15. Tamerlan und seine Tochter

Die liebste Tochter Tamerlans,
Des Helden, welcher Furcht und Schrecken
Um sich verbreitete, hieb eines schönen Hahns
Geliebter Henne, (die zu wecken,
Der Hahn sein häßliches Kikri,
Hochstehend, jeden Morgen schrie,)
Nicht dieses harten Schicksals wert,
Den Kopf ab mit des Vaters Schwert.
Der Vater sah's. Unschuldigen Geschöpfen
Haut man den Kopf nicht ab, sprach er;
Wer, Henker! lehrte dich des Hahns Gemahlin köpfen?
Unmenschliche Tyrannin! wer?
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»Herr Vater, Sie!« – Tyrannin, kniee nieder!
Gerechtigkeit muß sein, du bist mir nicht zu lieb!
Der Tochter zitterten, hinknieend, alle Glieder!
Der Vater nahm das Schwert, und hieb
Den schönsten Mädchenkopf
Der liebsten Tochter ab,
Faßt ihn beim Schopf
Und legt ihn sanft ins Grab!
Ob wohl mit Menschenblut der große Tamerlan,
Der böse Thaten hat gethan,
Die Götter zu versöhnen meinte?
Lehrt's, Menschenlehrer! mich!
Gerechtigkeit muß sein! sprach der Barbar und weinte
Zwo Thränen bitterlich.

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TextGrid Repository (2012). Gleim, Johann Wilhelm Ludwig. Gedichte. Fabeln. Drittes Buch. 15. Tamerlan und seine Tochter. 15. Tamerlan und seine Tochter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-D969-7