Adel und Verfassung

»Jetzt verzeihe«, sprach der Sultan, wenn ich schuldigst mich erkecke
Vorzustell'n Dir meine hohen, staatsministeriellen Röcke.
»Röcke?« unterbrach ich fragend.
»Röcke, ja! So nämlich heißen
Die, die an dem Schiff des Staates sich als Ruderer befleißen.
Dieser hier ist der Finanzrock, der Marquis von Rumpel-Rampel;
Dieser fette Kerl der Kriegsrock, General von Wumpel-Wampel;
Jener ist der Rock des Cultus, Ober-Mufti Lumpel-Lampel,
Neben ihm der Rock der Prügel, der Baron von Krumpel-Krampel;
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Dieser hier der Rock des Aeußern, Excellenz von Schlumpel-Schlampel;
Endlich hier der Rock der Krone, Präsident von Humpel-Hampel:
Sämmtlich Diener ihres Herren, ihres Sultans Pumpel-Pampel.«
»Aber, wie ist's möglich«, rief ich, »daß die Namen der geheimen
Räthe just sich, dummer Herrscher, alle auf den Deinen reimen?«
»Diese Frage, nimm's nicht übel,« sprach, indem er drei Mal schlug
»Vor die Stirne mir, der Sultan lachend: ist ein wenigklug!
Wer in unsrer Welt gereimt ist auf den Namen des Tyrannen,
Der gehört zum hohen Adel, der gehört zu seinen Mannen,
Und die glattesten und besten unter diesen Reimen, die
Kommen, abgesehn von Tugend, Fähigkeiten und Genie,
Und wenn sie auch täglich schössen kluge und gescheidte Böcke,
[32]
Eo ipso zur Regierung, werden meines Staates Röcke.
Dieser Census ist poetisch und verhindert abgefeimtes
Und ehrgeiz'ges Stellenjagen, und daß einmal Ungereimtes
In der Administration sich könnte irgendwie ereignen,
Da ja alle meine Ordern stets ein Rock muß unterzeichnen.
Endlich ist dies Grundgesetz auch nützlich bei Revolutionen,
Ließ das Volk, wie's auch empört war, stets die Form des Staates schonen;
Alles blieb, so wie's gewesen, nur daß mit dem andern Namen,
Den man auf den Thron schob, andre Reime an das Ruder kamen,
Ohne Rücksicht auf Charakter, Dummheit, Tugend und Genie,
Ausgewählt nur nach der höhern Eigennamen-Poesie.
Liest Du dieser Welt Geschichte, findst Du Knubbiacks, Knipse, Tapse,
Nichts von einem Volk', nur einzeln lauter Schubbiaks, Fips' und Flapse;
So regierte vor Zehn Jahren noch ein Herrscher Namens Kornox,
Dessen Oberrock reimmetrisch-selbstverständlich war ein Hornochs.«
[33]
»Hab' ich recht gehört, o Sultan, hocherhab'ner Dummheitsquell!
So ist dieses Reichs Verfassung wahrhaft konstitutionell?«
»Allerdings! Dreihundert Eigner von den minder reinen, lahmen,
Falschen, schlechten Reimen auf den jedesmal'gen Herrscher-Namen,
Die daher nicht gänzlich adlig aber doch von höh'rem Stande:
Diese werden zu Vertretern ausgewählt in unserm Lande;
Heißt – Du weißt, Ich, gegenwärt'ger Sultan, heiße Pumpel-Pampel –
Einer, zum Exempel: Humpell-Hampell oder Bumbel-Bambel
Oder ähnlich, und ist Vierzig Jahr alt, so qualifizirt er
Sich – Hepso! – zum Geldbewill'gen und ist folglich Deputirter.«
Mehr als über die verkehrten Pairs, als über die Dreihundert
Falschen Pumpel-Pampel-Reime, war darüber ich verwundert,
[34]
Daß beim Niesen hier die Nasen nicht »Hepsi!« wie anderswo
Heftig-prustend rufen, sondern klar und würdevoll: Hepso!
Und daß, als der Sultan nieste, sich sein Hof die Nase schnaubte,
Und dabei statt »Zur Genesung!« oder sonstwie, sich erlaubte
Eine Einladung zu rufen, die zwar weit und breit bekannt ist
Auch auf unserm Sterne unten, aber keineswegs galant ist!
Offnen Mundes vor Erstaunen aber stand ich da, als jetzt
Pampel sich nach allen Seiten hin verneigte und zuletzt,
Huld und Freundlichkeit in seinen unaussprechlich dummen Zügen,
Keine andre Antwort hatte als die Worte: »Mit Vergnügen!«

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TextGrid Repository (2012). Glaßbrenner, Adolf. Gedichte. Die Verkehrte Welt. Viertes Kapitel. Adel und Verfassung. Adel und Verfassung. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-D772-1