebastian Brand geschrieben hatte: und Pfinzings berühmterTheuerdank, der 1517 zu Nürnberg, und 1519 zu Augsburg prächtig gedruckt ward, beobachtete die Tonmessung und Zahl der Syllben nicht genauer. Auch der Ritter Johann von Schwarzenberg in seinem Memorial der Tugend und Kummertroste, lehrete seine Franken um diese Zeit noch nichts feiners. Allein, viel besseres Glück hatte das Syllbenmaaß in Sachsen. Hier gab nämlich D. Luther nicht nur in dem christlichen Glauben 10, ein schönes Exempel wohl scandirter Jamben und Trochäen; sondern auch seine andern Kirchenlieder breiteten diesen Geschmack merklich aus.

[644] 14 §. Noch deutlicher aber leuchtet dieses zu eben diesen Zeiten vom Paul Rebhuhn, einem gelehrten Rector in Zwickau, und nachmaligen Superintendenten in die Augen: welcher ausdrücklich die Zeichen des lateinischen Syllbenmaaßes zu seinen Versen geschrieben hat. Schon im 1535sten Jahre hat er:ein geistlich spiel von der gotfürchtigen keuschen Frauen Susan nen, in 4. heraus gegeben, und darinn allerley jambische und trochäische Versarten gebrauchet. Als man aber seine darinn gebrauchte Kunst nicht merken wollte, gab er 1540 die Klag des armen Mannes in 8 heraus, wo er nicht nur ausdrücklich in der Vorrede sagete: »daß er nach der Lateiner Art, mancherley Vers in ›METRIS TROCHAICIS und JAMBICIS‹, deren die deutschen [645] Reym etzlicher maß gemeß sind, gemacht«; sondern auch über jedes Gedicht die Scansion drucken ließ, die er darinn beobachtet hatte. Und so finden sich folgende Arten nach einander 11:


∪ – ∪ – ∪ – ∪ –

1) Ach gott | was soll | ich fan|gen an | etc.?

– ∪ – ∪ – ∪ – ∪

2) Lieber | Mensch weil | du mir | klagest | etc.

∪ – ∪ –

3) Weshal|ben dann | etc.

– ∪ – ∪ – ∪ – ∪ – ∪

4) Lieber | Mensch weil | du mich | ferner | fragest etc.

∪ – ∪ – ∪ – ∪ – ∪ – ∪

5) Je lie|ber A| dam weil | du mir | bezei|gest etc.

– ∪ – ∪ – ∪ – ∪ – ∪ –

6) Mensch ich | sag dir | nach wie | vor denk | ja nur | nicht etc.

∪ – ∪ – ∪ – ∪ – ∪ – ∪ –

7) Ja lie|ber A| dam so | die Mey|nung al| so steht | etc.

– ∪ – ∪ – ∪ – ∪ –

8) Lieber | Mensch so | du doch | dechst der | red etc.

∪ – ∪ – ∪ – ∪ – ∪

9) O A|dam so | ich recht | betrach|te etc.

– ∪ – ∪ – ∪ –

10) Lieber | Mensch dein | frag ich | hör etc.

∪ – ∪ – ∪ – ∪

11) O lie|ber I|sac dei|ne

Vertröstung ist nicht kleine etc.


15 §. So weit brachte man es damals hier in Obersachsen: ganz anders sah es im übrigen Deutschlande aus. In Nürnberg that sich vor allen Hans Sachse hervor, der vornehmste der Meistersänger, die schon lange vor ihm im Schwange gegangen, und vor andern 12 große Meister aufzuweisen hatten. Aus den vielen und weitläuftigen Regeln, die Wagenseil [646] von ihrer Kunst angegeben, erhellet aber im geringsten nicht: daß diese Leute den mindesten Begriff von einem Syllbenmaaße, oder der Scansion gehabt hätten. Sie zähleten ihre Syllben nur, und beobachteten in der Länge der Zeilen, und in der Anzahl derselben in jedem Gesetze, das, was die Weise oder Melodie von ihnen erfoderte, darnach sie ihre Bar, oder Lieder verfertigen wollten: wofern nicht irgend einer eine neue Singweise erfand, dabey er es nach Belieben halten konnte. Außer solchen Liedern nun machte zwar Hans Sachs noch viel andere Gedichte, die fünf Folianten füllen. Allein, auch hier findet man kein richtiges Syllbenmaaß: ja nicht einmal die Zahl der Syllben, oder die Länge der Zeilen, sind recht darinnen beobachtet. Doch scheint ihm bisweilen etwas richtigers, gleichsam von ungefähr, entfahren zu seyn: wie das Lied, Warum betrübst du dich mein Herz, zeiget. Allein, so ordentlich etliche Verse gerathen sind; so schlecht klingen andere: Z.E.


Joseph in Egypten verkaufet ward.

Vom Pha|rao | gefan|gen hart, |

Um seinr | Gottsfürch|tigkeit: |

Gott macht | ihn, zu | ein'm gro|ßen Herrn |

Daß er konnt Vater und Brüder ernehrn.


16 §. Etwas besser beobachtete um eben diese Zeiten Burcard Waldis, ein Geistlicher im Heßischen, den Wohlklang, der aus der Abwechselung langer und kurzer Syllben entsteht. In seinen verdeutschten äsopischen Fabeln, die 1548 zu Frf. am Mayn herauskamen, sieht man, daß dieser feine Mann ein besseres Gehör, als andere seines gleichen, gehabt. Z.E. die IV Fabel hebt so an:


Ein stück|e fleisch | erwüscht | ein Hundt, |

Vnd trugs hinweg in seinem mundt,

Er dacht, ich darfs ums Gelt nit kauffen,

Vnd wolt vber ein Wasser lauffen,

Als er kam mitten in den bach, etc.


[647] Die hochdeutsche Übersetzung des Reinike Fuchs, die um diese Zeit 1545 herauskam, machte es beynahe auf eben den Schlag. Auch der Theuerdank, den eben der Burcard Waldis, ganz verändert und verbessert herausgab, gewann in Ansehung des Wohlklanges und Syllbenmaaßes, viel: ungeachtet es sonst nicht zu billigen war, daß dieser ein fremdes Werk so umgeschmolzen hatte. Und obgleich Conrad Gesner 1555 in seinem Mithridates einen Versuch that, ob er lateinische Hexameter im Deutschen machen könnte: so hinderte ihn doch seine rauhe Zürcher Mundart an einem guten Erfolge: und da er selbst kein Dichter war, der einiges Aufsehen hätte machen können; so gerieth sein Vorschlag ganz ins Vergessen. Denn selbst in Straßburg, wußteÖlinger, der 1574 seine deutsche Grammatik herausgab, noch nichts von den Geheimnissen des Syllbenmaaßes, wie aus den oben angeführten Stellen aus ihm erhellet. Barthol. Ringwald aber zeigete 1580, in Thüringen, daß er ein ziemliches Gehör hatte, wenn er sich in seiner deutschen Wahrheit so hören ließ:


Nachdem denn itzt die Menschenkind,

So gar verstockt und sicher sind,

Daß sie nicht gläuben, daß auf Erd

Der große Richter kommen werd etc.


17 §. Die rechte Ehre, das deutsche Syllbenmaaß in Regeln und Ordnung zu bringen, war also abermal Obersachsen, oder Meißen aufgehoben: als Joh.Clajus, 1578 hier zu Leipzig, beym Joh.Rhamba, seine GRAMMATICAM GERMANICÆ LINGUÆ herausgab. Hierinn handelte er nicht nur die Prosodie, nach den Zeugnissen der im obigen angeführten Stellen, so ab, daß er die Möglichkeit der jambischen und trochäischen Verse im Deutschen zeigete und lehrete; sondern er gab auch von allen jambischen und trochäischen Arten die METRA, und Exempel dazu. Ja, er ließ es dabey nicht bewenden; er setzete auch ein Hauptstück DE RATIONE CARMINUM [648] NOVA hinzu, und lehret, wie man auch die lateinischen und griechischen Versarten machen solle; nachdem er von dem Tonmaaße deutscher Syllben Regeln gegeben. Z.E.


EXEMPLUM CARMINIS HEROICI.


– ∪ ∪ – – – – – – – ∪ ∪ – –

Bitte den | Herren | Herrn, der | wird dich | gnädig er|hören, |

– – – – – – – – – ∪ ∪ – –

Vnd wird | dir ge|ben, nach | dem das | ewige | Leben.


CARMINIS ELEGIACI.


– – – – – – – ∪ ∪ – ∪ ∪ – –

Gott sey | mein Bey|stand, barm | herziger | ewiger | Heiland! |

– – – – – – ∪ ∪ – ∪ ∪ –

Denn ich | bin dein | Knecht, | mache mich, | Herre, ge|recht, |


JAMBICI DIMETRI.


Bewar | mich Herr | mein höch|ster Hort, |

Auf daß ich ewig lebe dort.


HENDECASYLLABI.


Nu sey | Christe ge|lobet | vnd ge|preiset, |

Hast mein | seele ge|trenket | vnd ge|speiset.


SAPPHICI CUM ADONICO.


Lobe mit | Cimbeln, | der ob | allen | Himmeln |

Dich mit Heil | zieret, bene|deit, re|gieret,

Noch gesund | sparet, | wider | angst be|waret,

Lobe den Herren.


Sind nun gleich diese Exempel nicht ganz untadelich: so sieht man doch, daß ein gelehrter Sprachkenner schon der Sache Möglichkeit eingesehen, und den Anfang dazu, nicht ganz unglücklich, gemachet hat.

[649] 18 §. Kurz darauf fanden sich ein Paar andere Eiferer für das richtige Syllbenmaaß, die zwar von diesen Erfindungen nichts wußten; aber doch mit der gemeinen im Schwange gehenden Versart der Pritschmeister, ohne Zahl und Maaß zu reimen, übel zufrieden waren. Der erste davon war ein gelehrter Mann D.Erasmus Alberus, der 1590 zu Frf. am Mayn, neun und vierzig äsopische Fabeln ans Licht stellete. Dieser saget in der Vorrede ausdrücklich: er habe eimjeglichen Versacht Syllben gegeben, ohn wo ein INFINITWUS am Ende gefelt, der bringet mit sich ein übrige Syllbe; ohne Zweifel, weil er an andern darinn eine Nachläßigkeit beobachtet hatte. Allein, noch stärker drücket sich davon Adam Puschmann, ein Poet zu Breslaw, in seiner Komödie vom Patr. Jakob, Joseph und seinen Brüdern, 1592, aus. Denn »er giebt es für die dritte und fürnehmste Vrsach dieser seiner Arbeit an, daß er das, was von vielen, den Regeln der alten Autoren in deutscher Poeterey zuwider, begangen würde, bessern möchte.« Dieser Puschmann war aber nur ein ungelehrter Meistersinger, und Schüler von Hans Sachsen: daher dringt er auch, wie Alberus, nur auf die bloße Zahl der Syllben 12.

19 §. Mit dem Ende dieses, und Anfange des folgenden Jahrhunderts thaten sich noch drey Dichter hervor, die aber [650] der Sache kein besseres Ansehen gaben. In Magdeburg trat Rollenhagen mit seinem Froschmäuseler 1597 ans Licht. In Nürnberg lebte und dichtete Jakob Ayrer viele Schauspiele, die auch 1610 und 1618 in einem Folianten ans Licht kamen. Und in Augspurg lebte Johann Spreng, der nicht nur die Ilias und Äneis, sondern auch Ovids Verwandlungen, und den Palingenius in deutschen Versen ans Licht stellete. Aber der erste ist in seinen Reimen sehr ungebunden, so daß er nicht einmal die Zahl, geschweige denn das Maaß der Syllben recht beobachtet. Der zweyte machte es nicht viel besser, als sein Vorbild Hans Sachs, dessen Spuren er in allem folget. Der dritte trifft noch den jambischen Wohlklang am besten.

20 §. Nach allen diesen Vorschlägen, Versuchen und Vorspielen eines regelmäßigen Syllbenmaaßes, erschien endlich Martin Opitz, den sein großer Geist sowohl, als die Kenntniß der alten Dichter, geschickt machten, die gänzliche Einführung desselben in ganz Deutschland zu bewirken. Ohne die Gewalt eines Gesetzgebers auf dem deutschen Parnasse zu haben, wirkten seine schönen Muster, daß alles die Wahrheit des Lehrsatzes erkannte: die deutsche Dichtkunst kann, und muß ein richtiges Zeitmaaß der Syllben beobachten. Seine Poeterey setzte dieses noch besser ins Licht; und sein Freund Aug. Buchner in Wittenberg, bestärkte solches in seinem deutschen Poeten, noch mehr. Alles übrige aber, was nur in Deutschland Verse machte, bemühete sich um die Wette, ihm zu folgen; wiewohl immer einer mit besserm Glücke, als der andere 13. Und ungeachtet Opitz einmal dem Dan. Heinsius die Schmäucheley machet; daß dessen niederländischePoesie der Seinen Mutter sey: so sieht man doch aus allem obigen wohl, daß nach so vielen Vorbereitungen, ein solcher Kopf, als seiner war, schon in seinem Vaterlande Anleitung genug gehabt, dergleichen Veränderung, mit gutem Glücke zu bewerkstelligen.

[651] 21 §. Der einzige Einworf, den die Bewunderer des griechischen und lateinischen Syllbenmaaßes hier machen, ist dieser. Die deutsche Prosodie, sagen sie, richtet sich nach dem bloßen Gehöre, nicht aber nach den Regeln des griechischen und lateinischen Syllbenmaaßes. Folglich sind denn die deutschen Verse nur solche VERSUS POLITICI, als die barbarischen [652] Mönche, welche die wahre Quantität der lateinischen Syllben nicht wußten, in den mittlern Zeiten, im Lateine gemachet haben. So wenig, als nun dieser ihre lateinische Scansion eine rechte prosodische Scansion war: so wenig ist auch unser deutsches Syllbenmaaß ein rechtes prosodisches Wesen, das sich nach der Natur der Syllben richtet. 14

22 §. Auf diesen Einwurf ist verschiedenes zu antworten. 1) Giebt mans zu, daß die alten Mönche mit ihren VERSIBUS POLITICIS keine gute lateinische Prosodie beobachtet haben. Allein, woher kam das? Das Latein war ihre Muttersprache nicht: sie hatten auch die wahre, alte und gute Aussprache des Lateins nicht mehr in ihrer Gewalt; sondern es galt zu ihrer Zeit eine verderbte und falsche Mundart, nach der sie sich richteten 15. Sie hätten sich also, in Ermangelung der ersten, nach den prosodischen Regeln richten sollen: als welche dazu gemachet waren, die wahre alte Aussprache zu lehren, und sie wenigstens in Versen dabey zu erhalten. Virgil aber brauchte zu seiner Zeit solche Regeln nicht: er war ein gebohrner Lateiner, und scandirte, wie man in Rom redete; wie das Gehör es ihm gab, und wie der Wohlklang es erfoderte 16.

[653] 23 §. Allein, wie schicket sich nun 2) dieses Exempel der lateinisch dichtenden Mönche auf uns? Schreiben wir etwan auch in einer fremden Sprache, deren wahrer Klang und Syllbenton längst verlohren gegangen ist? Dichten wir nicht in unserer Muttersprache, die bey uns in vollem Schwange geht, und durch keinen Einfall fremder und barbarischer Völker verderbet worden? Wäre dieses, so müßte man freylich durch Regeln, die alte wahre Aussprache des Deutschen, so wie sie etwa bey unsern Vorfahren gelautet hätte, wie der herzustellen suchen. Aber davon wissen wir Gottlob! nichts. Wir sind Herren in unserm Lande; wie die Römer zu Augusts Zeiten. Wir dörfen also die Syllben nicht nach den Regeln, sondern nach dem bloßen Gehöre, abmessen.

24 §. Zum 3) ist freylich unsere Aussprache mit der griechischen und römischen nicht einerley. Wir sprechen manche Syllbe lang aus, die jene kurz machten, und umgekehrt. Allein, daraus folget noch nicht, daß wir Deutschen keine Prosodie hätten, oder beobachteten. Denn wer versichert uns erst, daß die alten Griechen und Römer, die wahre unverbrüchliche, [654] allgemeine Prosodie der Natur beobachtet haben? Sie haben scandiret, wie sie gesprochen haben; und zwar die Lateiner schon etwas anders, als die Griechen: folglich richteten sie sich nach ihren besondern Mundarten. Die neuesten Poeten scandirten auch schon etwas anders, als die ältern. Des Plautus Syllbenmaaß, stimmet mit dem Prudentius nicht allemal überein: auch wenn sie beyde Jamben machen. Lucrez stimmet mit dem Claudian in den Quantitäten auch nicht recht zusammen: und das ist kein Wunder. Die Zeiten hatten die Aussprache geändert; daher scandirte ein jeder, wie seine Ohren es aussprechen hörten 17. Was folget nun daraus? Dieses, daß jedes Volk, daß jede Sprache und Zeit ihre besondere Prosodie hat, oder ihre eigene Wortzeit und Syllbengröße beobachtet, wie ihre besondere Aussprache es mit sich bringet; und daß sich also unsere deutsche Prosodie, nicht eben nothwendig, nach den Regeln der griechischen und lateinischen richten muß.

25 §. Ja, spricht man: die Natur lehret aber gleichwohl, daß eine Syllbe, die aus vielen Mitlautern besteht, eine längere Zeit zur Aussprache erfodert, als eine andere, die wenige oder gar keinen hat. Dieß beobachten nun die gelehrten Sprachen; die deutsche aber nicht. Ich antworte: Es ist wahr, daß viele Buchstaben der Zunge, und den Lippen mehr zu thun schaffen, als wenige; aber es kömmt auch viel auf die[655] Übung und Gewohnheit der Zungen an. Ein Pohl spricht vier, fünf Mitlauter vor einem einzigen Selbstlaute, eben so schnell aus, als ein anderer einen bloßen Selbstlaut hören läßt. Ja, ein und dasselbe Volk, machet bisweilen einen Selbstlaut ohne Mitlauter, zur langen Syllbe; und spricht ihn hergegen ein andermal mit dreyen Mitlautern kurz aus. Ist nicht z.E. das A im Lateine, wenn es von heißt, oder im ABLATIVO PRIMÆ DECL. lang? Aber eben dieß A wird in der ersten Syllbe PATRIS oder PATREM auch kurz gesprochen, ob es gleich vorne ein p und hinten tr hat. Werden nicht alle Selbstlauter bald kurz, bald lang? Ist das Wort MATER, physikalisch von den Buchstaben zu reden, wohl anders beschaffen, als PATER 18? Ist das Wort MALUS anders, wann es was Böses, als wann es einen Apfelbaum bedeutet? Gleichwohl ist es einmal kurz, und einmal lang 19: zu einem deutlichen Beweise, daß die Römer ihrer Aussprache, nicht aber der Natur der Buchstaben gefolget sind, wenn sie die Länge und Kürze der Syllben bestimmet haben.

26 §. Endlich kann man freylich soviel einräumen, daß ein Dichter, der wohlklingende und leicht fließende Verse machen will, darauf zu sehen habe; daß er nicht gar zu viel harte und [656] rauhe Syllben zusammen stopfe. Denn die Zunge brauchet allerdings mehr Zeit, so viele Mitlauter hinter einander auszusprechen, als wenige: und es klingt gut, daß man auch gelindere Syllben mit unterlaufen läßt, darinn sie nicht so viel zu thun hat. Darum klingen eben Lohensteins und Königs Verse so hart; Kanitzens undBessers aber so fließend. Jene beschweren und ermüden die Zunge, diese nicht: jene belästigen, diese aber vergnügen das Ohr. Nur dörfen wir darum doch die ganze lateinische Prosodie noch nicht annehmen; sondern müssen uns nach unserer Mundart richten, die oft auch erlaubet, mehrere Mitlauter, bey einer Syllbe, schnell und kurz auszusprechen.

27 §. Hieraus wird man nun beurtheilen können, ob Isaak Vossius recht habe, wenn er in seinem Buche, DE POEMATUM CANTU & VIRIBUS RHYTHMI, welches zu Oxford 1673 in gr. 8 heraus gekommen, vorgiebt: daß alle heutige europäische Sprachen kein Syllbenmaaß in ihrer Poesie hätten. Eben so haben Lami, Rollin, und Beaumarchais geurtheilet. S. der Krit. Dichtkunst, 4 Aufl. a.d. 78, 79 S. Wir sind völlig mit ihnen eins: daß Verse, ohne eine gewisse Scansion, barbarisch klingen; und sich zur Musik, wenigstens in Liedern von vielen Strophen, zu einerley Melodie unmöglich schicken. Wir geben ihm zu, daß die Franzosen in ihrer Poesie kein rechtes Syllbenmaaß, sondern nur eine Syllbenzahl beobachten: der Abt Olivet mag auch in seiner PROSODIE FRANÇOISE sagen, was er will 20. Aber daß deswegen alle heutige Völker in Europa, nichts von der Scansion und dem wahren poetischen Wohlklange, oder RHYTHMO wissen sollten, das hat er gar nicht bewiesen 21.

[657] 28 §. Denn fürs erste ist es eine ausgemachte Sache, daß schon zu Vossens Zeit, Engländer und Holländer, deren Poesie er hat kennen müssen, scandiret haben. Daß ferner die Wälschen in allen ihren Operarien, bald jambisch, bald trochäisch scandiren, fällt einem jeden in die Ohren, der sie entweder von einem Wälschen recht lesen, oder singen höret. Ja er hätte nur den TRISSINO, DELLA POETICA, in der II Abth. lesen dörfen, so würde er erkannt haben: daß dieselben vor zweyhundert Jahren schon, vom Syllbenmaaße, von Jamben und Trochäen, und andern Arten der Füße, eben so geredet haben: als wir Deutschen 22. Wenn aber das alles gleich nicht wäre: so ist es doch gewiß, daß unsere hochdeutsche Poesie, seit mehr als dreyhundert Jahren, eines wahrhaften Syllbenmaaßes nicht nur fähig gewesen; sondern selbiges auch [658] wirklich ausgeübet, und immer mehr ins Feine gebracht hat. Er hat uns also zu frühzeitig verdammet, ohne uns vorher recht gekannt, oder gehöret zu haben; welches keinem wahren Kunstrichter wohl ansteht.

29 §. Dieses habe ich von der Historie, und zur Vertheidigung des deutschen Syllbenmaaßes, hier nothwendig beybringen müssen; auch ehe ich noch die Regeln davon vorgetragen. Denn es haben sich auch unter uns, mitten in dem Flore der deutschen freyen Künste, Männer gefunden, die uns alle Prosodie in unsern heutigen Versen absprechen; und uns mit den alten barbarischen Versmachern in den Klöstern, in eine Classe haben werfen wollen 23. Man kann kaum begreifen, daß etwas anders, als eine unsägliche Begierde, ganz allein für tiefeinsehende Richter und Wiederhersteller der schönen Wissenschaften gehalten zu werden, ein so verwägnes Urtheil von unserer Dichtkunst ausgehecket haben kann. Was ist das aber nicht für ein Stolz, sich allein für sehend, und alle Dichter eines Volkes, wenigstens seit zweyhundert Jahren her, für blind zu erklären?

[659] 30 §. Dieses nochmals durch D. Luthers Exempel darzuthun, will ich ein paar kleine Sinngedichte dieses großen Mannes, aus seiner eigenhändigen Schrift mittheilen, die noch auf der Zwickauischen Bibliothek bewahret wird. Hier wird man sehen, wie dieser große Mann, auch keine Syllbe falsch scandiret; wenn er nicht etwa in Übersetzungen aus lateinischen Gesängen, sich zu sehr an den Grundtext halten wollen: wie ihm z.E. in dem Weihnachtliede, Nun komm der Heiden Heiland, wiederfahren ist. Sie lauten aber folgendermaßen.


I.


∪ – ∪ – ∪ – ∪ – Dies Büch | lein ist | ein ed | les gut | Gros Kunst vnd weisheit lehren thut Wohl dem, der sich auch helt darnach Dem wird Gott segnen all sein sach Denn Gottes wort bleibt ewigleich Vnd theilet mit das Hymmelreich Wir müssen doch von dieser Welt Alsdenn das Wort fest bey uns helt Vnd sterkt uns jnn des sterbens not Vnd hilft vns aus dem ew(i)gen tod.


D.M.L.

II.


Die Fraw muß selber sein die Magd Wil sie jm hause schaffen radth Der Herr muß selber sein der Knecht Wil ers jm Hause finden recht 24 Gesinde nimmermehr bedenkt Was nutz vnd schad' im Hause brengt Es ist ja nichts erlogen dran Weil sie es nicht für eigen han.


D.L.

Fußnoten

1 Die Lieder, welche man zu Labans und Jakobs Zeiten in Mesopotamien gesungen hat, (im I B. Mose im 31 Cap. 27 V.) werden auf diese Art geklungen haben. Die Dichtkunst des Buches Hiobs ist auch nicht viel anders beschaffen: obgleich Josephus die Griechen und Römer bereden wollen, daß es in Hexametern geschrieben sey. Und kurz, aller Völker älteste Verse müssen so ausgesehen haben; wie die Lieder der Americaner und Lappländer noch itzo aussehen.

2 Wer dieß näher einsehen will, der lese Eduard Manwärings II Brief, in lat. Sprache nach, den er von dem hebräischen Syllbenmaaße insonderheit geschrieben hat, und bey dem TRACT. A RECOVERY OF THE LATIN, GREC, AND HEBREW NUMBERS, 1738, zum zweytenmale zu London ans Licht gestellet worden. Denn er meynet, die hebräischen Psalmen wären eben so richtig scandiret, als Pindars Oden.

3 Quintil. L. IX. CAP. ULT. schreibt: POEMA NEMO DUBITAVERIT, IMPERITO QUODAM INITIO FUSUM, & AURIUM MENSURA, & SIMILITER DECURRENTIUM SPATIORUM OBSERVATIONE, ESSE GENERATUM; MOX REPERTOS PEDES.

4 Nichts ist natürlicher, als daß ein Hauptwort, oder ein Beywort, oder ein Zeitwort in seiner Stamm- oder Wurzelsyllbe einen langen Ton habe; alle zufällige Syllben aber, die dieser vor, oder nachgesetzet werden, nur kurz lauten, weil sich die Stimme dabey nicht aufhält. Z.E. wachs, walt, stirb, sind Stammsyllben, folglich lang. Dieß bleiben sie auch inGewächsen, gewaltig, gestorben.

5 Das war unsers ersten Sprachlehrers Ölingers Meynung, wenn er auf der 199sten S. schrieb; DE QUANTITATE SYLLABARUM IN HAC NOSTRA LINGUA NIHIL CERTI PRÆSCRIBERE POSSUMUS: NAM SÆPE SYLLABÆ IN RHYTHMIS CORRIPIUNTUR, QUÆ IN PROSA ORATIONE PRODUCUNTUR, & E CONTRA. UT

∪ – ∪ – ∪ – ∪ –

An dich | und dein | heilig | Gebott |

Geden|ken in | der Lei|besnot. |

Allein, der ehrliche Mann muß über lauter schlechte Poeten gerathen seyn. Denn wenigstens haben Luther, Rebhuhn, Ringwald, auch wohlHans Sachs, und Alberus in seinen Fabeln, dieses nicht oft gethan.

6 MIRABILE EST, CUM PLURIMUM IN FACIENDO INTERSIT, INTER DOCTUM & RUDEM, QUAM NON MULTUM DIFFERAT IN JUDICANDO. Ars enim; cum a natura profecta sit; NISI NATURA MOVEAT AC DELECTET; NIHIL SANE EGISSE VIDEATUR. NIHIL EST AUTEM TAM COGNATUM MENTIBUS NOSTRIS, QUAM NUMERI ATQUE VOCES, QUIBUS & EXCITAMUR, & INCENDIMUR, & LENIMUR, & LANGUESCIMUS, & AD HILARITATEM, & AD TRISTITIAM SÆPE DEDUCIMUR; QUORUM ILLA SUMMA VIS CARMINIBUS EST APTIOR & CANTIBUS; NON NEGLECTA, UT MIHI VIDETUR, A NUMA, REGE DOCTISSIMO, MAJORIBUSQUE NOSTRIS, UT EPULARUM SOLENNIUM FIDES AC TIBIÆ, SALIORUMQUE VERSUS INDICANT; MAXIME AUTEM A GRÆCIA VETERE CELEBRATA; – – – Verum ut in versu vulgus, si est peccatum, videt: SIC, SI QUID IN NOSTRA ORATIONE CLAUDICET, VIDET. LIB. III. DE ORAT. C. 51.

7 In der HISTOIRE DES YNCAS, ROIS DE PEROU, findet man a.d. 116 S. eine Probe solcher peruanischer Verse, wovon ich etwas hieher setze, um zu zeigen: wie die Natur des Gehöres die Dichter allenthalben, auch ohne die Regeln, den Wohlklang des Syllbenmaaßes gelehret habe. Denn wer merket nicht, daß diese Verse der Haraveke, oder ihrer Dichter, trochäisch sind?

Die erste Art klingt so:

CAYLIA CLAPI

PUNNUNQUI;

CHAUPITUTA

SAMUSAC.

d.i.

Bey dem Singen

Schläffst du ein:

Und im Finstern

Komm ich hin.

Die andere so:

CUMAC NUSTA

TORALAY QUIN

PUNNUY QUITA

PAQUIR CAYAN.

d.i.

Schöne Nymphe,

Hat dein Bruder

Dein Gefäße

Nun zerbrochen? etc.

8 Er gesteht es auch selbst, wenn er schreibt: NON QUO SERIES SCRIPTIONIS HUJUS METRICA SIT SUBTILITATE CONSTRICTA etc. S. die Vorrede seines Evangelii, an den Erzbischof Luitbert, zu Maynz. Gleichwohl hat er sein Möglichstes gethan. Ein Exempel machet die Sache denen klar, die Schilters Sprachschatz nicht besitzen, und also unsere älteste Versart nicht kennen. Er schreibt dieses im I Cap. und redet ausdrücklich von dieser Materie des Syllbenmaaßes.

d.i. nach Schilters lateinischer

Dollmetschung.

Ist iz prosun slichti

Thaz drenckit thih in richti

Odo metres kleini

The ist gouma filu reini

Sie duent iz filu suazi

Jo mezent sie thie fuazi

Thie lengi joh thie kurti

The is gelustich az uuurti.

Eigun sie iz bithenkit

Thaz syllaba in ni uuenkit

Si es alles uuio ni ruachent

Ni so thie fuazi suachent. etc.

Ist es prosa schlechte

Das erquicket dich recht

Oder METRA kleine

Da ist der Gaum viel reiner

Sie thun es viel süßer

Ja messen sie die Füße,

Die Länge und die Kürze

Daß es lustiger würde

Eigen sie es bedenken

Daß Syllben nicht wanken,

Sie alles fast nicht achten

Wo sie nicht Füße suchen.

Man sieht also wohl, daß es bey dem ehrlichen Ottfried nicht am Wissen und Wollen, sondern am Können gelegen habe.

9 In meiner ausführlichen Historie der deutschen Sprache und Poesie, woran ich schon verschiedene Jahre gearbeitet habe, werde ich mehr Proben davon anführen.

10 Es ist werth, daß wir einen Vers des Glaubens hieher setzen, und die Zeichen der Länge und Kürze, zur Überführung der Zweifler, darüber stellen.

∪ – ∪ – ∪ – ∪ –

Wir gläu|ben auch | an Je|sum Christ,

– ∪ – ∪ – ∪ – ∪

Seinen | Sohn und | unsern | Herren,

∪ – ∪ – ∪ – ∪ –

Der e|wig bey | dem Va|ter ist,

– ∪ – ∪ – ∪ – ∪

Gleicher | Gott von | Macht und | Ehren |

Von Maria der Jungfrauen

Ist ein wahrer Mensch gebohren,

Durch den heilgen Geist im Glauben,

Für uns, die wir warn verlohren.

∪ – ∪ – ∪ – ∪ –

Am Kreuz | gestor|ben und | vom Tod

Wied'r auf | erstan | den ist | durch Gott.

Hier sieht man nun deutlich, daß ein zartes Gehör unserm Dichter ein richtiges Syllbenmaaß an die Hand gegeben. Denn da er in allen Strophen gleich, die männlichen Zeilen allemal jambisch, die weiblichen aber allemal trochäisch gemachet: so erhellet klärlich, daß ihm hier nichts von ungefähr geglücket; auch nichts aus besonderer Neigung angedichtet werde. Ein gleiches wird man an dem Liede: Gott der Vater wohn uns bey etc. bemerken.

11 Siehe die krit. Beyträge.

12 Zum andern, (schreibt er in der Vorr.) »halten sie keine Zahl noch masse der Syllben in Versen, oder RITHMUS; das ist sie machen offtmal 2, 3 oder 4 Syllben mehr oder weniger, als in den andern Versen (Nur das sie vermeinen bessern Verstand der meynung an den Tag zu geben.) samp schrieben sie etwan eine Missiven, oder ander Getichte, welche sich nicht reymen dörffen, ist auch ein groß VICIUM.

Wie viel man aber Syllben in einem Versen machen sol, wil ich allhie niemandt sonderliche ISTSTRUCTION geben. Sondern ich habe bey vielen Gelehrten Leuten, auch an Hans Sachses Composition der deutschen Versen gesehen, daß sie gemeiniglich zu stumpffen Versen oder Reymen 8 Syllben, vnd zu den klingenden Versen 9 Syllben, gebrauchen. Bey solcher anzahl der Syllben – – ich es meiner einfalt nach, verbleiben lasse, etc.«

13 Z.E. der berühmte latein. Kunstrichter allhier,Caspar Barth, ließ sichs, nach dem BeyspieleAugust Buchners und Joh. Freinsheims, in den Sinn kommen, deutsche Gedichte zu machen. Er gab auch wirklich, 1626, und also in demselben Jahre, als der Oberste vom Werder das befreyete Jerusalem in dieser neuen Versart ans Licht stellete, seinen deutschen Phönix, in Frf. am Mayn, zwölf Bogen in 4 oder 94 Seiten stark, ans Licht. Wie schön es aber diesem großen Humanisten gelungen sey, wird folgende Probe zeigen.

O außerkohrne Cron, O fürbündige Blum,

O schönstes Meysterstück, von übermenschlichem Rhum,

Ein Kern, ein Ehr, ein Zierd der himmlischen Weißheit,

Zum Spiegel, welche dich hat jhrer Kraft bereit.

O Contrafet, Figur, abdruck der Herrlichkeit,

Die in sich selbst, von sich, durch sich die Ewigkeit,

Besteht, bleibt ausser forcht des Wandels vnd der Zeit. etc.

O Wapen steter Frewd, vnverblühter Jugent,

In Alter unverzehrt, alzeit grün in Tugent,

Alzeit frisch in Liebe, alzeit rein in Ehren,

Den keine Macht noch List des Todes kann verzehren,

Der alte Drache selbst in Abgrund der Spelunken etc.

An welches starkem Gesetz die augenblicklich Minut

Hinlauffet schnell, und schnell sich wiederkehren thut.

Hätte man diesem ehrlichen Manne nicht zurufen können: SI TACUISSES, POETA MANSISSES! Da sieht man aber, wie die großen Helden im Latein, die alles, was deutsch ist, mit einem stolzen Naserümpfen verachten, selbst ihre Schwäche verrathen, und zu ihrer eigenen Schande die Feder ergreifen: wenn sie sich in dasjenige deutsche Feld wagen, welches ihnen so verächtlich vorkömmt. Das heißt ja, mit dem Horaz:

LUDERE QUI NESCIT, CAMPESTRIBUS ABSTINET ARMIS,

INDOCTUSQUE PILÆ, DISCIQUE TROCHIQUE QUIESCIT;

NE SPISSÆ RISUM TOLLANT IMPUNE CORONÆ;

QUI NESCIT, VERSUS TAMEN AUDET FINGERE.

14 Diese seltsame Meynung, hat der hiesige Prof. Christ, weil. theils in seinen NOCTIBUS ACADEMICIS, theils in den EXCURSIBUS bey seinem SUSELICIO, am eifrigsten getrieben; aber so schlecht zu erhärten gewußt, als seine eigenen deutschen Verse klungen. Von diesem könnte man, wie vom SILIUS ITALICUS, mit dem jüngern PLINIUS sagen: VERSUS ETIAM FACIT, MAJORI CURA QUAM INGENIO. Sein Tod hat uns von der Furcht befreyet, dereinst seine deutschen Geburten nach lateinischen METRIS, ja wohl gar deutsche Komödien von ihm gedruckt zu sehen; oder vielmehr des Vergnügens beraubet, sie zu belachen.

15 Haben wir itzo doch alle, sowohl im Griechischen, wenn wir es nach den Accenten lesen, als im Lateinischen, eine so verderbte Aussprache, daß sie den alten Atheniensern und Römern lächerlich vorkommen würde. Das gesteht GERH. J. VOSSIUS, in seinem Buche DE ARTE GRAMMATICA, L. II C. XII. DOCTRINAM HANC (PROSODIAM) ADDISCERE HODIE COGIMUR, PARTIM EX ARTIS METRICÆ SCRIPTORIBUS, PARTIM, AC TUTISSIME, EX LECTIONE POETARUM. E PRONUNCIATIONE VERO, quæ admodum recessit ab antiqua, AURIUM JUDICIUM FACERE NON POSSUMUS. SIQUIDEM IN PLURIMIS EODEM MODO PRONUNCIAMUS VOCALEM BREVEM AC LONGAM. NEC ENIM AXITER EFFERIMUSvenit PRÆSENTIS, QUAM PRÆTERITi; viro A VIR, QUAM IN virus; a IN dabo, QUAM IN stabo, & SIC IN CETERIS.

16 Eben der Vossius setzet gleich darauf: OLIM AUTEM IN PRÆTERITO venit, E SONABAT, QUASI DUO ee, I IN virus, QUASI ei FUISSET,stabo QUASI staabo. ALITER QUI OUM EXTULISSET, NÆ ILLE PASTORITIA FISTULA EXCEPTUS ESSET, etiam a vulgo: QUOD, ETSI ARTEM METRICAM NON DIDICISSET E POETIS, OPTIME TAMEN POTERAT DE MODULIS JUDICARE. Und hierauf führet er noch folgende Ciceronische Stelle an, EX ORATORE: IN VERSU QUIDEM THEATRA TOTA RECLAMANT, SI FUIT UNA SYLLABA AUT BREVIOR, AUT LONGIOR. NEC VERO MULTITUDO PEDES NOVIT, NEC ULLOS NUMEROS TENET; NEC ILLUD QUOD OFFENDIT, AUT CUR, AUT IN QUO OFFENDAT, INTELLIGIT; & TAMEN OMNIUM LONGITUDINUM AUT BREVITATUM JUDICIUM, IPSA NATURA IN AURIBUS NOSTRIS COLLOCAVIT.

17 Z.E. In FIO, haben die alten Lateiner die erste Syllbe lang gebrauchet: Prudentius aber und andere christliche Poeten brauchen es kurz. Und ob man wohl die Ausnahme macht, daß das I in diesem Worte kurz wird, wenn ein R folget, als in FIERI, so hat doch Terenz ADELPH. ACT. I. SC. II. es auch in diesem Falle lang gebrauchet,

INJURIUM EST; NAM SI ESSET, UNDE ID FEBRET,

FACEREMUS.

wie Donatus selber dabey anmerket; FIERET, PRODUCTA PRIMA SYLLABA. Man sieht hieraus, daß die Alten manche Syllben lang gesprochen, die in neuern Zeiten kurz geworden.

18 Man weis wohl, daß das erste von μητερ, und das andere von πατερ kömmt: da dann das η allezeit lang ist. Allein, wußten das alle Römer, die kein Griechisch konnten? Sie schrieben in beyden Wörtern ein A, und sprachen eins lang, das andere kurz: wie in DABO und STABO. Und wenn die Griechen das η allezeit lang gesprochen: so hatten sie auch dieß besondere Zeichen zum langen e erdacht, welches den Römern fehlte.

19 Daher findet man in Gruters und anderer alten Aufschriften: NAATA, RAARUS, THRAACUM, PAASTORES, REE, SEEDES, MARUNAS, u.d.gl. Und Vossius führet aus dem Quintilian L.I.c. 4. an, daß dieß die Gewohnheit der alten Lateiner durchgehends gewesen, die langen Vocalen zu verdoppeln. Ein anders war also bey ihnen MALUS, ein anders MAALUS: ein anders POPULUS, das Volk, ein anders POOPULUS, die Pappel. Die neuern aber setzten gar ein Strichlein darüber, wenn es lang seyn sollte: welches doch Quintilian verwirft: ob ers gleich bey dem a und o der sechsten Endung billiget.

20 Indessen könnten sie selbige gar leicht einführen, wenn sie wollten. Z.E. in des LE FEVRE HIST. DES POETES GRECS, steht a.d. 102 S. folgendes Sinngedicht:

MILLE & MILLE FOIS

ET PRINCES ET ROIS

APPRETENT À RIRE

A TOUT LEUR EMPIRE.

Hier sind unstreitig die drey letzten Zeilen recht rein amphibrachische Verse von dieser Art,

∪ – ∪ | ∪ –

∪ – ∪ | ∪ – ∪

die man auch sonst Daktylen, vorn mit einer übrigen Syllbe, zu nennen pfleget, und so zeichnet

∪ | – ∪ ∪ | –

∪ | – ∪ ∪ | – ∪

Was hindert sie nun, auch andere Arten zu machen? Hier will mir zwar ein Freund einwenden, ich hätte die französische Zeile, ET PRINCES ET ROIS, nicht richtig für fünfsyllbig gelesen, denn sie hieße:

ĒT PRĪNCE' ĔT RŌIS.

Allein, mit seiner Erlaubniß, irre ich hier gar nicht. Ein s am Ende der Syllbe fließt mit der folgenden Syllbe nicht zusammen, sondern machet eine volle Syllbe für sich. Alle übrigen Zeilen sind auch fünfsyllbig: warum hätte der Poet diese unrichtig gemachet? Übrigens werden ihm alle französische Psalmen, die man in Kirchen singet, zeigen, daß solche Syllben eigene, mit andern gleich lange Noten haben.

21 Es ist die Art der Franzosen, wenn sie ein wenig italienisch und spanisch können, sich einzubilden, sie verstünden nun alle europäische Sprachen; um Aussprüche von allen zu thun. Verstehen sie aber auch das Englische, Deutsche, Holländische, Dänische, Schwedische und Pohlnische? Ja selbst das Wälsche verstehen sie nicht einmal recht, wenn sie ihm das Syllbenmaaß absprechen; wie im folgenden §. erhellen wird, und wie alle Operarien zeigen.

22 Seine Worte lauten so: nachdem er erkläret hat, was die vier zweysyllbigen Füße sind, damit sich die italienische Poesie behilft, der Jambus, Trochäus, Spondäus und Pyrrichius: DI QUESTI QUATRO PIEDI SI FANNO I VERSI, DE I QUALI ALCUNI DAL JAMBO, CHE IN ESSI HA PREEMINENZA MAGGIORE, SI CHIAMERANNO JAMBICI, & ALTRI DAL TROCHEO TROCAICI; & QUESTI JAMBICI SONO COMMUNEMENTE DI DUE MISURE, ESSENDO CIASCUNA MISURA DI DUE PIEDI: IL PERCHÈ QUELLI DI DUE MISURE SI CHIAMANO DIMETRI, & QUELLI DI TRE, TRIMETRI. TROVANSI ANCORA MONOMETRI, CIOÈ VERSI DI UNA MISURA, MA RARI. Und nachdem er dergestalt von den jambischen Versen gehandelt hat, so handelt er auch ausführlich DE I TROCAICI. Jenes stund auf der 16, dieß aber auf der 19 S. seines Buches DELLA POETICA. Ich bediene mich der Veronesischen Ausgabe seiner OPERE, die 1729 in Fol. herausgekommen, woselbst die POETICA im TOM. II. gleich anfangs steht. Eben das bestätigen CASTELVETRO, MINTURNO, MURATORI, u.a.m. in ihren Schriften.

23 Welches der obgedachte wunderliche Grübler nochmals, kurz vor seinem Tode, in der DISS. DE METRIS SATURNINIS wieder aufgewärmet, und der Welt aufbürden wollen; aber bey keinem Kenner den geringsten Beyfall gefunden.

24 Diese Verse sind mit eben so viel Worten auch vom Rollenhagen in seinem Froschmäuseler wiederholet worden: woraus man sieht, daß sie viel Beyfall müssen gefunden haben, und gleichsam zum Sprüchworte geworden.

Das II Hauptstück
Das II Hauptstück.
Von der Länge und Kurze, oder dem Zeitmaaße der deutschen Syllben.

1 §.


Man nennet eine Syllbe lang, wenn der Ton in der Ausspräche, in Vergleichung mit den benachbarten Syllben etwas länger darauf ruhet. Z.E. in den Wörtern Bauer, Herzog, Leben, ewig, König, Trümmer, Vater u.d.gl. sind allemal die ersten Syllben lang: weil der Ton oder Klang in der Aussprache, sich dabey länger verweilet, als bey den folgenden. Hergegen in folgenden Wörtern; beliebt, Verstand, alda, genau, hindan, dabey, Gedicht, allein, alwo, Vernunft, hinzu: sind die letzten Syllben lang; weil sich der Laut der Stimme im Reden dabey am längsten aufhält 1.

2 §. Ein jeder sieht also von sich selbst, was durch eine kurze Syllbe zu verstehen sey. Sie ist nämlich eine solche, dabey sich der Laut in der Aussprache, entweder gar nicht aufhält, oder doch in Ansehung der benachbarten, viel weniger verweilet 2. Z.E. inAlaun, Geschrey, verderbt, [661] gewiß, zuvor, wodurch, u.d.m. sind die ersten Syllben kurz: in folgenden aber: Colmar, etwas, Eya, Ehe, Namen, nig, dero, Unruh,Nothdurft, u.s.w. sind es die letzten: weil der Ton nicht auf ihnen, sondern auf ihren Nachbarn am längsten gehöret wird.

3 §. Außer diesen unstreitig langen und kurzen Syllben, giebt es auch eine gute Anzahl zweifelhafter, die bald lang, bald kurz ausgesprochen werden können, nachdem es die Verbindung mit andern mit sich bringt; oder auch der Sinn und die Absicht des Redenden es fodert 3. Z.E. die Syllbe Rath, ist von dieserArt. Denn ob sie gleich, wenn sie allein steht, billig lang gebrauchet wird: so kann sie doch in der Zusammensetzung bald lang, bald kurz werden. InRathhaus, nämlich ist das erste: in Hofrath, aber das letzte. Eben so geht es mit dem Worte Haus. Denn wie es in Rathhaus kurz war, so kann es inHauswirth lang seyn. Und man hat bemerket, daß fast alle einsyllbige Wörter eine so ungewisse Natur haben.

4 §. Ich habe hiermit die erste Quelle aller Quantität, oder des Zeitmaaßes der Syllben, aus der Natur der Aussprache unserer Landsleute hergeholet 4: und sehe nicht, daß irgend ein ander Volk dieselbe jemals sonst woher geholet habe, oder habe holen können. So lange eine Sprache lebendig ist, [662] und in einer guten Mundart, aus der Übung erlernet wird, brauchet man auch keine andere Regeln, von der Länge und Kürze der Syllben, als obige drey. Wenn aber eine vormals blühende Sprache, durch Einfälle und Vermischung fremder Völker, ihre Reinigkeit, Schönheit und gute Aussprache verliert: alsdann kann man freylich auf allerley andere Regeln sinnen, wodurch das Zeitmaaß der Syllben genauer bestimmet und festgesetzet werden kann.

5 §. Man hat aber bey den Lateinern angemerket, und wir können es im Deutschen auch gelten lassen:


Die I Regel:


Alle Syllben, die einen Doppellaut in sich haben, sind lang 5.


So waren oben die Syllben Bau, in Bauer, Ey, in Eya, , in König, imgleichen die letzten in genau, dabey, Alaun, Geschrey, u.s.w. unstreitig lang. Es trifft solches auch in den meisten Fällen ein; ob es gleich auch einige Ausnahmen leidet. Z.E. Lauf ist an sich, und in Laufbahn, lang; inAblauf, Wettlauf, Zeitlauf, aber ist es kurz; weil der Ton auf die ersten Syllben fällt, welche die Bestimmung des Sinnes ausdrücken. Bey, ist inBeystand, und dabey lang; wird aber einzeln auch oft kurz gebrauchet, weil es in die dritte Classe des ungewissen Tonmaaßes gehöret.


[663] Die II Regel:


6 §. Alle Selbstlaute, darauf mehr als ein Mitlauter in derselben Syllbe folget, sind lang.


Bey uns Deutschen gilt diese Richtschnur in den meisten Fällen, sowohl als im Lateine. Denn, die ersten Syllben in fallen, sterben, Sinnen, kommen, morden, Brunnen, u.s.w. sind gleichfalls allemal lang. Wie aber die Lateiner dabey eine Ausnahme, wegen der sogenannten Halblauter: l, m, n, und r, macheten, wenn dieselben mit einem andern Mitlauter zusammen stießen: so hat die deutsche Sprache ihre Abweichung auch. Denn ob sie gleich diese so genannten Halblauter auch in dem Tonmaaße für völlige Mitlauter, oder stumme Buchstaben hält: so giebt es doch Fälle bey uns, da auch Selbstlauter, die zween oder mehr stumme Mitlauter bey sich haben, in der Zusammensetzung mit längern Syllben, kurz lauten; als Mord, in Selbstmord,Stadt, in Hauptstadt, u.d.m.


