Heinrich Wilhelm von Gerstenberg
Tändeleyen

La Muse, qui dicta les rimes,

Que je vais offrir à vos yeux,

N'est point de ces Muses sublimes,

Qui pour Amans veulent des Dieux:

Elle n'a point les graces fieres!

Dont brillent ces Nymphes altieres,

Qui divinisent les Guerriers:

La negligence suit ses traces;

Ses tendres erreurs sont ses graces,

Et les roses sont ses lauriers.

Gresset.

[5] Tändeleyen

Paphos

Dich, wo mein Herz, wenn es dich fühlet,
Froh, wie in seiner Heimath glüht,
Dich, Paphos, hab ich oft gespielet,
Sey du auch itzt mein reizend Lied.
Von deinen Blumen-Düften trunken,
Und ganz Gefühl für deinen May,
Lernt ich, hin auf dein Moos gesunken,
Daß ich beglückt, wie Amor, sey.
Hier bin ich, dem Geräusch entwichen!
Sey mir gegrüßt, balsamscher Hayn!
Ein ganzer Frühling von Gerüchen
Ladt mich in deine Schatten ein.
Er hüpft daher auf goldnen Aesten,
Der Lenz, in Blüthen eingehüllt,
Um den ein Schwarm von lichten Westen
Der Bäume Wipfel säuselnd füllt.
Die offnen Fluren abzukühlen,
Fliehn sie durch die erwärmte Luft,
Ruhn itzt ermüdet aus, und spielen,
Und übergießen sich mit Duft.
Dann buhlen sie mit jungen Rosen,
[6]
Die durch die Liebe früher blühn;
Und, ihnen schöner liebzukosen,
Fliehn sie, und küssen sie im Fliehn.
Fern liegt von mir auf jähen Gipfeln,
Der Liebe heiligster Palast,
Den rings umher mit ew'gen Wipfeln
Ein junger Myrtenhayn umfaßt.
Auf den von seinem Feuersitze
Der Tag verstohlen niedersieht,
Wenn er in jugendlicher Hitze
Am Horizont vorüberflieht.
Dem Arm des Mulciber entrissen,
Hat Venus hier mit stillen Küssen
Einst den Adon zuerst erfreut.
Er starb, der Liebling der Cythere:
Doch ihn verewigen Altäre,
Die Paphos seinem Ruhm geweiht.
[6]
Noch itzt beweinet ihn Cythere:
Man glaubt, sie würd untröstlich seyn,
Wenn sonst kein Liebling übrig wäre,
Die Göttinn wieder zu erfreun.
Sie kömmt, die Königinn der Herzen!
Sie kömmt, die Mutter der Natur!
Verfolgt von Amorn und von Scherzen
Betritt ihr schöner Fuß die Flur,
Und hinterläßt auf seiner Spur,
Den Aushauch einer Veilchen-Flur.
Ihr hüpft ihr schlauer Sohn zur Seiten,
Der manchen Sklaven ihr gemacht;
Auch Heben seh ich sie begleiten,
Die mir durch sie so freundlich lacht.
Schon tanzen in geschlungnen Reihen
Die Grazien, die Schmeicheleyen,
Die Freuden, und die Buhlereyen,
Der Liebesgötter lärmend Heer,
Und alle Nymphen um sie her.
Geschmückt mit heil'gen Lorbeer-Kränzen,
Mischt sich zu ihren frohen Täuzen
Der Liebesdichter seligs Chor:
Einst hörten Erden ihre Lieder.
Der Tod hob sie auf Schwan-Gefieder
In diese bessre Welt empor.

[7] Amors Geburt

Nicht erst in dieser Reih von Jahren,
Schon da, als Menschen Schäfer waren,
Vor Säklen schon hab ich, Sophia, dich geküßt,
Nur blos dem Namen nach verschieden,
Hab ich Sophien in Naiden,
Hast du mich im Mirtill geküßt.
Zwar diese Bilder sind an Lethens goldnen Wellen,
Der unter Trauben sich ergießt,
Wo ewig, wie aus Nektarquellen,
Der Most aus Bachus Urne fließt –
Zwar sind sie längst an Lethens goldnen Wellen
Aus deiner Seel ertränkt:
Nur aus des Dichters Geist hat sie kein Most ertränkt,
Der Thaten aus Prometheus Zeiten
So klar, wie ferne Künftigkeiten,
Am Aganipper-Bache denkt.
Ich seh, ich seh – o glaube dem Berichte! –
In jene Welt zurück, von heilger Glut beseelt!
O Liebste, höre die Geschichte,
In der dein Dichter dir erzählt,
[8]
Wie er vor Säklen schon dich und dein Herz gewählt –
Dein Herz voll Zärtlichkeit, dein himmlisch Herz gewählt!

Es war im Anfange der Zeiten, da ich gebohren ward.

Der Himmel trug noch wenig Götter;
Den Zevs verkündigte kein zornig Donnerwetter;
Halbgötter kannte man noch nicht.
Vor wenigen, holdlächelnden Göttinnen
Entzückte Cypria durch Bildung und Gesicht: –
Dir aber, Mädchen, glich sie nicht. –
Der spätern Nachwelt Halbgöttinnen
Durchirrten noch als Schäferinnen
Die bunte Flur, den jungen Hayn,
Und nahmen keinen Schäfer ein,
Und fühlten nicht der Liebe Pein:
Denn Amor, der Monarch der Herzen,
Schoß noch in keine Brust glutvolle Liebesschmerzen.

Kein Wunder! der Gott war noch nicht gebohren. – Ich war schon ein Jüngling, als ihn Venus gebahr. –

[9]
Singt Cypripors Geburt, ihr Musen! –
Aus einer Rosenknosp an Venus vollem Busen
Schlich unvermerkt der Gott hervor.
An seinem zarten Hals, durchsichtiger als Flor,
Den seidne Locken frey umflogen,
Hing schon der Köcher und der Bogen.
Schnell sprang der Schalk auf Venus Brust empor,
Sah von der Höhe stolz hernieder,
Und schüttelte sein artiges Gefieder,
Und wagts, und flog empor.

