Christian August Fischer
Dosenstücke

[3] Zweie für Einen.

Erstes Buch

1. Kapitel
Erstes Kapitel.
Wer?

Unerträgliches Geschöpf! sagte der Graf vonRothfels äußerst aufgebracht, als eben einer seiner Freunde, Baron Solting, hereintrat, der erst vor kurzem von seinen Reisen zurückgekommen war.

Guten Morgen! rief er dem Grafen zu: wem gilt denn der charmante Titel?

Der Graf (lächelnd): Eine bloße Reminiscenz, lieber Solting!

Der Baron (ironisch): Aus ihrem Leben vielleicht?

Der Graf (lächelnd): Nein, aus einem alten Stücke; ich besinne mich nicht gleich. –

Der Baron: Es ist vermuthlich von einer Dame die Rede?

Der Graf: Richtig! Und es sagt's ein Misogyn, wie Baron Solting.

[3] Der Baron: Und vermuthlich haben sie beide Recht?

Der Graf: Aber einmal im Ernst, Solting! Sie sollten sich wahrhaftig verlieben! Es ist eine Schande! –

Der Baron: Bravo!

Der Graf: Sie sind nun drei Monat hier, unsere Damen kommen Ihnen um die Wette entgegen, und Sie gehen ihren Weg fort, ohne Notiz davon zu nehmen.

Der Baron: Bravissimo!

Der Graf: Wahrhaftig, lieber Solting! Wenn ich's nicht besser wüßte, ich dächte, Sie wären – Aber 's ist mir unbegreiflich! – Oder haben Sie vielleicht in Rom, und Paris –

Der Baron: Das ist Ihr altes Lied. Lieber Himmel! So verschaffen Sie mir nur Eine, und Sie sollen sehen –

Der Graf: Als ob Sie nicht Ihre Augen brauchen könnten!

Der Baron: Aber ich muß sie erst kennen lernen; meine lange Abwesenheit –

Der Graf (einfallend): Nun, so will ich Ihnen Eine vorschlagen.

Der Baron (lächelnd): Gut, lassen Sie hören! Ich will sehen, was ich thun kann.

2. Kapitel
[4] Zweites Kapitel.
Wie?

Der Graf klingelte nach dem Frühstück, und das Gespräch wurde fortgesetzt.

Der Graf: Sie wird Ihnen gewiß gefallen, denn ich bin selbst in sie verliebt gewesen.

Der Baron: Fort bien! Sie loben Ihren und meinen Geschmack auf einmal! – Wie lange? wenn ich fragen darf.

Der Graf: Eine geraume Zeit.

Der Baron: Charmant! Und Sie wollen mir sie abtreten? Nicht wahr?

Der Graf: Mit dem größten Vergnügen!

Der Baron: O Sie sind der großmüthigste Mensch von der Welt! – Ist sie jung?

Der Graf: Kaum ein und zwanzig Jahr.

Der Baron: Und schön?

Der Graf: Wie ein Engel.

Der Baron: Und reich?

Der Graf: Unermeßlich.

Der Baron: Und zärtlich?

Der Graf: Wie ein Täubchen.

Der Baron: Und sanft?

Der Graf: Wie ein Lämmchen.

Der Baron: Nun wahrhaftig, Sie sollten [5] einem Lust machen! – Aber die Hauptsache – Ihre Familie?

Der Graf: So gut wie die beste.

Der Baron: Wenn Sie sie ganz genau kennen?

Der Graf: So wollten Sie zugreifen?

Der Baron: Nun, ich wollte mir's überlegen. – Aber im Ernste, kennen Sie das Mädchen wirklich?

Der Graf: So gut, wie mich selbst.

Der Baron: Wie heißt sie?

Der Graf: Ha ha, Sie werden ungeduldig, lieber Solting! – Sie ist aus der Familie meiner Frau.

Der Baron: Bon!

Der Graf: Und sieht meiner Frau auf ein Haar ähnlich!

Der Baron: Das wäre!

Der Graf: Kurz und gut, lieber Solting, erstaunen Sie nicht – es ist meine Frau selbst!

Der Baron: Nun das ist ein bischen zu arg!

Der Graf: Sie denken, ich habe Sie zum Besten? – Nein wahrhaftig nicht!

Der Baron: Ihre Frau? – er wahrlich lieber Graf, ich greife zu!

Der Graf: Ist es Ihr Ernst? – Sie [6] sollen sie haben, ich gebe Ihnen mein Wort! Mit dem größten Vergnügen! (der Baron lacht und zieht seine Uhr auf) Kommen Sie, wir wollen in den Garten gehen, Sie sollen sehen, lieber Solting, ich spasse wahrhaftig nicht!

3. Kapitel
Drittes Kapitel.
Was?

Also deßwegen? fragte der Baron noch einmal.

Der Graf: Wie ich Ihnen sage, lieber Solting! Sie genirt mich außerordentlich! Ich muß sie beschäftigen, und Sie erzeigen mir einen wahren Freundschaftsdienst, wenn Sie ihr Liebhaber werden wollen.

Der Baron: Sie machen mir einen sonderbaren Vorschlag, lieber Graf!

Der Graf: Sie sind ein Mann von Ehre; ich weiß, wem ich mich anvertraue. Machen Sie mit ihr, was Sie wollen – Küssen, tändeln, scherzen Sie; aberla grand' oeuvre – Sie verstehen mich – das behalte ich mir vor.

Der Baron (lächelnd): Sans doute! – Aber wenn ich nun auch die Farce spielen wollte, würde die Gräfin wollen?

[7] Der Graf: Es ist ein Weib, lieber Solting! Freilich elle est un peu prude et fière, aber sie wird sich humanisieren. Vous êtes jeune et bien fait; vous avez de l'esprit; elle a de l'estime pour vous. Lassen Sie mich nur machen, ich will Ihnen schon Gelegenheit verschaffen.

Der Baron: Aber noch einmal, lieber Graf! Ich kann nicht glauben –

Der Graf: Ich wiederhole es Ihnen, es ist mein völliger Ernst! Sie wissen ja das fatale Joch – Man kann sich nicht helfen. – Wäre es nicht meine Frau, ich wäre selbst in sie verliebt. Aber das menschliche Herz! Vous me comprenez.

Der Baron: Also sind Sie auswärts employirt?

Der Graf: Freilich! Freilich! Und sie wird mich mit ihrer Eifersucht noch toll machen.

Der Baron: Ha ha! War das die bewußte Reminiscenz?

Der Graf: Sie haben es errathen! Sehen Sie, ob ich Mitleid verdiene! Sie erzeigen mir einen wahren Dienst. Aber Sie wissen –

Der Baron: Wo die Dienstfertigkeit aufhören muß? – Eh bien! Sie überreden mich; der Spaß ist lustig, und um dem Feind eine Diversion zu machen –

[8] Der Graf: Charmant, lieber Baron! Prenez le au fianc! Aber! le centré! le centré! Sie verstehen mich:

Der Baron: Ich will ihn blos harceliren, unterdessen machen Sie Ihren Coup, und ich ziehe mich zurück.

Der Graf: Allerliebst! Und wenn meine Frau etwa Ernst machen will, so wollen wir sie beide zusammen auslachen.

4. Kapitel
Viertes Kapitel.
Der Ball.

Der Graf hatte einen Ball veranstaltet; die Ursache ist leicht zu errathen. – Jetzt ersehen Sie Ihre Zeit, lieber Solting! sagte er ihm leise in's Ohr, als dieser die Gräfin aufzog, und verfolgte sie mit den Augen.

Der Baron tanzte, aber die Gräfin schien kälter als Eis. Was hätte er wagen sollen? Der Tanz war zu Ende, er machte ihr eine Verbeugung und entfernte sich.

Nun sagte der Graf, und kam eilig auf ihn zu, haben Sie einen guten Anfang gemacht?

Der Baron: Noch nicht!

Der Graf: Noch nicht? Eh mon Dieu! Sie sind ja so blöde, c'est un pitié!

[9] Der Baron: Aber wenn man auch zur Liebe commandirt wird! Und überdem –

Der Graf: Was überdem, lieber Solting?

Der Baron: Ihre Frau zeigt auch nicht eine Breche.

Der Graf: Si fait! Si fait, mein charmanter Freund! Sie müssen ihr nur ein wenig auf den Leib rücken.

Der Baron: Aber sie stößt mich ja zurück wie ein Zitteraal!

Der Graf: N'importe! Das ist nur für den Anfang.

Der Baron: Aber sie will mich ja nicht einmal ansehen!

Der Graf: Desto schlimmer! Ich wette sie ist schon bezaubert von Ihnen.

Der Baron: Der Henker auch! Sie machte eine Miene, als wenn sie von Alabaster wäre.

Der Graf: Das ist blos zum Schein, mein lieber Solting! Probiren Sie's nur einmal unter vier Augen.

Der Baron: Ich will noch eine Angloise mit ihr tanzen, und dann!

Der Graf: Wissen Sie was? Temporisiren Sie heute; morgen machen Sie ihr Visite, und dann – Ich gebe Ihnen carte blanche! – Machen Sie, was Sie wollen. – Ich mache [10] Sie zu meinem Repräsentanten, nur behalte ich mir die Souveraineté vor.

Der Baron: Aber lieber Graf! Zuweilen –

Der Graf: Sein Sie unbesorgt, lieber Solting! Ueber die Possen bin ich hinaus. Sie wissen, wo Ihr Terrain aufhört! Verstehen Sie mich? – Uebrigens brauchen Sie sich nicht im Mindesten zu geniren.

Sie trennten sich. Der Graf gieng seinen Geschäften nach, und Solting tanzte fast unaufhörlich mit der Gräfin. Er bot alles auf, um zu gefallen, aber sie schien völlig unempfindlich zu bleiben.

5. Kapitel
Fünftes Kapitel.
Die Erklärung.

Es war den andern Vormittag um eilf Uhr, und die Gräfin war mit ihrer Toilette beschäftigt, Solting trat herein, ihr seine Visite zu machen, und schien äußerst schwermüthig zu sein. Die Gräfin bemerkte es in ihrem Spiegel, und konnte sich nicht enthalten, ihn endlich darum zu fragen.

Aber was fehlt Ihnen, Herr Baron? Sie scheinen sehr traurig, zu sein!

[11] Vielleicht, meine Gnädige! gab er mit einem Seufzer zur Antwort, und bemerkte mit Vergnügen, daß sie ihn beobachtete.

Die Gräfin: Sie seufzen? (lächelnd) Ich möchte beinahe ein anderes Vielleicht für die Ursache annehmen.

Der Baron: So hätten Sie ein Talent, mehr Geheimnisse zu errathen.

Die Gräfin (lächelnd): Der gestrige Ball – Aber es ist auch ein charmantes Mädchen!

Der Baron: Wie? – Wer? – Meine Gnädige?

Die Gräfin: Nun so verstellen Sie sich doch nicht!

Der Baron: Ich versichere Ihnen!

Die Gräfin: Was gilt die Wette? Der arme Solting ist verliebt!

Der Baron: Und wenn ich es wäre, meine Gnädige! Verdiente ich nicht Entschuldigung? – Wer kann so viel Reize –

Die Gräfin: Halt! Halt! Erst müssen wir uns über die Person verständigen. Hab ich's nicht getroffen? – Bekennen Sie.

Der Baron: Sehen Sie in Ihren Spiegel, meine Gnädige, und Sie werden die Antwort wissen.

Die Gräfin (erröthend und mit gezwungenem [12] Ernste): Ich verstehe Sie nicht, Herr Baron! und ich glaube, Ihnen einen Gefallen zu erzeigen, wenn ich Sie nicht verstehe.

Der Baron: Ach meine Gnädige! Verdiene ich soviel Härte? – Können diese himmlischen Reize –?

Die Gräfin (noch ernsthafter): Herr Baron! Sie werden – Es thut mir leid – Ich muß Sie bitten – Sie werden mich nöthigen – Sie schien so sehr beleidigt zu sein, daß Solting erschrack und blaß wurde.

Aber ich will es für Scherz aufnehmen, fuhr sie ein wenig freundlicher fort, als sie seine Verlegenheit bemerkte. Ich verzeihe Ihnen! – indem sie ihm die Hand reichte, die er ehrerbietig küßte. – Aber wenn Sie denn durchaus Ihr Herz beschäftigen wollen, ich will Ihnen einen Gegenstand vorschlagen, der Ihrer Liebe würdiger ist.

Der Baron: Ah le moyen! (mit dem heftigsten Ausdruck von Scham und Betrübniß):

Die Gräfin: Comment? Vous desperez?

Der Baron: Ach, wo soll ich den Muth hernehmen!

Die Gräfin: Der wird schon wiederkommen,n'ayez pas peur! Wollen Sie den Rath [13] einer Freundin annehmen, so will ich Ihnen eine Dame vorschlagen.

Der Baron: Quel exces de cruaute!

Die Gräfin (lächelnd): Sie sollen gewiß zufrieden sein, ich verspreche es Ihnen.

6. Kapitel
Sechstes Kapitel.
Der Vorschlag.

Kennen Sie die schöne Oberstin von R–? sagte sie mit einem flüchtigen Lächeln.

Der Baron: Der alte 60jährige Oberste ist mir sehr wohl bekannt.

Die Gräfin: Nun gut! So habe ich Ihnen alles gesagt.

Solting machte den Erstaunten, und schien einige Thränen fallen zu lassen. Er sprach von seiner Beständigkeit, und der Unmöglichkeit, ihrem Rathe zu folgen. – Meine Wahl ist zu schön, sagte er, wie könnte ich mich jemals über mein Unglück trösten?

Die Gräfin: Aber wenn ich es wünschte, wenn ich es Ihnen befehle, Herr Baron?

Der Baron: Ach dann könnte ich nur die Hoffnung haben, Ihnen durch meinen Gehorsam zu gefallen!

[14] Die Gräfin: Nun gut! So wissen Sie alles. Ich schätze Sie – Das ist alles, was ich für Sie thun kann. Die Oberstin (der Baron macht eine ungeduldige Bewegung) Bst! Unterbrechen Sie mich – Sie wird Sie vollkommen entschädigen. Ich weiß, daß sie viel Freundschaft für Sie hat; ja sie hat es mir selbst gesagt. – Es wird nur auf Sie ankommen, ob –

Der Baron: Aber meine Gnädige! (mit verstelltem Schmerze) Wie kann, wie soll ich? –

Die Gräfin: S'il ne tient qu'a cela! (als ob sie ihn nicht verstünde) Kommen Sie diesen Abend zum Thee, und Sie sollen sie finden, ich verspreche es Ihnen. – Doch Sie erlauben mir – Au plaisir Monsieur le Baron! indem sie das Zimmer mit einer Verbeugung verließ.

7. Kapitel
Siebentes Kapitel.
Der Rapport.

Allerliebst! – sagte Solting, indem er die Treppe herunter ging und seine Maske ablegte. Sie könnte mir keinen größern Gefallen thun! – Er hatte nämlich die Oberstin schon lange im Stillen geliebt, ohne es ihr entdecken zu können. In dem Augenblicke kam ihm der Graf entgegen.

[15] Der Graf: Nun, haben Sie eine Approche gemacht?

Der Baron: Ich habe es wenigstens versucht.

Der Graf: Und was sagte sie? – Was sie alle sagen! Nicht wahr?

Der Baron: Richtig! Sie schien anfangs beleidigt zu sein.

Der Graf: Das mußte sie auch!

Der Baron: Aber nachher ließ sie sich's gefallen.

Der Graf: Wie ich Ihnen gesagt habe. – Wer recht sicher bei den Weibern gehen will, muß nur immer das Gegentheil von ihren Reden thun. – Verlassen Sie sich darauf! Probatum est!

Der Baron: Ich sehe schon, Sie müssen mich leiten, lieber Graf! Und überdem kennen Sie den Terrain.

Der Graf: Parfaitement! Sehen Sie, ich will Ihnen die carte du pays in zwei Worten geben: Eitelkeit und Eitelkeit. – Und wenn ihnen ein kleiner häßlicher Zwerg eine Liebeserklärung thäte, sie sähen ihn mit freundlichen Augen an.

Der Baron: Ich bin immer noch ein wenig zu blöde.

[16] Der Graf: Das müssen Sie nicht! Diese timitidée ist den Weibern ein Greuel. Bescheiden Worten, kühn in Thaten – Voilà le mystère! – Aber versteht sich! –

Der Baron: Ja, ja, ich verstehe!

Der Graf: Der point d'attruction! – Da verlasse ich mich ganz auf Sie.

Der Baron: Wie auf sich selbst!

Der Graf: Thun Sie, als ob Sie die Citadelle stürmen wollten, aber machen Sie blos einen blinden Angriff.

Der Baron: Aber lieber Graf, wenn der Feind nun selbst kapituliren will?

Der Graf: So rapportiren Sie, und ich will abschließen.

8. Kapitel
Achtes Kapitel.
Der Thee.

Die Stunde zur Assemblee hatte geschlagen, und der Baron ermangelte nicht, sich einzufinden. Er fand eine glänzende Gesellschaft Damen, unter denen auch wirklich die Oberstin war.

Er ist zum Küssen! sagte die Gräfin leise und mit einem bedeutenden Lächeln. – Er ist der schönste Mann, den ich gesehen habe! gab [17] die Oberstin eben so zur Antwort. – Finden Sie nicht, daß er ein wenig stärker geworden ist? fragte die Gräfin wieder. – Ich dächte, auch seine Couleur wär schöner! erwiederte die Oberstin.

Indessen näherte sich der Baron den beiden Damen mit vieler Grazie. Er setzte sich zu ihnen, und glaubte für die eine scheinen zu müssen, was er für dieandere wirklich war. So ließ er bei der Gräfin seine Galanterie, bei der Oberstin seine Empfindungen sprechen. Eine hielt die andere für seine Geliebte, beide beobachteten sich mit Lächeln, und jede schien zufrieden mit ihm zu sein.

Wie gefällt es Ihnen wieder in C –? fragte ihn die Gräfin mit einem bedeutenden Blicke.

Der Baron: Nie war ich so glücklich, meine Gnädige! Ich würde C – unmöglich wieder verlassen können.

Aber liebe Gräfin, fieng die Oberstin mit einem schalkhaften Tone an, Sie werden doch den Winterbei uns zubringen?

Und Sie, liebe Oberstin, bleiben doch auch hier? erwiederte diese mit demselben Accente, indeß der Baron beide, wiewohl mit verschiedenen Empfindungen ansahe. – Sie machen mich zittern, meine Damen! sagte er etwas verlegen, wenn Sie von Ihrer Abreise sprechen.

[18] Sein Sie unbesorgt, fiel die Gräfin ein, meine charmante Nachbarin wird uns noch lange das Vergnügen lassen.

Sie wird sich ganz nach der liebenswürdigen Gräfin Auguste richten, erwiederte die Oberstin, indeß ihr Ton ein wenig ironisch zu sein schien.

Vous me rendes la vie! sagte der Baron mit Wärme, und seine Augen begegneten der Oberstin ihren. Die Gräfin schien zu triumphiren, und war äußerst vergnügt. Meine Leserinnen werden das für unmöglich halten, aber es wird sich alles erklären.

9. Kapitel
Neuntes Kapitel.
Die Ueberraschung.

Die Gesellschaft nahm Abschied, und es blieb niemand zum Abendessen da, als der Baron und die Oberstin. Die Gräfin schlug einen Spaziergang in den Garten vor, und der Baron war erfreut darüber. Kaum hatten sie einige Touren gemacht, als sie abgerufen wurde. Sie sah ihn lächelnd von der Seite an, und er verstand sie.

Aber auch der Oberstin hätte dieser absichtliche Zufall nicht willkommener sein können. Liebte sie Baron Solting? Gab er ihr wirklich [19] den Vorzug? – Sie hoffte es, sie schmeichelte sich damit; aber sie wollte es wissen, sie wollte es von seinen Lippen hören.

Ich wünsche Ihnen Glück, Herr Baron! sagte sie lächelnd. Sie machen sehr schnelle Fortschritte.

Der Baron: Fortschritte, meine Gnädige? – O möchten sie sich bis zu Ihrem Herzen erstrecken.

Die Oberstin: Zu meinem Herzen? (lebhaft aber freundlich) Sie verwechseln mich wahrscheinlich mit der Frau Gräfin?

Der Baron: Nein, meine Gnädige! Ich weiß, mit wem ich spreche; ich weiß, daß es meine angebetete Julie ist; ich weiß, daß ich seit meiner Zurückkunft nur für sie gelebt habe, und ewig nur für sie leben werde. – Er hatte ihre Hand gefaßt; sie zog sie nicht zurück, und er drückte sie begeistert an seine Lippen.

Die Oberstin antwortete nichts. Die Ueberraschung, die Freude, tausend entzückende Empfindungen verschloßen ihre Lippen. Sie setzte sich unwillkürlich auf eine Rasenbank, und er nahm ungehindert Platz neben ihr.

Sie schweigen? fuhr er fort. Kann meine Liebe Sie beleidigen? – O einziges unübertreffliches Weib! – indem er sich zu ihren [20] Füßen warf, und sein Gesicht auf ihren Arm beugte. Verdiene ich kein Mitleiden? Haben Sie keine Belohnung für meine Treue? Können Sie auf mich zürnen?

Ach, ich wünsche es für meine Ruhe! gab sie gerührt zur Antwort, als sie in dem nämlichen Augenblicke den Grafen am andern Ende der Allee erblickte. Mon Dieu! Levez vous, Monsieur! Ich bitte Sie!

Der Baron stand auf. – Ce n'est que le Comte! – Sie wollte antworten, aber er kam mit starken Schritten auf sie zu.

Ah! bon soir! sagte er mit verbissenen Augen und veränderte die Farbe. C'est vous Madame! Mais perdonnez! Ich habe da eine charmante Szene gestört. Sie scheinen große Rechte aus Soltings Dankbarkeit zu haben, oder hat er vielleicht ein außerordentliches Anliegen?

L'un, ou l'autre pourrait être vrai! fiel die Oberstin empfindlich ein. Mais Monsieur le Comte, er wird es Ihnen besser sagen können, als Ich: Au plaisir Messieurs! – Der Graf wollte sie zurückhalten, aber sie riß sich aufgebracht von ihm los.

10. Kapitel
[21] Zehntes Kapitel.
Entdeckungen.

Die beiden Herren standen einander gegenüber, und sahen sich einige Minuten an, ohne ein Wort zu sprechen. Der Graf war endlich der erste, der das Stillschweigen brach.

Bon! sagte er mit gezwungener Heiterkeit, doch ohne den Baron ansehen zu können. Auf Sie kann man sich verlassen, das ist wahr! Ist das meine Frau?

Der Baron schien beschäftigt zu sein, ein Geheimniß zu errathen, und antwortete nichts.

Auf die Art werden Sie schlecht avanciren, fuhr der Graf halb unwillig fort. Wenn sie es nun gesehen hätten?

Eh mon cher! Qu'importe? gab Solting zur Antwort. Ich dankte ja der Oberstin blos für ihre Empfehlung.

Der Graf: Ihre Dankbarkeit war verdammt feurig. Sie küßten ihr ja die Hand, als wenn Sie sie aufessen wollten. Und am Ende hab' ich das ganze Verdienst dabei.

Der Baron: Wie so, lieber Graf?

Der Graf: Weil ich die Oberstin gebeten habe, die Sache bei meiner Frau einzuleiten.

[22] Der Baron: Sind Sie so genau mit ihr bekannt?

Der Graf: Solting! Um Ihnen alles zu sagen – Sehen Sie – Aber ich rechne auf Ihre Discretion – Ich liebe Sie unendlich!

Ah! sagte der Baron, und schien aus den Wolken zu fallen.

Der Graf: Sie ist die Ursache – Sehen Sie – Ich gestehe – Es frappirte mich – Fühlen Sie selbst!

Der Baron wollte antworten, aber er sah die Gräfin hinter einen Baum schleichen, und beschloß, auf seiner Hut zu sein.

Der Graf (fortfahrend): Sehen Sie, ob ich Ursache habe, meiner Frau eine Diversion zu machen. Wäre Ich an Ihrer Stelle, ich wüßte wohl, wer mir am besten gefiele; mais c'est ma femme; c'est tout dire. Sie verstehen mich:

Der Baron: Gewiß, lieber Graf! Die Gräfin ist das schönste liebenswürdigste Weib, das ich auf allen meinen Reisen gesehen habe. Sein Sie der Oberstin wegen völlig unbesorgt. Ich habe nur eine Leidenschaft, und so lange Sie mir's erlauben –

Der Graf: So lange Sie wollen – Nous voila d'accord! – Rechnen Sie auf meine innigste Dankbarkeit!

[23] Sie trennten sich. Ha, ha, sagte Solting bei sich selbst, ich habe den Schlüssel gefunden, die Gräfin hat ihm einen Rival geben wollen. J'en suis fâché, aber es ist geschehen.

11. Kapitel
Eilftes Kapitel.
Herzensblicke.

Die Gräfin war außer sich. Sich verachtet zu sehen! Einem andern cedirt zu werden! Welche Frau könnte das vertragen? Ihr Stolz, ihre Liebe und ihre Empfindungen waren aufs höchste beleidigt; nichts konnte sie trösten, als Soltings Aeußerung. Er liebt mich! sagte sie; er soll mein Rächer sein, dieser unwürdige Mann verdient es.

Laßt ein Weib einmal zu dieser Rache entschlossen sein, und sie wird durch nichts mehr zurückgehalten werden. Eitelkeit, Bedürfniß und Erbitterung werden sie wechselweise bestürmen, und jede Gelegenheit, sie zu befriedigen, wird ihr willkommen sein.

So brachte die Gräfin die Nacht zu, aber ihr Gemahl war nicht ruhiger. Die Oberstin hatte ihm den ganzen Abend mit Verachtung begegnet, und er zitterte, in Solting seinen Rival [24] zu sehen. Wie gern hätte er ihm seine Frau mit allen Reservaten überlassen, um nur für seine Geliebte beruhigt zu sein. Er fühlte, daß ihm jene völlig gleichgültig war, und daß er den Muth haben würde, alles zu ignoriren.

Aber mit ganz andern Betrachtungen war der Baron beschäftigt. Er durfte die Hoffnung fassen, sich von der Oberstin geliebt zu sehen; er hatte ihr seine Leidenschaft entdeckt, und wußte, wie viel damit gewonnen sei. Ihre Antworten, ihre Blicke, ihr ganzes Betragen, alles schien ihm den glücklichsten Erfolg zu versprechen.

Gleichwohl kam er mit seinem Freunde in eine sehr unangenehme Collision. Sollte er die Oberstin aufgeben? Sollte er sich durch die Gräfin entschädigen? Beides war unmöglich. Die Liebe siegte, die Freundschaft schwieg. Mag die Oberstin entscheiden, sagte er: ich und der Graf – Wir sind in diesem Punkte einander völlig fremde.

Indessen beschloß er, ihn wenigstens zu schonen, und wo möglich zu täuschen. Aber um dieses zu können, muß die Oberstin sich mit ihm vereinigen. Himmlisches Geschöpf! rief er, deine Liebe und deine Klugheit werden alles möglich machen!

12. Kapitel
[25] Zwölftes Kapitel.
Der Auftrag.

Er war kaum aufgestanden, als der Graf hereintrat. Guten Morgen, lieber Solting! sagte er lächelnd; ich komme zu früh, nicht wahr? Aber wären Sie so verliebt, als ich, Sie würden mit der Sonne aufstehen! – Apropos, fuhr er fort, ich habe eigentlich eine Bitte an Sie!