Die III Regel:


7 §. Viele Syllben und Selbstlaute, werden durch das bloße Gewicht der Aussprache, auch ohne obige Ursachen lang.


Dieses nennet man im Lateine, AUTORITATE (SCIL. der alten Dichter) PRODUCI: und dieses ist der einzige wahre Beweis, von ihrer Länge, in den erloschenen Sprachen; die sich aber zu der Zeit, da sie blüheten, auf die gemeine Aussprache gegründet hat. So sind nun bey uns, in sagen, geben, lesen, loben, Spuren, und unzähligen andern zweysyllbigen Wörtern, die ersten Syllben lang: obgleich weder ein Doppellaut, noch ein zwiefacher Mitlauter nach dem Selbstlaute, diese Länge verursachen. Dieses aber lernet man heute zu Tage am besten aus dem Gehöre. Die Nachkommen werden es, wo ihre Aussprache sich ändert, nur aus den heutigen reinen Dichtern lernen können.


[664] Die IV Regel:


8 §. Überhaupt haben alle Hauptwörter, Beywörter und Zeitwörter im Deutschen wenigstens eine lange Syllbe; sie mögen nun aus so wenigen und gelinden Mitlautern bestehen, als sie wollen. 6


Z.E. Von einsyllbigen Bahn, Wahl, Wahn, Zahl, Zahn, Lehn, zehn, wir, dir, Ton, Hut, Flur, Schuh, Spur, Buch, Tuch, Mus, Uhr, Zug. Zweysyllbige: Faden, Gnade, Grafen, Hafen, laben, Laden, Schaden, geben, reden, Boden, holen, Krone, Blumen, rufen, ruhen. Dreysyllbige, als: beehren, erlegen, Gewebe, entladen, erkohren, geloben, verlohren. Viersyllbige, begrabene, belebende, erhabene, vergebene, verschobene, u.s.w. Denn diese sind die rechten Hauptbegriffe unserer Gedanken, darauf in einer Sprache alles ankömmt: und es ist also billig, daß sie mit einem stärkern Tone von den übrigen kleinern Redetheilchen unterschieden werden.

9 §. Indessen kann man auch noch folgendes hinzusetzen:


Die V Regel:


Die kleinen Wörterchen, ab, an, aus, bey, dar, durch, ein, für, hin, her, un, mit, nach, vor, weg, willund zu, werden in der Zusammensetzung mit Haupt- und Zeitwörtern allemal lang ausgesprochen.


Z.E. Ablegen, anbringen, austilgen,beytragen, darbiethen, Durchgang,Einnahme, Fürbitte, hinreisen, Misgunst,[665] mitgehen, nachtreten, vorgehen,wegwerfen, willfahren, zusprechen. Ja, sie bleiben auch lang, wenn sie in der gegenwärtigen, oder fast vergangenen Zeit, von dem Zeitworte getrennet werden; ich nehme ab, ich trug es ihm an, u.d.gl. Eben das versteht sich, wenn die Syllben ge, oderzu zwischen beyde eingeschaltet werden: als ausgetilget, beyzutragen, u.s.w. Es würde also eine üble Aussprache, und im poetischen Syllbenmaaße ein schlechtes Gehör anzeigen, wenn man diese Syllben kurz brauchen wollte: gesetzt, daß die gleich darauf folgenden auch noch lang blieben.


Die VI Regel:


10 §. Wenn die Wörterchen ab, an, auf, aus, bey, ein, für, her, hin, mit, nach, von, vor, um, weg, weilund zu, in der Zusammensetzung ans Ende kommen: so haben sie auch den langen Ton.

Z.E. Hinab, daran, herauf, daraus, anbey, hinein, dafür, daher, dahin, damit, demnach, hievon, bevor, darum, hinweg, dieweil, hinzu. Man sieht also deutlich, daß die Länge dieser Syllben in der ganzen Sprache ausgemachet ist, sie mögen forne oder hinten in den Wörtern zu stehen kommen. Es hindert auch hier nicht, daß einige davon, wenn sie einzeln stehen, zu der Classe der unbestimmten gehören. Denn diese beyden Regeln reden nur von ihnen, wenn sie in Verbindung stehen.

11 §. Eben so können wir von den kurzen Syllben einige wenige Regeln geben.


Die VII Regel:


Wenn ein Selbstlaut vor dem andern steht, so ist er kurz.


Hieher gehören doch fast lauter fremde Wörter: weil die deutsche Sprache den Zusammenlauf der Selbstlaute nicht [666] leiden kann. Z.E. Abigail, Phäacien, Gideon, Diana, Gloria, Historie, Centurie, Komödie, Tragödie, Ceremonie, Evangelium, Kyrie, Hosianna, Josua, u.d.m. Das Wort Lilien würde eben so lauten, wenn man es nicht, um den gar zu weichen Klang zu vermeiden, lieber zweysyllbig spräche, Liljen, oder Lilgen.Zion aber und Pavia werden ausgenommen.


Die VIII Regel:


12 §. Die Endsyllben e, el, em, en, eln, ern, er, estund et sind in vielsyllbigen Wörtern allemal kurz.


Z.E. Die Liebe, Seele etc. Mangel, meinem etc. sie geben, es mangeln, es ärgern, Vater,Mutter, ihr saget, sprechet etc. du thatest, dubittest u.s.w. haben allemal eine kurze Endsyllbe. Man nehme nur Asbest, Nest, West undFest aus, welches in der Zusammensetzung zuweilen lang wird; als in Osterfest,Weihnachtsfest; ob es gleich in der That nur gleichgültig bleibt. Denn in Bußfest, Dankfest, Pfingstfest, kann es sowohl kurz, als zu Spondäen lang klingen.


Die IX Regel:


13 §. Die Anfangssyllben, be, ent, empf, er, ge, um, ver, und zer werden allemal kurz gebrauchet, es mag nun ein Selbstlauter oder Mitlauter folgen.


Z.E. beerben, bewegen, entstehen, empfangen, erachten, ergen, gelingen, geärgert, umgeben, umarmen, verdrossen, verachtet, zertheilen, zerschneiden, u.s.f.


Die X Regel:


14 §. Der Doppellaut au, wenn er am Ende eines Namens steht, wird kurz.


Z.E. Torgau, Pegau, Brisgau, Sundgau,Lindenau, Hennegau, u.d.gl. Man muß auch nicht denken, daß er [667] in den dreysyllbigen etwa lang würde: weil man in Versen ihn bisweilen lang brauchet. Er ist nichts mehr, als gleichgültig zu nennen, und kann, wie andere Endsyllben langer Wörter, auf beyderley Art gebrauchet werden.


Die XI Regel:


15 §. Einsyllbige Hauptwörter, denen man ein anderes dieser Art, in der Zusammensetzung vorsetzet, können für kurz gehalten werden.


Denn weil in der Zusammensetzung zweyer Hauptwörter, allemal das erste den Ton bekömmt: so folget, daß das andere, dagegen zu rechnen, kurz werden muß, so lang es auch sonst seyn möchte. Z.E.Schuh ist an sich lang; wenn ich aber sage, einHandschuh, so wird es kurz. Schlag ist ebenfalls lang; aber in Handschlag, entzieht ihm das erste Wort den Ton, so daß es kurz wird 7. In Donnerschlag aber, und in allen, wo ein zweysyllbiges dieser Art vorgesetzet wird, wird es unbestimmt, und kann auf beyderley Art gebrauchet werden.


16 §. Wegen der unbestimmten Syllben ist folgendes zu merken.


Die XII Regel:


Außer den oben erwähnten, werden alle andere kleine einsyllbige Wörterchen bald kurz, bald lang gebrauchet.


Z.E. Ja kann lang und kurz seyn; denn wenn man saget: Ja, ja; Nein, nein; so fällt der Ton aufs letzte. Mit so so, ist es eben so. Das es ändert sich auch nach seiner Nachbarschaft. Denn man saget so wohl:


Es ver | geht mir | alle | Lust etc. als so,

Sollt es | gleich bis|weilen | scheinen etc.


[668] Und so geht es mit in, auf, von, mit, bey, zu, durch, bald, und allen andern, die zu dieser Art gehören. Nur muß man die Nebenwörter davon ausnehmen, die von Beywörtern entstanden sind; als: groß, schön, lang, kurz, tief, hoch, stark, schwach u.d.gl. diese bleiben immer lang.


Die XIII Regel:


17 §. Die Endsyllben bar, haft, heit, keit, lein, lich, inn, niß, sal, sam, schaft, thum, und ung, sind von ungewisser Länge.


Stehen sie nämlich in einem zweysyllbigen Worte, nach einer langen Syllbe, so sind sie kurz; alsachtbar, wehrhaft, Gutheit, Frommkeit (ein altes Wort) tröstlich, Mährlein, Kenntniß,Irrsal, rathsam, Freundschaft, Irrthum, undHandlung. Stehen sie aber in einem vielsyllbigen Worte, nach einer kurzen Syllbe, so können sie lang werden. Z.E. Wunderbar, Tugendhaft, Sicherheit, Ehrbarkeit, Fingerlein,Wunderlich, Finsterniß, niginn,arbeitsam, Wanderschaft, rstenthum und Besserung. Ich sage, sie können lang werden; denn in daktylischen Versen können sie auch hier kurz bleiben.


Die XIV Regel:


18 §. Alle Geschlechtswörter vor den Nennwörtern, und alle Fürwörter vor den Zeitwörtern sind von ungewisser Länge.


Fängt nämlich das Haupt- oder Zeitwort mit einer langen Syllbe an: so sind die vorherstehenden Wörterchen kurz, als: der Mann, die Frau, das Kind, die Menschen. Ich liebe, du liebest, er liebet u.s.w. 8. Folgen aber unmittelbar darauf kürzere Syllben, so werden jene lang ausgesprochen: z.E.der Gerechte, die Geliebte, das erwünschte, [669] die Verfluchten. Ich erbarme, du bemühest, er genießt, wir verderben, ihr gewinnet, sie begehren 9.

19 §. Dieses sind nun die nöthigsten Regeln, die man in Bestimmung des deutschen Tonmaaßes beobachten kann, und muß, wenn man die Wörter recht aussprechen will 10. Denn das ist zu merken, daß die selben nicht nur in der Poesie, sondern auch in der ungebundenen Rede, und täglichen Aussprache beobachtet werden. Es würde ja eine seltsame Sprache seyn, und sehr widerlich klingen, wenn man alle Syllben gleich lang dehnen, oder sie dem andern gleichsam zuzählen wollte. Das Gehör zeiget es auch einem jeden, daß manche Syllben länger, manche kürzer gesprochen werden: und es ist zu verwundern, wie die Franzosen von ihrer Sprache das Gegentheil glauben können 11.

[670] 20 §. Man glaubet es nämlich nicht, was in einer jeden Sprache auf den rechten Ton einer Syllbe ankömmt; daß man ein Wort so, oder anders, oder gar nicht versteht. Z.E. das Wort Gebet, kann zweyerley heißen, nachdem ich die erste, oder letzte Syllbe in der Aussprache lang mache. Spreche ich Gebet, so heißt es DATE, und ist aus der gebiethenden Art des Zeitwortes geben. Sage ich aber Gebet, oder besser Gebeth, so kömmt es von bethen PRECARI, Eben so ist es mit erblich. Sage ich erblich, so kömmt es von erben, und heißt HÆREDITARIUS: sage ich aber erblich, so kömmt es von erbleichen, und ist die dritte Person der jüngstvergangenen Zeit, u.a.m.

21 §. Um aber die Kürze oder Länge der Syllben durch geschickte Zeichen anzudeuten, haben die Sprachlehrer ein krumm aufgebogenes ∪ und ein gerades Strichlein – angenommen 12. Diese setzen sie über die Syllben, oder anstatt derselben, um ihr Zeitmaaß anzuzeigen. Wollte ich also die Prosodie des Wortes unverweslich und enterbeter anzeigen; so würde ich es so machen:


– ∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪

Un ver wes lich, Ent er be ter.

Nun urtheile man einmal, wie diese Wörter klingen würden, wenn man sie so aussprechen wollte:

∪ – ∪ – – ∪ – ∪

Un ver wes lich, oder Ent er be ter.

Denn wer würde eine so kauderwälsche Aussprache verstehen können?
Fußnoten

1 Die lateinischen Prosodisten sagen daher, eine kurze Syllbe habe nur eine einfache Dauer; eine lange hergegen eine doppelte. Dieses ist sehr gut, zu erklären, woher man hernach in gewissen Füßen zwo kurze Syllben, auf eine lange rechnet: weil sie nämlich in der Aussprache einerley Zeit brauchen. Dieses müssen sich diejenigen Landschaften merken, deren Mundart es mit sich bringet, alle Syllben gleich geschwind, oder gleich langsam auszusprechen. Dieses ist falsch: und bey einer solchen unharmonischen Art zu reden, kann man den Wohlklang der Poesie niemals empfinden.

2 Dieses ist nicht nöthig zu bemerken; denn alle Größen haben ihren Namen in Ansehung einer andern: und Gulliver, der in Liliput groß hieß, war in Brobdignac sehr klein. So kann denn manchmal eine Syllbe, die in einer gewissen Nachbarschaft lang gewesen seyn würde, in einer andern kurz heißen. Z.E.All, ist in alles lang; in allein aber kurz. Je, ist in jeder, lang; in jedoch aber wird es kurz. Ey, ist in Eydam lang, in Polley kurz.

3 Die Lateiner sagen: daß eine solche Syllbe anderthalb Zeiten daure; und also bald einer langen, bald einer kurzen gleich ausgesprochen werden könne. Und solche zusammengesetzte Wörter kann man denn auch in deutschen Hexametern als Spondäen brauchen.

4 Daher hat auch Klajus sie geleitet, wie aus seinen oben angeführten Worten erhellet: ob er sich gleich auch bemühet, verschiedene andere Regeln davon zu geben. Eben so haben es TRISSINO u. MINTURNO bey den Wälschen, im oben angezogenen Orte gemachet.

5 Ausgenommen wenn in vielsyllbigen Wörtern dasau, ans Ende kömmt. Als in Wetterau, Lindenau, Olbernau. Eben so ist es auch mit dem ey, in einerley, vielerley, u.d.gl. Indessen werden doch diese Endsyllben nur gleichgültig, so daß man sie lang und kurz brauchen kann.

6 Wie also diejenigen, zumal von neuern epischen Dichtern, die sich mit Hexametern gewaget, sehr fehlen, wenn sie dergleichen hauptsächliche Stammsyllben der Wörter, wider die ganze Art unserer Aussprache, kurz gebrauchet: also wollen wir damit nicht sagen, daß alle Partikeln, das ist Fürwörter, Nebenwörter, Vorwörter und Zwischenwörter, kurz seyn müßten. Nein, auch unter diesen giebt es viele, die theils wegen ihrer Doppellaute, theils wegen vieler Mitlauter, theils sonst wegen der Aussprache, einen langen Ton haben.

7 Doch kann es in Versen, wo man Spondäen brauchet, allemal mit Rechte lang gebrauchet werden.

8 Doch merke man von diesen Wörtern, daß sie als bloße Artikel lieber kurz, als Fürwörter aber lang lauten: z.E. Opitz: Das wolle der ja nicht, etc. hier ist der ein Fürwort. Aber wenn man saget:

Bis der Gott der güldnen Gluten,

Der die braunen Mohren brennt.

so ist das der die beyden ersten male ein Artikel, oder Geschlechtswort, und folglich kurz. Das dritte aber, heißt QUI, und ist also ein beziehendes Fürwort, und folglich lang.

9 In jambischen und trochäischen Versen brauchet man sie in diesen Fällen auch lang. Aber in daktylischen könnten sie auch kurz gesetzet werden, z.E.

– ∪ ∪ – ∪ ∪ –

Denn ich er|barme mich | dein.

10 Wenn unsere neuen epischen Dichter selbige in ihren Hexametern besser in Acht genommen hätten: so würden ihre Gedichte nicht so rauh und widerlich klingen. S. mein II Gutachten von den biblischen Epopöen, im Lenzmonde des II B. vom Neuesten.

11 S. Rollins MANIERE D'APPRENDRE ET D'ENSEIGNER LES BELLES LETTRES T.I. P. 328; das I Cap. meiner kritischen Dichtkunst im 14 §. endlich auch des Büchersaals der sch. Wissensch. und fr. Künste II B.a.d. 339 u.f.S.

12 Scaliger (DE CAUSS. L. LAT. II. C. 55) vermuthet, daß man anfänglich zu einer kurzen Syllbe auch ein gerades, oder nur halb so langes Strichlein gemachet. Als er aber bisweilen von dem langen schwer zu unterscheiden gewesen, und ein Circumflex oder Hütchen Λ auch eine lange Syllbe bedeutet hat: so habe man dieses Zeichen umgekehret, die Kürze anzuzeigen, und daraus sey dieses krumme Strichlein ∪ entstanden. Wer mehr Regeln von der Kürze und Länge der Syllben haben will, nehme meine Vorübungen der deutschen und lateinischen Dichtkunst zur Hand; wo ich ausführlicher davon habe handeln müssen.

Das III Hauptstück
Das III Hauptstück.
Von den verschiedenen Füßen der deutschen Scansion.

1 §.


Weil alle Syllben einer jeden Sprache eine gewisse Länge oder Kürze haben, so sieht man wohl, daß auch in ungebundener Rede eine gewisse Abwechselung derselben statt haben kann und muß; wenn eine Rede wohl klingen soll. Dieses ist es, was man den oratorischen Wohlklang nennet; und worinn allemal ein Schriftsteller dem andern überlegen ist. Es kömmt dabey alles auf ein gutes Gehör an, welchem zufolge, man die kurzen und langen Syllben so geschickt abwechselt, daß gleichsam eine Art der Musik daraus entsteht. Denn so wenig eine Musik wohl klingen würde, die aus lauter gleich langen Tönen oder Noten bestünde; eben so wenig würde eine Rede, die aus lauter gleichlangen Syllben bestünde, angenehm zu hören seyn. 1

2 §. Doch dieser freye Wohlklang der Redner bindet sich an keine gewissen Regeln, und daher wird ihre Rede eine ungebundene Rede genennet. Sie hat nämlich kein gewisses Maaß, keine gewisse Zahl oder Abwechselung langer und kurzer Syllben; sondern ein Satz klingt so, der andere anders: [673] ja, es würde ein Fehler seyn, wenn sie alle einerley Länge oder Kürze, und eine gleiche Art des Wohlklanges hätten. Ganz anders ist es mit der Dichtkunst. Diese war gleich anfangs zum Singen bestimmet, und zwar so, daß einerley Singweise oft wiederholet werden sollte. Also mußten sich auch erstlich die Zahl, sodann aber auch das Zeitmaaß der Syllben, nach einer gewissen Ordnung und Regel richten: und daher ist die sogenannteScansion entstanden. 2

3 §. Wie man nun nach dem Cicero, eine in einem fortgehende Rede mit einem forteilenden Strome; oder besser, mit einem rauschenden Platzregen vergleicht, darinn man nichts unterscheiden kann: so ist in denen von einer Dachrinne langsam abfallenden Tropfen, ein natürliches Bild des poetischen Syllbenmaaßes zu finden 3. Hier fällt ein großer Tropfen voran, und einige kleinere kommen in kürzerer Zeit hernach. Nach einer kleinen Weile kömmt wieder ein großer; und etliche kleinere folgen, eben wie vorhin. Dieses ist gleichsam ein Tact, oder ein Syllbenmaaß. Selbst in dem Geklapper der Mühlen, und in dem Hammern der Schmiede mit ungleich großen Hämmern, giebt uns die Natur Bilder und Vorspiele der Scansion. Endlich die Tennen der Bauren lassen mit ihren Dreschflegeln eben dergleichen Abwechselung langer und kurzer Schläge hören.

[674] 4 §. Da nun die ersten Sänger dieses beobachtet, und in ihren Tönen nachgeahmet: so ist daraus der Tact in der Musik entstanden; ohne welchen ein Gesang sehr schlecht klingt, wie die Recitative lehren. Die Dichter richteten sich nun desto lieber darnach, da die ersten unter ihnen zugleich Sänger und Spielleute waren; wie Orpheus und Amphion. Und also erfanden sie eine ordentliche Abzählung der Füße, das ist, die poetischen Tacte; daraus ihre Zeilen, oder Verse bestunden. Da nun lange und kurze Syllben auf vielerley Art vermischet werden konnten: so entstunden auch mancherley Füße, auf welchen ihre Verse, so zu reden, fortliefen 4.

5 §. Die kleineste Art der einfachen Füße besteht aus zwoen Syllben, als aus soviel Gliedern: weil sie sonst gleichsam gar zu steif und ungelenk seyn würden. Sind nun dieselben beyde lang, wie in A ku ft, Grōßmācht, oder Vōrtrāg, so nennet man es einen Spondäus. Dieser tritt sehr gravitätisch einher, würde aber in einem ganzen Verse zu langweilig klingen: indem gar keine Abwechselung darinn vorkäme. Z.E.


– – – – – – – – – ∪ ∪ – –

ILLI IN|TER SE|SE MAG|NA VI|BRACHIA|TOLLUNT


[675] Daher hat man es denn niemals gut befunden, ganz spondäische Verse zu machen. Man hat sie aber wohl zuweilen mit andern Arten der Füße vermenget, wie die Hexameter und Jamben der Alten zur Genüge zeigen.

6 §. Die zweyte Art solcher Füße ist einer, der aus zwoen kurzen Syllben besteht, und also Pyrrhichius, oder der feurige genennet wird 5. Dieser ist gar zu flüchtig und schnell, und würde daher mit einer unglaublichen Geschwindigkeit fortlaufen, wenn er einen ganzen Vers anfüllen sollte. Es würde nicht anders klingen, als wenn eine Musik aus lauter Sechzehntheilchen bestünde. Wie nun diese dem Ohre keinen genugsamen Eindruck von der Melodie machen würde: so könnte auch dort die Seele den Sinn eines so schnellen Verses nicht erreichen, viel weniger davon gerühret werden. Denn so wenig einen die heutige gar zu gebrochene Art vieler Tonkünstler rühret, die mit einer solchen Behendigkeit über die Töne weglaufen, daß man sie weder recht hören noch unterscheiden kann; so wenig kann eine gar zu schnell hintereinander fortlaufende Rede einen Eindruck machen. Die Seele muß einige Zeit haben. Man brauchet also den Pyrrhichius nur in der Verbindung mit langen Syllben, im Anapäst, oder Daktylus.

7 §. Das Mittel zwischen diesen beyden gar zu ernsthaften, und gar zu flatterhaften Arten halten also der Trochäus, [676] und der Jambus, die aus einer langen, und einer kurzen Syllbe bestehen. Der Tro chäus fängt von der langen an, und schließt mit der kurzen: wie Vātěr, Mūttěr, hōffěn, līeběn. Dieser klingt nun sehr angenehm, und hat einen gewissen muntern muthigen Schritt 6, wie z.E. Opitz singt:


– ∪ – ∪ – ∪ –

Liebe! | wer sich | selber | haßt:

Aber | wer sein | gutes | Leben

Will der | freyen | Ruh er|geben

Reißt sich | von der | argen | Last etc.


Das Gegentheil davon ist der Jambus, der mit der kurzen Syllbe anfängt, und mit der langen schließt: daher er denn viel gelassener und sanfter fortgeht, etwas trauriger klingt, und der täglichen Sprache ähnlich sieht 7:


∪ – ∪ – ∪ – ∪

So ist | denn nun | dem Dra|chen

Durch mei|nes Bo|gens Macht,

Gestillt | der wil|de Ra|chen?

Umringt | ihn nun | die Nacht | etc.


Und in diesen beyden Versarten, sind seit 900 Jahren, die allermeisten Gedichte bey uns geschrieben worden.

[677] 8 §. Von den dreysyllbigen Füßen, die bey den Griechen und Römern im Schwange gegangen, sind nicht mehr als drey, bey uns im Gebrauche. Der erste ist der Daktylus, der von dem Finger seinen Namen hat, weil er, wie dieser, aus drey ungleichlangen Gliedern, d.i. aus einer langen und zwoen kurzen Syllben besteht. Zum Exempel:


– ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪

göttliche, himmlische, menschliche, u.d.gl. Diese Art hat Aug. Buchner, Opitzens großer Freund, zuerst in unserer Dichtkunst eingeführet, als Opitz schon todt war. Er gesteht aber, daß schon andere vor ihm in Deutschland dergleichen gemachet, und führet aus Goldasten eine StelleUlrichs von Lichtenstein an, die so lautet:


∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪

Swer | volget dem | Schilde, der | soll es en|blanden |

Dem | libe, dem | Gute, dem | Herze, den | Handen

Des | lonet vil | Hohe mit | hohem ge-|winne

Dü | vil werde | minne etc.


Und ich habe auch in Heinrichs von Alkmar plattdeutschen Reineke der Fuchs, eben dergleichen bemerket; der um das 1490 Jahr oder etwas später geschrieben worden. Z.E.


∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ – –

Doch | Reinke gy|spreken von | manigen | Dingen,|

Gy scholden my drade in eredom bringen.

imgl. Darboven he noch myn geleyde dor breken,

Gy horde, wat klage se up eme spreken.


9 §. Ich kann nicht umhin, hier die Worte jenes großen Mannes anzuführen, die so bescheiden sind, als großsprecherisch sich einige neuere Kunstrichter auszudrücken pflegen. Es heißt (a.d. 151 S. der Wittenb. Aufl. von 1665 in 12) also: »Ob nun zwar wohl die Erfindung, sowohl der daktylischen, als anapästischen Verse, ihrer viele; auch theils um die deutsche Poeterey wohlverdiente Leute, uns zuschreiben [678] wollen; wir auch gar gern gestehen, daß selbige wohl zum ersten von uns wiederum hervorgesuchet, und auf die Bahn gebracht worden: so sind wir doch so gar ehrgeizig nicht, daß wir nicht gern gestehen wollten; dergleichen Art Verse müßten auch den Alten nicht unbekannt gewesen seyn. Denn der gemeinen Lieder zu geschweigen, darinn oftmals daktylische und anapästische Verse gefunden werden; so führet Goldast über Winsbecken etc.« 8

10 §. Und wenn gleich Opitz a.d. 6 S. seiner deutschen Poeterey saget: Nicht zwar, daß wir, NB. auf Art der Griechen und Lateiner, eine gewisse Größe der Syllben können in acht nehmen; so setzet er doch gleich hinzu, welches man muthwillig und betrüglich ausläßt: sondern daß wir aus den Accenten und dem Tone erken nen, welche Syllbe hoch, und welche niedrig gesetzet soll werden 9.Ein Jambus ist dieser:


∪ – ∪ – ∪ – ∪ –

Erhalt | uns Herr | bey dei|nem Wort.|

Der folgende ein Trochäus:

– ∪ – ∪ – ∪ –

Mitten | wir im | Leben | sind etc.


Denn in dem ersten Verse muß die erste Syllbe niedrig, die andere hoch, die dritte niedrig, die vierte hoch, und so fort ausgesprochen werden. [679] Heißt das nun Opitzen redlich anführen: so weis ich nicht, was ihn verdrehen heißt. Er gesteht freylich, daß die griechische Größe der Syllben sich bey uns nicht in allen Stücken beobachten lasse 10; wie sie sich denn auch bey den Lateinern nicht völlig beobachten ließ, weil jede Sprache etwas eigenes hatte. Aber er zeiget doch zugleich, daß wir Deutschen wahre Jamben und Trochäen, NB. nach unserer Aussprache, nicht nach der griechischen und lateinischen Tonkunst, haben.

11 §. Von Buchnern aber, der gewiß die Alten so gut kannte, als unsere neuen Zoilen, ist es aus angezogenen Worten schon offenbar, daß er im Deutschen mehr, als ein Zählen der Syllben gelehret; da er sogar Daktylen und Anapästen im Deutschen gefunden. Er saget a.d. 145 S. ausdrücklich:Und weil sonst in unserer Muttersprache nicht wenig daktylische Wörter für sich seyn; die trochäischen auch, wenn ihnen ein jambischer nachgesetzt wird, leichtlich einen Daktylum machen können: so kann man auch füglich daktylische Verse, eben sowohl, als trochäische, in unsrer Sprache aufsetzen und machen. Heißt denn das nicht der hellen[680] Sonne im Mittage ihr Licht absprechen, wenn man sich untersteht, diese Leute auf seine Meynung zu ziehen 11?

12 §. Doch wenn ich meine Gedanken sagen soll, so sind die obigen alten Verse nicht sowohl daktylische, als amphibrachische Verse. Denn der zweyte dreysyllbige Fuß heißt Amphibrachys, weil er vorn und hinten eine kurze, in der Mitten aber eine lange Syllbe hat. Solche Wörter giebt es nun im Deutschen sehr viel. Zum Exempel:


∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪

geneigte, | beliebte, | vergebne | Gedanken. Einige unserer Dichter, und selbstBuchner, wollen zwar diese Art zu den anapästischen rechnen. Allein, diese sehen wiederum ganz anders aus, wie der folgende §. zeigen wird. Der obige Vers nun hatte vor dem Daktylus nur eine kurze übrige Syllbe; daher muß er amphibrachisch heißen, und so gezeichnet werden:


∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪

Swer volget | dem Schilde | der soll es | enblanden |

Dem libe, | dem Gute, | dem Herze | den Handen etc.


Unsere neuen Dichter haben viele dergleichen gemachet, sonderlich ist Günther darinn glücklich gewesen 12.

[681] 13 §. Die dritte Art dreysyllbiger Füße sind dieAnapästen. Es besteht aber ein Anapäst aus zwoen kurzen Syllben im Anfange, und einer langen am Ende; und ist also ein umgekehrter Daktylus. Wir haben auch Wörter genug im Deutschen, die so klingen: zum Exempel:


∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ –

obenhin, ungemein, Majestät, unerhört, überlegt, u.d.gl. zu geschweigen, daß man durch die Zusammensetzung sehr leicht diese Art herausbringet. Der obigen Gattung aber fehlte im Anfange die zweyte kurze Syllbe, und also konnte sie nicht mit Recht anapästisch heißen. Die ganze Schwierigkeit kömmt nur auf das Anfangswort eines Verses an, die mittelsten Füße setzen sich so leicht, als die vorigen beyden, aus Trochäen und Jamben zusammen. Indessen681 [682] kommen sie freylich bey unsern Dichtern nicht oft vor; es müßte denn in den Arien der Cantaten seyn 13.

14 §. Nun könnte man hier noch mit leichter Mühe, die übrigen Arten der dreysyllbigen Füße, den BACCHIUM ∪ – –, den HYPOBACCHIUM – – ∪ und den CRETICUM – ∪ –, anführen, von welchen allen uns die deutsche Sprache eben sowohl Exempel von Wörtern geben kann. Allein, da aus diesen Arten der Füße, bey uns keine ganze Verse gemachet zu werden pflegen: so wäre es ein Überfluß, sich lange dabey aufzuhalten. Soviel kann man merken, daß bisweilen ein Hypobacchius und Creticus die Stelle eines Daktyls; ein Bacchius die Stelle eines Anapästs, oder eines Amphibrachys vertreten kann; wann etwa die Menge der kurzen Syllben diese Arten der Verse gar zu weich, und zu hurtig machen wollten 14.

15 §. Dieses waren nun die einfachen Füße: der zusammengesetzten hergegen, ist bey Griechen und Lateinern eine viel größere Menge. Es giebt noch sechzehn viersyllbige, zwey und dreyßig fünfsyllbige, und noch vier und sechzig sechssyllbige: die aber nur aus den obigen, auf verschiedene Art zusammengesetzet werden. Wie nun die alten Sprachlehrer hier unnöthigerweise die Sachen vervielfältiget, und durch [683] so viele Namen schwer gemachet; die man in der Gießenschen Poetik, im Scaliger, und bey andern nachsehen kann: also sehe ich nicht, was wir es im Deutschen nöthig haben, uns damit zu verwirren: so groß auch Isaak Vossens Meynung, von ihrer Kraft, in Erregung und Stillung der Affecten, gewesen. Denn haben sie dieselbe; so entsteht sie gewiß aus den einfachen Füßen, daraus sie zusammengesetzet sind 15.

16 §. Aus diesen bisher erzählten Füßen nun entsteht das sogenannte METRUM; der Wohlklang, oder RHYTHMUS der Verse. Ich weis zwar wohl, daß einige Mückensäuger, die gern in Kleinigkeiten groß thun, unter diesen Wörtern einen himmelweiten Unterschied suchen; und andern, die ihre Grillen nicht gut heißen, eine recht barbarische Unwissenheit und Dummheit Schuld geben. Allein, die alten Redner und Sprachlehrer, auf die sie so trotzen, als ob sie selbige ganz allein kennten, und gelesen hätten, haben sich hierinn, wie in [684] andern Stücken, vielfältig widersprochen; und uns also die Freyheit gelassen, zu wählen 16. Ich halte es hierinn mit Isaak Vossen, der durch das Metrum oder das Zeitmaaß nur die eigene Größe der Syllben; durch den RHYTHMUM, oder den Wohlklang aber, den Inbegriff vieler Füße, die einen ganzen Vers ausmachen, versteht 17.

17 §. Gleichwohl kann man darauf so sehr nicht trotzen, als ob alle Menschen so reden müßten. Denn selbst die Alten blieben nicht dabey. Ein VERSUS BIMETER, TRIMETER, TETRAMETER heißt bey ihnen z.E. ein vier, sechs und achtfüßiger jambischer Vers; so daß ein METRUM dieser Art schon zweene Jamben in sich begreift, die gewiß vier Syllben haben. Man muß in solchen Dingen, die willkührlich sind, alle Schulfüchserey fahren lassen, und über Sachen, die zum Vergnügen der Ohren erfunden sind, wegen bloßer Namen, keine Kriege [685] erregen, die nur die freyen Künste lächerlich machen. Wie leicht kömmt es, daß ein Wort seine Bedeutung ändert? Heißt doch oft das Ganze auch so, wie der Theil, und umgekehret. Z.E. Jambus, heißt einmal ein Fuß, sodann aber auch ein ganzer jambischer Vers: wie Horaz in einer und derselben Stelle seiner Dichtkunst, beyde Bedeutungen gebrauchet hat:


SYLLABA LONGA BREVI SUBJECTA VOCATURīambus,

PES CITUS;

Hier ist es der Fuß. Hernach heißt es:

UNDE ETIAM TRIMETRIS ACCRESCERE JUSSIT

NOMEN īambeis, CUM SENOS REDDERET ICTUS.


Hier sind die Jamben, ganze sechsfüßige jambische Verse, darinnen schon ein RHYTHMUS statt hat. Oder dünket jemanden hier bey ĪAMBEIS, das Wort VERSIBUS ausgelassen zu seyn: so nehme er folgenden dafür:


ARCHILOCHUM PROPRIO RABIES ARMAVIT ĪAMBO.

Und heißen nicht endlich JAMBI, bey andern, gar Satiren?
Fußnoten

1 Wer da wissen will, wie elend das klingt, der höre nur in der Schule eines gemeinen Schulmeisters, die Kinder lesen, wenn sie alle Syllben gleich lang hören lassen. Va – ter – un – ser – der – du – bist – u.s.w. Oder man höre die Franzosen ihre Psalmen singen, wo jede Syllbe einen halben Tact lang gezerret wird.

2 PRIMO ENIM OBSERVARUNT (VETERES), NON SUFFICERE, UT QUILIBET VERSUS ÆQUALI SYLLABARUM NUMERO ABSOLVANTUR; sed ut illi cantui aptentur, NECESSARIO ETIAM HOC REQUIRERE, ut temporum ratio in singulis Syllabis sibi constet. HUIC MALO FACILE OCCURRERE POTUERUNT, DIVIDENDO QUASVIS SYLLABAS IN LONGAS ET BREVES ET AMBIGUAS. DEINCEPS CUM ANIMADVERTERENT, NON CONCINNE MOVERI VERSUS, QUOD CONTINUI ESSENT, ET MEMBRIS CARERENT, SYLLABAS DISTRIBUERUNT IN CLASSES, AC PEDES COMMENTI SUNT, E DUARUM, TRIUM, PLURIUMVE SYLLABARUM COMPLEXIONE; UT NEMPE HIS VELUT MENSURIS ET INTERVALLIS, CANTUUM VERSUUMQUE INCESSUS DISTINGUERETUR. IB. P.45.

3 NUMERUS IN CONTINUATIONE NULLUS EST, DISTINCTIO ET ÆQUALIUM, ET SÆPE VARIORUM INTERVALLORUM PERCUSSIO, NUMERUM CONFICIT, QUEM IN CADENTIBUS GUTTIS, QUOD INTERVALLIS DISTINGUUNTUR, NOTARE POSSUMUS; IN AMNE PRÆCIPITANTE NON POSSUMUS. L.III. DE ORATOR.

4 Isaac Voßius schreibt davon P. 29. de Poematum Cantu, et virib. Rhythmi; CANTUS NON POTEST SUBSISTERE, SI SYLLABARUM NON CONSTET QUANTITAS; HUJUS AUTEM NULLAM VULGO RATIONEM HABERI APUD PLEROSQUE IN CONFESSO EST. UNO ENIM ORE OMNES FATENTUR, NEGLIGI HOC TEMPORE VERAM ET NATURALEM SYLLABARUM QUANTITATEM, SED HUNC DEFECTUM COMMODE SUPPLERI CENSENT ACCENTUUM OBSERVATIONE. – – VERUM HIC ERROR NON ALIUNDE PROFLUXIT, QUAM EX EO, QUOD EXISTIMARINT, AD LEGEM HODIERNORUM ACCENTUUM LECTA ET CANTATA OLIM FUISSE POEMATA. LONGE VERO ALITER ID SE HABERE JAM ANTEA MONUIMUS. SANE SI QUIS SCIRE DESIDERET, QUALIS FUERIT ANTIQUA CARMINUM PRONUNTIATIO, is non multum a veritate aberrabit, qui illam similem fuisse existimet, atque sit ea, quae vulgo in scandendis versibus ADHIBETUR.

5 Ich nenne ihn im Deutschen den feurigen, weil er so schnell fort flattert: ob es gleich gewiß ist, daß er bey den Alten in den Waffentänzen der Korybanten bey den Griechen, imgl. der Salier bey den Römern, nicht aber erst derer Kriegsleute, die Pyrrhus erfunden und eingeführet hatte, statt gehabt. Jene nämlich hat man schon dadurch zu starken und muntern Bewegungen gewöhnen wollen. Man findet auch schon in ältern Zeiten, daß es von dem Achilles gerühmet wird, daß er geharnischt, neben einem vierspännigen Wagen, der im vollen Trabe geführet ward, mit den Pferden habe um die Wette laufen können. Voßius saget von ihm: POTIUS VOLAT; QUAM CURRIT. NULLUM EX EO ALICUJUS MOMENTI CARMEN CONSTITUI POTEST, CUM NUMERO ET PONDERE PENE CAREAT; UNDE ETIAM A MOBILITATE DICTUS CREDITUR, quasi totus igneus.

6 Er hat seinen Namen von τρεχω, ich laufe, und also haben die Griechen geglaubet, daß er schnell im Laufe sey. Allein, meines Erachtens, und wo mich mein Gehör nicht betriegt: so hemmet die lange Dauer der ersten Syllbe diesen Lauf sehr; und der Vers bekömmt dadurch einen gesetzten und gravitätischen Klang.

7 Die Alten legten diesem Verse eine Heftigkeit, ja wohl gar eine Raserey bey. Horaz saget:

ARCHILOCHUM PROPRIO RABIES ARMAVIT ÏAMBO.

Allein, entweder haben sie hier, auf die Geschwindigkeit in der griechischen und lateinischen Aussprache der Jamben, gesehen, welche darum bey ihnen größer war, als bey uns; weil ihre Sprachen mehr Selbstlauter und weniger Mitlauter hatten, und also schneller über die Zunge rolleten. Oder es ist bloß auf den beißenden satirischen Inhalt der ersten Satiren des Archilochus angekommen. Und so leget Horaz die RABIEM nicht dem Verse, sondern dem Dichter bey.

8 So reden vernünftige und bescheidene Männer, die mehr ihrer Vorgänger, als ihre eigene Ehre ans Licht zu bringen suchen. Allein, ganz anders lautet die Sprache einiger heutigen Scioppen, die sich allein groß zu machen suchen, und sich wohl unterstehen zu sagen: Opitz und Buchner hätten selber nichts, als eine Syllbenzahl, und keine Größe der Syllben, oder Wortzeit zu beobachten geglaubet und gelehret; wodurch sie zeigen, daß sie beyde entweder nicht gelesen, oder nicht verstanden haben, oder mit Fleiß verdrehen wollen.

9 Eben, so hat Theod. Beza schon vor 200 Jahren die französischen Syllben geschätzet wissen wollen: ILLUD AUTEM CERTO DIXERIM, SIC CONCURRERE IN FRANCICA LINGUA TONUM ACUTUM CUM TEMPORE LONGO, UT NULLA SYLLABA PRODUCATUR, QUÆ NON ITIDEM ATTOLLATUR, NEC ATTOLLATUR ULLA, QUÆ NON ITIDEM ACUATUR: AC PROINDE EADEM SIT SYLLABA ACUTA, QUÆ PRODUCTA, ET EADEM GRAVIS, QUÆ CORREPTA P. 74. DE FRANC. LINGUÆ RECT. PRONÜNC. GEN. 1584.

10 Auf eben die Art redete oben Clajus von den deutschen Syllben; und wies doch, wie man allerley Arten von Füßen im Deutschen, nach Art der Alten machen könne. Ja, die Alten selbst haben es im Anfange nicht anders wissen können, welche Syllbe lang oder kurz wäre, als nach dem Gehöre bey ihrer Aussprache. S. den Gerh. Joh. Vossius L. II. DE ARTE GRAMM. CAP. XII. DE QUANTITATE. QUANTITAS, saget er, EST ILLA SYLLABÆ AFFECTIO, QUA EJUS TEMPUS, SEU MORAM IN EFFERENDO, METIMUR.

11 Ich will noch den Clajus anführen, der lange vor diesen Zeiten geschrieben hat. Dieser schreibt a.d. 261 S. seiner Grammatik. VERSUS NON QUANTI TATE (SCIL. nach den Regeln der griechischen und lateinischen Prosodie) SED NUMERO SYLLABARUM, (d.i. nicht nach der bloßen Zahl, sondern nach dem RHYTHMO, oder Wohlklange der Syllben) MENSURANTUR: SIC TAMEN, UT ἄρσις ET θέσις OBSERVETUR, JUXTA QUAM PEDES CENSENTUR AUT JAMBI AUT TROCHÆI, ET CARMEN FIT VEL JAMBICUM VEL TROCHAICUM. SYLLABÆ ENIM, QUÆ NB. COMMUNI PRONUNCIATIONE NON ELEVANTUR, SED RAPTIM, TAMQUAM SCHEVA APUD EBRÆOS PRONUNCIANTUR, IN COMPOSITIONE VERSUS NEQUAQUAM ELEVANDÆ SUNT, (welches gleichwohl unser Momus lehret) SED DEPRIMENDÆ; ET CONTRA SYLLABÆ, NB. accentum sustinentes NEQUAQUAM DEPRIMENDÆ, SED ELEVANDÆ SUNT. Was will man deutlichers haben?

12 Es irret mich also nicht, wenn ein gewisser Censor neulich öffentlich vorgeben wollen: Die deutsche Dichtkunst kenne diese Verse nicht. Ich weis nicht, wie ich die Quelle dieses Urtheils nennen soll; denn alle Namen, die ich ihr geben kann, klingen mir zu hart, als daß ich sie heraussagen wollte. Was sind denn Günthers, aus dem Johannes Secundus übersetzte Verse, anders; als amphibrachische?

∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪

Da hast du | die Zeugen | vom ewi|gen Bunde,

Da kömmt sie | da ist sie | die seli|ge Stunde, etc.

andrer unzähliger Dichter voritzo zu geschweigen. Die Sache selbst ist also der deutschen Poesie nicht unbekannt. Sollte es also der Namen seyn, der den Deutschen unbekannt wäre? Ja freylich! Pritschmeistern und Meistersängern, die nichts von der griechischen und lateinischen Prosodie wissen, mag er wohl unbekannt seyn: aber gelehrten Leuten und Dichtern nicht, die ein jedes Kind bey seinem Namen nennen. Dieß Urtheil sieht also einem Poeten ähnlich, der da fähig gewesen, Deutschland eine Ode, unter dem Namen einer sapphischen aufzudringen, die nichts weniger, als das sapphische Syllbenmaaß, ja nicht einmal die Syllbenzahl der sapphischen Ode beobachtet; sondern bloß eine trochäische heißen kann.

– ∪ – ∪ – ∪ – ∪ – ∪

Freund, die | Tugend | ist kein | leerer | Name | etc.

13 Man sehe meine Vorübungen der Dichtkunst nach.

14 Dieses geschieht auch von vielen Dichtern, aus Bequemlichkeit und Unvermögen, nur gar zu oft, als daß man ihnen deswegen eine Regel zu geben nöthig hätte. Und wieviel falsche Daktylen findet man nicht in den neuen epischen Gedichten; obgleich in Hexametern dergleichen Verwechselungen der Füße niemals erlaubt gewesen? Was ich also, als eine Anmerkung beygebracht habe, das kann bey den Hexametern gar nicht zur Entschuldigung angeführet werden. Denn die wahren heroischen Verse müssen in ihrem Syllbenmaaße so rein seyn, als nur möglich ist. Man sehe, wie Gerh. Joh. Vossius den Virgil u.a. heroische Dichter, über dergleichen Beschuldigungen im II B.s. ART. GRAMM, an unzähligen Orten vertheidiget hat.

15 Man kann es nicht läugnen, daß die verschiedenen Füße nicht zum Nachdrucke der Gemüthsbewegungen viel beytragen sollten. So scheint mir allerdings ein trochäischer Vers viel gesetzter und männlicher zu heroischen Gedichten zu klingen, als ein jambischer. Z.E. wenn im II B. des Hermanns, dieser Held den König Marbod, so anredet:

König! deine Thaten haben etc.

so klingt mir dieses viel herzhafter, als wenn inPietschens VI Karl, der doch gewiß sehr heroisch von Gedanken ist, der Großvezier den Sultan Achmet anredet. Und gleichwohl hat dieser seinen jambischen Vers etwas männlicher zu machen, sich vorn einer langen Syllbe, Nein, oder eines Spondäus bedienet; wie ihm in Jamben, allerdings, auf der er sten Stelle frey stund:

Nein, Kaiser, nein, es steht dein unbewegter Thron.

Hätte er dieses nicht gethan, so würde die Anrede sehr matt geklungen haben: weil die Stimme sich auf kurzen Syllben gar nicht verweilet, sondern gleich zur folgenden eilet.

16 Vossius schreibt davon a.d. 11. S. seines Tract. DE POEM. CANTU ET VIR. RHYTHMI also: VENIAMUS AD rhythmum, PARTEM CARMINIS PRÆCIPUAM. QUOD VOCABULUM ATTINET, DE EO NON EADEM OMNES SENTIUNT, DUM SÆPE ETIAM APUD PROBATISSIMOS SCRIPTORES, pes, metrum, ET rhythmus IDEM PRORSUS SINT; ALII VERO, NON EA QUA DEBENT RATIONE DISTINGUANT. LONGUM FORET SINGULORUM EXPLICARE SENTENTIAS, CUM NEC GRAMMATICI, NEC MUSICI, NEC PHILOSOPHI AUT RHETORES SATIS SIBI CONSTENT; IMMO NON DISCREPANTIA TANTUM, SED ET SÆPE CONTRARIA PRODANT. HÆC VOCABULORUM CONFUSIO NATA, NISI FALLOR, EX DIVERSA ACCEPTIONE metri ETC.

17 Vossius saget nämlich am angef. Orte: IN EO ENIM CONSENTIUNT FERE INTER SE ANTIQUIORES PLERIQUE GRÆCI, rhythmum ESSE BASIN SEU INCESSUM CARMINIS. MELIUS ITAQUE, QUAM CETERI, MIHI DEFINIVISSE VIDENTUR ILLI, QUI DICUNT: Rhythmum esse systema, seu collectionem pedum, quorum tempora aliquam ad se habeant rationem s. proportionem. Da auch METRUM an sich nichts, als ein bloßes Maaß, bedeutet, so kann man dasselbe sowohl auf das Zeitmaaß einer Syllbe, wodurch sie entweder lang oder kurz wird; als auf das Maaß vieler Syllben, die zu einem Fuße gehören, ziehen, wodurch ein Fuß länger wird, als der andre. Ja, man kann auch die Länge eines Verses selbst, nach der Zahl seiner Füße abmessen: so daß z.E. ein vierfüßiger Jambus, ein ganz ander METRUM haben wird, als ein fünf oder sechsfüßiger.

Das IV Hauptstück
Das IV Hauptstück.
Von den Reimen in der deutschen Poesie.

1 §.


Unsere ältesten Dichter sind nicht mit einer gewissen Syllbenzahl und dem Wohlklange ihrer Verse zufrieden gewesen, wie die Griechen und Römer; sondern haben auch noch am Ende derselben, einen gleichen Laut der letzten Syllben begehret. Dieses sehen wir aus dem ältesten Poeten, der uns übrig geblieben ist, nämlich Ottfrieden, dem weißenburgischen Mönche; dem Schüler des Rhabanus Maurus; der um die Zeiten der Söhne Karls des Großen gelebet hat. Z.E. in seiner Vorrede vergleicht er seine Deutschen mit den Römern und Griechen: S.Schilt[er]. THES. GERM. T.I.p. 22. 23.


