[96] TAGE

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[Wenn um der zinnen kupferglühe hauben]

Wenn um der zinnen kupferglühe hauben
Um alle giebel erst die sonne wallt
Und kühlung noch in höfen von basalt
Dann warten auf den kaiser seine tauben.
Er trägt ein kleid aus blauer Serer-seide
Mit sardern und saffiren übersät
In silberhülsen säumend aufgenäht ·
Doch an den armen hat er kein geschmeide.
[98]
Er lächelte · sein weisser finger schenkte
Die hirsekörner aus dem goldnen trog ·
Als leis ein Lyder aus den säulen bog
Und an des herren fuss die stirne senkte.
Die tauben flattern ängstig nach dem dache
»Ich sterbe gern weil mein gebieter schrak«
Ein breiter dolch ihm schon im busen stak ·
Mit grünem flure spielt die rote lache.
Der kaiser wich mit höhnender gebärde ..
Worauf er doch am selben tag befahl
Dass in den abendlichen weinpokal
Des knechtes name eingegraben werde.

[Gegen osten ragt der bau]

[99]
Gegen osten ragt der bau
Wo dem grossen Zeus zu frönen
Toller wunder fremde schau
Und die würde sich versöhnen.
Tänzer öffnen das geleit
In verführenden gewändern.
Knaben die ein opfer feit
In den sonnenschlaffen ländern ·
Macht aus öl- und palmenlaub
Vor des priesters fuss ein kissen ·
Streuet sand und silberstaub
Tote liljen und narzissen!
[100]
An der schwelle haltet rast
Wo das heilige bild entschleiert
Nur sich gibt dem einen gast
Der es oft und innig feiert ·
Nur sein mund gebete lallt ·
Auch kein bruder sei zugegen:
Spricht des gottes zwiegestalt
Seinen immergleichen segen.
Junge stimmen · ferner hall.
Narden die verflüchtet irren
Durch der räuche strengen quall
Zu dem kuss der süssen mirren.

[O mutter meiner mutter und Erlauchte]

[101]
O mutter meiner mutter und Erlauchte
Wie mich so ernster worte folge stört:
Dein tadel weil mein geist nicht dir gehört
Dass ich ihn achtlos ohne tat verhauchte.
Gedenkt es dir wie viele speere pfiffen
Als ich im Osten um die krone rang
Und lob und vorwurf dem Verwegnen klang
Der damals noch die erde nicht begriffen?
Nicht ohnmacht rät mir ab von eurem handeln ·
Ich habe euren handels wahn erfasst ·
O lass mich ungerühmt und ungehasst
Und frei in den bedingten bahnen wandeln.
[102]
Und wolle nicht den bruder mir entfremden
– Erkannt ich doch im schlaf dein augenmerk? –
Du fesselst eifrig ihn an blödes werk ·
Dein zwang verkleidet ihn mit sklavenhemden.
Sieh ich bin zart wie eine apfelblüte
Und friedenfroher denn ein neues lamm ·
Doch liegen eisen stein und feuerschwamm
Gefährlich in erschüttertem gemüte.
Hernieder steig ich eine marmortreppe ·
Ein leichnam ohne haupt inmitten ruht ·
Dort sickert meines teuren bruders blut ·
Ich raffe leise nur die purpurschleppe.

[Becher am boden]

[103]
Becher am boden ·
Lose geschmeide ·
Frauen dirnen
Schlanke schenken
Müde sich senken ·
Ledig die lende
Busen und hüfte ·
Um die stirnen
Der kränze rest.
Schläfernder broden
Traufender düfte ·
Weinkönig scheide!
Aller ende
Ende das fest!
[104]
Rosen regnen ·
Purpurne satte
Die liebkosen?
Weisse matte
Euch zu laben?
Malvenrote ·
Gelbe tote:
Manen-küsse
Euch zu segnen.
Auf die schleusen!
Und aus reusen
Regnen rosen ·
Güsse flüsse
Die begraben.

[Da auf dem seidenen lager]

[105]
Da auf dem seidenen lager
Neidisch der schlummer mich mied
So bringt keine wundersager
So will ich kein lullendes lied
Der mädchen attischer lande
Was mir vor monden gefiel.
Nun schlingt mich in eure bande
Flötenspieler vom Nil.
Ich lag in äthergezelten
Ich ass von himmlischem brot ·
Ihr sanget die flucht aus den welten
Ihr sanget vom glorreichen tod
Bevor die brennenden lider
Endlicher schlummer befiel.
Entrückt und tötet mich wieder
Flötenspieler vom Nil.

[So sprach ich nur in meinen schwersten tagen]

[106]
So sprach ich nur in meinen schwersten tagen:
Ich will dass man im volke stirbt und stöhnt
Und jeder lacher sei ans kreuz geschlagen.
Es ist ein groll der für mich selber dröhnt.
ICH bin als einer so wie SIE als viele ·
Ich tue was das leben mit mir tut
Und träf ich sie mit ruten bis aufs blut:
Sie haben korn und haben fechterspiele.
Wenn ich in ihrer tracht und mich vergessend
Geheim in ihren leeren lärm gepasst
– Ich fürchte – hab ich nie sie tief gehasst ·
Der eignen artung härte recht ermessend.
Dann schloss ich hinter aller schar die riegel ·
Ich ruhte ohne wunsch und mild und licht
Und beinah einer schwester angesicht
Erwiderte dem schauenden ein spiegel.

[Graue rosse muss ich schirren]

[107]
Graue rosse muss ich schirren
Und durch grause fluren jagen
Bis wir uns im moor verirren
Oder blitze mich erschlagen.
Auf dem samenlosen acker
Viele helden stumm verbleichen ·
Nur das russende geflacker
Loher fichten ehrt die leichen.
Schmal in regelgraden ketten
Rinnen ziegelrote bäche ·
Seufzen singt aus ihren betten ·
Hahler wind umkreist die fläche.
Aufgelöst im sande wühlend
Frauenhaare · dichte strähnen ..
Frauentränen wunden kühlend ·
Reiche tränen – wahre tränen?

[Agathon knieend vor meinem pfühle]

[108]
Agathon knieend vor meinem pfühle ·
Deine wimper spricht da dein mund sich schloss.
Dass ich von ihr den feuchten schleier spüle
Was soll ich o mein bruder mein genoss?
Wenn es den über-leuchtenden adern
Vor staub und den rauhen winden graut
So sollst du mit dem himmel nicht hadern
Der an dem hehren spiel sich erbaut.
Nimm als lohn dass vor dir nur kranken
Die stolzen glieder zur urne gar ·
Es ziemt nicht in irdischer klage zu wanken
Uns die das los für den purpur gebar.

[Lärmen hör ich im schläfrigen frieden]

[109]
Lärmen hör ich im schläfrigen frieden:
Horde die zu gehorchen vergisst.
»Schreckt dich das schlimme sternwort der Iden?«
Widriges melden die schlangen · doch wisst:
Euer gebieter ist von euch geschieden
Ehe die stadt sich zu murren vermisst.

[Schall von oben]

[110]
Schall von oben!
Sind es hörner · sind es harfen
Die mich hoben
Und in grüfte niederwarfen?
Wie betreten
Und als ob ein gott mich zwänge
Muss ich beten
Syrer während eurer sänge.
Leise triller · verjüngen gesunden.
Laute stösse · mit lachen vergeuden.
Gelle striche · die bohrenden wunden
Helle schläge · die brennenden freuden.
Weise Syrer
Werd ich dankend euch vertreiben?
Ihr verführer
Noch im leben zu verbleiben!

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TextGrid Repository (2012). George, Stefan. Tage. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-D27D-6