O wie mußte ich Jüngling lachen, als ich den kleinen Helden, klein, wie ein Nelkenblatt, auf dem warmen Busen sich blähen sah! Aber ach! wer hätte es geglaubt? Schon damals bewies mir der Gott, er sey nicht gebohren, um verlacht zu werden.


Gewaltsam, in der schnellsten Eile,
Flog in mein Herz der größte seiner Pfeile:
Erschrocken sank ich hin.
Da sah ich meine Brust von Tropfen Bluts sich färben,
Und weint', und glaubte nun zu sterben;
Doch Cyperns edle Königinn
Entriß mich huldreich dem Verderben.

[10] Weine nicht, lieber Jüngling, sprach die Holdselige. Amors Pfeile verwunden zwar, aber sie tödten nicht. Siehe! Eins von diesen Mädchen aus meinem Gefolge soll deine blutende Brust wieder heilen. Steh auf, und wähle; es soll dein Eigenthum seyn. – Und ich stand auf, und weinte nicht mehr. Da stellten sich die Mädchen um mich herum, daß ich wählen könnte: Aber – glaube mir, Geliebte, – der Pfeil hatte mich gelehrter gemacht, und ich unterschied itzt Reizungen, die ich vordem kaum bemerkt hatte.


Hier winkte mir ein Purpur-Mund;
Dort eine Brust, gewölbt und rund;
Hier reizten ein paar volle Wangen,
Dort ein paar Augen, mein Verlangen:
Wohin ich nur, unschlüßig, sah,
Stand etwas, mich zu reizen, da;
Bis ich ein holdes Kind entdeckte,
Das meinen Blicken sich versteckte,
Frisch, wie der Morgenthau, jung, wie ein Frühlingstag,
Und heiter, wie ein Silberbach.

O meine Freundinn, du warst es, die Liebenswürdigste unter den Mädchen aus dem [11] Gefolge der Venus. Wie hätte ich dich übersehen können? Dich, dich wählte ich, meine Sophia, der erste der Liebhaber, und sprach zur Cythere:


Dein ganz Gefolge gönn ich dir;
Dieß Mädchen, Göttinn, schenke mir.

Die Göttinn lächelte, und winkte mir Beyfall zu, daß ich so vernünftig gewählt hatte.

[12] Der Gott der Eifersucht

Wir waren in Knidos, meine holdselige Chloe und ich.
Auf ewig grünem Laube spielen
Hier Scherz, und Lenz, und Zärtlichkeit.
Die Blumen küssen, Bäume fühlen,
Und Grotten, welche Zephyrs kühlen,
Verbergen manchen holden Streit,
Wenn eine Dryas hier im Thale
Dem jungen Faun zum erstenmale
Mit lautem Zwange Küsse weiht.

Um einen zu furchtsamen Satyr zu ermuntern, der auf sein eignes Glück argwöhnisch war, floh eine schalkhafte Napäe lachend in den Lustwald. Wir eilten ihr nach, um zu erfahren, ob der Satyr sie erhaschen würde, als plötzlich die Göttinn Venus aus dem Walde hervortrat.


Mit aufgelöstem Gürtel gingen
Die Grazien leicht vor ihr hin,
Ein Amor fliegt mit regen Schwingen
Schnell auf die Brust, schnell auf das Kinn,
[13]
Sucht dort ein Knöspchen anzubringen,
Und tändelt hier ein Grübchen hin:
Mit himmlisch sanften Liebesschlägen
Lohnt ihm die Göttinn seine Müh:
Froh flattert er der Straf entgegen,
Und zur Vergeltung küßt er sie.

Unglücklicher! o daß ich diesen Amor nie gesehen hätte! Er war der boshafteste unter seinen Brüdern! der Gott der Eifersucht in seinem betrüglichen Reize.


Er wars, der im Geräusch der Blätter
Untreue Küsse rauschen hört,
Der Sicherheit in Furcht verkehrt,
Die sanftesten mit Wuth bewehrt,
Die Edelsten Neid oder Argwohn lehrt,
Ach! jedes Glück der Liebe stöhrt:
Ach! der gefährlichste der Götter!

Warum mußte der Bösewicht mir mit seinen heuchlerischen Blicken gefallen? Warum entfloh er seiner Göttinn, nur mit mir Armen zu spielen, und von mir gehascht zu werden? Warum schenkte mir ihn die Königinn der Liebe? Seitdem sind die güldnen Tage unsrer Liebe oft durch abwechselnden Kummer umwölkt worden.


[14]
Mich nagt bey Chloens besten Küssen
Ein banger schrecklicher Verdacht:
»Wie, wenn bey diesen Nektarküssen
Ein dritter oft mich still verlacht!
O Chloe! sollt ich dieses wissen!«
Dann nenn ich Chloen den Verdacht,
Und Chloe weint; und ich muß reuig flehen:
Denn weinen kann ich sie nicht sehen. –
Ach! Venus, nimm den Gott zurück!
Er bringt mich ewig um mein Glück.

[15] Der Priester der Venus

Der Greis, der so viel Liebesgötter
In seinem Busen ausgeheckt,
Der sich auf zarte Lotosblätter
So oft bey Libern hingestreckt,
Der frohe Greis, der nie getrauert,
Als wenn vielleicht der Wein verdarb,
Der, von Lyäen selbst bedauert,
An einem Traubenkerne starb:

Der Greis Anakreon ward nach seinem Tode auf dem Wagen der Venus in die Insel Cythera gebracht, wo ihn zween Amors zu dem Throne der Göttinn führten. Sie lächelte liebreizend, da sie ihn sah, und sprach also:


Vor allen Dienern meines Thrones
Hast du mein Recht am eifrigsten geschützt,
Hast auf die Spötter meines Sohnes
Oft rächrisch, wie ein Zevs, geblitzt.
Empfang den Anfang deines Lohnes:
Mit diesem Kranz weih ich dich ein,
Der Priester meines Reichs zu seyn.