Sie sint so same chuani

selb so thie Romani

Nie tharf man thaz ouch redinon

Thaz kriachi ni es wideron

Sie eigun in zi nuzzi

so samalichi 1 wizzi

In felde joh in walde

so sint sie same balde etc. 2


D.i. Sie sind eben so kühn,

als selbst die Römer,

Auch darf man das nicht sagen,

daß sie den Griechen weichen;

Sie eignen ihnen zu Nutze,

(sich) eben solchen Witz;

Im Felde und im Walde

sind sie eben so kühn.


[687] 2 §. Hier sieht man nun, daß die zwo zunächst beysammenstehenden Zeilen einander in den letzten Syllben, entweder völlig, oder doch einigermaßen gleich klingen: und diese gleichen Endungen nennet man den Reim. Von diesem besondern Zierrathe unserer Dichtkunst, haben nun viele Kunstrichter Untersuchungen angestellet, wo er wohl hergekommen seyn, oder wer ihn zuerst erdacht und gebrauchet haben möchte? 3 Denn weil die Reime ein so wichtiges Stuck der heutigen europäischen Dichtkunst sind, daß nicht nur die Deutschen, sondern Italiener, Franzosen, Spanier, Portugiesen, Engländer, Holländer, Dänen, Schweden und Pohlen, ja auch so gar die Russen reimen: so hat man durchaus wissen wollen, welches Volk sich diese Erfindung zuzueignen berechtiget sey? Es geht aber hier, wie mit den Ursprüngen großer Häuser; deren Stamm sich insgemein in den dunkelsten Zeiten verliert, ohne daß man ihre erste Quelle recht anzugeben weis. Wir wollen indessen die vornehmsten Meynungen kürzlich vortragen, und von den Italienern anfangen.

3 §. Die Wälschen gestehen es fast einhällig, daß ihre ältesten Dichter ihn von den Provincialpoeten in Frankreich bekommen haben. Herr Muratori bekennet sogar, in s. Buche DELLA PERFETTA POESIA, p. 8. selbst, daß man ihre Sprache nicht eher, als nach 1100, und also im XII Jahrhunderte angefangen zu schreiben: und daß die Sicilianer [688] zuerst gereimte Verse gemachet haben. Crescimbeni, in seiner ISTORIA DELLA VOLGAR POESIA, stimmet ihm nicht nur völlig bey, sondern bekennet noch dazu: daß beyde es von den alten Provenzalpoeten gelernet hätten; als welche schon in besonderm Rufe gewesen, als einige wälsche gute Köpfe dahin gereiset, und nach ihrem Muster Reime machen gelernet. Dieses stimmet nun sehr damit überein, was die Franzosen uns von ihren Provenzalpoeten erzählen 4. Diese haben erst im XII und XIII Jahrhunderte geblühet, und lauter gereimte Verse gemachet: daher denn einige, aus Übereilung und Unwissenheit, diese alten TROUBADOURS, d.i. Erfinder, oder Dichter, für die Erfinder der Reime ausgegeben 5.

4 §. Allein, Huetius, in seinem Tractate vom Ursprunge der Romanen, sieht den Ungrund davon ein; fällt aber dafür, sowohl als Salmasius, auf die Meynung: die Provenzalpoeten hätten die Kunst zu reimen, von den Arabern gelernet, die im VIII Jahrhunderte aus Africa nach Spanien kamen, und allerley kleine Herrschaften daselbst aufrichteten. Nun ist es zwar nicht zu läugnen, daß freylich die arabischen Poeten, schon zu Mahomets Zeiten, ja noch eher, gereimte Verse gemachet; doch ohne eine gewisse Syllbenzahl, oder ein Syllbenmaaß zu beobachten. Ich kann dieses hier mit ein Paar Proben bestätigen, die mir ein gelehrter Mann, und [689] öffentlicher Lehrer der arabischen Sprache allhier, Hr. D. Reiske, von oberwähnten alten Gedichten freundschaftlich mitgetheilet hat 6.

[690] 5 §. Da es nun also eine unstreitige Sache ist, daß die arabischen Dichter in den ältesten Zeiten gereimet haben: so fraget sichs, ob die Provenzalpoeten diese Kunst von ihnen gelernet haben? Das ist wohl richtig, daß im VIII Jahrhunderte Karl der Große, mit den Saracenen schwere Kriege geführet; auch nach der Zeit von ihnen mancher Einfall in die mittäglichen Provinzen geschehen. Ferner können im X und XI Jahrhunderte einige Franzosen nach Spanien gekommen seyn; oder sonst die arabische Sprache, an den spanischen Gränzen gelernet haben. Allein, in Ermangelung näherer Beweise, kann man es doch nicht sicher behaupten: daß sie auch die Poesie und die Reime von ihnen gelernet. Man hassete die Saracenen zu sehr, und verfluchte sie, als Heyden, die man mit Stumpf und Stiel ausrotten müßte. Außer dem steht uns die ganze Art der provenzalischen Reime im Wege: welche nicht in ganzen Gedichten einerley, sondern immer in zwo und zwo kürzern Zeilen verschieden gewesen. Hergegen war dieses eben die Art der deutschen Reime, die zweyhundert Jahre vorher, ehe noch die Araber in Spanien mächtig genug waren, und die Provenzaldichter zu blühen anfiengen, schon Ottfried, der Verfasser des Siegsliedes auf König Ludwigen, und andere mehr, in Deutschland gemachet hatten.

6 §. Man könnte also die Reimekunst der Provenzalpoeten, viel besser von den Westgothen herleiten, die etliche Jahrhunderte vorher, eine lange Zeit auf der mittelländischen Küste von Frankreich geherrschet, und von welchen das Land Gothia genennet worden. Denn vieleicht haben diese schon, als deutsche Völker, eine Art von gereimten Liedern unter sich gehabt, worinn sie die Siege und Thaten ihrer Vorfahren [691] besungen; wie man beym Redner Priscus, vom Könige Attila findet, daß er sich bey der Tafel solche gothische Lieder singen lassen. Man könnte sie auch von den alten Burgundern, die sich in Gallien niedergelassen hatten; oder von den Normannen, die auf der africanischen, italienischen und französischen Küste kurz zuvor gewesen waren, gelernet haben. Will man aber in Ermangelung näherer Beweise dieses nicht glauben: so muß man sie nothwendig von den deutschen Franken selbst herholen, die sich unter Pharamunden und seinen Nachfolgern, Galliens bemächtiget hatten; und in ihren Liedern, die sie aus Deutschland her mitgebracht hatten, die Thaten ihrer Helden zu besingen pflegten: wie Tacitus, Jornandes und Cassiodor von allen Arten der Deutschen, Gothen und Longobarden berichten.

7 §. Denn es herrscheten ja im IX und X Jahrhunderte noch die Nachkommen Karls des Großen, als eines deutschen Herrn, in Frankreich, und das fränkisch Deutsche war die dasige Hofsprache 7. Ottfrieds und anderer deutschen Dichter Werke, wurden in Frankreich gelesen, und haben selbst bis in die Provence kommen müssen: ob diese gleich noch von besondern Herren regieret ward. Ja Karl der Große hatte, nach Eginhards Berichte, die ältern deutschen Lieder gesammlet, und aufzubehalten gesuchet; welche zweifelsfrey auch gereimet gewesen. Was ist nun also wahrscheinlicher, als daß die alten Provenzalpoeten die Kunst zu reimen, weit eher und leichter von den Deutschen, als von den Saracenen in Spanien lernen können? Wir glauben auch dieses desto leichter, da Rollin selbst uns solches zugesteht 8; obwohl andere und neuere Franzosen, viel lieber Schüler der Saracenen, als der deutschen Franken; lieber ihrer ärgsten Feinde, als ihrer tapfern Sieger und damaligen Beherrscher, gewesen seyn wollen.

[692] 8 §. Der ganze Zweifel, der hier noch übrig bleibt, ist dieser: woher denn unsere Deutschen die Kunst zu reimen gehabt? und ob sie dieselbe nicht vieleicht von den Arabern gelernet haben? Was das erste betrifft; so könnten ja dieselben wohl schon zu Cäsars und Taciti Zeiten, die auch der deutschen Barden und Lieder gedenken, im Schwange gegangen seyn. Denn daß sie dieselbe von den Arabern oder Saracenen gelernet hätten, ist darum nicht glaublich, weil sie niemals mit ihnen etwas zu thun gehabt: es müßtens denn die in Spanien herrschende Gothen gewesen seyn, als die[693] Saracenen daselbst eingefallen. Allein, von dieser ihren Gedichten wissen wir nichts, und nach Deutschland sind keine Araber gekommen. So gut also diese vormals in Arabien auf den Wohlklang der Reime verfallen sind; so gut auch die Chineser schon vor des Confucius Zeiten gereimet haben sollen 9: eben so leicht haben auch die alten deutschen Barden, von sich selbst darauf gerathen können.

9 §. Was mich hierinnen noch mehr bestärket, das sind Ottfrieds Vorreden zu seinen verdeutschten Evangelien, sowohl die in lateinischer, als in deutscher Sprache. Ob er gleich viel von seiner Sprache und Poesie redet, so erwähnet er doch mit keinem Worte, daß er der erste sey, der gereimte Verse gemachet habe. Er setzet es ausdrücklich, als eine bekannte Sache voraus, daß die deutsche Poesie gereimte Zeilen haben müsse 10. Da er auch vieler weltlichen schmutzigen Lieder gedenkt, die zu seiner Zeit gesungen worden: so müssen dieselben vorzeiten, auch wohl schon in gereimten Versen gewesen seyn. Wäre es nämlich eine Neuerung gewesen, zu reimen: so würde er sich darüber eben sowohl entschuldiget haben, als er es über andere Stücke gethan hat. Endlich hat er ja nicht nach arabischer Art, ganze Gedichte auf einen Reim gemachet; sondern immer nur zwo und zwo Zeilen gereimet.

[694] 10 §. Nun möchten vieleicht noch die nordischen Völker, als die Dänen und Schweden, sagen: die Deutschen hätten die Kunst zu reimen von ihnen zuerst gelernet. Allein, fürs erste, sind ja die Gränzen des alten Deutschlandes, zu des Tacitus Zeiten, bis an den Nordpol gegangen: und also würde es einerley seyn, ob die deutschen Völker dießseit, oder jenseit der Ostsee die Reime erfunden hätten. Und gesetzt, daß die Dänen oder Schweden ein eigen Volk ausmachen wollten: so gesteht ja Stiernhielm, in der Vorrede zu dem Ulfila, Verelius, u.a.m. daß man in Schweden keine ältere Überbleibsel, als aus dem XIII Jahrhunderte habe. Sehen wir aber die älteste Probe ihrer alten nordischen Dichtkunst, in der isländischen Edda an: so ist dieselbe ohne alle Reime.Worm in der LITTERATURA DANICA, giebt zwar ältere Proben der alten Runen, aus dem IX Jahrhunderte, von dem berühmten Starkater an 11; die aber eben so wenig gereimet sind. Dieses giebt nun eine schlechte Wahrscheinlichkeit, daß ihre ältern Gedichte gereimet gewesen seyn sollten. S. meine Krit. Dichtk. 5te Ausgabe, a.d. 71 Seite; imgl. Morhofs Unterricht von der deutschen Sprache 268 S. undSchilters Vorrede zum Ottfried, 12 S.

11 §. Nun möchte uns noch irgend ein Freund der alten Lateiner einwenden, daß die römischen Poeten schon hin und wieder lateinische Verse gemachet, die bald in der Mitte, bald am Ende mit einander gereimet. So wenig ich dieses [695] läugnen kann, wo es der Augenschein giebt 12; so wenig bin ich überzeuget, daß solches von ihnen mit Fleiße, oder mit gutem Bedachte geschehen sey. Wäre dieses, so würden sie es öfters, oder in ganzen Gedichten, vom Anfange bis zum Ende gethan haben. Allein, wo findet man im Virgil, Ovid, oder Horaz, oder in irgend einem Dichter, bis auf den Boethius, oder Prudentius, ein einziges von der Art? Das einzige, was noch dieses Ansehen, eines durch und durch gereimten Gedichtes behaupten könnte, ist Kaiser Hadrians schönes Sterbliedchen:


ANIMULA, VAGULA, BLANDULA,

HOSPES COMESQUE CORPORIS,

QUÆ NUNC ABIBIS IN LOCA ETC.


Allein, wer es genau betrachtet, der wird ebenfalls finden, daß die Reimkunst hier gar nicht die richtige ist. Wenigstens hat sie ihm keine Nachfolger zugezogen.

[696] [698]12 §. Da nun also die Reime als ein Eigenthum der deutschen Dichtkunst übrig bleiben: so ist es allerdings ein Denkmaal der sieghaften Waffen des alten Deutschlandes, sowohl als des siegenden Witzes unserer Vorfahren, daß ganz Europa von ihnen reimen gelernet. Alle heutige Völker nämlich lieben die gereimten Verse: und wenn gleich einige zuweilen auch reimlose Gedichte machen, wie die Wälschen und Engländer: so fehlet es doch viel, daß dieselben eben so viel Beyfall finden sollten; zumal wenn sie kein Syllbenmaaß beobachten. Unsere deutsche Dichtkunst, die selbiges beobachtet, kann sie zwar ohne Reim auch zeigen; doch würden sie viel daran verlieren, wenn man sie ganz verbannen wollte 13.

13 §. Die deutschen Reime sind dreyerley. Denn es reimen sich entweder nur einzelne, oder zwo, oder drey Syllben zweyer Wörter mit einander. Die erste Art wird die männliche genennet, als: Macht, Pracht; Stein, klein; Genuß, Verdruß; Fähigkeit, Ergebenheit, u.d.gl. Die zweyte Art heißen weibliche Reime, ohne Zweifel weil sie viel zärtlicher und weicher klingen; als Leben, geben; erlangen, [698] unterfangen, u.d.gl. Die dritte Art endlich könnte man kindische Reime nennen: weil sie gar zu spielend und klappernd herauskomen; als predigen, entledigen; brüderlich, lüderlich, u.d.gl. Dieser Art Reime findet man schon in Ottfrieden, und andern Alten.

14 §. Von diesen Reimen muß man nun folgende Regeln merken.


Die I Regel:

Männliche Reime müssen einen langen Ton auf der letzten Syllbe haben, nicht aber einen kurzen.

So reimen sich denn folgende Zeilen gut:

Wasser rinnt und eilet sehr,
Schnelle Pfeile fliegen mehr.

Opitz.

Ich rede hier aber von langen Syllben nach unserer Aussprache, nicht nach der griechischen und römischen Quantität. So reimet z.E. der Froschmäuseler nicht unrecht; ob er gleich zum Theile übel scandiret:


Denn mein Gemahl Penelope

Schreyt nun zwanzig Jahr Ach und Weh.

Hergegen reimet folgendes übel, weil die letzte Syllbe der ersten Zeile den Accent nicht hat:

Both ihm dazu eine Nußschal,

Darinn der Honig überquall.


Die ungewissen Syllben hergegen, können ohne Schwierigkeit zu männlichen Reimen dienen: z.E. Königinn, Häuchelschein, wunderlich, u.d.gl.m. So singt Opitz:


Wir schmähen die Natur, und heißen diese Zeit,

So uns zu bitter wird, des Glückes Grausamkeit.


[699] Die II Regel.


15 §. Ein guter Reim muß auch einerley Klang haben: d.i. Syllben, die einen gezogenen Ton haben, reimen sich mit denen nicht, die einenscharfen Laut geben.


So reimte z.E. Opitz nicht genau, wenn er schrieb:


Das ist meines Lobes Ziel,

Daß ich stets mehr lernen will.


Denn ein langes und ein scharfes i, klingen bey uns nicht gleich: ob man gleich in Schlesien das will, etwa so lang dehnen mag, als ob wiel da stünde. Eben so wenig reimen sich Hohl und voll, Kohl und soll, Bahn und kann: kahl und überall, Ton und Salomon, Fuß und muß, Mus und Schluß etc. Man muß hier nur ein gutes Gehör, und zwar nicht aus einer schlechten, sondern guten Provinz zu Rathe ziehen; denn nicht jede Landschaft hat hier ein Recht, den Ausspruch zu thun. So reimet z.E. ein Frank, nach Omeisens Zeugnisse, ein Mann und derThron; weil man in und um Nürnberg saget: einMohn. Aber wer wird dieses für gut gelten lassen 14?


Die III Regel:


16 §. Ein guter Reim muß zwar soviel möglich, mit einerley Selbstlautern geschrieben; die Mitlauter am [700] Ende aber, müssen wenigstens mit einerley Werkzeugen der Sprache gesprochen werden.


So reimen sich in Obersachsen nicht nur Streit und Fröhlichkeit, sondern auch Leid; bald undkalt, hart und ward, imgleichen Haupt, undgeraubt; weg und keck; Sarg, und Mark, lang und krank. Hergegen sollten heut undbeut, sich wohl mit erfreut; aber nicht mit Zeit reimen. Denn wer die Selbstlauter recht ausdrücket, der höret hier einen ganz andern Ton in eu, als inei. Eben so wenig sollten sich sieht mit be müht; spürt und ziert, trägt und legt, undhört mit ehrt reimen. Denn überall werden hier zarte Ohren in der Aussprache einen Unterschied des Tones gewahr. Allein, freylich pflegt die hiesige meißnische Aussprache, Dichtern eine größere Freyheit zu verstatten; die auch von den besten Poeten begierig ergriffen worden: welche geglaubet, man müsse für die Ohren, nicht aber für die Augen reimen.


17 §. Es ist schwer, hier den Ausschlag zu geben, wer Recht hat, oder nicht. Aller Landschaften Aussprache zu billigen, ist nicht rathsam: denn was würden wir nicht für Reime bekommen? Allein Provinzen aber die Last aufzulegen, daß sie sich nach einer einzigen richten sollen; ist auch schwer. Ich halte es also für das sicherste, sich nach der Schrift zu richten; doch so, daß man in gewissen Selbstlautern eine mehrere Freyheit erlaube. Z.E. schlägt und legt reimt sich in den meisten Ohren, ob es schon nicht gleich buchstabiret ist. Warum sollte man es denn nicht reimen? Ein anders ist es mit ü und ie, ö und e: denn diese unterscheiden sich zu sehr: fühlt und spült reimen sich also nicht mit zielt und spielt;hört und stört, nicht mit nährt und fährt; diese hergegen nicht mit lehrt und unversehrt u.s.w. 15


[701] Die IV Regel:


18 §. Wörter, die sich reimen, müssen vor dem übereinstimmenden Selbstlaute verschiedene, oder gar keine Mitlauter haben.


So reimet sich Mann und kann, Rath undThat, Stadt und hat; Noth und Brod, Gott und Spott; aber nicht Mann und jedermann, der Rath und Verrath; Stadt und anstatt;Tod und todt; oder wie der Froschmäuseler:


Ja das verachte Gräselein

Hat seinen Feind am Schäfelein.


Denn hier sind die Mitlauter vor dem Reime einerley. Die Franzosen sind hierinn anderer Meynung, und halten diese letztern Reime noch für besser und vollkommener, als die ersten. Zwar erlaubet man bey uns, noch in dem einzigen Falle, einerley vorhergehende Buchstaben, wenn zweene Mitlauter zusammen kommen, davon gleichwohl die ersten verschieden sind: als Braut, vertraut; schlägt, legt; trügt, rügt. Gleichwohl findet man auch in den besten Dichtern Exempel, daß sie wider diese Regel gesündiget haben.


Die V Regel:


19 §. Man muß in den männlichen Reimen die Syllben nicht gewaltsam zusammen ziehen, vielweniger am Ende700 [702] das e oder sonst einen Selbstlaut abbeißen: weil dieses die Verse hart machet. Z.E.


Damit niemand auf dieser Erd,

Zu sehr stolzier und sicher werd;


Rollenh[agen]


wo an beyden das e fehlt; oder so:

Und etliche teyge Holzbirn',

Die fast wollten den Schmack verlier'n,


Ebend.


worinn außer andern Fehlern auch die Ausstoßung des e im Reime nicht erlaubet ist: weil sie die Aussprache sehr schwer machet. So darf man auch nicht zerr'n, kehr'n, hol'n, verstol'n, u.d.gl. sagen. Nun kann man zwar, dem Reime zu gut, in den Zeitwörtern, auch in der richtigen Abwandlung, ein e auslassen; als er liebt, für liebet, du liebst, für liebest. Allein, das ist nur erlaubet, wenn kein doppelt t, oder ein d und t zusammen kömmt; als gerüst't, verschüt't, er reit't, leid't, er kleid't; wo man es unmöglich recht aussprechen kann.


Die VI Regel:


20 §. Wenn sich die Verse am Ende gut reimen, so dörfen sich doch in der Mitte und im Anfange keine gleichlautenden Syllben finden.


Dieses ist nicht nur in den Mönchszeiten eine üble Gewohnheit gewesen; sondern auch von den Pegnitzschäfern eines Theils wieder auf die Bahn gebracht worden. Von den ersten reimten einige so:


DIFFICILES STUdeo PARTES, QUAS BIBLIA gestat,

PANDERE SED NEqueo, LATEBRAS NISI QUI MANIfestat,

AUXILIANTE deo, QUI CUI VULT SINGULA præstat,

DANTE JUVAMEN eo; NIHIL INSUPERABILE restat.

[703] Andere aber noch künstlicher so:

SIC EGO DOctorum COMPEGI SCRIPTA meorum,

FLORIBUS AUctorum LOCA CERTA TENENDA LIbrorum,

IN SERIE QUOrum TEXTUS PATET HIC POSItorum,

PER ME CUNctorum CONSUMMATORQUEBonorum.


Das sieht nun recht arabisch gereimt aus. Allein, die letztern machtens nicht viel besser; wie die Probe zeiget:


Es wallt das Fluthgelall, die schnellen Wellen schwellen,

Die helle Wellenzell ballt den cristallnen Wall etc.

Oder so; daß man vor allen Reimen die Verse nicht sehen kann:

Ihr Matten voll Schatten, begrasete Wasen,

Ihr närbigt und färbigt geblümete Rasen etc.


Die VII Regel:


21 §. Die Reime, die man einmal gebrauchet hat, müssen so bald nicht wiederkommen; weil dieses dem Gehöre verdrüßlich fallen, und eine Armuth in der Sprache zeigen würde.


Es ist also gut, daß man alle gleich, oder auch nur ähnlich klingende Reimschlüsse, in einem Gedichte vermeidet; zumal wenn es kurz ist; denn in langen Heldengedichten, Trauerspielen u.d.gl. von etlichen hundert Zeilen, läßt sich solches nicht ganz vermeiden. Muß man aber ja bisweilen denselben Ton des Reimes, nach zehn oder zwanzig andern Reimen wieder brauchen: so hüte man sich nur vor denselben Wörtern. Z.E. Wenn man hallen und fallen gehabt hätte: so könnten wohl wallen und lallen, oder sonst etwas ähnliches; aber nicht die ersten Wörter sobald wieder kommen.


[704] Die VIII Regel:


22 §. Was die weiblichen Reime insonderheit betrifft; so müssen Wörter dazu genommen werden, die den Ton auf der vorletzten Syllbe haben, am Ende aber ganz kurz lauten.


Hier fehlet zum Exempel Rollenhagen wider das erste, wenn er schreibt:


Unter diesen Raub der Bergemsen

Des Goldkäfers und andrer Bremsen etc.


Denn emsen ist hier, wegen der Zusammensetzung, kürzer geworden, als die vorstehende Syllbe Berg. Wider das andere aber sündigen auch von neuern Dichtern, die sich solcher Reime bedienen, die fast Spondäen ausmachen. Z.E. Nahrung, Erfahrung, Wahrheit, Klarheit u.d.gl. Denn ob die letzten Syllben gleich in der Scansion für kurz gelten können, so fodern sie doch einen längern Aufenthalt der Zunge am Ende einer Zeile, als der fließende und reine Wohlklang leidet. Am besten klingen die Reime, die sich auf e, en, el, er, est und et endigen, als welche Syllben gewiß kurz sind.


Die IX Regel:


23 §. In weiblichen Reimen müssen die Mitlauter und Selbstlauter, in der Mitte und am Ende des Reimes, viel genauer überein kommen, als in den männlichen.


Es ist also nicht genug, wenn dieselben etwa Buchstaben desselben Werkzeuges (LITTERÆ EJUSDEM ORGANI) sind; und es reimen sich also die Raben mit Wapen, die Raupen mit glauben,Rache mit Flagge, sagen mit Sprachen, weichen mit zeigen, das Leiden mit reiten, das Reden mit Trompeten, ganz und gar nicht. Viel weniger darf man so reimen, wie Rollenhagen:


Der Kalk von Wasser muß anbrennen,

Die Schwämm davon aber aufschwemmen:


[705] Am allerwenigsten aber darf man den Selbstlaut des einen, dem andern zu gefallen, verwandeln: wiewohlOpitz es bisweilen gethan, wenn er Sinnen mitkünnen, kimmt mit nimmt, und Sonnen zu Brunnen, Gunst mit umsonst gereimet hat; welches ohne Verwandlung der Selbstlauter unmöglich angeht.


Die X Regel:


24 §. Man vermeide auch hier, noch eifriger, als in männlichen Reimen, den gezogenen Ton der Selbstlauter, mit dem scharfen zu paaren.


So reimen sich Schatten mit rathen,schaffen mit schlafen oder strafen, wäre mit Ehre, bethen mit trompeten, nennen mit können, schließen mit müssen, fließen mit büßen, Priester und Register, u.d.gl. ganz und gar nicht. Und wenn gleich viele, auch sonst gute Dichter, solches gethan hätten, so sind sie doch darinn weder zu loben, noch nachzuahmen. Ein anders wäre es noch, wenn beyde Wörter mit einerley Buchstaben geschrieben würden, alsleben und heben, geben und beben,sehen und gehen. Denn obgleich hier in Meißen die Töne dieser ersten Syllben nicht gleich lauten; indem heben, beben und gehen so lautet, wie das doppelte e in Seele, heeben, beeben, geehen: so zeiget doch die einträchtige Schrift mitleben, geben und sehen, daß diese Aussprache nicht allgemein sey.


Die XI Regel:


25 §. Auch ist noch zu merken, daß in weiblichen Reimen, kein doppelter Mitlauter sich zu einem einfachen reimet.


Z.E. Ermahnen und Kannen, Muhmen und brummen, wähnen und nennen, bethen und retten, hüten und bitten, Bühnen und Sinnen, reimen sich auch darum nicht, weil [706] diese Verdoppelung darinn statt hat. Denn die Selbstlaute machen es nicht; weil auchLeviten und bitten, böser und größer,weisen und heißen, Namen und beysammen, sie traten und hatten, hüten mitHütten sich durchaus nicht reimen. Die Ursache davon ist, daß auch die Verdoppelung des Mitlauters, in dem vorhergehenden Selbstlaute, gleich einen scharfen Ton zuwege bringet. Daher thun denn diejenigen übel, die in strafen und schlafen, auch wohl Schafen, eben sowohl ein ff schreiben, als: in schaffen, raffen, gaffen, u.d.gl. die einen scharfen Ton haben.


Die XII Regel:


26 §. Mit dem Doppellaute ü ist es etwas besonders, daß er auch von sich selbst unterschieden werden muß, wenn er ein ss oder ein ß hinter sich hat.


Denn im ersten Falle wird er scharf, als inmüssen, Schlüssen, und das ss trennet sich: hergegen in büßen, Füßen, versüßen, ist er gezogen; und das ß gehöret ganz unzertrennt zu der folgenden Syllbe. Eben so ist es mit dem ie, in schließen, fließen, genießen, entsprießen; welche sich daher mit missen, wissen, Gewissen, und zerrissen nicht reimen können; wenn man einem zarten Gehöre ein Genügen thun will.


27 §. Mit diesen zwölf Regeln wegen der Reime, wird man so ziemlich auskommen können; wenn ich nur noch einige Anmerkungen überhaupt, von der Vermischung und Abwechselung derselben werde gemachet haben. Die Alten nahmen sich hier eine ungebundene Freyheit, und mischten in einem Gedichte nach Belieben, männliche und weibliche, ohne Regel und Ordnung durch einander, nachdem es ihnen bequem fiel. So machten es Ottfried, Winsbeck, König Tyrol, Eschenbach, u.a.m. ja selbst Hans Sachs, Burchard Waldis und Rollenhagen im Froschmäusler, [707] machtens noch nicht besser. Ringwald aber zwang, in seiner deutschen Wahrheit, gar alle weibliche Reime, durch Auslassung des e, männlich zu werden: z.E.


Denn ob dirs gleich in solchem Springn

Ein wenig möchte misgelingn,

Etwa ein Wunde überkomn

Oder gar werden weggenomn etc.


28 §. Allein, andere, die ein besseres Gehör hatten, haben sich schon seit dem XII Jahrhunderte bemühet, eine Ordnung darinnen zu halten. So ist der Urheber des Heldenbuches, den ich für Heinrichen von Efterdingen halte, wie ich einmal mit mehrerm zeigen werde, sehr ordentlich damit verfahren. Z.E.


Es saß da in Lamparten,

Ein edler König reich,

Auf einer Burg, hieß Garten,

Man fand nit seines gleich,

Man nennet jn Herr Otnitten,

Als ichs vernommen han,

Man fand zu den gezitten

Kein Fürsten so lobsan.


Eben so haben es der obenerwähnte Teichner, Meister Joseph und D. Luther gemacht; deren genaue Richtigkeit man in diesem Stücke nicht genug loben kann. Und da Ringwald durchaus lauter männliche Reime haben wollte; so hatte Rebhuhn schon vor ihm, ganze Gedichte in männlichen, und andere ganz in weiblichen Zeilen gemachet.


29 §. Allein, um Opitzens Zeiten ward das, was vorhin nur eine Willkühr gewesen war, durch sein Beyspiel und seiner Poeterey Regeln, zum Gesetze, und zur Schuldigkeit aller seiner Nachfolger. Man setzte es völlig fest, daß man weibliche und männliche Reime, entweder getrennet, oder ungetrennet, ordentlich vermischen müsse: und es scheint, [708] daß auch die Musik hierzu Anlaß gegeben; wenn im Gegenfalle, die Melodie entweder eine Note zu viel oder zu wenig hatte. Daher hat man denn heutiges Tages in vierzeiligen Versen folgende Reimgebäude gemacht:


1.2.3.4.5.6.

LebtGabenBrandBittenMuthSterben,

schwebthabenhabenZuchtlabenHand,

nehmenlichtStandSittenGrabenSand,

schämenbrichtGabensuchtGuterben.


30 §. Die ersten beyden mit ungetrennten Reimen, werden in heroischen, satirischen und ernsthaften Gedichten immer auf einerley Art gebrauchet: die beyden mittelsten werden billig in verliebten, zärtlichen, traurigen Gedichten, als zu Elegien, angewandt; und die beyden letzten Arten kommen fast nur in Sonnetten vor. In sechs- acht- und zehnzeiligen Strophen steht es einem jeden frey, neue Versetzungen der Reime zu machen: sie geben aber einen sehr ungleichen Wohlklang. Z.E. in sechszeiligen sind folgende die besten, die ich nur mit Zeichen ausdrücken will:


– –∪ – –∪ – –∪

–∪ – – –∪ –∪ –

1) –2) –∪3) –∪4) –5) –∪6) –

–∪ – – –∪ – –∪

– –∪ – –∪ –∪ –

– –∪ –∪ – –∪ –


Von allen diesen Arten sind in unsern besten Dichtern Exempel zu finden: und jede hat ihre besondere Anmuth: wenn nur der Sinn der Zeilen am rechten Orte geschlossen wird.

31 §. Die achtzeiligen Strophen in Liedern und Gesängen, sind entweder nur Verdoppelungen der obigen vierzeiligen, oder Verbindungen derselben: die denn viele Veränderungen [709] zuwege bringen, und immer einen verschiedenen Wohlklang geben. Die besten davon sind folgende Arten:


– –∪ – –∪ – –∪ – –∪

– –∪ –∪ – –∪ – – –∪

1) –∪2) –3) –4) –∪5) –∪6) –7) –∪8) –

–∪ – –∪ – – –∪ –∪ –

– –∪ – –∪ –∪ – – –∪

–∪ – – –∪ – –∪ –∪ –

– –∪ –∪ – – –∪ –∪ –

–∪ – –∪ – –∪ – – –∪


Doch sieht ein jeder, daß noch viel mehr solche Veränderungen möglich sind, die ein jeder nach Belieben versuchen kann. Die unordentlichen Vermischungen der Reime sind den sogenannten recitativischen Versen, oder der Poesie der Faulen überlassen worden; die bey weitem soviel Anmuth nicht hat, ja bisweilen der Prose selbst nachzusetzen ist.

32 §. Fraget man nun, ob denn dergestalt die Reime ein nothwendiges Stück der deutschen Verse sind? und ob es gar nicht angeht, reimlose Verse zu machen: so antworte ich auf das erste mit Nein, und auf das andere mit Ja. Hätte unsere Sprache kein Syllbenmaaß, und keinen daraus entstehenden Wohlklang: so müßten wir freylich die Reime für etwas wesentliches in unserer Poesie ausgeben, wie die Franzosen thun. Allein, das Gegentheil ist oben sattsam erwiesen worden: folglich erhellet auch die Möglichkeit reimfreyer Verse bey uns; worinn aber unsere Dichter die Wälschen und die Engländer zu Vorgängern gehabt. Unter jenen hat nämlich schon Trißino vor 2000 Jahren sein Heldengedicht ITALIA LIBERATA DA I GOTHI 16; von diesen aber Milton fast vor 100 Jahren sein verlohrnes Paradies in ungereimten Versen geschrieben.

[710] 33 §. Der erste, der es meines Wissens bey uns versuchet hat, ihnen nachzuahmen, ist nach Conrad Gesnern, der solches in lateinischen Versarten gewaget, Ernst Gottlieb von Bergen gewesen, der schon 1682 das verlohrne Paradies in solche Verse übersetzet hat. Eine Probe davon wird es zeigen:


So schnarchte er, Beelzebub hingegen

Darauf: o du der Großfürst unser aller,

Dem niemand Allmacht – ohn zu widerstehn

Annoch vermag: wenn dieß Heer deine Stimm,

Ihr größte Zuversicht, nur wieder höret,

(Zuvor so oft gehört, so hoch gepriesen,

Da es im Streit aufs schärfst und ärgste kam) etc.


Allein, ein jeder wird leicht sehen, wie schlecht dieser Versuch ausgefallen ist 17.


[711] 34 §. Gleichwohl fand sich bald darauf der berühmte Kanzler Veit Ludewig von Seckendorf, der 1695 Lucans Heldengedicht vom pharsalischen Kriege, in diese Art von Versen übersetzte. Auch davon will ich eine Probe geben:


Es kracht die Last des Baums, der sonst die Segel trägt,

Und nun gebrochen wird; da springen hinten ab

Von dem verlaßnen Schiff der Bots- und Rudermann,

Gleich in die Wellen hin, und macht ein jeder sich

Schon einen Schiffbruch selbst, wenn gleich der Kiel noch hält,

Und nicht zerscheitert ist.


Man wird auch hieraus leicht sehen, daß diese Verse schon viel besser klingen, als des von Bergen; der so barbarisch und undeutsch schreibt, daß auch die Reime selbst seinen Versen nichts geholfen haben würden 18.

[712] 35 §. Nach der Zeit haben verschiedene versuchet, ob sich solches nicht mit besserm Erfolge thun ließe, als es von diesen Vorgängern geschehen war: und ich kann es nicht läugnen, daß ich selbst vor mehr als zwanzig Jahren, in dem Biedermanne, und nachmals in den Reden und Gedichten der hiesigen deutschen Gesellschaft, bey der Aufnahme eines Freyherrn von Seckendorf, Proben davon gegeben. Auch in meinen Gedichten wird man, nebst einigen Originalen, Übersetzungen, sonderlich einige anakreontische Oden finden, die ich ohne Reime nach dem griechischen Syllbenmaaße gemachet: worinn sich nicht nur vor kurzem ein geschickter Fortsetzer gefunden, der sie alle dergestalt geliefert; sondern auch ein muntrer Nachfolger hervorgethan, der billig ein deutscherAnakreon heißen kann. Ich schweige noch sehr vieler andern Stücke von dieser Art, die in den Belustigungen des Verstandes und Witzes, und anderwärts zum Vorscheine gekommen: so daß es nunmehr keinem Zweifel weiter unterworfen ist, ob die Sache im Deutschen angehe.

36 §. Indessen ist es gleichwohl einmal gewiß, daß diese ungereimten Verse in Übersetzungen alter Dichter, keinen geringen Nutzen haben würden. Man würde vermittelst derselben, weit genauer beym Texte bleiben, und den Sinn der Urschrift gewissenhafter ausdrücken können, als wenn der Reim manche Abweichung unvermeidlich macht. So habens die Engländer diesen reimlosen Versen zu danken, daß sie die meisten alten Dichter auch in poetischen Übersetzungen lesen können; welchen Vorzug aber die Franzosen entbehren müssen 19.

[713] 37 §. Sodann könnten in Schauspielen, sonderlich von der komischen und lustigen Art, die wir bisher nur in ungebundener Rede abgefasset, diese reimlosen Verse, auf eine bequeme Art Dienste thun. Hier würde man nämlich ohne den poetischen Wohlklang zu verlieren, gleichwohl von der täglichen Sprache, durch die Reime nicht zu sehr abweichen dörfen; und dadurch den Alten ähnlicher werden können. Dieses öffnet nun einem glücklichen Dichter unserer Zeiten, der sonst zu Lustspielen eine Fähigkeit hat, ein neues Feld, sich hervorzuthun, und andern ein Muster zu geben, dem sie folgen können. Ich wünsche, daß sich bald jemand diesen neuen Lorberkranz erwerben möge 20.

38 §. Übrigens ist von den reimlosen Versen in diesem Hauptstücke, wo ich von Reimen handle, nichts mehr zu sagen. Wer sich darinn hervorthun will, muß den Abgang der Reime durch allerley andere Schönheiten zu ersetzen wissen; sonderlich aber muß er durch einen ungezwungenen Wohlklang das Ohr zu gewinnen suchen. Denn sollte dieses nicht geschehen, so würden unzählige Leute lieber eine fließende [714] Prose, als solche geradebrechte Verse, ohne Lieblichkeit und Anmuth lesen wollen. Die bloße Zahl der Syllben nämlich, macht keinen solchen Eindruck bey unsern Deutschen, daß man sie für ein zureichendes Merkmaal der Verse halten sollte 21.

Fußnoten

1 Wie wir itzo sagen gleichsam, so sagten die Alten umgekehrt samalich, von sam und gleich, oder lich, LIKE: wie noch die Plattdeutschen und Engländer sagen.

2 Bald, oder bold heißt kühn: wir habens noch, in Trunkenbold, Leupold, Haubold, Wambold, u.d.m. Nichts ist lächerlicher, als wenn der Abt Massieu, in s. HISTOIRE DE LA POESIE FRANÇOISE, dieses Ottfrieds, Evangelium, zu einem französischen Gedichte machen will; dessen Sprache aber itzo nicht mehr verständlich wäre, weil sich das Französische seit der Zeit sehr geändert hätte. So unwissend sind die guten Leute in ihren alten Geschichten, daß sie nicht mehr wissen, daß die Franken, die sich des alten Galliens bemächtiget, auswärtige, und zwar deutsche Völker gewesen; die denn auch bis auf Hugo Capeten ihre deutsche fränkische Sprache geredet, obgleich ihre Unterthanen romanisch, d.i. ein verdorben Latein sprachen. Allein,Massieu wollte gern herausbringen, daß die französische Sprache, das älteste gereimte Gedicht aufzuweisen hätte: darum mußte er uns bestehlen.

3 S. den Morhof im Unterr. von der deutschen Sprache.

4 Siehe des Nostradamus Geschichte derselben, oder den kurzen Auszug, den DES CHAMPS in s. HISTOIRE DU THEATRE FRANÇOIS, T.I. daraus gemachet. Auch der obangezogene Massieu, nebst dem ungenannten Herausgeber der POESIES DU ROI DE NAVARRE, vergißt dieses nicht, in der Einleitung, die er denenselben vorgesetzet. Und es ist also gar nicht zu läugnen, daß die Wälschen das Reimen aus der französischen Provence gelernet.

5 Wer Proben davon zu sehen verlanget, schlage den Neuen Büchers. der schön. Wissensch. nach, auf der 113 S. des V Bandes. Indessen sind diese Provenzaldichter gar keine Franzosen, sondern entweder Savoyarden, oder Spanier zu nennen gewesen, mit deren heutigen Sprachen jene itzo verlorne Mundart weit mehr, als mit der Französischen übereinstimmet.

6 Die erste ist aus einem Lobgedichte auf den Mahomet, welches sein Urheber, wie die Geschichte lautet, diesem falschen Propheten selbst hergesaget; so daß selbiger mit ihm, im Anfange des VII Jahrhunderts gelebet hat. Das Arabische lautet also:

1 V. BANAT SOADON FACALBI 'L JAUMA MATBULO

MOTAJJAMON ATSCHRAHA, LAM JOFDA MACBULO;

2 V. WA MA SOADA GADAT ALBAINI, IDZ RAHALU,

ILLA AGANNON GADHIDH OT THERSI MACKHULO.

Man bemerke bey dieser Art Verse zu machen 1) die entsetzliche Länge der Zeilen; der in Europa niemals eine Versart gleich gekommen ist. Die erste nämlich hat 26, die andere aber 28 Syllben. 2) Bemerke man, daß in der ersten Zeile die beyden Hälften sich reimen, in der andern und allen folgenden aber geschieht solches nicht. Solche Verse hat nun weder in Frankreich, noch in Italien, jemals jemand gemachet; welches gewiß geschehen seyn würde, wenn man sich die Mohren zum Muster genommen hätte. S. das ganze Ged. in des Büchersaals X B. 3) Mit eben demjenigen Reime nun, womit es angefangen hat, fährt das ganze Gedicht bis ans Ende fort, ob es gleich ziemlich lang ist. Denn so endiget sich der 3 V. mit MALULO, 4) MASCHMULO, 5) JAALILO, 6) MACBULO, 7) TABTILO, 8) GULO, 9) GERBALO, 10) TADHILO, 11) ABATHILO, 12) TAMBILO, 13) MARASILO, 14) TABGILO, 15) MAGHULO ETC. woraus man auch sieht, daß sie es im Reimen so gar genau nicht nehmen. Eben das nun thun alle arabische Poeten; daß sie nämlich den einmal erwählten Reim, im ersten Verse zweymal, in allen folgenden eines Gedichtes aber, nur am Ende einmal beybehalten. Eben das wird auch folgende Probe aus dem andern Gedichte zeigen, welches noch älter, und schon im Anfange des fünften Jahrhunderts, gemachet seyn soll. Die Übersetzung davon hat Herr D. Reiske mir gütigst mitgetheilet:

v. 1. MA COLLA JAUMIN JANAL OL MARO MATHAlaba,

WALA JOSAWWEGOHO 'L MACDARO MA WAhaba,

v. 2. WA AHZAM ON NASI MAN, EN FERSATON ARADHAT,

JAM JAGAL AS SABABA 'L MAUSULA MONCAdhaba ETC.

D.i.

v. 1. Man erlanget nicht alle Tage was man suchet, denn

das Schicksal machet einem seine Gaben blutsauer.

v. 2. Der Klügste unter den Menschen ist also der, welcher die

Gelegenheit seinen Zweck zu erreichen, nicht fahren läßt etc.

7 Dieses gesteht der Verf. der Einleitung vor den POESIES DU ROI DE NAVARRE, selbst. S. des Büchers, der sch. Wiss. V B.a.d. 335 S. und zwar nicht nur vor Karls des Großen Zeiten, sondern auch unter Ludwigen dem II, dem Sohne des Gütigen; welchem auch das bekannte EPINICION auf den Sieg über die Normannen, das im Schilter steht, in altfränkischer Sprache überreichet worden.

8 Auf der 324 Seite seiner MANIERE D'APPR. & D'ENS. LES BELL. L. heißt es: NOS LANGUES MODERNES, PAR OÙ J'ENTENDS LES LANGUES FRANÇOISE, ITALIENNE & ESPAGNOLE, VIENNENT CERTAINEMENT DU DEBRIS DE LA LANGUE LATINE, PAR LE MELANGE DE LA LANGUE TUDESQUE, OU GERMANIQUE – – – Et c'est peut être de ccette Langue là, que nous sont venües les Rimes etc. Ein gelehrter Freund hat hier die Muthmaßung, die mir seht wahrscheinlich klingt: daß nämlich der erste Provenzalpoet, den die Franzosen (z.E. Nostradamus, und Deschamps. S. auch des Crescimbeni ISTORIA DELLA VOLGAR POESIA T. II. P. 11.) anzugeben wissen,Gottfried Rudel, ein Deutscher von Geburt gewesen sey. Er beweist dieses aus dem Namen, der gewiß nichts wälsches, spanisches, oder lateinisches an sich hat; sondern ganz deutsch ist. Ein Rüde heißt bey uns ein Schafhund, und das el zeigt die Verkleinerung an. Einige Leute heißen ja noch Riedel, und Rudel, welches eben daher kömmt. Es könnte also dieser Deutsche ungefähr nach der Provence gekommen seyn, und die dasige Sprache gelernet haben. Wie nun Ovid, in seiner Verbannung nach Tomos, nicht nur getisch, oder gothisch gelernet, sondern auch gar gothische Verse gemachet: so könnte auch dieser Deutsche angefangen haben, provenzalische Verse und zwar nach deutscher Art, mit Reimen zu machen: die denn wegen des Wohlklanges, soviel Beyfall gefunden, daß sie bald überhand genommen, und in Wälschland und Spanien nachgeahmet worden. Wenigstens stimmet auch die Zeitrechnung, und die ganze Art der provenzal. kurzen und paarweise gereimten Verse, ganz wohl überein. S. auch den CLAUDE FAUCHET in s. RECUEIL DE l'ORIGINE DE LA LANGUE, ET POESIE FRANÇOISE.

9 S. davon in der Geschichte der Kön. Akad. der schön. Wiss. zu Paris II B.a.d. 369 S. des Hrn. Frerets Abhandl. von der Poesie der Chineser. Z.E. eine Art sieht so aus:

VŒNE, KHEOU, CHENE MIENE.

LO IH CHEE, NANE. PIENE.

TEH I. TSOO. – – I. CHING.

TCHIOU. HAI. TSINE-KIENE.

Und diese Verse hat der König VŒNE VANLI gemachet.

10 Seine Worte sind diese: NON QUO SERIES SCRIPTIONIS HUJUS METRICA SIT SUBTILITATE CONSTRICTA, SED Schema omæotelevton ASSIDUE QUÆRIT. APTAM ENIM IN HAC LECTIONE, & PRIORI DECENTEM, & consimilem QUÆRUNT VERBA IN fine sonoritatem. – – – QUÆRIT ENIM LINGUÆ HUJUS ORNATUS – –omæotelevton, I.E. CONSIMILEM VERBORUM TERMINATIONEM OBSERVARE.

11 Worms Worte lauten davon so P. 177. HEIC ENIM NEC SYLLABARUM ATTENDITUR QUANTITAS, UT APUD LATINOS, nec ultimarum cujusque versus syllabarum sonus similis, UT IN MODERNIS; SED SEDECIM CONSONANTIÆ IN SINGULIS REQUIRUNTUR STROPHIS, DEBITO LOCO ATQUE ORDINE DISPOSITÆ. ETC.

12

Z.E. ECLOGA IV. V. 50. reimet Virgil so:

ASPICE CONVEXO NUTANTEM PONDEREmundum,

TERRASQUE TRACTUSQUE MARIS CÆLUMQUE profundum.

ITEM GEORG. L.I. V. 407 & 408.

ECCE INIMICUS ATROX MAGNO STRIDORE PER auras,

INSEQUITUR NISUS, QUA SE FERT NISUS AD auras.

GEORG. L. II. V. 343 & 344.

NEC RES HUNC TENERÆ POSSENT PERFERRElaborem,

SI NON TANTA QUIES IRET FRIGUSQUE calorem.

GEORG. L. II. V. 500 & 501.

QUOS RAMI FRUCTUS, QUOS IPSA VOLENTIA jura.

SPONTE TULERE SUA, CARPSIT; NEC FERREA jura.

L. CIT. V. 509 & 510. patrum, fratrum.

IBID. L. 4. V. 340 & 341. Ambæ, ambæ.

ITEM ÆNEID. L. 2. V. 341 & 342.

ET LATERI AGGLOMERANT NOSTRO; JUVENESQUE Choræbus

MYGDONIDES, ILLIS, QUI AD TROJAM FORTEdiebus etc.

ÆNEID. L. CIT. V. 456 & 457.

SÆPIUS ANDROMACHE FERRE INCOMITATAsolebat

AD SOCEROS, ET AVO PUERUM ASTYANACTAtrahebat.

ÆNEID. L. 2. V. 459. 460. 461. 462.

TELA MANU MISERI JACTABANT IRRITA Teucri

TURREM IN PRÆCIPITI STANTEM SUMMISQUE SUB astra

EDUCTAM TECTIS, UNDE OMNIS TROJA VIDEri,

ET DANAUM SOLITÆ NAVES, & ACHAICA castra.

