[76] An Herrn von U***

(Damals in London.)


Ich soll nicht dichten,
Weil als Poet
Nichts auszurichten
Beim Glücke steht!
Du magst die Kunst,
Der wir uns weihen,
Mit Spöttereien
Als blauen Dunst
Nach Lust verschreien
Allein, mit Gunst!
Mein lieber Mann,
Wie fang' ich's an,
Um auch so reich
[77]
Wie du, zu werden?
Mit Kutsch und Pferden,
Fährt man nicht gleich,
Wenn man auch Uzen
Sein Scherzgedicht
Weiß aufzumutzen,
Und viel vom Nutzen
Des Geldes spricht.
Wer seinen Frack
Nicht darf erwerben,
Nur einen Sack
Voll Doppelbatzen,
Wie du, ererben,
Der hat Geschmack,
Und hat gut schwatzen!
Doch nimm, (ich wage
Drauf Wett' und Strauß!)
Den Kaufmann aus,
Dann geh und frage
[78]
Von Haus zu Haus,
In Hamburg, Danzig,
Kurz, Stadt für Stadt,
Ob unter zwanzig
Nur einer hat
Ein Rittergut
Durch sie erworben,
Wie dein Baruth?
Und hat er's? Gut!
So sind Gewissen
Und Edelmuth
Ihm erst gestorben;
Denn sterben müssen
Sie beid', o Mann!
Steckt sie die Hektik
Der Dialektik
Des Wuchers an.
Dein Engeland,
Mein Lieber, fand
[79]
Das Sprüchwort witzig,
Wohl oft auch wahr:
Uneigennützig
Zu handeln, sey
Ein Kleinod zwar,
Doch könne gar
Bequem, dabei
Der Herr Besitzer
Als Bettler sterben 1.
Wird's drum unnützer,
Sich's zu erwerben?
O welch Verderben
Der Welt! o Zeit!
O Sitten! schreit
Der Moralist,
Der eifernd, immer
So leicht vergißt,
[80]
Daß oft noch schlimmer
Das Menschenvieh
Gewesen ist,
Doch besser, nie!
Philosophie,
Was man sich plage,
Lehrt dennoch nicht
In Jahr und Tage,
Die schwere Pflicht
Den Narrn zu dulden,
Der einen Gulden
Weit höher schätzt,
Als alle Thaten,
Vom Dank' der Staaten
In Stein geätzt,
Als alle Säulen,
Die noch bisweilen
Erhabner Tugend
Ein Weiser setzt,
[81]
Und edle Jugend
Mit Thränen netzt.
Er hat Verstand,
Weil zum Verrathen
Er neue List
Und Trug erfand,
Weil er den Braten
Der Wittwe frißt,
Ja selbst die Ruben
Der Waise raubt;
Doch, solchen Buben
Verachten, ist
Zum Glück' erlaubt.
Und dir, mein Lieber,
Dir selbst ja, kocht
Die Gall' oft über,
Wenn auf sein Gold
Ein Wuchrer pocht.
Dem Golde hold,
[82]
Bist du denn doch
Weit holder noch
Dem braven Manne,
Der keine Spanne
Vom Weg' abweicht,
Den ihm die Ehre
Zu wandeln zeigt.
Wohlan denn! lehre
Du mich die Kunst,
Des Glückes Gunst
Mir zu erwerben,
Allein dabei,
Der Ehre treu,
Einst froh zu sterben.

Fußnoten

1 Plain dealing is a jewel, but they that use it, die beggars.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goeckingk, Leopold Friedrich Günther von. Gedichte. Episteln. Zweiter Teil. An Herrn von U***. An Herrn von U***. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-E1A9-1