Der Baron (mit einiger Verlegenheit): Reden Sie, lieber Graf! Sie wissen ja –

Der Graf: Eh bien! Sie haben gesehen, wie aufgebracht die Oberstin war –

Der Baron: Freilich! Sie schien nicht wenig beleidigt zu sein.

Der Graf: Nun, sagen Sie, ob ich Ihnen das mindeste über den Rencontre gesagt habe?

Der Baron: Kein Wort!

Der Graf: Ob ich mir die geringste Eifersucht habe merken lassen?

Der Baron: Aucunement!

Der Graf: Ob ich mir eine Frage erlaubt habe? – Wiewohl – Gestehen Sie selbst, ob ich nicht Ursache hatte? –

Der Baron: Parfaitement!

Der Graf: Eh bien, mein lieber Solting! [26] Sie müssen ihr das sage. Gehen Sie diesen Morgen zu ihr, Vous la mettrez à la raison!

Der Baron: Mit Vergnügen, lieber Graf! Ihnen zu Gefallen.

Der Graf: Aber Sie müssen sich nicht merken lassen, daß wir es abgeredet haben.

Der Baron: Sorgen Sie nicht!

Der Graf: Und noch weniger, daß Sie mein Vertrauter sind.

Der Baron: Verlassen Sie sich darauf!

Der Graf: Wenn Sie von der Gräfin spricht, so thun Sie nur – Verstehen Sie mich? Sie muß glauben, daß Sie über und über in meine Frau verliebt sind!

Der Baron: Sant doute, mon cher!

Der Graf: Und da ich sie beide zusammen gesehen habe, so könnte sie vielleicht denken, que vous partagiez votre coeur!

Der Baron: Non, non!

Der Graf: Aber da sagen Sie ihr sans detour, daß ihre Wahl entschieden ist, daß Sie nur ein Herz haben, und daß Sie meine Frau allein lieben.

Der Baron: Ja, ja, das soll geschehen.

Der Graf: Sie verpflichten mich außerordentlich, lieber Solting! Suchen Sie mich wieder [27] mit ihr auszusöhnen, ich stehe Ihnen bei meiner Frau gleichfalls zu Dienste.

Sie nahmen Abschied, und jeder wünschte sich Glück, den andern betrogen zu haben.

13. Kapitel
Dreizehntes Kapitel.
Der Glückliche.

Der Baron eilte zur Oberstin, Sie erröthete, als er hereintrat. Beide schwiegen, beide waren verlegen, denn sie liebten.

Meine Gnädige! sagte der Baron, und seine Stimme zitterte.

Sie wollen mich fragen, wie ich geschlafen habe? fiel sie lebhaft ein. Ich habe viel geträumt! Sehr viel!

Möchten Sie auch von meiner Verzeihung geträumt haben! fuhr er fort, und küßte ihre Hand.

Gewiß! sagte sie mit Anmuth. Ich hoffe auch von Ihrer Beständigkeit. – Ihre Wangen glühten, und Ihre schönen Augen senkten sich zärtlich auf ihn nieder.

Himmlische angebetete Freundin! rief der Baron mit Begeisterung, warf sich zu ihren Füßen, und bedeckte ihre Knie mit seinen Küssen.

[28] Stehen Sie auf, lieber Solting! sagte sie zärtlich und schalkhaft zugleich: wenn Sie der Graf sähe!

Hätte er ein Recht, darüber zu zürnen? fragte der Baron wehmüthig, und drückte ihre Hand mit Inbrunst an sein Herz.

Sie lächelte. – Tranquillisez vous! sagte sie: seine Prätensionen werden sich nie mit meinen Empfindungen vereinigen. – Ach, ich bin wieder glücklich; rief der Baron, und wagte, sie zu umarmen. Sanft und bescheiden schien sie sich abzuwenden, aber ihre Lippen verstanden ihr Herz, und begegneten den seinigen.

Mit holder Vertraulichkeit sprachen sie nunmehr über ihre Verhältnisse. Jedes Geheimniß wurde entdeckt, jedes Räthsel gelost. Der Baron erfuhr die Bewerbung des Grafen, und erzählte alles, was wir bereits wissen. Beide Theile erklärten sich ihre bisherigen Schritte; beide entdeckten sich ihre Rollen, und beide beschlossen, die andern zu täuschen.

Fahren Sie fort, die Gräfin zu lieben! sagte die Oberstin lächelnd: dafür will ich dem Grafen meine ganze Zärtlichkeit schenken. Mais, fuhr sie fort, foyez sur de moi, et je compterai sur vous même.

Der Baron umarmte sie, und seine feurigsten [29] Küsse waren die heiligsten Schwüre, die ein zärtliches Weib wünschen konnte.

14. Kapitel
Vierzehntes Kapitel.
Lügen.

Indessen erwartete ihn die Gräfin mit äußerster Ungeduld. Sie hatte sich die ganze Nacht mit ihm beschäftigt, und er war glücklicher, als er meinen konnte. Aber er kam nicht, und ihre Unruhe stieg auf's höchste. Durch Zufall erfuhr sie endlich, daß er bei der Oberstin gewesen wäre, und alle Qualen der Eifersucht wachten in ihrem Heizen auf.

Sie hatte den Tag einsam und traurig in ihrem Cabinete zugebracht, als endlich der Baron gegen Abend hereintrat. So groß ihre Freude war, wußte sie sich dennoch zu verstellen, und empfing ihn mit äußerster Kälte. Er bemerkte es; nicht sein Herz, aber seine Eitelkeit war beleidigt, und er drang in sie, sich näher zu erklären.

Sie fieng mit einer Menge Vorwürfe an, die er nicht verdiente, und sprach dann gleichsam im Vorbeigehen von seinem Besuche bei der Oberstin. – Aber meine Gnädige! sagte der Baron, [30] der sie recht gut verstand,je ne fais, que vous obéir. – Ah le traitre, gab sie zur Antwort: ich sehe es wohl, ich habe Ihnen nach Ihrem Herzen gerathen. Ich habe sie nur verhindert, eine Untreue zu begehen. – Sie wendete sich ab, und schien ihre Thränen verbergen zu wollen.

Meine Gnädige! sagte der Baron mit Feinheit, der kleinste Schimmer von Hoffnung wird mir den Muth geben, meinen Fehler gut zu machen.

Er log, aber er fürchtete, sich zu verrathen. Vielleicht war er straffällig, aber verdiente er keine Entschuldigung? Die Gräfin war ihm gleichgültig; er hatte die Rolle des Liebhabers aus Gefälligkeit übernommen; er war abgewiesen worden. Wußte er, warum sie setzt zärtlicher schien? Wäre es nicht unvorsichtig gewesen, ihr sein Geheimniß zu entdecken?

Wie dem auch sei, er erreichte seinen Zweck. Die Eitelkeit, die Liebe der Gräfin überredete sie leicht von seiner Aufrichtigkeit; sie war entzückt, ihn zurückkommen zu sehen, und sie eilte ihm auf halbem Wege entgegen.

15. Kapitel
[31] Fünfzehntes Kapitel.
Betrachtungen.

Es lebe die Täuschung! Alles Glück besteht in der Meinung. Ich glaube geliebt zu sein, und ich bin so glücklich, als ob ich es wäre.

Das war der Fall des Grafen und seiner Gemahlin. Er schmeichelte sich, das Herz der Oberstin zu besitzen; Sie triumphirte, den Baron gefesselt zu haben. Beide wurden betrogen; aber beide waren nichts desto weniger glücklich.

Der Baron und die Oberstin waren die einzigen, die sich liebten. Sie sahen sich im Geheim; sie gaben sich tausend Beweise davon; aber ihr öffentliches Betragen verrieth die äußerste Gleichgültigkeit. Die Oberstin fuhr fort, den Grafen mit Schonung, selbst mit anscheinender Zärtlichkeit zu behandeln, und der Baron wußte die Gräfin auf das anziehendste zu entschädigen. Der Graf war entzückt; die Gräfin sah der süßesten Rache entgegen. Alle Theile waren zufrieden; alle hofften ihrem Ziele näher zu kommen. Es lebe die Täuschung!

Aber alles ist Wechsel; alles ist Veränderung in der Welt. Der Graf erfuhr durch Zufall, daß der Baron eine Nacht bei der Oberstin [32] zugebracht habe, und gerieth in Verzweiflung. – Ich bin verrathen! rief er: ich muß mich überzeugen! – und seine Maßregeln waren genommen.

16. Kapitel
Sechszehntes Kapitel.
Diebe! Diebe!

Es war ein Uhr nach Mitternacht. Eine vertraute Kammerfrau hatte den Baron wie gewöhnlich hineingelassen, und er erwartete seine Geliebte in ihrem Cabinete. Man klopft an; er fliegt hinzu, ihr zu öffnen: eine Mannsgestalt sucht mit Gewalt hinein zu dringen. Aber sie kämpfen; der Baron stößt sie zurück, wirft sie zu Boden, und verschließt die Thüre. Wer war es? Niemand anders, als der eifersüchtige Graf. Er hatte sich verkleidet, und war durch einen bestochenen Bedienten in das Haus gekommen.

In dem Augenblick kam der Oberste aus seiner Trinkgesellschaft zurück. Der Graf hörte seine Stimme, und suchte sich zu retten. Er fängt an zu laufen, stößt an die verlöschte Laterne, und zerbricht sie. Das Geräusch ruft Leute herbei. Diebe! Diebe! tönt es von allen Seiten. Der Oberste erreicht den Grafen, und gibt ihm [33] Stockschläge. Athemlos springt dieser die Treppe herunter, und flüchtet sich durch du offene Thüre.

Indessen verbreitete sich der Lärm im ganzen Hause; alles eilte, die Diebe aufzusuchen. Die Oberstin ist in Todesangst. Man hat ihn im Corridor gesehen; er war aus ihrem Cabinet gekommen. Gütiger Himmel, er ist verloren! Der Oberste kam zu ihr. Triumphirend erzählte er ihr, wie er den Dieb gezüchtigt habe, und sie glaubte in Ohnmacht zu fallen. Eine schreckliche Nacht! der Unfall ihres Geliebten, der Verlust des gehofften Vergnügens, alles ängstigte, alles schmerzte sie.

17. Kapitel
Siebenzehntes Kapitel.
Sie haben Recht.

Indessen kam der Graf nach Hause, und war vor Wuth und Eifersucht außer sich. Er hätte beide durchbohren, er hätte sich selbst ermorden mögen. Nein, es ist unmöglich, schmerzlicher zu leiden.

Der Morgen brach an, er hatte kein Auge zugethan; man meldete den Obersten. Er erschrack und fürchtete eine Erklärung: dennoch mußte er ihn annehmen. Der Oberste trat triumphirend [34] herein, und erzählte ihm alles, was wir wissen. – Der Spitzbube wollte eben das Cabinet aufbrechen, sagte er, aber ich habe ihn zugedeckt! Alle Teufel! – Er soll daran denken! Kein Stockschlag wurde vergessen. Der Graf fühlte jeden noch einmal, und sein blauer Rücken bestätigte es mehr als zu sehr.

Aber lieber Oberster! sagte er boshaft: Wissen Sie auch gewiß, daß es ein Spitzbube war.

Der Oberste: Was! Was! Ich sollte es nicht wissen? – Es war ja noch Mitternacht und in der Finsterniß, und allein –

Der Graf: Aber zuweilen –

Der Oberste: Was zuweilen? Ich glaube an keine Geister –

Der Graf: Ich auch nicht! Aber man hat Beispiele – Suchen Sie mir im Cabinete – Es giebt gar honette Diebe!

Der Oberste: Was, im Cabinete? Wir haben das ganze Haus durchsucht!

Der Graf: Und nichts gefunden? Nun so steckt er sicher im Cabinete.

Der Oberste: Ich dachte gar im Bette! – meine Frau hat ja den Schlüssel dazu; die Fenster sind vergittert, wo soll er sonst hinkommen?

Der Graf: Aber er kann auch einen Dietrich[35] haben, lieber Oberster! – Wie ich Ihnen sage: man muß gar vorsichtig sein. Es gibt der Beispiele – Vielleicht ist's dem Diebe nicht sowohl um Ihr Geld zu thun, als –

Der Oberste: Nun warum denn? – Um mein Leben? – Alle Teufel, das wollt' ich sehen!

Der Graf: Wenn auch nicht gerade um Ihr Leben – Vielleicht –

Der Oberste: Um meiner Frau ihres?

Der Graf: Wer weiß? Wie ich Ihnen sage: sein Sie vorsichtig, suchen Sie in dem Cabinete.

Der Oberste: Sie haben Recht! Ja wahrhaftig, Sie haben Recht! Sie bringen mich auf eine Idee – Ja, ja, meiner Treu! – Mit diesen Worten stürzte er fort, und eilte gerade nach Hause.

18. Kapitel
Achtzehntes Kapitel.
Wo ist der Dieb?

Wo ist der Schlüssel zum Cabinete? sagte er hastig, und weckte seine schlafende Gemahlin mit Heftigkeit auf. Sie erschrack, und wußte nicht, was Sie antworten sollte. – Warum, mon cher? sagte sie endlich gefaßter.

[36] Wir wollen den Dieb aufsuchen! Geschwinde, geschwinde! Der Graf meint, sie stellen dir nach dem Leben. Es ist nur um der Gewißheit willen! – und so erzählte er ihr das übrige.

Die Oberstin merkte die Bosheit ihres Feindes. – Aber mon cher! Wenn der Dieb einmal einen Nachschlüssel hat, so wird er nicht auf uns gewartet haben.

Er: Gut, gut! Aber um den Grafen zu überzeugen; er versicherte mich's so gewiß.

Sie: Das ist doch viel! Wer weiß, mon cher, ob er nicht selbst dahinter steckt. Erinnern Sie sich – Ihre Geschichte vor zwei Jahren – Die Rancune! – Verstehen Sie mich, mon cher!

Er: Wahrhaftig! Wahrhaftig! – Ganz traue ich ihm selbst nicht. Aber eben deßwegen – Wo ist der Schlüssel?

Die Oberstin zitterte. Freilich glaubte sie den Baron in Sicherheit, aber die Idee des Grafen erschreckte sie. Sie stand auf, um ihren Mann zu begleiten. Er zieht den Degen; die Thüre wird geöffnet; alles ist leer. – Hahaha! rief der Oberste – Hahaha, mein Herr Graf! – und wollte vor Lachen bersten. – Wo ist der Dieb? Hahaha! Wo ist er denn? – Er suchte zum Ueberfluß noch einmal unter dem [37] Sopha, küßte seine Frau, und verließ sie, um seinen Triumph mit einer Bouteille Rüdesheimer zu feiern.

Die Oberstin war indessen nicht ruhiger. Sie sah wohl, daß der Graf ihr Geheimniß wußte, aber wie konnte er es entdeckt haben? Nach einiger Ueberlegung beschloß sie, dem Baron zu schreiben. Die Vertraute geht zu ihm; seine Leute haben ihn nicht gesehen, er ist noch nicht nach Hause gekommen. – Himmel! Ein neues Unglück! – Was kann ihm begegnet sein? – Die arme Oberstin war außer sich.

Zweites Buch

1. Kapitel
Erstes Kapitel.
Ich bin oben.

Es war Abend. Die Oberstin saß eben in ihrem Cabinete, und ihre süßen Erinnerungen machten sie nur noch schwermüthiger. Auf einmal hörte sie einen Schall an dem Fenster. – Noch einer! – Man warf von unten hinauf. Sie erschrack; sie zittert. Aber eine geheime Ahnung ergriff sie. – Wer ist da? rief sie halb leis und öffnete das Fenster, man räuspert, [38] und sie erkannte den Baron. Ich bin oben! rufte sie freudig, und er näherte sich.

In dem Augenblick trat ihre Vertraute herein. Sie winkte ihr, und ward verstanden. Man entdeckte zwei zerbrochene Stäbe; man knüpfte eine alte Strickleiter an, der Baron schwingt sich hinauf, und ist in ihren Armen.

Zärtlicher, himmlischer Augenblick! Der Baron vergaß alles darüber. Das Fenster gieng in den Garten; er hatte bei dem nächtlichen Lärmen zwei Stäbe zerbrochen, und war glücklich hinunter gekommen. Aber um unentdeckt zu bleiben, mußte er sich den ganzen Tag in der Einsiedelei verbergen, die am äußersten Ende des Gartens war. Endlich sahe er Licht im Cabinete, und warf mit kleinen Steinen an das Fenster.

Die Oberstin eilte, ihn zu erquicken, und erzählte ihm alles. Wie viel zärtliche Liebkosungen! Beide wetteiferten, sich für ihren Schmerz zu entschädigen. In süßer Vertraulichkeit ruhten sie schweigend neben einander, als sie den Obersten in dem Corridor hörten. – Um Gotteswillen! rief die Oberstin, und der Baron wollte wieder herunter springen. – Nein, Bester! Nein! Hier ist ein Anzug! Geschwind werfen Sie die Saloppe über, indem sie ihm eine Nachthaube aufsetzte.

[39] Kaum waren sie fertig, als der Oberste anklopfte. Sie öffnete ihm, und er machte der Fremden ein tiefes Compliment. – Hahaha! sagte er lächelnd, das ist vermuthlich der schöne Dieb? Hahaha! Nicht wahr, ma petite femme? – Die Oberstin erröthete und die Fremde empfahl sich, ohne ein Wort zu sagen.

2. Kapitel
Zweites Kapitel.
Quelle situation affreuse!

Indessen waren drei Tage vergangen, und die Gräfin hatte den Baron nicht bei sich gesehen. Ihre Ungeduld war auf's höchste gestiegen; sie schrieb ihm diesen Morgen ein Billet, und bat ihn zum Essen. Trotz seines Widerwillens wollte er es nicht ausschlagen, denn er glaubte, den Grafen noch immer täuschen zu können.

Er erschien, und sie überhäufte ihn mit zärtlichen Vorwürfen; aber Ton und Blick verriethen ihre Neigung zum Frieden. – Gewiß, lieber Baron! fuhr sie fort: Sie haben viel gut zu machen! – indem sie ihm die Hand mit einem zärtlichen Blicke reichte.

Der Baron war nicht verliebt, er konnte desto galanter sein. Nichts ist leichter, als ein liebendes [40] Weib zu täuschen; ihr Herz deutet alles zu ihrem Vortheil. Die Gräfin war entzückt, ihre Leidenschaft stieg mit jeder Minute, und sie hoffte am Ziele ihrer Rache zu sein.

So viel indessen der Baron von seiner Liebe sprach, so wenig suchte er sie zu beweisen. Er war der beredteste Liebhaber, den man hören konnte, aber er schien nichts weiter zu wünschen. O wie gern hätte ihn die Gräfin ein wenig kühner gesehen! Wie freudig wäre sie ihm auf halbem Wege entgegen gekommen! Aber es blieb bei schönen Worten, und sie seufzte vergebens nach schönen Thaten.

Er ist zu blöde, dachte sie, das Uebermaß seiner Liebe macht ihn bescheiden. Ihr Herz entschuldigte alles; man muß ein übriges thun. Sie warf tausend zärtliche Blicke auf ihn; sie enthüllte den reizendsten Busen, sie erröthete und lächelte wechselsweise; er schien nichts zu verstehen. Schelmische Neckereien, geheimnißvolle Fragen, süße Nachlässigkeiten, wollüstige Attitüden, nichts wurde vergessen, und alles war fruchtlos. Der Baron schien von Marmor zu sein, und nichts lebendiges zu haben, als die Zunge.

Nie sind die Weiber feuriger, und nie erbitterter, als in solchen Fällen. Ihre Eitelkeit, ihre Sinnlichkeit, ihr Stolz, ihr Vergnügen, alles [41] ist dabei interessirt. Es koste was er wolle, sie müssen ihre Absicht erreichen.

In diesem Falle befand sich denn auch die Gräfin. Sie war im Begriff, den letzten Sturm zu wagen, und schien jede Rücksicht vergessen zu haben, als plötzlich ihr Mann hereintrat. Er sah den Baron sehr finster an, grüßte ihn ohne zu sprechen, und setzte sich an das Fenster.

Der Baron war entzückt, diese Scene geendigt zu sehen. Er hatte längst auf Kohlen gesessen, und benutzte den Augenblick, Abschied zu nehmen. Die Gräfin drückte seine Hand mit Inbrunst, und er war boshaft genug, es zu erwiedern. – Mon Dieu, je respire! rief er freudig, als er auf die Straße kam. – Quelle situation affreuse!

3. Kapitel
Drittes Kapitel.
Ich will hin!

So gern der Baron zur Oberstin gegangen wäre, so sehr mußte er fürchten, sie in Verlegenheit zu setzen. Er wußte, daß der Graf seine Spione verdoppelt hatte, und daß ein Augenblick alles entdecken könnte.

Aus diese Art waren beinahe acht Tage vergangen,[42] und er hatte seine Freundin nicht wieder gesehen. So sehr er litt, so unerträglich ihm die Trennung wurde, er liebte sie zu sehr, um sie aufzuopfern. Aber die Oberstin verkannte ihn, und glaubte vergessen zu sein; sie erfuhr durch Zufall, daß er die Gräfin besucht hatte, und ihre Eifersucht stieg auf's höchste. Außer sich vor Schmerz und Verzweiflung schrieb sie ihm einen Brief voll Vorwürfe, und verschwieg ihm ihren Argwohn nicht.

Er erhielt das Billet, und sprang hitzig auf. – Ich will hin! rief er; ich will hin, und sollte es mein Leben kosten! Weit entfernt, durch ihre Eifersucht beleidigt zu sein, fand er nichts, als ihre Zärtlichkeit bestätigt, und wenn er zürnte, so war es auf sein eigenes Herz.

Aber, wie sollte er es anfangen? Er erinnerte sich an die letzte Verkleidung, und sein Plan war gemacht. Sein Kammerdiener schaffte das Nöthige herbei, und der feinste Kenner hätte ihn für ein Frauenzimmer gehalten. Er steckte zwei Sackpistolen zu sich, setzte sich in seinen Wagen, und fuhr zur Oberstin. Der Kutscher hält, der Kammerdiener nennt eine fremde Dame; sie wird angenommen, und zitternd vor Freude eilt der Baron die Treppe hinan.

4. Kapitel
[43] Viertes Kapitel.
Die Fräulein.

Er tritt herein, und findet den Grafen. Die Oberstin eilte der Dame entgegen; sie bezeigte ihr tausend Höflichkeiten, und erkannte ihn nicht. Aber er drückte ihre Hand, er lächelte sie verstohlen an, und sie errieth alles. Ihr Plan war sogleich gemacht: sie nöthigte die Dame in ein anderes Zimmer, und eilte, den Grafen sobald als möglich zu entfernen. Man denke sich ihr Erstaunen, ihre Freude, und ihre Aengstlichkeit. Man vereinige alle diese Empfindungen zu einer einzigen, und man wird wissen, was in ihrem Herzen vorgieng.

Unterdessen kam der Oberste nach Hause, und gieng gerade in das Seitenzimmer. Er fand die fremde Dame, die seine Frau erwartete, und hielt sich verbunden, sie zu unterhalten. Ihre Figur, ihr Betragen bezauberte ihn. Er hörte, daß sie erst vom Lande gekommen war, und lud sie ein, das große Manöver aus seinem Zelte zu sehen. Der gute alte Mann! Er hielt das für den stärksten Beweis seiner Zärtlichkeit.

Der Baron stand auf Kohlen, spielte aber seine Rolle vortrefflich. Er ließ den alten Obersten [44] von seinen Campagnen erzählen, und machte ihn immer vergnügter. Endlich trat seine Freundin herein; sie hatte den zudringlichen Grafen nur mit Mühe los werden können, und eilte nunmehr, die Fremde zu umarmen. Der alte Oberste bat um Erlaubniß, sich einige Minuten entfernen zu können, und beide Theile waren entzückt darüber.

Die Oberstin wollte zürnen, aber die Küsse ihres Freundes versöhnten sie. Er entschuldigte sich vollkommen, und ihre Liebe glaubte ihm alles. – Vergibst du mir, meine theuerste Julie? – Je n'ai qu'à vous voir – gab sie zur Antwort – et je vous justifie moi-même. Er drückte sie an sein Herz. – Allons! fuhr sie erröthend fort: vous ne favez que trop le moyen de vous faire pardonner. Er wollte ihr den süßesten Beweis davon geben, als der Oberste wieder hereintrat.

5. Kapitel
Fünftes Kapitel.
Ja! Ja! Ja!

Nun, meine Damen! sagte er, und putzte an seinen Ausschlägen – Sie geben mir doch die Ehre, mit mir zu speisen? – Die Fremde [45] machte einige Entschuldigungen, aber er nahm zwei Lichter und führte sie in den Speisesaal. Die Oberstin drückte dem Baron die Hand, und er verstand sie.

Man setzte sich, und der Oberste bot seine ganze Galanterie auf. Tausend kleine Aufmerksamkeiten, tausend zärtliche Namen, wie er sie vor fünfzig Jahren gelernt haben mochte. Die leiden Damen mußten fast unaufhörlich lachen, und er freute sich wie ein Kind darüber.

Jede Bouteille schien seine Zärtlichkeit von neuem zu begeistern. – Ja wenn ich nicht verheirathet wäre! sagte er zu dem angeblichen Fräulein, und drückte ihre beide Hände – Hol mich! – Nun bei der Bataille von Schweidnitz! – Ja, ja! – Marsch – Vorwärts! – Wie wir die Batterie wegnahmen! – dann – Er ist Hauptmann! sagte der König. – Sie sind doch ein allerliebstes charmantes Mädchen! – Man sahe, daß der gute Wein seine Wirkung that.

Die Oberstin war listig genug, den Spaß noch fort zusetzen. Lassen Sie nur, mon cher! sagte sie: ich gebe Ihnen meine Erlaubniß! Ich will ihre Vertraute werden! Aber ich fürchte, Sie dürften in kurzem einen Rival bekommen.

Einen Rival? fiel der Oberste wüthend ein, und schlug das Weinglas in Stücken. – Einen [46] Rival? – Dem soll das Donnerwetter in den Magen fahren! – Wen meinen Sie? Wen?

Der Graf mon cher! – Sie wissen ja – Er ist den Augenblick – Mais tranquillisez vous! – Fräulein Lottchen thut mir's zu Gefallen! Nicht war? – und als seine treue Confidente!

Ja! Ja! Ja! stammelte er, und die Angen fingen ihm an zuzufallen. Man stand auf; das Fräulein wollte Abschied nehmen, um in die Auberge zurück zu kehren; aber der Oberste nöthigte sie, in seinem Hause zu bleiben. Er begleitete sie selbst in das Cabinet seiner Frau und die Liebenden waren allein. Gebe das Glück uns heute und morgen eine ähnliche Nacht! Das ist alles, was ich davon sagen kann.

6. Kapitel
Sechstes Kapitel.
Hahaha!

Es war um neun Uhr Morgens. Der Graf wollte seine Bewerbungen von neuem anfangen! er geht ungenirt durch mehrere Zimmer, und findet das Cabinet verschlossen. Ein leises Geflüster macht ihn aufmerksam; er horcht, und [47] erkennt die Stimme des Barons. Seine Phantasie zeigt ihm alles, und er geräth außer sich.

In seiner ersten Wuth wollte er die Thüre einbrechen, aber sie war zu stark, und diese Gewaltthätigkeit hätte ihn verrathen können. Er beschloß also zu warten, als er zu seiner großen Freude den Obersten kommen sahe.

Was der Henker, Herr Graf! rief ihm dieser zu: ich glaube, Sie stehen gar Schildwache bei meiner Frau! – Ist sie drein? – Was macht sie denn?

Lassen Sie nur die Thüre aufschließen, dann werden Sie's schon sehen! – gab der Graf ironisch zur Antwort.