ÆNEID. L. 3. V. 656 & 657.

IPSUM INTER PECUDES VASTA SE MOLEmoventem,

PASTOREM POLYPHEMUM & LITTORA NOTApetentem:

ÆNEID. L. 4. V. 331 & 332.

DIXERAT. ILLE JOVIS MONITIS IMMOTA tenebat

LUMINA, & OBNIXUS CURAM SUB CORDEpremebat.

ÆNEID. L. 5. V. 385 & 386.

DUCERE DONA JUBE. CUNCTI SIMUL OREfremebant

DARDANIDÆ, REDDIQUE VIRO PROMISSAjubebant.

ÆNEID. L. 6. V. 463 & 464. ciebat. tenebat.

ÆNEID. L. 7. V. 187 & 188. sedebat. gerebat.

ÆNEID. L. 7. V. 245 & 246. Aras. tiaras.

ÆNEID. L. 7. V. 653 & 654. esset. esset.

ÆNEID. L. 8. V. 271 & 272. semper. semper.

ÆNEID. L. 8. V. 396 & 397. fuisset. fuisset.

ÆNEID. L. 8. V. 646 & 647. jubebat, premebat.

ÆNEID. L. 9. V. 182 & 183. ruebant. tenebant.

ÆNEID. L. 9. V. 544 & 545. Helenor, Helenor.

ÆNEID. L. 11. V. 886 & 887.

DEFENDENTUM ARMIS ADITUS, INQUE ARMAruentum.

EXCLUSI ANTE OCULOS, LACRYMANTUMQUE ORA parentum.

Endlich auch L. 12. v. 679 & 680.

MORTE PATI: NEC ME INDECOREM GERMANA VIDEBIS,

AMPLIUS; HUNC, ORO, SINE ME FURERE ANTE FUROREM.

DIXIT, & E CURRU SALTUM DEDIT OCIUS AURIS,

PERQUE HOSTES, PER TELA RUIT; MŒSTAMQUE SOROREM ETC.

Allein, da dieses die Reime aus dem ganzen Virgil alle miteinander sind, wie mich ein werther Freund versichert, der sie daraus aufgesuchet hat: so überlasse ich einem jeden das Urtheil, ob so wenige Schwalben einen Sommer machen; d.i. ob Virgil die selben anders, als von ungefähr gemachet haben könne?

13 Vor einiger Zeit haben sich nicht nur die Zürcher-Maler, sondern auch noch kürzlich in Halle einige Gelehrte wider die Reime empöret, und theils in Regeln und Abhandlungen vom Werthe der Reime, sie verächtlich zu machen gesuchet; theils uns mit ihren Exempeln reimloser Gedichte zur Nachfolge reizen wollen. Mich dünket aber, daß weder ihre Gründe so überzeugend, noch ihre Beyspiele so bezaubernd gerathen sind, daß ihre Reime viel zu besorgen hätten. In meiner krit. Dichtkunst habe ich längst gewiesen, daß man ihrer in Übersetzungen der alten Dichter, und in Schauspielen noch am ersten entrathen könnte. Allein, da Pope den Homer, und bey uns ein Paar glückliche Dichter, auch theils die Ilias, theils die Äneis in gereimte Verse bringen können: so wird es auch damit noch keine Noth haben: zumal da der ungereimte Horaz unerträglich ausgefallen; der gereimte aber, den wir itzo von einer vornehmen Feder bekommen, ihm den Preis weit abgewinnen wird. Herr Hofr. Madai ist der geschickte Herausgeber davon.

14 Indessen ist es sehr schwer, einem, der niemals aus seinem Vaterlande gekommen ist, den guten Ton der Aussprache beyzubringen. Eine jede Provinz wird also gewisse einheimische Reime behalten, weil ihre Dichter glauben werden, durch ihre Aussprache, zu ihrem Gebrauche berechtiget zu seyn. Man kann es ihnen auch so wenig verdenken, als einem Landesherrn, daß er sich eine schlechtere Landmünze schlägt. Doch wie dieser darum kein Recht hat, sie Auswärtigen aufzudringen: so muß auch kein Dichter, der sich solcher Land, Stadt und Hausreime bedienet, begehren, daß man sie allenthalben soll gelten lassen.

15 Einen einzigen Rath kann ich denen noch geben, die so reimen wollen, daß ganz Deutschland damit zufrieden sey. Man bediene sich solcher Reimwörter, die überall gleich klingen, deren es gleichwohl unzählige giebt. Diese aber zu wissen, muß man doch auf die gleiche Schrift sehen; und gleichwohl triegt auch diese zuweilen. Z.E. Wer sollte nicht denken, daßSchneider und Kleider sich gut reimeten? Und gleichwohl spricht man hier das letzte wieKleeder; aber unrecht. Fassen und lassen scheinen auch gut zu klappen: doch höret man einen Thüringer, so spricht er das letzte wie laaßen, d.i. mit einem gezogenen Tone, wie maßen, saßen.

16 Ich will doch eine Probe davon geben. Es hebt so an:

DIVINO APOLLO, E VOI CELESTI MUSE,

CH'AVETE IN GUARDIA I GLORIOSI FATTI,

E I BEI PENSIER DE LE TERRENE MENTI,

PIACCIAVI DI CANTAR PER LA MIA LINGUA ETC.

Und eine solche Art von Versen beobachten die Wälschen auch in ihren Trauerspielen und Lustspielen. S. des MURATORI TEATRO ITALIANO, in drey 8 Bänden von 1728, ja selbst die Recitative ihrer Opern sind fast ohne alle Reime.

17 Er schreibt in seiner Vorrede so davon: »Ich enthalte mich allerdings des gemeinen Endreimens in meinen Versen – – maßen solch Reimen, weder zur Noth, noch Zierde guter Gedichte dienlich, bevorab in weitläufigen Werken. Das Reimen ist erst auf die Bahn gebracht worden, in den barbarischen Zeiten, da man liederlicher Dinge Fürbringen (ist aber Ottfrieds Evangelium ein liederlich Ding?) nicht besser hat gewußt ein Ansehen zu erwecken, als mit dergleichen Klingel oder Schellenwerk. Nicht ohn zwar ist, daß seithero durch vielfältig, und je länger je geschickteres Versuchen und Ausüben, solche Reimerey in meist europäischen gemeinen Landsprachen, in eine sonderliche und sothane Artigkeit verhöht, und dermaßen gemein worden, als ob es ein ganz eigentlich und nothwendig Zubehör des Dichters im Versmachen wäre; da doch fast nichts dem rechtschaffenen Erfinden, Sinnen, Dichten und Fürstellen verdrießlicher und nachtheiliger kann erdacht werden; alldieweil dieses Reimreißen den Poeten so mannichmal gleich als bey den Haaren zauset, zeucht undzwingt, seine Sachen viel anders zu entwerfen, und fürzubilden, als er sonst, (Wort und reimfrey gelassen) so viel eigentlicher, reicher und anmuthiger würde haben thun können etc.« Wenn das wahr wäre, so müßte sein deutschet, und der englische Milton selbst, viel anders klingen. Allein, wer siehts nicht, daß ihn auch die bloße Zahl der Syllben, denn das Scandiren beobachtet er fast gar nicht, schon so sehrgezauset, gezogen und gezerret, daß et recht eisenharte Verse, wo man sie noch so nennen kann, hervorgebracht. Guten Köpfen hilft der Reim eher, als er ihnen hinderlich fällt, gute Gedanken anzubringen; giebt aber dem Verse noch desto mehr Anmuth, und Wohlklang.

18 Die vornehmste Ursache, warum diese Verse nicht klingen, ist diese, daß fast niemals eine Zeile einen Sinn für sich hat, sondern in die folgende greift. Würde es z.E. nicht besser klingen, wenn Seckendorfs letzte Zeilen so stünden:

Da springen hinten ab der Boots- und Rudermann,

Von dem verlaßnen Schiff gleich in die Wellen hin;

Und jeder machet sich schon einen Schiffbruch selbst,

Wenn gleich der Kiel noch hält, und nicht zerscheitert ist.

Von Bergen aber hat sich aus sclavischer Nachahmung Miltons gar eingebildet, dieses beständige Eingreifen in die folgenden Verse wäre eine besondere Schönheit der miltonischen Poesie: da sie doch im Englischen eben so wohl unangenehm ist; und von neuern Dichtern daselbst nicht nachgeahmet wird. Unsere deutschen Hexametristen aber sind hier getreue Miltonianer, und machen uns fast lauter zerfetzte Zeilen, wie ein poetisches Fricassee. S. seine Vorrede.

19 Da sind nun andere gekommen, die sich eingebildet, die ganze Schönheit dieser Verse bestünde im Mangel der Reime; und haben ihre Originaloden in diesem Stücke so anakreontisch gemacht, als wenig sie es in andern Absichten waren. Wie leicht wäre es aber nicht gewesen, ursprünglich deutsche Lieder, durch den Reim noch angenehmer zu machen? Von andern Gelehrten versteht sich eben das: da wir ja sehen, daß der Reim noch keinen unserer guten Dichter gehindert hat, feurig, lehrreich und edel zu denken.

20 Die ganze Schwierigkeit ist nur, die Komödianten zu bereden, daß sie reimlose Stücke aufführen. Da sie aber auch prosaische Lustspiele auswendig lernen können; so würde sichs auch mit reimlosen Versen wohl thun lassen. Neulich hat jemand den Agamemnon so verdeutschet. Nur schade, daß er nicht bey Jamben geblieben, und daß das Stück selbst nicht besser ist! Aber was versuchen unsere neuen Witzlinge nicht alles?

NIL INTENTATUM NOSTRI RELIQUERE POETÆ,

möchte man mit dem Horaz, in anderer Absicht sagen. Das schlimmste ist nur, daß sie unüberlegte Proben machen, die keine andere Absicht haben, als etwas Neues zu wagen. Sie denken, wie Lucrez,

AVIA PIERIDUM PERAGRO LOCA, NULLIUS ANTE

TRITA SOLO

Lucr.

aber in einer ganz andern Gesinnung.

21 Alle diese Regeln sind bey den bisherigen ungereimten Versuchen, zumal epischer Gedichte, schlecht beobachtet worden; sogar, daß sie nicht einmal einer harmonischen Prose an Lieblichkeit gleich kommen. Sie beobachten keine Cäsuren, schließen den Sinn niemals mit ganzen Zeilen; zerren und zerbröckeln den Verstand eines Satzes immer mit Fleiß in andere Zeilen; und zerfetzen die Gedanken recht mit Fleiß in lauter Heckerling. Man kann also, nach diesen Aspekten den reimlosen Versen noch wenig Glück versprechen; zumal wenn die Dichter in ihren Vorreden gar ausdrücklich gestehen: daß sie mit Fleiß undeutsch schreiben wollen, um den alten Dichtern desto ähnlicher zu werden: wie neulich vor den reimlosen und ungereimten horazischen Oden geschehen ist, die man nun zum zweytenmale verhunzet hat.

Das V Hauptstück
Das V Hauptstück.
Von den gewöhnlichen Versarten der Deutschen.

1 §.


Wenn ich hier von den gewöhnlichen Versarten der Deutschen handeln will, so verstehe ich dadurch die jambischen, trochäischen und daktylischen Verse. In diesen ist, seit Opitzens und Buchners Zeiten, fast alles geschrieben worden, was man in Versen gemachet hat. Und wenn man gleich auch einige besondere Erfindungen von Wälschen und Franzosen nachgeahmet hat: so sind sie doch allezeit in diesen Versarten gemachet worden. Ein anders ist es mit den künstlichen Arten der griechischen und römischen Dichtkunst. Diese nenne ich die ungewöhnlichem Gattungen, und davon wird das folgende Hauptstück handeln.


I Abschnitt.


Von den jambischen Versen.


2 §. Man kann im Deutschen jambische Verse von allerley Länge machen, und hat sie wirklich von einem Fuße an, bis zu acht Füßen lang gemacht. Schon Clajus hat, lange vor Opitzens Zeiten, sie nach Art der Griechen und Lateiner, mit folgenden künstlichen Namen genennet; bey welchen ich allemal, und zwar zuförderst den kürzern Arten, mit den Zeichen des Syllbenmaaßes, die Länge der Zeilen anzeigen will.


[716] MONOMETER.

BRACHYCATALECTUS∪ – |

CATALECTUS∪ – | ∪

ACATALECTUS∪ – | ∪ – |

HYPERCATALECTUS∪ – | ∪ – | ∪


DIMETER.

BRACHYCATALECTUS∪ – | ∪ – | ∪ – |

CATALECTUS∪ – | ∪ – | ∪ – | ∪

ACATALECTUS∪ – | ∪ – | ∪ – | ∪ – |

HYPERCATALECTUS∪ – | ∪ – | ∪ – | ∪ – | ∪


3 §. So weit gehen die kurzen Versarten von zwey bis neun Syllben, und diese laufen noch in einem fort, ohne einen Abschnitt in der Mitte zu haben. Man brauchet sie aber selten allein, ohne Vermengung mit längern Zeilen. Exempel zu den obigen können folgende abgeben; wobey zu merken ist, daß in dem opitzischen schon ein Dimeter mit gebrauchet worden:


AlleIn Noth∪ –

ArtenUnd Tod∪ –

Mono-zu kommen,∪ – ∪

meter ver-Heißt oft der Quaal∪ – ∪–

bundenFast auf einmal∪ – ∪–

Beglückt entnommen.∪ – ∪–∪

Dieses sind eingeschaltete Monometer ausOpitzen:

∪ – | ∪ – | ∪ – | ∪

∪ – | ∪ – |

Ach Liebste laß uns eilen,

Wir haben Zeit;

Es schadet das Verweilen

Uns beyderseit.

Auch Celadon hat in seiner Muse, 1663 in 12. zweyfüßige Jamben gemachet, die so lauten:

∪ – | ∪ – |

∪ – | ∪ – |

∪ – | ∪ – | ∪ – | –

Weil wir zerstreut,

Durch Neid und Zeit,

Uns heimlich müssen meynen;

Weil du vor mir,

Und ich vor dir,

Ganz feindlich muß erscheinen.

[717] Folgende sind Dimeter: die ich aus Opitzen nehme, die kurzen.

∪ – | ∪ – | ∪ – |

∪ – | ∪ – | ∪ – | ∪

Geht meine Seufzer hin,

Erweichet deren Sinn,

Die meinen Sinn nur plaget,

Und reget unverwandt

Ein Herze von Demant,

Das mich beständig plaget.

Die längern lauten so:

∪ – | ∪ – | ∪ – | ∪ – |

∪ – | ∪ – | ∪ – | ∪ – | ∪

Mein Nüßler, und ist dieß dein Rath?

Ich soll die schnöde Wollust hassen,

Und die, so mich bethöret hat,

Die schöne Flavia, verlassen?


4 §. Was nun die längern betrifft, so muß man wissen, daß schon die Alten bemerket: daß sie, ohne eine gewisse Ruhestelle in der Mitte, nicht angenehm zu lesen, oder zu hören seyn würden. Daher hat man die Regel gegeben, daß sie nach einer gewissen Zahl von Syllben, einen Abschnitt nach einem ganzen Worte bekommen müßten. Die Griechen und Römer machten denselben insgemein in der Mitte des dritten Fußes, und nannten das eine PENTEMIMERIN, die den Vers in zwo ungleiche Hälften eintheilte, und die letzte gleichsam trochäisch machte. Und so hat auch Clajus in seinen Beyspielen es beobachten gelehret. Z.E.


TRIMETER BRACHYCATALECTUS.
∪ – | ∪ – | ∪ – ∪ – ∪ | –
Wer sich auf Gottes | | Wort getrost | verläßt,
Der wird nicht fallen | | sondern stehet fest.
TRIMETER CATALECTUS.
∪ – | ∪ – | ∪ – ∪ | – ∪ | – ∪ |
Man saget großen | | Herrn und schönen Frauen,
Den mag man dienen | | aber wenig trauen.
[718] TRIMETER ACATALECTOS.
∪ – | ∪ – | ∪ – | ∪ – ∪ | – ∪ | –
Ach Herr, vergib uns unser | | Schuld und Missethat,
Damit dich unser Leben | | je erzürnet hat.
TRIMETER HYPERCATALECTUS.
∪ – | ∪ – | ∪ – | ∪ – ∪ | – ∪ | – ∪ |
Nun lobet Gott und preiset, | | seinen theuren Namen,
Sprecht heilig, heilig, heilig | | ist Gott ewig! Amen.

5 §. Dieß ist nun der, von gewissen Bewunderern des Alterthums, so hochgepriesne Rhythmus der alten Jamben: gegen welchen ihnen unsere heutigen Gedichte so barbarisch und ungeschickt vorkommen; daß sie unsere Unwissenheit in dem wahren Wohlklange der Poesie, mit einem kritischen Mitleiden ansehen. Allein, was sie für eine so große Heimlichkeit in der poetischen Wissenschaft ansehen, das haben, wie aus dem Rebhuhn, 1 und hier aus dem Clajus erhellet, unsere Vorfahren vor mehr als 200 Jahren gewußt, und im Deutschen versuchet. S. auch meiner krit. Beyträge VI B.a.d. 645 S. Allein es sey nun, daß entweder diese Art des WohlklangesOpitzen, als dem Vater der neuern Poesie, nicht so gut gefallen hat, als die heutige; oder, daß ihn das Exempel des gelehrten Heinsius in Holland, der die Kunst gewiß auch verstund, bewogen, ihm nachzufolgen: so hat er uns eine ganz andere Art der Abschnitte beobachten gelehret, die nicht in dem halben Fuße eines jambischen Verses; sondern gerade nach einem ganzen Fuße gemachet werden kann. Z.E. So schreibt er in seinem Vielgut:


Es ist ein größer Lob, | | daß gute Leute fragen,

Warum nicht, als warum, | | dir was wird aufgetragen?

Was kümmert Cato sich, | | daß etwan ein Vatin,

Ein Narr, hoch oben sitzt? | | Ich bleibe, wer ich bin,

Wenn ich zu Fuße geh, | | und Struma prächtig fähret.


[719] 6 §. Es sey aber gewesen, welche Ursache es wolle: so ist es gewiß nicht aus Unwissenheit geschehen. Denn sowohl Daniel Heinsius, der Vater der holländischen Poesie, als unser Opitz, kannten die alte Dichtkunst besser, als mancher, der heute zu Tage sehr groß damit thut: wie allen Gelehrten bekannt ist. Diese großen Leute meistert man, wenn man das heutige deutsche Syllbenmaaß verwirft. Sie fanden es aber in ihren Sprachen nicht für gut, den Alten darinn nachzuahmen. Denn 1) war es ja eine ganz willkührliche Sache, wo sie den Abschnitt machen wollten. Sodann aber 2) verwandeln sich bey der Nachahmung der Alten, die letzten Hälften der deutschen Jamben augenscheinlich in Trochäen; und machen also eine Störung in dem jambischen Wohlklange, wie aus den clajischen Exempeln erhellet. Wenn man aber den Abschnitt nach dem völligen Fuße machet: so bleibt der jambische Vers ungestöret bey seiner Art.

7 §. Es ist also seit Opitzen, Buchnern, Freinsheimen, und andern großen Männern, denen die schönen Wissenschaften in beyden Sprachen so viel zu danken haben, der deutsche Abschnitt der Jamben, in fünffüßigen Versen, nach dem zweyten; in sechsfüßigen aber, nach dem dritten Fuße gemachet worden. Und diese Art des Rhythmus oder Wohlklanges klingt gewiß, wo nicht besser, doch eben so schön, als der griechische und römische vorzeiten geklungen hat. Was fehlet z.E. folgender Strophe aus Kanitzen; darinn [720] eine vierfüßige, vier fünffüßige und eine sechsfüßige Zeile vorkömmt:


Soll mich die Hand | | des Herren ewig drücken?

Verfolgt er mich | | als seinen Feind?

Soll ich forthin | | sonst keinen Stern erblicken,

Als der mich schreckt | | und mir zum Falle scheint?

Soll denn mein Kelch | | nach nichts, als Galle schmecken?

Und eine stete Nacht | | des Traurens mich bedecken?


8 §. Man nennet aber, nach dem Muster der Wälschen und Franzosen, die fünffüßigen Jamben oftmals VERS COMMUNS, oder gemeine, alltägliche Verse: weil sie bey gedachten Völkern, mehr als bey uns, sehr gemein gewesen. Sie haben in der That etwas rührendes und bewegliches in sich, das zur Traurigkeit und Ernsthaftigkeit Anlaß giebt. Man könnte sie die Pentameter der Deutschen nennen, und sie nach Art der lateinischen Elegien zwischen die sechsfüßigen Jamben mischen, um Trauergedichte, und verliebte Verse darinn zu machen. Wer dieses versuchen wollte, würde nicht übel damit fahren: doch klingen sie auch allein, ohne Vermischung mit andern, gut. Z.E. wie Kanitzens 51ster Psalm:


O reicher Quell | | der Langmuth und Geduld!

Getreuer Gott | | du Zuflucht aller Armen!

Beströme mich | | mit gütigem Erbarmen,

Und spüle weg | | den Unflath meiner Schuld.

Ich klage selbst | | mein böses Leben an,

Mich schrecken stets | | die Larven meiner Sünden:

Drum ist kein Mensch, | | der dirs verdenken kann,

Wenn du mich nicht | | willst Gnade lassen finden.


9 §. Ein jeder sieht leicht, wie mannichfaltig hier die weiblichen und männlichen Zeilen verwechselt werden können: nach Maaßgebung dessen, was ich oben von den Reimen gesaget habe. Es würde also zu weitläuftig werden, wenn ich von allen denselben hier Exempel geben wollte: die man auch in Hübners Handbuche finden kann. Ich eile also zu der [721] zweyten Art, den sechsfüßigen Jamben. Diese, wie oben gedacht worden, bekommen den Abschnitt nach dem dritten Fuße; und man muß wohl beobachten, daß derselbe nicht Gedanken, die zusammen gehören, trennen möge. Es klingt nämlich übel, wenn die Theilung zwischen ein Beywort und Hauptwort fällt. Z.E. Wenn Besser schreibt:


O unerbittliches | | Verhängniß meiner Jahre!
Oder so:
Die Gott und ihrem Mann | | getreueste Kaliste etc.

so ist in beyden Fällen der Abschnitt schlecht nach dem Wohlklange eingerichtet; weil der Verstand hierbey noch nichts bestimmtes zu denken hat, dabey er ein wenig ruhen könnte. Hergegen klingt folgende Stelle aus Neukirchen, wegen der guten Abschnitte, sehr angenehm:


O Tochter Pandions! | | o süße Philomele!

Erbarme, wo du kannst, | | dich meiner Traurigkeit!

Und wirf nur einen Blick, | | auf meine Dornenhöle,

Wenn dein Verhängniß dich | | mit Rosen überstreut.

Ich ärgere mich nicht | | an deinen guten Tagen,

Ich gönne dir sehr gern | | des Hofes Sonnenschein:

Es mag dich Friederich | | auf seinen Händen tragen,

Dein Trinken Nectarsaft, | | die Speise Zucker seyn. etc.


10 §. Wenn man die weiblichen und männlichen Reime, wie in diesem Exempel, vermischet; oder die zusammen gehörenden Paare immer auf solche Art trennet: so nennet man solche Gedichte im DeutschenElegien. Opitz hat uns dazu schon die Exempel gegeben; und man ist ihm nicht unbillig gefolget: ob man gleich wohl gewußt hat, daß die lateinische und griechische Elegie anders aussieht. Denn diese Art des Wohlklanges hat eben so was rührendes und zärtliches in sich; zumal wenn sie den Sinn immer in einer, oder [722] doch höchstens in zwoen Zeilen schließt, wie im obigen Exempel. Man muß aber auch eine ovidianische oder tibullische Zärtlichkeit der Gedanken, und einen sanftfließenden Ausdruck, in gelinden Wörtern und Redensarten hinein zu bringen wissen. Denn ein rauschender Syllbenzwang, und zusammen gestopfte Wörter würden alles verderben.

11 §. Wenn man hergegen die Reime nicht trennet, und allemal durchgehends die zusammen gehörenden Paare auf einander folgen läßt: so nennet man diesesalexandrinische, oder heroische Verse. Woher dieser erste Namen komme, davon haben viele Kunstrichter verschiedene Meynungen. Das gegründetste ist wohl, wenn man saget: Alexander von Paris, ein Dichter des dreyzehnten Jahrhunderts, habe in seinem Heldengedichte auf Alexandern den Großen, unter welchem er versteckt, den König in Frankreich seiner Zeiten, Philipp Augusten gemeynet, zuerst diese Art von Versen gebrauchet: daher sie denn nachmals alexandrinische genennet worden. S. des Abts Maßieu HIST. DE LA POESIE FRANÇ. a.d. 112 S. imgl. den Büchersaal der sch. Wissensch. und fr. Künste a.d. 238 S. des V.B. Diese Art von Versen nun haben bey uns Rebhuhn, Clajus, u.a. schon vor Opitzen gekannt: doch hat dieser sie sonderlich in Schwang gebracht.

12 §. Er hat sie aber vornehmlich zu heroischen Gedichten gebrauchet. Seine Lobgedichte an den König Vladislav in Pohlen, und an den Herzog von Hollstein; imgleichen das an den Burggrafen von Dohna, sind dergestalt abgefasset. Hernach hat er seine Lehrgedichte, z.E. die Trostbücher in Widerwärtigkeit des Krieges, sein Vielgut, sein Lob des Feldlebens, seinen Vesuv, u.d.m. so eingerichtet. Drittens hat er viel poetische Sendschreiben von ernsthaftem und satirischem Inhalte darinnen geschrieben. Endlich hat er auch seine Trauerspiele aus dem Sophokles und Seneca, in dergleichen Versart übersetzet: worinn ihm [723] nachmals alle unsere Dichter gefolget sind. So klingt z.E. sein bestes Lobgedicht:


Der Höchste lebet ja; | es wallet sein Gemüthe

Noch vor Barmherzigkeit | und väterlicher Güte;

Er lenket deinen Sinn | dem seiner günstig ist,

Daß er, o Vladislav! für Krieg die Ruh erkiest,

Und Langmuth für Geduld. Die falschen Herzen klagen,

Die guten freuen sich, daß du nicht ausgeschlagen

Der Waffen Stillestand: und daß dein Sinn, o Held!

Den Frieden höher schätzt, als etwas in der Welt,

Das mit der Welt vergeht etc.


13 §. Aus dieser Probe wird man sehen, daß der Sinn eines Verses sich nicht allemal mit dem Ende der Zeile, sondern zuweilen auch bey dem Abschnitte der folgenden Zeile schließt. Und dieses ist unstreitig eine Nachahmung der alten lateinischen heroischen Dichter, die solches auch, theils zur Bequemlichkeit in der Ausführung langer Werke; theils zur Schönheit und Veränderung des Wohlklanges gethan haben. Und aus eben diesen Ursachen ist auch hierinnen Opitz von Flemmingen, Dachen, Tscher ningen, Neukirchen, Pietschen und andern, die heroische Gedichte geschrieben, nachgeahmet worden. Selbst in Trauerspielen giebt die Natur der Gespräche, dieses fast als eine Nothwendigkeit an. Ja hier darf man einen Vers wohl gar in drey, vier Stücke brechen; welches in andern Gedichten nicht wohl klingen würde.

14 §. Siebenfüßige Jamben, als eine kleinere Art von Tetrametern der Lateiner, hat bey uns, meines Wissens, niemand gemachet. Aber die recht völligen achtfüßigen Jamben haben an Günthern einen Liebhaber gefunden. Er hat ein langes Gedicht zur Vertheidigung des schönen Geschlechts darinn geschrieben, das so angeht:


Jüngst hatte der galante Träumer | am briegschen Pindus Lärm gemacht.


[724] Allein, wie man sieht, so hat er beym Abschnitte der männlichen Zeile eine überflüßige Syllbe gebrauchet, welches von rechtswegen nicht hätte seyn sollen. Denn dadurch wird das jambische Metrum gestöret, und eine lange Zeile in zwo kurze verwandelt; davon der ersten nur der Reim fehlet. Indessen würden sich solche lange Jamben in Lustspielen gut brauchen lassen; wie Terenz sie schon bisweilen gebrauchet hat 2.

15 §. Noch eins ist von den Jamben, nach dem Beyspiele der Alten anzumerken: wobey sich einige Neuere auch sehr groß gemacht haben, indem sie es in unsern deutschen Prosodien bisher nicht bemerket. Da die lateinische und griechische Sprache sehr wenig Mitlauter hatten, so wurden die jambischen Verse, wenn sie lauter Jamben hatten, sehr weich und schnell in der Aussprache. Dieses zu vermeiden huben die Poeten an, Spondäen mit einzumengen, damit die Jamben etwas männlicher und langsamer einhertreten möchten. Allein, man bemerkete bald, daß dieses nicht überall gleich gut klänge: sondern daß der zweyte und vierte Fuß eines sechsfüßigen Verses, nothwendig ganz reine Jamben bleiben müßten. Das willHoraz in folgenden Versen:


PRIMUS AD EXTREMUM SIMILIS SIBI (Jambus.) NON ITA PRIDEM,

TARDIOR UT PAULLO GRAVIORQUE REDIRET AD AURES,

SPONDÆOS STABILES IN JURA PATERNA RECEPIT:

COMMODUS & PATIENS (SCIL. JAMBUS), NON UT DE SEDE SECUNDA

CEDERET, AUT QUARTA SOCIALITER.


[725] 16 §. Diese Regel nun haben unsere alten Dichter,Opitz, Buchner, Freinsheim, u.a.m. sehr wohl gewußt; aber weder in ihren Regeln der deutschen Dichtkunst mit angebracht, noch selbst beobachtet. Die Ursache ist leicht zu sehen. Die deutsche Sprache ist so arm an Mitlautern nicht, daß ihre reinen Jamben so hurtig von der Zunge fließen könnten. Unsere Syllben klingen mehrentheils, auch wenn sie kurz sind, noch männlich genug: daher brauchen wir eben nicht, unsere Jamben durch Spondäen langsamer, und ansehnlicher zu machen. Was also bey den Lateinern nöthig war, das ist bey uns höchstens eine Vergünstigung geworden. Denn freylich hat man es bey uns auch häufig gethan, daß man in den sechsfüßigen Jamben den Anfang mit einem Spondäus gemacht: ja wohl in der Mitte noch dann und wann einen mit unterlaufen lassen.

17 §. Ein Exempel machet die Sache klar. Neukirch singt in seinem Gedichte auf den König in Preußen, Friederich den I so:


Rom ließ vorzeiten es den Büchern einverleiben:

Daß Cäsar, wenn er las, auch hören, reden, schreiben,

Und also viererley zugleich verrichten konnt.


Hier ist unstreitig die erste Syllbe Rom lang; und der erste Fuß, Rom ließ, ein Spondäus. Gleichwohl tadelt man diese Art von Freyheit, in jambischen Gedichten nicht, wenn sie nur selten kömmt. Eben dergleichen hat Kanitz, in seiner Fabel vom Tadel der Welt, gethan; die so anhebet:


Merk auf! ich bitte dich, wies jenem Alten gieng etc.
Und in seiner Satire von der Poesie gleichfalls:
Auf! säume nicht, mein Sinn, ein neues Werk zu wagen etc.

18 §. Es ist also schwer zu wissen, was unser sel. Prof. Christ von den deutschen Poeten haben wollen, wenn er sie [726] der Übertretung der alten lateinischen Regeln beschuldigte. Sollen sie noch mehr Spondäen in ihre Jamben mengen, als sie bisher gethan haben? so werden gewiß ihre Verse sehr hart und rauh werden; zumal, da wir sehr viel gleichgültige Syllben haben, die ohnedieß schon so gar kurz in der Dauer nicht sind. Oder sollen sie nur die Spondäen nicht auf die unrechten Stellen bringen, und allemal den zweyten und vierten Fuß damit verschonen? Wenn dieses seine Meynung war, so foderte er noch zu wenig von ihnen; denn sie sollen in einem Verse nicht einmal zween Spondäen anbringen. Wir haben ja an Bressands, Postels, Königs, Brocksens, und einiger andern Versen, zur Gnüge gesehen, wie schwer und steif sie einherstolperten, wenn sie sich diese Freyheit mehr als einmal genommen hatten.

19 §. Man kann also überhaupt die lateinische Regel im Deutschen nicht recht brauchen; sondern kann es höchstens, als eine Vergünstigung ansehen, bisweilen im Anfange eines Jamben, eine lange Syllbe, anstatt einer kurzen zu setzen: wie Pietsch z.E. einmal anfieng:


Carl! meine Muse muß den blöden Blick verdrehen etc.
Oder so:
Held! ich umschränke mich, dieß Blatt ist viel zu klein etc.

In der Mitte mögen sie immerhin reine Jamben machen! Gesetzt aber, daß ja jemand auf der vierten Stelle, das ist gleich nach dem Abschnitte, einen Spondäus machte: so wird 25 dieses den Übelstand bey uns nicht haben, den es im Lateinischen hatte; wo der Abschnitt mitten im Fuße gemachet ward. Unser vierter Fuß klingt ganz natürlich, wie der Anfang einer kurzen Zeile, wo es erlaubt ist, einen Spondäen zu brauchen. So heißt es denn von manchen Leuten:


FACIUNT NÆ INTELLIGENDO, UT NIHIL INTELLIGANT.

[727] II Abschnitt.
Von trochäischen Versen.

20 §. Die trochäischen Verse kann man ebenfalls von allen beliebigen Längen machen: wie schon lange vor Opitzen, Rebhuhn versuchet, und Clajus gelehret haben. Ich will aber die obigen griechischen Benennungen nicht nochmals hier wiederholen, sondern lieber deutsch und deutlich sagen, daß man sie von einfüßigen an, bis zu achtfüßigen verlängern kann. Ihre kurzen Muster ohne Abschnitt, sehen alsdann so aus:


– ∪ | Scherzen

– ∪ | – | In der | Noth;

– ∪ | – ∪ | Wenn dem | Herzen |

– ∪ | – ∪ | – Feind und | Schicksal | droht,

– ∪ | – ∪ | – ∪ | Das ist | eine | Gabe, |

– ∪ | – ∪ | – ∪ | – So die | Großmuth | schenken | kann;

– ∪ | – ∪ | – ∪ | – ∪ Wahre | Weisheit | trotzt dem | Grabe, |

– ∪ | – ∪ | – ∪ | – Hebt die | Seelen | Himmel | an.


21 §. In diesen entweder einträchtigen, oder vermischten Arten, werden nun die trochäischen Oden und Arien gemachet. Zweyfüßige Trochäen hat Celadon in seiner Muse versuchet, die 1663 in 12. herausgekommen.


Sie heißen so:oder so:
Komm ach komme,Philomele,
Meine Fromme!Schönste Seele,
Küsse, schließe,Die ich mir zum Schatz erwähle;
Meine Süße,Meinem Leben
Mein Erfreuen,Lust zu geben
Deinen Treuen.Laß, daß ich dein Lob erzähle.

Von längern hat Opitz uns viel schöne Muster hinterlassen: doch Flemming, Kanitz, Neukirch, Günther u.a.m. die seinem Exempel gefolget sind, haben uns die schönsten [728] Stücke darinn geliefert. Z.E. in seiner Daphne giebt der erste dem Chore der Hirten folgende Arie zu singen:


– ∪ – ∪ – ∪ – ∪

O du | kleiner | nackter | Schütze!

Wann der | Bogen, | den du | spannst,

Giebet | solche | Liebes | hitze,

Daß du | Götter | fällen | kannst:

Was dann, | wirst du | nicht, o | Kind!

Uns thun, | die wir | Menschen | sind?


Andere Arten von acht bis zehnzeiligen Strophen, mit vielerley Versetzungen der Reime, kann man bey den oben gemeldeten Dichtern nachschlagen.


22 §. Wie nun diese kurzen trochäischen Verse, in Oden und Arien sehr angenehm und gewöhnlich sind: so sind hergegen die längern von fünf, sechs und sieben Füßen gar nicht gewöhnlich. Man wird in allen unsern Dichtern fast kein einziges Exempel davon antreffen. Es bleibt also keine trochäische Versart mehr übrig, als die achtfüßige, die von verschiedenen Neuern bey uns versuchet worden. Sie klingt auch nicht anders, als prächtig und majestätisch, und schicket sich zu großen, sonderlich Heldengedichten, am allerbesten, Daher klingen Günthers Schreiben an seinen Vater, und einige Stücke in Wenzeln nicht übel. Noch besser aber lautet Popens komisches Heldengedicht, oder Lockenraub, im Deutschen, von der sel. Fr. Gottschedinn:


Göttinn! welch ein seltner Trieb hat den Zufall doch erreget,

Daß ein wohlgezogner Lord einer Schönen Zorn beweget?

Oder laß den Grund mich wissen, den kein Mensch errathen kann,

Warum hat doch eine Schöne hier dem Lord so weh gethan?

Kann denn eine zarte Brust so viel Grausamkeit besitzen?

Kann so viel Verwägenheit eines Stutzers Herz erhitzen?


23 §. So klingen nun die langen trochäischen Verse; und ein jeder wird sehen, daß ich nicht unrecht habe, wann ich wünsche: daß diejenigen, so künftig ernsthafte Helden- gedichte [729] bey uns wagen wollen, dieselbe vor allen andern dazu brauchen mögen 3. Sie sind gleichsam zu heroischen Erzählungen recht gemachet: und da es gewiß ist, daß unsere Sprache eine Menge trochäischer Wörter hat; so schicken sich diese viel besser in diese Versart, als in die jambische, wo man insgemein etwas hinzuflicken muß. Zu dem sind die jambischen Verse bey uns so gemein, daß wir sie fast zu nichts edelm mehr brauchen können. Endlich ist die Länge der Zeilen, und die Seltenheit der Reime noch ein besonderer Vortheil: denn sie schaffen, daß man theils lange Beywörter brauchen, theils sonst mehr Gedanken darinn ausdrücken kann.

24 §. Man muß aber hier bey dem Abschnitte beobachten, daß er in männlichen Zeilen weiblich, in weiblichen aber männlich ist. Dieses geschieht, um dem Ekel zuvor zu kommen, der sonst aus den öftern weiblichen Endungen, in der Mitte und am Ende, in den langen Zeilen, leicht entstehen möchte. Zudem entsteht aus diesem Wechsel eine besondere Bequemlichkeit für den Dichter, gewisse Namen oder andere Wörter, die in den Reim nicht kommen können, anzubringen. Was ich also oben bey den Jamben widerrieth, das billige ich hier, als eine Beförderung des Wohlklanges. Noch eins. Wenn Mittel und Ende eines Verses männlich oder weiblich wären: so würde man einen Mangel des Reimes vermuthen; welches aber durch den Wechsel verhütet wird.


[730] III Abschnitt.


Von daktylischen Versen.


25 §. Diese Art von Versen ist bey uns am wenigsten in den Schwang gekommen. Doch findet man in den Schriften unserer Dichter hin und wieder ganz daktylische Gedichte; und wenigstens haben sie viel Arien von dieser Art gemachet. Außer Günthern wüßte ich fast keinen, der ein etwas langes von dieser Art verfertiget hätte. Gleichwohl ist auch dieses eigentlich nicht daktylisch zu nennen, weil es vorn eine überflüßige Syllbe hat, daraus denn wirklich die amphibrachische Gattung entsteht; wie oben bereits erinnert worden. Buchner hat diese Art gar zu den anapästischen rechnen wollen, wozu sie aber eine Syllbe zu wenig haben. Herr M. Pantke in Schlesien hat vor etlichen Jahren eine ganz daktylische Ode auf den König in Preußen gemachet, die sehr wohl klinget. S. das Neueste etc.

26 §. Die eigentlichen oder fallenden Daktylen, sind nämlich Verse, die mit einer langen Syllbe anfangen, worauf zwo kurze folgen, auf welche er gleichsam zu fallen scheint. Man kann dergleichen Verse von allerley Länge machen, und folgende Zeichen stellen die möglichen Arten derselben vor.


– ∪ ∪ | –

– ∪ ∪ | – ∪

– ∪ ∪ | – ∪ ∪ | –

– ∪ ∪ | – ∪ ∪ | – ∪ |

– ∪ ∪ | – ∪ ∪ | – ∪ ∪ | –

– ∪ ∪ | – ∪ ∪ | – ∪ ∪ | – ∪ |

– ∪ ∪ | – ∪ ∪ | – ∪ ∪ | – ∪ |

– ∪ ∪ | – ∪ ∪ | – ∪ ∪ | –


Ungetreu | seyn

Schimpfet die | Liebe;

Störet die | zärtliche | Pein

Heftig ent|zündeter | Triebe.

Wollen Ver|liebte be|standiger | seyn,

Können sie | tausendmal | besser em|pfinden, |

Wie sich die | edelsten | Herzen ver|binden, |

Wenn sie sich | niemals dem | Wankelmuth | weihn.


27 §. Längere daktylische Zeilen, als diese sind, werden bey unsern Dichtern nicht leicht gefunden: wenigstens kann ich mich nicht besinnen, welche gelesen zu haben. Will man nun dieselben gut und fließend machen, wie es ihre Natur [731] erfodert: so muß man sich ja wohl in acht nehmen, daß man nicht ausdrücklich und unstreitig lange Syllben kurz brauche. Denn das verderbet alle Anmuth, und hemmet den hurtigen Lauf dieser flüchtigen Versart. Hier sind nun sonderlich die zusammengesetzten Wörter zu vermeiden, als großmüthig, mordsüchtig, blutdürstig, u.d.gl. So hat z.E. Hannemann bey Opitzens Poeterey, p. 206 gefehlet, wenn er das Wort Mordwürger mit unterlaufen läßt:


Aber was ängstet dieß bleiche Gesichte,

Welches an diesem Mordwürger sich findt etc.


28 §. Der zweyte Fehler, der bey solchen Versen zu vermeiden ist, das sind die tändelnden Wortspiele, womit einige Pegnitzschäfer vormals ihre Gedichte auszuputzen meynten. Ja nicht allein sie, sondern auch andere Dichter hatten sich damit anstecken lassen: wie denn eben der angeführte Hannemann am angeführten Orte, in der ersten Strophe seines pindarischen Liedes, so tändelnd mit dem Sterben gespielet hat:


Alle wir Sterbliche fürchten das Sterben;

Und der unsterbliche sterbliche Tod

Schrecket, als brächt er das höchste Verderben,

Und den ganz äußersten Jammer und Noth etc.

Wozu soll ein solches Geklingel, wenn man nicht Kindern damit gefallen will?

IV Abschnitt.


Von amphibrachischen Versen.


29 §. Was die steigenden Daktylen, oder die eigentlichen amphibrachischen Verse anlanget: so ist bey denselben weiter nichts zu bemerken, als daß dieselbe, vorn noch eine kurze Syllbe haben müssen. Wenn es gleich an neuern Beyspielen nicht fehlet: so will ich doch aus eben dem Hannemann [732] folgendes hersetzen; welches mir zu einem Paar Anmerkungen Anlaß giebt.


∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪

Nun Gottes | Barmherzig | keit Güte | und Treue

Ist morgens | und abends | und alle|zeit neue,

Und Gnade | und Güte, | die reichen | so ferne,

Bis über | den Himmel | und über | die Sterne etc.


Hier merke man 1) die Ausdehnung des Wortesneue, für neu, als eine unzuläßige Freyheit an, die sich die Alten noch nahmen. Sodann vermeide man 2), sowohl in diesen, als allen andern Gattungen der Verse, den Zusammenlauf eines e am Ende mit einem folgenden Selbstlaute: wie hier z.E. Güte und; imgleichen Gnade und, zeigen. Denn ob wir gleich mit den andern Selbstlautern mehr den Griechen, als den Römern folgen: so ist doch das kurze e am Ende sehr geneigt, mit den folgenden Selbstlautern zusammen zu fließen. Endlich 3) ist hier das Wörtchen die, nach Güte und Gnade überflüßig, und bloß zur Anfüllung des Syllbenmaaßes gebrauchet, welches die Franzosen einen Füllstein (CHÉVILLE) nennen.

30 §. Was von den daktylischen Versen, und ihren kurzen und längern Arten gesaget worden, das gilt auch von diesen amphibrachischen. Sie können einfüßig, zwey, drey und vierfüßig seyn. In unsern Dichtern findet man unzählige Beyspiele davon, ja mehr als von den rechten daktylischen. Sie klingen auch sehr gut und lustig in der Musik, bey Arien, in Cantaten und Serenaten. Man sehe nur der deutschen Gesellschaft Oden und Cantaten, imgleichen meine Gedichte nach, wo viele dergleichen vorkommen. Auch in den Poesien der Niedersachsen sind sie nicht selten. Von größern Gedichten berufe ich mich abermal auf Günthers Gedicht aus dem Johannes Secundus; welches so anhebt:


∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪

Da hast du | die Zeugen | vom ewi|gen Bunde!

Da kömmt sie, da ist sie, die selige Stunde! u.s.w.


[733] V Abschnitt.


Von anapästischen Versen.


31 §. Die zweyte Art der sogenannten Daktylen, das sind die wirklichen Anapästen, die nicht eine, sondern zwo kurze Syllben im Anfange haben. Diese sind nicht sehr häufig bey unsern Poeten zu finden; vermuthlich, weil es schwer fällt, ganz vorne zwo kurze Syllben in einem Worte anzutreffen. Ich nehme das Exempel aus Omeisens Dichtkunst.


∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪

Gute Nacht, | gute Nacht! | ruhet wohl | bis zum Ta|ge!

Ruhet sanft, | ruhet wohl, | ohne Scheu, | ohne Pla|ge!


Denn die Stammsyllbe der Beywörter und Zeitwörter ist allemal lang, wie ich oben bereits gelehret habe. Doch gesetzt, daß die erste Syllbe eines solchen Verses etwas lang geriethe, so würde es, nach Art der Alten, auch nicht verwerflich seyn, mit einer langen Syllbe oder einem kretischen Fuße anzufangen.


– ∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪

Unverzagt | in Gefahr, | ist die Lo|sung der Hel|den!

Weitgefehlt, daß er zittre, so bebet er nicht.


Es kann ebenfalls theils kürzere, theils längere Arten davon geben, wie bey den obigen. Wer in unsern, sonderlich musikalischen Dichtern blättern will, wird sie schon hin und wieder antreffen.


32 §. So viel ist nöthig gewesen, von den gewöhnlichen Versarten der Deutschen zu sagen. Was die vielen Veränderungen der Strophen, und die verschiedenen Arten der Gedichte betrifft, die in jambischen, trochäischen und daktylischen Versen gemachet werden können: so gehören die in keine Prosodie, sondern in die Dichtkunst selbst. Diese [734] muß lehren, wie man gute Fabeln, Lieder, Schäfergedichte, Elegien, Briefe, Satiren, Lust- Trauer- und Hirtenspiele, Romane, und endlich Heldengedichte machen müsse 4. Ja selbst von Madrigalen, Sonnetten, Cantaten, Serenaten und Opern muß daselbst gehandelt werden: denn alle diese Stücke kommen nicht auf die Scansion und den Reim; sondern auf ganz innerliche und wesentlichere Stücke an. Man kann davon, nebst andern Anleitungen zur Dichtkunst, auch meine kritische Dichtkunst, zumal nach der neuesten Ausgabe des 1751sten Jahres, nachsehen.

Fußnoten

1 Freylich in seiner Susanna, die er 1536 gemachet, hat er die Abschnitte noch auf keiner festen unveränderlichen Stelle beobachtet. In der Vorrede machet er sie mehrentheils nach dem zweyten Fuße; weil der Vers nicht mehr, als fünf Füße hat; z.E.

Ihr Herren hochs || und niedern Stands zugleiche,

Alt oder jung || gewaltig arm und reiche.

So jemand sich || verwundert und gedächte etc.

Doch bleibt er nicht allemal dabey, sondern hat ihn zuweilen auch im halben dritten, und nach dem ganzen dritten Fuße angebracht. Allein, in seiner Klage des armen Mannes, die er etliche Jahre hernach geschrieben, ist er viel genauer bey dem Muster der Alten geblieben.

2 Der sel. Secretär Kopp hat einen Versuch gemachet, das Trauerspiel Alzire in diese Versart zu übersetzen. Allein, er hat damit weder Beyfall noch Nachfolger gefunden. Es scheint nämlich, als wenn die tragische Langsamkeit der Aussprache, einen so langen Vers nicht leiden wollte. Der Schauspieler hat selten Athem genug, ihn mit gehöriger Stärke auszusprechen; daher die Alten im Trauerspiele sie niemals gebrauchet haben. In der Komödie aber wird alles schneller ausgesprochen; ja in kurzen Reden ist auch ein halber Vers schon genug.

3 Und daher hat der Herr Baron von Schönaich sehr wohl gethan, daß er seinen Hermann in dieser prächtigen Art des Syllbenmaaßes abgefasset. Ganz Deutschland liest dieses treffliche Heldengedicht mit Vergnügen, zumal nachdem die II Auflage davon erschienen, die der Herr Verfasser noch mehr ausgeputzet und verbessert hat. Hier herrschet die Reinigkeit und Schönheit der Sprache, mit der Stärke der Gedanken, und einer edlen patriotischen Gesinnung, um die Wette. Es hat der Herr Baron auch bereits Nachfolger darinn gefunden. Neulich hat auch Hr. Consist. R. Schwarz Voltairens Henriade so verdeutschet.

