[275] An Gleims Geburtstage

Den 2ten April 1789.


Habe Dank, o Gleim, daß du das Leben
Hast genossen als ein weiser Mann;
Daß dem jüngern Freund', der horchend neben
Dir nun sitzt, du alles das kannst geben,
Was ein froher Greis noch geben kann.
Mit der Freud' allein hast du getrunken,
Mit den Scythen und Prälaten nicht.
Diese sind schon längst ins Grab gesunken,
Doch aus deinem Auge sprühn noch Funken,
Wenn aus ihm der Nachruhm Friedrich's spricht.
Amors Pfeil ward nach der ersten Wunde
Dir zum Griffel süßer Lieder schon.
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Dich zu hören, sitzen in die Runde
Noch um dich die Schönen. Solchem Munde
Weigert keine Suada's schönsten Lohn.
Freude fernen Lieben hinzutragen
Fand Aurora dich auf rauhem Pfad'
Munter oft in deinem Reisewagen,
Aber niemals hörte sie dich fragen:
Wer gibt Karten, oder: wer legt Skat?
Allen Musen stand dein Hüttchen offen,
Alle, alle zogen sie hinein.
Schelm und Dummkopf blieben nur betroffen
Auf dem Schwell'; nur Weise durften hoffen,
Hier zu Hause wie bei sich zu seyn.
Darum können wir dich noch umschweben,
Deren Faden später Clotho spann,
Und in deine Stunden Lieder weben.
Habe Dank, o Gleim! daß du das Leben
Hast genossen als ein weiser Mann.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Goeckingk, Leopold Friedrich Günther von. An Gleims Geburtstage. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-E0C7-5