Maria Stuart

(Romanzen-Zyklus)


Ich habe menschlich, jugendlich gefehlt,

Die Macht verführte mich, ich hab' es nicht

Verheimlicht und verborgen, falschen Schein

Hab' ich verschmäht mit königlichem Freimut.

Das Ärgste weiß die Welt von mir, und ich

Kann sagen, ich bin besser als mein Ruf.

1. Maria Stuarts Weihe

Schloß Holyrood ist öd' und still,
Der Nachtwind nur durchpfeift es schrill,
Es klirrt kein Sporn in Hof und Hall',
Nur finstres Schweigen überall.
Da plötzlich schwebt, in luft'gem Gang,
Ein hohes Weib die Hall' entlang:
Ihr klares Aug' strahlt ewig-jung
Vom Feuer der Begeisterung.
Zu Häupten ihr glüht Sternenschein,
Ihr Haar ist gold – wer mag sie sein?
Sie kommt und bringt ihr Angebind
Im Saale drin dem Königskind.
Das Königskind, das heißt Marie;
Wie Liedeszauber umklingt es sie,
Als, neigend über die Wiege sich,
Die Muse spricht: »Ich weihe dich!«
Sie sprach es kaum, da – still und stumm
Entschwebet schon sie wiederum,
Und lachend schlüpfen lust'ge zwei
Jetzt in die Tür, an ihr vorbei.
Die eine trägt zu buntem Tand
Einen Pfauenfächer in blitzender Hand,
[129]
Es knistert die Seide, es bauscht ihr Kleid,
Das war die Dame Eitelkeit.
Die andre, frech und üppig gar,
Trägt langes, aufgelöstes Haar,
Ihr Aug' ist schwarz, nackt ihre Brust,
Das war die Dirne Sinnenlust.
Sie neigen beide zur Wiege sich
Und kichern hell: »Wir weihen dich!«
Da huscht, und ihre Wang' erblaßt,
Rasch in den Saal ein dritter Gast.
Wie Schatten schleicht er an der Wand,
Sein Kleid ist rot, rot seine Hand,
Er schaut sich um, sein Auge sticht,
Und messerscharf ist sein Gesicht.
Er neigt sich jetzt und spricht das Wort:
»Ich weihe dich zu Blut und Mord!«
Auf schreit im Schlaf das Königskind,
Und heller draußen pfeift der Wind.
Der Gast ist fort, doch her und hin
Wirft banger Traum die Schläferin.
Geweiht fürs Leben schlummert sie,
Die schöne schottische Marie.