4 Besieh den Gerhard Johann Vossius DE ARTE GRAMMAT. LIB. II. P. 312. und für junge Anfänger dienen meine Vorübungen der lat. und deutschen Dichtkunst; zumal nach der neuesten Ausgabe.

Das VI Hauptstück
Das VI Hauptstück.
Von den ungewöhnlichem Arten der Gedichte

1 §.


Der berühmte Reimmann, hat im Anfange dieses Jahrhunderts, POESIN GERMANORUM CANONICAM ET APOCRYPHAM geschrieben: und unter dieser letztern Abtheilung verschiedene neue Versarten in Vorschlag gebracht. Von diesen will ich aber in diesem Capitel nicht handeln: weil sie nicht den geringsten Beyfall in Deutschland gefunden haben 1. Eben so wenig werde ich von Bilderreimen, Sechstinnen, Akrostichen, Chronostichen, Logogryphen, Irreimen, Endreimen, Ringelreimen, Widerhällen, Buchstabenwechseln, Cabbalistischen und Räthelversen Regeln geben. Dieser poetische Unrath ist bey der Aufklärung der wahren Dichtkunst ganz verworfen worden. Vielmehr werde ich von einigen griechischen und lateinischen Versarten reden, die in Deutschland auf die Bahne gebracht worden.

2 §. Der erste, der dergleichen im Deutschen versuchet hat, ist Conrad Geßner gewesen. In seinem Mithridates, auf [736] dem Blatte der neuern Auflage, die Waser 1610 geliefert hat, gesteht er; daß er es einmal versuchet habe, deutsche Hexa meter zu machen; bekennet aber auch, daß es ihm nicht recht gelungen. Wir wollen doch hören, wie es geklungen hat.


– – – – – – – – – ∪ ∪ – –

Es macht | allei|nig der | Glaub die | Gleubige | sälig,

Vnd darzu fruchtbar zur Lieb': vnd gütige Herzen,

Allweg im menschen schafft er: kein müsse by jmm ist,

Vnd kein nachlassen nienen: er würket in allen

Rechtgschaffnen gmüten alls guts vnd übrige Freundschafft.

Doch schrybt er nichts imm selber zu; sunder er eignet

Dem Herren Gott vnd siner gnad alle die eere,

Durch Jesum Christum, Gott und mensch unseren Herren 2.


Wem das nicht recht gefällt, der höre, ob das Vater Unser besser klappet; dem ich das Syllbenmaaß vorsetzen will:


– – – – – – – – – ∪ ∪ – ∪

O va|ter vn|ser der | du dyn | eewige | wohnung

Erhöchst inn himlen: dyn namen werde geheilget,

Zukum uns dyn rych: dyn will der thue beschähen,

Vff erd, als in himmeln. Vnsere tägliche narung,

Heer, gib vns hüt; vnd verzych vns vnsere schulde,

Wie wir verzychend jedem, der bleidigen vns thut.

Für vns in kein versuchnußyn (hilff one dynen.)

Sunder vom bösen erlöß vns, gnädiger Heer Gott.


3 §. Man sieht leicht, daß die schwerfällige Zürcher-Mundart diesen ehrlichen Mann, und wohlmeynenden Patrioten mehr, als die Natur der Sache selbst, gehindert, etwas taugliches zu machen. Dazu ist aber auch das Vorurtheil gekommen, daß man im Deutschen die Länge der Syllben nach den [737] griechischen und lateinischen Regeln der Prosodie bestimmen müsse. Diese Schwierigkeit nun hat ihn gequälet, und genöthiget, manche Syllbe lang zu machen, die doch im Sprechen kurz ist, und umgekehret. Ja er hat es nicht einmal recht beobachtet. Z.E. in der letzten Zeile machet er die letzte Syllbe in bösen lang, obgleich ein Selbstlaut darauf folget: wie er auch in gib uns, das gib vorm Selbstlaute für lang gerechnet hat. Er sieht aber solches selbst wohl ein, und fodert deswegen mehrere Freyheit und Nachsicht im Deutschen 3.

4 §. Aus seinen Worten wird man sehen, daß er selbst gestehen, oder doch vermuthen müssen: die deutsche Prosodie müsse nach dem Accente der Aussprache gehen, nicht aber nach lateinischen Regeln. So urtheilet Hannemann 4, (a.d. 124 S.) von dem wackern Geßner, der gewiß zum Ausputzen des Deutschen nicht gebohren war: wie man aus den entsetzlichen Freyheiten wohl sieht, die er sich genommen: z.E. hilf one dynen, d.i. ohne deine Hülfe. Des thue beschähen, u.d.m. zu geschweigen. Eben das hat auch Abraham van der Myle von seiner niederdeutschen Sprache beobachtet, ja ihr deswegen einen Vorzug beygeleget 5.

[738] 5 §. So ernsthaft jener finstre Schweizer bey der Sache zu Werke gegangen, so spaßhaft und possierlich griff kurz darauf der bekannte Lustigmacher,Johann Fischart in seinem Elloboscleros, oder verdeutschten Pantagruel, das Ding an. Diese närrische Übersetzung kam 1580, und 1617 zum zweytenmale heraus, und hier gab dieser seltsame Kopf im II Hauptstücke folgendergestalt sein Bedenken, von dieser neuen Versart im Deutschen, zu vernehmen: Darauf folgen nun, heißt es, die Manserliche oder Wisartische (pischartischen) sechshupfigte Reymen, Wörterdäntzelung und Silbensteltzung. Aber es ist nur der Anfang davon; das ander ist verzuckt worden: da denket ihr ihm nach, wie es zugangen sey:


Far sitiglich, sittiglich, halt ein mein wutiges Gemühte,

Laß dich versicheren die kluge himmlische güte;

Daß du nit frefelich ohngefähr fährst auf hohem Sande

[739] Und schaffest ohne bedacht dem Wisart ewige schande,

Dann jagen zu hitzlich nach Ehr und ewigem Preise,

Die jaget ein offtermal zu sehr in spöttliche weise.

Sintemal wir reimenweiß vnterstan ein vngepflegts Dinge,

Das auch die teutsche Sprach süßiglich wie Griechische springe etc. etc.


Wie dieser zweyte Erzvater seine sechshupfigte Wörterdänzelung, und Syllbensteltzung ausgesprochen oder scandiret haben mag, das überlassen wir seinen heutigen Nachahmern auszuspähen. Soviel ist gewiß, daß es nach allen Regeln des griechischen und lateinischen Syllbenmaaßes sehr kahl damit aussieht; und leibhaftig scheint, als ob bey dieser ganzen Versart in Deutschland, sich von jeher gar kein Segen habe zeigen wollen.

6 §. War nun der erste Patriarch ein Schweizer, der zweyte ein Frank, oder Rheinländer: so fehlte nun noch der dritte, nämlich ein Bayer, der das Seine auch dazu thäte; und die Sache also zur Vollkommenheit brächte. Dieser ehrliche Mann war an Händen und Füßen zum Krüppel geworden, und gerieth in diesem elenden Zustande, auf die Gedanken, die deutschen Verse hexametermäßig tanzen zu lehren. Er wußte von seinen Vorgängern nichts: und wer konnte von einem Advocaten solches begehren? Gleichwohl wagte ers, sein Heil zu versuchen, und eine seiner Meynung nach, ganz unerhörte Neuigkeit aufzubringen, auch allen Schulmännern dadurch zum Beyspiele zu dienen. Wie wenig Eindruck aber sein Exempel gemachet habe, ist daraus leicht abzunehmen, daß er in mehr als 100 Jahren keinen einzigen Nachfolger bekommen: ja seine Schrift selbst ist sogar verschwunden, daß sie auch den fleißigsten Sammlern solcher Seltenheiten unsichtbar geblieben. Da sie mir aber vor kurzem in die Hände gefallen; so daß ich sie auch im Neuesten aus der anmuthigen Gel. im XI B.a.d. 17 u.f.S. ganz mittheilen können: so will ich auch hier eine Probe davon geben. Es ist der 104te Psalm, in teutsche Hexameter, oder Heroicum Carmen versetzt etc. Durch [740] D. Emeran Eisenbeck, Advocat und Rathgeber etc. Regensp. 1617.


Ich will | lobsin|gen, Gott, | meinem | gütigen | Herren

und meinem Schöpfer, mein Seel soll herrliche Thatten

Von Gott erzehlen, der die ganz Erde gegründet,

und sie ganz kräfftig thut nehrn, und mächtig erhalten.

Ganz Majestätisch bist, Gott, voll treflicher Ehren

und Würden. Dein Kleyd glentzt hell, als güldene Füttich,

und ist schön, zierlich, prächtig, wie köstliche Perlen,

versetzt in Silber, von danne fahren in allen

Umbkreiß, viel stralen, Liecht, als die heyttere Sonne.


7 §. Wie schlecht es also vor Opitzen mit diesen Hexametern bey uns ausgesehen, sieht ein jeder. Nun hat zwar auch Buchner a.d. 145sten Seite s. Anleitung zur deutschen Poeterey seine Meynung davon dergestalt erkläret 6: daß man gar wohl sehen kann, daß er sie nicht völlig für möglich gehalten. Allein, theils haben einige neuere Versuche z.E. Sigmunds von Birken, (in s. Prosodie, p. 31. 32) des Heräus, u.a.m. gewiesen, daß die Sache so schwer und unmöglich nicht ist; theils hat Omeis in seiner Dichtkunst der Sache, auch durch sein Ansehen, noch einen mehrern Ausschlag gegeben. Dieser merket an, daß D. Luther in seiner Bibel, ohne es vieleicht selbst zu wissen, einen richtigen Hexameter gemachet:


Und Isa|ak scher|zet mit | seinem | Weibe Re|becka;

setzet auch selbst eine Probe davon:

– – – ∪ ∪ – – – ∪ ∪

Was ein | menschliches | Herz | | von | innen und |

– ∪ ∪ – –

außen be|trübet,

Werde durch | Gottes Ge|walt | | künftig und | itzo ver|jagt!

Was ihr | redet und | thut, | | das | werde von | beyden be|liebet,

Bis der | Tod zu|gleich | | Beyden das | Leben ver|sagt | 7.


[741] Heräus aber machet ausdrücklich an Kaiser Karl den VI ein Gedicht in Hexametern und Pentametern, dessen Anfang so lautet:


– ∪ ∪ – ∪ ∪ – – – ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪

Mächtigster | Herrscher der | Welt! vom | Himmel die | Völker zu | richten,

– ∪ ∪ – ∪ ∪ – – ∪ ∪ – ∪ ∪ –

Einig er|wähleter | Fürst, | unüber|windlicher | Held,

Gönne der eifrigen Pflicht dieß nimmer gesehene Dichten,

Von nicht gesehenem Ruhm, welchen dein Adler erhält.

Zeiget der Friede, der Krieg, durch tapfre Beschützung der Rechte,

Thaten vom älteren Rom, Zeiten von güldenem Schein etc.


[742] 8 §. Da nun dieß die wahre Beschaffenheit der Sachen ist: so dörfen wir uns doch eben durch diese mislungene Versuche, von den Hexametern nicht ganz abschrecken lassen. Sie könnten und müßten allerdings viel besser klingen, wenn man der Natur der deutschen Aussprache folgen, und darnach scandiren wollte. In meiner Dichtkunst habe ich im XII Cap. des I Th. bessere Exempel davon gegeben, indem ich theils das Vater Unser in fließendere Hexameter gesetzet, theils ein Stück von der Ilias mitgetheilet. Wie nun diese Proben in der That nicht unrecht klingen; obgleich die erste Hälfte des letzten Pentameters ein wenig zu matt gerathen ist: also haben sich auch, nach der in meiner kritischen Dichtkunst gegebenen Anleitung, unlängst einige Dichter daran gemachet, und ziemlich große heroische deutsche Gedichte, und zwar sonder Reime verfertiget.

9 §. Diese haben sich nun nicht, wie Heräus, daran gebunden, daß sie im Anfange immer zween Daktylen, in der Mitte einen Spondäus, und sodann wieder zweene Daktylen mit einem Spondäus, oder Trochäus gebrauchet: wie folgende Zeichen zeigen:


– ∪ ∪|– ∪ ∪|– –|– ∪ ∪|– ∪ ∪|– –|


Denn wenn alle Zeilen, und selbst die Pentameter auch wieder vier Daktylen haben: so wird die Ähnlichkeit aller Verse zu groß; und das heroische Syllbenmaaß verliert die vielfältige Mannichfaltigkeit, die ihm so vortheilhaft, und dem Dichter so bequem ist. Sondern sie haben sich genauer an das lateinische Muster gehalten: wo man in den ersten vier Stellen eine völlige Freyheit hat, Daktylen oder Spondäen zu brauchen.


– ∪ ∪|– ∪ ∪|– ∪ ∪|– ∪ ∪|– ∪ ∪|– ∪

– –| – –| – –| – –| |– –


Es wäre nur zu wünschen, daß einige neue Versuche dieser Art, nicht noch durch einen gar zu schwülstigen Inhalt, und [743] entsetzliche undeutsche Ausdrückungen, dieser Versart großen Abbruch gethan hätten 8.

10 §. Die zweyte Art lateinischer Verse, die bereits im Deutschen versuchet worden, sind die phaläcischen oder Hendekasyllaben: und auch hierinn hatConrad Geßner die Bahne brechen wollen. Sein Vater Unser klingt darinnen so undeutsch:


– – – ∪ ∪ – – – ∪ – ∪

Herr Gott | Vatter in | himmlen, | eewig, | einig,

Dyn nam | werde ge|heili|get, ge|ehret,

Dyn reich | komme ge|nädig|klich be|gär ich etc.


Doch weil solches dieser Versart eine schlechte Liebe erwerben würde: so sehe man, wie viel besser sie imOmeis klinget.


Du mein | Vaterland | | das du | warst ge|wesen,

Mit so | mancherley | | Jammer | ange|füllet,

Bist durch | göttliche | Gnade | nun ge|nesen,

Alles | Trauren und | Elend | ist ge|stillet.

Wo man deutlich sieht, daß das Syllbenmaaß folgendergestalt eingerichtet ist.

| | | | |–∪|
|––|–∪∪|– ∪|–∪|––|

[744] Wollte sich nun ein besserer Dichter daran machen: so könnte vieleicht mit der Zeit diese Versart mehrere Liebhaber finden.

11 §. Daß man adonische Verse im Deutschen machen könne, wird niemanden Wunder nehmen, wer nur bedenket, daß das Ende eines Hexameters allemal ein adonischer Vers ist. Sie sehen so aus, und folgende Probe wird sie zeigen:


|– ∪ ∪|– ∪|

Schüler der Tugend,
Artige Jugend,
Soll man dich lieben,
Mache den Anfang,
Andre zu ehren,
Andre zu lieben.
Suche den Leuten
Erst zu gefallen;
Dann sey bemühet,
Sie zu vergnügen,
Ihnen zu dienen,
Immer von allen
Gutes zu sprechen,
Alles zu rühmen,
Was sie beginnen.
Dergestalt hoffe,
Daß sich die Herzen
Endlich bequemen,
Wieder zu lieben.
Dieß sind die Seile,
Herzen zu fangen;
Seelen zu zwingen.

Längere Beyspiele sehe man in meiner krit. Dichtkunst. Es kömmt aber auf ein gutes Gehör an, daß man keine lange Syllbe kurz brauche; sonst fällt alle Anmuth weg.

12 §. Die sapphischen Gedichte sind die dritte Art der alten Verse, die man bey uns mit gutem Fortgange versuchet hat. Ihr Syllbenmaaß sieht so aus:


– ∪|– –|– ∪ ∪|– ∪|– ∪|


und nach dreyen solchen Zeilen, folgt ein adonischer, zum Schlusse der Strophe. Wir haben an dem bekannten Paßionsliede: Herzliebster Jesu etc. längst ein solches Muster gehabt 9; ich will aber aus dem Klajus dieses hersetzen:


Welche | Regen|wolke hat | dich ver|stecket?

Hast du | dich mit | Trauerflor | über|decket?

Deiner | Schwester | silberbe|zäumte | Pferde

Leuchten der | Erde.


[745] In den Belustigungen des Verstandes und Witzes steht ein Exempel vom s.M. Pitschel, welches sehr gut gerathen seyn würde, wenn es nicht den Daktylus, aus der dritten Stelle in die zweyte gesetzet hätte.

13 §. Alkäische Verse hat Omeis auch schon versuchet, und folgendes Exempel davon gegeben:


– – ∪ – – – ∪ ∪ – ∪ ∪

Ihr Ve|nusbrüder, | fahret nur | immerhin |

Von derer Freundschaft kömmet mir kein Gewinn.


Die zwo Zeilen aber, die er noch hinzusetzet, sind von anderer Art, weswegen ich sie weglasse. Vieleicht könnten diese und alle folgende Arten auch im Deutschen ihre besondere Anmuth bekommen: wenn nur unsere Tonkünstler zu solchen Oden Singweisen setzen könnten, dadurch dieß Syllbenmaaß gehoben und empfindlicher würde: anstatt daß sie itzo insgemein durch ihre Noten den wahren Wohlklang der Verse verderben und unkenntlich machen.

14 §. Chorijambische hat eben der Omeis gemachet; die von verschiedener Länge seyn können, nachdem sie aus einem, zweenen, oder dreyen solchen Füßen bestehen. Es ist aber der Chorijambus ein zusammengesetzter Fuß, der aus einem Trochäus und Jambus besteht –∪∪–; und solche Verse sehen so aus:


– – – ∪ ∪ – – ∪ ∪ – ∪ –

Ich er|götze mich selbst | lieber im küh|len Wein

Eh ich | einem von euch | wollte beschwer|lich seyn.


[746] Wollte man es aber Anfängern leichter machen, so dörfte man die Abtheilung der Füße nur auf Daktylen bringen, und den Abschnitt nach der übrigen Syllbe machen:


– – – ∪∪ – – ∪∪ – ∪ –

MECÆ | NAS, ATA | VIS | | EDITE | REGIBUS


Und so würde er wie ein Pentameter aussehen, dem nur die letzte Syllbe fehlete.

15 §. Von anakreontischen Versen zu reden, ist gar nicht nöthig; denn diese sind entweder kurze jambische oder trochäische, von welchen es kein Zweifel ist, ob wir sie machen können 10: sonderlich nachdem wir den ganzen Anakreon; und recht glückliche Nachahmungen desselben, deutsch haben. Die scazontischen Verse sind auch nichts besonders, da sie mit den sechsfüßigen Jamben so sehr übereinkommen. Es kömmt nur auf den sechsten Fuß an, der ein Spondäus seyn muß: welches sehr leicht zu machen, auch von vielen geschehen ist, ohne daß sie daran gedacht haben.

16 §. Bey allen diesen Versarten aber ist zu merken, daß die Musik eines verständigen Componisten ihnen billig das rechte Leben geben könnte; wenn er einer jeden kurzen Syllbe eine kurze, jeder langen aber eine lange Note geben möchte. Aber diese Kunst ist unsern gemeinen Notenkünstlern zu hoch; bis sich einmal einer finden wird, welcher diesen rechten Gesang der Alten, der der Natur so gemäß, und dem Gehöre so angenehm ist, erreichen kann 11. Dieses hatVoßius in seinem Tractate, DE POEMATUM CANTU gewünschet: und ich habe bemerket, daß unsere alten Musikmeister vor hundert [747] Jahren, es weit besser, als viele heutige beobachtet haben 12; daher auch die alten Gesangweisen der Kirchenlieder viel rührender sind, als die neuern. Mehrere Arten von Versen nach dem lateinischen und griechischen Syllbenmaaße, sieh in meinen Vorübungen der lateinischen und deutschen Dichtkunst, nach der letzten Ausgabe.


Ende der Sprachkunst. [748]

Fußnoten
Note:

1 Indem ich dieses durchgehe, fällt mir eine neue Übersetzung der horazischen Oden in die Hände, die nur itzo die Presse verlassen hat. Der Übersetzer, M. Lange, wirft sich darinnen zu einem andern Reimmann auf, und will uns aus Vermischung der Jamben, Trochäen und Daktylen in einer und derselben Zeile, unzählige neue Arten des Syllbenmaaßes machen lehren; die aber so fremde klingen, als ob man lauter Prosa läse. Das werden also NUMERI INNUMERI, die, wo ich mich nicht sehr irre, wenig Nachfolger finden werden. Wieviel besser ist nicht die neueste Dollmetschung Horazens, die 1756 ans Licht zu treten angefangen?

Note:

2 Man muß hier mit einiger Verwunderung bemerken, daß der ehrliche Zürcher fast alle deutsche Syllben für lang gehalten. Denn außer dem fünften Fuße bestehen seine Hexameter aus lauter Spondäen. Ob wohl dieß nun, nach einer schweren Zürcher-Zunge, vieleicht so geklungen haben mag: so ist es doch nach unserer Landschaften Aussprache viel zu träge und melancholisch, wenn man so reden wollte. Wie konnte nun ein solcher hölzerner Versuch einen Beyfall finden?

Note:

3 Seine Worte sind: METRA ET HOMŒOTELEVT A MULTI SCRIBUNT: CARMINA IN QUIBUS SYLLABARUM QUANTITAS OBSERVETUR, NEMO. NOS ALIQUANDO ID CONATI SUMUS, SED PARUM FELICITER, HISCE VERSIBUS HEXAMETRIS. – – IN OMNIBUS HISCE VERSIBUS PEDES OMNES SPONDÆI SUNT, QUINTO EXCEPTO DACTYLO. NEQUE FIERI FACILE AUT COMMODE POSSE OPINOR, UT ALIBI ETIAM, NISI FORTE PRIMO LOCO DACTYLUS COLLOCETUR. ADMITTENDA ET LICENTIA QUÆDAM FORET, PRÆTER VULGAREM LOQUENDI USUM, NON MINUS, SED AMPLIUS FORTE, QUAM GRÆCIS ET LATINIS. NOSTRÆ QUIDEM LINGUÆ ASPERITATEM, CONSONANTIUM, ETIAM IN EADEM DICTIONE, MULTITUDO AUGET, QUÆ NULLO SÆPE VOCALIUM INTERVENTU EMOLLITUR. Z.E. wenn errechtgschaffnen gmüten und b'leidigen schreibt. Aber fodert das die deutsche Aussprache nothwendig?

Note:

4 »Ein sonst gelehrter Mann (heißt es) will haben, daß man unsere Reime nach den lateinischen Regeln richten sollte: wie er denn dergleichen sechsfüßige, oder Hexametros gemachet; die aber, so man sie nach den lateinischen Regeln erwegen sollte, nicht übereinstimmen sollten; wie du selbst urtheilen kannst, aus folgenden. – – – Ich halte aber dafür, daß sowohl in unserer, als in der französischen Sprache, allein der Accent zu nehmen sey. Es Versuchs einer, und nehme eine Art lateinischer Verse vor sich. Wo die Regeln eine lange Syllbe haben wollen, setze er eine mit dem Accent; wo sie eine kurze fodern hingegen, eine ohne Accent. Und damit ichs recht sage, er setze nur eine mit dem Accente, wo eine lange erfodert wird; – – – wenn dieses geschehen, wird er nicht nur befinden, daß die Verse lieblich und besser fließen: sondern daß sie auch dem Lateinischen näher kommen, als wenn er sie nach den lateinischen Regeln verfertiget.«

Note:

5 ETSI LEGES POESIS BELGICÆ DIFFICILIORES SUNT, QUAM GRÆCÆ ET LATINÆ: NAM CÆSURÆ ACCURATIOR DEBET ESSE IN CARMINE BELGICO OBSERVATIO, UT ET QUANTITATIS: ACCENTUM ENIM NON CURANT GRÆCI ET LATINI EO LOCO, UBI SYLLABA LONGA REQUIRITUR: SAT HABENT, SI AD LEGES ALIAS QUANTITATEM SUAM SERVENT. AT INCONCINNUM IN BELGIO PRORSUS, NISI ACCENTUS SIT, UBI LONGA REQUIRITUR, NIHILQUE AUREM BONI POETÆ BELGICI OFFENDIT MAGIS. IN ACCENTUS TAMEN DECORO CONSISTIT PRÆCIPUA CARMINIS VIRTUS ET ELEGANTIA; IS FACIT, UT MOLLIUS FLUAT, UT GENUINA SIT MODULATIO; AB ACCENTU EST CARMEN, ET QUIDAM QUASI CANTUS. Und sonder Zweifel ist es vormals in Griechenland und Rom eben so gewesen.

Note:

6 »Über diese Arten aber haben sich auch etliche unterfangen, heroische, sapphische und andere dergleichen Arten, nach der Lateiner und Griechen Satzungen einzurennen, und zu schreiben – – Nun sind wir nicht diejenigen, so anderer Arbeit tadeln oder geringschätzig achten wollen; wir loben sie vielmehr, und preisen ihren Vorsatz, in welchem sie unsere Muttersprache bereichern und erhöhen wollen. Doch halten wir dafür, solches ohne Reime zu thun, sey unserer deutschen; vermittelst aber der Reime solch Werk zu verrichten, sey der lateinischen Art zuwider. Überdieß sey es auch schwer, so hinaus zu führen, daß die Verse wohl liefen. Doch hat ein jeder sein eigenes Belieben, und will ich hierüber niemanden etwas vorschreiben.«

Note:

7 In diesen beyden Proben sind verschiedene falsche Syllben mit untergelaufen; die man in einem reinen Hexameter nicht dulden kann. Das I, in Isaak ist so wenig kurz, als Und recht lang ist. Das et in scherzet ist so wenig lang, als es grammatisch richtig ist; denn es sollte scherzte, heißen. Mit ist auch keine lange Syllbe. In Omeisens Exempel ist gleich die erste Syllbe was nicht lang; ein gleichfalls, als ein Artikel, sollte kurz gebrauchet seyn. Von ist auch kurz, hier aber lang gebrauchet. Der Pentameter ist gut. Was ihr, sind beyde kurz, so wie das in der Mitte. Und bis der, nebst zu in zugleich sind auch übel für lang genommen. DesHeräus Exempel ist viel besser.

Note:

8 Ein jeder wird mich verstehen, daß ich von den neuen biblischen, oder etlichen scherzhaften Epopöen rede, die durch ihre Verwegenheit in Erdichtungen sowohl, als durch die Freyheit, wider alle Regeln der Sprache zu sündigen; als endlich durch die Unwissenheit in den Regeln der Hexameter, und große Vernachläßigung des gehörigen Tonmaaßes der Syllben, und alles Wohlklanges überhaupt, den Namen der wurmsamischen Verse bekommen haben. S. das Neueste aus der anmuth. Gel. des 1751sten Jahres, Winterm. Hornung, und Lenzmond: und vom Wurmsamen den November des vorigen 1751sten und Ostermond des 1752sten Jahres. Auch das Gedicht auf die Trüffeln, welches ich im Neuesten aus der anmuth. Gel. eingerücket, ist für eine gute satirische Verspottung der heutigen Hexameter anzusehen.

Note:

9 Wiewohl auch nur aus dem gröbsten. Denn die zweyte Syllbe lieb, die recht kurz seyn sollte, ist hier lang. Die vierte su, in Jesu, sollte lang seyn, und ist kurz; wie man in Jesu deine tiefe Wunden sehen kann u.s.w. Ein neuer Dichter hat uns unter dem Namen einer sapphischen Ode, eine Misgeburt gegeben, die in allen langen Zeilen eine Syllbe zu wenig hat, und bloß für trochäisch anzusehen ist.

Note:

10 Ich habe zuerst die Proben gegeben, daß man Anakreons Oden in gleichvielen Zeilen, und in eben der Versart geben könne. S. die kritischen Beyträge, und meiner Ged. I Auflage, imgleichen des Aufsehers I Theil. Hernach fanden sich erst deutsche Nachahmungen, und endlich auch in Übersetzer des ganzen Anakreons.

Note:

11 Wer davon ausführlicher belehret seyn will, sehe den XVII Band der MEMOIRES der franz. Acad. DES BELLES LETTRES, a.d. 107 u.f.S. nach. Daselbst steht eine gelehrte Abhandlung des Herrn Bürette über die Theorie der alten Musik, in Vergleichung der neuern. Man findet darinn nicht nur die Quantität, oder das Zeitmaaß der langen und kurzen Syllben in der griechischen und lateinischen Sprache erläutert; sondern auch die verschiedenen Versarten der alten, als heroische, Elegien, Pherekratische, Daktylische, Adonische, reine jambische, glykonische, asklepiadische und alkaische, sowohl größere, als kleinere, mit ihren gehörigen Noten und Tonmaaßen in Kupfer gestochen. In deren Ermangelung sehe man den IV Band des Neuesten aus der Anmuth. Gel. von 1754 a.d. 255 u.f.S. oder folgende Proben:

Note:

12 Meine Freundinn und Gehülfinn wollte solches in ihrer Geschichte der lyrischen Dichtkunst der Deutschen, dazu sie seit etlichen Jahren den Stoff gesammlet hatte, und die längst zum Drucke fertig lag, aufs deutlichste darthun: Allein, leider! kurz vor ihrem Tode hat sie ihr ganzes Msct davon, aus Verdruß über die Säumniß des Verlegers, ohne mein Wissen, den Flammen aufgeopfert.

I Anhang

Nachricht
Nachricht.

Diese Abhandlung ist zuerst im 1728sten Jahre aufgesetzet, und damals bey der Nachricht von der hiesigen deutschen Gesellschaft ans Licht getreten. Vor einiger Zeit kam sie auf Begehren einiger gelehrten Patrioten in Wien, vermehrter heraus. Bey der dritten Ausgabe meiner Sprachkunst aber habe ich sie nochmals übersehen, und wünsche, daß sie zur völligen Bestärkung der guten Partey, und zur Überzeugung der Gegner dienen möge. Auch in der vierten Auflage habe ich sie nochmals übersehen, und vermehret.

[752]
Einleitung
Einleitung.

So klein auch die Zahl derer ist, die ihre Muttersprache aus dem Grunde verstehen, und sich im Reden und Schreiben mehr nach den Regeln einer gesunden Kritik, als nach dem gemeinen Gebrauche, richten: so ungezweifelt ist es, daß sich doch noch einige finden, die wegen des Wortes Deutsch, gern eine Gewißheit hätten, wie man dasselbe recht buchstabiren oder schreiben müsse? Es kann niemanden unbekannt seyn, wie uneinig die deutsche Nation in diesem Stücke ist. Einige schreiben Deutsch, andere aberTeutsch: und obwohl die meisten hierinnen, ohne alle Untersuchung, der bloßen Gewohnheit ihres Ortes, und den Vorschriften ihrer ersten Lehrmeister folgen; auch von ihrer einmal beliebten Art keine Rechenschaft zu geben wissen: so trifft man doch hier und dar auch Sprachverständige an, die ihre Meynungen, von beyden Theilen, mit guten Gründen zu erweisen suchen. Noch vor wenig Jahren, haben ein Paar gelehrte und berühmte Männer in Hamburg, einen freundlichen Streit darüber gehabt; und uns denselben, im zweyten Theile der niedersächsischen Poesien, bekannt gemachet. Eben dadurch hat jede Partey einen Verfechter von vieler Einsicht bekommen: und es würde schwer seyn zu sagen, zu welcher von bey den man sich schlagen sollte; wenn man mehr auf das Ansehen und den Ruhm der Streitenden, als auf die Sache selbst, zu sehen hätte. Wie aber die Wahrheit allezeit den Vorzug behalten muß: also muß es auch in diesem Stücke einem jeden freystehen, die Gründe beyder Meynungen zu untersuchen, und alsdann diejenige zu wählen, die er, seiner Einsicht nach, für die sicherste hält. Wer dieses thut, wird in einer so gleichgültigen Sache, und die fast nur eine Kleinigkeit zu nennen [753] ist, vermuthlich keinen grammatischen Bann verdienen. Ich selbst besorge also nicht, daß man mich für einen orthographischen Kätzer schelten werde, wenn ich mir itzo vorsetze, zu behaupten:


Daß man Deutsch, und nicht Teutsch, schreiben müsse.


In der Rechtschreibung muß man alle zweifelhafte Fragen, aus einem dreyfachen Grunde zu entscheiden suchen: nämlich aus der Abstammung, aus derAussprache, und aus der Gewohnheit. Z.E. Wenn es sich fraget: Ob man Gebirg oder Gebürge schreiben solle? so zieht man billig das erstere vor; weil es von dem Stammworte Berg hergeleitet wird; dessen e sich wohl in ein i, aber nicht in ü verwandeln kann. Wenn man wissen will, ob manKönig oder Künig schreiben solle? so wird man heutiges Tages in ganz Deutschland, der Aussprache halber, dem ersten den Vorzug geben: ungeachtet viele Alten, z.E. Pfinzing im Theuerdank, es auf die letztere Weise geschrieben haben. Verlanget man endlich eine Ursache, warum man frey, sey, Geschrey, am Ende mit einem y buchstabire? so wird wohl nichts anders, als die alte Gewohnheit, zur Richtschnure dienen können. Gesetzt nun, ich könnte in der vorhabenden Frage darthun: daß man durch alle drey erwähnte orthographische Regeln veranlasset würde, Deutsch und nichtTeutsch zu schreiben: so hätte ich, meines Erachtens, einen dreyfachen Beweis, meine nunmehr erwählte Art zu rechtfertigen. Ich will sehen, wie weit ichs darinnen bringen werde.

[754]
Erster Abschnitt
Erster Abschnitt,
darinn der Beweis geführet wird,
I. Die Abstammung lehre uns Deutsch, und nicht Teutsch, schreiben.

Das Wort Deutsch kömmt ohne Zweifel von THEOTISC her: wie solches in unsern ältesten Schriften, die noch vorhanden sind, vorkömmt. Dieses aber stammet vermuthlich von dem noch ältern THUISCON, THUIT, THEUT, als dem Gotte oder Stammvater der Deutschen her 1. Da sehe ich nun zwar, bey dem überall so einhällig vorkommenden T, noch wenig vortheilhaftes für meine Meynung: allein, ich will es bald finden. Das TH der Alten hat sonder Zweifel in der damaligen Aussprache, mehr Verwandschaft mit unserm D, als mit dem T, gehabt. Denn hätte das beygefügte H den harten Buchstab T nicht ein wenig gelinder gemachet; warum hätte man denselben wohl hinzugefüget? Sogar das griechische Θεος ist im Lateinischen durch DEUS, und also ein TH durch ein D ausgedrücket worden: woraus man schon im Griechischen und Lateinischen die Gleichgültigkeit dieser Buchstaben dem Klange nach, abnehmen kann. An die heutige Aussprache dieser bey den Buchstaben hat man sich nicht sonderlich zu kehren: weil man in Obersachsen das Th mehrentheils wie ein schlechtes T ausspricht. Die Engländer aber, als Abkömmlinge der alten Angelsachsen, zeigen uns noch einige Spuren, wie man es vorzeiten ausgesprochen habe. Der berühmte D. Wallis saget ausdrücklich, in dem vierten Abschnitte seiner engländischen Grammatik, wo er von der Aussprache handelt: daß das TH einen gelinden Klang habe, der mit dem [755] D verwandt sey; und zwar in den Vorwörtern, Beziehungs- und Verbindungswörtern. Er giebt die Exempel THOU du, THEE dir, THY dein, THINE deine, THEE dich, THIS dieß, THAT daß, THESE diese, THOSE diese, THEY Sie, THEM denen, THEIR deren, THERE dar, THENCE dannen, THITHER daher, WITHER, EITHER, WHETHER, NETHER, THOUGH doch, ALTHOUGH. Ja auch in den Nennwörtern und Hauptwörtern, als: FATHER, MOTHER, BROTHER, LEATHER, WEATHER, FEATHER, SMOOTH, NEATHER, SEETHE, WREATHE, BREATHE, BEQUEATH, BLOTHE hat solches statt. Und es ist gewiß, daß ein deutsches Ohr, in der engländischen Aussprache aller dieser Wörter, fast nichts anders, als ein einfaches, oder doppeltes D hören kann; Fäder, Moder, Brodder, Ledder, Wedder, Fedder etc. Es ist wahr, daß es auch andere Wörter giebt, darinnen das TH mit einem gewissen Zischen, fast wie ein S ausgesprochen wird: allein, dieses ist ohne Zweifel etwas neuers, welches eben deswegen im Engländischen nicht hat allgemein werden können; weil es der alten angelsächsischen Aussprache nicht gemäß gewesen, und der Zunge weit beschwerlicher gefallen, als der obige gelindere Ton. Gesetzt aber, es wäre auch alt: so wurde es doch weder meinen Gegnern helfen, noch mir schaden. Und ich halte also dafür, daß das alte TH in dem Worte THEOTISC, THEUT, THIUT, heut zu Tage weit besser durch D, als durch T, ausgedrücket werde.

Ich bestätige diesen Satz durch eine große Menge solcher Wörter, darinnen die Verwandelung des alten TH in ein neues D ganz unstreitig und augenscheinlich geschehen ist. Wir schreiben ja jetzo in ganz Deutschland Dienen, Degen, Ding, Dorf, Dörfen, Darben, Durst, Edel, u.d.gl. imgleichen der, die, das, des, den, du, da, dar, u.s.f. Die alten Franken und Allemannen aber schrieben THIENAN, THEGAN, THING, THORF, THURSTAN, THARFAN, THYRST, ETHEL, eben so auch THER, THIU, THAZ, THES, THEN, THU, THO, THAR, u.s.f. Ein Paar Proben werden die Sache vollkommen [756] ins Licht setzen. Ottfried schreibt von dem Geschlechtsregister Mariä in des 1 B. 3 C.


Thin thritta ZUAHTA thaNANA.

Thaz UUARUN EDIL theGANA. (Degen) d.i.


Die dritte Zucht darnach,

Das waren edle Ritter.


Tatian imgleichen, der fast zu eben der Zeit geschrieben, XXI.6. Ther BRUT HABET, ther IST BRUTIGOMO. d.i. Der eine Braut hat, der ist Bräutigam. Und abermal Ottfried im 3 B. 25 Cap.


Thaz SI GISUNT thesSELBO FOLK

Thuruh thes EINEN MANNES DOLK.

das ist:

Daß sie gesund (machen) desselben Volk

Durch des einen Mannes Wunde.


Und wiederum Tatian LXV,1. Tho BIGONDA ITIUUIZON then BURGIN; d.i. Da begonnte er zu schelten die Städte. Im INDICE VERELII steht THING, THORP, ein Ding, ein Dorf. Im GLOSSARIO LIPSIANO liest man INNERON thinGON. In der CATECHESI THEOTISCA, die Herr Eccard herausgegeben, und die aus dem IXten Jahrhunderte ist, steht diese Erklärung in der vierten Bitte, a.d. 62 S. ALLOMANNES thurFTI SINTUN IN themO BROTES NAMEN GAMENITO, therO ER CItheseMO ANTUERDEN LIBE BEtharf: das ist: Aller Menschen Nothdurft ist in des Brotes Namen gemeynet, deren man zu diesem gegenwärtigen Leben bedarf. Das Wort Dieb heißt in dem Evangelio des Bischofes Ulfila auf Gothisch THIUBS, auf Fränkisch und Alemannisch THIOB, auf Angelsächsisch THEOF; und in der CATECH. THEOTISCA heißt der Diebstahl THIUBHEIT. Hier sieht man die große Übereinstimmung der alten Mundarten der Deutschen, [757] in dem Gebrauche des TH, wo wir heutiges Tages D schreiben. Und man bemerke nur zugleich, daß jene drey große Nationen, ich meyne Gothen, Alemannen und Franken, der heutigen hochdeutschen; die Angelsachsen aber der heutigen niedersächsischen Sprache näher kommen; indem ja das THIUB und THIOF dem obersächsischenDieb; das angelsächsische THEOF aber, dem plattdeutschen Deef so sehr nahe kömmt: als welches uns in dem folgenden nützlich seyn wird. Ja wer weis denn endlich nicht, daß dasjenige Land, welches die Alten Döringen, und Düringen schrieben, heutiges Tages Thüringen geschrieben wird: zu einem deutlichen Zeichen, daß D und Th gleichviel gelten. Da nun in so vielen Wörtern das TH, darinnen die alten Mundarten der deutschen Völker so einstimmig gewesen, in neuern Zeiten in ein D verwandelt worden: so ist es ja überaus billig, auch das alte Wort Theotisc nicht Teutsch, sondern Deutsch zu schreiben.

Doch man beruft sich hier auf den Tacitus, der unsere Vorfahren allemal TEUTONES, nicht aber DEUTONES genennet. Man vermuthet nämlich, dieser große Geschichtschreiber werde es wohl aus dem damaligen Klange der Wörter gehöret haben: ob man das TH zu seiner Zeit hart oder weich ausgesprochen habe? Dieser Einwurf aber scheint mir von keiner sonderlichen Wichtigkeit zu seyn. Tacitus war ein Ausländer, der das Deutsche nicht verstund. Aber was glaubet ein solcher nicht zuweilen zu hören? Hernach hat er ja auch einer deutschen Göttinn HERTHA, einer SILVA HERCINIA, eines ARMINII, u.d.m. gedacht. Wäre nun seine Schreibart untrüglich, und müßten wir uns darnach richten: warum schreiben wir denn nicht an statt Erde, Hertha; an statt Harzwald, Herzwald; und für Herrmann, Armin? Hätte er den Namen der Deutschen von deutschen Lippen so genau aussprechen gehöret, und so treulich aufgezeichnet: so würde er es auch in den andern Wörtern so gemachet haben. Hat er nicht auch eine deutsche Alrune, AURINIA genennet; und aus einem Ehrenvest, [758] ARIOVIST, aus einem Sieg viel, CIVILIS, aus Gottwald aber CATUALDUS gemachet? Wer sieht aber aus diesen Exempeln nicht, wie ungewiß es ist, sich in der Rechtschreibung eines einheimischen Wortes, auf das Zeugniß eines Ausländers zu berufen? Fremde Ohren hören zuweilen in unserer Aussprache etwas, welches wir doch nicht sagen. Wer spricht wohl unter uns in dem Worte Welcher ein i aus? oder wer höret dasselbe, indem es andere aussprechen? Und doch dünket es einen Franzosen, daß er es zwischen dem l und ch ganz deutlich höre und aussprechen müsse: wie ich solches selbst von gebohrnen Parisern mehr als einmal vernommen habe. Tacitus kann also in diesem Falle, weder ein glaubwürdiges Zeugniß von der Aussprache der alten Deutschen ablegen; noch ein solcher untrüglicher Richter seyn, nach dessen Aussprache die Rechtschreibung unserer Wörter nothwendig einzurichten wäre. Kurz, ich werde mich nicht eher bereden lassen, das Deutsche mit einem T zu schreiben, bis meine Gegner sich auch in dem Worte Erde, wo Tacitus Th gesetzet, dieses harten Buchstabens bedienen, oder anstatt Ehrenvest, Ariovist, schreiben werden.

2. Die Aussprache lehret Deutsch, und nicht Teutsch schreiben.

Ich komme zur zweyten orthographischen Regel, daß man sich in der Rechtschreibung nach der Aussprache und dem Gehöre richten müsse. Sonst wird dieser Grundsatz nur alsdann gebrauchet, wenn man aus der Abstammung des Wortes nichts rechtes bestimmen kann: allein, es ist desto besser, daß ich in der vorhabenden Frage, mich auch dieses Grundes, zur Bestätigung meiner Meynung, bedienen kann. In Schlesien, im Brandenburgischen, in Preußen, Pommern, Meklenburg, Hollstein, Lüneburg, Magdeburg, Halberstadt, Braunschweig, [759] Hannover, Westphalen und Ostfriesland, ja auch wohl im Mannsfeldischen und Anhältischen, spricht kein Mensch teutsch, sondern alle deutsch. Ich berufe mich deswegen auf diese Provinzen, weil ihre Aussprache so zärtlich ist, daß man den Unterschied von D und T ganz deutlich darinnen wahrnehmen kann. Die andere Hälfte von Deutschland unterscheidet diesen Buchstab so genau nicht, sondern verwechselt entweder einen mit dem andern; oder trifft doch ein solches Mittel zwischen beyden, daß ein anderer nicht hören kann, ob es ein D oder T gewesen sey? Z.E. wer höret in Oberdeutschland wohl in den Wörtern, dumm und dichten, ob es ein hartes T, oder ein weiches D, wie man hier spricht, gewesen? Eben dieses wiederfährt den hochdeutschen Provinzen in dem B und P, indem sie z.E. das Wort Bauer fast wie Pauer, und das WortPracht wie Bracht aussprechen; des einfachen und doppelten S nicht zu gedenken, da sie z.E. reisen und reißen, preisen und Preußen, durch die Aussprache gar nicht unterscheiden können. Das Wort drucken gehöret auch hieher: daher man es in alten oberländischen Büchern allemal mit t findet,trucken, getruckt, die Truckerey. Folglich haben die Einwohner der mittäglichen Landschaften von Deutschland, in Entscheidung dieser Frage, der Aussprache nach, von rechtswegen gar keine Stimme.

Allein, zu allem Glücke brauchen wir dieselbe nicht. Genug, daß uns die Niedersachsen, fast wider ihren Willen, mit ihrer Aussprache zu statten kommen. Philipp von Zesen schrieb einendeutschen, nicht teutschen, Helikon, der 1561 zu Wittenb. herauskam. M. Jac. Stolterfoth gab Luc. Ann. Senecä Büchlein von der göttl. Providenz ins Deutsche übergesetzet, zu Lübeck, 1642. Oswald Beling hat Virgils Hirtenlieder zu Schleswig 1649 verdeutschet, nicht verteutscht. Eben so hat M. Christian Haberland zu Lübeck 1659 dieselben Hirtenlieder in Deutsch versetzet. Philomusens verdeutschter Sueton, ist 1664 zu Kopenhagen gedruckt, und P. TERENTII sechs Freuden-Spiele sind 1670, zu [760] Hamburg, in die hochdeutsche Sprach übersetzet worden. Barth. Feind, endlich, dessen Gedichte in Stade 1707 gedrucket sind; und F. Fabricius, dessen Poesien in Stettin herausgekommen, waren auch ohne Zweifel niedersächsische Poeten: doch haben sie uns deutsche, nicht aberteutsche Gedichte geliefert; weil sie nämlich ihrer Aussprache gefolget sind. Und da wir noch von den Hochdeutschen die meisten Schlesier, und einen guten Theil der Obersachsen, auf unserer Seite haben, eines Theiles der Rheinländer nicht zu gedenken: so ist es wohl außer Zweifel, daß unsere Meynung durch die Aussprache vollkommen erwiesen sey.

Es ist hiebey auch nicht aus der Acht zu lassen, daß selbst unsere Nachbarn, deren Sprachen für Schwestern, oder gar für Töchter der Deutschen anzusehen sind, sich für das D. erkläret haben. Die Holländer schreiben unsern Namen Duytsch, und die Engländer nennen eben die Niederländer, THE DUTCHMEN: ohne Zweifel, weil der Laut ihrer Aussprache es so mit sich bringt. So sehr sie also in andern Stücken von der heutigen oberdeutschen Sprache abweichen: so helfen sie uns doch die rechte Kraft und den eigentlichen Ton des alten TH in THEOTISC bestimmen und bestätigen. Nur die einzigen Dänen gehen von diesen westlichen Nachbarn ab: denn die Redlichkeit erfodert es, auch das anzuführen, was wider mich ist. Sie nennen uns de Tydske. Ich ersehe dieses aus Thomas Clitaus Tagebuche, über den gefährlichen weitaussehenden grammatikalischen und orthographischen Krieg, der 1742 zu Copenhagen in 4 herausgekommen. Imgleichen steht auf dem Titel meiner ins Dänische übersetzten Weltweisheit, die 1742 eben daselbst ans Licht getreten: Skreven paa Tydsk, d.i. geschrieben auf deutsch. Allein, diese Ausnahme wird von der Wichtigkeit schwerlich seyn, alles obige über einen Haufen zu stoßen. Es mag nun herkommen, woher es will, daß uns die Dänen so nennen: so wird es uns so wenig irre machen, als, daß uns die Polen NIEMEC nennen. Hernach hat die dänische Sprache auch in andern Wörtern, wo wir unstreitig ein d [761] brauchen, die Alten aber ein TH setzten, ein T. Z.E. der Dritte, heißt dänischden tredie, ein Diener aber Tiener, dürftig,torfftig, dulden, tole, eine Dirne, Terne, u.d.m. Wir sehen also, daß diese harte nordische Aussprache uns nicht berechtigen kann, ihrem Exempel im Hochdeutschen zu folgen.

3. Die Gewohnheit bestätigt eben diese Schreibart.

Zum dritten ist noch die Gewohnheit im Schreiben übrig, die gleichfalls einen Grund in der Orthographie abgiebt, wenn man die Frage nicht anders entscheiden kann. Ich will zum Überflusse, auch diesen zu Hülfe nehmen, meine Meynung zu bestärken; ungeachtet ich ihn, nach dem, was bereits gesaget worden, gar nicht nöthig hätte. Man gesteht es von der andern Partey selbst; daß vor und nach Luthers Zeiten, das D in Obersachsen gebräuchlich gewesen, und daß man es allererst vor dreyßig Jahren auszumustern angefangen: wiewohl dieses letztere der strengsten Wahrheit nicht gemäß ist. Ist dem also, wie es denn in der That nicht älter, als das weiche D, ist: was hätten denn die Deutschen für Ursachen, von einer so wohl hergebrachten Gewohnheit abzuweichen? Alle Bibeln, die von dem sel. Luther selbst herausgegeben worden, sindDeutsch und nicht Teutsch, übersetzet: und nach seinem Tode ist man ihm darinnen, nicht nur in allen neuern Auflagen derselben, sondern auch in andern Schriften gefolget. Ich mag die Herren Gottesgelehrten nicht anführen, die in deutscher Sprache nach ihm geschrieben haben: denn man möchte sie vieleicht für keine Sprachverständige gelten lassen.

