Bey einer Leichenpredigt

Vor der Predigt

Leichentext. Psalm 30. v. 11. 12.
Der Sterbende.

Herr! höre und sey mir gnädig, Herr! sey mein Helfer. Du hast mir meine Klage verwandelt in einen Reigen; du hast meinen Sack ausgezogen und mich mit Freuden gegürtet.


Zion.

Ja, Herr, so pflegst du es zu machen,
Verbirgest du dein Angesicht:
So fängt der Erdkreis an zu zittern,
Wie Felsen in den Ungewittern,
Davon des Himmels Feste bricht,
Bis in den Abgrund krachen.
Doch kläret sich dein Antlitz aus:
So sieht man alles lachen.
[289]
Sanfte Vaterblicke!
Euer Sonnenschein
Ist der Frommen Glücke,
Kann das Herz erfreun.
Aechzen, Klagen, Weinen
Werden lauter Lust,
Läßt der Höchste unsrer Brust
Nur sein Gnadenantlitz scheinen.

V.A.
Der Sterbende.
Choral.

Freu dich sehr, o meine Seele (und vergiß all Noht und Quaal/ weil dich nun Christus dein HERRE/ rufft aus diesem Jammerthal:) Seine Freud und Herrlichkeit sollst du sehn in Ewigkeit, mit den Engeln jubiliren, in Ewigkeit triumphiren.

Zwar muß ich erstlich hier
Des süßen Anblicks wegen,
Und für des Himmels Kronenzier,
Das grobe Kleid der Sünden niederlegen.
Ich weis, daß dieses Fleisch und Blut
Gemeiniglich sehr wehe thut.
Allein getrost!
Es muß einmal gestorben seyn,
Und unser Grab schließt uns nicht ewig ein.

Zion.

Nein, der Tod wird selbst erstaunen,
Wenn die Stimme der Posaunen
Aus der Gruft
[290]
Alle Todten wieder rufft.
Ihren Leib wird Gott verklären,
Und kein Moder, Graus und Duft
Soll ihn ewiglich verzehren.

V.A.
Der Sterbende.

So geht, und sterbt mit Freuden,
Ihr matten Glieder! legt euch sicher hin.
Auch der Verlust ist ein Gewinn;
Denn Gottes Lamm wird euch viel schöner kleiden,
Und dort vor seinem Stule weyden.

Choral.

Seyd getrost und hocherfreut, Jesus trägt euch, meine Glieder! gebt nicht statt der Traurigkeit, sterbt ihr, Christus rufft euch wieder: wenn einst die Trompet erklingt, die auch durch die Gräber dringt.

Nach der Predigt

Christi Stimme.
Joh. 5. v. 24.

Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer mein Wort höret, und glaubet dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben, und kömmt nicht in das Gericht, sondern er ist vom Tode zum Leben hindurch gedrungen.


[291] Zion.

O ewig festes Wort!
Das solch ein theurer Mund gesprochen.
Des Todes Stachel ist zerbrochen,
Des alten Drachen Gift gedämpft,
Die Hölle selbst bekämpft:
Und so kann denen, die da glauben,
Kein Feind forthin ein ewig Leben rauben.

Choral.

Der jüngste Tag wird zeigen an, was er für Thaten hat gethan. Alleluja, Allel. Wie er der Schlangen Kopf zerknickt, die Höll zerstört, den Tod erdrückt. Allel. Allel.


Der Sterbende.

Triumph, du hast gesiegt!
Triumph, erlöste Seele!
Dein Heyland rufft dich aus der Höle,
Da das, was dir bisher gedroht,
Sünd, Hölle, Teufel, Tod
Zu Füßen liegt.

V.A.
Zion.

Wohlan erhebe dich
Zu jener Auserwählten Menge.
Du siehst ja wohl die Palmen in den Händen,
Ihr Jauchzen wird sich niemals enden;
Denn diese feyren ewiglich
Ein ungestörtes Siegsgepränge.

[292] Choral.

Da wird seyn das Freudenleben, da viel tausend Seelen schon sind mit Himmelsglanz umgeben (dienen GOTT für seinem Thron/ da die Seraphinen prangen/und das hohe Lied anfangen/ Heilig/ Heilig/ Heilig heist/ Gott der Vater/ Sohn und Geist.)


O du beglückte Himmelsbraut!
So hast du denn, nach langem Flehen,
Das Ende deiner Qual
Und herben Kümmerniß gesehen.
Gott hat dich gnädig angeschaut,
Dein Heiland, Gottes Lamm,
Ist selbst dein Bräutigam,
Und rufet dich zum Abendmahl.

Christi Stimme.

Komm her, geh ein, o meine Taube!
O meine Fromme! komm herein!
Wie herrlich schmücket dich dein Glaube;
Wie standhaft hast du dort gerungen;
Wie schön hast du die Welt bezwungen;
Nun soll dein Lohn vollkommen seyn.

V.A.

Die selige Seele.

Herr, mein Hirt, Brunn aller Freuden, du bist mein, ich bin dein (niemand kan uns scheiden: ich bin dein/weil du dein Leben/ und dein Blut/ mir zu gut in den Tod gegeben.)


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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Gottsched, Johann Christoph. Bey einer Leichenpredigt. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-E3E4-9