[143] An den König von Siam

Der alte Grünewald mit sammt dem Elephanten
Ist wieder da. Halb Deutschland hat er kaum
Durchzogen; denn der guten Seele brannten
Die Sohlen, um bei mir, der Nacht für Nacht im Traum'
Ihm vorgekommen war, (trotz allem Widerrathen
Der Frau,) nur bald genug zu seyn,
Und seinen Beutel voll Dukaten
Auf meinen Schreibtisch auszustreun.
»Hier, Herr, ist alles, was der Elephant
Verdient mir hat. Vor allen Dingen
Möcht' ich nun gern, – mit Gott wird's ja gelingen! –
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Das treue Thier auch in sein Vaterland –
Wie heißt's doch gleich? – zurück wohl bringen.« –
Ei, Grünewald! weißt du auch wohl, wie weit
Das Siam ist, woher wir ihn bekamen? –
»Thut nichts! Ich reis' in Gottes Namen,
Und was ich brauch', ist eine Kleinigkeit;
Der Elephant muß Heu im Schiffe fressen. –
Doch, Sapperlot! Herr, hätt' ich doch beinah
Mein Weib, das böse Thier, vergessen:
Für diese sorgen Sie doch ja.
Und – – ja – hab' ich das Thier an Ort und Stelle
Gebracht, so kehr' ich wieder um;
Doch, lieber Herr, auf alle Fälle
Gefaßt zu seyn« –
Auf einmal ward er stumm,
Und sah mich weinend an, als sollt' ich ihn errathen.
Nein! sagt' ich, lieber Grünewald,
Nimm deinen Beutel voll Dukaten,
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Und kaufe Land; auf unsern fetten Saaten
Vergißt der Elephant sein Siam bald.
Allein das hieß nur tauben Ohren
Gepredigt. Er meint', an ihm sey ja
Sehr wenig oder nichts verloren;
Und dennoch kommt in ihm ein Mensch nach Asia,
Wie Eure Hoheit, unter allen, die geschoren
Das Haupt in Siam tragen 1, keinen sah.
Da er durchaus sich nicht will halten lassen,
So mag das Glück mit ihm und diesem Briefe gehn.
Die Sprache wird er schwerlich fassen,
Lernt aber ein Dollmetscher ihn verstehn,
(Denn sein Accent ist rauh, wie unsre Luft vom Brocken,)
So wird der Ton, der oft mit Thränen stahl,
So süß Euch klingen, als die Silberglocken
Am Thurm' von Eurem Schloßportal'.
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Nur müßt Ihr das nicht übel nehmen,
Wenn er, und ließet Ihr den Elephanten ihn
Vorwerfen, nie sich wird bequemen,
Hin in den Staub vor Euch zu knien.
Befehlet Euren Mandarinen,
Daß sie durch Spott ihn nicht einmal in Mienen
Beleidigen; denn, eh' sie sich's versähn,
Würd' er mit seinen Fäusten ihnen
Die Nase auf den Rücken drehn.
Auch laßt ihn alles baar bezahlen;
Denn, Sire, außer mir allein,
Mag er selbst Euch, um aller Folter Qualen,
Für keinen Deut verbunden seyn.
Zwar drang er mir mit edler Hitze
Noch heute früh die halbe Pudelmütze
Voll Kremnitzer Dukaten auf;
Doch weiß man wohl: Von einem Fremden
Will jeder Geld! Drum schickt' ich gleich nachEmden
An Peter Nils, stillschweigend sie vorauf.
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Der soll sie auf der See ihm geben,
Denn sonst erhielt' ich sie mit erster Post zurück.
Was? (sagt' er oft,) Ich sollte besser leben?
Für mich gehöret sich ein Stück
Hausbackenbrod, denn auf der Gottes Erde
Hab' ich ja weiter nichts gelernt,
Als wie man Dohnen stellt und wilde Schweine körnt;
Wenn ich noch lesen lernen werde,
Und dann mein Herr: »Iß, Alter!« zu mir spricht,
Dann eß' ich Braten; eher nicht.
Wie oft hat er auf Glück und Geld geschmälet,
Bloß, weil nicht ich mit Sechsen fahren kann,
Dem, wie er glaubt, kein Buch mehr fehlet!
Verzeiht darum dem guten alten Mann'
Die Schwachheit, daß er gern von mir erzählet.
Ich weiß, wie sehr ihn itzt der Umstand quälet,
Daß er mein Buch nicht lesen kann;
Denn, Sir', ich wollte wohl drauf schwören:
Ihr möchtet wollen, oder nicht,
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Ihr müßtet von dem guten Wicht'
Ohn' alle Gnad' es dennoch hören.
Und fiel' ihm ein, daß Ihr kein Deutsch versteht,
So würd' er sicher mit Euch keifen,
Im Fall' nicht Eure Majestät