Ich berufe mich also 1) auf die besten und meisten Poeten unsers Vaterlandes. Da finde ich nun, daß von den ältern, die nämlich nicht mehr am Leben sind,Opitz, Dach, Tscherning, Derschau, Kindermann, Kongehl, Hoffmannswaldau, Gryphius, Lohenstein, Besser, Neukirch, [762] Rothe, Weise, Feind, Fabricius u.a.m. von denen aber, die (1730) noch leben, Hofr. Pietsch, Philander von der Linde, Joh. Hübner, Benj. Schmolk, Sen. Scharf, und andere mehr, Deutsch und nicht Teutsch, geschrieben haben. An Benj. Neukirchen wird man vieleicht einige Unbeständigkeit wahrgenommen haben: allein, es ist genug, daß er nicht völlig auf der Partey meiner Gegner ist; indem er theils in Lohensteins Arminius, theils in den Theilen der Hof mannswaldauischen Gedichte, die er herausgegeben, das D. dem T. vorgezogen hat. Nichts wollte ich lieber, als daß ich auch den Herrn vonKanitz zu meiner Partey rechnen könnte. Allein, da er seine Gedichte niemals selbst herausgegeben: so kann man nicht wissen, wie er eigentlich das Wortdeutsch geschrieben habe.

2) Beruffe ich mich auf eine Anzahl, zum Theile viel älterer prosaischen Scribenten, die das d dem t vorgezogen haben. Dahin gehören


Instituten, ein warer vrsprung vnd fundament des Keyserl. rechtens, von dem hochgelerten Thomam Murner etc. verdeütscht, in 4to ohne Ort. (vermuthlich zu Basel) 1520.

Caij Julij Cesaris, des großmechtigen ersten Römischen Keysers Historien etc. übersetzet von Philesius. Gedruckt zu Maynz bey Joh. Schöffer, in Fol. 1530. Hier heißt es in der Vorrede:


Julius Cesar binn ich genannt,

Durch sondre mannheyt weit bekannt.

Die Gallier ich bestritten hab,

Die Deutschen offt getrieben ab.


Des hochgelörtesten philosophen, Xenophontis Commentarien etc. durch Herrn Hieron. Boner auß dem Latein inns Theütsch gebracht. Fol. Augsp. bey Hainrich Stainer. 1540. Hier merke man das alte Th; aus Thuiscon.

Spiegel des menschlichen Lebens. Die Tafel Cebetis etc. verdeudscht durch Ge. Wicelium. Mentz, druckts Franc. Behem. 8vo 1545.

SAXONIA. Beschreibung der Ankunft, Sitten, Regiment, Religion, Policeyen etc. der Sachsen etc. durch Al bertum Krantz. Itzt zum ersten mall trewlich verdeutscht. Leipzigk. bey M. Ernesto Vögelein. Fol. 1563.

[763] HOMERI ODISSEA ETC. Verdeutscht durch M. Simon Mineruium. Franckf. a.M. bey Johannem Schmidt. 8vo 1570.

Regentenbuch auffs fleissigst und herrlichst jetzt von newem vbersehen etc. vnd letzlich in vnser Deudsche Sprach versetzt, durch Georgium Lauterbecken. Fol. 1572.

P. RAMI DIALECTICA verdeutscht durch FRIDERIC BEURHUSIUM in 8vo 1587.

S. AUGUSTINI Buch, SOLILOQUIORUM ANIMÆ AD DEUM ETC. Verdeudscht durch Heinr. Räteln zu Sagan. Witenb. 8, 1589.

DE CONSERVANDA VALETUDINE. Das ist, von Erhaltung menschlicher gesundheit etc. Itzt gantz trewlich verdeutscht, durch JOH. VUITTICHIUM VINARIENSEM. Leipzig bey Vögelin, in 4TO 1594.

Chronica DITHMARI Bischoffs zu Marßburg etc. alles zum theil jetzo erst verdeutschet durch GEORGIUM Hahn. Leipz. bey Henningi Grossens Erben. Fol. 1606.

VIRGILII MARONIS zwölff Bücher: Item das Buch Maphei von dem thewren Helden ÆNEA. Jehna durch Joh. Weidnern, 8vo 1606. Hier steht in der Vorrede: Nachdem die Eneadische Bücher Virgilii vor viel Jahren, von einem gelehrten Manne ver deutschet, vnd ausgangen etc.

Griechischer Sprach Vbung, Ins Deutsche gebracht, zur Lehr-Art. Cöthen in 8vo. 1620.

Der gülden Esel. Ein schöne History von dem Esel Lu ciani etc. Magdeb. bey Joh. Francken 8vo 1620. Hier heißt es in der Vorrede: Nun bin ich offt gebeten worden, dasselb lateinische Gedicht weiter auch in vnsere Deutsche Sprach zu bringen etc. Der Autor heißt Niclas von Weile.

PUBLII TERENTII, Sechs Frewdenspiel, in gute, reine, vbliche, Deutsche Sprache versetzet etc. Durch MICH. Meisterum, ZITTAVIENSEM LUSATIUM. Magdeb. 8vo 1623.

PROSODIA GERMANICA, oder von der deutschen Poeterey etc. durch Martin Opit zen. Wittenb. bey Rothen. in 8vo 1638.

Andr. Heinr. Bucholtz verdeutschtes Odenbuch Q. HORATII FLACCI. Rinteln an der Weser. in 8vo 1639.

Die deutsche Rechtschreibung, durch den Ordnen den. Halle in 8vo 1645.

Zehen auserlesene Hirten-Lieder Marons etc. in deutsche Reime übersetzet etc. Halle in 8vo 1648.

PHILOMUSEN verdeutschter SUETON ETC. Kopenhagen, in 8vo 1664.

IGNATII Episteln oder Brieffe etc. verdeutscht durch C.D.V.B. 8vo 1693.


[764] So wenig nun dieses diejenigen Bücher alle sind, die ich für meine Meynung anführen könnte: so wenig begehre ich zu läugnen, daß eine weit größere Menge der widrigen Schreibart beygefallen ist. Allein, was für Schriftsteller waren es, die das T dem D vorzogen? Solche, die es auch in trucken, tichten,tumm, u.d.m. allemal braucheten; darinn ihnen gewiß niemand nachfolget. Denn insgemein heißt es auf den Titeln derer in Oberdeutschland, um die Donau, den Rhein und den Mäyn gedruckten Bücher,Getruckt etc. noch nie also getruckt; odergetichtet, u.d.m. Was beweist nun dieß gegen uns? Manche sind auch mit sich selbst nicht eins, und setzen bald d, bald t, weil ihre Aussprache ungewiß war.

Von neuern prosaischen Scribenten, die meiner Meynung beypflichten, will ich nur den sel. ProfessorKrausen aus Wittenberg anführen, der gewiß von allen Kennern, für einen Meister in seiner Muttersprache gehalten wird. Dieser hat nämlich, sowohl in seinen gelehrten Zeitungen, als in andern Schriften allezeit gewiesen, daß er sich von der wohlgegründeten Gewohnheit seiner Landesleute, der berühmtesten Schlesier, niemals abwendig machen lassen. Eben dahin muß ich unsern Just. Gotthard Rabenern, und Prof. Christ. Gottl. Jöchern zählen: welche gleichfalls, und zwar als gebohrne Leipziger, in dendeutschen ACTIS ERUDITORUM, allezeit diese Schreibart beliebet haben. Und wie groß würde nicht dieses Verzeichniß noch werden, wenn ich noch alle übrige gelehrte Männer namhaft machen wollte, die in neuern Zeiten, ich meyne seit 1730, dieser Seite beygetreten sind?

Neuer Beweis.
Die alten deutschen Handschriften bestätigen auch das D.

Man kann nämlich diesen, aus gedruckten Büchern hergenommenen Beweis, noch merklich bestärken; wenn man auf alte deutsche Handschriften sehen will, die lange vor [765] Erfindung der Buchdruckerkunst geschrieben worden. Hier wird man finden, daß die allermeisten sich des D, und nicht des T bedienet haben. Aus einer großen Menge itzt nur etliche anzuführen: so ist in Heinrichs von Veldecke verdeutschter Äneis Virgils, die im XII Jahrhunderte geschrieben worden, als Kaiser Friedrich I oderBarbarossa regierte, im Schlusse folgendes zu lesen:


Nu sulle wir enden das Buch

Iz duchte den meister genug

Der iz uz der walische kette

In Dützsche herz uns lerte (nicht tütsche)

Das was von Veldecken Heinrich.


Das MSt. davon ist auf der Hochfl. Gothaischen Bibliothek, und aus dem XIV Jahrhunderte.


Eben so schrieb Thomassin von Verrere, in seinem großen poetischen Werke, welches erder wälsche Gast nannte. Er lebete zu den Zeiten Kaisers Friedrichs des II im XIII Jahrhunderte, und war aus dem Friaul gebürtig; aber so lange in Deutschland gewesen, daß er ein deutsches Gedicht machen konnte. Doch entschuldiget er sich in der Vorrede, wegen seiner Fehler im Deutschen:


Darum so bitte ich alle Kind

Stunt von ir gewissen mute

Vnd von jrm synn vnd von jrm gute

Daß sie es alles lassen one rache

Wes mir gepriestet an der sprache

Ob ich in dewtsche misse spriche (nicht teutsche)

Es en soll nicht dunken wunderliche

Wan ich vil jar ein Walich bin

Man wird es an meiner dewtsche in

Ich bin von vriul geporen etc.


Auch dieses Mspt. ist auf Pergament sehr sauber geschrieben, und mit vielen Figuren gezieret, auf der Herzogl. Goth. Bibliothek: wiewohl ich auch selbst eine etwas neuere Abschrift davon habe, die doch einerley Rechtschreibung beobachtet.

[766] Eben so schrieb in eben dem XIII Jahrh. Johann von München, in seiner Geschichte der Kaiser und der Päpste. Bald nach dem Anfange heißt es:


Herr Got nu pis meiner Sinn ler

Daz ich Heinrich von Payrlant

Der sich nicht anders hat genant

Wan von Münichen auz der stat

Der ditz puch geticht hat

In Däwtsch do er hub an (nicht Täwtsch)

Mit chranken sinnen sunder wan.

Und bald darauf heißt es vom Jul. Cäsar:

Den santen Römer da

Mit einem her in däutschen lant (nicht teutschen)

Daz er die twung in ir Hant.


Nicht anders hat im folgenden XIV Jahrhunderte, der berühmte Verfasser des so genannten Renners, Hugo von Trymberg, oder vonTrienberg im Frankenlande, wie ihn andere nennen, geschrieben. Ein altes Mspt. aus der Pauliner Bibliothek zu Leipzig, das im 1312 Jahre geschrieben worden, hat ausdrücklich im Anfange:


Vor hat ich syben büchelyn

In düczch ghemacht vnd czu latin.

Und gegen das Ende heißt es:

Wer dützch wyl eben tychten

Der muz syn hercze richten

Vf mangerley sprache

Wer wenet, daz die von ache

Reden also dy francken

Dem sullen die müse dancken.


Noch ein anderer Dichter um diese Zeit, der von den Körpern der heil. drey Könige geschrieben, welche vom Kaiser Friedrichen dem I aus Mayland gen Köln gebracht worden, [767] schreibt ebenfalls das Deutsche mit einem weichen D. Das MST. ist auf der Königl. Dresdner Bibliothek, in eben dem Bande, darinn das Heldengedicht auf Karl den Großen, und der Ritter Tristrand befindlich ist, und welches im 1433sten Jahre geschrieben worden. Es heißt darinnen gegen das Ende:


Da ich das den vrauwin wislich ted

Do sprachen sie daz es mir getromet het

Das solde ich so war machin

Mit listiclichen sachin

Vnd wil senden die dry Hern

Der zcu gnadin vnd zcu errn

Hin zcu Kolne uff den ryn

Dar die dütschen vmmer sin etc.


In Bayern schrieb man um eben die Zeiten nicht anders. Denn D. Johann Hartlieb, Herzog Albrechts zu Bayern Leibarzt, schreibt in der Vorrede zu seiner verdeutschten Geschichte von Alexandern dem Großen also:


So hat der hochgeporn und durchleichtig furst Herzog Albrecht, Herzog in Bairn, Phaltzgraue pei rein und graue zw Voburg, auch sein Durchleichtigs gemahl Fraw, Fraw Anna geborn von prawnsweig nicht vnpillig an mich meister Johannsen Hartlieb, Doctor der ertzenej vnd naturliche Kunstes, Irn vndertan pegert, das Puch des grossen Alexanders zu deitsche machen etc.


Die Abschrift, die ich von diesem Buche selbst besitze, ist 1472 gemachet; und hat dem Vincentius Schiefer, weiland Mautnern zu Ibs, gehöret.


Bey solcher Einstimmung des XII, XIII, XIV und XV Jahrhunderts nun, und zwar unter lauter Schriftstellern des obern Deutschlandes, kann man ja keinen Zweifel tragen: daß dieses die eingeführteste und gemeinste Art zu sprechen und zu schreiben gewesen, in die sich das ottfriedische THEOTISC, [768] nach der deutschen Mundart, allmählich verwandelt hat. Und giebt es gleich einige alte Handschriften, worinnen auch das T vorkömmt: so sind freylich nicht alle Schreiber gleich aufmerksam, und fleißig gewesen. Und wenigstens zeigen die wenigen angeführten, daß das D in dem Namen der Deutschen gar keine Neuerung der plattdeutschen Buchdrucker sey, die nach ihrer niedersächsischen Aussprache ein x für ein u gesetzet hätten. Fürwahr, man muß gar keine alte geschriebene Denkmäler gesehen haben, wenn man sich mit einer solchen kahlen Ausflucht behelfen will; und sich damit auszukommen getrauet.

Zweyter Abschnitt
Zweyter Abschnitt.
Beantwortung der Einwürfe.

Wider dieses alles sehe ich nur zween Einwürfe vorher. Zuerst spricht man, die Rechtschreibung D. Luthers könne uns keinen Beweisgrund abgeben: weil er vieleicht aus Übereilung und Nachläßigkeit die Sache nicht untersuchet; sondern unbedachtsamer Weise ein D geschrieben, da er doch ein T hätte schreiben sollen. Ich antworte: gesetzt, er hätte diese Frage nicht untersuchet, so zeiget seine Rechtschreibung doch, was zu seiner Zeit im Schwange gegangen; und was er selbst, zum wenigsten dem Gehöre nach, für recht gehalten. Wo man aber bloß auf den Gebrauch, und auf die Gewohnheit sieht; da ist dieses schon Beweises genug.

Es ist aber ganz falsch, daß Luther in seiner Sprache so unachtsam gewesen. Er war ein größerer Sprachverständiger und Kritikus, als mancher denket: und man hat in verschiedenen kleinen Schriften und Vorreden genugsame Proben davon. Er hat sich in seiner Schreibart, von 1517 an, bis an seinen Tod 1546 sehr merklich gebessert: wie ich aus etlichen 100 AUTOGRAPHIS von allen diesen Jahren, die ich in Händen habe, erweisen kann. Gleichwohl hat er das D im Deutschen [769] bis an sein Ende behalten. Als er die Bibel übersetzte, hatte er gewiß vielfältige Gelegenheit, tausend solche Kleinigkeiten zu überlegen und zu untersuchen; daran er sonst nicht würde gedacht haben, und daran niemand denket, als wer viel schreiben muß, und doch gern recht schreiben wollte. Man lese nur seinen Brief vom Dolmetschen, so wird man sattsam von seinem Fleiße überzeuget werden.

Was aber seine kritische Einsicht in dieselbe, und zwar insbesondere bey der Rechtschreibung des Wortes Deutsch anbetrifft, so erhellet dieselbe aus seinem kleinen Tractate, den er von den eigenen Namen der Deutschen, und ihrer Herleitung von alten Stammwörtern geschrieben hat. Er zeiget daselbst in zwölf Capiteln, daß alle Namen, die sich auf olf oderulf, auf brenn oder bryn, auf rich, auf wick und wich, auf walt, auf win, auf öd, auf man oder mund, auf werd, auf rat, auf hart endigen; und außer diesen endlich, noch viele andere, deutscher Abkunft und Bedeutung sind.

Unter andern aber kömmt er auch in dem dritten Capitel, bey Gelegenheit des Namens Dietrich, mit auf das Wort deutsch. Ich muß seine Worte selbst hersetzen; doch will ich sie der Kürze halber gleich verdeutschen. »Dietrich heißt auf griechisch Theodoricus, und kömmt von Deud oder Düd mit einem pythagorischen y, oder holländischen ü; mit welchem Namen die Deutschen sollen Gott benennet haben. Die Geschichtschreiber setzen es auch mit einem T, Teut. Allein, die noch itzo fortwährende Aussprache zeuget, daß man Deud, oder Düd sagen müsse; obgleich Cäsar selbst allezeit ein T schreibt, wo er aus dem Munde der Deutschen ein D aussprechen gehöret; wie wir unten sehen werden. Von diesem Deud nun heißen Germanier,Deudische, und in sächsischer Mundart Düdische, mit einem y oder ü. Denn in allen dergleichen Wörtern muß man auf die sächsische Mundart sehen, der sich vor Zeiten ganz Deutschland bedienet hat. So haben denn die Deutschen ihren Namen [770] von Gott hergenommen, 2 den sie Deud oder Düd genennet haben: wie nachmals ihre Nachkommen sichGoten, von Got genennet; den noch heut zu Tage eben die Gothen, nämlich Dänen, Schweden etc.Gud nennen. Aber ganz Deutschland saget Gott: denn die Gothen sind Deutsche gewesen. Weil aber sowohl Got als gut, mit einem langen Tone gesprochen wird; so ist es geschehen, daß die Geschichtschreiber sie mit dem Doppellaute ä Gäten benennet haben. Gut aber heißt gütig, fromm. Daher erhellet, dieses Wort sey aus dem Hebräischen hergeflossen, wo דוד död einen Anverwandten, Freund und Liebhaber bedeutet. Dergestalt haben die alten Deutschen und ersten Väter derselben, Gott ihren Död, das ist, Freund, Liebhaber und Anverwandten nennen wollen: wie ihn die Israeliten ihren Baal, das ist, Herrn, Bräutigam, oder Ehemann nenneten. Allein, auch das griechische θεος THEOS klinget so gar anders nicht, als Diud, oder Düdisch; wenn man es ausspricht, wie Teuds oder Teutsch. Es ist auch kein Zweifel, daß das lateinische DEUS von dem griechischen THEOS herkomme: sie mögen nun das TH durch D entweder mit einem Raphe, oder mit einem Dagesch, haben bezeichnen wollen. Denn einige lindern das T durch TH, andere durch D: so gar genau sind die harten, mit einem Hauche versehenen, und mittlern Buchstaben mit einander verwandt.«

In den folgenden Worten setzet er noch mehr Exempel hin zu, daraus denn erhellet: wie die Ausländer gern anstatt des D. ein T. zu setzen pflegen, wenn sie einen deutschen Namen schreiben. Z.E. TOTILA ist auf deutsch nichts anders, [771] als Dodle, Detzel, Dietzel, Dötzel: und er zweifelt nicht, daß nicht der berühmte TOTTILA in seiner Muttersprache Detzel geheißen habe. Und endlich schließt er noch aus dem vorhergehenden: daß Dietrich oderDüdrich nichts anders, als reich in Gott, göttlich, und so viel, als im Griechischen THEIOS, gottesfürchtig und fromm bedeuten könne.

Hier sieht nun ein jeder, was D. Luther für eine Einsicht in unsere Sprache gehabt: und aus was für Gründen er das D in dem Worte deutsch, dem T vorgezogen. Und nunmehr gehe man hin, und sage, dieser große Mann habe aus Unbedachtsamkeit so geschrieben, und selber nicht gewußt, ob seine Gewohnheit Grund gehabt, oder nicht?

Zweyter Einwurf.

Zum zweyten will man bey der langen Fortsetzung der von Luthern beliebten Rechtschreibung, die Schuld auf die obersächsischen Buchdruckereyen schieben. Die Scribenten, saget man, hätten nicht Schuld daran; nur die unstudirten Buchdrucker hätten über das T ihre Tyranney verübet, und es so lange Zeit her, aus dem Worte Deutsch verbannet. Allein, ich sehe hier erstlich nicht, warum man nur die Obersächsischen, nicht aber auch die Augspurger, Berliner, Breßlauer, Danziger, Frankfurter, Hamburger, Königsberger, Rostocker, Stadener, Stetiner und Straßburger Buchdrucker, dieses Fehlers beschuldiget? Denn es giebt eine große Menge Bücher, die an allen diesen Orten ein D und nicht T, in dem Worte Deutsch gedrucket haben. Dieses nur durch etliche wenige Exempel zu bestätigen, da ich im Stande wäre, etliche hundert dergleichen aus meinem Büchervorrathe anzuführen; so will ich mich nur auf folgende berufen.


Im 1536sten Jahre sind zu Augspurg Nicolai von Weil Translation oder Deutschungen etlicher Bücher Enee Sylvii, Poggi Florentini etc.

[772] 1568 zu Straßburg des Mathias Holzwart von Harburg Lustgart Newer deutscher Poeterey;

1626 zu Frankfurt am Mayn, Caspar Barthens deutscher Phönix; imgleichen

in demselben Jahre und 1651 Gottfried, oder Erlöseres Jerusalem, deutsch, vom Obersten von Werder.

1640 zu Köthen, des Herrn von Bartas erste und andre Woche in wohlgemessene Deutsche Reime übersetzet; imgleichen

1651 Christoph Kaldenbachs Deutsche Sappho, oder musicalische Gedichte;

1656 in Jena, Ph. von Zesen Hochdeutscher Helicon;

1660 in Breßlau, Sam. Butschky Hochdeutsche Kanzeley.

1662 in Wittenberg, Balthasar Kindermanns Deutscher Redner.

1669 in Dresden, Dedekinds Deutsche Schauspiele.

1674 in Guben, Johann Frankens Deutsche Gedichte;

1675 in Berlin, Treuers Deutscher Dädalus;

In Königsberg, Mart. KEMPII Siegspracht der deutschen Poesie etc.

1688 in Leipzig, Rothens Deutsche Poesie;

1691 in Stettin, Fabricii Deutsche Gedichte;

1700 in Danzig, Gröbens Bergone und Aretee inDeutschen Versen gedruckt worden.


Ich übergehe hier die berühmtesten unserer Poeten, als Opitzen, Flemmingen, Dachen, dieGryphier, Hofmannswaldauen, Tscherningen, Lohensteinen, Weisen, Neukirchen, u.a.m. die gewiß unzählige Schriften, so zu reden, vor ihren Augen haben drucken lassen; und sich wahrhaftig, von einfältigen Schriftsetzern oder Buchdruckern, nicht würden haben meistern lassen. Ich schweige auch zweener berühmten kritischen Kenner unserer Sprache, nämlichPhilipps von Zesen, und des berühmtenBödickers. Denn dieser hat in seiner deutschen Grammatik, in der Auflage, die er selbst herausgegeben, Deutsch und nicht Teutsch geschrieben; bis Frisch sie nach dessen Tode, in der neuen [773] Auflage umgeschmolzen. Philipp von Zesen aber, ob er wohl sonst seiner vielen Neuerungen halber, die er im Deutschen einführen wollen, sehr übel beschryen ist: so hat er doch allezeit, und zwar an allen Orten, wo er seine vielfältige Schriften herausgegeben, immer das D dem T vorgezogen. Und dergestalt hätte ich auch aus dem Gebrauche unserer aller besten Scribenten erwiesen: daß man Deutsch, nicht aber Teutsch schreiben müsse.

Neuer Einwurf.

Noch einen allgemeinen Einwurf muß ich heben, den man wider diese ganze Rechtschreibung gemachet hat. Man hält dafür, im Hochdeutschen müßte man deswegen Teutsch schreiben: weil es die Natur der oberländischen Mundart so mit sich brächte, daß man das D der Niederdeutschen, und überhaupt alle ihre weichen Buchstaben in härtere verwandelte. Dieser Scheingrund setzet zum Voraus, daß die obersächsische Sprache aus der niedersächsischen entstanden sey, und also dieselbe für ihre Mutter erkennen müsse. Doch dieses kann man gar nicht zugestehen: wenn gleich Luther in der obigen Stelle, auch dieser Meynung gewesen. Ich habe oben gewiesen, daß die alten Franken und Allemannen, zwo hochländische Nationen, eine Mundart gehabt, die ganz augenscheinlich mit der heutigen Hochdeutschen; nicht aber mit der Plattdeutschen übereingekommen. Selbst die Gothen, die doch von einigen für ein niederländisches Volk der Deutschen gehalten worden, weil sie eine Weile an der Ostsee, in Hinterpommern, Pommerellen und Preußen gewohnet, haben eine Sprache gehabt, die mehr mit dem Hochdeutschen als Niederdeutschen überein gekommen. Dieses könnte mit unzähligen Exempeln gothischer Wörter bewiesen werden, die mit dem Hochdeutschen sehr genau, mit dem Plattdeutschen aber sehr schlecht, überein kommen. Nur einige wenige zur Probe zu [774] geben, so will ich aus FRANCISCI JUNII GLOSSARIO MŒSOGOTHICO, das zu Dordrecht 1665 in 4 herausgekommen, etliche anführen:


Gothisch. Hochdeutsch. Angels. Plattd.

AUGO,Auge,EAGE,Ooge.

DAUPGAN,taufen,DEPAN,deepen.

GALAUBGAN,glauben,GELEAFA,gleeven.

GALAIKS,gleich,LIKE,lick.

GANASGAN,genesen,GEHÆL,heelen.

GASALBIDA,gesalbet,SMYRETE,schmeerde.

HAILS,heil,HAL,heel.

HAITADA,geheißen,GENEMMET,genömet.

HIMIN,Himmel,HEOFEN,Heven.

MEINA,mein,MINA,myn.

RODIDA,redete,GESÆDE,säde.

SEINA,sein,SINA,syn.

SIBUN,sieben,SEOFAN,seeven.

SILUBR,Silber,SEOLFER,Sölver.

SIUKS,siech,SEOK,seek.

SKAIDAN,scheiden,SCEADAN,scheeden.

SPEIVAN,speyen,SPIVAN,spyen.

THEINA,dein,THINA,dyn.

THIUB,Dieb,THEOF,Deef.

VEIHAN,weihen,HALIG,hilig.

VEIN,Wein,VIN,Wyn.


Und selbst ihre Wanderungen und Züge erwiesen es sattsam, daß sie Oberländer gewesen; nicht aber, wie einige wollen, aus Niedersachsen oder Schweden ihre Abkunft gehabt. Sie kamen ja von dem euxinischen Meerbusen längst der Donau herauf, durch Pannonien, bis nach Italien, Frankreich und Spanien, als sie dem römischen Reiche den letzten Stoß gaben: wie alle alte Geschichtschreiber einstimmen. Und wie alt ist nicht der Sitz der Geten, in und nahe bey der krimmischen [775] Halbinsel gewesen? Es folget auch gar nicht, daß die itzo sogenannten Obersachsen, wie man sie fälschlich nennet, deswegen sächsischer Ankunft sind, weil sie Sachsen heißen. Die rechten alten Sachsen sind lauter plattdeutsche Leute gewesen: wie die Überbleibsel der angelsächsischen Sprache sattsam lehren. Die Eintheilung Deutschlandes in Kreise ist viel zu neu, als daß sie hierinn von einiger Wichtigkeit seyn könnte. Und von derselben kömmt es bloß her, daß sich zum Exempel, die itzigen Meißner für Sachsen ausgeben: da doch ihre ganze Sprache zeiget, daß sie fränkischer und thüringischer Abkunft sind und von einer Colonie aus Oberdeutschland herstammen, welche die vormaligen wendischen Einwohner ihres Vaterlandes vertrieben, und sich an ihrer Stelle darinnen angebauet hat.

Dergestalt erkennet nun die heutige hochdeutsche Sprache die vermischte Mundart der alten Gothen, Allemannen und Sveven für ihren Ursprung; so wie hingegen die Plattdeutschen von den alten Sachsen und deren Nachbarn ihre Sprache herleiten müssen, deren älteste Überreste so sehr mit ihrer heutigen Mundart übereinstimmen. Nun wird man wohl schwerlich erweisen, daß selbst die gothischen, fränkischen und allemannischen Mundarten, Töchter der angelsächsischen gewesen; oder daß diese Völker alle aus Niedersachsen herstammen. Vielmehr ist es gewiß, daß diese vier alten Nationen der Deutschen, sowohl als ihre Mundarten, Geschwister gewesen, die von einer weit ältern Mutter, nämlich von der Celtischen und Scythischen ihr Geschlecht hergeleitet; wie abermal alle Sprachverständige einhällig behaupten.

Hierzu kömmt endlich noch, daß die Natur der hochdeutschen Sprache es gar nicht erfodert, alle weiche Buchstaben der niedersächsischen Mundart härter auszusprechen. Schreiben denn die Obersachsen nicht Dank, Degen, Druck, Daum, Donner, Dampf, Dunst, Ding, Darben, Demuth, der, die, das, durch, denn, u.s.f. eben sowohl als in Niedersachsen mit einem D? Und wer sieht wohl, daß die [776] Hochdeutschen nach dieser Regel Paum, Perg, Plühen, Plut, Pöse, Pruder, Puch, Putter, Wunderpar buchstabiren: ungeachtet Melchior Pfinzing in seinem Theuerdank, und einige andere Oberdeutschen vormals so geschrieben? Ist ja in etlichen Wörtern, wo die Plattdeutschen nur ein D setzen, z.E. Deer, Daler, Don, Dähr, Dür, Dau, Daht, Dohr, Dom, Don, u.s.w. im Hochdeutschen ein T; so ist es mehrentheils ein Th: welches, nach der alten Art, nichts mehr, als ein D, bedeutet. Z.E. Thier, Thal, Thon, Thüre, Theuer, Thau, That, Thor, Thum, Thun, u.a.m. Dieses Th aber ist dennoch nicht durch eine Verwandlung aus dem Plattdeutschen D entstanden; sondern von den alten Mundarten der Franken und Allemannen beybehalten worden; wo es an statt des D fast durchgehends gebrauchet wurde: wie aus Ottfrieds Evangelien, und andern inSchilters THESAURO befindlichen Stücken sattsam zu ersehen ist.

Hierzu kömmt endlich noch, daß man viele Exempel geben kann, wo die Oberländer eine gelindere Aussprache haben, als die Niederdeutschen. Ich, klingt ja viel zärter und gelinder, als ick; soll ist weit angenehmer, als skall; haben, als hebben; brechen, als breeken; kochen, alskaaken, u.d.m. Welches alles augenscheinlich zeiget, wie ungegründet die obige Regel, von Verwandlung der weichen Buchstaben in härtere, sey. Was der Plattdeutsche Pahl, Parr, Perd, Plum, u.s.w. nennet, das spricht der Hochdeutsche viel gelinder, Pfal, Pfarrer, Pferd, Pflaumen, u.s.f. aus. Anderer solcher Beyspiele voritzo zu geschweigen.

Beschluß.

Ich hoffe, daß diese meine Vertheidigung desDeutschen gegen das Teutsche, um desto unparteyischer seyn wird; da ich weder ein Obersachs, noch ein Niedersachs, sondern ein Preuß bin. In der Gegend meines Vaterlandes, wo ich zu [777] Hause bin, nämlich in und um Königsberg, ja in ganz Samland und Natangen, wird sowohl plattdeutsch als hochdeutsch gesprochen; jenes zwar von dem Pöbel, dieses aber im Bürgerstande, bey Gelehrten, dem Adel und den Hofbedienten. Meine Aussprache und Gewohnheit brachte es auch mit sich, daß ichDeutsch und nicht Teutsch schreiben mußte; bis ich im Anfange des 1724 Jahres nach Leipzig kam, und von einigen Liebhabern des T verleitet wurde, meine Rechtschreibung zu ändern. Man wird also in der ersten Ausgabe von Pietschens Gedichten, in einem Paar Übersetzungen und andern Kleinigkeiten, die ich um die Zeit herausgegeben, überall Teutsch gedruckt finden. Aber im 1727sten Jahre bin ich allererst veranlasset worden, die Sache genauer zu untersuchen; und da befand ich: daß ich gar nicht Ursache gehabt hätte, mich in meiner alten Art irre machen zu lassen. Ich schlage mich also itzt freywillig zu der Partey der Obersachsen, die der berühmte Herr. D. Fabricius in Hamburg, in diesem Stücke, schon vor etlichen Jahren so gründlich vertheidiget hat. Es kömmt mir auch in der That wunderlich vor, daß die Hochdeutschen sichs von den Niedersachsen sollten zeigen lassen, wie sie ihren Namen schreiben sollen? Denn was würden wohl die Plattdeutschen dazu sagen, wenn ihnen ein Obersachs, Regeln der Rechtschreibung, in ihrer eigenen Mundart vorschreiben wollte?

Fußnoten

1 Ob dieses der Θωνθ oder THOT der alten Ägypter gewesen sey, läßt sich so leicht bejahen, als verneinen. Es kömmt aber in dieser Frage gar nicht darauf an.

2 Es ist merkwürdig, daß CÆSAR ausdrücklich schreibt: die Deutschen leiteten ihre Abkunft A DITE PATRE her: wodurch er zwar, als ein Römer, den PLUTO verstund; aber von Rechtswegen Deut oder Died hätte schreiben sollen. Denn von jenem kam TEUTATES, der Celtiberier Gott: Diet aber hieß bey den Celten und Deutschen ein Volk; daher nochdieta ein Landtag, eine Versammlung des Volkes, und Dietrich, volkreich heißt.

II Anhang

II Anhang,
Der entschiedene Rechtshandel der doppelten Buchstaben.
Vorbericht.

Zum Beschlusse will ich noch wegen einiger andern orthographischen Änderungen, die man seit einiger Zeit beliebet hat, etwas gedenken. Lucian hat eine kleine Schrift gemachet, die er das Gericht der lautenden Buchstaben, oder Vocalen genennet hat; und worinn er das griechische S wider das T, wegen vieles Unrechts, so es von demselben erdulden müssen, eine weitläuftige Klage führen; die Vocalen aber, als Richterinnen, diesen Streit entscheiden läßt. Diese artige Erfindung, eine an sich trockene Buchstabenkritik angenehm zu machen, hat auch mir bequem geschienen, von der Verwandlung einiger doppelten Buchstaben in einfache, Rede und Antwort zu geben. Ich will hier auch die Buchstaben als Personen einführen: aber meine Richterinnen sollen nicht die Vocalen seyn, sondern die Sprachkunst, welche zu ihren Rathgeberinnen die Kritik, und die Gewohnheit haben soll. Folgende Fabel macht den Eingang dazu.

Germanien warf eines Tages ihre Augen, von den öffentlichen Staatsangelegenheiten ihres Kaiserthrons, und so vieler Churfürsten und Stände des Reiches, auch auf die Sprache ihrer Kinder. Sie übersah anfangs die weitläuftigen Landschaften, in welche sich dieselben vertheilet haben; und hörete mit eigenen Ohren die besondere Mundart eines jeden Volkes. Sie nahm aber mit einigem Widerwillen wahr, daß der meiste [779] Theil noch so hartnäckig bey der alten Rauhigkeit seiner Aussprache blieb; die sich fast durch keine Buchstaben schriftlich ausdrücken, und vor die Augen bringen läßt. Sonderlich schmerzte es dieselbe, daß an den italienischen und französischen Gränzen die Mundart einen so widrigen Klang hatte, daß ihr ganzes Volk deswegen bey seinen Nachbarn, wiewohl mit Unrecht, den Namen einer barbarischen Nation, tragen mußte.

Mit Vergnügen wandte sie sich in das Herz ihres großen Reiches, den fränkischen und obersächsischen Kreis, deren Einwohner sich mit einer weit zärtlichern Aussprache hören ließen. Ja sie gieng auch ostwärts bis an die polnischen Gränzen, und wunderte sich: daß ihr Geschlecht sich daselbst, an der Stelle sclavonischer Völker, mit solchem Segen ausgebreitet; und fast die alte Vormauer ihres Sitzes, den großen Weichselstrom, erreichet hatte. Diese östlichen Einwohner ihres Reiches hatten der Sprache ihrer majestätischen Mutter viel Ehre gemachet, und es darinnen den Franken und Meißnern fast zuvor gethan; so daß sie auch oft von denselben deswegen beneidet wurden. Selbst der nordische Theil ihrer Unterthanen, die eigentlich so genannten sächsischen Völker, hatten den Vorzug dieser oberländischen Mundart ihrer Brüder erkannt; und bemüheten sich schon mit jenem in die Wette, hochdeutsch zu reden und zu schreiben: wiewohl der große Haufen noch allezeit geneigt schien, die Sprache seiner Vorältern beyzubehalten.

Nichts gieng indessen dieser zärtlichen Mutter mehr zu Herzen, als die hier und da bemerkte Unreinigkeit in der Rechtschreibung. Sie fand, daß fast ein jeder Schreiber sich eine eigene Gewohnheit machete, und kein einziger sich nach der Vorschrift des andern richten wollte. Sie sah wohl, daß nicht alle gleich viel Recht hatten; und hätte sich leicht ihres mütterlichen Ansehens bedienen können, sie alle zu einerley Art zu verbinden. Allein, so gewaltsam wollte sie nicht verfahren. Anfänglich meynte sie, die Aussprache zur Richtschnur [780] der Schrift zu machen: jedoch die große Ungleichheit derselben in verschiedenen Landschaften widerrieth ihr solches. Sie konnte auch gar zu leicht vorher sehen, daß man dergestalt, zum wenigsten alle fünf und zwanzig oder fünfzig Jahre, eine andere Rechtschreibung einführen würde; nachdem sich nämlich die Mundart eines Volkes allmählich ändern möchte. Daher war sie auf eine beständige und regelmäßige Art, ihre Sprache zu schreiben, bedacht, dadurch auch die Änderungen der Aussprache verhütet werden möchten.

In solcher Absicht, übergab sie die Ausführung ihres Vorhabens, einer guten Freundinn, mit der sie noch nicht gar zu lange bekannt gewesen war. Sie hieß die Sprachkunst. Weil aber dieselbe eine sehr strenge Richterinn abgiebt: und in Worten so unerbittlich ist, als Asträa vormals in den Handlungen der Menschen gewesen: so wurde ihr eine Gehülfinn von gelinderer Gemüthsart zugegeben, welche sich die Gewohnheit nennete. Und da man wohl vorher sah, daß diese beyden bisweilen ganz uneins seyn würden: so wurde ihnen, sie allenfalls auseinander zu setzen, noch eine alte Matrone von großer Einsicht, an die Seite gesetzet; welche man die Kritik zu nennen pflegte. Vor diesen Richterstuhl nun wurden alle Buchstaben des deutschen Alphabeths gerichtlich gefodert; mit dem ausdrücklichen Befehle, selbst ihre Sache zu führen, und ihre Rechte auf gewisse Wörter, gegen einander zu behaupten.

Zu allererst drungen die doppelten Buchstaben vor den Richtplatz. Denn weil sie, als Zwillinge, mit zusammen gesetzten Kräften darnach strebten: so waren sie allen einfachen überlegen. Dahin gehörte nun das ck, dt, ff, gk, ll, nn, ss, ß, th, tt und tz. Diese hatten sich mit einander verschworen, für einen Mann zu stehen; und weil sie fast einerley Klage zu führen hatten, so dachten sie eine gemeinschaftliche Sache daraus zu machen. Sie wollten gleich auf einmal anfangen zu reden; als sie gewahr wurden, daß sie alle stumm wären, und kein Wort hervorzubringen vermöchten. Ob sie nun gleich [781] von der Richterinn ermahnet wurden, schriftlich einzukommen: so wollten sie doch lieber, nach Art der alten griechischen Buchstaben, bey dem Lucian, ihre Klage mündlich führen. Daher mußten sie unter ihren übrigen Brüdern beredtere Fürsprecher suchen, denen sie ihre Sache anvertrauen könnten.

Zu allem Glücke gab es auch unter denen lautenden Buchstaben Zwillinge. Das AA, das EE, OO und Y, waren auch unter der Zahl der Misvergnügten, und schlugen sich gern zu der Partey der Kläger. Die stummen aber faßten ein desto besseres Vertrauen zu diesen geschickten Rednern, die sich allezeit sowohl hören lassen: denn weil sie selbst ihre eigene Sache zugleich zu führen hatten; so war an ihrer Redlichkeit gar nicht zu zweifeln. Man vertheilte die Klagen unter diese vier Sachwalter, so, daß AA für sich, für ck und dt; das EE für sich, für ff, gk, ll und nn; und das OO für sich selbst, für ss, ß, th, und tt; das Y endlich für sich selbst und für das tz reden, und den Schluß der ganzen Klage machen sollte. AA hub alsbald folgender Gestalt an.

Gerechteste Richterinnen! Unsere buchstäblichen Streitigkeiten hätten vor keinen erwünschtem Richterstuhl gebracht werden können, als vor den Eurigen: und wir sind dem großmächtigsten Germanien dafür allesammt aufs höchste verbunden. Wir sind befehliget worden, unsere Beschwerden vor euren Ohren vorzutragen: und die Größe des bisher erlittenen Unrechts veranlasset uns, daß wir die ersten sind, die ihre Klagen in euren Schooß ausschütten wollen. Wir sind alle Zwillinge, wie ihr sehet, und lieben einander sehr herzlich: gleichwohl müssen wir den Verdruß erleben, den Castor und Pollux vorzeiten empfunden; daß man uns nämlich fast allenthalben zu trennen suchet, und nicht mehr als einen von uns, in gewissen Wörtern leiden will. Dieses ist der Hauptzweck unserer Klage.

Ich AA insbesondere beschwere mich, daß ich vorzeiten in sehr vielen Wörtern einen ruhigen Sitz gehabt, daraus ich itzo [782] halb verstoßen worden. Man will mir den Graam, die Maalzeiten, die Schaafe, die Schaalen, und die Straalen, ja auch dieQuaal, und den Saal nicht mehr gönnen: und es fehlet zu meiner völligen Verbannung nichts mehr, als daß man mir auch den Aal, den HohenpriesterAaron, den Abgott Baal, das Paar, und dieSchaar noch raube; welches aber die allerunverantwortlichste Sache von der Welt seyn würde. Denn was hat man für ein Recht, uns aus solchen Besitzen zu vertreiben, darinn wir so lange fast ohne Widerspruch gewohnet haben? Und wessen Macht ist groß genug, uns wieder ein altes Herkommen ohne unsere Schuld gleichsam des Landes zu verweisen?

Das gute ck ist nicht besser daran. Man verweist dasselbe aus unzähligen Wörtern, darinnen es seit undenklichen Jahren seinen Aufenthalt gehabt. Es soll künftig nur zwischen zweenen Vocalen oder Lautbuchstaben seinen Platz finden: und dergestalt ausBank, Dank, krank, Trank, Zank, und andern von der Art; imgleichen aus den Werken, der Stärke, dem Merken, und allen, die damit verwandt sind, verbannet seyn. Ja, was noch ärger ist, einige Neulinge wollen es auch aus Geschmack, Sack, Pack, Genick, Fleck, Rock, Stock, Glück, und Stück, kurz, überall verbannen. Am wunderlichsten kömmt dieses heraus, wenn es auch aus backen, hacken, recken, Stricken, flicken, Glocken, Glucken, Stücken und Mücken, u.d.gl.m. verwiesen werden soll, die doch durch diesen Raub ganz unkenntlich werden, und eine ganz andere Aussprache bekommen würden: wie ein jeder sieht, wenn erbaken, haken, reken, Strike, fliken, Gloken, u.s.w. schreiben will.

Eben so geht es dem unschuldigen dt. Man hat es von alten Zeiten her, in geruhigem Besitze vieler Wörter gesehen, wo es itzo vertrieben wird. Man schrieb bekandt, genandt, imgleichen derTodt und das Brodt: nunmehr aber will man erst besondere etymologische Geburtsbriefe und Geschlechtsregister von dem D sehen; die es aber freylich [783] nicht allemal aufweisen kann. Man räumet, in den beyden ersten, lieber unsern Freunden, den Zwillingen nn, ihre Stellen ein; und in den beyden letzten, soll das D nur den Tod, das T aber das Brot für sich behalten.

Dieses sind nun, gerechteste Richterinnen! diejenigen Klagen, welche ich vor eure Ohren zu bringen, Befehl erhalten habe. Eure Einsicht verspricht uns Beleidigten ein erwünschtes Urtheil: was aber noch übrig ist, werden meine Gefährten, besser als ich gethan, vorzutragen wissen. Entscheidet, nach eurer Billigkeit, unsere Rechte: wir wollen nach eurem weisen Ausspruche, so wohl bleiben, als weichen.

Hiermit trat also der erste Redner ab, und machete dem andern Platz; der sich ohne viele Weitläuftigkeit zu machen, folgender gestalt hören ließ.

Es ist noch sehr viel übrig, hochgebiethende Richterinnen, weswegen wir uns zu beschweren Ursache haben: allein, die Zeit verbeut es, mich auf alles einzulassen. Ich selbst bin von den kritischen Feinden bisher noch ziemlich frey geblieben. Man hat mir den Klee, den Schnee, die See, und die Seele in ruhigem Besitze gelassen: ob sich gleich seit kurzem auch solche Grübler gefunden, die keine Seelen, sondern nur Selen zugeben wollen. Nur den Seegen und das Seegel habe ich einbüßen sollen; weil sie eine ganz andere Sprache zu führen pflegen. Doch über diese Kleinigkeit will ich mich aus Großmuth nicht beschweren: desto unparteyischer werde ich meiner Clienten Klagen vorzubringen im Stande seyn.

Fürs erste beklaget sich das ff, eins von den ansehnlichsten Mitgliedern unserer Zwillingsbrüderschaft; daß man es aus unzähligen Plätzen verdringt, wo es seit etlichen hundert Jahren seinen beständigen Sitz gehabt. Man raubet ihm seine Schafe, man nimmt ihm das Recht auf die Strafe, man tastet es bey den Grafen und in Häfen an: man läßt es so gar im Schlafe nicht ungestöret. Die Abkunft und Zukunft, nebst den Zünften, hat man ihm auch geraubet. Was soll ich von dem großen Haufen aller der Wörter sagen, wo unmittelbar [784] vor ihm, entweder ein langer Vocal, oder gar ein Doppellaut vorhergeht; als in Stufen, rufen, laufen, taufen, kaufen, schleifen, greifen etc. Hier allenthalben hat man das ungescholtene ff vertrieben; ja demselben auch da keine Ruhe gelassen, wo etwann ein l, n, p, oder r, vorhergeht, wie aus der Hülfe, der Vernunft, dem Dampfe, und der Schärfe; ja hundert andern von der Art, mit mehrerm zu ersehen ist. Und was ließe sich über die gewaltsamen Buchstabenstürmer nicht sagen, die es auch wohl aus dem Besitze der Affen zu setzen, ja das raffen, treffen, hoffen, und puffen, mit ihren Brüdern so feindselig verfolget haben? Denn wie würde es aussehen, und klingen, wenn man an deren Stelle Afen, rafen, trefen, hofen und pufen schreiben wollte?

Eben so ist es dem unsträflichen gk gegangen. Es war nicht genug, daß man ihm die Städte Leipzigk, Augspurgk, Nürnbergk, wie Sargk, Burgk, Wergk, u.a.m. genommen: man hat sich auch an andere Eigenthümer desselben gemacht. Man will aus der Billigkeit, und Seeligkeit, eine Billikeit und Selikeit, wie aus der Gütigkeit eine Gütikeit u.s.w. machen: welches doch durch den bloßen Anblick der Augen, schon für etwas unleidliches erkläret wird; wenn es gleich nicht wider seine Abkunft liefe.

Das lustige ll hat gleichfalls Ursache genug, zu klagen. Es hat zwar zu rühmen, daß man ihm einiger maßen Recht wiederfahren lassen. Aus will undsoll, wollte und sollte war es eine lange Zeit verwiesen; aus der Vollkommenheit undVollbringung haben es auch einige verstoßen wollen: bis ihm andere Neuere wieder zu dem alten Besitze derselben geholfen haben. Die Wallfahrt aber hat sich sowohl als das gleichfalls undallmählich ohne dasselbe behelfen sollen. Allein, auch diesen Übeln ist abgeholfen: weil nämlich die wichtigsten Beweisgründe seines Rechtes auf alle diese Wörter vorhanden gewesen. Zwar was also und vieleicht anlanget, so könnten wir dieses noch wohl verschmerzen; [785] weil irgend der Beweis von beyden etwas schwer fallen möchte. Hingegen stehen itzt andere Friedenstörer auf, die als Feinde aller Zwillingsbuchstaben, es wohl gar aus Fall, Ball, Stall, Wille, Wolle, Rolle, Stolle, Wellen, Stellen und Zellen vertreiben wollen: die doch eine traurige Figur machen würden, wenn man sie in Fal, Bal, Stal, Wile, Wole, Role u.s.w. verwandeln wollte.

