[286] Das Scheiden

Muß es einmal geschieden seyn,
Und ist das Scheiden Pflicht,
So mehre deines Herzens Pein
Durch langes Zögern nicht.
O hätt' ich selber dieß bedacht,
Als Morgens schon um vier
Mein Liebchen, nach durchwachter Nacht,
Anklopft' an meine Thür.
Fünf schlug es, und mit nassem Blick'
Ließ sie mich endlich gehn,
Doch schluchzend rief sie mich zurück,
Noch Einmal mich zu sehn.
[287]
Hoch ging mein Busen, wie die See,
Mein bleicher Mund ward stumm,
Mein Aug' erlosch bei Liebchens Weh,
Und dreimal kehrt' ich um.
Warum gab ich dem Ruf' Gehör?
Warum war ich so schwach?
Der ersten Trennung folgt nunmehr
Vielleicht die letzte nach.
Scheid' ohne Abschied, wer einmal
Vom Liebchen scheiden muß.
Sonst wird ihr letztes Wort zur Qual,
Zum Dolch' ihr Abschiedskuß.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goeckingk, Leopold Friedrich Günther von. Gedichte. Lyrische Gedichte. Drittes Buch. Das Scheiden. Das Scheiden. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-DF99-F