Waldemar Atterdag

Und Waldemar (König Christophers Sohn),
Im Dome zu Ringstedt nahm er die Kron',
Nun führt er die Herrschaft mit kluger Hand
Über Dänemark-Meer und Dänemark-Land,
Nie faßt ihn Jähzorn, nie treibt ihn Eil',
»Erst wägen, dann wagen« ... »Eile mit Weil'.«
Und ob es zur Tat ihn auch drängen mag,
Auf den andern Tag schiebt er's: »Atterdag.«
Und er fährt gen Jütland. Auf Schloß Aarhuus
Harrt er auf Huldigung und Gruß,
Auf Gruß des Adels. Der hält sich zurück;
Einer nur sprengt über die Brück':
»Um Gott, König Waldemar, auf und flieh,
In hellen Haufen kommen sie,
Sie zürnen dir schwer, weil du zubestimmst
Dem Bauer all das, was dem Adel du nimmst,
Sehstedt führt sie; von Viborg her
Kommen dreihundert oder mehr.
In den Sattel, König, und flieh und jag'
Hin über die Heide.« ... »Atterdag.«
Und ein Jahr und ein Tag, und auf Schloß Helsingör
Im Landsthing sitzt er und gibt Gehör;
Um ihn her seine Räte; da stürmt in den Saal
Erik Swensen, sein erster Admiral.
»Eile dich, König. Zu dieser Stund'
Fahren die Lübischen in den Sund,
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Zwischen Insel Amak und Insel Hveen
Sind siebenundzwanzig Segel zu sehn,
An der Spitze die ›Seekuh‹, ihr bestes Schiff,
Greif zu, wie dein Vater einst sie griff.
Sie kommen wie Räuber. Nach Gut und Blut
Dürsten sie. Zertritt ihre Brut,
Vernichte sie mit einem Schlag.«
»Erst wägen, dann wagen ... Atterdag.«
Und wieder ein Jahr, und auf Schloß Wordingborg
In Stille sitzt er und doch in Sorg',
In Sorg' um Heilwig. Auf seinem Sinn
Lastet die schöne Königin.
Es heißt, sie sei krank, ohne Schlaf ihre Ruh,
Aber ein Kämmerling flüstert ihm zu:
»Der Königin Krankheit ist Lug, ist Schein,
Sten Sture geht lachend aus und ein,
Er ist noch ein Knabe, noch halb ein Kind,
Das lieben die Frauen, wie Frauen sind.
Auf, Waldemar, stör ihre Lust, ihre List,
Zeige, daß du der König bist,
Überrasche Schön-Heilwig, erforsche sie, frag.«
»Es würde sie töten ... Atterdag.«
Und die Jahre gehn, und in Roskild-Abtei
Todkrank liegt Waldemar, Gott steh' ihm bei,
Sein Blick ist erloschen, fahl sein Gesicht,
Erzbischof Ansgar aber spricht:
»Alle Sünde, die dich quält und brennt,
Es löscht sie Beicht' und Sakrament,
Und willst du dein Gewissen still'n,
Hier bin ich, sprich deinen letzten Will'n,
Unsre Kirch' ist arm, wer sie speist und tränkt,
Des auch die Kirch' in Liebe gedenkt.
Dein Spruch war immer: ›Eile mit Weil‹,
Aber jetzt eilt es mit deinem Heil,
Säen ist ernten und Opfer Ertrag;
Säe, König.«
»Atterdag.«
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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Fontane, Theodor. Gedichte. Gedichte (Ausgabe 1898). Bilder und Balladen. 1. Nordisches. Waldemar Atterdag. Waldemar Atterdag. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-B000-E