Einst, als ich Jüngling einen Faun hinter einer Nymphe stolpern, und sie neben mir im [16] Walde erhaschen sah, und itzt zuspringen wollte, ihm die schöne Beute zu rauben, um sie für mich zu behalten – fühlte ich mich plötzlich von Blumenfesseln zurückgezogen, die mir drey lose Mädchen unvermerkt um die Arme gebunden hatten.


Arglistiger! Untreuer! riefen sie,
Ha! soll man dich also, die Nymphen zu erhaschen,
In Wäldern lauschend überraschen?
Muß man dich darum nur so lange suchen? Wie?
Da spring itzt zu, und hasche sie!

Zieht mir die Arme nicht wund, liebste Mädchen! antwortete ich. Nur einen Augenblick laßt mich hier auf dem Moose ruhn; ich bin so müde, ihr Mädchen, so erschrocken. – Aber umsonst!


Zwo liefen mit mir fort, so sehr ich bat,
Die dritte jagte mich mit Drohungen und Minen
Und Liljenstengeln hinter ihnen,
Wie Amor einst dem Tejer that.

Alle Liebes-Götter klatschten über den lustigen Aufzug in die Hände. Auf diese Art kamen wir vor dem Anakreon in dem Tempel [17] der Liebe an, und die Mädchen drangen darauf, daß ich gestraft werden müßte. – Ihr Mädchen, sprach der Priester der Liebe, ich kann ihn nicht strafen; ich selbst bin nicht treuer gewesen, als er. – Aber wir werden den Jüngling nicht lieben, antworteten sie, wenn er uns untreu bleibt. – Sie stritten noch immer, als ich mit allen meinen Blumenfesseln davon lief, und eine vorüberfliehende Nymphe schon zehnmal geküßt hatte, ehe sie die Flucht nur bemerkten. Sind die Mädchen unsinnig, sagte die Nymphe küssend, daß sie Jünglinge finden wollen, die nicht untreu und flatterhaft sind?

[18] Der Geschmack eines Kusses

Als ich ein Knabe war, und von meinem Vater nach Paphos geschickt wurde, um die Liebe zu lernen: da erfuhr ich von einer Dryas – itzt, Schönen, könnt ihr es von mir erfahren – was Küsse sind. Nie tanzten die Nymphen und die Dryaden, ohne zu ihren Chören mich zuzulassen: denn ich war dem Gott der Liebe geweiht, und meine ganze Bildung redte Gefühl.


Dann konnt ich Knabe mich erfreun!
Ganz Paphos schien mir Tanz zu seyn.
Denn auf mir tanzten Liebesgötter,
Und unter mir die Blumenblätter.

Unter den Dryaden war eine, die mich vor allen andern immer zum Tanzen aufforderte, und mir meine kleine Hand liebreizend drückte, und anmuthig erröthete, wenn ich mit ihr tanzte. Auch ich drückte der Dryas freundlich die Hand, und erröthete, wenn ich mit ihr tanzte. Noch ehe Aurora, aus dem Oceane [19] herauffuhr, war ich schon im Hayne, und spielte mit der holdseligen Dryas.


Bald überrascht ich sie in Sträuchen,
Wo sie, entdeckt zu seyn, sanft in das Laub gerauscht;
Bald, wenn ich mich verbarg, ward ich von ihr belauscht,
Dann floh sie, wenn sie mich belauscht,
Und ich ihr nach, sie zu erreichen.
Doch schnell verschloß sie sich in Eichen,
Und wehrte mir, sie zu erreichen.
Dann klettert ich auf manchen Baum empor,
Und hörte sie verräthrisch lachen,
Und bat, ihr Eichenhaus mir Knaben aufzumachen,
Dann sprang sie froh aus ihrer Eich hervor, –

Einst, als ich mit meiner Dryas im Hayne spielte, streichelte sie mir freundlich die Wangen, und sprach: Drücke deine Lippen auf die meinigen, ich drückte sie auf die ihrigen, und o Himmel! welch ein Geschmack!


[20]
So süß ist Honig nicht, der vom Hymettus fließt;
So süß ist nicht die Frucht von Surentiner Reben:
So süß der Nektar nicht, durch den unsterblich Leben
Den Göttern Ganymed in güldne Schaalen gießt.

Itzt drückte sie wieder ihre Lippen auf die meinigen. Ganz trunken von Entzücken rief ich: o Unvergleichliche! wie nennest du diese Wollust, die von deinen Lippen auf die meinigen strömt, so oft sie ein ander berühren? Sie sprach mit einem holdseligen Lächeln: Küssen!

[21] Amors Triumph

Meine Doris war anfangs wild, wie die schäumenden Wogen des Adriatischen Meeres; Amor selbst verzweifelte, sie jemals zu überwinden.


An ihren stolzen Marmorbrüsten
Sprang jeder Pfeil des Amors ab;
Es mochte da der Gott sich noch so sehr entrüsten,
Und zehnmal kriegrischer sich rüsten,
Der Pfeil sprang ab.
Wie oft bat ich sie zu verziehen,
Wenn sie, gleich Rehen, vor mir floh!
Soll stets mein zärtlich Herz vergebens um dich glühen?
Ach! wird mich Doris ewig fliehen?
Und Doris floh.

Amor, dessen Stolz beleidiget war, eilte zu seiner Mutter, der allmächtigen Cypris, und klagte ihr seine Schande, und bat sie um einige von den himmlischen Küssen.


[22]
Die sie mit ihrem Nektar netzt,
Wenn Ganymed ihn fünfmal durchgeläutert,
Sie, deren Reiz so oft das Herz des Mars geletzt,
Und siegreich seine Stirn zum Lächeln aufgeheitert,
Wenn sie die Welt in Schrecken setzt.

Venus gab sie dem Amor. Mit diesen Küssen bewaffnete Amor meine Lippen, und muthig lief ich hin zu dem spröden Mädchen, und umarmte sie feurig und küßte sie.


Da fühlte sie der Liebe Glück,
Und gab mir schnell den Kuß zurück;
Da fühlt ich ihre Lippen glühen,
Und diese Wangen, die mir blühen.
Da lernte sie zum erstenmal verziehen –
Nun wird sie nimmer vor mir fliehen.