Dem ehrlichen nn ist es nicht besser gegangen. Da es in brennen, nennen, können, gönnen, u.d.m. ein unstreitiges längst verjährtes Recht gehabt: so hat man es in ihren Abkömmlingen nicht dulden wollen, und lieber brandte, nandte, könte, gönte etc. als brannte, nannte, könnte, gönnte geschrieben. Eben so ist es ihm bey den Königinnen und Prinzessinnen u.a.m. gegangen; denen man doch in der einfachen Zahl am Ende, das doppelte nn eben sowohl, als dem Sinne und Gewinne, schuldig gewesen wäre. Itzt aber stehen gar Grübler auf, die auch dasMann, kann, wann, denn, dann, undBann, in Man, kan, wan, den, dan, und Ban verkehren; ja mit einem Worte, es nirgends mehr dulden wollen.

Dieses sind nun die Beleidigungen, worüber ich mich beschwere, gerechteste Richterinnen; und worinnen ich für mich und meine Clienten, mir euren mächtigen Beystand ausbitte.

Alsbald ward das EE von dem OO abgelöset: welches sich schleunigst vor den Richterstuhl hinrollte, und seine Klage folgender Gestalt anhub.

Meine Klage ist nicht sowohl auf die Wiedereinräumung alter Stellen gerichtet, hochgebiethende Richterinnen; als auf die Ansuchung um gewisse neue Plätze, die ich zu fodern ein Recht habe. In demBoote, Looße und Schooße habe ich die Zeit her, einen ruhigen Aufenthalt gehabt: warum hat man mir aber nicht in den Wörtern bloß, lose, Rose, Stoß, groß, Hosen, Boßeln und ihres gleichen, ebenfalls einen Raum vergönnet? Sollte ich nämlich nicht ein Recht haben, [786] an allen den Orten auch sichtbar zu erscheinen, wo ich mich doch eben sowohl hören lasse, als in den vorigen? Und so viel für mich selbst.

RR hat zwar nichts zu klagen, als daß es überhaupt mit den übrigen Zwillingen in Gefahr steht, ausgerottet zu werden: da man schon angefangen, ihm denHerrn und die Herrschaft zu rauben; da man ihm die Karren, Narren und ihre Sparren antastet; und wohl gar das Zerren in zeren, dasScharren in Scharen, das Murren inMuren, verwandeln will, die es doch seit undenklichen Zeiten ruhig besessen haben.

Aber ss und ß sind desto mehr beleidiget; weil man dieselben entweder gar aus ihren Plätzen verdringt, und ein schlecht s an ihre Stelle setzet; oder sie doch ohne Unterschied gebrauchet, wenn es gleich zwischen zweenen Vocalen, und also mitten im Worte gewesen wäre. Man hat ihnen nämlich in der ersten Absicht, die Wörter, Hals, Haus, als, bis, hinaus, Graus, Schmaus, ich weis, Preis, Reis, und dergleichen mehr geraubet. Und ob sie wohl einige Oberländer, ihrer ungewissen Aussprache nach, in die Wörter preisen, dieWeisen, reisen, u.d.m. wieder aufnehmen wollen: so hat man sie doch durch ein hönisches Gelächter, von dieser Änderung wieder abgeschrecket. Denn wenn sie von einem weisen Manne gesprochen, aber einen Weissen dafür geschrieben: so hat man sie wegen des ersten um die Schwarzen, oder Mohren befraget; wegen des andern aber, sich um die Risse bekümmert, welche sie verfertiget hätten; dadurch sie denn merklich beschämet worden.

Das Th, und Tt, befinden sich in gleichen Umständen. Man hat dem ersten nicht nur die Stellen entzogen, dazu man einigen Grund gehabt; als z.E. in Wohlfahrt, Schiffahrt, Geburt, Gut, Flut, Brut, Ton, wo man sonst allenthalben ein H am T gesehen: sondern man will ihm auch unstreitige Eigenthümer rauben; die es wegen der Analogie mit der griechischen, plattdeutschen oder niedersächsischen Sprache besitzen [787] muß. Dahin gehöret, der Thron, die Thränen, das Thier, dieThüre, das Thun, die That, die Endigungssyllbe thum; der Muth, der Rath, das Thor, der Thum, der Thor, und dieNoth. Diese fodern nebst vielen andern, augenscheinlich das th deswegen; weil sie im griechischen ein θ, oder plattdeutschen ein D haben, und also nicht so hart, sondern etwas sanfter und milder, als das t ausgesprochen werden sollen; wie auch in sehr vielen Provinzen Deutschlandes wirklich geschieht. Und doch sind viele auch damit nicht zufrieden, und wollen gar die Not, Kot, rot, tot, raten, bieten, beten, Tat, Tor, und Tum, aller Billigkeit zuwider, eingeführet haben.

Dem guten tt, will man nicht nur die Motten, Ratten und Rotten, in Moten, Raten, und Roten verwandeln; sondern auch den Spott, das matt und platt, ja sogar Gott entziehen: welches denn gewiß ein recht gottloses Unternehmen heißen mag.

Hierauf schwieg das Oo, und das Y, räusperte sich, um auf eine bewegliche Art den Beschluß zu machen.

Ich bin der letzte Kläger, verständigste Richterinnen! und erkühne mich auch vor euch aufzutreten, ob mich wohl viele aus der Zahl der Zwillinge ausschließen wollen. Man ist gar zu tyrannisch auf mich erzürnet. Man will mir das deutsche Bürgerrecht rauben, und mich gar zum Ausländer machen. Ich soll ein gebohrner Griech seyn, und Ypsilon heißen; da ich doch ein uralter Deutscher bin, und seit den ältesten Zeiten ii, oder ij, geheißen habe. Aus einem langen, ja doppelten I, soll ich also in ein zartes und kurzes υ verwandelt werden. Daher will man mich bisweilen nur allein in griechischen Wörtern dulden; bisweilen aber soll ich auch diese wohl räumen: im Deutschen aber soll ich gar nicht Statt finden: wo mich nicht etwa ein Schweizer in die SYNDFLUTH aufnimmt: und sein Zyrich widerrechtlich damit ausstaffiret; wo ich doch nichts zu thun habe. Ich soll ferner nicht nur aus der Mitte, sondern auch vom Ende der Wörter verbannet [788] werden: indem einige, bei, sei, frei, drei, zwei, u.s.w. schreiben wollen. Wie häßlich dieses aber ins Auge fällt, mögen meine Widersacher selbst richten. Ich kann mich wenigstens auf keine bessere Art an ihnen rächen, als durch den Übelstand, wie sich schon Achilles vormals am Agamemnon auch gerächet, da man ihn erzürnet hatte: nämlich durch meine Abwesenheit. Ich besinne mich gar wohl, daß man mich vormals mit zween Punkten geschrieben; anzuzeigen, daß ich ein doppeltes i wäre. Sieht man denn nicht, daß selbst die Franzosen, die solches noch von den alten Franken behalten haben, anstatt eines ausgelassenen y, welches vormals als i und j einen doppelten Punkt hatte, ein zwiefach punktirtes ï setzen? Und bemerket man nicht, daß ich auch im Engländischen bisweilen die Kraft eines j habe, wenn man YE, YES, YOU, YOUNG, YEAR, u.d.gl. schreibt; bisweilen aber gar wie ey klinge, anzuzeigen, daß ich ein Doppellaut bin. Endlich behalten mich selbst die Holländer in diesem Klange ey. Selbst an den Quellen der Donau lehret man die Kinder in den Schulen, mich wirklich so aussprechen, x, ey, Zett: so wie man mich in preußischen Schulen noch ii nennet. Alles dieses führe ich zur Behauptung meiner Rechte an, und schiebe es meinen Feinden ins Gewissen: ob ich in Eya, Hoya, u.d.gl. nicht wirklich doppelt laute? In der Mitte aber soll mich endlich die Verwirrung rechtfertigen, die in gewissen Wörtern entstehen wird, wenn man mich wird vermeiden wollen. Denn wie will man freyen, UXOREM DUCERE, und freuen, GAUDERE, meynen, PUTA RE, und meinen, MEUM, von einander unterscheiden, wenn man meine Hülfe nicht brauchet? Genug für mich allein geredet, gnädige Richterinnen.

Das Tz anlangend, so ist dessen Klage nicht weniger erheblich. Man will ihm alle die Wörter rauben, wo nicht ein kurzer Vocal vorhergeht. Denn man entzieht ihm nicht nur diejenigen, da ein stummer Buchstab vor ihm steht, als Salz, Glanz, Herz, u.s.w. wo sichs noch einigermaßen hören ließe; sondern man will ihm auch diejenigen abdringen, wo ein Doppellaut, [789] oder sonst ein langer Vocal vorhergeht, als Weizen, schneuzen, u.d.gl. Anderer gar zu heftigen Feinde zu geschweigen, die es gar durchgehends ausmustern wollen; und es wohl gar ausKatzen, Gesetzen, Blitz, Ritz, Witz, Spitzen, trotzen, putzen undstutzen verstoßen wollen: wo es doch unumgänglich vonnöthen ist, ein doppeltes z vorzustellen, und dem Selbstlaute einen scharfen Ton zu geben. Dieseszz aber, welches man an dessen Stelle einzuführen Lust bezeuget hat, bedanket sich für diese Ehre. Es hat sich derselben längst begeben, und sie freywillig dem tz abgetreten: bloß um dem Lachen der Spötter zu entgehen, die es um Zesens und anderer Grübler Zeiten, schon halb unehrlich gemachet haben.

Eure Gerechtigkeit verspricht mir allen möglichen Beystand: daher setze ich kein Wort mehr hinzu, mir einen gnädigen Urtheilspruch von euch zu erbitten. Thut nur, was Germanien euch anbefohlen: ich werde mit allem zufrieden seyn.

So bald diese Kläger ihre Beschwerden, angeführter maßen, aufs kürzeste vorgebracht hatten, mußten sie sammt ihren Clienten einen Abtritt nehmen: die Richterinnen aber unterredeten sich mit einander, und suchten sich wegen des Urtheils zu vereinigen. Die Gewohnheit, als die jüngste Beysitzerinn fieng zuerst an, ihr Gutachten zu eröffnen. Sie erklärte sich schlechterdings, und in allen Stücken für die Kläger. Ich erstaune, sprach sie, über die Frechheit solcher Neulinge, die sich unterfangen, nach eigenem Dünkel dasjenige zu ändern, was seit undenklichen Zeiten eingeführet gewesen. Was haben sie für ein Recht zu solchen Neuerungen, als ihre unbändige Begierde, etwas besonders zu haben? Sind denn unsere Vorfahren solche Narren gewesen, daß sie mit ihren Wörtern, Syllben und Buchstaben nicht umzugehen gewußt? Oder gilt ihr Ansehen und Beyspiel bey ihren Kindern nichts mehr, als daß man sie spöttisch hofmeistern kann? Das graue Althertum aber verdienet auch in seinen Fehlern eine Ehrerbiethung; [790] und kein Jüngling hat das Recht, seine Ahnen zu meistern. Wie ers aber seinen Vorgängern machet, so werdens seine Enkel ihm wieder machen. Das wird seine wohlverdiente Strafe seyn!

Was soll ich also von der Verwägenheit solcher Männer sagen, die man Sprachlehrer nennet? Was will ein Stieler, oder der Spate, ein Schottel, und ein Bödicker für ein Ansehen fodern, die Mundart eines ganzen Volkes zu mustern? Solche Grübler und Buchstäbler, wollen sich zu Lehrern aller Kaiser, Churfürsten und Fürsten, ihrer Räthe, Kanzleyen und Rathhäuser, ja aller andern Gelehrten aufwerfen! Kann auch etwas unverantwortlicher seyn? Was haben sie für eine Vollmacht aufzuweisen? Wo sind ihre Bestallungsbriefe dazu? Wer hat ihnen von Reichswegen die Urkunden ertheilet, dadurch sie ein Recht erlanget hätten, ihrer Mitbürger Zungen und Lippen, aller Reichsglieder und Stände Hände und Federn, vor ihre Gerichtsbarkeit zu ziehen; Wörter und Syllben unehrlich zu machen, und Buchstaben in die Acht zu erklären, wie es ihnen nach ihrem Laßdünkel gefällt? Kurz, ich erkläre mich schlechterdings wider alle Neuerungen, und gebe meine Stimme dahin: daß alles bey dem alten wohlhergebrachten Reichsherkommen gelassen werde. Alle solche Zesianer aber verdamme ich zu Mitgliedern von Christian Weisens Tannzapfenzunft; und will für meine Person, lieber mit dem großen Haufen, den sie den Pöbel nennen, fehlen, als mit wenigen Grüblern etwas bessers einführen.

Eine so heftige Rede brachte die Sprachkunst sehr in Harnisch. Was? sagte sie, mit einem aufgebrachten Tone, und finstern Gesichte: soll denn das alte Herkommen in der deutschen Sprache so viel gelten, als es weder in Griechenland, noch in Rom gegolten hat? Allenthalben hat man die alten Spuren der Rauhigkeit und Barbarey abgeschaffet: auch Wälschland und Frankreich haben die Nachläßigkeit der vorigen Zeiten glücklich abgestellet: und bloß Germaniens weites Gebieth, sollte in einer solchen Verwirrung bleiben; [791] darinn der Eigensinn des Pöbels, und die Einfalt ungelehrter Schreiber selbiges gestürzet haben? Dergestalt hat mich ja Germanien aus Irrthum zur Freundinn erwählet; so habe ich mich die Zeit her vergebens bemühet, die innere Natur und Art ihrer Mundart zu ergründen; so wird nun hinführo der unwissende Pöbel über die Zungen und Federn der Klugen und Gelehrten herrschen müssen! Das wird aber das aufgeklärete, das durch Künste und Wissenschaften erheiterte Germanien nicht leiden! das werde auch ich nimmermehr zugeben! Man schaffe also ab, was nicht gegründet ist: man werfe weg, und stoße aus, was sich nicht schützen kann: und sollte gleich die allerälteste Unart darüber zu Grunde gehen; ja manches Wort sich selber nicht mehr ähnlich bleiben.

Auf einen so hitzigen Anfang, würde eine noch hitzigere Fortsetzung erfolget seyn: wenn nicht die Kritik mit einer sanften Rede, und bescheidenen Mine, die erzürnte Sprachkunst angesehen, und durch eine gelinde Vorstellung gebethen hätte, die Sache etwas genauer zu erwägen.

Es ist freylich etwas zu viel gefodert, sprach sie, mit einem lächelnden Blicke, wenn unsere werthe Gesellinn, die Gewohnheit, durchgehends auf ihr altes Herkommen dringt. Das Alterthum ist zwar allerdings ehrwürdig: und Deutschlands Sprache geht darinn allen heutigen Mundarten von Europa vor: allein von allen Fehlern ist es wohl in der That niemals frey gewesen; am allerwenigsten in der Sprache.

Darf ich also meine Meynung entdecken, so muß man in Verbesserung derselben die Mittelstraße gehen. Die Gewohnheit ist freylich sehr ansehnlich, wenn sie nur allgemein ist. Wer will sich wohl einer ganzen Nation verwägen widersetzen? Allein, in welchem Stücke ist wohl jemals ein ganzes Volk, zu allen Zeiten, eins gewesen? Der Pöbel, oder die Unwissenden, gehen nur gar zu leicht von einander ab; zumal wenn verschiedene Gränzen und Landschaften sie von einander trennen. Wer will hier alle Mundarten der Städte und Länder vereinigen? Die Regeln sind also nicht gar aus den [792] Augen zu lassen, wenn sie nur gute Gründe anführen, warum von zweyerley Schreibarten eine der andern vorzuziehen ist. Wohlan! wir müssen also beyde hören, und beyden gewisser maßen folgen. Lasset uns stückweise die Klagen der doppelten Buchstaben durchgehen, und einen unparteyischen Schluß fassen, in welchem Stücke man ihrem Verlangen Gehör geben könne oder nicht?

Durch eine so gesetzte Rede nun, ward nicht nur die eifrige Sprachkunst etwas besänftiget; sondern auch die Gewohnheit zu einiger Neigung zum Nachgeben vorbereitet. Sie giengen nunmehr alle drey die obgedachten Klagen durch; und nachdem sie alles überleget hatten, was für und wider die Änderungen in der Rechtschreibung gesaget werden konnte: so ward folgendes Gutachten abgefasset.

Abschied.

Wir, von dem großmächtigen Germanien zu Untersuchung einiger Streitigkeiten in der Rechtschreibung, verordnete Gevollmächtigte, befinden, nach reiflicher Überlegung, folgende Satzungen für recht.

1) Das aa soll nur in etlichen wenigen Wörtern, als Aal, Baare, Haar, Maaß, Maal, (SIGNUM) Paar, Quaal, Saal, Staar, Waare; imgleichen in denen ausländischen, die solches erfodern, als Aaron, Baal, Czaar, u.d.gl. statt haben; aller übrigen aber sich gutwillig begeben.

2) Das ck soll in allen Wörtern bleiben, wo ein kurzlautender, oder scharfer Selbstlaut unmittelbar vorhergeht, als wacker, wecken, spicken, Rocken, rücken, Mücken; sich hergegen aus allen Wörtern, wo ein Mitlauter vor ihm steht, wegmachen, und sein bloßes k zurück lassen. AlsBalken, stark, wanken, merken, Werk, wirken, Molken, dünken u.d.m.

[793] 3) Das dt soll sich aller Plätze enthalten, die es bisher, auf bloße Erlaubniß unwissender Schreiber, besessen; und künftig nur in Stadt, dem Zeitwortetödten, tödtlich, todt und ein Todter, nicht aber in dem Stammworte der Tod statt haben. Das Brod aber soll sich sowohl mit dem d, als dasSchwert mit dem t behelfen.

4) Das EE behält nach wie vor seine Rechte, auf die See, das Meer, die Seele, den Klee, dieGalathee, Schnee, Thee, leer, zween; u.d.gl. Aus Degen, und Segen aber, aus Flegel, Kegel und Segel, die ganz anders lauten, soll es auf immer verwiesen seyn.

5) Das ff soll sich aller Wörter enthalten, wo entweder ein langer Vocal, oder gar ein Doppellaut vorhergeht; imgleichen wo schon ein andrer stummer Buchstab die vorhergehende Syllbe schließt: Graf, Schaf, Schlaf, tief, schlafen, kaufen, helfen, werfen, Zunft: endlich aus dem Wörtchen oft, und der Endung schaft; als wo es keinen Grund zu einigem Rechte anführen kann. Wo es aber einen kurzen Mitlauter vor sich hat, als in raffen, schaffen, treffen, Griffe, hoffen, Stuffen etc. da soll es bey der bisherigen Gewohnheit bleiben.

6) Das gk soll sich künftig nur da finden lassen, wo es der Abstammung halber seyn muß; nämlich, wenn z.E. ein Nebenwort gütig, fertig, durch die Syllbe keit, in ein Nennwort verwandelt wird, als Fertigkeit, Gütigkeit, u.s.w. Aus allen Namen der Städte aber, als Augspurg, Außig, Leipzig, Nürnberg, Zörbig etc. auf ewig verwiesen seyn.

7) Das ll soll in allen Abkömmlingen von wollen und sollen, imgleichen in allen, die mitFall, alles, und voll zusammengesetzt sind, oder sonst einen kurzen Selbstlaut vor sich haben,wallen, schnellen, stillen, rollen, Füllen u.d.gl. verbleiben; und sich dagegen aus allen Syllben entfernen, wo entweder ein stummer Buchstab, oder ein langer Vocal, oder gar ein Doppellaut vorhergeht.

[794] 8) Das nn soll in den SUPINIS von nennen, können, brennen, den Platz wieder einnehmen, den ihm das dt bisher entzogen, als genannt, erkannt, gebrannt. Imgleichen soll es in allen Abkömmlingen von können, undgönnen, und nach allen kurzen Selbstlauten, alsbannen, Tannen, rennen, trennen, rinnen, Nonnen, Brunnen, wo man es vielfältig ausgestoßen; endlich auch in allen Wörtern, die in der Verlängerung einer Verdoppelung nöthig haben, wieder seinen Sitz einnehmen, als Kaiserinn, Kaiserinnen, Königinn, Fürstinn, Gewinn, Kinn, Sinn etc.

9) Das OO soll bey seinen alten Rechten bleiben, aber durchaus keine neue Stelle haben; und daher, weder in groß, noch in los, Stoß, u.d.gl. sich einzudringen suchen: weil es sonst auch in hoch, Brod, Noth und Tod sich würde aufdringen wollen.

10) Das ss soll sich mit einem ß so vergleichen, daß jenes allezeit in der Mitte der Wörter, zwischen zween Vocalen; dieses aber am Ende solcher Syllben, wo entweder nichts mehr, oder doch ein stummer Buchstab folget, seinen Platz einnehme. Imgleichen soll dieses letzte alle Nennwörter, die sich auf endigen, das Beywort weiß, ferner Fluß, Fuß, Fleiß, Gruß, Guß, Muß, Ruß, Schluß u.d.gl. besitzen, die in der mehrern Zahl ein ss haben: hingegen aus allen verbannet seyn, die in ihrer Verlängerung das einfache s haben; alsPreis, Reis, Greis, Haus, Hals, Maus, Graus, Mus, u.d.gl.

11) Das th soll überbleiben, wo es nach Art der Alten die Stelle des hebräischen ת, des griechischen θ, oder des plattdeutschen D vertritt, als Thränen, Thier, Thüre, Thron, That, Thor, Thal, Thon, (LUTUM) Rath, Muth, Gemüth, Noth, roth etc. und hingegen aus Geburt, Gut, Blut, Ton, (TONUS) u.s.w. gänzlich verbannet seyn.

12) Das Tt soll sich aus Blutt, Gutt, Gütter, Gemütter, u.a. dergleichen, wo es sich einzudringen gesuchet, ganz [795] entfernen; hergegen inGott, Spott, Rotte, und überall bleiben, wo ein kurzer Vocal vorhergeht.

13) Das Y bleibt überall in denen Syllben, die entweder in ey am Ende stehen, oder doch dahin zu stehen kommen können, und doch kein ü leiden, alsbey, zwey, drey; imgleichen zum Unterschiede, als in freyen, und meynen, und allen ihren Abkömmlingen. Es entferne sich aber, wo diese Ursachen aufhören, aus Eid, Leid, Neid, Eifer, Pein, und Kaiser (von καισαρ) u.d.gl. Durchaus aber soll sichs nicht unterfangen, die Stelle eines ü, z.E. in Fryhling, oder Syndfluth einzunehmen: und diese Neuerung soll hinter die rauhesten Alpen verbannet seyn.

14) Das tz soll nur nach einem kurzen Vocal, als Katzen, setzen, Witz, trotzen, putzen, Schutz, Blitz, anstatt eines doppelten Z bleiben; hergegen überall weichen, wo ein stummer Buchstab, oder ein Doppellaut vorhergeht; alsHerz, Schmerz, reizen, schneuzen, u.s.w.

Wie wir nun dieses alles, nach genauer Untersuchung, für billig, und der reinen hochdeutschen Sprache gemäß erkannt: also wollen und verlangen wir, daß die Kläger sich in allen Fällen darnach achten; auch bey vorfallenden Schwierigkeiten, unsere weitere Belehrung erwarten sollen. Wie Recht ist, von Rechts wegen.

Dieses waren nun die hauptsächlichsten Schlüsse, welche in der ersten Versammlung abgefasset wurden. Die Richterinnen ließen selbige den Klägern zustellen, und erlaubten ihnen, nach genugsamer Überlegung, ihre Läuterungen einzugeben, oder sich wohl gar auf das großmächtige Germanien selbst zu berufen; behielten sichs aber vor, demselben mit ehestem die ausführlichen Gründe zu entdecken, welche sie zu diesem Urtheile gehabt hatten.

III Anhang

[796] III Anhang.
Schreiben an die sel. Frau Prof. Gottschedinn,
aus den vergnügten Abendstunden.

Wolgebohrne Frau,

Große und Vornehme Gönnerinn!


Eure Wolgebohrnen stelleten sich wohl nichts weniger vor, als in diesen Blättern ein Schreiben zu erblikken, wobey der hochmüthige Verfasser die Absicht gehabt, daß es an sie gerichtet seyn sollte.

Sie werden mir diese Freiheit hochgeneigtest erlauben, um so mehr, da ich sagen kann, daß sie selbst diejenige sind, die mir zu dem Hauptinhalte desselben den ersten Anlas gegeben.

Ew. Wolgeb. erzeigten mir die Ehre, wie ich das letztere Mahl das Glück hatte, mich in Dero lehrreichen Gegenwart zu erbauen, mich mit ausdrüklichen Worten unter die NOVATORES der deutschen Rechtschreibung zu zählen. Ich leugne nicht, daß ich von der gemeinen Weise bishero sehr weit abgegangen, und aus den Regeln der neuern Rechtschreiber entweder viele angenommen, oder mir auch selbst besonders welche formiret. Ich leugne aber auch nicht, daß ich mir noch zur Zeit kein besonderes System bauen können, worauf sich meine Rechtschreibung einmal für allemal sicher gründen möchte.

Diejenigen, welche Vorschriften oder Regeln in dieser Sache gegeben, sind gar zu uneinig; der Gebrauch ist durchgehends [797] gar zu unterschieden, und wo ich mich nur hinwende, da treffe ich nichts, als was neues, was abweichendes und was besonderes an. Ich selbst habe noch niemals recht mit mir einig werden können, weil ich in der Art, dieses oder jenes zu schreiben, so wohl Gründe für, als wider mich gefunden.

Wie sehr wäre es zu wünschen, in diesem Stükke unter uns Deutschen, so viel als möglich, eine algemeine Gleichförmigkeit hergestellet zu sehen? Es würde dadurch die Sache nicht nur für Ausländer, die unsere Sprache lernen müssen, sondern auch selbst für die Bürger unsers Vaterlandes, wenigstens fürs Frauenzimmer und für Ungelehrte, um ein merkliches erleichtert werden.

An einer Gleichförmigkeit aber zu arbeiten, kann meines Erachtens nicht füglicher geschehen, als wenn man sich bemühet, solche Regeln zu sezzen, wogegen sich am wenigsten einwenden lässet; der Ausnahmen immer weniger zu machen, und übrigens die Fälle, so viel als sich thun lässet, genau zu bestimmen; wo einer Abweichung von der Regel Raum gegeben wer den mus.

Ew. Wolgebohrnen haben mich nunmehro bewogen, mein orthographisches Glaubensbekäntniß abzulegen. Ich werde es zu Papire bringen, und vermöge der Erlaubnis, die in dem ersten Blate dieser nüzlichen und wohlangewendeten Abendstunden einem jeden ertheilet worden, solches dem Verleger übergeben, daß er es durch den Druck gemein machen möge.

Ew. Wolgebohrnen unterwerfe ich solches zur öffentlichen Prüfung, nicht etwa einen unnüzzen und hartnäkkigen Federkrieg darüber anzufangen: denn meinethalben mag die ganze Welt schreiben, wie sie wil! sondern mir und dem ganzen Publico, so weit diese Blätter kommen, Gelegenheit zu verschaffen, das Urtheil einer Person zu erfahren, die weniger Ehrgeiz besizzet, als nur bloß Wiz und Gelehrsamkeit bei einer Sache zu zeigen, die nicht verdienet, mit lauter künstlichen und sinnreichen Einwürfen traktiret zu werden.

[798] Ich weis wohl, daß man die Mühe um die Orthographie als eine Kleinigkeit ausschreiet, und diejenigen auf der verächtlichen und lächerlichen Seite vorzustellen suchet, die sich mit diesem Kapitel der Sprachkunst beschäfftigen. Noch dieser Tagen sind mir dergleichen hochmüthige Ausflüsse eines verstopfeten oder vielmehr verunreinigten Gehirnes zu Gesichte gekommen, durch die Feder eines Mannes, der da verlanget, daß man von ihm glauben sol, er sey ein Deutscher.

Wir wollen ihm und Konsorten, weil Unterricht bei eingenommenen Leuten nichts verschläget, zugeben, daß es Kleinigkeiten sind. Ich hoffe nicht, daß Ew. Wolgebohrnen sich an ein Urtheil, das weit kleiner ist, als die Sache, die es betrifft, im geringsten stossen werden. Wanneher ist es Ihnen Schande gewesen, auch in Kleinigkeiten gros zu seyn?

Erwarten sie keine SYLLOGISMOS von mir, Ew. Wolhgeb. zu überzeugen, daß sie schuldig sind, meinem Bitten Gehör zu geben! Dieses könte nicht geschehen, ohne Dero Lob zu berühren. Dero Bescheidenheit drohet mir mit Unwillen, und Dero Lob überlasse ich fürstlichen Personen. Denken Ew. Wolgebohrnen nur an den Namen einer großen Gottschedin, so haben sie Bewegungsgründe genug, ohne Bedenken einen Beruf zu übernehmen, wodurch auch andere in den Stand gesezzet werden können, mit Dero Pfunde zu wuchern.

Die Vorsicht, welche Ew. Wolgebohrnen mit so vieler Tugend, mit so vielen Wissenschafften, Sprachen und andern herrlichen Vorzügen ausgerüstet, segne die Blüte Dero jugendlichen Alters, und lasse sie zu Nuzzen der Welt bis auf die spätesten Zeiten nicht nur eine seltene und erhabene Zierde ihres Geschlechtes, sondern auch eine Lehrerin des unserigen seyn. Ich verharre mit wahrhaftester Verehrung,


Ew. Wolgebohrnen

gehorsamster Knecht.

[799] Antwort der Frau L.A.V. Gottschedinn.
Anmerkungen, über die eben daselbst befindlichen Abhandlungen von der Rechtschreibung 1.

Eure H. haben sich entschlossen, in den erfurtischen Abendstunden einen Brief an mich einzurücken, in welchem sie mich zur Beurtheilung ihrer orthographischen Regeln aufruffen. Ich kann in der That nicht begreifen, was sie zu diesem Entschlusse bewogen hat. Unter so mancherley Gestalten ich auch der Welt, durch, oder ohne mein Verschulden, bekannt seyn mag: so ist es, meines Wissens, doch niemals unter einer grammatikalischen geschehen. Es ist, deucht mich, genug, wenn ein Frauenzimmer, das, was sie schreibt, richtig zu buchstabiren weis: und ich habe oft mit Betrübniß gesehen, daß der Himmel diese Gabe, so wenig allen dero Mitbrüdern, als allen meinen Mitschwestern, ertheilet hat. Allein, von einem Frauenzimmer Rechenschaft ihrer Rechtschreibung zu fodern; ja sie so gar zur Richterinn einer neuen Orthographie zu machen: das ist, meines Erachtens, zu viel gefodert.

Jedoch, manche Leute gehen noch weiter, und meynen, die ganze Sache sey eine Kleinigkeit. Haben sie dieses aus philosophischer Vorsichtigkeit gethan, um den eiteln Stolz zu dämpfen, den das angetragene richterliche Amt, etwan in mir erwecken könnte, und mich zu diesem Unternehmen desto herzhafter zu machen: so lobe ich ihre Klugheit; und versichere sie, zu ihrer Beruhigung, daß sie ihren Zweck, in Absicht auf das erste, erreichet haben. Sonst aber, halte ich es noch diese Stunde für etwas sehr schweres, eine Orthographie zu schreiben; zumal itzo, da ein jeder sich, so zu [800] reden, eine eigene Leib- und Hausorthographie machet, und ohne, daß er eben anderer Gründe geprüfet hat, die Sache dennoch besser wissen will, als die Vorgänger; und dieses bloß, um das Vergnügen zu haben, etwas neues auf die Bahne zu bringen. E.H. sehen wohl, daß ich nicht dieser Meynung seyn kann. Eine Wissenschaft oder Kunst, sie scheine so geringe zu seyn, als sie wolle, auf feste Regeln zu setzen, das ist keine Kleinigkeit; sondern ein wichtiges Werk, im Absehen auf alle diejenigen, denen durch eine solche Vorarbeitung unsäglich viel Mühe und Ungewißheit ersparet wird. Die Rechtschreibung aber ist eine Wissenschaft, ohne die man heute zu Tage auch fast nicht einmal ein elender Scribent seyn kann. E.H. sind viel zu scharfsinnig, als daß ich nöthig hätte, mein ERGO weiter auszuführen.

Alle Kleinigkeiten sind einmal groß gewesen. Wer ist Bürge dafür, daß sie nicht wieder einmal wichtig werden können? Zu König Alfreds Zeiten, war in ganz England kein Mensch, der diesen jungen Herrn konnte buchstabiren lehren, und man mußte einen eigenen Grimbald, mit großen Kosten, übers Meer kommen lassen: dem man neben dem Vortrage des A B C, nichts minders aufzutragen wußte, als die Regierung des Landes. Damals hatte die Barbarey die erwünschte Wirkung für die Herren ORBILIOS: daß, wenn ein Grammaticus durch ein Land zog, es nicht anders war, als wenn ein Lykurg, Solon oderNuma ankäme, das menschliche Geschlecht durch neue Gesetze glücklich zu machen.

Dem sey wie ihm wolle: gewissen Leuten gelingt es, durch Kleinigkeiten groß zu werden: und wer weis, ob nicht auch mir dieser selige Weg noch offen steht; da es sonst auf keine Art recht fort will. Nur das richterliche Amt verbitte ich auf das äußerste. Mein Geschlecht und meine Fähigkeit schließen mich gleich stark davon aus: und wir leben ohnedieß in einer Zeit, wo man keinem Ausspruche gehäßiger ist, als dem entscheidenden Machtspruche: so soll es seyn!

[801] E.H. haben daher alles, was ich bey Gelegenheit ihrer Rechtschreibung sagen werde, für nichts anders anzusehen, als für eine Probe, was etwa dem Vorwitze, oder auch der bloßen Erfahrung, dabey einfallen könnte. Ich werde aber nichts sagen, was ich dem allgemeinen Frieden, den ich mit der ganzen Welt zu halten wünsche, so sehr vorziehen sollte, daß ich mich in den geringsten Krieg darüber einlassen würde. In dem kleinen Pfunde, das mir der Himmel verliehen, ist nicht ein Quentchen von derjenigen Halsstarrigkeit befindlich, die zur orthographischen Märtyrerkrone erfodert wird. Ich lebe in Obersachsen, und gehe alle Abende mit dem ruhigsten Gewissen von der Welt zu Bette, ungeachtet ich den ganzen Tag das s vor den Mitlautern, wie ein sch ausgesprochen, und schtehlen, schterben, schprechen, schtampfen, u.s.w. gesaget habe. Lebte ich in Niedersachsen; so würde ich freylich das Vergnügen der innern Ueberzeugung genießen, wenn ich das s scharf aussprechen dörfte. Allein, daß ich dieses Vergnügen auch allemal der Furcht ein Sonderling zu seyn, nachsetze, das würde ich damit beweisen: daß ich an eben dem Orte, ohne alles Bedenken, mit andern auch sagen würde, der Swerdtfegerjunge hat dem Sneider ein Fenster eingesmissen und ihn einen Slingel geheißen; ungeachtet diese Aussprache gewiß falsch ist.

Was will ich nun mit allem diesem sagen? nichts mehr, als daß ich, in meinem Leben, mich allemal befleißigen werde, so zu buchstabiren, wie ich es bey den besten Schriftstellern finde; das heißt, bey denen ich den meisten Grund ihrer Rechtschreibung zu finden glaube. Ich werde also weder den Cajus, noch den Sempronius, zu meinem Götzen machen; sondern in einem Worte, wie jener, in einem andern, wie dieser, schreiben: auch wohl beyde verlassen, wenn ich in der Rechtschreibung eines dritten mehrern Grund sehe. Allein, eine Rechtschreibung für die Deutschen überhaupt zu schreiben, das würde mir nicht in den Sinn kommen; gesetzt, [802] daß ich die allein selig machende Orthographie unstreitig ausgefunden hätte, und dieses so deutlich beweisen könnte, als daß 2mal 2, 4 ist. Ich werde andere Schriften, die anders buchstabiret sind, als ich es für recht halte, mit aller Unparteylichkeit lesen: eines gewissen Gelehrten, (D. Baumgartens) Werke aber, lebenslang ungelesen lassen; indem seine Rechtschreibung mit seiner sonst großen Gelehrsamkeit, ein offenbarer Widerspruch ist. Jedoch werde ich deswegen nicht das mindeste von derjenigen Hochachtung verlieren, die ich seinen Verdiensten schuldig bin.

E.H. sehen wohl, daß ich aus eben diesen Gründen, mich der Entscheidung enthalten muß, die sie mir aufzutragen beliebet haben. Sie wagen es, eine Rechtschreibung für die Deutschen zu schreiben. Sie wer den erfahren, ob man selbige so gelassen annehmen wird: und damit sie je eher je lieber davon eine Probe erhalten mögen; so will ich, mit dero Erlaubniß, die erste seyn, die in den allerwenigsten Stücken mit ihnen zufrieden ist.

Bey dem ersten § des ersten Artikels finde ich den Satz, daß alle Niedersachsen das Hochdeutsche gleich aussprechen. Wenn dieses auch wäre: so wäre es darum noch nicht ausgemachet, daß sie es auch besser aussprächen. Das wäre ein anders, ob nicht ein Niedersachs, der 15, 20 und mehr Jahre in Obersachsen gelebet hat, das Hochdeutschebesser, als ein gebohrner Obersachs, sprechen würde? Daß aber diejenigen Niedersachsen, die wenig oder gar nicht aus ihrem Lande gekommen, das Hochdeutsche besser aussprechen sollten, als die eingebohrnen Obersachsen selbst, das ist ein Satz, dazu ein ziemlicher Köhlerglaube gehöret. Allein, daß auch nur alle Niedersachsen das Hochdeutsche gleich gut aussprechen, solches ist, nach der Erfahrung, die man in Obersachsen davon hat, schwerlich zu beweisen. Niedersachsen hat sowohl, als Oberdeutschland, in jeder Landschaft, eine besondere Aussprache; wenigstens in vielen Wörtern: und es wird uns hier eben so leicht, in einer Gesellschaft, bloß nach [803] der Aussprache zu urtheilen: der ist ein Hanoveraner, der ein Holsteiner, dieser ein Braunschweiger, dieser ein Mecklenburger, jener ein Westphal, jener ein Pommer u.s.w. als, es ihnen allerseits anzuhören, daß sie Niedersachsen sind.

Das Ende dieses § scheint mir dem Anfange desselben ins Gesichte zu widersprechen. Es heißt oben:man soll so schreiben, wie man ausspricht; hier aber: man soll keinen Buchstaben weglassen, der in der Aussprache auch gleich nicht gehöret wird. Muß ich nämlich alsdann nicht auch das schreiben, was ich nicht ausspreche?

Dieser Widerspruch zeuget sogleich einen Sohn, der dem Vater gleiches mit gleichem vergilt, und ihn eben so Lügen strafet, als er es dem seinigen gethan. Es heißt im 2 §: alle überflüßige Buchstaben, die im Reden nicht gehöret werden, müssen im Schreiben wegbleiben. Hiebey habe ich nur ein Paar kleine Fragen zu thun: Wo bleibt die Analogie? wo die Etymologie? Wollen wir so undankbar seyn, und sie für nichts rechnen? sie? denen wir gleichwohl den Verstand der Wörter, ja oftmals wichtige Entdeckungen zu danken haben? Eben das schiebe ich E.H. bey den folgenden Worten ins Gewissen: Was man mit einem Buchstaben verrichten kann, dazu soll man nicht zween nehmen. Wie? wenn die Etymologie widerspricht? wo wollen sie Schutz wider dieselbe finden? Wenn ich z.E. hier täglich höre, ich globe (für ich glaube) die Kleeder, die Steene, die Beene, (für Kleider, Steine, Beine;) sollte ich auch so schreiben? Sie wollen ferner Lam und nicht Lamm geschrieben haben. Ich wäre es gern zufrieden; wenn nur der PLURALIS auch Lämer hätte, und nicht Lämmer. Da es aber in AUGMENTO VOCIS, (wie wir GRAMMATICI reden) Lammes und Lämmer hat: so muß es auch nothwendig schon im NOMINATIVO SINGULARI ein doppelt m haben: nicht nur zur Verlängerung des VOCALIS: denn die deutschen Selbstlauter sind schon an sich selbst lang, wenn kein doppelter CONSONANS folget; sondern nach der obigen Regel, daß ich [804] schreiben soll, was ich in der Aussprache höre. Nun höre ich in dem Worte Lamm was anders, als Lam, z.E. ein lames Lamm. Es kömmt auch das verdoppelte m nicht zum Zeichen des GENITIVI; denn das Zeichen des GENITIVI ist die bloße Syllbe es: sondern weil es keinen stummen Buchstaben gewinnen kann, der nicht schon im NOMINATIVO gewesen, z.E. von Mann, Mannes, von Weib, Weibes, von Mensch, des Menschen, von Herr, des Herrn, und so mit allen, sonder Ausnahme.

Ganz anders ist es mit dem Worte Ambt, oderAmpt, vom alten Ambacht, welches einen Diener, oder eine Bedienung bedeutete: denn, hat man schon die Syllbe acht weglassen können; so mag das b sich auch abführen. Nur daß es deswegen wegbleiben sollte, weil der zehnte die Etymologie des Worts nicht weis, das klingt unbarmherzig! Eben aus der Orthographie müssen die neun übrigen die rechte Sippschaft der Wörter lernen. Daß z.E. der Aermel von Arm, Aeltern von alt, der Vätter von Vater, dieWälschen, von Wallen, Wahlen, Wallonen, Wallonischen, Wällischen, herkommen, das zeiget das ä an, womit man sie schreibt. In diesem Stücke eben zünden einem die alten Handschriften oftmals ein Licht an, daß man den Ursprung der Wörter einsieht, davon man oft gar keine Ableitung erforschen können. So findet man in alten MStIS des XIV Jahrhunderts, das Wort Becher mit dem ä geschrieben; denn es kömmt vomBache, daraus man ehedem mit einem Bächer geschöpft, und, wie Opitz sagt, Bach getrunken. Was in eben diesem Absatze, von den Wörtern am und an gesaget wird, das muß ganz allein von Niedersachsen gelten: denn alle Thüringer, Schlesier und Meißner sagen ahn, wie gethan, dieBahne, der Wahn. Ja die Schlesier sagen gar, ich bihn; weil bin nur ein einfaches n hat. Kann aber muß eben darum ein doppeltes n haben, weil das a einen ganz kurzen und scharfen Ton hat: zu geschweigen, daß können ausdrücklich eine Verdoppelung erfodert. [805] Jedoch, was suche ich eine Sache von neuem zu beweisen, die in der kritischen Beyträge, 2 B.a.d. 669 S. bereits gegen allen Widerspruch gerettet ist, auch seitdem von allen Sprachkennern beobachtet worden.

Bey der vierten Num. dieses §. erschrecke ich über einen unerhörten Fremdling, der so ausländisch aussieht, daß ich fast zweifele, ob er mit zu unserer Welt gehöret. Sie merken vieleicht, daß es der Kontext ist; jedoch ich werde weiter unten, von ihm und seinen Landsleuten, ein Wort mit E.H. sprechen.

Von der 5ten Num. gilt eben das, was von der zweyten galt. Muß man sollen und nicht sohlen sprechen; so muß man auch soll und nicht sol schreiben: so wie oben Lamm und nicht Lam. Die Verlängerung verdoppelt die CONSONANTES nicht, und wo einerley Ursache ist, da muß auch einerley Schrift seyn. Die Tonne klingt ganz anders, als dieTone.

Bey der 6ten Num. kann allerdings aller Barden und Druiden Beyspiel das ff im Worte auf nicht nothwendig machen. Au ist ein langer Doppellaut, und macht die Syllbe schon an sich selbst lang genug: welches meines Erachtens, die wahre Ursache ist, so hier hätte angegeben werden können.

Bey der 3ten Regel bitte ich mir nur eine Erklärung aus, von welchem Lande E.H. reden? Alle Provinzen verschlucken andere Buchstaben. Auch die Herren Niedersachsen habe ich oft ganze Syllben verschlucken hören, und sie sind ihnen ganz wohl bekommen. Aber dagegen verlängern sie auch bisweilen die Wörter mit ganzen Syllben. Z.E. ein Westphal saget fürMenschen, Mensechen, u.s.w.

Die Anmerkung, daß man Fra und nicht Fraw, schreiben soll, zeigt die schönen Früchte von der Folge der Aussprache: und mir kömmt dieß Wort eben so vor, wie die schlesische Mahme fürMuhme. Diese schreiben unfehlbar auch, wie sie sprechen; aber ist es recht? Jener Bayer saget: Ich schraib wie ich sprich. EUGE, BELLE, BENE! Es fraget sich nur, ob [806] man recht spricht? und aus welcher Landschaft man ist? Jedoch es ist hoffentlich ein Spaß, und für mich ein Beweis: daß die werthesten Herren Niedersachsen, nicht nur Buchstaben, sondern gar VOCALES verschlucken: denn Fra und Fraenzimmer, sagt kein Obersachs, auch kein Oberdeutscher.

Bey der 2ten Num. dieses §. ist es gewiß, daß die Abkürzung Ew. von den Alten auf uns gekommen ist; nicht aber, daß diese Alten das w für ein u geschrieben. Sie brauchten es für ein u und v zugleich. So findet man in alten MSTIS euver, Treuve. Sie sprachen es auch so aus, und von ihnen kömmt es her, daß die Engländer das W DUBBEL U nennen, und es auch so aussprechen. Die Anrede ihre Excellenz, ihre Magnificenz, für Eure Excellenz, Eure Magnif. ist falsch; und wenn es auch alle Ober- und Niedersachsen so schrieben. Sie schreiben es aber nicht so: und ich berufe mich auf die besten Schriftsteller, in beyden Theilen unsers Deutschlandes. Die Kanzeleyen der großen Herren, haben immer Eu. Liebden, Eure Gnaden, Eure Durchl. Eure Majestät, wie ich selbst dergleichen Schreiben von Nieder- und Obersächsischen Höfen gesehen. Und wenn ja einige Schreiber aus Unwissenheit, oder aus übel angebrachter Höflichkeit, Ihre dafür setzen, so beweist es doch nichts mehr, als wenn einige Niedersachsen sagen: ich komme zu dich; oder einige Obersachsen, ich bitte ihnen, ich komme zu sie. Die dritte Person kann nicht eher die andere werden, als bis man 1. 3. 2. zählen wird. Zu geschweigen, daß das Ihre bey einer Mannsperson einen Misverstand machet; indem ihre Majestät, unstreitig der Königinn Maj. bedeuten muß.

In dem 2 §. ist die Anmerkung allerdings richtig, daß man gegenwärtig, von Gegenwart, bändigen, von Band, u.s.w. schreiben soll: allein, wer hier die Etymologie verehret, der hätte es auch oben, bey der 2ten Num. thun sollen. Bey der Anmerkung aber, kömmt schließen nicht vonSchluß her, und genießen nicht von Genuß; sonsten [807] müßte es schlüssen, genüssen, heißen: sondern weil es ein VERBUM IRREGULARE ist, das im SUPINO en hat. Diese VERBA verändern die VOCALES, wie alle Beyspiele zeigen. Z.E. ich spreche, ich sprach, sprich, gesprochen, der Spruch. Ich nehme, ichnahm, nimm, genommen. So auch ichschließe, ich schloß, schleuß, geschlossen, der Schluß. Betrug ist auch nicht die RADIX von betrügen; sondern der IMPERATIVUS, treug.

Bey dem 3 §. ist noch ein Zweifel unbeantwortet gelassen, ob man nämlich Fürstlich oderfürstlich, Hannöverisch oder hannöverisch, schreiben soll? Das letzte scheint mir den Vorzug zu verdienen; weil man auch englisch, himmlisch und göttlich, als bloße Beywörter, klein schreibt.

Bey dem 6ten §. versichere ich E.H. daß unser y ganz gewiß ein deutscher und sehr nothwendiger Buchstab, oder vielmehr DIPHTHONGUS, sey; ungeachtet ich es, weder ein geschwänztes i, noch ein Endigungs i nennen kann. Es ist ein i und j auf einmal. So haben es die Alten gebrauchet; so finden wir es in den ältesten Mspten, und so brauchen es noch die Engländer und Holländer, wenn sie es wie ei aussprechen. Denn eben so, wie oben das w aus u und v zusammengesetzet war; so ist auch dieser Buchstab aus i und j zusammengesetzet. Dieß ist leicht mit einem Exempel aus dem ältesten deutschen Dialekte, den wir noch kennen, ich meyne aus dem gothischen, zu beweisen. Wir schreiben das Wort freyen, einen Freyer mit einem y, und das zwar recht. Die Ableitung des Wortes kömmet aus dem gothischen frijan, lieben, davon auch Frijond, einFreund, oder Liebhaber des andern, kömmt. Im 6ten Cap. des Evang. Lucä im 27 v. heißt es: FRIJOD THANS HATANDANS IZVIS, DILIGITE INIMICOS VESTROS, freyet, (d.i. liebet) die euch Hassenden. Davon ist die Göttinn der Liebe Freya, imgleichen der ihr geweihte Freytag, DIES VENERIS, hergenommen; und wir müssen also alle diese Worte mit einem y schreiben. Das Ypsilon der Griechen hat hier nichts zu thun: und man hat unser deutsches y nur [808] darum dazu genommen, weil wir sonst keine andere Figur dazu hatten, man müßte denn das ü dazu brauchen. An sich selbst ist es ein deutscher Buchstab, ja besser ein Doppellaut, der halb ein Vocal, halb ein Consonant ist, z.E.Eya, klingt nicht anders, Ei ja: und so in andern; ob es wohl hernach bisweilen gelinder ausgesprochen worden.

