Die Gräfin Lotte

Morgen war's; der Mond stand hoch im Westen;
Auf sprang ich vom Federposen-Lager,
Und stieg schnell in das Champagnerbad,
Das die Gräfin schon bereitet hatte,
Welche Lotte von der Lottburg hieß,
Treu als Magd mir diente und dafür
Monatlich mir dreißig Scudi zahlte.
»Herr!« sprach sie, mit feinen schwarzen Linnen
Sich den zarten Körper eifrig reibend,
Um den meinigen zu trocknen: »Herr!
Eh' der Ewigkeiten Stunden Eine
Sechzig der Minuten ausgeathmet;
Eh' der müde Mond sich noch gelegt hat
In der Wolkenkissen Purpurlager,
Und der schöne, finstre Tag heraufkommt:
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Wird die Zwanzig Zehen seiner Füße,
Unser Land durch ihren Tritt beglückend,
Sultan Pumpel-Pampel von Dummdummdumm,
Der Beherrscher aller Dummdummdummer,
Richten her nach diesem Deinem Stalle,
Unter der Kanonen Donnerknalle!«
»Kürzer, glaub' ich, gnädige Comtesse,
Hätten Sie mir dieses melden können,
Wenn die Denkkraft dieser edeln Stirne
Meines schönen Hauptes sich nicht irret.
Doch: ist's wahr, daß Seine Hoheit selber
Sich höchsteigenfüßig zu bemühen
Her zu mir die hohe Absicht haben?«
»Herr, es ist so,« gab die Magd zur Antwort:
»Ganz, wie ich durch meine Lippenrose
Silberklingenden Organs gemeldet.
Ja, es wird der Sultan von Dummdummdumm
Deinen Stall betreten, Dich, den Fremden,
Hier begrüßen und die saure Gurke
Und den Pampel-Orden dar Dir reichen,
Wie es dessen Schuldigkeit und Amt ist
[22]
Seit Jahrtausenden, der von den Göttern,
Wahrhaft konstitutionell zu herrschen
Ueber die verkehrte Welt, verdammt ist.«
Also sprechend hatte die Comtesse
Einen goldnen Frack mit Silberknöpfen,
Als bequeme leichte Morgenhülle
Dargereicht mir freundlich, um in solcher
Nun das leck're Frühstück, das bereit schon,
Vor des Sultans Ankunft einzunehmen.
Aber hell auf schlug sie eine Lache,
Als ich jetzt nach einer Schaale würz'gen
Kaffee's griff und solchen trinken wollte.
»Nein, bei allen Göttern«, rief sie lachend,
»Solche Huld darf ich Dir nicht erlauben,
Deiner niedern Gräfin zu erweisen.
Wie, Du wolltest selber, hi, hi, hi!
Deine Lippen mit dem Tranke netzen?
Nein, Herr, das ist Sache Deiner Magd!
Dir gebührt als Frühstück dieser Rauch!
Du erquickst Dich an dem kräft'gen Gase,
[23]
Welches, wie du siehst, aufkreiselnd zieht
In den Schornstein Deiner edeln Nase.«
Und mich schnuppernd ließ die Gräfin stehen;
Setzte sich in eine Sammt-Bergère;
Trank drei Schaalen würz'gen Moccakaffee's,
Noch durch Zucker, Mandelkuchenschnitte
Wie durch schönen, fetten Rahm geköstlicht.
Als ich so auf allerdings bequeme
Und sublime Art gefrühstückt hatte,
Hörten wir: »Heil unserm dummen Sultan!«
Unterbrochen von Kanonendonner,
Jauchzend auf der Straße unten schreien.
»Eiligst Deinen Frack fort!« rief die Gräfin.
»Wirf den Schlafrock hier, den buntgeblümten,
Ueber Deines Körpers holde Glieder!
Dunkle mit dem kecken Calabreser
Den romant'schen Mondschein Deines Hauptes;
Leime – da Dir Keiner ist gewachsen –
Diesen Knebelbart Dir in das Antlitz;
[24]
Stecke Deine Füße in Pantoffeln,
Und den Dolch hier in den Gurt des Schlafrocks!«
»Wie«, rief ich, »in solcher Kleidung sollt' ich...?«
»Niemand«, unterbrach mich die Comtesse,
»Darf den Sultan anders je empfangen
Noch sich Seiner dummen Hoheit nahen!
Wagt' es Einer ohne Calabreser!
Ohne Dolch und Schlafrock und Pantoffeln,
Oder bartlos vor ihm zu erscheinen,
So verurtheilt das Gesetz, o Jammer!
Ihn: Zehn Jahr lang täglich zuzuhören
Den Verhandlungen der Ersten Kammer!«
Eiligst ließ hierauf von meiner Gräfin
Ich mich putzen und zurecht mich stutzen,
Und von Allem g'nau mich unterrichten,
Was die strenge Etikette fordert
Hier im Reiche der Verkehrten Welt.

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TextGrid Repository (2012). Glaßbrenner, Adolf. Gedichte. Die Verkehrte Welt. Zweites Kapitel. Die Gräfin Lotte. Die Gräfin Lotte. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-D616-C