Mach auf, Frauchen! Mach auf! rief Der Oberste: Es ist der Herr Graf! – Die Oberstin entschuldigt sich, sie sei beschäftigt. – Nun so hören Sie's! fuhr der Oberste fort: die Weiber haben manchmal etwas zu thun, hahaha! – Nicht wahr?

Ja freilich haben sie etwas zu thun, antwortete der Graf in seinem vorigen Tone! und wo sie einen Mann dazu brauchen! Lassen Sie nur die Thüre aufmachen, Sie werden schon sehen – Sie hat sich einen guten Gehülfen gewählt.

Hahaha! rief der Oberste und wollte vor Lachen bersten. Ist's weiter nichts? – Nun [48] lassen Sie sie nur beisammen, sie werden uns beiden keinen Schaden thun.

Der Graf (ernsthaft): Aber lieber Oberster, lassen Sie sich keine Nase drehen! Wissen Sie auch gewiß, wer's ist?

Der Oberste: Warum den nicht? – Warum denn nicht? – Ich habe ihn ja selbst hineingelassen!

Der Graf sah ihn an, und schüttelte den Kopf. – Nun das muß ich sagen – Für einen Mann von Ehre –

Der Oberste: Immer zu! Immer zu! Aber Sie kriegen ihn darum doch nicht zu sehen.

Der Graf: Nun wenn Sie es nicht besser haben wollen – Glück zu! – Ich gratulire!

Der Oberste: Gehorsamer Diener! Danke für's gütige Andenken!

Der Graf empfahl sich, und traute seinen Ohren nicht. – Der Mann ist der Helfershelfer! sagte er zu sich selbst: kann man die Niederträchtigkeit weiter treiben?

7. Kapitel
Siebentes Kapitel.
Wie verstehen Sie das?

Der Feind hat retirirt! rief der Oberste lachend! macht auf, ihr Taubchen! – Man kann [49] denken, ob die beiden Damen in Angst gewesen waren; sie zitterten noch, als er hineintrat.

Es ist ein abscheulicher Patron! fuhr er fort: kaum hat er Lunte gerochen, so will er auch gleich in den Laufgraben. – Sie mußten sich nun den ganzen Vorfall noch einmal erzählen lassen, und er schien äußerst vergnügt zu sein.

Die Comödie hätte noch länger gedauert, aber der Baron sah die Verlegenheit der Oberstin, und beschloß, Abschied zu nehmen. – Warten Sie, Warten Sie! rief Der Oberste: ich werde die Ehre haben, Sie zu begleiten. – Die Damen hatten alle ihre Klugheit nöthig, ihn davon abzubringen. Lange bestand er darauf; doch da ihm das Fräulein versprach, den Nachmittag wieder zu kommen, ließ er sich's endlich gefallen.

Der Baron eilte nach Hause, denn er hatte Erholung nöthig; aber die Oberstin konnte sich nicht enthalten, ihm zu schreiben. Sie ließ das Billet durch ihren Jokey bestellen, und es ward richtig in seinem Hause abgegeben. Wer mag die Schreibekunst erfunden haben? Gewiß ein zärtliches Weib!

Der Oberste hatte vergebens auf das Fräulein gewartet. Endlich beschloß er, sie auf der Promenade zu suchen. – Nun Herr Oberster! rief [50] der Graf, und kam mit lautem Gelächter auf ihn zu. Was macht denn unser Pastor fido?

Der Oberste: Was für ein Pastor fido?

Der Graf: Der mit dem Lämmchen im Cabinete.

Der Oberste: Er wird's wohl auf die Weide führen.

Der Graf: Das glaub' ich! das glaub' ich! Und tränken obendrein!

In diesem Tone gieng es eine ziemliche Weile fort. Beide glaubten, sich über einander lustig zu machen, und keiner schien den andern zu verstehen. – Aber Herr Oberster! fieng endlich der Graf auf einmal ernsthaft an: ich bedaure Sie aufrichtig! – Doch wer kann für die Thorheit seiner Frau! – Wo wäre ein Mann, der nicht darüber zu klagen hätte?

Wie verstehen Sie das, Herr Graf? sagte der Oberste eben so ernsthaft.

8. Kapitel
Achtes Kapitel.
Gut! Gut! Gut!

Ich meine, daß – Sie wissen doch die Fabel vom Wolf im Schafskleide? Wenn er sich in die Cabineter zu den Lämmchen schleicht. – Sehn Sie sich ja vor!

[51] Der Oberste: Sie scheinen das schon erfahren zu haben: aber Sie können sich Ihren Trost ersparen. Es war kein Wolf im Cabinete. Sie werden wohl wieder geträumt haben, wie neulich von dem Diebe.

Der Graf: Und ich versichere Ihnen: es hat mit dem Diebe und mit dem Wolfe seine vollkommene Richtigkeit.

Der Oberste: Aber Herr Graf: Das Cabinet ist doch nicht groß, und meine Augen sind, Gott sei Dank –

Der Graf: Das glaub' ich! Aber ich habe Ihnen ja gesagt: es ist ein Spitzbube, der alle Gestalten annehmen kann, und wenn Sie ihn selbst mit Ihrer Frau einschließen!

Der Oberste: Hahaha! Hahaha! Ist das der Dieb? Ist das der Dieb? – Nun der mag immer zu mir kommen! – Ja! Ja! Ja! – Der kann auch bei meiner Frau schlafen, ich erlaub' es ihm. – Aber im Ernst, Herr Graf! Wie können Sie sich solches Zeug einbilden? – Der Spitzbube ist ja ein charmantes Mädchen!

Der Graf: Ein Mädchen? (aus vollem Halse lachend) Seit wenn ist denn Baron Solting verwandelt worden?

Der Oberste: Baron Solting? – Ich glaube. Sie haben den Verstand verloren? – [52] Baron Solting bei meiner Frau? – Als ob ich den nicht kennte! – Baron Solting? – Gehen Sie weg, ich bin ein alter Praktikus, ich weiß ja wohl, wie ein Mädchen aussieht.

Der Graf: Und dennoch sage ich Ihnen: Baron Solting, war im Cabinete; Baron Solting war der Spitzbube, und Baron Solting ist der Loup-garou, der – Wie stets denn um Ihre Stirne, lieber Oberster?

Der Oberste: Was? Was? – Sie wollen meine Frau verläumden? – Ich sehe es schon, Sie sind jaloux; Sie wollen mein Rival bei dem Fräulein werden: aber es wird nichts. Auf meine Frau lasse ich nichts kommen! C'est ma confidente!

Der Graf: Et vous n'êtes pas son confident! Aber Sie wollen Beweise – Hier ist ein Billet von Ihrer Frau. – Mein Kammerdiener war bei Solting, und der Jokey hat ihn wahrscheinlich mit Jemand vom Hause verwechselt.

Wirklich war es dem Grafen auf diese Art in die Hände gefallen, da es einer seiner Spione dem Jokey selbst abgenommen hatte.

Der Oberste las es. – Gut! Gut! Gut! sagte er lachend: dergleichen Briefe mag sie immer kriegen! Jetzt sehe ich erst, daß sie mich lieb [53] hat. – Gutes Weib! Was sie für mein Vergnügen sorgt!

Der Graf sah ihn mit unbeschreiblicher Verachtung an, und beide trennten sich.

9. Kapitel
Neuntes Kapitel.
Basta! Basta!

Sag einmal, Kind! rief der Oberste seiner Frau auf der Treppe entgegen: hast du heute an jemand geschrieben? – Die Oberstin erschrack, und hätte sich beinahe verrathen – Wie so gnädiger Herr?

Der Oberste: Der windigte Graf! – Nicht wahr, du hast an das Fräulein geschrieben?

Ach ja, gnädiger Herr! rief die Oberstin freudig: ich bat sie in Ihrem Namen, so bald als möglich herzukommen.

Der Oberste: Allerliebst, ma petite reine! Ich danke dir tausendmal! – Ich sehe, daß du's gut mit mir meinst! – Aber der Windbeutel, der Graf! – Denke, was er mir weiß machen wollte – als ob du mit dem Baron Solting. –

Wie? rief die Oberstin in äußerster Wuth: und Sie lassen sich das gefallen, gnädiger Herr? – Mich so beschimpfen! – Meine Ehre! – [54] Meinen guten Namen! – Ach! – indem sie heftig zu weinen anfieng.

Der Oberste: Nicht doch! Nicht doch! – Ich habe ihm nicht ein Wort geglaubt! – Ich habe ihm in's Gesicht gelacht! Wenn du nur gehört hättest, wie ich ihm geantwortet habe.

Die Oberstin spielte ihre Rolle vortrefflich. – Ach der niederträchtige Mensch! fuhr sie weinend fort: Sie wissen noch gar nicht, gnädiger Herr, wie weit er seine Bosheit treibt! – Es ist ihm nicht genug, mich zu verläumden; nein, Solting soll sogar der erklärte Amant seiner Frau sein!

Was? Was? rief der Oberste lachend: der Amant von der Gräfin? – Baron Solting? – Das ist ja allerliebst! – Warte, Warte, Herr Graf! Du hast den Wolf im Schafstalle!

Die Oberstin: Um es Ihnen zu beweisen, gnädiger Herr! Da lesen Sie, was die Gräfin an Solting geschrieben hat.

Sie gab ihm ein Billet doux, das ihr Solting aufgeopfert hatte, und das allerdings verdächtig genug war. Der Oberste las es mit lautem Lachen. – Basta! Basta! – Nun laß es gut sein! – Der soll Augen machen! – Warte, Herr Graf, wir wollen dich ehrliche Weiber verläumden lehren!

[55] Züchtigen Sie ihn, wie er es verdient, gnädiger Herr! sagte die Oberstin ein wenig erheitert: wenn ich Sie nicht so zärtlich liebte, ich stürbe vor Gram, mich so beschimpft zu sehen.

Er eilte fort, und die Oberstin klopfte in die Hände. – O Eva, Eva, was hast du für listige Töchter!

10. Kapitel
Zehntes Kapitel.
Hier steht's'

Der Oberste trat zu dem Grafen hinein. – Es geht doch possirlich in der Welt zu! sagte er: der Baron muß den Teufel im Leibe haben! – Da haben Sie ein Billet von meiner Frau, und da habe ich auch eins von Ihrer gefunden.

So? sagte der Graf gleichgültig: lassen Sie doch sehen!

Der Oberste (mit Schadenfreude): Hier, hier,Monsieur le Comte! Lisez, lisez! Hier steht's! Hier steht's!

Der Graf überlief es flüchtig, und steckte es kaltblütig in die Tasche.

Der Oberste: Nun, wer hat den Wolf? He! Wer hat ihn nun im Schafstalle? Ich oder Sie?

[56] Der Graf: Vermuthlich wir alle beide.

Der Oberste: Was? Das müßte denn wohl auch in meinem Briefe stehn (einen zärtlichen Weiberton nachahmend): je meurs d'envie de te revoir! Venez cette nuit plus amoureux que jamais! He! das klingt! – Ich gratulire, ich gratulire zum Orden vom Steinbock!

Der Graf: Briefe machen keinen Unterschied. Der Styl ist anders, aber das Uebrige kömmt auf eins hinaus.

Der Oberste: Das Uebrige? – Wie verstehen Sie das?

Der Graf: Ich meine die Courtoisie. – Aber wissen Sie was, Herr Oberster! – Um Sie noch mehr zu überzeugen – Wenn Sie mir versprechen, es Ihrer Frau zu verschweigen, Sie sollen Zeichen und Wunder sehen!

Der Oberste: Was? Was? – Wunder?

Der Graf: Ja, ja! Sie sollen mir endlich glauben, wenn Ihnen der Himmel Ihr Gesicht erhält.

Der Oberste: Nun bloß um Ihre Malice anzudecken, Herr Graf! – Gut, ich gehe es ein! – Meine Frau soll kein Wort davon erfahren. Bis dahin bleiben wir gute Freunde.

Sie schweigen. – Wohlan! sagte der Graf: ich will mich schrecklich rächen!

11. Kapitel
[57] Eilftes Kapitel.
Voyez vous!

Sein Plan war gemacht er verdoppelte seine Spione, und ließ den Baron auf allen Schritten bewachen. Die Oberstin wußte es, aber was wagt die Liebe nicht? Man wählte einen dritten Ort, um sich zu sehen, und der Graf erfuhr alles.

Die Nacht brach an; er hatte seine Spione postirt; es war der Garten des Prinzen. Man sieht einen Herrn, und gleich nachher auch eine Dame eingehen. Der Graf schleicht mit dem Obersten nach, und alle Thüren werden verschlossen.

Nun, lieber Oberste! sagte er triumphirend: jetzt werden Sie mir endlich glauben.

Wir wollen sehen! gab der Oberste unwillkürlich zur Antwort.

Der Graf: Nur eins muß ich Sie bitten: werden Sie nicht hitzig; vergreifen Sie sich nicht an Ihrer Frau! Lassen sie alles dem schändlichen Verführer entgelten!

Der Oberste: Wer der Henker mag sich in solchen Augenblicken besinnen! Aber sagen Sie mir, was würden Sie thun?

[58] Der Graf: Ich würde ihn niederstoßen!

Der Oberste: Und die Frau?

Der Graf: Ich würde sie ein Jahr lang einschließen lassen, und nachher ihren Eltern zurück schicken. – Machen Sie's eben so!

Der Oberste: Gut! gut! Aber ich denke, ich werde es nicht nöthig haben; es wird am Ende doch nur eine Comödie sein.

Der Graf: Glauben Sie's nicht, lieber Oberster! Sie werden mit Händen greifen können.

So sprachen sie heimlich zusammen, und giengen aus einer Allee in die andere. Noch hatten sie nichts gesehen, und der Oberste fieng an, den Grafen auszulachen, als sie hinter einem Bosquet ein kleines Zischeln hörten.

Voyez vous! sagte der Graf, und zog den Obersten bei der Hand. Sie giengen auf den Zehen, und näherten sich, ohne bemerkt zu werden.

12. Kapitel
Zwölftes Kapitel.
Halt! Halt!

Aber theuerster Solting! sagte eine zärtliche Stimme: Sie sprechen nicht?

Hören Sie, Herr Oberster! sagte der Graf, [59] und stieß ihn an den Arm. Der Oberste antwortete nichts.

Nach allem, was ich für Sie gethan habe, fuhr die Stimme fort: nach diesen zärtlichen Beweisen meiner innigsten Liebe, soll ich keine Versicherung von Ihrer Treue erhalten?

Glauben Sie's nun, Herr Oberster? fieng der Graf abermals an: sie spricht von Beweisen!

Reden Sie, Theuerster! fuhr die weibliche Stimme fort: mein Gott! Quel accident! – Solting! liebster Solting! Hat Sie das Vergnügen stumm gemacht?

Alle Wetter! murmelte der Oberste: Laß mich kommen, ich will die Zunge schon lösen!

Man schien aufzustehen. – Um Gotteswillen! sagte die weibliche Stimme: was ist das? – Ich glaube, er hat die Sprache verloren! – Man schien fortzugehen.

Aber in dem Augenblick stürzte der Graf und der Oberste herzu. – Halt! Halt! schrieen beide, und wollten zugreifen. Doch die Mannsperson entsprang, und sie hatten nichts als die Dame.

Ah mon Dieu! Je me meurs! rief eine Stimme, die den Grafen entsetzte. Er zog seine Blendlaterne vor; es war seine Gemahlin.

Hahaha! Hahaha! rief der Oberste, und [60] wollte närrisch werden. – Um Gotteswillen, erhitzen Sie sich nicht! Halten Sie sich an den Liebhaber! Ich bitte, Herr Graf! – Sie armer Mann! – Nun, ich condolire von Herzen!

Der Graf schien vom Donner gerührt zu sein. –Comment Madame? – aber sie war in Ohnmacht gefallen.

Es wird kalt, sagte der Oberste spöttisch: ich recommandire mich, Herr Graf!

13. Kapitel
Dreizehntes Kapitel.
Göttliche Rache!

Aber wahrhaftig, lieber Solting! fuhr die Oberstin fort: das haben Sie allerliebst gemacht – alle beide in den April zu schicken!

Und mein Kammerdiener mit der Gräfin! indem er die Oberstin umarmte.

Die Oberstin: Göttliche Rache! ich glaube, er speit Feuer!

Um dieses zu verstehen, muß ich meinen Lesern sagen, daß jene Abrede zwischen Solting und der Oberstin nichts als eine List gewesen war. Sie wollten den Feind irre führen um sich desto sicherer zu Hause zu sehen. Aus Rache aber gab der Baron der Gräfin das nämliche Rendezvous, [61] und schickte seinen Kammerdiener hin. Dieser spielte seine Rolle vortrefflich, und genoß ihre ganze Zärtlichkeit.

Indessen nun die Herren im Garten waren, kam Solting ungestört zur Oberstin, und nutzte seine Zeit vollkommen. Die List, die Rache schienen unerschöpflich zu sein. Eben wollten sie ihre Beweise von neuem anfangen, als die Vertraute die Ankunft des Obersten meldete.

Was war zu thun? Solting wollte sich im Kamin verbergen, aber die Oberstin bat ihn, unbesorgt zu sein. Zwei Worte, und sie hatte ihm seine Rolle gesagt. Er setzte sich ehrerbietig neben sie; die Thüre gieng auf, und der Oberste trat herein.

14. Kapitel
Vierzehntes Kapitel.
Bon!

Guten Abend! Guten Abend! sagte er lachend: das ist ja herrlich, daß ich Sie finde. Teufel! Was können Sie laufen! – Nun, der Spaß ist nicht mit Geld zu bezahlen! Sie haben das allerliebste gemacht, lieber Solting!

Der Baron lachte, und schien alles zu bestätigen.

[62] Denken Sie, fuhr der Oberste fort: wollte der windigte Graf – Nun es freut mich unendlich!

Die Oberstin: Ja lieber Mann! Der Herr Baron kam eben her, um sich zu entschuldigen.

Der Oberste: Comment, mon cher! Das haben Sie gar nicht nöthig! Ich habe keinen Gedanken daran – Ich habe gleich vom Anfang nicht ein Wort geglaubt. Nein, nein, da kenne ich meine Frau besser! – Ja, wenn es die Gräfin wäre! Nicht wahr?

Sie wissen ja mon cher! sagte die Oberstin erröthend, und klopfte ihn auf die Backen.

Bon! sagte er: der Spaß ist eine Flasche Tockaier werth! Bleiben Sie da, Herr Baron, Sie müssen sich stärken! – indem er unmäßig lachte.

Der Baron biß sich in die Lippen, und nahm den Vorschlag an. Man setzte sich zu Tische, und der Oberste feierte seinen Sieg wie gewöhnlich. Er war in kurzem so stark betrunken, daß man ihn bewußtlos zu Bette brachte.

Der Baron nahm Abschied, um durch den Garten wieder zu kommen. Was war billiger? Er konnte das Zutrauen des Obersten nicht besser belohnen.

15. Kapitel
[63] Fünfzehntes Kapitel.
Er oder Ich?

In dem Hause des Grafen gieng es indessen ein wenig stürmischer zu. Er tobte wie ein Rasender, und mißhandelte die Gräfin auf das heftigste.

O Natter! O Verrätherin! rief er einmal über das andere, und schlug sich wüthend an die Stirne.

Die Gräfin war anfangs geduldig, aber zuletzt gab sie ihm seine Vorwürfe doppelt zurück.

Was wüthen Sie? war ihre Antwort: es ist auf Ihren Befehl geschehen! Haben Sie mir nicht tausendmal gesagt –? War ich Ihnen nicht seit Monaten gleichgültig? Zogen Sie mir nicht die Oberstin sichtbar vor? – Ihre Beredsamkeit war nun im Gange, sie übertraf die seinige, und er war froh, ihr entgehen zu können.

Eine schrecklichere Nacht hatte er noch nie gehabt, sein Stolz, seine Liebe, alles war beleidigt! Er beschloß, sich auf's empfindlichste an Solting zu rächen, und schickte ihm den andern Morgen eine Ausforderung zu.

Der Bube! sagte er: der Treulose! Der Verräther! – Mich um beide zu hintergehen, Frau [64] und Geliebte: nein, das ist zu arg! Ich muß mich rächen! Ich muß ihn züchtigen! – Er oder ich! Sein Blut allein kann mich versöhnen.

16. Kapitel
Sechszehntes Kapitel.
Ende gut, alles gut.

Der Baron war den andern Morgen in der Dämmerung nach Hause gekommen, und hatte Ursache genug, sich wieder niederzulegen. Man weckte ihn auf; er las das Cartel, und nahm es ohne Umstände an.

Das Duell sollte den andern Tag vor sich gehen; aber in dem Augenblick erschien die Polizei und arretirte sie. Man sagte ihnen, daß es aus Vorsicht geschehe, und daß sie Caution machen müßten. Wirklich hatte die Oberstin davon Nachricht bekommen, und durch einen ihrer Leute die Anstalten machen lassen.

Das konnte indessen den Grafen nicht hindern, darauf zu bestehen, und der Baron ließ sich nicht lange nöthigen. Sie schlugen sich auf dem Zimmer, und jeder kam mit einer Schramme davon. Gleichwohl war der Graf das Märchen der Stadt geworden, und beschloß, auf seine Güter zu gehen. Die Gräfin wendete sich an [65] ihre Freunde, und es wurde ein Vergleich geschlossen. Sie bezahlte nämlich seine Spielschulden, und er schien die ihrigen zu vergessen.

Der Baron war von nun an ein erklärter Hausfreund des Obersten, und wußte sich dieses Vortheils mit Discretion zu bedienen. Nicht lange darauf schlug dem guten alten Herrn das Podagra in den Magen, und die Oberstin wurde sechs Monate nachher als Frau von Solting getraut.

[66] Die tolle Nacht.

1. Kapitel

Erstes Kapitel.

Da waren wir also, sagte der Graf von Lingen, als sie in dem Dorfe ankamen, wo er die Nacht bleiben wollte. Da wären wir also, sagte er gleichgültig, und stieg aus dem Wagen, ohne sich weiter um seine schöne Gemahlin zu bekümmern. Sie war erst seit einem Jahr an ihn verheirathet, und liebte ihn unaussprechlich; aber sie wäre sehr glücklich gewesen, wenn er sie nur auf diese Art vernachlässigt hätte.

Indessen sie in ihr Zimmer gebracht wurde, war der Graf bereits in der Küche beschäftigt. Er hatte die junge feurige Wirthin allein gefunden, und als ein erklärter Weiberjäger auf sie Jagd gemacht. Das Hühnchen schien Vergnügen daran zu finden, und ließ sich nach wenig Minuten greifen.

Riekchen, so hieß die Wirthin, war erst achtzehn Jahre alt, und ihr Mann war in die [67] Stadt gefahren. Der Graf fand sie gerade in einer kritischen Stunde, und sein Rang, sein Reichthum, seine Figur vollendete den Sieg. Ach wenn Eitelkeit und Sinnlichkeit sich vereinigen, dann hat der böse Feind gewonnenes Spiel.

2. Kapitel

Zweites Kapitel.

Die Präliminarien waren in Kurzem abgeschlossen, und Riekchen gab dem Grafen Erlaubniß, sie diese Nacht zu besuchen. Er ließ sich, der Vorsicht halber, ihre Schlafkammer zeigen, und gieng endlich nach einigen vorläufigen Tändeleien wieder zu seiner Gemahlin.

Das Essen wurde aufgetragen, und man setzte sich zu Tische. Die arme Gräfin war längst gewohnt, ihn mürrisch zu sehen: aber diesen Abend war er außerordentlich lustig. In der Freude ihres Herzens verschwendete sie ihm die zärtlichsten Namen, und schmeichelte sich, wenigstens diese Nacht wieder einmal seine Geliebte zu sein.

Dem Grafen indessen fieng an die Zeit lang zu werden, und er that, als ob er vor Müdigkeit einschliefe. Gräfin Auguste küßte ihn, und bat ihn zärtlich, sich niederzulegen. Die Wirthin [68] kam herauf, um das Bette zu machen; der Graf drückte ihr verstohlen die Hand, und legte sich unverzüglich nieder.

3. Kapitel

Drittes Kapitel.

Es war ein großes zweischläfriges Bette, wie man es auf dem Lande zu finden pflegt. Der Graf streckte sich phlegmatisch neben sein schönes Weibchen, und fieng den Augenblick zu schnarchen an. So wenig sie dieses erwartet hatte, so geduldig mußte sie sich's gefallen lassen. Sie tröstete sich indessen mit seinem baldigen Erwachen, und hoffte ihn nachher desto munterer zu sehen.

Unter diesen süßen Gedanken war sie eingeschlafen, als der Graf leise aus dem Bette schlüpfte. Kaum hatte er sich vor Ungeduld halten können; endlich schien die glückliche Minute gekommen zu sein; es schlug halb zwölf Uhr, und alles war still im Hause. Er nahm seinen Mantel um, öffnete die Thüre ohne Geräusch, ließ sie offen, und schlich auf den Zehen in Riekchens Kammer.

Bist du da, liebes Riekchen? rufte er leise; und in dem Augenblick umarmte sie ihn. Ihre Küsse, ihre Liebkosungen flogen den seinigen entgegen. Er faßt sie an, trägt sie in das Bette, [69] und eilt, ihr tausend schöne Dinge zu sagen. O ihr ohnmächtigen Schwätzer! Ohne diese Beredsamkeit werdet ihr kein Herz rühren.

4. Kapitel

Viertes Kapitel.

Der Graf halte einen Kammerdiener, den er mit aus Frankreich gebracht hatte. Es war ein junger Mensch von der schönsten Figur, die man sehen konnte. Er schlief neben dem Zimmer des Grafen, und mußte jetzt aufstehen, um das kleine Cabinet zu suchen.

Es war finster, er kommt halb schlafend zurück, verwechselte die Zimmer und legt sich ohne Bedenken in das Bette. Gräfin Auguste erwacht, hält ihn für ihren Mann, und rückt traulich an ihn an.

Ach mein Engel, was bist du kalt! sagte sie mit einem Kusse, verschlang ihre Glieder mit den seinigen, und machte ihm die zärtlichsten Liebkosungen. Pleßy, der mit seinem Kameraden in einem Bette geschlafen hatte, lachte im Stillen, und beschloß, den Träumer mit einem derben Schlage aufzuwecken. Aber die sanften weichen Hände der Gräfin überzeugten ihn bald, wo er wäre. Er erschrack, und wußte nicht, was er machen sollte.

[70] Nur einen Kuß, mein süßer Freund! fuhr die Gräfin bittend fort, als er unbeweglich blieb. – WenigstensDas! Hörst du! Ein kleines Küßchen, lieber Mann! – Pleßy war unerbittlich, und hoffte sie verdrießlich zu machen; sie würde dann einschlafen und er unbemerkt fortschleichen können. Aber sie war nun einmal in Feuer gerathen, und ihre Liebkosungen wurden immer dringender.

Man hätte von Marmor sein müssen, um hier zu widerstehen. Diese glühenden Küsse, diese stammelnden Worte, diese wollüstigen Seufzer, diese zärtlichen Angriffe! – Pleßy schmelzte; er war seiner nicht mehr mächtig; er vergaß den Grafen und die ganze Welt.

Ach du tödtest mich, Trauter! rief sie außer sich vor Entzücken, und preßte ihn heftig an ihr Herz. Aber er eilte, sie in's Leben zurück zu bringen, und ihre Seelen vereinigten sich.

5. Kapitel

Fünftes Kapitel.