2. David Rizzio

Herr Darnley reitet in den Wald, Lord Ruthven ihm zur Seite;
Herr Darnley spricht: »Was frommt es mir, daß in den Lenz ich reite?
Ich ritt hinaus, ein Schreckgespenst mir aus dem Sinn zu schlagen,
Ihr aber, Ruthven, hastet Euch, ins Feuer Öl zu tragen.«
[130] Lord Ruthven streicht den roten Bart, als sei er des zufrieden,
Er schweigt und denkt nur: ›Wenn es heiß, soll man das Eisen schmieden‹;
Seit an Marias Ohr er frech ein Liebeswort verloren,
Hat er der schönen Königin im Herzen Haß geschworen.
Er spricht kein Wort, beredter spricht sein Lächeln jetzt und Schweigen,
Er sieht, von Schritt zu Schritt, das Blut in Darnleys Wange steigen;
Der ruft: »Sing aus dein Rabenlied, und spricht's wie deine Blicke,
Verdamm mich Gott, wenn ich den Fant nicht in die Hölle schicke! «
Lord Ruthven streicht den roten Bart; in heuchelndem Erstaunen
Spricht er: »Mein König zweifelt noch an dem, was alle raunen,
Er weiß nicht, was ein jeder weiß von Schottlands Königsstuhle,
Daß Heinrich Darnleys ehlich Weib des David Rizzio Buhle!«
Herr Darnley kehrt gen Edinburg, er hält vor seinem Schlosse:
»Lord Ruthven – spricht er – so's beliebt, bleibt Ihr mein Jagdgenosse,
Der Fuchs ist schlau, doch bärg' er sich in ihres Kleides Falten,
Ich jag' ihn auf, noch heute nacht will meinen Schwur ich halten.«
Es glänzt der festgeschmückte Saal von Rittern wohl und Frauen,
Vor allen ist Maria doch als Königin zu schauen,
Sie läßt die Zeit bei Spiel und Tanz in raschem Flug enteilen,
Und nur ihr Gatte zögert noch, des Festes Lust zu teilen.
Die Kerzen und die Wangen glühn vor Freuden um die Wette,
Es schreitet an Lord Seytons Hand Maria zum Bankette,
Der Becher schäumt, Maria winkt, ein Saitenspiel zu bringen,
Ihr Liebling Rizzio nimmt es hin und hebet an zu singen:
[131]
Der König zog in finstrem Sinn
Hinaus mit seinem Trosse;
Nach blickt die schöne Königin
Dem Reiter und dem Rosse.
Und als des Waldes Laub und Moos
Den König kaum erlaben,
Da lockt sie schon auf ihren Schoß
Den blonden Edelknaben.
Sie streicht sein Haar, sie küßt so heiß
Die Lippen ihm und Wangen,
Die aber sind heut kalt wie Eis
Und atmen kein Verlangen.
Sie flüstert: »Lieber Knabe mein,
Halt fester mich in Armen,
Wir wollen eins zur Stunde sein,
Das wird dein Herz erwarmen.«
Er aber spricht: »Mag heute nicht
Fest herzen dich und pressen,
Ich hatt' zur Nacht ein Traumgesicht,
Das kann ich nicht vergessen:
Es trat der König vor mich hin,
Als ich dich wollte küssen;
Mir ist so bang, lieb' Königin,
Als würd' ich sterben müssen ...«

»So stirb, du buhlerischer Tor!« Herr Darnley ruft's dazwischen,
Es fegt im Nu sein Zornesblick die Gäste von den Tischen,
»Stirb denn und dank's im Tode mir, daß ich mit guter Klinge
Zu deinem bösen Bubenlied das letzte Verslein singe.«
Es packt den Sänger Todesangst: in namenlosem Leide
Hält fest er, wie ein zitternd Kind, sich an Marias Kleide,
[132] Die tritt, halb Furcht halb Zorn im Blick, hervor, ihn zu bewahren,
Umsonst, schon ist des Königs Schwert ihm durch die Brust gefahren.
Es hält, die lange Nacht hindurch, Maria Totenwache,
Zum ersten Mal durchzieht ihr Herz der heiße Wunsch nach Rache;
Die Morgensonne sah den Schwur auf ihrer Lippe beben –
Herr Darnley hat des Sängers Tod bezahlt mit seinem Leben.

