Die Probe

Schweig, Doris! schweig, ich bin schon müde,
Ich höre nichts von deinem Liede;
Sei still und singe nur nicht mehr,
Dein Lied verdienet kein Gehör.
Du wekkst mich, Doris! laß mich schlafen,
Mein Schlummer soll den Kaltsinn strafen,
Den ich aus deinen Augen las,
Als Damon dir zur Seite saß.
Du lächelst, und du willst mich küssen;
Ja, Doris! komm und laß mir wissen:
Ob Falschheit in dem Kusse stekkt,
Ob er nach Damons Küssen schmekkt.
Er schmekkt – – – allein du must nicht schelten,
Laß dismal Grund und Argwohn gelten;
Dein Kuß, und nicht dein Lied beweist:
Wie treu, wie liebenswert du seist.
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Nun kann ich dich mit Grunde loben;
Doch nein, ich muß noch weiter proben,
Dein Lied verdienet kein Gehör,
Dein Kuß beweist mir zehnmal mehr.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Gleim, Johann Wilhelm Ludwig. Die Probe. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-D79B-7