Der erste Rausch war vorüber; die Gräfin kam ein wenig zu sich selbst, und schien verwundert zu sein. Diese Lebhaftigkeit, diese Fülle, dieses Uebermaß von Zärtlichkeit war ihr unerwartet. [71] Das ungewöhnliche Stillschweigen, eine kleine Verschiedenheit gewisser Formen, eine kleine Veränderung in der Manier, alles gab ihr einigen Verdacht.

Pleßy war indessen in Todesangst. Er zitterte vor dem Ausgang, und wagte sich doch nicht zu entdecken. Wenn der Graf jetzt käme! – Wenn die Gräfin ihn morgen – – Tausend schreckliche Besorgnisse, tausend gräßliche Ideen!

Einige Minuten hatte er so zugebracht, endlich ermannte er sich. – Liebes Hannchen! sagte er, als ob es das Kammermädchen der Gräfin wäre – Jetzt weiß ich doch, daß du mich liebst! Mag der gnädige Herr dir's auch verbieten: was hat er darnach zu fragen?

Die Gräfin erstarrte. – Aber du sagst mir nichts, mein liebes Kind! fuhr er liebkosend fort: denkst du, daß der Graf? – Ach der ist weit von hier, der ist drüben bei der jungen Wirthin.

Kaum hatte die Gräfin das gehört, als ihr leichter um's Herz wurde. Ihr Mann war ihr ungetreu, der Himmel hatte ihn selbst bestraft. – Wodurch man sündigt! – Dieses Sprüchwort tröstete sie. Das Geschehene war nicht ihre [72] Schuld, Ihr Genuß war rechtmäßig gewesen; sie hatte sich keinen Vorwurf zu machen.

Freund! sagte sie sanft und leise: nimm diesen Ohrring, und morgen wirst du mich erkennen. Sei verschwiegen, und dein Glück soll gemacht sein.

Pleßy küßte sie noch einmal auf Mund und Busen, ohne daß sie es ihm verweigerte, und schlich unbemerkt in seine Kammer.

6. Kapitel

Sechstes Kapitel.

Der Graf hatte indessen in Riekchens Armen zwei süße Stunden zugebracht, als man auf einmal heftig an die Thüre klopfte. Beide lagen in jener süßen Ermattung, die dem Vergnügen zu folgen pflegt, und man kann denken, wie sie erschracken.

Wer ist da? rief Riekchen zitternd.

Ich! antwortete eine barsche Stimme.

Wer ich?

Dein Mann! (mit einem kräftigen Fluche) Kennst du mich nicht?

Riekchen war mehr todt als lebendig; dennoch wußte sie Rath zu schaffen. Der Graf [73] mußte unter das Bette kriechen, und sie machte endlich die Thüre auf.

Der Mann hatte ein Licht in der Hand, und setzte es auf den Tisch. – Du hast ja einen Schlaf wie ein Ochse! sagte er mürrisch, und fieng an, sich auszuziehen. Indessen sahe er den Mantel des Grafen liegen. – Was Teufel! Frau, was ist das für ein Mantel?

Was? rief sie ohne verlegen zu sein: der tausend! Wenn mir das jemand anders gethan hätte! – Daß dich! – Ich vergesse auch alles!

Der Mann nahm sie bei dem Ohre. – Heda! Was ist das für ein Mantel? sage Ich:

Warte nur, ich will dir alles sagen, indem sie die Thüre öffnete, als ob sie sich vor den Horchern fürchtete. – Besinnst du dich noch auf den Herrn von Berlin?

Er: Was für ein Herr?

Sie: Der lange, der vor ungefähr acht Tagen hier durchkam – Mit dem Schweißfuchse – Er hatte so einen langen Schwanz – Weiht du's denn nicht mehr?

Er: Ich kann mich nicht besinnen.

Sie: Mein Gott! In dem blauen Ueberrocke, und mit der Habichtsnase?

Er: – Das wüßte ich nicht.

Sie: Ueber den – Weißt du denn nicht [74] mehr? – Er hatte so einen großen Pudel bei sich.

Er: Ach der! Ja ja, jetzt fällt mir's ein; er wollte Wein haben.

Sie: Freilich! Und du hattest noch keinen fertig.

Er: Nun?

Sie: Der kam heute Mittag wieder durch, und da hat er den Mantel da gelassen.

Er: Nun, von mir mag er ihn nicht wieder fordern; warum giebt er nicht auf seine Sachen Achtung! Laß doch einmal sehen, was dran ist. – Sackerlot, was für ein prächtiges Tuch! Der ist seine zwanzig Thaler unter Brüdern werth!

Der Graf fand die List vortrefflich, aber seine Lage wurde dadurch nicht besser. Im bloßen Hemde auf den Ziegelsteinen zu liegen, war nun freilich ein wenig hart. Mit Vergnügen hätte er noch einen Mantel dazu gegeben, um nur fort zu kommen.

7. Kapitel

Siebentes Kapitel.

Riekchen hatte sich indessen wieder in das Bett gelegt, und der Mann wollte ihr folgen. – [75] Aber zum Teufel! sagte er: ich muß wahrhaftig erst was essen. – Herrlich, herrlich! dachte das Weibchen. Unten im Schranke, fuhr sie fort, steht noch ein halbes Rebhuhn von der fremden Herrschaft.

Er: Im kleinen Speiseschrank?

Sie: Ja, liebes Männchen! Wenn du dir's holen willst – Aber schließ ja wieder zu, der Kater kommt sonst darüber.

Der Mann wollte nun seine Schuhe wieder anziehen und hinunter gehen. Da aber der eine unter das Bett gekommen war, nahm er das Licht ihn zu suchen. Riekchen sahe es, und sprang mit gleichen Füßen heraus. – Ist das nicht ein Elend! sagte sie hitzig, und riß ihm das Licht aus der Hand. – Was soll er denn unter dem Bette machen?

Ih so lauf doch nicht barfuß! rief der Mann: wenn du nachher die Colik kriegst! – In dem Augenblick that sie, als ob sie über den Stuhl fiel, und das Licht war ausgelöscht.

Nun der Donner und der Hagel! rief der Mann: Was machst du denn für dummes Zeug? Brichst dir noch das Genicke! Riekchen! Riekchen!

Das gute Weibchen hatte indessen ihre Hand unter das Bette gesteckt, und einen Gegenstand gefaßt, der sie wie ein Magnet anzog. – Der [76] verdammte Schuh! sagte sie endlich seufzend: nun mache nur, daß du wieder kommst!

8. Kapitel

Achtes Kapitel.

Der Mann tappte die Treppe hinunter. – Geschwinde, geschwinde! rief Riekchen, und half dem Grafen unter dem Bette hervor. Ein Kuß, eine Umarmung, und sie schob ihn eilend zur Thüre hinaus.

Indessen kam der Mann in die Küche, und schlug sich Licht an. Er machte den Speiseschrank auf – kein Rebhuhn zu sehen noch zu hören. – Warte, infame Bestie! rief er wüthend, und warf seinen Schuh nach dem unschuldigen Kater, der auf dem Heerde saß. Das Thier wollte sich retten, und riß zugleich ein halbes Dutzend Töpfe herunter.

Riekchen hörte den Lärm, und fieng an zu schmälen. – Was machst du nun einmal wieder, du dummer Tölpel! Das ist wahr, nichts als Unglück! Bei dir kann man zu etwas kommen!

Ich hab's der Lise nun schon tausendmal gesagt! rief er ihr auf dem Gange entgegen. Aber das Licht brannte ab, und in dem Augenblick rannte er an den Grafen an.

[77] Wer da? – Keine Antwort. – Wer da? Ins drei Teufels Namen! – Der Graf schwieg abermals. – Wer da? sag ich! indem er ihn um den Leib faßte. – Was will er hier? Was will der Kerl? – Er hatte seinen Schuh noch in der Hand, und fieng an, derb damit loszuschlagen.

Nur mit Mühe gelang es dem Grafen, sich loszumachen. Er springt fort, und kommt in das Stübchen des Kammerdieners.

9. Kapitel

Neuntes Kapitel.

Pleßy! Pleßy! rief er und schüttelte ihn. Pleßy fuhr erschrocken auf, und glaubte alles verrathen. – Ach gnädiger Herr! Um Gotteswillen! –

Der Graf: Was fehlt dir? Was willst du?

Pleßy: Ach, es war nicht mit Vorsatz!

Der Graf: Was denn? Ich verstehe dich nicht.

Pleßy: Ach Gnade! Gnade! – Erbarmen! Erbarmen! – Bringen Sie mich nicht um!

Der Graf: Kerl, so ermuntere dich doch! indem er ihn bei der Nase faßte. – Du mußt mir ein weißes Hemd geben!

[78] Pleßy war jetzt beruhigt. – Ja ja, gnädiger Herr! sagte er nach einer kleinen Pause: augenblicklich! Ich hatte nur so einen bösen Traum.

Der Graf zog das Hemde an, und schlich sich äußerst ermüdet zu seiner Gemahlin hinüber. Sie war eben eingeschlummert, nachdem sie tausendmal bereut hatte, den glücklichen Zufall nicht noch länger benutzt zu haben. – Bist du's wieder? sagte sie zärtlich, als sie der Graf beim Einsteigen aufweckte. – Ich bin's! gab er trocken zur Antwort, und sie zitterte, sich verrathen zu haben. – Welcher Unterschied! dachte sie seufzend, und drehte ihm den Rücken zu. – Welcher Unterschied! dachte Riekchen, als ihr Mann neben ihr lag.

Die armen Weiberchen! Sie hatten beide Recht; aber die Genie's sind verschieden.

10. Kapitel

Zehntes Kapitel.

Die Gräfin hatte ein Kammermädchen, das neben ihr schlief, und nicht weit davon war ein Offizier logirt, so daß alle diese Zimmer in einer Reihe waren. Das Kammermädchen und der Offizier hatten sich verständigt, und er wollte [79] jetzt zu ihr gehen, um die Sache vollends in's Reine zu bringen.

Er tritt in ein Zimmer, und hört zwei Personen athmen. Er horcht. – Sollte sie mich betrogen haben? – Langsam schlich er zum Bette, streckte seine Hand aus, und faßte der Gräfin ihre.

Um Gotteswillen! sagte sie leise, und drückte sie an sich. – Mein Gemahl! – Der Offizier merkte die Verwechselung, beschloß aber sie zu benutzen. Ohne ein Wort zu sagen, nahm er sie in seine Arme; seine Küsse bedeckten ihren Busen; umschlang sie, und trug sie in das nächste Zimmer.

Aber lieber Junge! sagte sie zärtlich und zitternd: was willst du machen? – Ohne zu sprechen, wußte er ihre Frage im Augenblick zu beantworten, und ihre süßen Träume waren erfüllt. O wie innig drückte sie ihn an ihren Busen! Wie viel zärtliche Namen! Wie viel glühende Küsse! Welcher Unterschied!

11. Kapitel

Eilftes Kapitel.

Indessen hatte das Kammermädchen wenige Minuten nachher ihr Bette verlassen, um den [80] Offizier selbst zu besuchen. Die Schönen sind in solchen Augenblicken sehr ungeduldig, und glauben, die Gelegenheit bei den Haaren fassen zu müssen.

Sie verließ ihr Zimmer, und tappte sich glücklich in das seinige. Allein sie fand die Thüre verschlossen, denn ihr Platz war besetzt. – Welcher Irrthum! dachte sie: bald hätte ich die Herrschaft aufgeweckt! – wenige Schritte, und sie war in dem Zimmer des Grafen.

Sie fand das Bette, legte sich unbemerkt neben ihn, und erweckte ihn durch Liebkosungen. Er hielt sie anfangs für die Gräfin, aber ihr stärkerer Gliederbein erinnerte ihn an Riekchen. – Sie ist es! dachte er, und schloß sie mit Entzücken in seine Arme. – Wie schön, rief er: daß du mich allein findest! Geschwinde die Thüre zu! Madame kann auf dem Gange logiren.

Das Mädchen war zu weit gegangen, um wieder zurück zu können, auch hatte sie wahrlich keine Lust dazu. – Mir zu gefallen! dachte sie: es soll sich nun einmal so schicken. – Ohne ein Wort zu sagen, ließ sie den Grafen seine Rolle spielen, und fand den trefflichsten Acteur in ihm.

Allein am Ende verließ ihn die Sprache, und er mußte auf einmal abtreten. Freilich hätte [81] sie noch ein bischen zuhören mögen; aber wer konnte es ändern? Er hatte bereits die halbe Nacht gesprochen. Sie ließ ihn schlafen, und dachte darauf, sich fortzuschleichen; aber es war unmöglich, die Thüre aufzumachen.

12. Kapitel

Zwölftes Kapitel.

Indessen lag Rickchen im Bette, ohne ein Auge zuzuthun. Sie hatte entsetzlichen Durst, und konnte sich vor Hitze nicht lassen. Der böse Graf! Seine Arznei hatte sie nur noch kränker gemacht; es half nichts, sie mußte aufstehen, und zu ihm gehen.

Gesagt, gethan! Sie schlüpfte unbemerkt zum Bette heraus, schlich auf den Gang, und stößt an jemand an. Eine Mannsperson im Hemde von der Größe des Grafen. Er muß es selbst sein. – Ach, seufzte sie leise, und drückte ihn heftig an sich – Ich sterbe noch!

Pleßy, denn er war es selbst, antwortete nichts, aber es gieng ihm eben so. Die Gräfin hatte sein Blut in Wallung gesetzt; die Wirthin sollte es abkühlen. Er erwiederte ihre Liebkosungen mit Feuer, fand die Stube des Kammermädchens offen, und führte sie hinein.

[82] Sie war zu sehr mit ihrem Entzücken beschäftigt, um ihn zu erkennen; beide Theile sprachen nur durch Küsse. Allein der beste Virtuos ermüdet; Pleßy schlief ein, und Riekchen war zu müde, um lange zu wachen.

So haben wir also den Grafen mit dem Kammermädchen, die Gräfin mit dem Offizier, Riekchen mit dem Kammerdiener verlassen. Alle sind eingeschlafen, und alle vollkommen zufrieden.

13. Kapitel

Dreizehntes Kapitel.

Der Tag brach an; die Gräfin erwachte. Man urtheile von ihrem Entsetzen, als sie den Offizier neben sich sahe. Zum Glück schlief er fest, und sie entschloß sich kurz. Aus dem Bette springen, das Zimmer verlassen, war im Augenblicke geschehen.

Sie trat in das Ihrige. Ihr Gemahl hatte so eben das Kammermädchen erkannt. – Eh bien Monsieur! sagte sie lächelnd: comment avez vous passé la nuit? Der Graf antwortete nichts und küßte ihr die Hand.

Wir müssen bezaubert sein! sagte er endlich, und das Kammermädchen verkroch sich unter die Decke. – Wo haben Sie denn geschlafen, Madam? – Auf einem Stuhle in der Unterstube! [83] gab sie erröthend zur Antwort: je suis trop indulgente pour troubler vos plaisirs.

Ihre eigenes Abentheuer machten sie nachsichtig. – Allons Lisette! fuhr sie fort, als sie die Angst des armen Mädchens bemerkte: lever vous, et bouche otose! indem sie ihr mit dem Finger drohte.

Lisette gieng fort, aber ihre Stube war verschlossen. Ihr Geräusch machte die Schlafenden aufmerksam, denn die Thüre gieng bald nachher auf. Sie drehte sich um, und die Wirthin sprang schnell über den Gang; gleich darauf kam auch Pleßy. Sie thaten nicht, als ob sie sich sahen, aber sie mußten beide lachen.

Die Gräfin hütete sich wohl, ihren Ohrring zurück zu fordern, und fand bald Gelegenheit, den zweiten dazu zu geben. Der Graf ließ seinen Mantel mit Freuden im Stiche, und nahm seine Prügel geduldig hin.

Die Nacht hatte alles in's Gleiche gebracht. Er war bestraft, wodurch er gesündigt hatte. Zwei Ehemänner hatten doppelte Kronen empfangen; drei arme Täubchen waren erquickt worden, und drei Tauber hatten ihre Lust gebüßt. Laßt es nur gut sein, lieber Leser! Das Schicksal weiß alles in's Gleiche zu bringen.

[84] Der Storch.

1. Kapitel

Erstes Kapitel.

Was? sagte der Hauptmann R–: ein junges Weibchen und ein alter Mann, das müßte doch vom Teufel sein! – Es war die Frau eines Seilers in der Nachbarschaft, der er schon lange zu Gefallen gegangen war. – Nein, nein! fuhr er fort: es muß gehen; es muß, hol mich der Teufel! gehen.

Seid einer Frau gut, sie wird's von selbst gewahr werden. Auch die schöne Seilerin hatte den Hauptmann längst bemerkt. Er war jung und schön; sie fieng an, ihn zu lieben, und beschloß, dankbar zu sein.

Eines Abends sah er den Mann allein ausgehen und das schöne Weibchen gleich darauf an der Thüre erscheinen. – Fort, fort! sagte er zu sich selbst: jetzt müssen wir eine Approche machen!

2. Kapitel

[85] Zweites Kapitel.

Schönen guten Abend! sagte er freundlich und machte ihr ein tiefes Kompliment. – Immer so fleißig? Die hübschen Weiberchen haben doch alle Tugenden!

Sie: Gehorsame Dienerin, mein Herr Hauptmann! Sie belieben zu spassen.

Er: Wahrhaftig nicht, mein schönes Weibchen! Es ist mein völliger Ernst. Ach wollte der Himmel, es wäre mit meiner Krankheit Spaß.

Sie: Krankheit? Sie, Herr Hauptmann? Ih, Sie blühen ja wie eine Rose!

Er: Aber es sitzt innerlich bei mir.

Sie: Mein Himmel! Was fehlt Ihnen denn?

Er: Ach, ich sterbe noch vor Liebe!

Sie: Vor Liebe? Daß Gott erbarm'!

Er: Ja, bei dem ist mehr Erhörung, als bei den schönen Weiberchen.

Sie (verlegen): Was meinen Sie, Herr Hauptmann? Ich habe Sie nicht verstanden.

Er: Nun, sag' ich's Ihnen: ich bin Ihnen so gut, daß es mir noch das Leben kosten wird.

Sie (freudig): Mir? Ach Sie sind gar zu gütig!

Er: Ja Ihnen! Ihnen, liebes Weibchen! [86] Sehen Sie, ob Sie's nun wissen? Aber nun sagen Sie mir auch –

Sie: Was denn?

Er: Ob Sie mir gut sind?

Sie: Wie soll ich's Ihnen denn sagen?

Er: Wissen Sie was? Geben Sie mir ein Zeichen.

Sie: Was denn für ein Zeichen?

Er: Ach, Sie werden es schon wissen, liebes Weibchen! Ich brauche es Ihnen nicht zu sagen.

Sie: Nein, lieber Herr Hauptmann! Ich weiß es wirklich nicht, wenn Sie mir's nicht sagen.

3. Kapitel

Drittes Kapitel.

Sie schlug die Augen nieder, und der Hauptmann drehte seinen Hut hin und her. – Ich wollte es Ihnen wohl sagen, fuhr er fort, aber Sie müssen es nicht übel nehmen.

Sie: Nein, wenn ich kann, so will ich's gewiß nicht übel nehmen.

Er (heimlich): Machen Sie mich zu Ihrem Freunde.

Sie (lächelnd): Nun das konnten Sie ja laut sagen.

[87] Er: Aber –

Sie: Nun?

Er (heimlich und bedeutend, indem er sie küßte): Der kleine Freund hat auch eine Bitte.

Sie: Und was fehlt ihm denn?

Er: Ein Zimmerchen, wo er logiren kann.

Sie (lächelnd): Und das soll ich ihm geben?

Er (immerfort küssend, wovon man aber keine Notiz nehmen will): Sie haben ja so ein kleines, niedliches, allerliebstes –

Sie: Nun, weil Sie so schon bitten können: ich will sehen, was ich thun kann. Sagen Sie ihm nur, er soll wieder zufragen: heute geht's nicht, denn der Alte kommt wieder: aber morgen Vormittag.

Er: Liebes englisches Weibchen! Der arme kleine Freund wird ganz außer sich sein; er wird Decken hoch springen, wenn ich's ihm sage.

Sie: Er soll sich nur keinen Schaden thun, hören Sie! – Nun morgen punkt zehne.

Der Hauptmann war entzückt. – Wir haben Posto gefaßt! rief er: und morgen wollen wir's Defilee passiren.

Die schone Seilerin war nicht weniger zufrieden. – Es ist doch ein charmanter Mann, dachte Sie: wie er's verblümt zu geben weiß! [88] – Man sagt, sie habe die ganze Nacht vom kleinen Freund geträumt. –

4. Kapitel

Viertes Kapitel.

Zehn Uhr schlug; der Hauptmann kam und brachte den kleinen Freund mit. – Man kann denken, wie sie empfangen wurden.

Die schöne Seilerin räumte ihm ihr niedliches Zimmerchen ein und umarmte ihn tausendmal. Seine Figur, seine Lebhaftigkeit, seine Beredsamkeit, die ihm so gut von den Lippen floß; alles bezauberte sie. Sie selbst gefiel ihm nicht weniger. Ihre Herzlichkeit, ihre Gefälligkeit, ihr zuvorkommendes Wesen, alles entzückte ihn. Sie schienen für einander gemacht zu sein.

Wie viel hatten sie sich nicht zu sagen! Wie viel zärtliche Ergießungen! Wie viel trauliche Geständnisse! Jeder Augenblick brachte sie näher zusammen; sie gaben sich eines dem andern hin und vergaßen die ganze Welt um sich.

Aber auf einmal läßt sich die Stimme des Mannes hören. – Himmel, wir sind verloren! rief das Weibchen, Kaum hatte der Freund Zeit, sich zu retten. – Geschwinde hinter den Ofen! ruft sie athemlos, und der Mann tritt zur Thüre hinein.

[89] Du bist ja so erhitzt, sagte er mürrisch: was hat's denn gegeben?

Sie: Ach lieber Mann! Ach ich habe eine rechte Freude gehabt!

Er: Es wird was rechts gewesen sein. Laß doch hören!

Sie: Da kam der fremde Wundermann – du wirst ihn auch gesehen haben?

Er: Was für ein Wundermann? Ich habe keinen gesehen.

Sie: Der indianische Schaman, oder wie sie hier heißen? Mit der großen spitzigen Mütze, voll lauter goldener Figuren, und dem langen gros de tournen Kaftan.

Er: Nun was war denn mit dem?

Sie: Der kam herein und fragte nach dir, ob wir Kinder hätten und so weiter.

Er: Nun, und was gabst du ihm denn zur Antwort?

Sie (verschämt): Ih nun, daß es dem lieben Gott gefiele – du weißt ja, lieber Mann, wie du immer sagst: der liebe Gott straft uns, daß wir keine kriegen.

Er: Ja wohl straft er uns; denn an mil liegt's wahrhaftig nicht.

Sie: Nun, sagte der Schaman: ich will Ihnen ein Kunststück zeigen, wie Sie den Storch [90] beschwören können. Machen Sie das nach, und ehe ein Jahr vergeht, so müssen Sie ein oder zwei Kinder haben.

Er: Das wäre? Ach wenn mir Gott die Gnade gäbe, auf den Knieen wollte ich ihm dafür danken.

Sie: Das dacht' ich eben, lieber Mann, und darum gab ich ihm acht Groschen mit Vergnügen und ließ mir das Kunststück lernen.

Er: Nun, worinnen besteht es denn?

Sie: Wenn du's sehen willst, lieber Mann, so will ich's einmal probiren, aber du mußt alles thun, was ich dir sage.

5. Kapitel

Fünftes Kapitel.

Der alte einfältige Seiler versprach es ihr und es war ihr alles gelungen. – Die hat Witz für zwei, dachte der Hauptmann: aber wenn ich nur fort wäre.

Nun lieber Mann, fuhr sie fort: jetzt mußt du dich auf die Erde legen. – Nein mit dem Gesicht auf den Boden. – So! – Nun leg' ich ein Betttuch über dich, aber du mußt dich nicht rühren. – und nun den Backtrog. – Lieg' ja stille, oder es ist alles verloren.

[91] Der arme Schächer ließ sich alles gefallen und lag da wie eine Schildkröte. – Nun decke ich dir den Kopf mit einem Kissen zu, fuhr sie fort, spreitze mich über den Backtrog aus und sage die Formel her. Wenn ich inne halte, mußt du dreimal husten, und dann weiden wir sehen.

Gesagt, gethan! Sie deckte ihm den Kopf mit einem dicken Kissen zu, spreitzte sich über den Backtrog aus und fieng ihr Abrakadabra an. Der Hauptmann merkte ihre List und kroch hinter dem Ofen hervor. – Bscht! sagte sie, als ob sie dem Manne ein Zeichen gäbe, und er hustete nach Herzenslust.

Der zweite Theil der Formel: der Mann hustete abermals. Der Hauptmann schlich weiter nach der Thüre. Eben wollte sie schließen; sie winkte, und er sprang glücklich hinaus. – Ach der Storch! der Storch! schrie sie freudig: Da fliegt er! Da fliegt er! Geschwinde, geschwinde, lieber Mann! – Aber ehe sie ihm aufhalf, war der Hauptmann Storch über alle Berge.

Nun so gebe Gott sein Gedeihen dazu! seufzte der alte Seiler. – Amen! sagte die Frau: es ist mir sauer genug geworden.

[92] Der Hahnrey auf Pränumeration.

1. Kapitel

Erstes Kapitel.

Es war Mitternacht; der hochzeitliche Reigen nahm seinen Anfang; Herrmann stand im Garten und sah mit bitterem Schmerze nach dem erleuchteten Saale hinüber. – O Emilie! rief er seufzend: möchte es mir gelingen!

In dem Augenblick hörte er Jemand kommen. Es war ein alter Bedienter aus Emiliens Hause. – Nun Freund! sagte Herrmann leise: ist es Zeit? – Kommen Sie, gab Johann zur Antwort, nahm ihn bei der Hand und führte ihn eine geheime Treppe hinan.

Sie giengen durch mehrere Zimmer! Herrmann war in einen Mantel gehüllt und mit Pistolen versehen. – Guter Johann! sagte er, fordere was du willst! Du kennst mich nicht seit gestern. – Ach wohl! erwiederte der alte Mann: [93] als Sie noch täglich hieher kamen. – – Es waren glückliche Zeiten! fiel Herrmann mit ersticktem Schmerze ein. – Nimmermehr hätte ich geglaubt! erwiederte Johann, aber eben standen sie still.

Das ist die Brautkammer, sagte Johann, und schob Herrmann hinein. Ich denke, sie müssen nun bald kommen. – Hier, guter Johann! fiel Herrmann ein und drückte ihm eine Börse in die Hand. Nimm diese Kleinigkeit, und nächstens mehr. – Johann nahm sie, verschloß die Thüre und ließ ihn allein.

Ach Emilie! rief Herrmann: warum konntest du deinem Herzen nicht folgen? Du liebtest mich, aber sie zwangen dich! – Wohlan, ich wage es: Tod oder Leben! Er soll dich nicht berühren.

Er verbarg sich unter das Bette, drückte sich an die Mauer, hielt seine Pistolen in Bereitschaft und erwartete den entscheidenden Augenblick.

2. Kapitel

Zweites Kapitel.

Die Thüre gieng auf; es waren zwei Weiber. – Aber wie meinen Sie's denn eigentlich gnädige Frau? sagte die eine weit schlechter gekleidete.

[94] Siehst du, Anne! gab jene zur Antwort: ich habe mir's so ausgedacht. Du legst dich jetzt in's Bette, und ich halte unterdessen Emilien bei mir auf. Sobald er sie nicht mehr sieht, wird er sie hier vermuthen, und dann machst du's, wie ich dir schon gesagt habe.

