Jakobitenlieder

(Von 1715 bis 1746)

1.

Die Duncans kommen, die Donalds kommen,
Die Colins kommen, die Ronalds kommen,
Es kommen die Kenmures Sohn und Vater,
Lord Foster und Lord Derwentwater,
Und Jack und Tom und Bobby kommen
Und haben die blaue Blume genommen.
Die Intosh kommen, die Quarries kommen,
Die Söhne Lord Glengarrys kommen,
Es kommen die Douglas und Mac Gregore
Mit kurzem Schwert und langem Rohre,
Und Jack und Tom und Bobby kommen
Und haben die blaue Blume genommen.
Die Phersons kommen, die Kenzies kommen,
Die Grants, die Leans, die Menzies kommen,
Es kommen die Bursch' aus allen Clanen,
Die Mädchen selbst zu unsren Fahnen,
Und Jack und Tom und Bobby kommen
Und haben die blaue Blume genommen.
Die Camerons kommen, die Gordons kommen,
Die stolzen Söhne des Nordens kommen,
Es kommen die Enkel der alten Thane,
Die Crabies und die Mac Farlane,
[351]
Und Jack und Tom und Bobby kommen
Und haben die blaue Blume genommen.
Sie kommen mit Pfeifen und Dudelsäcken
Und suchen das Volk mit den roten Röcken,
Bald werden die Schöße im Winde fliegen,
Bald werden die Whigs auf der Nase liegen,
Denn Jack und Tom und Bobby kommen
Und haben die blaue Blume genommen.

2.

Die einen sagen, wir haben gewonnen,
Die andern sagen, sie haben gewonnen,
Ich aber sage das eine nur:
Es ward viel gelaufen bei Sherifmur,
Wir sind gelaufen und sie sind gelaufen,
Gelaufen einzeln und in Haufen.
Wir haben den linken Flügel geschlagen,
Der rechte Flügel hat uns geschlagen,
Eine Rennbahn war die ganze Flur,
Es ward viel gelaufen bei Sherifmur,
Wir sind gelaufen und sie sind gelaufen,
Gelaufen einzeln und in Haufen.
Rob Roy, o wärst du zu Hilf' uns gekommen,
Es hätt' ein andres Ende genommen,
So aber war das Ende nur:
Es ward viel gelaufen bei Sherifmur,
Wir sind gelaufen und sie sind gelaufen,
Gelaufen einzeln und in Haufen.

3.

O käm' er wieder, mit Waffen scharf,
Der Bursch, den ich nicht nennen darf,
[352]
O käm' er wieder und käm' er schnell,
Hier ist sein Platz und seine Stell',
Ich wollt ihn schützen, wo immer er wär',
Und wären zehntausend um ihn her.
Von Tartan der Rock und die Hose dazu,
Die Mütze blau und geschnürt die Schuh,
Ein Hochlandsbursch vom Wirbel zur Zeh,
Das ist der Bursch, mit dem ich geh',
Und ich wollt' ihn schützen, wo immer er wär',
Und wären zehntausend um ihn her.
O ging' es wieder ins grüne Feld,
Er ist ein König und ist ein Held,
Auf seiner Brust der goldene Stern,
Wo der uns leuchtet, da folgen wir gern,
Und ich wollt' ihn schützen, wo immer er wär',
Und wären zehntausend um ihn her.
O säß' er wieder, der Erb' einer Kron',
Auf seiner Väter heiligem Thron,
Da wären vorüber Weh und Streit
Und wir lebten wieder die goldene Zeit,
Und ich wollt' ihn schützen, wo immer er wär',
Und wären zehntausend um ihn her.

4.

Mein Liebster ist kommen von Aberdeen,
Ach, über die Maßen lieb' ich ihn,
Und hat mich doch betrübt und erschreckt
Und die weiße Kokarde aufgesteckt;
Er ist ein übermütiger Bursch,
Und doch ein lieber, gütiger Bursch,
Und ich lieb' ihn und will mit ihm gehn
Und immer die weiße Kokarde sehn.
[353]
Ich will verkaufen Geiß und Kuh
Und Spindel und Flachs und Garn dazu
Und will mir kaufen ein Tartankleid
Und still marschieren an seiner Seit';
Er ist ein übermütiger Bursch,
Und doch ein lieber, gütiger Bursch,
Und ich lieb' ihn und will mit ihm gehn
Und immer die weiße Kokarde sehn.

5.

An einem Montagmorgen war's,
Kaum schlug die Glocke vier,
Da zog er ein in unsre Stadt,
Der junge Kavalier;
O Charlie ist mein Liebling,
Mein Liebling, mein Liebling,
O Charlie ist mein Liebling,
Der junge Kavalier.
Und als er zog die Straß' hinauf
Und nickte dort und hier,
Da klang's aus allen Fenstern: »Heil
Dir, junger Kavalier«;
O Charlie ist mein Liebling,
Mein Liebling, mein Liebling,
O Charlie ist mein Liebling,
Der junge Kavalier.
Viel tausend Bursche bracht' er mit,
Das halbe Hochland schier,
Die folgten gern dem echten Herrn,
Dem jungen Kavalier;
O Charlie ist mein Liebling,
Mein Liebling, mein Liebling,
O Charlie ist mein Liebling,
Der junge Kavalier.
[354]
Sie ließen Weib und Kind zurück,
Wohlan, so tun auch wir,
Wir baun auf Gott und gutes Glück
Und auf den Kavalier;
O Charlie ist mein Liebling,
Mein Liebling, mein Liebling,
O Charlie ist mein Liebling,
Der junge Kavalier.
Wir ziehn entlang mit Pfeifenklang,
Die Distel als Panier,
Mit Kilt und Plaid und Schwertern blank,
So siegt der Kavalier;
O Charlie ist mein Liebling,
Mein Liebling, mein Liebling,
O Charlie ist mein Liebling,
Der junge Kavalier.