3. Maria und Bothwell

König Darnley liegt erschlagen,
Graf Bothwell hat es getan;
Sechs Lords von Schottland tragen
Die Leiche nach Sankt Alban,
Sie stellen bei Fackelscheine
Den Sarg an den Altar hin –
Von Trauernden fehlt nur eine,
Maria, die Königin.
Die sitzet daheim im Schlosse,
In funkelnder Nische des Saals,
Auf dem Sammetpfühl ihr Genosse
Ist der Mörder ihres Gemahls;
Dem Lande kleidet die Trauer,
Der Königin kleidet die Lust,
Kalt-heiße Wonneschauer
Durchrieseln ihre Brust.
Sie spricht verlockenden Schalles:
»Nun komm und küsse dich rot,
Ich danke dir alles, alles,
Mein Leben und – seinen Tod;
O schau nicht so fragend und bange,
Schau lieber wie sonst mich an,
[133]
Leg ab die blasse Wange –
Getan ist, was getan.«
Die Kerzen brennen wie lüstern
Und geben schwülen Hauch,
Immer leiser wird das Flüstern,
Nun schweigt das Flüstern auch,
Ihr Atem lodert zusammen,
Wie Glut und Glut sich mischt,
Bis mählich in Flackerflammen
So Lust wie Licht erlischt.
Still wird's; nur Mondeslichter
Durchhuschen noch bleich den Saal,
Es schlummern, wie Totengesichter,
Graf Bothwell und sein Gemahl.
Sie schlummern; des Windes Weise
Erstirbt im hohen Kamin,
An den Wänden, hastig-leise,
Schatten vorüberfliehn.
Und hastiger wird ihr Treiben,
Schon graut und dämmert der Tag,
Da schlägt's an die klirrenden Scheiben
Wie flatternder Flügelschlag;
Auf fahren die zwei vom Kissen,
Verstört an Haar und Sinn;
Im Traume ward wach ihr Gewissen,
Und es murmelt die Königin:
»Hilf, Himmel, ich sah die Meinen
Landflüchtig, der Zügel beraubt,
Der fallenden Krone des einen
Nach rollte sein fallendes Haupt,
Und wie Donner durch meine Seele
Ging zürnend das alte Lied:
Ich räch' alle Schuld und Fehle
Bis in das vierte Glied.«
[134]
Maria hat es gesprochen,
Graf Bothwell hört es kaum,
Seine Schläfe pulsen und pochen,
Er denkt an den eigenen Traum,
Er spricht unter Starren und Stocken:
»Sie grüßte, dann betete sie,
Ab schnitt ihr der Henker die Locken –
Ach, deine Locken, Marie.«
Graf Bothwell hat es gesprochen,
Maria hört ihn kaum,
Ihre Schläfe pulsen und pochen,
Sie denkt an den eigenen Traum,
Stumm blicken die Buhlergatten
Sich an so blaß, so bang –
König Darnleys blutiger Schatten
Schreitet den Saal entlang.

4. Der sterbende Douglas

(Schlacht bei Langside. 1568)


Die Heere stießen aneinander; der Tag ist heiß, der Himmel finster,
Vom Hufschlag dröhnt weithin die Heide, rot tropft der Tau vom schwarzen Ginster;
Es blickt die schottische Maria von nahen Schlosses Fensterbrüstung,
Ihr Auge haftet auf dem Kampfe, doch in dem Kampf auf einer Rüstung.
Dem jungen Douglas folgt ihr Auge; sie fühlt ihr Herze höher schlagen,
Er ist's, der sechzehnjährige Knabe, der aus dem Kerker sie getragen,
Er ist's, der ihr ein Heer geworben, und durfte doch um eins nicht werben,
Drum wirbt er jetzt um seinen Frieden und um das Glück, für sie zu sterben.
[135] Wen tragen aus dem Kampfgetümmel sie dort auf zweiggeflochtner Bahre,
Das Antlitz weiß, und schwarz die Rüstung, und rot von Blut die blonden Haare?!
Der Douglas ist's: Erfüllung wurde des Hoffnungslosen einz'gem Hoffen,
Es hat ein Schwert von Murrays Mannen ins tiefste Leben ihn getroffen.
Da liegt er, auf gewirktem Teppich, jetzt an des alten Schlosses Stufen,
Maria neigt sich zu ihm nieder, ein Priester wird herbeigerufen;
Der reicht den Kelch ihm unter Tränen, er aber segnet diese Stunde,
Hätt' langsam sonst verbluten müssen an seines Herzens stiller Wunde.
Die Brust wird kalt, es stockt sein Atem, sein Auge scheint vom Tod geschlossen;
Maria küßt die bleiche Stirne, die schon so frühe Ruhm genossen:
Da spielt um seinen Mund ein Lächeln, auf glimmt ein letzter Lebensfunken,
Dann ist er in Marias Arme zu letztem Schlaf zurückgesunken.

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TextGrid Repository (2012). Fontane, Theodor. Maria Stuart. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-B141-5