Wie triumphirte der Gott der Liebe, da er die sprödeste unter allen Schönen bezwungen sah! Wie jauchzten die Liebesgötter, sein Gefolge, dem Amor zu Ehren! Wie tönten ihre frohen Triumphlieder dem Sieger entgegen! – Doch ich – in stummer unaussprechlicher Entzückung berauscht, lag ich da. – O Muse! [23] Hilf mir die Triumphlieder der Liebesgötter widerholen.


Der erste Liebesgott.

Triumph dem Amor! dem Sieger der Welt!
Hier will ich mich
An Doris Marmorbusen legen.
Hier, stolzer Busen, straf ich dich
Mit sanften Liebesschlägen.
Dann küß ich dich!
Dann soll mein Flügel mit dir spielen!
Du Brust wirst itzt doch fühlen?
Alle Liebesgötter.

Triumph dem Amor! dem Sieger der Welt!
Der zweyte Liebesgott.

Holde Brust!
Seht! o seht! die holde Brust
Glüht und wallt bereits für Lust.
Zephyrs, kommt, sie abzukühlen!
Seht! o seht die hüpfende Brust!
Seht! sie kann schon fühlen.
Alle Liebesgötter.

Triumph dem Amor! dem Sieger der Welt!
[24] Der dritte Liebesgott.

Wie steigt ihr Busen von Entzücken!
Laß nach! du Brust wirst mich erdrücken!
Seht, Götter, seht,
Wie sich der Busen bläht!
Wie mich der lose Busen drückt!
Mein bester Fittig ist zerknickt.

Da lachten die Liebesgötter! da lachte die schalkhafte Doris!

Da schlug sie ihren Arm um mich;
Da sprach ihr Auge: scheust du dich?
Und hurtig, Doris, küßt ich dich.
Da half ihr meine Brust den kleinen Sänger drücken,
Um ihm in wallendem Entzücken
Den zweyten Fittig zu zerknicken.

[25] Das Kennzeichen der Untreue

Amor fliegt mit Schmetterlingen,
Um in frohem Wechselstreit
Sich den Preis der Schnelligkeit
Vor den Thierchen zu erringen:
Doch er fällt aus Müdigkeit
Schnell in einen Bach und schreyt.

Ich Jüngling lief eilig hinzu, hob ihn sanft aus dem Wasser, und trocknete seine nassen Flügel, und erwärmte ihn an meinem Busen. Nun dankte mir Amor freundlich, und sprach: Lieber Jüngling, womit soll ich deine Großmuth vergelten? – Erhalte mir meine Chloe getreu, antwortete ich – O Jüngling, rief er, was bittest du? Steht es in der Gewalt des Amors, die Liebe in den Herzen der Mädchen einzuschränken? Da schlug ich die Augen nieder, und seufzete, und Amor hörte den Seufzer, und floh bekümmert auf Flügeln der Weste von mir hinweg.


Nicht lange, so kam Amor lautlachend wieder zurück, von funfzig Liebesgöttern begleitet, [26] die eine schwere Last durch den Olymp trugen.


An jedem Zipfel keichten zehn,
Und an der Mitte keichten zehn,
Und alle, – lustig wars zu sehn –
Verirrten sich in dieses Dinges Falten,
Und schrien, sie würden es nicht halten.

Es war der Gürtel der Venus, leicht, wie ein Seiden-Gewebe. Hier! sprach Amor, ich will dein Mädchen schön bilden, wie die Unsterblichen sind.


Kein Mädchen soll ihr auf der Erden
Je gleich gewesen seyn, noch werden.
Aus diesem Gürtel schenk ich ihr –
(Denn dazu lieh ihn Venus mir)
Der Seele schönsten Sitz, die schönsten Augenlieder!
In ihnen Majestät, Gefühl,
Vertraulichkeit und Scherz und Spiel.
Ihr Auge blicke sanft auf deine Flammen nieder;
Nicht Argwohn, Wildheit, Ungestüm,
Die süße Freude blick aus ihm.
Schamhaftigkeit soll auf den Wangen,
Und Edelmuth soll auf der Stirne prangen –

[27] Höre auf, unterbrach ich ihn, mir die Schönheiten des Gürtels zu zeigen. Mein Mädchen besitzt sie alle, ob sie gleich nicht unsterblich ist. – Aber was ist dieß da, das wie ein Gott des Lachens unter den Schönheiten hervorstralt? Es ist das buhlerische Gelächter, antwortete der Gott, welches die Königinn von Cythera annahm, als Mars sie den Mulciber täuschen half. – Das, rief ich, will ich mitnehmen, und Chloen zeigen, damit sie sich vor der Untreue fürchte.

[28] Lob der Treue

Amor scherzte mit seiner Psyche im Myrthengebüsche. Doris, mein Mädchen, wies mir die beyden Tändler, und wir überraschten sie, und sahen sie küssen, und sie wurden uns nicht gewahr. O Doris, zischelte ich ihr zu:


Siehst du, wie viel aus Psychens Blicken,
Aus den verschämten Wangen spricht?
O liebe Doris! welch Entzücken! –
Ein Sterblicher begreift es nicht!

Der frohe Gott hatte seinen Köcher auf Rosen geworfen, und neben demselben lag der ungespannte Bogen. Doris ergriff den Köcher und den Bogen, und eilte damit ins Gebüsch. Da hörte der Gott das Rauschen der Blätter, sprang hervor, vermißte seine Waffen, und sah verwundrungsvoll und mit verlängertem Halse um sich her, den Räuber zu finden; aber Doris lachte im Busch, und Amor entdeckte die Lose, und verfolgte sie durch das Gebüsch. – Er wird sie ergreifen, rief die nahe Psyche mir zu, und dir sie wiederbringen: setze dich hier nieder im Schatten, lieber Jüngling! [29] Wie roth ist dein Mund! wie gefühlvoll deine Blicke! Amor selbst ist so artig nicht, als du. – Ach ja, Göttinn, sprach ich, er ist artiger. Itzt ist er im Busche mit meiner Doris – ach! laß uns sie belauschen, und sehen, ob Amor dir treu ist. – Reizende Einfalt! sprach Psyche lachend, und ging mit mir. Da hörten wir Amorn sagen:


»Willst du die Königinn der Schönen,
Unsterblich, wie Cythere seyn,
Gebeut! ein dienstbar Chor von Schönen
Soll dir im Tempel Weihrauch streun,
Soll dir in Lydischweichen Tönen
Manch ehrerbietig Loblied weihn.
Dich soll die Harmonie der Sphären,
Dich des Parnasses Hymnen ehren;
Dein Trank soll edler Götterwein,
Ambrosia soll deine Speise seyn.«

Ohne dem Gott zu antworten, flog sie in meine Arme, und küßte mich. O wie drückte ich sie an mein Herz. – Laß uns nicht ferner die Glückseligkeit der Götter beneiden! rief ich; und mit stolzer Verachtung verließen wir Glückliche den Amor und seine Psyche: denn was sind selbst Götterküsse ohne Treue!