6.

Cope schrieb einen Brief an den Kavalier:
»So du Mut hast, komm und fecht' mit mir,
Und bist du nicht in zwei Stunden hier,
So komm' ich früh am Morgen.«
Prinz Charlie sah hinein in den Brief;
Er zog sein Schwert und lacht' und rief:
»Und sind deine Gräben noch so tief,
Wir kommen früh am Morgen.«
Auf, Hochlandsbursche, auf, ins Feld,
Grau-Dämmrung schon die Nacht erhellt,
Und wo John Cope uns hinbestellt,
Da stehn wir früh am Morgen.
Wie, was? ob Cope noch schlafen mag?
Wach auf, es ist schon heller Tag,
[355]
Hörst du nicht Pfeif' und Trommelschlag?
Wir kommen früh am Morgen.
Halt, Cope, was läufst du schon von fern?
Wir schüttelten dir die Pätschchen gern,
Nun lauf' und grüß' uns deinen Herrn
Und biet' ihm guten Morgen.
Cope lief bis Leith mit rotem Gesicht;
»Wo sind deine Leute?« der Sheriff spricht,
»Zum Teufel«, rief Cope, »ich weiß es nicht,
Ich sah sie zuletzt heut morgen.«

7.

Mein Harry war ein tapfres Blut,
Ich sah ihn neben der Fahne gehn,
Nun ist er über die große Flut
Auf Nimmer-, Nimmer-Wiedersehn;
Und doch nur einmal herzen ihn,
Was gäb' ich alles nicht drum hin!
Ich gäb' unser Hafer- und Gerstenland
Für den kleinen Finger von seiner Hand.
0ft, wenn es still geworden im Haus
Und von Abend her die Lüfte wehn,
Dann frag' ich in den Wind hinaus:
Werd' ich ihn nimmer wiedersehn?
Ihn sehn, nur einmal herzen ihn,
Was gäb' ich alles nicht drum hin!
Ich gäb' unser Hafer- und Gerstenland
Für den kleinen Finger von seiner Hand.
O hingen einige Schurken hoch
Und ließ' uns Gott einen Rächer erstehn,
Da kämen frohe Tage noch
Und den Liebsten würd' ich wiedersehn;
[356]
Ihn sehn, nur einmal herzen ihn,
Was gäb' ich alles nicht drum hin!
Ich gäb' unser Hafer- und Gerstenland
Für den kleinen Finger von seiner Hand.

8.

Die schöne Maid von Inverneß,
Wie freudlos ihr der Tag vergeht,
Sie schafft und spinnt und webt, indes
Ihr dunkles Aug' in Tränen steht:
»Drummossie-Moor, Drummossie-Tag,
O bittrer Tag, o blut'ges Moor,
Wo kalt und starr mein Vater lag
Und ich der Brüder drei verlor.
Sie liegen tief in Sand und Blut,
Im ersten Grün die Gräber stehn,
Der beste Bursch daneben ruht,
Den Mädchenaugen je gesehn.
Weh Sieger dir, der nach der Schlacht
Noch die Geschlagenen niedertrat,
Du hast manch Herz betrübt gemacht,
Das dir doch nichts zu leide tat.«

9.

Wetternacht und Sturmesgrollen
Hab' ich um mich für und für,
Und der Gießbach, angeschwollen,
Klopft an meine Felsentür;
Ach, von jenen stillen Quellen,
Dran die blaue Blume blüht,
Von des Westwinds leisen Wellen
Labt nicht eine mein Gemüt.
Rechtes willen, Ehre wegen
Kämpften wir den Kampf der Pflicht,
[357]
Doch der Himmel war entgegen,
Und die Götter wollten's nicht;
Sieg und Ruhm entsank im Streite
Uns auf Hochlands Moor und Moos,
Vor uns liegt die Welt, die weite,
Aber freund- und freudelos.

10.

Sieben Söhne gab ich dem Kavalier,
Sieben grüne Plätze sind blieben mir,
Ihrer Mutter Herz ist gebrochen vor Weh –
König Jakob, daß ich dich wiedersäh'.
In Trümmern die Kirche, in Fesseln das Land,
Das Schwert in Mörder- und Henkershand,
Und schweigen müssen, was immer geschäh' –
König Jakob, daß ich dich wiedersäh'.
Mir ist zu leben nimmer Gewinn,
Meine Söhne tot, seine Krone dahin,
Doch singen will ich, wo immer ich steh':
König Jakob, daß ich dich wiedersäh'.

11.

Die ihr euch »Jakobiten« nanntet
Zu eigner und des Königs Ehr',
Die ihr euch Jakobiten nanntet,
Zu Thron und Stuart euch bekanntet
Und endlich doch den Rücken wandtet,
O tretet her.
Was kämpft ihr noch voll halben Zwanges
Ein leeres Wortgefecht »ums Recht«?
Entschlagt euch des gelehrten Dranges,
Ich sag': ein kurz Schwert und ein langes,
[358]
Ich sag': ein stark' Herz und ein banges,
Die machen Unrecht, ach und – Recht.
Was schwankt ihr länger bang und schüchtern?
Der findet Gnade, der drum wirbt;
Was schwankt ihr länger bang und schüchtern?
Fügt euch den neuen Himmelslichtern
Und – überlasset seinen Richtern
Den, der in Treue lebt und stirbt.

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TextGrid Repository (2012). Fontane, Theodor. Jakobitenlieder. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-B0A6-B