AUS: GESAMMELTE GEDICHTE I
SONETTE: VON DER LIEBE DIE FREUNDSCHAFT HEISST

I

Licht meiner seele! ich sah dich stets von fern
Und wusste dass du endlich kämest · laute
Die ich vorher noch keinem anvertraute
Gehn aus wie bleiche flammen – einen stern
Im blau doch einen hellern lieblichern
Seh ich in locken ruhen dein gesicht.
Geheimnis vielen leids · doch hassens nicht
Träumt dir im blick · ich sah es stets von fern.
Ich will dich sehn mein licht · so sieh du mich:
In einem hauch von glut wodurch jed wort
Flammt von den lippen und zusammengleitet
Mit anderen in lichter einigkeit –
Und jeder träumt in einer glorie fort
Und andre glorie geht uns still vorbei.

[73] VII

Mein gott ist beides: glut und dunkelheit ·
Schön anzusehen ein wunder zu verstehen ·
Wie ER ist keiner – doch wenn ich dich sehe
Wähn ich dass du ER-selbst auf erden seist.
So hab ich meine seele dir geweiht
Auf dass in deinen gluten sie vergehe ·
Sich sanft verzehre ohne lautes wehe ·
Froh solcher liebe und solcher einigkeit ·
Wie wenn zwei flammen spielen in der nacht
Eine die andre suchend bleicher glühe
Und schneller zittre in der andren glanz ·
Bis beide in der luft aufflammend ganz
Vereinigt beben – dann bis in die frühe
Brennt eine grosse flamme in stiller pracht.

[74] VIII

O mann des schmerzes mit der dornenkron!
O bleich und blutig antlitz das bei nacht
Glost eine bleiche flamme · welche macht
Endlosen leidens macht dein bild so schön?
Glänzende liebe in einem dunst von hohn ·
Wie still sind deine lippen und wie sacht
Nickst du vom kreuz · wie manchmal leise lacht
Gott der Mysterien: Gottes liebster sohn!
Flamme der Passion in diesem kalten All!
Schönheit von schmerzen auf der dunklen bahn!
Wunder von liebe das kein mensch vernahm!
Weh mir! ich höre stets den trüben fall
Der tropfen bluts · und lang starrt er mich an
Mit grosser liebe und endlosem gram.

[75] XVIII

Wie ein äthiopischer fürst von glühendem strande
Die flotte schickt mit schätzen reich beladen:
Gold elfenbein und herrliche gewande
Als gab und gruss an fürsten fremder lande –
Die schiffe prunken längs den blauen pfaden
Und eine bunte schar geht aus beim landen ·
Sklavinnen sklaven mit gebognen händen
Knieend zum thron mit schalen und zierraten:
So ziehn gedrängt mir der gedanken scharen ·
Um dich mein fürst und freund gekniet zu grüssen
Mit pracht vom edelsten · in mir gefunden.
Ich lasse schiff auf schiff hin vor dich fahren
Mit reichem sang und liebe dir zu füssen
Die schätze häufen die hier unnütz stunden.

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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). George, Stefan. Sonette: Von der Liebe die Freundschaft heisst. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-C518-D