Anna: Aber gnädige Frau! –

Fr. v. G. Es ist ja nur ein kleiner Schabernack!

Anna: Aber wenn er nun Licht mitbringt?

Fr. v. G. Wird er doch! Ich will schon dafür sorgen.

Anna: Aber wenn er mich nun im Finstern – verstehen Sie mich, gnädige Frau?

Fr. v. G. So wehre dich! Du hast ja wenigstens Nägel.

Anna: Ja, aber wenn er über mich nun Herr würde – ich wüßte nicht, ich wäre des Todes!

Fr. v. G. Wird er doch! das wollt' ich doch sehen, mit Gewalt!

Anna: Aber wenn nun der böse Feind sein Spiel hat? Sehen Sie, gnädige Frau! Manchmal will man und kann doch nicht! – Sie werden schon wissen, was ich sagen will. – Wenn ich nun keine Kräfte hätte?

Fr. v. G. Nun, wenn es auf's äußerste [95] kommt, so schreie, da will ich dir schon zu Hülfe kommen.

Sie redeten darauf die ganze Sache noch einmal ab. Die Dame gieng fort, und Anne setzte sich auf das Bette.

Hihi! Hihi! fieng sie an; es wird mir doch ganz kurios! – Als mein Mann seliger – Wenn mein Gesicht nicht wäre – Ich möchte es schon probiren – Aber nein! – indem sie sich in das Bette legte – Wenn er's erführe, ich glaube, er brächte mich um.

Nun, dachte Herrmann: wenn er dich sechszigjährige Grazie für Emilien halten kann! – Aber laß sehen, was das für ein Ende nehmen wird.

3. Kapitel

Drittes Kapitel.

Der Bräutigam trat herein; man schlug ihm das Licht aus der Hand, und die Thüre wurde verschlossen. – Bist du da, süßes Mädchen? rief er, und stürzte auf das Bette zu. Die Alte kroch unter die Decke und gab keine Antwort.

Du sprichst nicht? fuhr er fort: aber ich fühle dein armes Herzchen klopfen! Er legte seine Hand an ihre Brust und fieng an, sich [96] auszukleiden. – Fürchte dich nicht, mein holdes Kind! – Du bist ja meine liebe kleine Braut! – Ich will dir was recht schönes erzählen! Nicht? Du wirst sehen, es wird dir gewiß gefallen.

Er wollte seine Erzählung anfangen, aber die Alte verstand unrecht, gab ihm einen herzhaften Stoß und sprang zu dem niedrigen Gartenfenster hinaus. – Emilie! Beste Emilie! rief er außer sich, und folgte ihr. – O mein Kind! Wozu die Weitläufigkeit? Warum fliehst du mich? Bin ich nicht dein Mann? Habe ich nicht ein Recht auf deine Zärtlichkeit? Warum willst du mir die schöne Rose entziehen, nach der ich so lange geseufzet habe? Ach halt ein! Du wirst dich erkälten, süßes Kind!

Aber das süße Kind ließ sich nicht stören und lief immer im Garten herum. Wollte er wohl oder übel, so mußte er hinter ihr drein, ohne sie erreichen zu können. Endlich sah er sie in das Haus springen und folgte ihr auf den Fersen nach.

Die spaßhafte Dame hatte alles beobachtet und beschloß nunmehr, dem Schabernack ein Ende zu machen. Sie führte daher die wirkliche Emilie in das Brautgemach, und Herrmann zitterte vor Freude. – Warte nur, Puttchen! [97] sagte die Dame: das Hähnchen soll dich schon zum Lachen bringen.

4. Kapitel

Viertes Kapitel.

Emilie blieb ohne Licht und setzte sich auf das Bette. – Jetzt oder niemals! dachte Herrmann, verließ seinen Schlupfwinkel, riegelte die Thüre zu und näherte sich dem zitternden Mädchen. Sie seufzte, aber sie ließ sich alles gefallen. Ohne ein Wort zu sagen, nahm er sie in seine Arme, und seine Liebkosungen wurden ungestümmer. Tausend feurige Küsse! Tausend zärtliche Angriffe! Die neidischen Gewänder sind entfernt; der schönste Körper berührt den seinigen. Glücklicher Herrmann! Die geheime Sympathie des Herzens schien für dich zu sprechen; du warst glücklich, und Emilie umarmte dich.

Aber auf einmal pochte es an die Thüre. – So mach doch auf! So mach doch auf, Emilie! rief die spaßhafte Dame.

Emilie (schmachtend und ermattet): Warum denn, liebe Tante?

Lassen Sie's nur gut sein! fuhr die Taute an der Thüre fort: sie stellen sich s' erstemal alle so an, aber es geht ihnen nicht von Herzen. Ich hab's auch nicht besser gemacht. Sie müssen [98] nur ein bischen Gewalt brauchen, denn das wollen wir eben haben. – Nun Täubchen, wird's denn bald? Soll denn dein armer Mann die ganze Nacht hier stehen?

Emilie: Mein Mann, liebe Tante? – Aber in dem Augenblick drückte ihr Herrmann den Mund zu. – Einzige! Theuerste! rief er: Ich bin's!

Gott, lieber Herrmann! sagte sie erschrocken, doch ohne erzürnt zu sein.

Verzeihung! Verzeihung! rief er: das Uebermaß meiner Liebe! – und erklärte ihr in zwei Worten das ganze Geheimniß.

Aber wie soll das enden? fragte sie ängstlich indem er seine Liebkosungen erneuerte. Es stirbt mit mir! sagte er: dein Herz ist mein. – Ja auf ewig! erwiederte sie. Die Convenienz! fuhr er fort: niemand soll es ahnen können.

Aber Kind! lief die Tante ernsthaft: so mach' doch endlich einmal auf! Was heißt denn das? Es muß doch auch einmal ein Ende sein.

Gleich! gleich! rief Emilie: nur noch ein Viertelstündchen, liebe Tante! Ich will nur erst ausbeten.

Die Tante: Nun gut! aber wenn du alsdann noch trödelst, so laß ich die Thüre aufbrechen.

5. Kapitel

[99] Fünftes Kapitel.

Ein Viertelstündchen: dachte Herrmann, und benutzte es, ohne gehindert zu werden. Emilie konnte nicht auf ihn zürnen, er war ihr durch dieses Wagestück nur noch theurer geworden. – Guter Herrmann! sagte sie endlich, als er gehen wollte: wirst du mich ewig so lieben? – Gewiß, gab er zur Antwort; aber deine Ehre wird mir heilig sein! – Sie versprachen sich gegenseitige Behutsamkeit und nahmen Abrede für die Zukunft. Vielleicht war Emilie zu tadeln; aber sie wurde zu ihrer Heirath gezwungen. Wer würde sie nicht entschuldigen? – Noch einen Kuß! rief Herrmann, und war mit einem Sprunge in dem Garten.

Jetzt komme ich, liebe Tante! rief Emilie, und machte die Thüre auf. – Nun vertragt euch hübsch zusammen, sagte die Tante, und ließ sie allein. Der Bräutigam stürzte auf Emilien zu, aber sie wußte ihn zurück zu halten. – Nicht anrühren, mein Herr! sagte sie ernsthaft: ich bin keine Brutalitäten gewohnt.

Ihr Ton hatte ein gewisses Etwas, das ihn in Verlegenheit setzte. Er wollte sich beklagen, aber sie gab ihm keine Antwort, Herrmann! Herrmann! Diese Erinnerungen beschäftigten sie [100] zu lebhaft, und alle Bemühungen des Bräutigams waren vergebens.

Der Morgen brach an; es war der erste Tag ihrer unglücklichen Ehe, aber es sollte auch der letzte sein. Der Bräutigam hatte sich bei jener nächtlichen Gartenscene einen Schlagfluß geholt, und sie fand ihn todt an ihrer Seite. Der Schmerz, die Verzweiflung der Familie ist unbeschreiblich, aber Emilie hob ihre Augen dankend zum Himmel auf.

Herrmam! erfuhr alles, und faßte neue Hoffnungen. Die Familie war froh, ihn wieder kommen zu sehen, und sechs Monate nachher feierte er seine Brautnacht in dem nämlichen Zimmer.

[101] Der Liebes-Rath.

1. Kapitel

Erstes Kapitel.

Ja, aber die Bekanntschaft, lieber Herr P–! sagte der Baron L–: ich mag mich zehnmal verlieben, wenn ich nicht bekannt mit ihr werde; was hilft mir's?

Herr P. Kleinigkeit! Kleinigkeit! Lieber Herr Baron! So wie Ihnen eine gefällt, immer darauf visirt! Gehen Sie ihr nach; sehen Sie, wo sie wohnt, und sobald Sie es wissen, wollen wir weiter sehen.

Baron L. Sie sind ein charmanter Mann! Ich wollte was darum geben, wenn ich Ihre Kenntnisse hätte.

Herr P. Gehorsamer Diener! Freilich hab' ich ein bischen Erfahrung! – Ohne Eitelkeit, aber ich kenne die Weiber durch und durch. Wie ich Ihnen sage: verlieben Sie sich nur, und die Gegenliebe ist ihnen gewiß. Aimez! On vous aimera! Da haben Sie das ganze Geheimniß.

[102] Baron L. Sie machen mir Muth! Ein so starker Praktikus wie Sie muß es freilich verstehen.

Herr P. Verlassen Sie sich darauf! Ich habe tausend Exempel davon gesehen. Zum Beispiel meine Frau.

Baron L. Madame befindet sich doch recht wohl?

Herr P. Zu Ihrem Befehl! Gehorsamer Diener! Sie ist jetzt auf unserer Villa – wie Herr P. ein kleines Landhaus zu nennen beliebte.

Sie wollten das Gespräch fortsetzen, aber es schlug vier, und Herr P. mußte eine andere Stunde geben.

2. Kapitel

Zweites Kapitel.

Drei Tage waren vergangen; der Baron hatte einige Exkursionen auf das Land gemacht und kam sterblich verliebt zurück. – Hören Sie, lieber P–! sagte er seufzend: es ist richtig! – Ich bin gefangen!

P. Nun, haben Sie denn auf's Logis gemerkt?

B. Alles! Alles! Aber was hab' ich nun zu thun?

[103] P. Nun fangen Sie an, ein halbes Dutzend mal täglich vorbei zu gehen; setzen Sie den Schneider in Nahrung und ziehen Sie jede Stunde ein anderes Kleid an: je geputzter, desto besser. Die Weiber lieben das Neue.

B. Gut, gut, daran soll's nicht fehlen!

P. Weiter: wenn Sie vorbei gehen, so schielen Sie jedesmal an die Fenster, aber laufen Sie nicht etwa im Galopp vorbei, sondern gehen Sie hübsch langsam und bedächtig, damit sie Sie bequem hinter den Vorhängen sehen kann.

B. Gut, Gut, lieber Herr P–! Ich will ihr schon ein Paar Blicke zuwerfen.

P. Weiter: wenn Sie sie etwa gewahr werden, so grüßen Sie sie, versteht sich äußerst ehrerbietig. Aber merken Sie wohl auf, es muß unbemerkt geschehen. – Wenn viel Leute vorbeigehen – Man muß nicht wissen, wem es gilt. Sie wird's aber schon wissen.

B. So? Warum denn das?

P. Ei, ei, Herr Baron! Man sieht wohl, daß Sie ein Anfänger sind. Warum? Damit sie nicht compromittirt wird. Was würden die Leute sagen? Es ist den Weibern immer nur um den Schein zu thun.

B. Sie haben recht! Ich dachte wahrhaftig nicht daran. Also vorbeigehen, hinaufschielen, [104] und verstohlen grüßen? – Nun auf Wiedersehen!

P. Und alles hübsch langsam, damit sie Sie recht mit Muse betrachten kann.

B. Verlassen Sie sich darauf! Ich will die Schritte zählen.

3. Kapitel

Drittes Kapitel.

Der Baron stieg zu Pferde und eilte fort. – Sie ist auf dem Altan! sagte er freudig, als er das niedliche Landhaus erblickte. Er gab seinem Pferde die Sporen, um sich ihr in Parade zu nähern, und sie schien ihm mit Wohlgefallen entgegen zu sehen. In dem Augenblick setzte er das Pferd in Schritt, grüßte sie mit Ehrfurcht und sah sich einigemal nach ihr um. Ihre Blicke folgten ihm nach, ja sie nahm sogar einen kleinen Telescop heraus, um ihn länger betrachten zu können. Wo wäre ein Weib, das einen schönen Reiter ohne Vergnügen ansähe?

Der Baron war entzückt und nahm von nun an keinen andern Weg. Seine Promenaden wurden so häufig, seine Blicke so ausdrucksvoll, daß man endlich anfieng, ihm zu antworten. Ihre Augen verstanden die seinigen; er hatte alles gewonnen.

[105] Haha! rief der Tanzmeister, als er ihn in acht Tagen nicht getroffen hatte: Die Expedition scheint Ihnen zu gefallen. Nun, sind Sie gut avancirt?

B. Vortrefflich, vortrefflich, lieber P–! Sie dankte mir so freundlich, daß ich alles hoffe.

P. Bon! Ich werde Ehre mit Ihnen einlegen. Aber nun müssen wir die Batterien verstärken.

B. Ich muß sie anreden?

P. Nein, nein, das noch nicht! Erst müssen Sie ihr schreiben, aber der Brief muß brennen, verstehen Sie mich? Recht warm und feurig! Sie können nicht glauben, was das für Wirkung thut. Wenn ein Mädchen so einen Brief bekommt, da kann sie sich nicht satt daran lesen; da wird er in Busen oder in Schubsack eingesteckt, und wenn sie einmal allein ist, husch heraus damit, fünfzigmal des Tages ist eine Kleinigkeit!

B. Das ist wahr, Sie kennen die Weiber durch und durch.

P. Ob ich sie kenne, Herr Baron? Meine Frau hat mir's ja selbst gesagt. Wenn ich hier so ein Billet doux schrieb, nahm sie's allemal mit zu Bette. Aber was ich sage, der Hauptpunkt [106] ist: die Schönen mit sich zu beschäftigen, und das thut so ein Brief vortrefflich.

B. Nun gut, lieber Herr P–! Ich werde Ihrem Rathe folgen.

P. Und allenfalls lassen Sie auch ein Paar Tropfen Wasser darauf, damit es aussieht, als ob Sie geweint hatten: Ein Paar Thränen thun manchmal Wunder.

4. Kapitel

Viertes Kapitel.

Der Brief wurde geschrieben und einer Chocoladenfrau anvertraut. – Ach, lieber P–: sagte der Baron: dasmal haben wir uns verdammt verrechnet.

P. Was? Hat sie den Brief nicht angenommen?

B. Leider! Leider! Sie ist entsetzlich aufgebracht gewesen. Ich fürchte, es ist alles verloren.

P. Hahaha! Verloren? Kein Baum fällt auf den ersten Hieb. Marsch, gehen Sie gleich einmal vorbei und sehen Sie, was sie für einen Miene macht.

Der Baron verließ ihn und flog nach dem Landhause. Keine Seele zu sehen. Traurig ritt er einigemal hin und her; endlich kam ein Mädchen [107] heraus; sie schien ihm zu winken; er näherte sich, sie sprang hinter die Mauer und erwartete ihn.

Um Vergebung, wie heißen Sie, gnädiger Herr? – Baron B–. – Sie sollen die Güte haben und auf den Abend um neun Uhr wieder kommen, aber zu Fuße. – Sie sagte ihm zugleich, wie er klopfen sollte, und der Baron war entzückt. In der Verwirrung fragte er wohl dreimal nach der Stunde, und warf dem Mädchen endlich ein Goldstück zu.

Er flog nach der Stadt zurück, die Entfernung war kaum eine halbe Stunde. – Ich werde sie sehen! Ich werde sie sehen! rief er dem Tanzmeister entgegen.

P. Wahrhaftig? Nun hab' ich's nicht gesagt? Aber in aller Welt, wo kommen Sie denn zu Pferde her?

B. Eben vom Landhaus.

P. (erstaunt): Vom Landhause? Was? Wo denn?

B. Gleich hinter der großen Bleiche.

P. (erblassend, aber mit verstellter Verlegenheit): Tausend! Nun ich gratulire! Aber Sie verzeihen, Herr Baron! Au plaisir!

Er gieng, und schlug sich vor den Kopf. – Par Dieu! sagte er: ich glaube wahrhaftig, es [108] ist meine eigene Frau! – Warte, du garce! – Hinter der großen Bleiche – Ja, ja, es ist keine andere Villa da! – Verdammt wär' die Geschichte! – Warte, Warte, du ehrvergessenes Weib!

5. Kapitel

Fünftes Kapitel.

Es war neun Uhr. Der Baron gab das abgeredete Zeichen, und wurde sogleich hineingelassen. – Kommen Sie, gnädiger Herr! sagte das Mädchen, indem sie ihn in das Zimmer führte. Die Madame wartet mit Schmerzen auf Sie. – In dem Augenblick öffnete sich eine Seitenthür, die Schöne trat hervor, und er flog in ihre Arme.

Kaum konnte ich hoffen! rief er, und drückte sie mit Innbrunst an sein Herz. Der unglückliche Brief! Aber Ihre Güte beruhigt mich:

Es war Vorsicht! gab sie zärtlich zur Antwort: solche Personen sind indiscret; mein Geheimniß sollte niemand wissen, als Sie. Ihre Zunge fand den Weg zu seinem Herzen; sie sanken vereint auf ein Sopha und gestanden sich ihre Geheimnisse.

Mach auf, Marie! Mach auf in's Henkers [109] Namen! – Wer pocht an der Pforte? – Es ist der zärtliche Eheherr; aber das Mädchen that, als ob sie fiele, und Madame hatte Zeit, ihren Freund zu verstecken.

Der Mann stürzte herein; es war niemand anders als der Tanzmeister selbst. – Wo ist er? Wo ist er? rief er außer sich vor Wuth. – Wer denn, lieber Mann? Wer denn? – Schlange! erwiederte er mit einer drohenden Bewegung, und fieng an, das Haus zu durchsuchen. – Ich will dir leuchten, lieber Mann! sagte die Frau mit Sanftheit, zündete noch ein Licht an, und begleitete ihn.

Sie fanden nichts, denn der Freund war zu gut versteckt. – Ach ich arme Frau! rief Madame mit Krokodilsthränen: mich so zu beschimpfen! Hab' ich dir jemals Gelegenheit dazu gegeben? Aber ich weiß es: schändliche Menschen haben dich aufgehetzt! Bringe mich lieber um ehe du mich in diesem Verdachte haben willst!

Was man wünscht, das glaubt man gern. Der Tanzmeister hatte zwar dem guten Freunde, aufgelauert, er hatte ihn selbst hineingehen sehen, dennoch fieng er nunmehr an, daran zu zweifeln. Es war dunkel, dachte er: er kann auch zum Nachbar gegangen sein. Ohne ein Wort zu [110] sagen, nahm er Hut und Mantel, warf die Thüre zu, und lief nach der Stadt zurück.

Jetzt laß ihn pochen, sagte Madame, bis er schwarz wird! und holte den Freund aus seinem Schlupfwinkel hervor. Man setzte sich zu Tische. Sie liebte das Nippen, und der gute Freund schenkte ihr reichlich ein. Ach sie fand seinen Wein entzückend, und konnte sich nicht satt daran trinken. Aber der Morgen brach an, er mußte sie verlassen. – Auf den Abend? fragte er bittend. – Auf den Abend! sagte sie und ihre Blicke verstanden sich.

6. Kapitel

Sechstes Kapitel.

Der Baron hatte den ganzen Vormittag geschlafen, als der Tanzmeister hereintrat. – Nun, Herr Baron! fragte er neugierig: wie ist denn Ihr Rendezvous abgelaufen?

B. O vortrefflich! Es ist ein himmlisches Weib.

P. Par Dieu! Haben Sie sie schon so genau kennen lernen?

B. Ach, welche entzückende Nacht!

P. Der Teufel! Sie machen einem Appetit!

B. Aber der verdammte Cocü vom Manne hätte uns beinahe die ganze Freude verdorben.

[111] P. (verstümpelt): Wie denn so?

B. Denken Sie einmal, lieber P–! Wie wir da im besten Momente sind, kommt der Kerl und will hinein. Das Mädchen that, als wenn sie fiele, und unterdessen steckte ich mich unter einen Haufen schwarze Wäsche.

P. (erblassend): Was? Unter einen Haufen schwarze Wäsche?

B. Ja! Jetzt tritt er hinein, flucht und lärmt wie ein Teufel; fängt an, das ganze Haus zu durchsuchen, und will mich mit aller Gewalt finden. Aber ich war so gut versteckt, daß er wohl zehnmal bei mir vorbeigieng, ohne einen Gedanken davon zu haben.

P. Das ist doch artig! Aber wie kam er denn wieder fort?

B. Er skissirte sich selbst, und nun waren wir ungestört. Ich sage Ihnen, lieber P-, es ist ein himmlisches Weib! So einen üppigen Körperbau, und eine Lebhaftigkeit –

P. Ja ja, ich glaub' es! Die Weiber sind verdammt hitzig, besonders im Frühling.

B. Ich werde sie diesen Abend wiedersehen!

P. Wieder? Das machen Sie recht! Aber wenn nun der Mann? –

B. Mag er! Sie hat ihn gestern angeführt, [112] sie wird ihn auch heute anführen; die Liebe macht erfinderisch.

P. Das muß ein durchtriebenes Weibchen sein. Aber es ist Mittag! – Gehorsamer Diener, lieber Herr Baron! Ich wünsche gute Continuation.

7. Kapitel

Siebentes Kapitel.

Also wie gestern. Der Freund kommt; er umarmt sie; sie schwimmen in einem Meere von Seligkeit. Auf einmal, da ist auch der Mann wieder. Was war zu thun? Madame weiß den Augenblick Rath. – Gleich, gleich, lieber Mann! Sie eilte selbst hinunter, der Freund hinter ihr drein; sie macht die Thüre auf, und läßt das Licht fallen; der Mann stürzt hinein, der Freund hinaus, und Alles war in Ordnung.

Man hätte den Tanzmeister sehen sollen: er schäumte vor Wuth. Schimpfwörter, Mißhandlungen – das arme Weib mußte Alles ertragen. – Wo ist der Kerl? Du nichtswürdige Hure! Hast du ihn wieder unter die Wäsche versteckt? – Er fängt an zu suchen, das Weibchen sich zu vertheidigen. Sie hatte gut reden, da das Corpus delicti über alle Berge war.

[113] Aber das konnte den Tanzmeister nicht beruhigen, denn er hatte offizielle Nachrichten. Seine Wuth stieg daher immer höher. – Ach, um Gotteswillen! rief endlich die listige Frau, und riß die Fenster auf: Hülfe! Hülfe! Hülfe! Mein Mann ist toll geworden! Er bringt mich um! – Das Mädchen, als ein treues Echo, wiederholte dasselbe, und in wenigen Minuten liefen die Nachbarn zu.

Der Tanzmeister sah wirklich verdächtig aus, und jedermann hielt ihn für wahnsinnig. Madame versprach Geld, und augenblicklich fielen zwei rüstige Knechte über ihn her, und banden ihn. – Ach das Unglück! das Unglück! rief sie, und rang die Hände. Wir müssen ihn in die Stadt schaffen! – Ein Aderlaß! Ein Aderlaß! oder er zersprengt sich. – Man denke, ob das den Wahnsinnigen beruhigen konnte? Aber eben seine Reden und Bewegungen überzeugten die Zuschauer nur desto mehr.

Es wurde endlich Anstalt gemacht, ihn in die Stadt zu bringen, und er mußte sich Alles gefallen lassen. Der Doctor verschrieb Aderlässe, Vomitive, Klystiere und was weiß ich's. Er hätte im Ernste närrisch werden mögen. Madame spielte ihre Rolle vortrefflich, und jeder hatte Mitleid mit ihr. Warte, sagte sie bei sich [114] selbst: die Eifersucht soll dir schon vergehen; ich will dich lehren die Leute überfallen!

Indessen hatte der Baron mit Erstaunen erfahren, daß der arme P– auf einmal toll geworden sei. Er geht zu ihm; der Mann bekommt einen neuen Acceß. Auf einmal tritt Madame herein, und der Baron fällt aus den Wolken. Ein Blick erklärt ihm alles, aber das war zu arg.

Mochte es Ueberdruß, mochte es Mitleid sein, er ließ seine Sachen packen, schickte dem Tanzmeister ein Abschiedsbillet mit fünfzig Dukaten, und reiste den andern Morgen ab, ohne Madame wieder zu sehen.

Wer jetzt genaß, das war der arme P–; dennoch wagte er nie, sein zärtliches Weibchen darüber zur Rede zu setzen.

[115] Der heilige Isidro.

1. Kapitel

Erstes Kapitel.

Also der Laden rechts? – Ja, Herr Bruder, gleich der erste vom Platze herein! Du wirst sehen, ob's nicht das schönste Weibchen in ganz Madrid ist.

Es war Don Manuel, ein junger Kaufmann, mit seinem Freunde Ramirez. Sie sprachen von der artigen Frau eines Schusters, die ihr Mann wie ein Drache verwahrte; – Caspita! 1 sagte Don Manuel: ich muß sie haben, und sollte es mir zwanzig Unzen kosten!

Er gieng fort und gerade in den Laden. – Ist das Meister Antonio, sagte er zutraulich: der berühmteste Schuster in ganz Madrid? – Treten Sie herein, mein Herr: was befehlen Sie?

Don Manuel bestellte ein Paar Schuhe, und [116] der vergnügte Schuster fieng an, das Maß zu nehmen. Indeß bemerkte Don Manuel ein Glasfensterchen, wo der Vorhang ein wenig aufgehoben war. Er sah starr darauf, und zwei glänzende Äugen begegneten den seinigen. Er lächelte; sie schien ihn zu verstehen; der Vorhang flog eine Sekunde zurück, es war die reizende Schusterin.

Aber der Tausend, mein Herr, Sie zittern ja entsetzlich! sagte der Schuster, als er fertig war. – Ich bin zu stark gegangen! gab Don Manuel zur Antwort, und bat ihn dringend, die Schuhe bald zu machen. Ich will sie selbst abholen, fuhr er fort: und Sie sollen einen guten Kunden an mir haben.

2. Kapitel

Zweites Kapitel.

Don Manuel ermangelte nicht, sich zum gesetzten Tage einzufinden. Ach, Donna Therese hatte schon längst nach ihm geseufzt. Ihre Sclaverei war ihr unerträglich, und ihr schmutziger Mann ihr geschworner Feind.

Don Manuel trat hinein; sein Blick flog auf das Fenster; er sah die zärtlichsten Augen sich entgegen kommen. Man verstand ihn; er [117] war begünstigt. O werdiese Sprache recht inne hat, der wird in allen fünf Welttheilen damit fortkommen.

Die Schuhe waren vortrefflich; doch fand sie Don Manuel ein wenig zu enge, um nur wiederkommen zu können. Jetzt wurden sie anprobirt, und nun waren sie hinten zu sehr zusammengezogen. – Que borra! rief der Schuster gegen die Thüre: wie hat sie wieder einmal genäht? Warte, ich will dich kuranzen! Gleich nimm sie hin, und laß sie aus.

Das Fenster öffnete sich, und Don Manuel sah den reizendsten Arm von der Welt. Der Schuster will die Schuhe hineingeben; man läßt sie fallen; fluchend bückt er sich, sie aufzuheben; Don Manuel eilt hinzu. Ein Händedruck – ein flüchtiger Kuß – der Schuster hat nichts gesehen.

Endlich waren sie fertig. Don Manuel bezahlte vor trefflich und bestellte ein neues Paar. Noch ein zärtlicher Blick, und er hat Alles gewonnen.