[30] Die Göttinn der Liebe

Amathunt und Cythera und Paphos (erinnerst du dich der Geschichte: Sophia, du schlankes Mädchen?) stritten über den Besitz der Göttinn der Liebe, den jedes dem andern beneidete. Man sagte, die Göttinn würde selbst erscheinen, den Zwist zu entscheiden, und die Thäler waren voll von Jünglingen mit rosenbekränzten Haaren, und von Mädchen, die zwischen den Blumen und Schmetterlingen spielten. Indeß, da der Abendstern winkte, sprang meine Schalkhafte ins Freye, und trotzte mir, daß ich sie nicht einholen sollte, und glitt schnell über die thauigte Ebne hinweg, wie Frühlingslüfte über ein Veilchenbeet: da hättet ihr mich sollen laufen sehn! das Mädchen voran, ich hinter dem Mädchen, und alle Jünglinge und Mädchen schreyend hinter mir her! Ich wußte nicht, warum die Jünglinge und Mädchen hinter mir hereilten, und lief aus Furcht nur desto schneller: [31] allein das Gedränge holte uns ein, und ungestühmer ward das Geschrey:


Göttinn, Göttinn zarter Herzen,
O du bists mit deinen Scherzen!
Dein Gefolg sind Lüsternheit,
Muthwill, laute Fröhlichkeit,
Anmuthsvolle Spöttereyen,
Winke, Blicke, Tändeleyen!
Seht, o seht an ihren Wangen
Alle Lächelgeister hangen,
In der Wangen Grübchen lauschen,
Und in Wonne sich berauschen!

So riefen die Jünglinge und Mädchen; und ich schaute über mir, seitwärts, rückwärts, um die Göttinn wahrzunehmen; aber ich sah sie nicht, auch ihren Wagen nicht, noch ihre Tauben. Zuletzt erhaschten sie meine Schöne; da ward ich den Irrthum gewahr; ich konnte ihnen denselben verzeihen.


In meines Mädchens Augenliedern blinken,
Die Geister von zehntausend holden Winken,
Gleich dem Gestirn in heller Nacht.
[32]
Es drängt sich, wie auf Knospen junger Rosen,
Der keuschen Freuden Heer, sie liebzukosen,
Auf ihren Lippen, wenn sie lacht.

Venus, rief ich der Jugend aus Amathunt und Paphos und Cythera zu, ist schon lange nicht mehr von ihren Grazien und Liebesgöttern begleitet gewesen. Sucht sie in dem idalischen Hayne, im Palast des Adonis; aber ich verlasse euch mit meinem Mädchen im Arme. – Sie sahen uns traurig nach, und haben seitdem nie wieder über den Besitz der Göttinn der Liebe gestritten.

[33] Parthenope

Jupiter liebte unter den Halbgöttinnen keine so zärtlich, als die Nymphe Parthenope.
Schon mancher goldne Tag war ihrem Scherz verflossen;
Ihr Herz war keiner Lust, die Venus schenkt, verschlossen;
In ihrer Küsse Harmonie
Scholl noch ein Seufzer nie.
Da erst vergaß der Gott zufrieden seinen Himmel,
Floh in den stillen Hayn vom prächtigen Getümmel,
Sah seine Schön, und küßte sie.

Einst, als Jupiter die Schöne am Abend verließ, hörte er etwas unter den Büschen verstohlen daherrauschen. Er verbarg sich und sah einen Faun in die Grotte der Parthenope eilen.


Wie war dem Gott, als er dieß sah;
Bang und betäubt folgt er dem Faunen;
[34]
Und – falsche Nymphe! welch Erstaunen! –
Und was er fürchtete, geschah.
Es lispelt Kuß um Kuß ins laute Spiel der Blätter,
Es lacht – Verruchteste! bebt vor dem Gott der Götter!
Lacht nicht – Entsetzen, Schaam, langsame zitternde Wuth
Preßt ihm das Aug hervor, schwärzt sein Gesicht mit Blut.
Da starrt der Gott – und jetzund flammt die Glut –
Und itzt steht er vor den Verräthern;
Und beyde fliehn gleich scheuen Missethätern:
Doch Jupitern entflieht man nicht!
Er will – fest stehn sie da er spricht:
»Du Falsche, wagsts, beschimpfest mein Vertrauen –
Geh! – Niederträchtige – buhl, und erweck nur Grauen,
Du Faun, geh hin; dich straf ich nicht:«
Und eine Thräne, da er spricht,
Benetzt sein weggewandt Gesicht.

[35] Chloe, hast du jemals dort im Meer eine Nymphe gesehen – Sirene nennen die Dichter sie –

Die Selbst im Wasser noch der Liebe Flammen leidet,
Manch buhlerisches Lied umsonst gen Himmel schickt,
Weil jeder schauervoll sie meidet,
Die, wenn sie einen ja berückt,
Und nun erkennt, daß sie ihn ängstigt, nicht entzückt,
Den ganzen Erebus in ihrer Seele leidet?

Hast du die Elende gesehen? Es ist Parthenope; so hat Jupiter sie gestraft!

