[428] Die Nothwendigkeit und Pflicht theologischer Lehrer

Als Herr Joh. Gottlob Pfeifer, der heil. Schrift Licent. und Prof. die Doctorwürde zu Leipzig erlangte.


1724 den 27 April.


Ein Thor, der sich der Schaar der Spötter beygesellt,
Der den Confucius für seine Bibel hält,
Der vom Spinosa mehr, als Mosis Schriften, machet,
Und allen Gottesdienst des Christenvolks verlachet;
Ein Lästrer, der von nichts, als Aberglauben, schreyt,
Und unsern Glaubensbau herum zu stoßen dräut,
Wird heute, da er sieht acht Glaubenslehrer krönen,
In seiner Phantasey, das ganze Werk verhöhnen.
Ich höre, wie mich dünkt, der frechen Mäuler Wort,
Sie ruffen: Blinde Welt! was willst du fort und fort
Dem matten Christenthum mehr neue Seulen schnitzen,
Und das geschwächte Reich des Unverstandes stützen?
Ach! warum willst du stets mit Maulwurfsaugen sehn?
Laß doch den freyen Blick zur Wahrheitsonne drehn,
Und deine Kinder nicht, auf hundert hohen Schulen,
So eifrig um das Bild des Aberglaubens buhlen.
So bald der Doctorhut die schwachen Häupter drückt,
So bald das Mantelkleid die stolzen Schultern schmückt,
Wird auch der blöde Geist mit dunklem Flor verhangen:
Denn der verhaßte Schmuck nimmt allen Witz gefangen.
Wer die Vernunft erhebt, der wird ihr ärgster Feind,
Sie lieben nichts, als das, was unbegreiflich scheint:
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Und will man nicht den Tand verlachter Fabeln glauben;
So wird man uns gar bald Stand, Gut und Leben rauben.
So rufft das tolle Volk in seiner Raserey,
Und setzet sich hernach den starken Geistern bey,
Die sich an Thorheit zwar, als ungeheure Riesen,
Doch am Verstande selbst noch viel zu schwach erwiesen.
Wiewohl Eusebia sieht den verdammten Wahn
Der eiteln Spötterzunft nur mit Erbarmen an.
Sie seufzet, sie beginnt die Stimme zu erheben,
Und will, voll Sanftmuth, dieß zur klugen Antwort geben:
Wie jammert mich, o Mensch! dein grober Unverstand?
Hat unser Glaube nicht den Aberwitz verbannt?
Ein Christ muß die Vernunft und Offenbarung lieben,
Denn beydes hat ihm Gott zur Richtschnur vorgeschrieben.
Die Wahrheit ist ihm lieb, erlogne Fabeln nicht;
Er flieht, was der Natur der Seele widerspricht:
Das ganze Christenthum läßt nur gesunde Lehren,
Hingegen nicht ein Wort vom Aberglauben hören.
Vergebens ist also die freche Lästerung,
Des Christenglaubens Grund ist fest und sicher gnung:
Man darf die Spötterey und das vergebne Dräuen
Verwegner Lästerer in Ewigkeit nicht scheuen.
Wenn mancher Grotius für unsre Wahrheit kämpft,
Huet und Abbadie der Gegner Hochmuth dämpft,
Verstummt der feige Schwarm besiegter Atheisten.
Wie kömmt das? Die Vernunft ficht selber für die Christen.
Kein Wunder, daß man itzt der Helden Zahl vermehrt,
Wodurch die Christenheit der Spötter Heer zerstört,
Die Gläubigen beschützt, den kühnen Feind bestreitet,
Und das verirrte Volk auf beßre Wege leitet.
Weg dann! mit eurer Wuth aus unserm Freudensaal,
Verberget oder hemmt des argen Herzens Qual:
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Die Männer, die ihr seht zu größern Würden steigen,
Die sollen euch gar bald den schnöden Irrthum zeigen.
Drum auf! mein Pfeifer! auf! ergreife Schmuck und Hut,
Die dein Verdienst dir giebt. Was soll der blöde Muth,
Der dir bisher geraubt, was dir vorlängst gebühret,
Wenn dein gelehrter Fleiß die Lindenstadt gezieret?
Man frage nur die Schaar, die deine Lehren kennt,
Und itzt bey deinem Glück von Lust und Freude brennt:
Ich weis, ich weis gewiß, sie wird sogleich gestehen,
Daß nichts, als dein Verdienst und Tugend dich erhöhen.
Noch mehr, ganz Leipzig hat den Eifer längst gespürt,
Der manches Felsenherz, dem Donner gleich, gerührt,
Wenn du mit Muth und Kraft, zu jedermanns Vergnügen,
Den hohen Predigtstuhl im Tempel oft bestiegen.
Dein Vortrag ist sehr weit von jenem Wahn entfernt;
Der manchen Mund bethört, daß er nur künsteln lernt.
Du suchest keinen Ruhm, du wünschest zu erbauen,
Und lässest, was du lehrst, in deinem Wandel schauen.
Glück zu, belobter Mann! zu deiner neuen Tracht!
Der Himmel, der dir selbst die Würde zugedacht,
Wird ferner seine Gunst, wird ferner seinen Segen,
Zu deinem Lehreramt, zu deiner Arbeit legen.
Dein Namen zeiget schon dein großes Wesen an;
Man weis, was vormals hier ein Pfeifer schon gethan.
Jedoch man prophezeiht aus hundert guten Zeichen:
Der erste Pfeifer wird dem zweyten völlig weichen.

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TextGrid Repository (2012). Gottsched, Johann Christoph. Gedichte. Gedichte. Lehrgedichte. Die Nothwendigkeit und Pflicht theologischer Lehrer. Die Nothwendigkeit und Pflicht theologischer Lehrer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-E45B-8