3. Kapitel

Drittes Kapitel.

Von nun an kam er fast täglich, und ließ Schuhe über Schuhe machen. Antonio nannte [118] ihn seinen besten Kunden, und lobte ihn gegen seine Frau unaufhörlich. Therese hörte es mit Entzücken an, und jeder Blick machte sie zärtlicher. Aber wie wäre es möglich, ihn ohne Zeugen zu sehen? Alle ihre Gebete schienen vergebens zu sein.

Auch Don Manuel hatte sich fast in Plänen erschöpft, als ihn endlich der Zufall begünstigte. Es war das Fest des heiligen Isidro, des Schutzpatrons in Madrid. Die ganze Stadt wallfahrtete zu seinen Kapellen, die jenseits des Manzanares auf einem buschigten Hügel liegen. Auch Antonio entschloß sich endlich, Theresen hinzuführen, aber sie mußte Mannskleider anziehen.

Sie kamen vor das Thor, und Don Manuel näherte sich ihnen. Er schien verwundert, den Schuster allein zu sehen, aber ein Blick von Theresen verrieth ihm Alles. Der Schuster gab sie für seinen Neffen aus, der erst aus Biscaja gekommen wäre, und Don Manuel machte Gesellschaft mit Ihnen. Wer fand sich geehrter, als Antonio? Wer war zufriedener, als Don Manuel? Und wer verliebter als Therese?

4. Kapitel

[119] Viertes Kapitel.

Sie kamen an; man gieng in die Messe, der Schuster war zu andächtig, um hinter sich zu sehen, und Don Manuel verlor seine Zeit nicht. Die Messe war vorbei, er führte seine Begleiter in die Pasade, und ließ ein eigenes Zimmer geben.

Vamos! sagte er vertraulich zu Antonio: heute müssen Sie mein Gast sein, denn ich habe gestern 4000 Realen gewonnen. Antonio machte keine Umstände. Sich auf fremde Kosten einmal recht bene zu thun, war ein gefundenes Essen für ihn. Freundlich winkte er Theresen, und sie lächelte. Armer Hahnrey! Wenn du gewußt hättest, was sie dabei dachten.

Don Manuel machte Anstalten; der Wirth hatte Alles, aber der Wein fehlte. Man muß ihn aus einem Kloster holen, und Don Manuel wollte selbst gehen. Welche Unschicklichkeit! Antonio kann sie nicht geschehen lassen. Er nimmt die Bota, der Neffe soll ihn begleiten, aber er hat einen Schuh verloren.

Bringen Sie vom besten! rief ihm Don Manuel nach. Aber kaum war er herunter, so kam ein Freund von Don Manuel auf ihn zu. Er hat von seiner Arbeit gesehen, sie ist vortrefflich. [120] Er braucht ein Paar englische Stiefeln. – Hier ist ein Duro drauf! – Der Fragen und Bestellungen sind kein Ende. Unser Schuster geräth in Feuer; der andere trinkt ihm zu; er verliert seine Bota. Demonio! er muß sie wieder finden. Nun, so mag er sie suchen!

5. Kapitel

Fünftes Kapitel.

Kaum war er die Treppe herunter, als Don Manuel die Thüre verriegelte. – Süße Therese! und seine Arme umschlangen sie. Sie that nur schwachen Widerstand! ihre Bitten erstarben an seinen Lippen; er trug sie auf das Bette, und sein Sieg war vollkommen.

Antonio kam nicht, und Don Manuel erzählte ihr Alles. Sie lachten über den Betrug, und hörten nicht auf, ihn zu benutzen. – O Herzensfreund! rief Therese – ich sterbe vor Entzücken! – Stirb, süßes Weib! erwiederte Don Manuel: mein Küssen soll dich wieder erwecken!

So genossen sie in süßem Entzücken des unnennbaren Genusses, den der geistvolle Herr Basilius von Ramdohr aus Hoya so geistvoll geschildert hat 2. Nie war Therese noch so [121] glücklich gewesen. Was ist Wollust ohne Liebe? Auch Don Manuel schwelgte in süßer Vergessenheit. Nie hatte er die Reize der Sympathie, der Persönlichkeit, und des Beschauungshanges inniger empfunden 3. O heiliger Isidro! rief er begeistert aus: mit Recht nennen sie dich Labrador, denn du segnest den Ackerbau.

6. Kapitel

Sechstes Kapitel.

Antonio kam endlich mit wohlgefüllter Bota zurück. – Por Dios! Por Dios! rief ihm der Wirth auf dem Saale entgegen: was ist in meinem Hause vorgefallen?

Was denn? fragte der betrunkene Schuster gleichgültig.

Der Wirth: Der Herr da oben –

Antonio: Nun?

Der Wirth: Por Maria santissma! Aus Sodom und Gomorra muß er sein!

Como? fragte Antonio gleichgültig.

Nun Burro! entgegnete der Wirth: Hab' ich's nicht durch's Schlüsselloch gesehen, wie er [122] euren Neffen – Versteht ihr's nun? – Oder seid ihr selbst von der höllischen Brüderschaft? – Aber noch heute, voto a Dios! noch heute meld' ich's, wo ich's zu melden habe 4.

Meinen Neffen? Meinen Neffen? wiederholte der Schuster unaufhörlich: o per la virgen del Carmen! Es ist meine Hure von Frau!

Der Wirth: Eure Frau? Eure Frau? Und hat Hosen an?

Antonio: Eben deswegen! Eben deswegen! Ach pobre de mi! Ach ich sterbe vor Wuth! – Wo ist sie? Wo ist sie, die Hure?

Halt, halt! sagte der Wirth, und faßte ihn bei den Armen. Keinen Spektakel! Wenn es eure Frau ist, nun so habt ihr's nicht besser haben wollen.

Antonio brach jetzt die Thüre ein, aber er kam zu spät. – Ich glaube, Sie träumen! rief ihm Don Manuel entgegen: ihr Neffe kriegte die Colik, und ich gab ihm Tropfen.

Laßt's gut sein, Gevatter! sagte der Wirth: wenn's nur geholfen hat! – Therese lächelte und schien ihm Recht zu geben, um der Sache ein Ende zu machen. Nach vielem Streiten verglich [123] man sich. Der Schuster bekam hundert Piaster; Therese zog als Haushälterin zu dem Kaufmann, und alle Parteien waren zufrieden.

Es lebe der heilige Isidro! riefen sie jubelnd, und nie ist ein Tag vergnügter beschlossen worden.

Fußnoten

1 Ein spanischer Fluch.

2 In seiner Venus Urania II. Band. Siehe den Abschnitt: der unnennbare Genuß.

3 Kunstausdrücke des begeisterten Herrn von Ramdohr.

4 Er spielt auf die Inquisition an, die kein Spanier gerne beim Namen nennt.

[124] Das Kammermädchen.

1. Kapitel

Erstes Kapitel.

Also ist sie vorher bei meiner Schwester gewesen? sagte Frau von D. zu einem artigen wohlgekleideten Frauenzimmerchen, die sich wegen eines Dienstes bei ihr meldete.

Das Frauenzimmer: Zu Ihro Gnaden Befehl! Da aber die selige gnädige Frau gestorben ist, so bin ich gezwungen, mir einen andern Dienst zu suchen, wie der Brief des gnädigen Herrn auch des mehrern besagt.

Frau v. D. Ja, ja, ich hab' es schon gelesen. Kann sie gut arbeiten, liebes Kind?

Das Frauenzimmer: Was und wie es Ihro Gnaden befehlen. Ich bin in Allem geübt.

Frau v. D. (heimlich zu ihrem Mann): Eh bien, mon cher!

Herr v. D. Nun, ich dächte – Meine Erlaubniß haben Sie; sie gefällt mir.

[125] Frau v. D. (laut zu dem Frauenzimmer): Gut, mein Kind! Wenn sie hier bleiben will, ich will sie nehmen. Sie bekommt jährlich dreissig Thaler; Weihnachten, Messen, und freie Station. Ist sie damit zufrieden?

Das Frauenzimmer (ihr die Hand küssend): Vollkommen, meine beste gnädige Frau! Ich wünsche mir keine bessere Herrschaft.

2. Kapitel

Zweites Kapitel.

Das neue Kammermädchen war kaum zwei Tage da, als Herr von D. bereits Jagd auf sie machte. Es war ein alter Libertin, der sein junges schönes Weibchen nicht zu schätzen wußte. Ich muß sie haben! sagte er bei sich selbst: und sollte mir's tausend Thaler kosten.

Von nun an schlich er Jeanetten auf allen Schritten nach; Bitten, Geschenke, Schmeicheleien, nichts wurde gespart. Dennoch schien Jeanette ein Felsenherz zu haben, und wies ihn oft mit vielem Nachdruck ab.

Ich habe keine Zeit! hieß es gewöhnlich, so schlüpfte sie in das Zimmer der gnädigen Frau. Wirklich war sie unaufhörlich bei dieser beschäftigt, und wußte sich mit jedem Tag in ihrer Gunst fester zu setzen.

[126] Herr von D. war ein Praktikus. Er hatte so manche Spröde erweicht, und verzweifelte auch dießmal nicht. Jeanette mochte ihm noch so verächtlich begegnen, sein Betragen blieb so zärtlich, als vorher. War es die Folge seiner Beständigkeit, oder die Allmacht seiner Dukaten – kurz, Jeanette schien endlich menschlicher zu werden, und fieng an, ihm Gehör zu geben.

Die erste Approche war gemacht; die andere kostete wenig. Drei Tage nachher waren sie im Reinen. Herr von D. zahlte fünfzig Dukaten, und Jeanette versprach, ihm eine Nacht zu schenken. Er sollte zu ihr kommen und ihre Kammerthüre offen finden.

3. Kapitel

Drittes Kapitel.

Es schlug elf Uhr. Entzückt und parfümirt wie ein Liebesgott eilte Herr von D. auf den Siegesplatz. Die Thüre war offen, und Jeanette lag halbentkleidet im Bette. Er eilt auf sie zu, schließt sie in seine Arme, und bedeckt sie mit seinen Küssen. Schon wollte sich seine verwegene Hand verirren, als die Thüre aufflog, und seine Gemahlin mit zwei Lichtern hinein trat.

[127] Comment? Comment? sagte er stammelnd: Par Dieu! Wie finden wir uns hier? Ist das Ihre Schlafkammer, Madame? Ich glaube, ich bin mondsüchtig, mich so zu verirren.

Sie (aufgebracht): Sparen Sie Ihre Entschuldigungen. Sie haben mich längst daran gewöhnt. Aber Sie sollten sich schämen, ein unschuldiges Kind zu verführen. Suchen Sie Ihr Vergnügen auf: ich liebe Sie zu wenig, um Sie zu geniren. Aber dieses Kind ist mir anvertraut, und ich werde ihre Tugend zu bewahren wissen.

Komm, Jeanette! fuhr sie freundlich fort, indeß Herr von D. mit verbiss'nem Aerger dastand. Komm, Jeanette! von nun an sollst du bei mir schlafen, Monsieur möchte dich sonst noch einmal überraschen.

Herr von D. wollte antworten, aber sie nahm das Mädchen bei der Hand, und überließ ihn seinem Verdrusse.

4. Kapitel

Viertes Kapitel.

Bravo! Bravo! rief Jeanette und schloß Frau von D. in ihre Arme. Das war ein Musterstreich, liebste Emilie!

[128] Frau v. D. Nun hab ich dich auf immer, bester Karl! Nun laß ich dich nicht wieder von meiner Seite!

Karl: Er hat mir die fünfzig Dukaten richtig gezahlt, ich will sie für die alte Spielschuld behalten.

Sie: Und für den Zwang deiner Verkleidung, kleiner Junge! Die Kleider werden dich drücken?

Er: Darum will ich sie abwerfen. Gefalle ich dir so besser?

Sie (lächelnd): Liebste Jeanette! O umschlinge mich so, ich sterbe in deinen Armen!

Er: O ich halte dich fest, mein trautes Weib und auf ewig!

Ihre Sinne schwanden, denn das holde Zöfchen war ein feuriger Liebhaber geworden. Die arme Emilie hatte sich zu entschädigen gesucht, und einen discreten Mann mit ihrer Freundschaft beehrt. Jene Verkleidung war um der Sicherheit willen abgeredet worden, und wir wissen, wie sie gelungen ist.

Par Dieu! sagte Herr von D.: wenn meine Frau nicht gekommen wäre! und gieng fort, um sich anderswo zu trösten.

[129] Die Kolik.

1. Kapitel

Erstes Kapitel.

Aber wie gesagt, liebe Cousine! fuhr Frau von K. zu Frau von H. fort, die seit einem Jahre an einen alten eifersüchtigen Mann verheirathet war. Aber wie gesagt, liebe Cousine! man muß sich seine Lage so erträglich als möglich zu machen suchen.

Fr. v. H. Freilich!

Fr. v. K. Wenn ich an deiner Stelle wäre, ich würde weniger austère sein.

Fr. v. H. Was?

Fr. v. K. Du sagst mir, daß dich Ewald auszeichnet!

Fr. v. H. Ich glaube es wenigstens bemerkt zu haben.

Fr. v. K. Und wie das, liebes Kind?

Fr. v. H. Weil er absichtlich an meinen Mann verliert, um nur immer willkommen zu sein.

[130] Fr. v. K. Nun mein Kind! Ob er das deinetwegen thut –

Fr. v. H. (mit Wärme): Aber seine Zuvorkommung, seine Besorgnisse um meine Gesundheit, seine sichtbare Freude, wenn er hineintritt, seine theilnehmenden zärtlichen Blicke, wenn er mich unbemerkt ansehen kann, seine –

Fr. v. K. (lächelnd): Ei ei, liebe Cousine, du geräthst in Eifer! Nun, nun, ich bin selbst überzeugt! Aber eben deßwegen, wenn ich an deiner Stelle wäre –

Fr. v. H. Was?

Fr. v. K. Ich würde den braven Mann aufmuntern.

Fr. v. H. Ach Gott weiß, ob ich ihn liebe!

Fr. v. K. Nun so gieb ihm die Erlaubniß dich wieder zu lieben.

Fr. v. H. Aber?

Fr. v. K. Mit Discretion und Delikatesse! – Sieh, liebes Kind! Gewisse Leute verdienen –

Fr. v. H. Aber du überlegst nicht –

Fr. v. K. Mehr als du glaubst. Dein Leben ist mir zu theuer! Es mag ein verzweifeltes Mittel sein, aberdie Curen gelingen gewöhnlich am besten.

Fr. v. H. Aber was soll ich thun?

Fr. v. K. Dem armen Ewald deine Liebe [131] zeigen. –Allons, allons, la petite timide! indem sie sie sanft auf die Wangen klopfte – Und für das Uebrige wird er selbst sorgen.

Frau von H. wollte antworten, aber es kam Gesellschaft, und das Gespräch wurde allgemein.

2. Kapitel

Zweites Kapitel.

Frau von H. war kaum achtzehn Jahre alt, und hatte einen alten Mann von sechszig heirathen müssen. Sie fand den Rath ihrer Freundin vortrefflich, und beschloß, ihn unverzüglich zu befolgen. Ihre Jugend, ihr Temperament, Ewald's Liebenswürdigkeit und seine Zuvorkommung, Alles muß sie bei euch entschuldigen.

Laßt ein Weib einmal entschlossen sein, und sie wird Alles unternehmen. Was war leichter, als Ewald ihre Liebe zu zeigen? Ein einziger Blick, ein einziges Lächeln sagte ihm Alles. In dem Augenblicke putzte sie das Licht, und ihre Hand fand die seinige. Ein zärtlicher Druck, ein kleines geheimnißvolles Briefchen, und der Bund war geschlossen. Freue dich, alter Geizhals, du hast abermals sechs Dukaten gewonnen, aber es wird schon seine Revanche nehmen.

Es schlug zehn Uhr, Ewald empfahl sich; [132] aber er hatte Augustens Briefchen gelesen, und sein Plan war gemacht. Ein bedeutender Blick versicherte ihr's, und sie erröthete. Ewald war reich und angesehen. Der Bediente im hause suchte ein Aemtchen, das von ihm abhieng. Die Bedingungen waren leicht gemacht. – Wie? Was? – Das folgende Capitel wird es erzählen.

3. Kapitel

Drittes Kapitel.

Es war fast Mitternacht; die arme Auguste lag auf Nesseln. – Ach Gott! rief sie endlich: ich muß aufstehen, ich habe entsetzliches Bauchweh! – Der Alte erwachte, und schlich ihr nach. Sie hörte ihn kommen, und freute sich herzlich darüber. Die abscheuliche Kolik! Es ist erschrecklich, was sie leiden muß! – Wenigstens sah es so aus.

Eine Viertelstunde, und der Schmerz ließ ein wenig nach; sie legte sich wieder nieder. Aber kaum war sie im Bette, so mußte sie wieder heraus. Der Alte folgte ihr abermals, und die Farce wurde von neuem gespielt. Sie kam wieder zurück, und mußte zum drittenmal hin. Auf die Art foppte sie ihn ein halb Dutzendmal, denn sie wußte recht gut, was sie thun wollte.

[133] Man kann denken, ob der alte Herr der Promenade zuletzt überdrüssig wurde. Er glaubte endlich überzeugt zu sein, und fieng an einzuschlafen. Kaum hörte ihn das schlaue Weibchen schnarchen, so schlüpfte sie leis zum Bette hinaus, und schnell auf den Vorsaal. Ein kleines Räuspern rufte ihren Freund herbei. Er trug sie auf das Sopha, und vertrieb ihr die Kolik in einem Augenblick.

Eben war er beschäftigt, ihr eine vierte Dosis einzugeben, als er den Alten rufen hörte. – Ah je n'en puis plus! ächzte sie: bleiben Sie nur darin! Ich komme schon! Noch eine feurige Umarmung, und sie mußte ihren wackern Doktor verlassen. Ewald gab dem Bedienten einige Dukaten, und kam unbemerkt aus dem Hause.

4. Kapitel

Viertes Kapitel.

Wer war glücklicher, als Auguste? Schon hoffte sie die kleine pièce à tiroir in einigen Tagen zu wiederholen, als der alte Herr seine Wachsamkeit auf einmal verdoppelte. Hatte es vielleicht der Bediente verrathen? Nein, aber ein Nachbar hatte Ewald im Garten bemerkt, und dem alten Herrn dieses Aviso gegeben.

Das Lustigste war, daß Herr von Hahnrey [134] den Bedienten selbst zu seinem Vertrauten machte. Er befahl ihm nämlich, seine Gemahlin zu beobachten, und versprach ihm vier Groschen Zulage dafür. Ob der arme alte Mann sich lange bedachte? Madame gab ihm Thaler, Ewald Dukaten und einen Einnehmerposten: im Augenblicke wußten sie Alles.

So vergiengen einige Wochen, und trotz der Willfährigkeit des Bedienten war eine Repetition unmöglich. Aber endlich mußte der alte Herr in einer gewissen Sache auf zwei Tage verreisen, und man wußte sich zu entschädigen.

Ewald lag in Angustens Armen, Lippe an Lippe, Brust an Brust gepreßt. Ein kleines Nachtlicht warf den matten Schein in's Zimmer hin, und eine wollüstige Ruhe schwebte über den Ermatteten. Auf einmal stürzte der Bediente herein. – Der gnädige Herr! Der gnädige Herr! Er klopft schon! Er klopft schon!

Er hat sich versteckt gehalten! rief Ewald, aber ich habe schon längst darauf gedacht. Gieb mir deinen Rock und deinen Hut, Johann! Ich will ihm selbst aufmachen. – Gesagt, gethan. Er ist in einem Augenblick verkleidet, eilt die Treppe hinab, läßt den tobenden Alten herein, wirft das Licht und den Ueberrock hin und springt zur Thüre hinaus.

[135] Aber Johann! Johann! Was macht Ihr denn? rief der alte Geizhals: du lieber Gott, wenn Ihr's nun zertretet! – Nun wie steht's? Ist's Revier rein geblieben?

Alles gut, alles gut, gnädiger Herr! rief der eigentliche Johann, zog seinen Rock an, und that, als ob er das Licht suchte. – Es ist unversehrt, aber ich will Ihre Gnaden hinauf führen.

Madame war vergnügt, wie die Weiberchennachher gemeiniglich sind. Dazu kam die Freude, den alten Narren abermals angeführt zu haben, und die schönen Hoffnungen für die Zukunft. Schon dachte sie auf eine neue List, als der gefällige Tod ihren Argus auf einmal zu sich nahm. Jetzt soll sie mein werden, dachte der ehrliche Ewald, und beide Theile wurden vollkommen glücklich.

[136] Die Gondel.

1. Kapitel

Erstes Kapitel.

Ein Gondelier in Venedig hatte ein Weibchen, wie wir sie alle wünschen, jung, schön, feurig, gefällig, mit einem Worte, zur Liebe gemacht. Tausend wünschten ihr Röschen zu pflücken, aber der Mann schien ein Argus zu sein.

Unter der Menge Liebhaber, die um sie seufzten, befand sich auch ein junger Nobile. Lange hatte er gesucht, sich ihr bekannt zu machen; endlich gelang es ihm durch eine Trödlerei. Die List, die Erfahrung, die Beredsamkeit dieser Person hatte den glücklichsten Erfolg. Die Schöne wurde gerührt; nur eine Gelegenheit, und der Nobile sollte glücklich sein.

Aber diese zu finden, war keine Kleinigkeit, denn Josephe ward unaufhörlich bewacht. Ihre Schwiegermutter und ihr Mann ließen sie Tag und Nacht nicht von der Seite. Doch die günstigen Gesinnungen machten den Nobile erfinderisch, [137] seine Gesandtin mußte sie unterrichten, und sein Entschluß war gefaßt.

2. Kapitel

Zweites Kapitel.

Es kam darauf an, mit dem Gondelier vertraulich zu werden, und es gelang ihm ohne Schwierigkeit. Er bediente sich seiner unausgesetzt, und bezahlte ihn wie ein König. Wer war glücklicher, als Corsiolle? Einen so reichen, einen so freigebigen Herrn hatte er noch nie gehabt.

Kaum hatte der Nobile sein Zutrauen gewonnen, als er sich vornahm, seinem Ziele näher zu rücken. – Corsiolle! sagte er: diese Nacht habe ich einen geheimen Besuch zu machen; kann ich auf dich rechnen? – und wenn es in die Hölle wäre! gab Corsiolle zur Antwort; mit Leib und Seele! – Der Nobile unterrichtete ihn von dem übrigen, und die Gesandtin gab ihre Depesche ab.

Es war Mitternacht. Corsiolle verließ sein Weibchen und holte den Nobile ab. Sie durchkreuzten die halbe Stadt, endlich läßt ihn der Nobile halten. – Sind wir da? fragte Corsiolle. – Ja, mein Freund! Erwarte mich hier; [138] fahr nicht von der Stelle, hörst du, ich bitte dich! Du! sollst zufrieden mit mir sein. – Corsiolle versprach es, trank sich auf die gute Bezahlung ein Räuschchen, und legte sich in seine Gondel schlafen.

Indessen eilte der Nobile durch Gäßchen und Gäßchen bis an Corsiolle's Haus zurück. Er kam an; die Schwiegermutter war eingeschlossen, und er flog in Josephens Arme.

3. Kapitel

Drittes Kapitel.

Sie hatte ihn erwartet. Die Hoffnung des Vergnügens machte sie noch einmal so schön. Er war feurig; seine Liebkosungen schienen unerschöpflich! O welcher Unterschied zwischen Ihm und Corsiolle! Josephe schwamm in Entzücken; eine schönere Stunde hatte sie noch nie gehabt. Jeder Kuß, jede Umarmung schien süßer als die vorigen zu sein. Ach, warum konnte sie ihn nicht ewig an ihrem Busen halten!

Aber sie mußten sich endlich trennen, und ihr Freund kehrte zur Gondel zurück. – Haha! rief ihm Corsiolle entgegen! Ew. Gnaden bleiben lange beim Rosenkranz! Potz Fischchen, das heiß ich beten! Drei Siegerstunden! – Nun, [139] der Himmel erhöre Sie! – Der Nobile lachte und schilderte ihm seine Andacht mit den lebendigsten Farben. – Alle Wetter! rief Corsiolle: machen Sie, machen Sie, gnädiger Herr, daß wir nach Hause kommen, ich muß es meiner Frau vorbeten.

Was der Henker! sagte der lustige Nobile, und machte im Augenblick einen neuen Plan. Was der Henker, lieber Corsiolle! Hast du auch eine Frau?

Das wollt' ich meinen! gab der Gondelier zur Antwort; und ein Kernweibchen! Herr, die ist gewachsen! und das Brustwerk – wie ein Granatäpfelchen!

Nun, nun, erwiederte der Nobile mit verbissenem Lachen: so hübsch als das Mädchen meiner Donna kann sie doch nicht sein! – Was wett' ich, Corsiolle,die gefällt dir noch besser.

Corsiolle: Es kommt auf eine Probe an, gnädiger Herr, wenn Sie mir Ihre weisen wollen!

Gut! sagte der Nobile: morgen um die nämliche Zeit besuche ich sie wieder, und da will ich sie bereden, mitzukommen. – Sie schieden, und Corsiolle fand sein Weibchen in tiefem Schlafe. Er wollte seinen Rosenkranz anfangen, aber sie bat ihn, abzulassen. – Ich bin gar [140] nicht wohl, lieber Coisiolle! sagte sie schmachtend, und meine Leser werden ihr's gerne glauben.

4. Kapitel

Viertes Kapitel.

Corsiolle ermangelte nicht, sich die folgende Nacht einzustellen. – Nun, gnädiger Herr! sagte er, als der Nobile in seine Gondel trat: Sie werden doch Wort halten? – Allerdings, lieber Corsiolle! Verlaß dich darauf! – Ja, ja, fuhr jener fort: man sage, was man wolle, man kann doch nicht immer von einem Gerichte essen! So was Extra's! Nicht wahr, gnädiger Herr, das stärkt den Magen!

Unter diesen Gesprächen waren sie fortgefahren, als der Nobile endlich halten ließ und seine Straße gieng. – Nun, gnädiger Herr, vergessen Sie nicht! rief ihm Corsiolle nach: ich kann's meiner Treu kaum erwarten! – Der Nobile versprach es ihm, und Corsiolle nahm sein Fläschchen hervor.

Wir lassen ihn trinken, und finden unsere Liebenden im zärtlichsten Genusse. Der Nobile, schien ein Herkules zu sein; Josephe war außer sich vor Entzücken. Zwei Stunden hatten sie [141] so gekost, als er sie beredete, ihn zu begleiten. Er führte sie zur Trödlerin, ließ ihr ein kostbares Kleid anziehen, schmückte sie mit Juwelen und entdeckte ihr seinen Plan. Sie lachte und freute sich herzlich, ihren Mann zu betrügen.

Sie giengen fort, und erreichten endlich die Gondel. – Corsiolle! – Heda, gnädiger Herr! Potz Fischchen, die sieht ja aus wie eine Prinzessin!

N. Ja, aber es ist auch die Donna selbst.

C. Nun, und wo bleibt denn das Zöfchen?

N. Ich habe sie nicht finden können.

C. Sackerlot, gnädiger Herr! Erst sperren Sie einem das Maul auf –

N. Nun, nun, gieb dich nur zufrieden! Damit du siehst, daß ich mein Versprechen halte, du sollst dieDonna haben! Aber du mußt kein Wort dabei reden, hörst du?

C. Was? O Sie lieber charmanter Herr! Das heiß' ich doch einen Mann von Ehre! Ach ich will so stumm sein, wie ein Fisch; aber geschwinde, um aller Heiligen willen!