[36] Die Nymphe Dianens

Ich ging einsam durch die Schatten des idalischen Hayns, den Lustwald der Diane, die hier oft das erschrockne Wild verfolgt, und es auch itzt verfolgte. In weiter Ferne tönten die frohen Jagdhörner dumpfigt zu mir herüber; und schnell sah ich vor mir auf spitzigen Klippen eine der Nymphen hinter einem Gemse daher fliegen, itzt in graunvoller Tiefe von ihm entfernt, itzt, von ihrem Pfeile begleitet, dicht hinter ihm; und es stürzte hinab in die Thäler zu meinen Füßen, das blutende stolze Thier, und auch die Nymphe stand vor mir da.


Wild schoß ihr reizend Aug umher,
Sah den erlegten Raub nicht mehr,
Sah mich nur! ihre Haare flogen
Um Hals und Stirn und Brust; sie stand
So ernst, wie Juno, da! in ihrer rechten Hand
Schwung sie den kühnen Pfeil; die linke trug den Bogen.

[37] Ich zitterte, da ich die schöne Grausame sah, und blickte furchtsam nieder: denn ich fürchtete sie durch ein freyes Auge zu beleidigen, so lang ich den Pfeil in ihrer Hand wahrnahm. Endlich redte ich sie an: Zürne nicht, schönste Nymphe, daß ich so schüchtern dastehe. Ich Unerfahrner bin aus den Staaten der Göttinn Cythere, und habe nie ein drohendes Mädchenauge, noch Bogen und Pfeil in der Hand einer Schönen gesehen. Bey uns zürnt nie eine Schöne; oder wenn sie zürnt:


So ists ein Frühlingstag, der durch ein Wölkchen lacht:
Ihr Mund, zum Kuß so sanft gemacht,
Weis nur zu seufzen, nicht zu dräuen,
Und droht er ja, es plötzlich zu bereuen.

Daher sind keine Mädchen glücklicher, als die Mädchen der Göttinn Cythere. Es ist unglaublich, schöne Nymphe, was für Freuden der Kuß eines Jünglings in ihrem Busen erweckt.


Nenn auf der Welt mir eine Lust:
Durch Küsse zaubr' ich sie in eine schöne Brust.

Deine Brust ist unvergleichlich, o Nymphe! – Ich sprachs, und gleich lächelte die furchtbare [38] Nymphe; ein Seufzer hob ihre schöne Brust; sanft drohte sie, und bereute plötzlich den drohenden Blick. Küsse mich auch, Jüngling, sagte sie, indem sie sich unter eine Fichte setzte; und ich küßte sie, und drückte sie an meinen Busen. Ach! da kam Diana. Wer ist dieser Jüngling, rief die trotzige Göttinn? Es ist Amor, antwortete die schlaue Nymphe: ich habe ihn hier gefangen, als er muthwillig hinter dem Wilde jagte. Seine Flügel habe ich ihm abgeschnitten, und seinen Köcher ins Meer geworfen: soll ich ihn vom Felsen ins Meer stürzen? – Nein, sprach die Göttinn, nimm ihn mit in deine Grotte, und binde ihn; wenn ich diesen Abend von der Jagd zurückkomme, so will ich ihn seiner Mutter zuschicken, daß er die Nymphen nicht verwunde. – Und nun, ihr Liebesgötter, richtet Tropäen dem mächtigen Sieger auf, der eine von Dianens Nymphen bezwang!

[39] Bacchus und Amor

An jungen misgerathnen Stöcken,
Und noch von keiner Traube schwer,
Geht Bacchus wirthschaftlich daher,
Sucht itzt ein Auge zu verstecken,
Itzt eins den Stralen aufzudecken,
Arbeitet, knickt, zerreißt und bricht,
Und keicht, und schont der Hände nicht.

Amor, der ein Mädchen, das selbst seinen Pfeilen zu schnell war, durch Rosengebüsche jagte, sah, indem er dem Mädchen nachlief, den arbeitsamen Bacchus beym Weinstocke schwitzen. Nie hatte Amor den Bacchus so emsig gesehen. Armer Gott, sprach er leise, ich muß dir Muße verschaffen, und gleich flog der Pfeil in des Weingotts Herz, der dem schüchternen Mädchen bestimmt war.


Der kleine Gott, der sonst nur trank,
Sonst nur vom Rausch zu Boden sank,
Sinkt itzt vor Amors Pfeil zu Boden,
Und geistig Blut trieft in den Boden;
[40]
Und Bacchus weint, da er die Wunde fühlt,
Daß Amor ihm so mitgespielt.

Auf! unbezwingbarer Weingott, rief Amor spöttisch, Bändiger der lybischen Löwen und Tieger, auf! und huldige itzt dem stärkern Amor. Die Wunde ist tief: laß eine Schöne sie heilen. – Amor lachte und floh. – Aber das Blut des Bacchus drang in die Wurzeln der Weinstöcke, und die Trauben schwollen seit dieser Zeit von edlem Burgundermost auf, der das Herz zu den zärtsten Trieben erhebt. –


Von diesem Most, den ich noch keinem zugebracht,
Daß er ihn nicht gleich fühlbarer gemacht,
Von diesem Moste will ich trinken.
O Phillis! siehst du ihn nicht winken?
O liebe Phillis, laß uns trinken!

[41] Die Grazien

Als an einem Frühlingsabende sich die drey Grazien neben einem Walde in acidalischen Quellen belustigten, verlohr sich plötzlich Aglaja, die schönste der Grazien. Wie erschracken die Töchter der Anmuth, als sie Aglajen vermißten! Wie liefen sie durch die Bäume und suchten und riefen!


So ängstlich bebt auf Cremonesersaiten
Der zärtste Silberton.
Aglaja! – rief der Silberton.
Aglaja! – half der Nachhall sanft verbreiten.
Umsonst, Aglaja war entflohn.
»Ach, Pan schlich längst ihr nach! der Frevler hat sie schon!
Ach, Acidalia! blick her von deinem Thron!
Soll sie nach langen Ewigkeiten
Nur itzt nicht länger uns begleiten?
Zwo Grazien sind aller Welt zum Hohn,
Und ach! die dritte hat er schon! –«
So klagten sie. Umsonst! Aglaja war entflohn.