Zum Beweise, daß die Alten das y wirklich an denen Orten gebrauchet, wo es die Stelle von ei vertreten sollte, will ich Eur. H. ein kurzes Exempel aus einer Handschrift, von der hochfürstlichen Gothaischen Bibliothek, anführen; welche ich, in gewisser anderer Absicht, mir seit einiger Zeit bekannt machen müssen. Es ist der Friegedang, oder Freydank, und die Stelle heißt so:


Wo ein Dorf ist one eyt

Do weis ich das es öde lyt

Niemand mag zu langer Zeit

Große Ere haben one lyt u.s.w.


Ich kann auch nicht läugnen, daß ich das y für einen wahren Zierrath unserer Schriften halte. Ein Wort, das sich mit einem i schließt, das kömmt mir wie ein verächtlich kleines Städtchen vor, so Tag und Nacht offen steht. Es wäre mir also sehr leid, wenn E.H. an diesem guten Buchstaben zu einem andern Herostratus werden sollten. Doch, das wird hoffentlich so bald noch nicht geschehen. Die besten berlinischen, hamburgischen und andern niedersächsischen Schriftsteller, haben es noch nicht verbannet; und das Ansehen, darinn ihr guter Geschmack steht, ist mir Bürge wider meine Furcht.

Nunmehr komme ich an die Herren Ausländer. Mein Gott! welch ein Volk! Konsonant, Kajus, Kurzius, und wenn ich noch einige herbey rufen darf, Knejus, Paterkulus, Lukullus, Szipio, Zizero, Disziplin, Diskretion, konfisziren, korrigiren, u.s.w. Diese und alle ihre unzähligen Mitgesellen, die man in unsere Häuser führen will, scheinen mir verdächtige Leute zu seyn; die sich mit irgend [809] einer heimtückischen Absicht in unsere Schreibstuben einschleichen wollen. Ich habe sie ein wenig genau betrachtet, und mich dünket, sie sind willens, das ungeübte Frauenzimmer zu überraschen; damit es künftig nicht leicht einen Schnitzer hinschreiben könne, aus Unwissenheit, ob das Wort lateinischer oder deutscher Abkunft sey? Scherz bey Seite! als ich diese Wörter zum erstenmal ansah, so dachte ich bey mir selbst: siehe! hier ist mehr denn Zesen! und ich wundere mich, wie E.H. die im Anfange Ihrer Orthographie, einen so löblichen Eifer wider alle diejenigen blicken lassen, die die Reformation zu hoch treiben, und das deutsche Israel verwirren, an den ehrlichen Bruder Johann in dem Mährchen von der Tonne nicht gedacht haben; der mit Vernichtung aller Zierrathe so weit gieng, daß er sich Löcher ins Kleid riß. Ich halte es mit dem Bruder Märten; der blieb hübsch in der Mittelstraße. Diese Schleuse, die E.H. hier eröffnen, wird unsere Muttersprache mit einer Sündfluth seltsam gestalteter Wörter überschwemmen: zu deren geduldigem Anblicke unsere Gesichtsnerven sich fast in andere Falten werden biegen müssen. Die römische Monarchie hat fast 20 Jahrhunderte gestanden, und ihre Sprache ist, auch nach ihrem Verfalle, von den Gelehrten über die 1000 Jahre geredet und geschrieben worden; und sie hat sich immer noch ohne das griechische k behelfen können. Warum wollen Sie denn itzt dieselbe mit einem Schatze bereichern, den niemand von Ihren Händen fodert? und ihr ein Geschenk darbringen, dafür sie sich nicht einmal bedanken kann? indem diejenigen, welche die Schiedsrichter wären, ob sie es brauchen kann, oder nicht, lange verfaulet sind; und ich ihren Nachkommen nicht rathen wollte, dergleichen Gütigkeit anzunehmen. Wie wäre es aber, wenn man auf diesem Wege hübsch fortgienge, und nicht nur das C, als einen lateinischen Gast, in unserer Sprache, sondern auch das x, und ph als einen griechischen, wegjagte; und folglich nicht Kontext, sondernKontekst, Konveks, Kserkses, Ksanthus, Ksantippe, Ksenofon, [810] Konneksion, Kruzificks, u.s.w. schriebe? Was sagen Sie selbst zu diesem Zigeunergesindel?

Was E.H. bey der 8 Regel setzen, das gehöret für den Sprachlehrer, und kann von dem Orthographo nicht ausgemacht werden: als welcher nicht bestimmet, wie die Wörter heißen und abgeändert werden; sondern nur bloß, wie man die einmal festgesetzten schreiben soll.

Es wird Zeit seyn, daß ich aufhöre, oder der Buchbinder muß meinen Brief eher zu lesen bekommen, als E.H. Finden Sie meine Anmerkungen unnütz und zu weitläuftig, so sind Sie mit mir völlig einerley Meynung. Finden Sie dieselben zu naseweis, so belieben Sie Ihr strenges Herrschaftsrecht an ihnen auszuüben, und sie zu vernichten, ehe sie das Licht der Welt erblicken. Finden Sie sie aber, wider Vermuthen, erträglich, und sind begierig, mehrere zu sehen; so kann ich Ihnen vieleicht künftig auch über die Folgen Ihrer Orthographie meine Gedanken mittheilen.

Eur. H. aber fällen von gegenwärtigen Blättern, welches von obigen drey Urtheilen Sie wollen, so soll mich keines abhalten, allezeit zu seyn. u.s.w.


Ende.

Fußnoten

Note:

1 Diese Antwort ist 1748 geschrieben worden, ehe noch meine Sprachkunst ans Licht trat.

[811]

I Register

I Register.
Verzeichniß der erklärten Kunstwörter

Ablativus, die sechste, oder Nehmendung 206
Accusativus, die vierte oder Klagendung 206
Activum VERBUM, die thätige Gattung der Zeitwörter 344
Adjectivum, ein Beywort 196
Adverbia, Nebenwörter 200, 430
AFFIRMANDI, des Bejahens 443
COMPARATIONIS, der Vergleichung 441
INTERROGANDI, des Fragens 442
LOCI, die einen Ort andeuten 434
NEGANDI, des Verneinens 443
ORDINIS, der Ordnung und Unordnung 440
QUALITATIS, der Beschaffenheiten 437
QUANTITATIS, der Größe 439
TEMPORIS, die eine Zeit anzeigen 435
Analogia, die Ähnlichkeit in den Sprachen 40, 117
Anastrophe, die Umkehrung 604
Antithesis, die Vertauschung 604
Aphæresis, die Enthauptung 601
Apocope, die Stutzung 602
Appellativa NOMINA, gemeine Benennungen 216
Articulus, ein Geschlechtswort 204
DEFINITUS, das bestimmte 204
INDEFINITUS, das unbestimmte 204
Auxiliaria verba, die Hülfswörter 349
Casus, die Endungen 205
Colon, ein Doppelpunct 144
Comma, ein Strichlein, Beystrich 147
Comparativus, siehe Gradus.
Conjugatio, die Abwandelung 344
Conjunctiones, Bindewörter 201, 449
[812] Consonantes, Die Mitlauter 79
Crasis, die Zusammensetzung 604
Dativus, die dritte, oder Gebendung 206
Declinatio, die Abänderung 205, 269
Defectiva, mangelhafte Wörter 308
Diphthongi, die Doppellaute 83
Enallage, die Verwechslung 604
Epenthesis, das Einschiebsel 600
Etymologia, die Wortforschung 59, 191 ff.
Genera Nominum, Geschlechter der Hauptwörter 197 f., 247
Verborum, Gattungen der Zeitwörter 344
Genitivus, die Zeugendung 206
Genus, MASCULINUM, das männliche Geschlecht247
FÆMININUM, das weibliche 247
NEUTRUM, das ungewisse 247
Gradus comparationis, Vergleichungsstaffeln 293, 304
POSITIVUS, die erste 304
COMPARATIVUS, die zweyte 304
SUPERLATIVUS, die dritte Staffel 304 f.
Idiotismi, Kern- und Gleichnißreden 606
Interjectiones, Zwischenwörter 201, 451
Metathesis, die Versetzung 603
Metrum, das Syllbenmaaß 634
Modi Verborum, die Arten der Zeitwörter 345
Modus CONJUNCTIVUS, die verbindende Art der Zeitwörter 345
IMPERATIVUS, die gebiethende 345
INDICATIVUS, die anzeigende 345
INFINITIVUS, die unbestimmte 345
OPTATIVUS und POTENTIALIS 345, 544
Neutrum VERBUM, Mittelgattung der Zeitwörter344
Nomen, ein Nennwort 194
ADJECTIVUM, Beywort 196
APPELLATIVUM, die gemeine Benennung 216
PROPRIUM, ein eigener Namen 216
SUBSTANTIVUM, ein Hauptwort 215
Nominativus, die Nennendung 206
Numeri, Zahlen 268
CARDINALES, Grundzahlen 315
ORDINALES, Ordnungszahlen, 320
Optativus, siehe Modus.
Paragoge, Anhang am Ende 601
Parenthesis, das Einschiebsel 149 f.
[813] Participia, Mittelwörter 200
Particulæ, Bestimmungswörter 195, 409
INSEPARABILES, unabsonderliche 409
SEPARABILES, absonderliche 409
Passivum, die leidende Gattung der Zeitwörter 344
Pedes, Füße 673
Pluraliter, von vielen 206 f.
Positivus, siehe Gradus
Præpositiones, Vorwörter 200, 445
Pronomina, Fürwörter 198, 326
DEMONSTRATIVA, anzeigende 334
IMPROPRIA, uneigentliche 340
INTERROGATIVA, fragende 336
PERSONALIA, persönliche 326
POSSESSIVA, zueignende 332
RECIPROCA, zurückkehrende 331
RELATIVA, beziehende 338
Prosodia, die Tonmessung 61, 627 ff.
Prosthesis, Vorsatz 600
Rhythmus, Wohlklang der Verse 684
Semicolon, ein Strichpunkt 146
Semivocales, Halblauter 80
Signum EXCLAMANDI, Ausrufungszeichen 149
INTERROGANDI, Fragezeichen 148
Singulariter, von einem 206 f.
Substantivum NOMEN, ein Hauptwort 196
Superlativus, siehe Gradus.
Syncope, die Verbeißung 602
Syntaxis, die Wortfügung 60, 455
Tempus PRÆSSENS, die gegenwärtige Zeit 343
PRÆTERITUM IMPERFECTUM, die jüngstvergangene Zeit 343
PRÆTERITUM PERFECTUM. die völlig vergangene Zeit 343
Tempus PRÆTERITUM PLUSQUAMPERFECTUM, die längst vergangene Zeit 343
FUTURUM, die zukünftige Zeit 343
Tmesis, die Trennung 603
Verba, Zeitwörter 194, 199, 343
ACTIVA, der thätigen Gattung 194, 344
ANOMALA, abweichender Art 409
AUXILIARIA, Hülfswörter 349
COMPOSITA, zusammengesetzte 409
IMPERSONALIA, unpersönliche 345, 421
IRREGULARIA, unrichtige 378
[814] NEUTRA, der Mittelgattung 344, 398
PASSIVA, der leidenden Gattung 194, 344
PERSONALIA, persönliche 344
RECIPROCA, zurückkehrende 419
REGULARIA, richtige 360
Vocales, Selbstlauter 79
Vocativus, Ruffendung. 206
[815]

III Register
der vornehmsten Sachen.

A.


A, ob und wo man das A verdoppeln soll 83 f.,

Abänderung, (DECLINATIO des) unbestimmten Geschlechtsworts 205. des bestimmten 207. der Hauptwörter 268–292, 296. deren sind fünferley Arten 269. erste Art mit ihren Endungen 270–275. zweyte Art 275–279. dritte Art 280–283. vierte Art 284–286. fünfte Art 286–289. der Beywörter 296–302. der Zahlen 315–322. der Fürwörter326342

Ablativus, die Nehmendung, ob sie im Deutschen für unnöthig zu halten 205

Abwandlung (CONJUGATIO) der Zeitwörter 344 ff. der Hülfswörter, ich bin 351 f. ich habe 353 f.ich werde 355 f. der richtigen Zeitwörter 360 ff. wie sich die verschiedenen Zeiten derselben bilden 361 f. des richtigen Zeitworts ich lobe 363–365, 367 f. des unrichtigen Zeitworts ich sehe 385–387. von der Mittelgattung der Zeitwörter (NEUTRORUM) und zwar des Worts ich wandle und ich gehe 400–403. eines zusammengesetzten Zeitwortes 412–414. eines zusammengesetzten unrichtigen Zeitworts von der Mittelgattung 414–416. eines Hülfswortes mit einem Beyworte 416 f. mit einem Fürworte 417 f. der zurückkehrenden Zeitwörter 419 f. gewisser Redensarten, die durch alle Zeiten abgewandelt werden können 420 f. unpersönlicher Zeitwörter 421–424. altväterische Abwandelung mit thun 425

Abschnitt in jambischen Versen, wo er zu machen 718 f. in trochäischen 730

[816] Activum, die thätige Gattung der Zeitwörter 344

Adjectivum; siehe Beywörter

Adonische Verse 745

Adverbia, siehe Nebenwörter

Ä, wie man dasselbe schreiben solle 84

Ähnlichkeit in den Sprachen, siehe Analogie

Alkaische Verse 746

Alexandrinische Verse 723

Alterthümer deutsche, ob man sich mit Recht über deren Vernachläßigung beklage 62 f.

Amphibrachys, 681 f. amphibrachische Verse 732 f.

An. Misbrauch dieses Nebenwörtchens 569

Anakreontische Verse 747

Analogie. was sie sey, und wozu sie nütze 40 f. wer davon geschrieben habe 41. besondere Regel davon 117 f.

Anapäst, 676, 682 f. anapästische Verse 734 f.

Anastrophe, 604. siehe Umkehrung

Anfangsbuchstaben, große, wo selbige zu setzen140 ff., 215

Anhang am Ende, PARAGOGE, eine grammatische Figur 601

Antithesis, 604. siehe Vertauschung.

Aphæresis, 601 f. siehe Enthauptung.

Apocope, 602 f. siehe Stutzung.

Araber, ob die Deutschen die Kunst zu reimen von ihnen gelernet 688 f., 693

Armrust, wo dieses Wort herkomme 219 f.

Arten der Zeitwörter, (MODI VERBORUM) sind viere 345. die anzeigende (INDICATIVUS), gebiethende (IMPERATIVUS), verbindende (CONJUNCTIVUS), und unbestimmte (INFINITIVUS) 345 f., 361 f.

Articuli, siehe Geschlechtswörter.

Articulus DEFINITUS und INDEFINITUS 204. siehe Geschlechtswörter.

Atticismus, was man so nannte 38

Ausländische Redensarten, woher sie in die deutsche Sprache gekommen 54

Ausrufungszeichen, wo es zu setzen 149

Aussprache, was auf eine harte oder gelinde ankömmt wie fern man derselben in der Rechtschreibung zu folgen habe 107 f., 760

Autoritate produci, was man so nenne 664

Auxiliaria verba, siehe Hülfswörter.


[817] B.


B, dieser Buchstab wird selten verdoppelt 89

Bacchius 683

Benennungen gemeine (NOMINA APPELLATIVA)216

Bestimmungswörter, (PARTICULA) deren Nutzen in einer Rede 195

Bewegete und bewog, haben verschiedene Bedeutungen 383

Beywörter (ADJECTIVA) werden oftmals zu Hauptwörtern sollen aber alsdenn nicht gemisbrauchet werden 478 f. einige werden von Hauptwörtern abgeleitet 293 f. einige von Fürwörtern und Zeitwörtern 299 f. auch einige von bloßen Nebenwörtern 295. deren Abänderungen 296. erste Art 296 f. zweyte Art 298 f. dritte Art 300 f. wie es mit ihnen zu halten, wenn sie als Hauptwörter gebrauchet werden 301–303, 478 f. wenn sie unveränderlich werden 302. von ihren Vergleichungsstaffeln 304 ff., 491 f. besondere Regeln von deren Fügung (SYNTAXI) 475 f., 495. werden zuweilen beynahe Nebenwörter 476. wie sie zu Hauptwörtern werden 478. von ihren Zusammensetzungen 489 196

Bindewörter, (CONJUNCTIONES) verknüpfen die Begriffe und Gedanken 201, 449. sind theils verknüpfende, zuwiderlaufende, versuchende, ausschließende 449 f. theils entgegensetzende, bedingende, fortsetzende, abzweckende 450. Anmerkungen von deren Fügung 589594

Bold oder bald, hieß ehemals kühn 687

Buchstaben deutsche, welche man die ursprünglichen nennen könne 67. was von denselben überhaupt zu merken sey 67. Erläuterungen von dem Laute derselben 70–79. ihre Eintheilung in Selbstlauter, Mitlauter und Halblauter 79 f. deren Unterschied nach den Werkzeugen, womit sie ausgesprochen werden 80. wo ihr Namen herkomme 97. was von einer Versetzung derselben in eine neue Ordnung zu halten 97 f. wie viel mal selbige versetzet werden können 100 f. wo im Schreiben große zu setzen 140–143, 215. wie einige die lange und kurze Aussprache derselben haben anzeigen wollen 151


C.


C, wenn es verdoppelt, und womit es zusammen gesetzt werde 89. wo das K an dessen statt zu schreiben, und nicht zu schreiben sey 132–135

[818] Casus, siehe Endungen.

chen, was von dieser Endung zu merken 231

Chorijambische Verse 746 f.

Colon, siehe Doppelpunct.

Comma oder Strichlein, wo es zu setzen 147

Comparativus Gradus, siehe Vergleichungsstaffeln.

Conjugatio, siehe Abwandlung.

Conjunctiones, siehe Bindewörter.

Consonantes, siehe Mitlauter.

Crasis, oder Zusammenziehung, eine grammatische Figur 604

Creticus 683


D.


D. wird fast niemals verdoppelt 90. dessen Verwandtschaft mit dem Th 130 f.

Da, das Bindewort wird an statt der beziehenden Beywörter gebrauchet 340

Daktylus, 676, 678. daktylische Verse 731 f. fallende 731. steigende 732 f.

Daß, von der Fügung dieses Bindeworts 591 f.,592594

Declinatio, siehe Abänderung.

Defectiva der Beywörter 308

Den und dem, werden oft falsch gebraucht 209

Den und denen, sind nicht einerley 207 f., 335

Der und derer, wie sie unterschieden sind 207 f. Das erstere wird mit gewissen Vorwörtern zusammengezogen 208 f.

Der, die, das, das bestimmte Geschlechtswort, ist mit dem Fürworte der, die, das, nicht zu vermengen207 f., 334 f.

Dererselben und denenselben, ob man so richtig schreibe 335

Deutlichkeit gehört zu den Vollkommenheiten einer Sprache 50 f.

Deutsch, Erörterung der Frage: ob man deutsch oder teutsch schreiben solle 751 ff. Herleitung dieses Wortes 755

Deutsche Sprache, siehe Sprache.

Deutschen, ob sie die Kunst zu reimen von den Arabern gelernet 688 f., 693. oder von den Schweden695

Dichtkunst, was dieselbe sey 61

Dis, dies oder dieß, welches unter diesen dreyen die rechte Schreibart sey

Diphthongi, siehe Doppellaute.

Doppellaute, woher sie entstehen 83 f. wie ein jeder ins besondere zu lesen und auszusprechen 83–88. was in [819] der Rechtschreibung besonders von ihnen zu merken sey 111114

Doppelpunct, wo derselbe zu setzen sey 144 f.


E.


E, wird oft verbissen 309, 602. oder am Ende weggelassen 602 f. oder verdoppelt 794

Eben, drückt bisweilen das lateinische MET aus 500

Edda ist ohne Reime verfertiget 695

Ein, eine, ein, ist von einer, eins, eins unterschieden 204

Einschiebsel, eine grammatische Figur

Elegien im Deutschen 722 f.

Enallage, eine grammatische Figur 604

Endungen, (CASUS) deren Namen nach einigen deutschen Sprachlehrern 205 f. wie sie in verschiedenen Fällen zu bilden 468470

Endsyllben, vermittelst deren eine große Menge Wörter im Deutschen gebildet werden 228 ff.

Enthauptung, APOCOPE, eine grammatische Figur610 f.

Epenthesis, 600 f. siehe Einschiebsel.

Etymologie, siehe Wortforschung.

Erz, eine Vorsetzsyllbe, was davon zu merken 232


F.


F, wo solches zu verdoppeln, oder einfach zu schreiben 90, 784 f., 794

Figuren grammatische, wo sie herrühren 599 ff. sind vielmehr Fehler, als Schönheiten der Sprachen 599 f.

Fingerzeig, ob es ein gutes deutsches Wort sey 225

Fragezeichen, wo dasselbe zu setzen 148

Franzosen, haben viele deutsche Wörter in ihrer Sprache 142 f.

Für, wie es von vor unterschieden 337

Fürwörter, (PRONOMINA) wie sie von den Geschlechtswörtern unterschieden 198. deren sind sechserley Gattungen 326. persönliche (PERSONALIA) 326 ff. deren Abänderung und Gebrauch 326 ff. hierzu gehöret das zurückkehrende (RECIPROCUM) 331 f. zueignende (POSSESSIVA) 332–334. deren Abänderung 308 f. [820] anzeigende (DEMONSTRATIVA) 334 f. fragende (INTERROGATIVA) 336 f. beziehende (relativa) 338 f. uneigentliche (IMPROPRIA) 340–342. von ihrer Fügung (SYNTAXI) 496505

Füße, deren Verschiedenheit in der Scansion 673–686. sind einfache oder zusammengesetzte683 f.


G.


G, wird in wenig Worten verdoppelt 90

Gänseaugen, was man so nenne, und wo man sie brauche 151

Gedanken, deren giebt es hauptsächlich dreyerlei Gattungen 193

Genera Nominum, siehe Geschlechter.

Genera Verborum, oder Gattungen der Zeitwörter sind zwo 344

Geschlechter (GENERA) der Hauptwörter sind drey, das männliche, weibliche und ungewisse 197 f., 247. Regeln vom männlichen 248–254. vom weiblichen 254–258. vom ungewissen 259–261. vom Geschlechte zusammengesetzter Wörter 262–264.344

Geschlechtswörter, (ARTICULI) wie sie von den Fürwörtern unterschieden 198. sind zweyerley, ein bestimmtes und ein unbestimmtes 204. Abänderung des unbestimmten 205. des bestimmten 207. ist mit dem Fürworte der, die, das nicht zu vermengen 207, 335 f., 464. bestimmen oft die Bedeutung solcher Wörter, die einerley zu seyn scheinen 209–213. besondere Regeln von desselben Fügung (SYNTAXI) 462–474. und zwar von der zweyten Endung 480. von der dritten und vierten 483 f. von der sechsten Endung 485

Gewohnheit, wie weit man derselben in der Rechtschreibung folgen könne 114, 762 f.

Geworden, wenn es die erste Syllbe behalte, und wenn es selbige verliehre 561

Gleichnißreden der deutschen Sprache 606 ff.,609614

Gott, besondere Anmerkung von diesem Worte 312,471 f.

Gradus Comparationis, siehe Vergleichungsstaffeln.

Grammaticus, weitläuftige Bedeutung diese Wortes56 f.

Griechen, nahmen fremde Wörter in ihre Sprache242

Grundzahlen (NUMERI CARDINALES) 315. ihre Abänderung, wenn sie zu Hauptwörtern gesetzet werden 316 f. [821] mit dem bestimmten Geschlechtsworte 318 f. wie sie als Fürwörter abgeändert werden 319


H.


H, ob dasselbe verdoppelt werde 90. Regel von dem rechten Gebrauche desselben 129 f. wo das th zu behalten 131 f. wird zuweilen in ch verwandelt309

Halblauter, welche Buchstaben so genennet werden80

Häucheln, Herleitung dieses Wortes 109 f.

Hammersteten, Augustin von, Probe von dessen Poesie 642

Hauptwörter, (SUBSTANTIVA) machen für sich allein gesetzt einen völligen Gedanken 196. werden mit großen Anfangsbuchstaben geschrieben 196 f. Bildung und verschiedene Arten (SPECIES) derselben 215 f. Sind theils Stammwörter, theils abgeleitete 218. und entweder einfache oder zusammengesetzte 220. wie zusammengesetzte zu schreiben 220–222. was bey ihrer Zusammensetzung zu merken. verschiedene Geschlechter (GENERA) derselben 247 ff. Regeln vom männlichen Geschlechte 248–254. vom weiblichen 254–258. vom ungewissen 259–261. Verzeichniß solcher Wörter, deren Geschlecht man ohne Regeln lernen muß 265–267. Abänderungen derselben 268 ff. siehe auch Abänderung. sind mit den Zeitwörtern nicht zu vermischen, die ihnen verwandt sind 274. verschiedene leiden keine vielfache Bedeutung 279, 290 f. andere sind nur in der vielfachen Zahl gewöhnlich 291 f. besondere Regeln von deren Fügung (SYNTAXI) 476–491. von ihrer Zusammensetzung489491

Heroische Verse 723

Heurathen, woher dieses Wort seinen Ursprung habe 116

Hexameter deutsche 737, 740742

Höflichkeit eine unnöthige, haben viele im Gebrauche der Fürwörter gesuchet 328330

Hülfswörter (VERBA AUXILIARIA) deren sind zehen 350. Abwandlung der ersten drey 351–357. besondere Anmerkung von den Hülfswörtern überhaupt 359. Muster eines Hülfswortes mit einem Beyworte 416–418. Regeln von deren Fügung (SYNTAXI) 557 ff.

Hypobacchius ein Fuß in Versen 683


[822] J.


Jambus, 686. jambische Verse 716 ff. künstliche Namen derselben 716 f. fünffüßige 721. sechsfüßige 721, siebenfüßige 724. achtfüßige 724 f.

Ich wird zuweilen ein Hauptwort 501. oft zur Ungebühr verbissen 557 f.

Idiotismi, siehe Kern- und Gleichnißreden.

Je, wie es gelesen werde 85 f. wird zuweilen in o verwandelt

Ihm und sich, wie sie unterschieden und recht zu brauchen 498 f.

Ihnen und Sie werden oft unrichtig mit einander verwechselt 582 f.

Ihr und Seine, deren rechter Gebrauch und Misbrauch 330, 496

Interjectiones, siehe Zwischenwörter.

Italien, wo daselbst die beste Aussprache zu finden sey 459 f.


K.


K, wird oft verdoppelt 90 f., 793. ob das ck zu verwerfen 90 f., 127 f. ob und wo es anstatt des C zu gebrauchen 132ff.

Kernreden der deutschen Sprache 606 ff., 609614

Klammern, wo sie anzubringen 149 f.

Knäbelbart, Herleitung dieses Worts 109 f.

Kriegsbedienungen, wie sie durchgängig deutsch zu benennen 239241

Kunst, was man überhaupt eine Kunst nennet 37

Kunstwörter, an denselben ist unsere Sprache reich 52

Kürze, gehöret zu den Vollkommenheiten einer Sprache 51

Kürze und Länge der deutschen Syllben, Abhandlung davon 661 ff. mit was für Zeichen selbige bemerket werden 670 f.


L.

L, wo es zu verdoppeln und einfach zu schreiben 91
Länge und Kürze der deutschen Syllben, Abhandlung davon 661 ff.
Lehren und Lernen, wie sie zu unterscheiden 529 f.
Lein, eine Endung, so zur Verkleinerung dienet 231
Lettern, ob es ein deutsches Wort sey 97
Lieblichkeit einer Sprache, wie davon zu urtheilen52

[823] M.

M, wo es zu verdoppeln, und wo es einfach bleibe 91

Maal, wo dieses Wort herkomme 116

Man, warum man es statt ich oder wir brauche 424

Metathesis 603. siehe Versetzung.

Metrum, siehe Syllbenmaaß.

Michel, hieß vormals groß 586

Michel ein deutscher, was man dadurch verstehe586

Mis, eine Vorsetzsyllbe 232 f.

Mitlauter, deren Eintheilung in härtere und gelindere. Verdoppelung 89 ff. nach allen langen Selbstlautern sind einfache zu setzen 121. nach einem Mitlauter setzt man keinen andern doppelten Mitlauter 125 f. ob nach einem langen Vocal ein doppelter Mitlauter zu setzen sey 127

Mittelgattung der Zeitwörter, (NEUTRA) sieheZeitwörter.

Mittelwörter, (PARTICIPIA) woher sie ihren Namen haben 199 f. sind in der künftigen Zeit im Deutschen nicht üblich 365 f. haben etwas vom Nennworte und etwas vom Zeitworte an sich 426 f. worinn sie mit den Zeitwörtern übereinkommen 426. und worinn mit den Nennwörtern 429. von ihrer Fügung (SYNTAXI) 549 ff. werden, sonderlich von Dichtern, oft gemisbrauchet 555

Modi Verborum, siehe Arten der Zeitwörter.

Modus infinitivus, siehe unbestimmte Art der Zeitwörter.

Modus potentialis und optativus 345 f., 544

Mundart, was dieselbe sey, welche die beste 38 f., 105 f. aus verschiedenen entstehen vielmals ganz besondere Sprachen 44 f. eine jede hat ihren besondern Wohlklang 52 f. wie die obersächsische nach und nach den Vorzug bekommen 105 f. besondere Regeln von den Mundarten 137

Musik, woher der Tact in derselben entstanden 675


N.


N, wo es doppelt oder einfach zu setzen 91 f.

Nachdruck einer Sprache, ist eine Vollkommenheit derselben 51

Namen eigene (NOMINA PROPRIA) werden ohne Geschlechtswort gesetzet. Ausnahme hievon 467 bis 470. ob sie ihre eigene Endungen in den Abänderungen [824] behalten müssen 469. welche keinen Artikel vor sich brauchen 467. welche ihn behalten470

Nebenwörter (ADVERBIA) bestimmen die Bedeutung der Zeitwörter 200, 430. beziehen sich überhaupt auf die Zeitwörter 430. lassen sich zum Theil vergrößern 430 f. deren Abtheilung in verschiedene Ordnungen 431. sind theils Stammwörter 431. theils abgeleitete 431 f. Verzeichniß der Nebenwörter, die einen Ort andeuten (ADVERBIA LOCI) 434 f. die eine Zeit anzeigen (TEMPORIS) 435–437. der Beschaffenheit (QUALITATIS) 437 bis 439. der Größe (QUANTITATIS) 439 f. der Ordnung und Unordnung (ORDINIS) 440 f. die Vergleichung (COMPARATIONIS) 441 f. des Fragens (INTERROGANDI) 442 f. des Bejahens und Verneinens (AFFIRMANDI & NEGANDI) 443. von deren Fügung (SYNTAXI) 564 ff. wer den zum Theil als Nennwörter gebraucht 564. können auch zu Nebenwörtern werden 565. ingleichen zu Beywörtern 564f.

Nennwörter, sind die erste Gattung der Wörter 194. und zeigen die Dinge und ihre Eigenschaften an193 f.

Neutrum, die mittlere Gattung der Zeitwörter 344

Nicht, kann eine Rede schließen 567. wie es aus Zeitwörtern Hauptwörter bilde 567

Nomen Substantivum, siehe Substantivum.

Nomina, siehe Nennwörter.

Numeri oder Zahlen der Hauptwörter, Beywörter und Fürwörter 268 f.

Numeri cardinales, siehe Grundzahlen.

Numeri ordinales, siehe Ordnungszahlen.


O.


Ö, wie man dasselbe schreiben solle 8789

Ordnungszahlen, (NUMERI ORDINALES) werden mehrentheils von den Grundzahlen abgeleitet 320. bekommen verschiedene Endungen, nachdem sie gebrauchet werden 320 f. werden neben die Hauptwörter ohne Geschlechtswörter gesetzt 321 f. können auch zu Hauptwörtern werden 322. es giebt auch theilende und vermehrende 323

Optativus 345 f. wie man denselben im Deutschen ausdrücken könne 544f.

[825] Orthographie, siehe Rechtschreibung.

Orthographische Seltenheiten 106–108. Frage, ob man deutsch oder teutsch schreiben solle, Erörterung derselben 731 ff.

Ottfried, Urtheil von dessen Versen 640


P.

P, wo es doppelt oder einfach zu schreiben sey 91
Paragoge 601. siehe Anhang am Ende.
Parenthesis, wo dieselbe angebracht werden könne149 f.
Participia, siehe Mittelwörter.
Particulæ, siehe Bestimmungswörter.
Particulæ separabilis, absonderliche 409. deren sind sehr viele 410 f. Verzeichniß davon 411
Particulæ inseparabiles, unabsonderliche, deren sind vierzehn 409f.
Passivum, die leidende Gattung der Zeitwörter 344
Pentameter der Deutschen 721, 742 f.
Phaläcische Verse 744 f.
Pluraliter von vielen 206 f.
Poesie deutsche, von den Reimen derselben 687 ff.
Poesie der Faulen, oder recitativische Verse 710
Poeten, ob sie sich aller Mundarten einer Sprache bedienen dürfen 262
Pohlen, haben deutsche Wörter in ihrer Sprache 233
Positivus Gradus, siehe Vergleichungsstaffeln.
Præpositiones, siehe Vorwörter.
Pronomina, siehe Fürwörter.
Prosodie, siehe Tonmessung.
Prosodie deutsche, ob sie sich bloß nach dem Gehöre richte 652 f.
Prosthesis 600. siehe Vorsatz.
Punkt, derselbe war das erste Unterscheidungszeichen 139. wo selbiger zu setzen 143 f.
Pyrrhichius 676

Q.

Q, was von dessen Rechtschreibung zu merken 92 f. einige haben es gar abschaffen wollen 135 f. besondere Anmerkung von diesem Buchstaben 136


[826] R.


R, wo es zu verdoppeln, und wo es einfach zu setzen93

Rebhun, Paul, was er in der Poesie gethan 645 f.

Rechtschreibung 58. Schwierigkeit bey einigen Regeln derselben. allgemeine Regeln in Ansehung der Syllben und Wörter überhaupt 100 ff. besondere Regeln 121 ff. wornach man die zweifelhaften Fragen in der Rechtschreibung entscheiden solle 754

Redensarten zusammengesetzte, die durch alle Zeiten abgewandelt werden können 420 f.

Reichthum einer Sprache, ist eine Vollkommenheit der selben 50 wie man den von der Deutschen beurtheilen müsse 101 f.

Reime in der deutschen Poesie 687 ff. was man so nenne 688. wo sie wohl hergekommen seyn 689. deren sind dreyerley 698. männliche, weibliche und kindische 698 f. Eigenschaften eines guten Reimes 700 f. Regeln von den männlichen 699–703. von den weiblichen 704–707. Abwechselung derselben 707–710. ungereimte Verse 710 ff.

Rhythmus, der Alten, siehe Verse 719

Runen, wie alt sie wahrscheinlich sind 68


S.


S, was in Ansehung der Rechtschreibung von demselben zu merken 93. imgleichen von dem ss und ß 93–95, 122, 125, 707

Sapphische Verse 745 f.

Scansion, deren erster vermuthlicher Grund 635 f. von wem sie in deutschen Versen beobachtet worden, oder nicht 639 ff. von den verschiedenen Füßen derselben 673 ff. was Christ von der deutschen gehalten 652 f., 659 f.

Scanzontische Verse 747

Schmäucheln, Herleitung dieses Wortes 109111

Schon fängt keine Rede an 572

Schrift, dieselbe ist gleichsam die Abbildung der mit dem Munde ausgesprochenen Töne 58. anfänglich hatten die Holländer und Engländer einerley Schrift mit uns 69

Schriftsteller, die besten eines Volks, woran sie zu erkennen 39 f.

[827] Schweden, ob die Deutschen das Reimen von ihnen gelernet 695

Schwestern der Sprachen, welche so genennet werden 44 f.

Selbstlauter haben bey einerley Gestalt einen verschiedenen Laut 80 f. wenn sie lang oder kurz ausgesprochen werden 81–83. werden zuweilen verdoppelt 83 f. ob man sie in harte und weiche eintheilen könne 121 f. wo sie in der vielfachen Zahl verändert werden 276 f. und wo nicht 278 f. deren Verwandlung in den richtigen Zeitwörtern 360 f.

Semicolon, wo dasselbe zu setzen sey 146 f.

Semivocales, siehe Halblauter.

Sich und ihm, wie sie unterschieden und recht zu brauchen sind 498 f.

Sie und Ihnen, werden oft unrichtig mit einander verwechselt 582

Signum exclamandi, siehe Ausrufungszeichen.

Signum interrogandi, siehe Fragezeichen.

Singulariter von einem 206 f.

So, ob es als ein Fürwort gebrauchet werden könne339, 502 f.

Spondäus 675 f.

Sprache deutsche, wie sie vor zweyhundert Jahren beschaffen gewesen 50, 53 f. güldenes Alter derselben 55 f. hat sich nicht ganz rein erhalten können 233. stammet von der alten celtischen und scythischen her 234. was man für fremde Wörter in derselben dulden könne 242. hat ihre eigene Art, die Wörter mit einander zu verbinden 457. doch ist sie nicht in allen Provinzen einerley 459. wornach man sich hier richte 459–461. ob es Quantitäten der Syllben darinn gebe 630

Sprachen ändern sich von Zeit zu Zeit 39, 43. entstehen zuweilen aus verschiedenen Mundarten 44 f. sind theils wortreich, theils wortarm 50. welche an Kunstwörtern reich oder arm seyn 52. welches die vier europäischen Hauptsprachen sind 237

Sprachkunst, was dieselbe überhaupt sey 37. deren Namen bey andern Völkern 37. aus wie viel Theilen dieselbe bestehe 5861

Sprachlehrer, was einer durch seine Regeln nicht abschaffen kann 43 f. was er dabey zu beobachten habe 44. und was er hauptsächlich wissen muß 44. was für Nutzen eine Sprachlehre schaffen könne

[828] Sprüchwörter der deutschen Sprache 608 f. Sammlung der gewöhnlichsten 615626

Stammbuchstaben der Wurzelwörter müssen in allen abstammenden beybehalten werden 109 f.

Stammsyllbe der Hülfswörter, wo sie zu suchen 361

Stammwörter der Deutschen sind mehrentheils einsyllbig 218

Strichlein (COMMA) wo es zu setzen sey 147

Strichpunct, (SEMICOLON) wo dasselbe zu setzen146 f.

Stutzung, eine grammatische Figur 602 f.

Substantivum NOMEN, siehe Hauptwörter, ist entweder PROPRIUM oder APPELLATIVUM.

Superlativus Gradus, siehe Vergleichungsstaffeln.

Syllben, was man so nenne 100. Regeln, wie man dieselben schreiben solle 102 f., 123 f. deutsche, von deren Länge und Kürze, oder dem Zeitmaaße derselben 636–672. was von den unbestimmten zu merken sey 669 f.

Syllbenmaaß, (METRUM) dessen Historie und Vertheidigung überhaupt 634–660. ein natürliches Bild davon 674. woraus es entsteht 684

Syncope, 602. siehe Verbeißung.

Syntaxis, siehe Wortfügung.


T.


T, wenn es zu verdoppeln, und wo es einfach zu setzen 95, steht zuweilen mit dem d und h beysammen 96, 130 f.

Tact in der Musik, woher er entstanden 675

Teichner, eine Probe von dessen Poesie 642

Tempus præsens, die gegenwärtige Zeit 343

Tempus præteritum imperfectum, die jüngst vergangene 343

Tempus præteritum perfectum, die völlig vergangene 343

Tempus præteritum plusquamperfectum, die längst vergangene 343

Tempus futurum, die zukünftige 343, 364 f.

Thun, altväterische Abwandlung mit demselben 425

Titel und Würden, was wegen der verschiedenen Geschlechter anzumerken sey 245 f.

Tmesis, 603 f. siehe Trennung.

Ton, auf den rechten einer Syllbe kömmt sehr viel an671

Tonmessung, ist der vierte Theil einer Sprachkunst 61, 629. deren Nutzen 629

Trennung, eine grammatische Figur 603 f.

[829] Trochäus, 641 f., 676 f. trochäische Verse 728–730. welche in Oden und Arien gebräuchlich ist 729


U.V.


Ue, oder Ui, besondere Anmerkung hievon 86,707

Überfluß einer Sprache gehöret zu den Vollkommenheiten derselben 50

Um, un, ur, Nutzen dieser Wörterchen 232

Umkehrung, eine grammatische Figur 604

Un, ob es in ohn zu verwandeln 568

Und, von der Fügung dieses Bindewortes 589, 594

Unterscheidungszeichen, orthographische 138 ff.

Ur, eine Vorsetzsyllbe, welche die Bedeutung der Wörter erhöhet 232

Urbanitas, was man in Rom so nannte 38

V, als ein Mitlauter wird nicht verdoppelt 96

Ver und vor wie sie von einander unterschieden sind568 f.

Verba, siehe Zeitwörter.

Verba Activa, passiva, neutra 344, 363 f., 367 f.,398 f.

Verba personalia 344

Verba auxiliaria 350 ff.

Verba regularia 360. Verzeichniß derselben370377

Verba irregularia 370 ff. wie hoch sich deren Anzahl ohngefähr belaufe 396 f.

Verba composita und anomala 409 ff.

Verba reciproca 419 f.

Verba impersonalia 345, 421424

Verbeißung, eine grammatische Figur 602

Vergleichungsstaffeln, (GRADUS COMPARATIVUS) der Beywörter 304. die erste Staffel (POSITIVUS GRADUS) 304. die zweite (COMPARATIVUS) 306 f., 310 f. die dritte (SUPERLATIVUS) 305–307, 312. noch eine andere Art der Erhöhungsstaffeln durch die Zusammensetzung 312 f.

Verneinung, die verdoppelte 566

Versarten, gewöhnliche der Deutschen 716 ff. ungewöhnliche 736 ff. siehe Verse

Verse, eine Probe peruanischer 639. woraus deren Wohlklang (RHYTHMUS) entstehe. ob es angehe, ungereimte Verse zu machen 710. jambische 716 ff. [830] alexandrinische oder heroische 723. trochäische 728 bis 730. daktylische 731 f. ungewöhnliche. phaläcische 744. adonische 745. sapphische 745 f. alkaische 746. choriambische 746 f. anakreontische 747. scazontische 747

Versus, BIMETER, TRIMETER, TETRAMETER685

Versetzung, eine grammatische Figur 603. muß viel orthographische Schnitzer entschuldigen 603

Vertauschung, eine grammatische Figur 604

Verwechselung, eine grammatische Figur 604

Vocales, siehe Selbstlauter.

Vollkommenheit einer Sprache, was man so nenne 49. wie mancherley diesselbe sey 5052

Vor und für, wie sie von einander unterschieden 337 f., 569. imgleichen vor und ver 568

Vorsatz, eine grammatische Figur 600

Vorwörter, (PRÆPOSITIONES) bestimmen kleine Nebenstände 200 f., 445. beziehen sich hauptsächlich auf die Hauptwörter 445. fodern gewisse Endungen der Nennwörter 445. Verzeichniß derjenigen, so allezeit die zweyte, dritte, vierte und sechste Endung fodern 446. derer, die zweyerley Endng leiden können 447. unabsonderliche Vorwörter 447 f. Regeln von der Fügung (SYNTAXI) derselben 575 ff.


W.


W, ist ein den Deutschen eigner Buchstab 74. woher er entstanden 74 f.

Waser, ein altväterisches Wort, wird itzund durchwas für ausgedrückt 502

Wo, ob es als ein Fürwort gebrauchet werden könne340

Wörter, was überhaupt in Ansehung derselben zu beobachten 59 ff. von zweyerley Sinne und ähnlichem Klange sind im Schreiben zu unterscheiden 115 f. wie dieselben recht abzutheilen 123 f. was in Ansehung der einsyllbigten zu merken 124. wie die fremden zu schreiben 118 f., 132–134. was von denen zu merken, die am Ende wachsen 124 f. Verzeichniß gewisser zweifelhafter Wörter 153–190. Eintheilung der Wörter in drey verschiedene Gattungen 193–195. zusammengesetzte, wie sie zu schreiben 220–222. fremde in der deutschen Sprache [831] 233 f. griechische 234 f. lateinische 236 f. in wiefern fremde Wörter zu dulden 237 f., 242. viele fremde können gut deutsch gegeben werden 239 ff., 245. manche sind verschiedenes Geschlechts 209–213, 262. Verzeichnis einer guten Anzahl solcher Wörter, die keine vielfache Zahl annehmen290 f.

Wortforschung, ist der zweyte Theil einer Sprachkunst 59, 191 ff. großer Nutzen derselben 219 f.

Wortfügung, ist der dritte Theil einer Sprachkunst 60, 455 ff. Fügung der Geschlechtswörter 462–474. der Hauptwörter und Beywörter 475–495. der Fürwörter 496–505. der Zeitwörter 506–548. der Mittelwörter 549–556. der Hülfswörter 557–563. der Nebenwörter 564–574. der Vorwörter 575–588. der Bindewörter 589–594. der Zwischenwörter 595597

Würden, Misbrauch dieses Wortes in verschiedenen Redensarten 560 f. ich hätte würden, ist unrichtig gesprochen 560


X.

X, für ein U, oder X für U setzen, was dieses Sprüchwort bedeute 604
Y.

Y, ob es ein griechischer Buchstab 75. Beweis, daß er deutsches Ursprunges sey 76 ff.

Z.

Z wird, wenn es verdoppelt wird, tz geschrieben 96 f. ob das tz aus dem Deutschen zu verbannen, und was es eigentlich sey 127 f.

Zahlen sind zweyerley, Grundzahlen und Ordnungszahlen 315. imgleichen theilende und vermehrende 323. von ihrer Fügung (SYNTAXI) 493 f.

Zeitmaaß der deutschen Syllben 661 ff.

Zeitwörter drücken ein Leiden oder Thun aus 194 f., 199, 343. haben zweyerley Arten anderer Wörter unter sich 199 f. jedes drückt eigentlich fünf Zeiten aus 343. sind [832] dreyer Gattungen 344, ferner entweder persönliche oder unpersönliche 344 f. welche man richtige (REGULARIA) Zeitwörter nenne 360. wo ihre Stammsyllbe zu suchen 361. Vorbild der Abwandlung richtiger Zeitwörter 363–368. Verzeichniß der einfachen richtigen Zeitwörter 370–377. die unrichtigen (IRREGULARIA) 378. besondere Regeln davon 379 ff. einige haben dem Scheine nach zweyerley Abwandlungen 383. Muster der Abwandlung eines unrichtigen Zeitwortes 385 ff. einige nehmen im IMPERFECTO ein a, aber im IMPERATIVO ein i an 389. Verzeichniß derselben 389–391. imgleichen derer, die im IMPERFECTO ie annehmen 391 f. und derer, die ein schlecht i mit einem doppelten Mitlauter annehmen 392 f. auch derer, die ein o daselbst annehmen 393–395. und endlich derer, die ein u bekommen 396. Mittelgattung der Zeitwörter (NEUTRA) 398. woran sie zu erkennen 399. deren Abwandlung 400–404. Verzeichniß derer, die das Hülfswort ich bin brauchen 404 f. und derer, die mit haben abgewandelt werden 406 f. zusammengesetzte Zeitwörter (COMPOSITA) 409. theils mit unabsonderlichen (PARTICULIS INSEPARABILIBUS) theils absonderlichen (SEPARABILIBUS) Zusätzen 409–412. Muster der Abwandlung eines zusammengesetzten Zeitworts 412–414. eines zusammengesetzten unrichtigen Zeitworts von der Mittelgattung 415 f. zurückkehrende (RECIPROCA) Zeitwörter, was davon zu merken 419 f. unpersönliche (IMPERSONALIA) deren Beschaffenheit und Abwandlung 421 bis 424. deren unbestimmte Art kann zu Hauptwörtern gemacht werden 479. von ihrer Fügung (SYNTAXI) 506 ff. Regeln von der ersten Endung (NOMINATIVO) 506–509. mit der zweyten Endung (GENITIVO) 510 bis 514. Verzeichniß der Zeitwörter, die die zweyte Endung fodern 514–517. Regeln von dem Zeitworte mit der dritten Endung (DATIVO) 518–523. Verzeichniß solcher Zeitwörter 524 f. Regeln von der vierten Endung (ACCUSATIVO) 525–530. von der fünften Endung (VOCATIVO) 530–532. von der sechsten Endung (ABLATIVO) 532–534. Fügung der zusammengesetzten Zeitwörter 535–537. wenn zwey Zeitwörter bey einander stehen 537 ff. noch einige andere Regeln 541 ff. Regeln von Fügung der unpersönlichen Zeitwörter 545548

[833] Zeter, die Bedeutung dieses Wortes ist ungewiß 596

Zusammengesetzte Wörter, siehe Wörter.

Zusammenziehung, eine grammatische Figur 604

Zweene, zwo, zwey 317

Zweifelhafte Wörter, orthographisches Verzeichniß der meisten 153189

Zweydeutigkeit der Wörter, wie sie zu verhüten sey115117

Zwischenwörter, deren Nutzen 201 f., 451. sind ihren Classen nach klagende, jauchzende, aufmunternde, wünschende, verabscheuende, schwörende 451 f. Regeln von Fügung derselben 595 f. manche sind sehr unverständlich 597

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TextGrid Repository (2012). Gottsched, Johann Christoph. Theoretische Schriften. Grundlegung der deutschen Sprachkunst. Grundlegung der deutschen Sprachkunst. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-E481-0