Gleich Anstalt macht', es zu begreifen.
Doch, nimmt er dort sich besser vor den Schlingen,
Die ihm die Hitze legt, in Acht,
So thut er das, um nur mit Freudensprüngen
Die Rarität zurück zu bringen,
Die meinem Weib' ist zugedacht.
Als er von seiner Wanderschaft verwichen
Zu Hause kam, da war ihr alter Freund,
Ihr lieber Papagey, verblichen,
Und ward, so oft sie sich zu seiner Gruft geschlichen,
Oft leise noch beklagt und still beweint.
Gib dich zufrieden, Ferdinande,
(Sagt' ich aus Scherz,) gib dich zufrieden, Kind!
Denn Grünewald reist bald nun nach dem Lande,
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Wo Papageyn in Menge sind. –
Allein ich unbesonn'ner Thor!
Ich hätt' ihn besser kennen müssen;
Denn kaum war dieses Wort hervor,
So hätte Grünewald dem Teufel selbst ein Ohr
Um einen Psittich abgerissen.
Kurz, ohne daß mein Weib es wissen soll,
Verbrennen ihm seitdem vor Ungeduld die Sohlen,
Ihr einen ganzen Käfich voll
Der schönsten Papageyn zu holen.
Kommt er aus Eurem uns so fernen
Gebiet' zurück, (der Himmel gebe, bald!)
So soll kein Papagey ein Wort sonst sprechen lernen,
Als: Grünewald! Freund Grünewald!
Das wird, wann einst der Sturm vom Brocken
Daherrauscht über sein Gebein,
Die Thränen oft mir in die Augen locken,
Und mehr als das Geläut der Glocken,
Erweckung zum Gebete seyn.
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Wie gern hätt' ich in einem Lobgedicht'
Den zweiten Theil ihm zugeschrieben!
Nur darf man wohl bei uns, im Angesicht'
Des Volkes, einen Schelm von Range lieben
Und ehren, einen Jäger aber nicht.
Indeß, wenn längst schon seinen Namen
Kein Papagey mehr ruft, mein Fritz ihn nicht mehr küßt,
Mein Günther, mit zu stricken an den Hamen 2,
Nicht mehr, wie itzt, geschäftig ist,
Und keiner mehr von Deutschlands Herrn und Damen
Aus Langerweil' in meinem Buche liest:
Dann wird ihn noch das Wesen kennen,
(Nicht wahr, ein solches glaubt Ihr auch?)
Das einst aus uns heraus das Gold wird brennen;
Und o wie wenig wird von Grünewald als Rauch
Verfliegen, oder sich vom Gold' als Schlacke trennen!
Und, Sire! wir sind gegen meinen Freund
Vielleicht so hohl dann wie Hollunder. –
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Allein verzeiht! Ich werde, wie es scheint,
Zu ernsthaft; und das ist kein Wunder,
Denn Grünewald packt ein! Und ach! den ganzen Plunder
Des Glücks, gäb' ich um einen solchen Freund!
Ich hoff', auch Euch wird er willkommner seyn,
(Denn itzt schon ließ' er kurz und klein
Für Eure Hoheit sich in einem Mörser stoßen,)
Als der Gesandte Ludewigs des Großen,
(So hieß er sonst, der eitle heißt er nun!)
Einst Eurem Ahnherrn, wenn er gleich ein Huhn,
Das, durch ein Uhrwerk, Kurzweil machte,
Und für Siamischen Kattun,
Lyoner Goldstoff überbrachte.
So nehmt ihn denn mit seinem Thiere
Und mit dem Fäßchen gnädig an,
Das Euch mein Weibchen schickt. Sie schickt nicht bessres, Sire!
Weil sie nichts bessres schicken kann.
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Es ist Johannisbeerenwein,
Wozu sie selbst die Beeren pflückte,
Woraus denn Grünewald mit manchem schweren Stein'
Den Saft für Eure Hoheit drückte.
Hat er sich satt an Eurer Pracht gesehen,
Und sich um seinen zweiten Freund,
Den Elephanten, satt geweint,
Und satt gekauft an Indianschen Krähen:
Dann, bitt' ich, laßt ihn wieder gehen.
Ein Ding sey noch so schwer und kühn:
Wenn er's versprach, so hält er auch sein Wort;
Drum lief' er sicher dennoch fort,
Und machtet Ihr ihn gleich zum ersten Mandarin.

Fußnoten

1 Die Missionarien.

2 Eine Art Fischnetze, wie sie jeder Jäger strickt.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goeckingk, Leopold Friedrich Günther von. Gedichte. Episteln. Zweiter Teil. An den König von Siam [1]. An den König von Siam [1]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-E049-0