Der Nobile sagte Josephen etwas in's Ohr, sie trat in die Gondel, und er spazierte in der Nähe herum.

5. Kapitel

[142] Fünftes Kapitel.

Corsiolle war kein Phlegmatiker. Er nahm die Donna bei der Hand, und eilte, sein Glück zu verfolgen. Seine Pantomime war auch so ausdrucksvoll, daß sie ihn ohne Mühe verstand. Er war unersättlich, und sie konnte sich kaum des Lachens enthalten. Was doch die Einbildung thut! dachte sie bei sich selbst; zu Hause scheint er ein Klotz zu sein.

Endlich wurde dem Nobile die Zeit zu lang, und er rief ihn. – Gleich, gleich, antwortete Corsiolle: ich bin eben am Ufer.

Sie verließen die Gondel. – Sackerlot! sagte Corsiolle heimlich: das war ein Bissen, wie lauter Marzipan! Wenn ich's nicht besser wüßte! Mein Seel, es ist wie bei meiner Frau!

Der Nobile gratnlirte ihm, führte die Schöne nach Hause, und hielt Corsiolle noch eine Stunde auf. Dieser konnte nicht satt werden, die Schäferstunde zu preisen, aber jener wollte vor Lachen bersten.

Als Corsiolle nach Hause kam, war Josephe boshaft genug, ihm Liebkosungen zu machen. – Ach, laß mich schlafen! sagte er verdrüßlich: ich habe die halbe Nacht gerudert.

[143] Der Schiffscapitän.

1. Kapitel

Erstes Kapitel.

M. Hartley war Capitain einer englischen Fregatte, die an der afrikanischen Küste kreuzte. Er hatte sich genöthigt gesehen, eines verlornen Mastes halber in Cadix einzulaufen, und brachte, während daran gearbeitet wurde, seine meiste Zeit am Lande zu.

Eines Tages war er mit Mr. Thomsen, Compagnon eines großen englischen Handelshauses, in eine Messe gegangen, wo die Ladies of easy access am sichersten zu finden sind. Sie standen neben einander, und ließen die frommen Schönen die Musterung passiren, als Capitain Hartley auf einmal wie begeistert ausrief: Bless me! Ein himmlisches Gesicht!

Wo? fragte Mr. Thomsen mit Wärme.

H. Dort am zweiten Pfeiler, in dem goldgestickten Schleier; sie kniet auf einem rothen Kissen.

[144] Th. Sie haben Recht, sie ist zum Entzücken schön!

H. Wissen Sie nicht, wer sie ist?

Th. Sie müssen sie ja kennen, sehen Sie sie nur recht an.

H. Ich? – Sie spassen! Ich bin ja kaum acht Tage hier.

Th. Aber Sie haben ja eine Adresse an den Mann!

H. Was? Don Ramon Ungalde? Ist das seine Frau?

Th. Niemand anders. Hat der alte Schächer nicht einen guten Geschmack?

H. God dam! Aber ich hab' sie noch mit keinem Auge gesehen.

Th. Das will ich glauben! Er bewachte sie wie ein Drache. Sehen Sie das alte einäugigte Weib? Es ist ihre Duenna, eine Taubstumme, und dennoch läßt er sie kaum in die Messe gehen.

H. Rasca! Man sieht's ihr auch an. Armes Weibchen, was sie für einen melancholischen Augen-Aufschlag hat!

Th. Gelt Capitain Hartley! Das wäre eine gute Priese?

H. Bless me! Ich muß Jagd darauf machen.

Th. Wenn der Alte nicht wäre, ich glaube sie striche.

[145] H. Hol' ihn –! Ich attakire ohne Umstände.

2. Kapitel

Zweites Kapitel.

Die Messe war zu Ende, die Versammlung erhob sich; die beiden Freunde postirten sich an die Thüre, um die Schönen zu erwarten. – Sie bleibt knien, sagte Mr. Thomson: sie wird noch eine hören. – Wirklich wurde auch wieder geläutet. – Nun so wollen wir darauf lossteuern! gab der Capitain zur Antwort: und in der Nähe vor Anker gehen.

Sie stellen sich hin, die neue Messe gieng an, die Schöne war in tiefe Andacht versunken. Aber auf einmal sah sie empor. Glücklicher Hartley! Der Blick eines andalusischen Weibes ist eine Erklärung.

Ihre schwarzen feurigen Augen begegneten den seinigen, ihre Flamme reinigte sich. Wild und glühend flogen sie hin und her, und vergessen war Priester und Venerabile. – Dich zu besitzen! seufzte Hartley. – Ihn im Arme zu halten! dachte Manuela. Beide verstanden sich, und beide waren vertraut.

Der Priester erhebt das Venerabile, die Klingel tönte, alles stürzt auf die Knie, Hartley [146] rückte einige Schuhe näher zu ihr. Ein zweites Zeichen, und die Gläubigen schlagen sich an die Brust. Hartley's Arm berührte den ihrigen, er glaubte, einen sanften Gegendruck zu bemerken, und M. Thomson stieß ihn lächelnd an.

Der Priester sprach den Segen, alles erhob sich, alles eilte der Thüre zu. Ein Blick, und Hartley verstand sie. Die Kirche ward leer; der erste Haufen hatte sich hinausgedrängt; auch Manuela stand endlich auf. Thomson vertrat der Donna den Weg, indeß sich Hartley bei dem Weihkessel aufhielt. Manuela kommt; ihre Finger berühren die seinigen; ein leiser Druck, zwei glühende Blicke, und sie ist verschwunden.

Bless me! rief Hartley: und soll ich mein Leben verlieren, ich muß sie haben!

3. Kapitel

Drittes Kapitel.

Schreiben Sie nur Ihr Billet englisch! sagte Mr. Thomson: ich will es Ihnen übersetzen, Sie kopiren es, und dann lassen Sie mich machen.

Hartley schrieb, wie er dachte; der Brief war zum Entzücken. Mr. Thomson übersetzte ihn vortrefflich, ließ ihn vom Capitain copiren, und nahm seine Maßregeln.

Der andere Tag war Festtag. Sie giengen [147] wieder in die Kirche. Donna Manuela erschien; sie war verschleiert, aber sie gab ein Zeichen mit dem Fächer. – Verstehen Sie das? fragte Thomson: Sie küßte ihn, das gilt Ihnen! – Hartley schlug entzückt in die Hände. – Aber das Billet, lieber Thomson? – Lassen Sie mich machen, Sie werden schon sehen!

Sie giengen hinein, und stellten sich ihr gegenüber. Ihr Schleier war zurückgeschlagen; sie lächelte ihren Liebling an, und ihre Augen unterredeten sich. Die Orgel tönt, die feierliche Missa mayor beginnt, die Chorknaben nehmen ihre Rauchfässer, einer von ihnen kniet bei Manuela nieder, wirft sich mit dem Gesicht auf die Erde und betet ein Ave.

Bravo! rief Thomson: jetzt hat sie es.

Was? fragte der Capitain erstaunt.

Ihr Billet! Der Chorknabe hat es ihr zugesteckt.

H. Aber liebster Thomson!

Th. Sein Sie unbesorgt, es ist mein gewöhnlicherPostillon d'amour. Bisweilen eine halbe Guinee und ein Stück Mousselin. – Hier in Cadix weiß man alles zu machen.

Hartley drückte ihm die Hand, und ein feuriger Blick von Manuela kündigte ihm den Empfang an. Sie faltete ihre Handschuhe, und zeigte [148] vier Finger. – Verstehen Sie das? sagte Thomson: um vier Uhr kommt sie in die Vesper.

Sie wollten sich bei dem Weihkessel stellen, um sie zu erwarten, aber sie schüttelte sanft mit dem Kopfe, und Hartley verstand sie.

4. Kapitel

Viertes Kapitel.

Es war vier Uhr; sie traten in die Kirche, und fanden Donna Manuela schon mit ihrem Rosenkranz beschäftigt. Ihre Blicke flogen ihm entgegen, sie ließ den Rosenkranz fallen und schien außer sich zu sein. Die Menge vermehrte sich, das Gedränge ward immer größer, das Geräusch der Betenden immer stärker. Manuela schien die Inbrunst selbst zu sein. Ach sie träumte sich in diesem Augenblicke in seine Arme, und rief die heilige Jungfrau um Begünstigung an.

Endlich war sie fertig, und ein sanftes Lächeln schien um ihre Lippen zu schweben. Sie warf Hartley einen Blick zu, legte den Zeigefinger auf die Lippen, und streckte die Hand aus. – All hands high! sagte Thomson heimlich: merken Sie ja auf, Capitain! Sie hat etwas im Sinne.

In dem Augenblick fühlte Hartley eine Orange zwischen seine Füße kollern. – Ein scharfer [149] Schuß! sagte er, und steckte sie bedachtsam ein. Sehen Sie die artige Penny-Post! fiel Thomson lächelnd ein: aber verlieren Sie nur den Inhalt nicht. Ich hab' es schon! rief Hartley fröhlich, und steckte ein kleines Zettelchen in seine Westentasche.

Die Vesper war jetzt geendigt. Es wurde dunkel, und das Gedränge war unbeschreiblich. Die Freunde waren ihrer Schönen gefolgt, auf einmal fühlte sich Hartley von hinten kizzeln. Er sieht sich um; es war Donna Manuela. Sie reichte ihm die Hand unter dem Schleier, und er empfand zum erstenmal, was eine andalusische Schöne heißt. – God dam! sagte er leise zu Thomson: sie drückt mir Hand und Herz zusammen.

Die Duenna sah nichts, sie wollte eben den Vorhang 1 aufheben. Manuela und Hartley berührten sich, und beide zitterten vor Wollust. Ein Augenblick – Hartley küßte sie auf die Schulter, und sie mußten scheiden.

Was hat sie geschrieben? fragte Thomson, und führte ihn an die Laterne bei einem Marienbild. Hartley zog das Billet heraus und küßte es. – Wenn Sie lieben, wie ich, so werden [150] Sie alles wagen! – O! rief er begeistert: alles, alles, selbst mein Leben für dich! – Der Solano wehte glühender, und auf allen Straßen tönten Voleros und Guitarren.

5. Kapitel

Fünftes Kapitel.

Donna Manuela hatte Hartley in drei Tagen nicht gesehen. – O wenn es sein Ernst ist! sagte sie feurig: wenn er mich wirklich liebt!

Es war Nacht; ihre Fenster giengen auf das Meer; sie lag auf einem Sopha, um die Kühle einzuathmen. Muthig rauschten die Wogen, lebendig fächelten die Lüste, und funkelnd glänzten die Sterne. – O wenn er käme! Wenn er käme! rief sie im Ausbruche der höchsten Leidenschaft, und warf sich seufzend auf dem Sopha hin und her.

Auf einmal, was ist das? Ihre Fenster knistern, ihre Heimchen verstummen, die ganze Decke scheint in Bewegung zu sein. Wäre es möglich? Eine süße Ahndung durchbebt sie; das Geräusch wird immer stärker; die Balken krachen; die Fensterstöcke dröhnen; plötzlich kommen zwei Füße zum Vorschein. – Ah Maria Sanctissima! Eine Mannsgestalt! Hartley springt in ihre Arme.

O Clima von Andaluse! O Schönheit und [151] Lebensgefühl! Trunken von heißer Wollust, Mund an Mund, Brust an Brust gedrückt, sanken sie sprachlos auf das Sopha nieder. Alle Gewänder wichen; alle Glieder verschlangen sich. In ihren glühenden Schoos versunken, von ihren Armen umkettet, überließ sich Hartley dem entzückenden Ungestüm des Genusses. Mit Feuerküssen drückte ihn Manuela heftig an ihr Herz, und flog mit süßem Stöhnen seinen feurigen Bewegungen entgegen.

So waren sie im ersten Rausche wiederholter Genüsse eine entzückende Viertelstunde beisammen, bis die Wonne der Wollust der ersten Befriedigung endlich die Freude des Besitzes weckte.

O einzig geliebtester Mann der Erde! rief Manuela im Ausbruch der glühendsten Leidenschaft, und ihre Lippen suchten die seinigen. – Wie süß hast du mich überrascht! Aber wie konntest du's möglich machen?

H. Ich liebte! – indem er sie feurig umarmte.

M. Aber sage mir, wie Du es anfiengst, trauter Freund meiner Seele?

H. Ich stieg vom Dache 2 eines Landsmanns [152] über dreizehn andere bis zu dem Deinigen fort. Hier knüpfte ich eine Strickleiter an die Balustrade, und so kam ich zu dir.

M. O Gott, du machst mich zittern! Was für ein entsetzliches Wagestück!

H. (lächelnd): Wer von seinem sechsten Jahre an Mastbäume erklettert hat!

Sie antwortete nichts, aber die Liebe belohnte ihn, und er war ein Herkules. Andalusische Weiber! Ihr allein wüßt Wollust zu geben und zu genießen! So vergiengen zwei Stunden wie Augenblicke. – Jetzt, sagte sie: zum letztenmale! – und ihre Seelen floßen noch einmal zusammen. Die Sterne fiengen an kleiner zu werden, und das Feuer des Leuchtthurms verglimmte. – Leb wohl! rief er: in zwanzig Stunden siehst du mich wieder. – In der Vesper! sagte sie zärtlich, und küßte noch seinen Rockschooß. Ein Sprung, und er war auf der Leiter. Schnell flog er über die schweigenden Dächer hin, und kam glücklich bei Mr. Thomson an.

6. Kapitel

Sechstes Kapitel.

Wir sind verrathen! sagte sie leise, und schob die Duenna im Gedränge zur Kirchthüre hinein. Es war dunkel: Hartley nahm die zitternde Manuela [153] bei der Hand und führte sie in das englische Caffeehaus.

Ah Maria Sanctissima! rief sie endlich: der Tyrann weiß alles; man hat dich gesehen.

H. Und erkannt? indem er an seinen Degen griff.

M. Nein, zum Glück nicht! Er vermuthet auf einen andern, aber er hat mir schrecklich gedroht. Nur durch Geschenke konnte ich Xaviera bewegen, in die Vesper zu gehen. O Hartley, ich habe eine Bitte an dich!

H. Rede, sprich, himmlisches Weib! Was kann ich für dich thun?

M. Nimm mich mit dir! Ich habe eine Schwester in Bristol; mache mit mir, was du willst, ich übergebe mich dir mit Leib und Seele.

Hartley schwieg, denn er war tief gerührt. – Sieh, fuhr sie fort: hier sind 20,000 Pesos in Vates, und hier ist mein Schmuck von 40,000. Nimm mich mit, Hartley! Ich will alles mit dir theilen.

H. Komm! rief er begeistert: aber behalte dein Geld. Liebe mich, und die Welt ist mein!

Eben sollte das Seethor geschlossen werden, als sie die Pforten erreichten. Manuela hatte einen Mantel umgenommen, und einen runden Matrosenhut aufgesetzt; sie war völlig unerkenntlich. [154] Sie traten in das Boot des Capitains, und kamen bald nachher am Bord der Fregatte an.

Hier! sagt Hartley: und wehe dem, der dich hier verfolgen wollte! – Mit zärtlicher Inbrunst warf sie sich an seinen Hals, und er gab Befehl, einige Einrichtungen für sie zu machen.

7. Kapitel

Siebentes Kapitel.

Die Fregatte war segelfertig, und Hartley wartete blos auf günstigen Wind, als Don Manuel Ungalde eines Mittags unvermuthet an Bord kam.

Manuela erschrack, aber der Capitain sprach ihr Muth ein, sie war auf englische Art gekleidet, ihr Spencer, ihr Hut, ihre Frisur, alles schien sie unkenntlich zu machen. Ungalde trat herein, und sie begab sich in ihr Cabinet 3.

Hartley empfieng den alten Millionär mit Höflichkeit. – Ach Freund! gab ihm dieser zur Antwort: ich komme her, um meinen Schmerz mit Ihnen zu theilen und mir einen Rath auszubitten.

H. Reden Sie, Sennor Don Manuel! Was von mir abhängt, sein Sie versichert!

[155] U. Mein ehrvergessenes Weib! – Errathen Sie mich, theurer Freund? – Sie ist fort! – Ich fürchte, sie hat sich an Bord –

Hartley war einen Augenblick verlegen, aber er faßte sich bald. – Sie glauben, sie hat sich an Bord eines Schiffes versteckt?

U. Leider! Leider! Ein verdammter Italiäner! – Sehen Sie dort die Genuesische Brigantine? – Ach, theuerster Herr und Freund! Was rathen Sie mir?

H. Armer Mann! Ja, der Genueser wird sich viel leicht durchsuchen lassen. Es ist ein Kauffahrer. Aber wissen Sie es auch gewiß?

U. Sicher! Sicher!

H. Nun so fahren Sie schnell zurück, und holen Sie sich bei dem Marinechef den Visitations-Befehl.

Er wollte gehen; aber Manuela fand die Farce so lustig, daß sie laut auflachte.

8. Kapitel

Achtes Kapitel.

Haben Sie auch Passagiere? fragte der Kaufmann treuherzig.

H. (ohne eine Miene zu ändern): Ja, Sennor Don Manuel! Es ist meine Braut, die Tochter des englischen Consuls aus Tanger. Ich nehme sie mit nach London.

[156] U. Ei so haben Sie doch die Güte und zeigen Sie mir sie. Ich habe noch in meinem Leben keine Engländerin gesehen. Der Herr Schwiegerpapa von Ihnen ist mir sehr wohl bekannt; ein reicher Mann! Ein steinreicher Mann!

H. Mit Vergnügen. Liebe Betty! (in den Verschlag rufend) Einen Augenblick, wenn ich bitten darf!

Manuela zitterte ein wenig, aber sie verließ sich auf ihre Verkleidung, und trat unbefangen heraus.

U. Que hermosa! Ja, ja! Las Inglesas! – Aber liebster Freund! Sie machen mich wehmüthig: sie hat eine frappante Aehnlichkeit mit meiner Frau.

H. Das dächte ich doch nicht.

U. Ich versichere Ihnen! Wenn ich's nicht besser wüßte.

H. Nun so ist mir's lieb, daß Sie selbst gesehen haben. Es gibt müßige Mäuler, und wahrhaftig –

U. Was? Was? Herzensfreund! Um Gotteswillen! Kein Gedanke daran! Ich will's Ihnen schriftlich geben! Jesus Marie Joseph! Sennor Capitain! Sie werden's doch nicht übel nehmen! – Nein, nein, wir bleiben gute Freunde! Hören Sie, haben Sie die Gewogenheit und empfehlen Sie [157] mich Ihrem Herrn Schwiegerpapa; er macht viele Consignationen: zu zwei ein viertel Prozent bin ich jederzeit sein gehorsamster Diener. – Und Mr. Andresen in London meinen unterthänigen Respect, und bitte um Continuation seines Zutrauens. Nun so begleite Sie Gott! – Und die glücklichste Reise!

H. Ich danke Ihnen! Alles, alles soll nach Ihrem Wunsche bestellt werden.

U. A Dios, schöne Engländerin! Beso a Vm. sa mano! 4

Der alte Herr setzte sich in das Boot, und Manuela verbeugte sich stillschweigend. Der Schreck ist einer Erholung werth, sagte der Capitain, und führte sie in die Cajüte.

Ungalde ließ die Genuesische Brigantine bis auf den Kiel durchsuchen, und fand, was wir wissen. Der Wind lief Abends nach Osten; Hartley gieng unter Segel, und Manuela war auf immer verschwunden. Wer sie indessen von meinen Lesern suchen will, der kann sie als Mistriß Hartley zu Bristol wieder finden.

Fußnoten

1 Der in den Kirchen statt zweiter Thüre dient.

2 Wie bekannt sind alle Dächer in Cadix platt, und man kann leicht von einem zum andern kommen.

3 Eine Absonderung von Segeltuch.

4 Ich küsse Ihnen die Hand.

[158] Der treue Diener.

1. Kapitel

Erstes Kapitel.

Warte! sagte Baron Soller, und nahm den Kalender heraus. – Schon sechs Wochen! Wohlan, es biegt oder bricht! Ich muß sie darauf bringen! – In dem Augenblick wurde geklingelt, er zog seine Livrey und spraug vor.

Anton! sagte die schöne gnädige Frau: sind die Bücher noch nicht angekommen? Ich bin so schwermüthig, und habe nichts zu lesen.

Er: Nein, gnädige Frau, noch nicht.

Sie: Traurig, wenn man nichts als die Lectüre hat!

Er: Gewiß! Meinem armen vorigen Herrn gieng es eben so.

Sie: Wie hieß er?

Er: Der Herr Baron von Soller.

Sie (erröthend und erschrocken): Von Soller?

Er: Ja, gnädige Frau! Er schien einen großen Kummer zu haben.

Sie (bewegt): Der arme Mann! Ja, ich erinnere mich seiner. Er hat einen vortrefflichen Charakter.

[159] Er: Er sprach seht oft von Ihnen, gnädige Frau!

Sie (freudig): Von mir?

Er: Tagelang, gnädige Frau! Und dann wurde er immer noch trauriger.

Sie: Der gute Mann! Wo mag er jetzt sein, lieber Anton?

Er: Ich weiß es nicht, gnädige Frau!

Sie: Ich gäbe viel darum, ihn noch einmal zu sehen.

Er: Wenn er das wüßte!

Sie: Er ist mein liebster Jugendfreund gewesen.

Er: Und Sie die einzige Person auf der Welt, die er liebte.

Sie (weinend): Umstände! – Du wirst alles wissen, lieber Anton.

Er: Alles! Alles!

Sie: O wär' es möglich, daß ich ihn noch einmal sehen könnte! Mein Herz ist auf ewig sein.

2. Kapitel

Zweites Kapitel.

Er: Und meines Dein! rief Soller, stürzte zu ihren Füßen, ergriff ihre Hand, und drückte sie an seine Brust. – O Julie! Kennst Du mich nicht mehr?

[160] Sie: Gott! – Anton! – Nein – O Soller! Soller! Welche Ueberraschung!

Er: Wie viel habe ich gelitten!

Sie: Wie oft hab' ich an dich gedacht! Diese Aehnlichkeit –

Er: Tausendmal war ich im Begriffe –

Sie: Aber deine Verkleidung? – Dein Entschluß?

Er: Es war das einzige Mittel, diesen alten Tyrannen zu hintergehen. Du siehst, wie sehr ich in seiner Gunst stehe. O Julie! Ich habe dir alles aufgeopfert.

Sie: Ich fühle es, Theuerster! (mit einem seelenvollen Blicke.)

Er: Darf ich hoffen?

Sie: Schone meine Schwäche!

Er: Um Mitternacht?

Sie (schweigend, aber mit einer Bewegung der Zustimmung.):

Er: Theuerstes, bestes Weib! Warum hab' ich mein Glück so lange verspätet?

Sie: Und ich? – O Soller! Du kennst meine Leiden am besten.

Sie wollten ihr Gespräch fortsetzen, aber Sr. Excellenz, der alte siebenzigjährige Herr geheime Rath, ließen sich auf dem Vorsaal hören, und Soller nahm seine Maske vor.

[161] Nun Anton! rief der alte gichtbrüchige Herr, hab' ich's nicht gesagt, es wird heute regnen; ich fühlt' es gleich in meinem Beine.

Ihro Excellenz haben allemal Recht! gab Soller zur Antwort, und verließ sie.

3. Kapitel

Drittes Kapitel.

Es war Nacht; der alte Herr lag im tiefsten Schlafe; Julie zählte jeden Augenblick. Es schlug zwölf Uhr; das Nachtlicht hatte diesmal schlechterdings nicht brennen wollen. – Bst! – Soller schlich leise herein, und faßte ihre Hand.

O wie glücklich! sagte sie, und drückte ihn an ihr Herz. – Aber? erwiederte er ängstlich. – Ich habe für Alles gesorgt! war ihre Antwort: was du auch hören magst, laß dich nichts irre machen. – Sie faßte seine Hand, und weckte ihren reizenden Ehegemahl.

Er (verdrüßlich und hustend): Was denn? Was denn?

Sie: Vergeben Sie, gnädiger Herr!

Er: Was wollen Sie denn? So lassen Sie mich schlafen!

Sie: Nur einen Augenblick!

Er: Mein Gott! Sie wissen es ja.

Sie: Nur ein Wort!

[162] Er: Aber ich habe Ihnen ja gesagt – Sie sehen ja selbst –

Sie (lächelnd): Sie verstehen mich nicht, gnädiger Herr! Ich will Sie nicht geniren, ich will Ihnen nur ein Wort sagen.

Er: Ist denn das so eilig, daß Sie mich aufwecken müssen?

Sie: Gewiß, gnädiger Herr! Was halten Sie von Anton?

Er: Anton? Wie kommen Sie denn jetzt auf den?

Sie: Sie sollen es gleich hören: sagen Sie mir nur, was halten Sie von ihm?

Er: Ueber Ihre Narrenpossen! – Nun, es ist ein ehrlicher Kerl, den ich wohl leiden mag.

Sie: So? Ein ehrlicher Kerl? Nun, da betrügen Sie sich stark. Ein Schurke ist es, ich gebe Ihnen mein Wort!

Er: Was? Ein Schurke? Woher wissen Sie das?

Sie: Aus seinem eignen Munde.

Er: Wie? – Das ist unmöglich'

Sie: Sie wollen es nicht glauben? Nun so sag' ich Ihnen: er hat mir einen Antrag gemacht.

Er (sich aufrichtend und ernsthaft): Einen [163] Antrag? Wie verstehen Sie das? Reden Sie Madame! Was für einen Antrag?

Sie: Ihre Ehre – Meine Tugend – Verzeihen Sie, die Schamhaftigkeit verbietet mir –

Er: Wäre es möglich? – Ich erwürge ihn mit meinen Händen!

Soller wußte nicht, was er denken sollte; aber sie drückte ihm leis die Hand, und er beruhigte sich.

4. Kapitel

Viertes Kapitel.

Gott Lob! fuhr sie fort: daß ich Sie dasmal überzeugen kann. Ich habe gethan, als ob ich ihn anhörte, und ihn nach Mitternacht in den Garten bestellt. – Ziehen Sie meine Deshabille an, und Sie werden den Schurken ertappen.

Er: Warte, warte, du Bube! – Warte, ich will dich finden! – Wo ist das Kleid? – Geben Sie her! – So! – Auch die Nachthaube! – Jetzt will ich meinen Degen holen! – Ich sehe, Sie sind ein ehrliches Weib!

Sie: Und wenn er noch nicht da sein sollte, gnädiger Herr, so warten Sie nur; er kommt ganz gewiß.

[164] Er: Schon gut, schon gut!

Sie: Sie dürfen nur dreimal husten, das ist das abgeredete Zeichen.

Er: So, so! – (hustet) Ist's das?

Sie: Vollkommen! O gnädiger Herr, wie will ich mich freuen, wenn Sie den Buben ertappen!

Er: Lassen Sie mich nur machen! Ich will ihm das Handwerk schon legen.

Der alte Herr eilte fort, so schnell als er konnte. Julie sprang aus dem Bette, riegelte die Thüre zu, und Soller lag in ihren Armen.

Ach, was hast du mich erschreckt! rief er: liebes listiges Weib! – Wie gut! Wie passend! – Sie erwiederte nichts; seine Liebkosungen schlossen ihr den Mund. Er genoß im reichsten Maße, was zwei Liebende so glücklich macht, und Julie lernte zum erstenmale die Wollust des Himmels kennen.

Eine Viertelstunde war so in süßen Spielen vergangen; endlich schob sie ihn sanft an ihre Seite. – Genug, du Schwelger! Jetzt laß uns auf das Nachspiel denken.

