Der Sultan und sein Hof

Lotte klopfte; klopfte nämlich, weil man draußen rief: Herein!
Und es traten das Kindermädchen, das bei Sultans diente, ein,
Auf dem Arm den jüngsten Prinzen, General der Cavall'rie,
Eine Hoheit von Acht Wochen, welche ganz abscheulich schrie.
Erst nachdem das hohe Würmchen lutschbeutlig beruhigt war,
Reichte Pumpel-Pmapels Magd mir die Visitenkarte dar.
Zehn Minuten ließ ich höflichst unten im Kartoffelgarten
Den Beherrscher von Dummdummdumm mit dem Hofgefolge warten.
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Dann schrie Lotte aus dem Fenster. »Mein Gebieter – heda, Sultan!
Nimmt nunmehro die Visite in Herablassung und Huld an!«
»Schön!« erwiederte der Herrscher und stieg auf zu mir die Treppe.
Zwanzig Professoren trugen seine lange Purpurschleppe.
Neben ihm der Ober-Henker (er hieß hier »Gedankenrächer«)
Seiner dicken Hoheit wedelnd Kühlung mit dem Kuhschwanzfächer.
Sechszehn Tänzerinnen hielten über ihn den Baldachin,
All' von reizender Figur und – angekleidet, wie mir schien.
Fahsionable Bettelmönche gingen Arm in Arm zusammen
Mit Zehn unentweihten Jungfrau'n: approbirten Hebeammen.
Ferner folgten Dreizehn Ritter, edel und grundsteuerfrei,
Sechs die große Pauke blasend, Sieben trommelnd die Schalmei.
Dann der Leibpfaff der zugleich des Harems oberster Eunuche;
Dann der Zwerg, der Lustigmacher, mit dem Reichsgesetzesbuche;
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Ferner noch der Koch, der Hofarzt und ein großer Stabstrompeter,
Kammerherrn und Kammerdiener und ein kleiner Volksvertreter,
Der, getragen auf den Armen des Ministerpräsidenten,
Einschlief beim Gesang der andern hohen Diener des Regenten.
Endlich kamen noch zwei Dutzend Götzen-Pfaffen, Einer feister
Als der Andre, und zum Schluß ein kugelrunder Kellermeister.
»Fremdling!« sprach zu mir der Sultan, tief und ehrfurchtsvoll sich bückend:
»Deine Ankunft, Mich, den Herrscher, und ganz Dummdummdumm beglückend,
Sei mit aller Götter Segen hoch von heute an gesegnet,
Bis zur Zeit, von der verkündet, daß es goldne Scudi's regnet!«
»Möchten sie,« war meine Antwort, »dann so dicht herunterfallen,
Daß sie, trotz der harten Schale, Deinen Schädel Dir zerknallen!
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Denn es dürften sich so leicht nicht andre Räume finden lassen,
Die, wie jene Deines Hauptes, so viel goldne Scudi's fassen!«
Pampel, bei den ersten Worten zürnend noch die Stirne runzelnd
Fühlte durch die feine Wendung sich gechmeichelt und gab schmunzelnd
Mir mit hochhöchsteignen Fingern einen starken Nasenstüber
Als ein Zeichen seiner Gnade, und ich sprach, da dies vorüber:
»Herr, auf andern Sternen spreizt sich mancher Ochse, manche Kuh,
Doch auf keinem Sterne, Sultan, lebt solch' großer Ochs wie Du!
Deine Dummheit überbietet alle Dummheit, die man kennt,
Selbst die, welche Weisheit, Ordnung, Sitte und Geduld sich nennt.«
Diese Lobsalm-Uebertreibung, diese tolle, unverbrämte
Höfisch-freche Lüge, der ich mich im tiefsten Herzen schämte,
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Sie verfehlte ihren Zweck nicht: Pampel klopfte sich den Bauch
Und (hier höchster Wonne Zeichen) dessen Schattenseite auch;
Küßte mir den Saum des Schlafrocks, leckte meinen Knebelbart,
Kurz, that Alles, was ihm vorschrieb Hof und feine Lebensart,
Und als ihm der Ober-Mufti zurief, daß es nun genug sei,
Gab er mir noch die Versich'rung, daß auch ich durchaus nicht klug sei;
Daß auch meine Dummheit, wenn auch keine so erhab'ne, mächt'ge
Wie die seine, doch zu großen, schönen Hoffnungen berecht'ge.

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TextGrid Repository (2012). Glaßbrenner, Adolf. Gedichte. Die Verkehrte Welt. Drittes Kapitel. Der Sultan und sein Hof. Der Sultan und sein Hof. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-D785-8