Nun schlichen sie an den Büschen herum, und[42] schlugen leise an die Blätter, und flohen nach jedem Schlage furchtsam zurück.


Denn stellten sie sich gleich, den Räuber auszuspähen,
So zitterten sie doch für Furcht, ihn nur zu sehen.

Endlich kamen sie an ein Rosengebüsche, das meine Chloe versteckte – und mich. Chloe saß vor mir, ich hinter Chloen.


Itzt bog ich schlau an ihrem Hals mich langsam über,
Und stahl ihr schnell ein Mäulchen ab;
Itzt bog sie unvermerkt den Hals zu mir herüber,
Und jedes nahm den Kuß auf halben Weg sich ab,
Den jedes nahm und jedes gab.

In diesem Spiele überraschten uns die Grazien, und sie lachten laut, da sie uns küssen sahen, und hüpften fröhlich zu uns herbey. Da ist Aglaja! – riefen sie. Die Schalkhafte! – Du küssest, da wir unruhig herumirren, und dich nicht finden können? – Und itzt liefen sie mit meiner Chloe davon.


Was! rief ich, lose Räuberinnen!
Wie sollte sie Aglaja seyn?
[43]
Ihr irrt euch sehr, ihr Huldgöttinnen!
Für Grazien ist das nicht fein!
Gebt Chloen mir zurück! Betrogne, sie ist mein!

Doch die Grazien hörten mich nicht, und liefen mit meiner Chloe davon. Zornig wollte ich ihnen nacheilen, als plötzlich Aglaja hinter einer Buche hervortrat, und mir winkte, und freundlich lächelnd also zu mir sprach:


Warum willst du zu Chloen eilen?
Beglückter Sterblicher, Aglaja liebet dich.
Küß itzt einmal statt Chloen mich;
Wünsch nicht dein Mädchen zu ereilen:
Ich, eine Göttinn, liebe dich.

Schüchtern sah ich die Huldgöttinn an.

Auf ihren Wangen sprach Entzücken,
Und Jugend und Gefühl aus den verschämten Blicken.

Gefährliche Reizungen! – Aber mit dreister Hand ergriff ich die Huldgöttinn, führte sie zu ihren Schwestern, und sprach: Hier ist Aglaja, ihr Grazien. –


O Chloe, meine Lust, mein Glück! –
Gebt meine Chloe mir zurück!
Ist dieß Aglajens Mund und Blick?
Da! nehmt die Huldgöttinn zurück.

[44] Kleinere Tändeleyen

[45] [47]Ein Gespiele der Tändeleyen aus dem Gefolge der Venus an drey Schwestern

Habt ihr nicht drey Göttinnen gesehn,
Naiv, und jung, und, wie die Liebe, schön?
Ich sah sie dort im Garten gehn,
Und lief hieher, sie noch einmal zu sehn.
Sieh da! seyd Ihrs? – – So nah bey euch zu stehn,
Und! – – Dummkopf! kann ich denn nicht sehn?
Wie reizend seyd Ihr, ach! – Ach Nymphen, kann es seyn,
So gönnt, vor andern Tändeleyn,
Mir Knaben das Verdienst, euch manchmal zu erfreun?
Ich mag nun nicht zurück nach Paphos. Nein!
Ihr sollt mir mehr, als Paphos, seyn.

[47] Der Knabe

Du Amme mußt das Mädchen strafen;
Ich leide sie, das sag ich dir,
Nicht in dem Bette mehr bey mir.
Nur immer seh ich hin nach ihr,
Und kann dafür nicht schlafen!

[48] An eine Rose

Du kleine Rose, glaube mir,
Du sollst Lucindens Busen schmücken.
Ich selber will dich ihr
Itzt auf den vollen Busen drücken.
Dann sag ich: »Mädchen, küsse mich,
Sieh, die hat Flora dir geweihet.
Sieh, wie die Rose sich
Schon über ihre Stelle freuet.«
Doch untersteht ein Jüngling sich
Dich von dem Busen abzubrechen:
Dann, Rose, räche mich,
Dann mußt du ihn gewaltsam stechen.
Doch wenn in meines Mädchens Brust
Nach mir sich zarte Wünsche regen –
O die geliebte Brust!
Dann hauch ihr süßern Duft entgegen.

[49] Das schlafende Mädchen

Schlummre, schlummre sanft, o Schöne!
Stöhrt sie nicht, der Nachtigallen Töne!
Sterblich ist sie nicht: ach nein!
Eine Göttinn muß sie seyn.
O ich will auf diesen Auen
Gleich ihr einen Altar bauen;
Weihrauch will ich auf ihn streun:
Ja! – sie kann nicht sterblich seyn.
Aber wenn sie nun erwachet;
Freundlich diese Wange lachet –
Armes Herz! wie wird dirs gehn!
O wie schlummert sie so schön!

[50] An den Maler

Diese Spröde male mir,
Wie sich Amor neben ihr
Auf ein duftend Veilchen setzt,
Wie er seine Pfeile wetzt,
Wie er ihre Brust verletzt,
Wie er schnell ihr Herz bekehrt,
Und sie schnell mich küssen lehrt:
Aber ach! das kannst du nicht! –
Ach! das kann ja Amor nicht!

[51] Kriegslist des Amors

»Du Amor bessre deinen Bogen!
Die Sehn ist wohl zu schlaff.
Drey Pfeile sind nun schon nach meiner Brust geflogen,
Und keiner, keiner traf. –«
Da hat mein Spott ihn weggetrieben!
Da flieht er schamroth hin!
Heil mir! mir Glücklichen! der ich von Amors Trieben
Nun ganz befreyet bin!
Doch muß ich ihn schon wieder sehen?
Er scheut nicht meinen Spott?
Seht doch den Knaben dort auf Chloens Auge stehen!
O der verschmitzte Gott!
Itzt möcht es wohl dem Frevler glücken:
Ach ja, da sink ich hin!
Denn welcher Mensch kann doch zugleich der Chloe Blicken
Und seinem Pfeil entfliehn?

