[302] An seine Freunde

Hört ihr einst, ich sey gestorben,
O! dann spielet auf Theorben
Keine Trauermelodie.
Ich, der euch im Leben nie
Eure Freude hat verdorben:
Ich verdürb' im Sterben sie?
Nein! Ihr sollt um mich nicht klagen!
Freuen mögt ihr euch, und sagen:
»Wohl! Geborgen ist auch der!
Und wer gab die Hand wie er
Dem Befreier ohne Zagen?
Darum klatschet hinterher!«
[303]
Dann so holt aus meinem Keller
Die paar Flaschen Muskateller,
Aufgespart für euch, heraus,
Trinkt, als wär' ich noch zu Haus,
Sie auf meinem Lieblingssöller
Mit einander fröhlich aus.
Und erinnert euch der Zeiten,
Wo beim Klange süßer Saiten
Meine Laun', im Vogelflug',
Mich von Scherz zu Scherze trug.
Stunden, die mich nicht gereuten,
Als der Tod nun sprach: Genug!
Laßt von mir die Leute sprechen,
Was sie wollen; von Verbrechen
War mein ganzes Leben rein,
Und so darf man Mensch nur seyn,
Um auch mir so manche Schwächen
Nach dem Tode zu verzeihn.
[304]
Meine Lieder tadeln hören,
Soll nicht eure Ruhe stören.
Nie verschwand noch ein Gesang,
Den ein reiner Geist durchdrang.
Nichts, wenn meine den entbehren,
Rettet sie vom Untergang'.
[305]

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Goeckingk, Leopold Friedrich Günther von. An seine Freunde. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-DEB2-E