Der Hochzeittag

Vom Vater seiner Braut erhielt Philet das Glück,
Mit Sylvien sich endlich zu vermählen
Und selbst den Tag mit ihr zu wählen
Welch ein vergnügter Augenblick
Für ein Paar sehnsuchtsvolle Seelen!
Sie sehn sich schmachtend an und wählen.
»Ihr Kinder«, fuhr der Vater fort,
»Wollt ihr mir altem Mann noch eine Lieb' erweisen:
So fahrt (ich bin zu schwach, sonst würd' ich mit euch reisen)
Aufs Dorf und laßt euch an dem Ort
Und von des Priesters Hand, der mir mein Glück im Leben,
Mein selig Eh'weib gab, ganz still zusammen geben.«
Philet reist auf des Vater Wort
Mit seiner Braut an den bestimmten Ort.
Seit gestern war er nun mit Sylvien verbunden
Und kam itzt gleich aus einem Blumenstück
Mit ihr und einem Kranz, von ihrer Hand gewunden,
Entzückt von Lieb' und Lenz, in sein Gemach zurück,
Und jeder Kuß und jeder Blick
Vermehrte sein und seiner Schönen Glück.
In scherzender Vertraulichkeit
Und an dem Tisch, auf dem ein Paar Pistolen liegen,
Die er vom Schuß noch gestern selbst befreit,
Steht er mit ihr allein, und, trunken vor Vergnügen,
Ergreift er eins. »Nun«, fängt er scherzhaft an,
»Nunmehr bereut die kleinen Grausamkeiten.
Wieviel habt Ihr mir deren angethan!
Besinnt Ihr Euch noch auf die Zeiten,
Da ich umsonst an Euer Fenster kam?
Da Ihr mich Ärmsten – Sterbt, Madam,
Mit aller Eurer Kunst, die Herzen zu bestricken,
Mit Euern zauberischen Blicken,
Mit Euerm Haar, so festlich schön es ist!« –
»Schieß' her«, spricht sie mit lächelnden Gebärden,
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»Schieß' her, wenn du so grausam bist!«
Er schießt. Ach Gott! und sie fällt tot zur Erden.
Und wer beschreibt wohl seine Pein?
Doch auch im größten Schmerz noch sein,
Ruft er den Diener laut herein
Und schließt die Türe zu. »Wer lud mir die Pistolen?« –
»Ich tat's, weil mir's zur Reise nötig schien.« –
»Ich habe dir's doch nicht befohlen?« –
»Nein, Herr!« Und gleich erschoß er ihn.
Dann schrieb er diesen Brief: »Ich, der vor wenig Stunden
Sich als den Glücklichsten dir, Vater, vorgestellt,
Bin nach dem größten Glück, das je ein Mensch empfunden,
Itzt der Unseligste der Welt.
O! dürftest du doch niemals wissen,
Wie elend ich und du geworden sind! –
Getötet von mir selbst, liegt sie vor meinen Füßen,
Mein göttlich Weib, den liebstes Kind.
Mein Diener, dessen Schuld mich um ihr Leben brachte,
Liegt schon durch gleichen Schuß gefällt;
Ich aber, der ich mich mit Abscheu nur betrachte,
Was sollt' ich länger auf der Welt?
Nein, deiner Tochter Tod soll gleich der meine rächen.
Wenn's möglich ist, o! so verfluch' nicht ihren Mann!
Ich bete noch für dich, wenn mir die Augen brechen,
Der ich für mich nicht beten kann –«
Man traf ihn neben ihr durch's Schwert getötet an.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Gellert, Christian Fürchtegott. Der Hochzeittag. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-C2CC-8