[52] An Amorn

Ewig, ewig flieht sie mich!
Ewig flieht die Spröde mich!
Amor, warum schonst du sie?
Lieber Amor, schieße sie!
Schmerzen muß dein Pfeil nur nicht,
Amor, ach! sonst schieße nicht!

[53] Ode

Ich fühls, es kämpfen in mir die schon verwandelten Glieder!
Ich fühls, der Mensch hört auf in mir!
Da schwimm ich durch Wolken dahin mit neuerschaffnem Gefieder,
Zu stolz vor niedrigerm Revier!
Ich eil im unbeflogne Höhen!
Kaum kann mich Hammons Adler sehen!
Itzt werd ich, schnell wie der Ost, die Getulischen Syrten erfliegen,
Und itzt des Bosphors engen Strand!
Seh itzt die scytischen Wüsten erstarrt tief unter mir liegen,
Und itzt der Marser dürres Land!
Mich sollen ferne Perser kennen!
Mich Indier mit Ehrfurcht nennen.
[54]
Entweiht, entweihet mich nicht mit euren schändenden Zähren!
Bezähmt, bezähmt das niedre Leid!
Was brauchts des festlichen Grams, und der zu irdischen Ehren,
Und eures Grablieds Ewigkeit!
Hoch über Wolken hingetragen,
Werd ich ein Spatz an Venus Wagen!

[55] Lied eines Mohren

Darachna, komm, mein Wunsch, mein Lied!
Darachna, komm! der Tag entflieht.
Wo ist sie, sie, mein Wunsch, mein Lied?
Wie kömmts, daß sie verzieht?
Schwarz ist mein Mädchen, wie die Traube,
Die durch die Blätter dieser Laube,
Mit süßem Most beladen, glänzt.
Süß ist ihr Mund, wie der Geruch der Blume,
Die meine Stirn umkränzt.
Du Quell, der sich durch Goldsand schlängelt,
Rausch mirs herüber, wo sie ist.
Du rauschend Laub in Cederwäldern,
Sag mir es, wo mein Mädchen ist.
Ich harre fühllos, daß der Sand
Die Fersen mir verzehrt, und meine Seufzer wecken
Die Tieger dieses Hayns, die, durch den Durst entbrannt,
Weh mir! mein Blut von ferne lecken.
[56]
O Sonne! wenn auch ihr der Tod
Aus Höhlen oder Wäldern droht!
Wenn eine Schlange sie umflicht,
Ein Crocodill sie hascht, ein Scorpion sie sticht!
Eh treff ein Donner euch! Scheusale! wagt es nicht.
Mein Herz, mein Herz fleucht ihr entgegen:
Ich will an ihre Brust mich legen,
Das kleinste Röcheln spähn, und horchen, wie sie schlägt,
Und forschen, wo der Tod sich regt.
Wie Ambraduft will ich dich, Tod!
Mit jedem Odemzug aus ihren Adern trinken,
Auf ihren matten Busen sinken,
Und mit ihm sterben – süßer Tod!

[57] Geschichte des Hyas

Empfange mich, dem Gram geweihter Bach!
Oft schallt mein traurig Lied dir sympathetisch nach.
Wenn hier vor deiner Nymphe Klagen
Wehmüth'ge Herzen stärker schlagen;
Wenn Zephyre hier deiner Nymphe Klagen
In schaudernd Laub sanfthallend übertragen.
Es horcht der Hayn auf der Najade Lied.
Und beugt vor der Najade Lied
Sein Haupt, das finstrer Ernst umzieht:
Und herrscht den bängsten Gram in Eulen,
Die fürchterlich auf seinen Armen heulen.
Einst, Daphne, war die Halbgöttinn
Ein Mädchen, eine Schäferinn,
Des ganzen Thales Wunsch und Ehre:
Doch stolz und wilder noch, als Meere,
Und wilder noch als du – wenn dieses möglich wäre.
Selbst Hyas, der Adon der Flur,
Schön, wie die schönere Natur,
[58]
Von dessen sanfter Stirn, wie von des Amors Bogen,
In manche weiße Brust der Liebe Pfeile flogen;
Auf den, bey jedem Reihentanz,
Der feinste Strauß, der buntste Kranz,
Von Seufzern still begleitet, flogen:
Selbst Hyas liebte sie!
Mit wie viel Ehrfurcht liebt er sie!
Wie rührend klang sein zärtlich Lied um sie!
Die fernste Flur empfand des Liedes Harmonie,
Nur sie, nur sie empfand es nie.
Wie unaussprechlich ward sein Leiden!
Die Grausame! stets floh sie ihn!
Die Grausame! wie konnte sie ihn fliehn? –
Beb, Eitle, beb! und fürchte seine Leiden!
Die Rache wird nicht stets verziehn.
Kannst du am tiefsten Harm dein stolzes Auge weiden?
Einst bat er sie auf seinen Knien,
Mit Thränen bat er sie, nicht ewig ihn zu fliehn:
Se floh: und sterben sah sie ihn.
Er starb, der Hirt, von dem in ihren Finsternissen
Die Fabel einst gedichtet hat,
[59]
Daß eine Löwinn ihn zerrissen –
Sie war die Löwinn, die es that.
Sie starrt und bebt. Der Reue Schmerzen
Ergreifen schnell das härteste der Herzen;
Zeus sah des Mädchens Leid,
Und gab in zürnender Gerechtigkeit
Ihr einer Nymph Unsterblichkeit,
Gab ihrem Gram die Ewigkeit.
Die schwermuthsvolle der Najaden
Weint seit Jahrhunderten hier noch um ihren Freund;
Und diesen Bach hat sie und die Hyaden
Auf seine Leiche hingeweint!
Ach! ewig weint sie hier, die bängste der Najaden.
O Daphne! – mein schwerklopfend Herz! –
Auch du verachtest meinen Schmerz! –
O warnten doch die weinenden Hyaden,
Und diese bängste der Najaden,
Und dieser Bach, dein hartes Herz.
[359]

Notes
Erstdruck der Sammlung 1759.
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TextGrid Repository (2012). Gerstenberg, Heinrich Wilhelm von. Tändeleyen. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-D4F0-E