Er: Der alte Mann wird lauern.

Sie: Du mußt ihn ablösen, und ihn von deiner Treue überzeugen.

Er: Halt, süßes Weib! Ich verstehe dich. [165] – Wo ist mein Rohr? – Laß mich machen! – Noch einen Kuß, und er schlich in den Garten.

5. Kapitel

Fünftes Kapitel.

Der Mond stand hinter einer Wolke, und die bezeichnete Allee war völlig dunkel. Soller sah den verkleideten Herrn an einem Baume lehnen, und gieng schnell darauf zu.

Bist du da, Engel? sagte er leise, und hustete dreimal nach einander.

Ja, mein Herz! antwortete der Alte, und erwiederte das Signal.

S. Nun so laß uns gehen!

A. Wohin du willst! – Mein alter Mann liegt in tiefem Schlafe. – Er streckte seinen Arm aus, um Sollern zu führen.

S. Was? Du niederträchtiges Weib! Hab' ich dich ertappt? – Ist das die Treue, die du meinem guten Herrn geschworen hast? – Warte, ich will dich bezahlen! (schlägt auf ihn zu) – Warte, ich will dir meine Liebe beweisen! (verdoppelt seine Schläge) – Da! da! Das ist für deine Schäferstunde! (haut unbarmherzig zu) – Und morgen soll mein guter Herr Alles erfahren.

Aus diesem Tone und in diesem Takte gieng [166] es fort, bis der Alte endlich das Haus erreichte. – Laufe nur! schrie ihm Soller auf der Treppe nach: morgen früh wollen wir schon weiter sehen.

6. Kapitel

Sechstes Kapitel.

Nun, gnädiger Herr! rief das schlaue Weibchen, als er athemlos und hustend in die Schlafkammer stürzte: nicht wahr, Sie haben den Buben ertappt?

Er: Ja, ja! Aber das muß ich ihm lassen: es ist doch ein ehrlicher Kerl!

Sie: Was? (mit verbissenem Lachen.)

Er: Wären Sie nur gegangen, er würde Sie schon zugedeckt haben! – Ich fühle meinen Rücken nicht.

Sie: Sie setzen mich in Erstaunen.

Er: Wie ich Ihnen sage: Wären Sie kein ehrliches Weib gewesen! –

Sie: Gott Lob! Gnädiger Herr!

Er: Er hat Sie nur auf die Probe stellen wollen.

Sie: Was? – Seh,' eins den ehrlichen Menschen an!

Er: Ja gewiß, ehrlich! Aber ich will's ihm auch belohnen, so gut ich kann.

[167] Sie: Auf die Probe stellen? – Aber wissen Sie, gnädiger Herr, daß mich das beleidigt?

Er: Lassen Sie's gut sein, um meinetwillen, ich bitte Sie darum! – Er hat zugeschlagen, wie ein Zuchtmeister, aber ich mache mir nichts daraus. Weiß ich doch, daß Ihr beide ehrlich seid!

Von nun an waren alle Parteien zufrieden. Das schöne Weibchen, der feurige Soller, der argwöhnische Eheherr, alle waren die besten Freunde. Wie viel süße Genüsse! Aber hätte ihn auch der alte Herr in Juliens Armen gefunden, er hätte es doch nicht geglaubt. Eher müßte es ein Blendwerk des Teufels gewesen sein.

O selig sind, die da sehen, und doch nicht glauben!

[168] Das Duell.

1. Kapitel

Erstes Kapitel.

Lieutenant R. Aber wahrhaftig, Herr Bruder, du setzest mich in Erstaunen! – Die junge Oberstin – und das Alles in so kurzer Zeit!

Lieutenant P. Seitdem du auf dem Commando warst.

Lieut. R. Was? Also vier Wochen nach der Hochzeit? – Du bist des Teufels, Herr Bruder!

Lieut. P. Laß es nur gut sein: es ist eine alte Bekanntschaft von mir.

Lieut. R. Was?

Lieut. P. Ich hatte hunderttausendmal mit ihr getanzt.

Lieut. R. Sieh an!

Lieut. P. Wir wohnten kaum zwanzig Schritte von ihrem Hause.

Lieut. R. Und verliebtet euch in einander? – Nun das ist in der Regel!

Lieut. P. Es war immer ein gutes Mädchen! – Gott weiß, wie gern ich sie geheirathet hätte! Aber –

[169] Lieut. R. Freilich! Wir gehen zusammen, Herr Bruder, bis der Himmel daß große Loos gibt! Aber sage mir, wie hat sich denn der alte Oberste –

Lieut. P. Seine erste Frau war noch älter als er; nun er ihr Geld geerbt hat, will er sich an der armen Henriette erholen. Wie es denn geht, Herr Bruder! Die Aeltern waren froh, daß er kam, und mochte sie wollen oder nicht –

Lieut. R. Leider! Leider! Wie alt ist sie denn?

Lieut. P. Neunzehn Jahre.

Lieut. R. Und er neun und siebenzig! Ein schönes Verhältniß, bei meiner Seele! – Aber in aller Welt, Herr Bruder! Wie konntest dn's wagen?

Lieut. P. Als wir ihm die Cour machten – sie erkannte mich den Augenblick. – Es gibt gewisse Blicke – Nachher sah ich sie bei der Parade sie lächelte wehmüthig vor sich hin. – Und zweimal im Theater.

Lieut. R. Und da habt Ihr euch verstanden?

Lieut. P. Wir brauchten ja nur wieder anzuknüpfen.

Lieut. R. Bravo! Ich wünsche dir Glück, Herr Bruder! – Aber der Henker, die Sache ist kizlich!

[170] Lieut. P. Ich verstehe dich. – Mit Vorsicht! – Unsere Maßregeln sind vortrefflich genommen; ihr Mädchen ist ganz auf unserer Seite. Diesen Nachmittag gehe ich zum erstenmale hin.

Sie schieden, und Lieutenant R. blieb auf seiner Wache.

2. Kapitel

Zweites Kapitel.

Endlich! Endlich! rief die arme Henriette, und reichte ihm Hand und Wange hin. Er umarmte sie mit Inbrunst, und sie sank auf seine Schulter.

O welches Leben! sagte sie nach einer Pause, und trocknete sich die Augen. – P. antwortete ihr durch Liebkosungen. – Liebste Henriette! Deine Thränen machen mich unglücklich!

Wenn ich dich nicht hätte! fuhr sie fort: nur deine Liebe kann mich trösten!

Er: Gute, gute Henriette! Ach wer nur Mittel wüßte, sich öfter zu sehen!

Sie (leise und wehmüthig): Leider!

Er wollte fortfahren, als auf einmal der Oberste zu dem Thorweg hereinsprengte. – Himmel! rief Henriette und der Lieutenant wollte zum Fenster hinaus springen. – Nein, nein, bleiben Sie! fuhr sie gefaßt fort: las; mich [171] machen, lieber Leopold! – indem sie ihm ein Glas Wasser über den Aermel goß. Der Oberste kam die Treppe hinauf, und sie gieng ihm entgegen.

O gnädiger Herr! rief sie mit verstellter Aengstlichkeit: denken Sie, was mir passirt ist!

Er: Nun, mein schönes Frauchen! Was denn?

Sie: Da will ich ein Glas Wasser zum Fenster hinaus gießen; glücklicherweise geht der Lieutenant P. vorbei, und die ganze Geschichte kommt ihm auf den Hals.

Er: Ei, ei! – Nun?

Sie: Ich warf schnell das Fenster zu, allein in dem Augenblick trat er in's Zimmer. Haben Sie doch die Güte, gnädiger Herr, und reden Sie mit ihm. Ich weiß nicht, was ich ihm sagen soll; ich bin gleich in das Nebenzimmer gesprungen.

Gut, gut, sagte der Oberste, und öffnete die Thüre: der Herr Lieutenant wird dir's wohl vergeben.

O! rief P., der Alles mit angehört hatte: ich glaubte, es wäre ein Domestike gewesen.

Nein, lieber Lieutenant! gab der Oberste freundlich zur Antwort: hier, mein böses Weibchen! – nehmen Sie's nicht übel! – Ich werde es zu schätzen wissen.

Lieut. P. O mein Herr Oberster! (mit einer tiefen Verbeugung) Jetzt hat es nichts mehr [172] zu bedeuten. Ich empfehle mich Ihrer Wohlgewogenheit! Ihr unterthänigster Diener!

Ein artiger junger Mann! rief der alte Herr: ein recht höflicher verständiger Mensch! – Nun, ich will ihn auch bestens recommandiren. Aber du mußt hübsch vorsichtig sein, liebes Jettchen! – Und nun begann ein langer Sermon, den das junge Weibchen mit Vergnügen hinnahm, indeß P. dem Kammermädchen einige Winke gab.

Ich weiß, was ich weiß! sagte diese beim Auskleiden zu Henrietten, und erzählte ihr Alles. Das arme Weibchen erröthete, und der Oberste klingelte, um noch eine Bouteille anzustechen.

3. Kapitel

Drittes Kapitel.

Gut, sagte Lieutenant R., der Plan gefällt mir! Geh du nur und hole die andern. Um eilfe habe ich die Patrouille, und dann laß mich machen.

Es schlug eilf Uhr; der Oberste saß bei seiner Flasche, und las den unpartheiischen Correspondenten.

Die Straße war völlig todt, aber auf einmal hörte er Degengeklirre. Seine Fenster standen offen; das Geräusch kam immer näher. – Hülfe! Hülfe! – Er sah drei gegen einen, riß seinen Degen von der Wand, und stürzte die Treppe [173] hinunter. – Feige Halunken! rief er, und mengt sich unter sie. Sie fechten; der Angegriffene sinkt zu seinen Füßen. In dem Augenblick hört man die Patrouille; die drei Gegner nehmen das Reißaus, und schreien aus vollem Halse: Mörder! Mörder!

Die Patrouille kam näher, Lieutenant R. an ihrer Spitze; P. schwamm in seinem Blute. Der Oberste stand wie versteinert. – Hierher Grenadiers! – und ohne auf ihn zu hören, wurde er fortgeführt. – Meine Ordre! sagte Lieutenant R.: der Herr Oberste wissen das besser als Ich:

So kamen sie auf der Hauptwache an, indeß Lieutenant P. in das Haus des Obersten gebracht wurde.

4. Kapitel

Viertes Kapitel.

Geschwind andere Wäsche! rief Henriette. – War es nicht gut ausgedacht? sagte P. und gab dem Mädchen die Blase mit dem Kälberblute. – Deine Freunde haben dir treulich geholfen, fuhr Henriette lächelnd fort, indeß er sich hinter dem Schirm umkleidete.

Alles war jetzt in Ordnung. Das Mädchen zündet das Nachtlicht an; die Liebenden waren allein. Glückliche Stunde! Sicher und ungestört konnten sie Alles genießen, was die Liebe Zärtliches [174] hat. – Liebesgöttin! seufzte P. – Theurer Mann! lispelte Henriette. – O, der Genuß, durch Liebe verschönert, ist der eigentliche Vorschmack des Himmels.

So vergieng die Nacht, wiewohl für beide zu schnell. Gegen Morgen schlich sich P. durch eine Hinterthüre ins Feld, und kam auf einem andern Weg in die Stadt. Er gab vor, über Land gewesen zu sein, und niemand vermuthete, das Gegentheil. Die Schildwache hätte ihn vielleicht in dem Hause des Obersten verrathen können, aber der Kerl war von seiner Kompagnie und mit zwei Thalern gestempelt.

Indessen hatte der Oberste bis zum Rapport auf der Wache bleiben müssen, und wurde jetzt in einer Chaise nach Hause getragen. Niemand wußte, was aus dem Verwundeten geworden war; niemand klagte, niemand inquirirte, und in acht Tagen war Alles vergessen.

Indessen empfand der Oberste die Folgen der Alteration noch diesen Morgen. Er bekam eine heftige Magenkolik, zu welcher der Brand schlug, und mußte den Weg alles Fleisches gehen. Henriette wurde Universalerbin, und Lieutenant P. bald darauf ihr glücklicher Mann.

[175] Die Fremde.

1. Kapitel

Erstes Kapitel.

v.K. Pardi! Herr Bruder, du bist des Teufels!

v.O. Man muß sein gutes Glück verfolgen!

v.K. Aber, wie in aller Welt hast du das angefangen?

v.O. Nichts leichter! Ich sah sie das erstemal auf der Redoute, wir tanzten zusammen, und die Bekanntschaft war gemacht.

v.K. Du hast ein eigenes Talent dazu.

v.O. Es ist eine Gabe Gottes; ich weiß es selbst nicht.

v.K. Aber der Ehewächter?

v.O. Er machte Bank, und gab nur auf seine Karten Acht.

v.K. Wie konntest du aber? –

v.O. Sie war ein wenig in Wallung, und sprach selbst davon.

v.K. Freilich, wenn's einem so nahe liegt.

[176] v.O. Er ist in seinem ganzen Leben nur mit Pferden und Hunden umgegangen. Aber sie – wahrlich wenn du sie sehen solltest, es ist ein göttliches Weibchen! So sanft, so duldend, so zärtlich!

v.K. Ich glaube es gern. Aber du wagtest doch verdammt viel, gleich den dritten Tag –

v.O. Sie gab mir es ja zu verstehen – der Patron war auf der Fuchshetze.

v.K. Und dann total glücklich!

v.O. Total, wie ich dir sage: Tout ou rien!

v.K. (mit der Pantomime des Vergnügens) Ich gratulire! – Aber nun ist's auch vorbei: sie sind auf dem Gute.

v.O. Vorbei? – Glaube das ja nicht!

v.K. Aber die Möglichkeit?

v.O. Sehr leicht. – Willst du mir helfen?

v.K. Wenn ich kann, von Herzen gern.

v.O. Schlag ein! Ich will dir's in zwei Worten sagen.

Sie setzten ihren Spaziergang fort, und die Sache war verabredet.

2. Kapitel

[177] Zweites Kapitel.

Es war ein schöner Herbstabend, und Frau von P. saß im Garten und dachte an ihren Liebling. Herr von P. besah seine Stuterei. Auf einmal bließ ein Posthorn, und aus den Staubwolken wurde eine Equipage sichtbar. Sie hielt an dem Hause, und alle Bedienten stürzten hinzu.

Herr von K. mit seiner Schwester; sie kommen aus dem Bade. Kaum waren sie angemeldet, als ihnen Herr und Frau entgegen eilten. Herr von K. war ein rüstiger Jäger, und seine Fräulein Schwester eine sehr interessante Figur. Man hatte viel zu fragen, und noch mehr zu erzählen. Doch schien Fräulein Julie ein wenig schüchtern zu sein, da sie erst vor kurzem aus der Provinz gekommen war.

Man setzte sich zu Tische, Frau von P. konnte nicht satt werden, das Fräulein anzusehen. Sie fand so täuschende Aehnlichkeiten; sie hatte so süße Erinnerungen, und mußte dennoch selbst darüber lächeln. Aber auch das Fräulein schien viel Zärtlichkeit für sie zu haben; sie drückte ihr häufig die Hand, und sprach fast beständig mit ihr.

So kam eilf Uhr heran, und es war endlich [178] Zeit, schlafen zu gehen. – Ich habe eine Bitte an Sie, allerliebste Freundin! lispelte das Fräulein: es ist mir un möglich, allein zu schlafen; wollten Sie mir ein Plätzchen in Ihrem Zimmer einräumen?

Mit Vergnügen! antwortete Frau von P. erröthend: es stehen gerade zwei Betten darin.

Bon soir Mesdames! – Die Herren blieben noch bei ihren Bouteillen, und die beiden Damen traten in ihr Zimmer.

3. Kapitel

Drittes Kapitel.

Wir wollen eine die andere ausziehen! sagte das Fräulein lächelnd, und machte mit Frau von P. den Anfang. – Kleine Lose! fiel diese ein, als sich ihre Hände an ihren Busen verirrten. Ich bin schon fertig, setzte sie hinzu: ich habe blos die Levite an.

Und ich ebenfalls, fuhr das Fräulein fort, und putzte das Licht aus. – Ich will dem Mädchen klingeln, sagte Frau von P.; aber das Fräulein fand es bei dem Mondschein hell genug, warf die Kleider ab, und schlüpfte ins Bette. – Es ist zweischläfrig, sagte Frau von P. lächelnd und zärtlich: werden wir uns auch vertragen? [179] – Gewiß, gewiß, meine Allerbeste! rief das Fräulein, und zog dic Zögernde vollends hinein.

Kaum hatte sich Frau von P. gelegt, als sie sich heftig umarmt fühlte, das Fräulein bedeckten sie mit ihren Küssen, und ihre Glieder verschlangen sich mit den ihrigen. – Himmel! was machen Sie, böses Kind? rief sie schmachtend und außer sich: ich werde ohnmächtig werden! – In dem Augenblick hatten sich die verrätherischen Hände des Fräuleins verirrt; Frau von P. wollte ihr abwehren, stieß an ihr – Nicht – Ich – und that einen lauten Schrei.

4. Kapitel

Viertes Kapitel.

Um Gotteswillen! rief der Herr von O.: ich bin es, theuerste Freundin! Kennen Sie mich nicht? – und seine Liebkosungen ermunterten sie.

Ach! gab sie seufzend zur Antwort: so habe ich mich nicht getäuscht! – Aber wie haben Sie mich überrascht.

Er: Wirst du mir verzeihen, liebes gutes Weib?

Sie: Mein Herz sagte mir's im ersten Augenblicke, und dennoch wagte ich's nicht, zu hoffen.

[180] Er: O so ist mir Alles gelungen! Laß uns glücklich sein, theuerste Julie!

Sie: Böser Mann, mich so zu erschrecken!

Er: Ich will dir tausend Küsse dafür geben.

Sie: Und mir auch kein Wörtchen vorher zu sagen!

Er: Um dir das Vergnügen aufzusparen. – Wirst du noch länger zürnen?

Sie: Bis ich dich abgestraft habe, du lieber böser Mann!

Süße wollüstige Strafe! Wie gern wollte ich mich ihr unterwerfen! Wie gern wollte ich mein Urtheil von diesen Lippen hören und in ihren Armen sterben! – So vergieng die Nacht, und der Morgen fand die süßen Schlafgefährtinnen zärtlicher als jemals.

Sie müssen ein Paar Tage hier bleiben, sagte Herr von P.: ich will Ihnen mein Revier zeigen.

Wer war entzückter, als die beiden Fremden? Die Herren giengen auf die Jagd: die Unzertrennlichen in die Eremitage.

Glückliche Tage, wo sie still und ungestört sich und ihre Liebe genossen! Am vierten endlich mußten die Fremden aufbrechen. So vielmal der Freund schon Abschied genommen hatte, die Freundin hatte doch noch einen Kuß zu fordern.

[181] – Nun, so geben sie mir bald wieder die Ehre! sagte der Heil von P.: nicht wahr, meine wilden Schweine sind der Mühe werth?

Und deine Turteltäubchen noch mehr! sagte Herr von K. leise, und der Wagen rollte fort.

[182] Dir Hosen des heiligen Bernhard. 1

1. Kapitel

Erstes Kapitel.

Augustina! Augustina! Geschwinde! Geschwinde! rief Maria ihrer Schwester zu: Bruder José geht mit dem Pater Prior vorbei! – Augustina flog hinzu, und beide Schwestern sahen den Mönchen mit Vergnügen nach.

Der Prior sah sich recht nach dir um, fuhr Maria lächelnd fort.

Augustina: Sie werden wohl wieder vorbei kommen. Sieh' doch, ob meine Retesilla 2 gut fällt.

Maria: Alles gut! – Bruder José lachte mich an, wie ein Engelchen.

[183] Augustina: Mir gefällt nun der Pater Prior besser; er ist schöner gewachsen.

Maria: Dafür ist Bruder José auch stärker. Wenn war's denn, als sie das erstemal Chocolade hier kauften?

Augustina: Morgen wird's vierzehn Tage. Weißt du noch, was der Prior sagte?

Maria: Wir hätten die beste Chocolade in ganz Barcellona.

Augustina: Aber ich gab ihm auch von Nro. I. für achtzehn Realen, mit Vanille und Ambra.

Maria: Und Bruder José wollte mir formen helfen.

Augustina: Und der Pater Prior fragte mich, was mein Mann machte?

Maria: Apropos! – Ja, was sagtest du denn?

Augustina (seufzend): Was sollte ich sagen? – Er mochte es errathen.

Maria: Nun das weiß ich, Schwester! So einen Lazarus nehm ich mir nicht.

Augustina: Ja wer's gewußt hätte! – Aber still! Hörst du sie reden? – Geschwinde setze dich dorthin.

Maria: Ja wahrhaftig, sie sind es!

2. Kapitel

[184] Zweites Kapitel.

Die Herren traten herein, und wurden mit Auszeichnung empfangen. Uniformen und Mönchskutten haben von jeher die Weiber bezaubert. Die Söhne des heiligen Bernhard hatten längst gemerkt, wie sehr sie willkommen waren, und ihren Plan gemeinschaftlich gemacht.

Aber Donna Augustina! hub der Prior an: man sieht Sie so selten! – Gehen Sie denn gar nicht aus?

Augustina: Ehrwürdiger Pater Prior! Meine Geschäfte –

Prior: Was! Ihre Geschäfte? – Ein schönes Weibchen muß sich nicht –

Augustina (freundlich): Und wenn ich auch einmal – so – (abbrechend):

Prior (vertraulich): Dürfen Sie nicht, armes Weibchen? (ihre Hand fassend.)

Augustina (treuherzig): Sie haben's errathen! Was soll ich's läugnen, ehrwürdiger Pater Prior!

Prior (rückt näher): Sie sind unglücklich, Augustina!

Augustina: Ich bin wenigstens nicht glücklich, ehrwürdiger Pater Prior!

Prior: Jesus Maria José! Wie bedaure [185] ich Sie, armes, armes Weibchen! (ihre Hand mit Inbrunst drückend.)

Augustina (sich zu ihm beugend): Mein abscheulicher Mann! (weinend und schmerzhaft) Ach Gott, wie bin ich betrogen worden!

Prior (treuherzig): Haben Sie keinen Freund?

Augustina: Wer sollte sich eines armen unglücklichen Weibes annehmen?

Prior (leis, aber mit steigender Wärme): Ich! – Ich! – Rechnen Sie ganz auf mich, Augustina!

Augustina (gerührt): Ehrwürdiger Pater Prior!

Prior (wie vorher, und ihre Hand an sein Herz drückend): Ich will dein Freund, dein Vertrauter, dein Tröster, dein Alles sein!

Augustina (sanft und zärtlich): Guter, theuerster Pater Prior!

Prior (ihre Hand unter dem Scapulier streichelnd): Ich will Balsam auf dein leidendes Herz gießen; ich will deine Schmerzen stillen und deine Thränen abtrocknen!

In diesem Tone fuhr er fort, und Augustina wurde mit jeder Minute verliebter. Eben so gute Fortschritte machte Bruder José bei Marien. Es waren ja zwei schöne rüstige Mönche, [186] die auf jeden Fall die Absolution im Voraus geben konnten.

3. Kapitel

Drittes Kapitel.

Nach acht Tagen war die Intrigue in vollem Gange. Die beiden Schwestern hörten in dem Minoritenkloster täglich die Messe, und giengen jeden Sonnabend zur Beichte. Bald folgten sie dem Rosario, bald fanden sie sich bei einer Novena ein; nie waren sie noch so andächtig gewesen.

Auch die Patres giengen nun fast täglich durch die Straße. Bald kauften sie Chocolade ein; bald hatten sie sich nach etwas zu erkundigen; bald begegneten sie ihnen an der Kirchthüre, um ihnen beim Weihkessel die Hand zu drücken; kurz, die partie quarrée verstand sich vortrefflich.

Die Hauptsache aber war der heilige Beichtstuhl. Hier wurden die eigentlichen Rendezvous gegeben; die zärtlichsten Gespräche unter vier Augen gehalten, und Küsse und Liebkosungen im stillen Dunkel erlaubt. Kein Scrupel, keine Bedenklichkeit, keine Gewissensangst. – Die Absolution nahm alles weg.

[187] An einem dieser glücklichen Sonnabend wurde nun auch endlich das Letzte verabredet. Der schwindsüchtige Don Fernandez mußte auf einige Tage verreisen, und die zärtlichen Paare setzten eine Zusammenkunft fest.

4. Kapitel

Viertes Kapitel.

Die Patres kamen an; man setzte sich zum Abendessen; der Becher gieng fröhlich herum; die Augen wurden immer zärtlicher, die Scherze immer freier, die Liebkosungen immer feuriger. Endlich verlöschten die Lichter, und jedes Paar fand sich zusammen wieder.

O Augustina! O Maria! Wie entzückend überschattete euch der heilige Bernhard! Seine kostbaren Reliquien an eure Körper gebracht, goßen Segen und Wollust über euch aus. Ihr wurdet der Erde entrückt; ihr schwebtet in den Himmel der Seligen; ihr hörtet die Harmonien der Cherubin, und sanket anbetend mit ihnen nieder.

Zwei Mönche, und zwei junge Weiber! – Man kann sicher etwas voraussetzen: zwei spanische Mönche, und zwei junge spanische Weiber! Man kann alles erwarten. Auch [188] thaten die frommen Seelen Wunder: sie starben, und standen ein Dutzendmal auf; und wenn sie sich noch so sehr verblutet hatten, huben sie doch nach einigen Minuten wieder triumphirend ihr Haupt empor.

Eben waren die Patres im Begriff, ihre letzte Oelung zu geben, als Don Fernandez heftig an den Laden klopfte. Kaum hatten sie Zeit, das Allelujah zu sagen, als er schon die Thüre einbrach. Noch eben gelang es ihnen, sich in den Garten zu retten, doch mußte der Pater Prior seine Holen im Stiche lassen.

5. Kapitel

Fünftes Kapitel.

Zum Teufel, sagte der Mann, und stürzte athemlos in das Zimmer. So macht doch auf! Ich bin die halbe Nacht gerennt, um fünfzig Pfund von Nummer I. zu holen, und muß mir da die Patrouille nachsetzen!

Die Weiber lachten in's Fäustchen, und entschuldigten sich bestens. – Aber, was der Henker! fuhr er fort: was sind denn das für ein Paar Hosen?

Ach, lieber Schwager! fiel Marie ein: um Gotteswillen, gehen Sie andächtig damit um! Es sind des heiligen Bernhard seine.

[189] Don Fernandez: Des heiligen Bernhard seine? – Jesus! Maria! Joseph! Wie kommen denn die her?

Augustina: Ach, sie haben ein Wunder an uns gethan!

Maria: Ja, Hermano! Augustina glaubte zu sterben.

Augustina: Ich hatte die heftigste Kolik von der Welt!

Maria: Und alle Hülfsmittel waren vergebens.

Augustina: Endlich fiel es Maria ein, zu den Minoriten zu schicken.

Maria: Sie haben sie nur erst kürzlich vonRom bekommen.

Augustina: Und da kam der fromme Prior selbst.

Maria: Und so wie er sie applicirte, hörte der Schmerz augenblicklich auf.

Don Fernandez (der lange in tiefer Verwunderung gestanden hat, schlägt endlich die Hände zusammen): Per Maria Sanctissima! Heute ist meinem Hause Heil wiederfahren! Lege sie dort in den Glasschrank, Mariechen; morgen werden sie sie wohl holen. – Ah benditas sean las calrones de san Bernardo! 3

[190] Die beiden Schwestern wollten sich die Zunge abbeißen, aber kaum läutete die Metten, so sprang Maria fort, und erzählte das Vorgefallene Bruder José.

6. Kapitel

Sechstes Kapitel.

Da wollen wir bald Rath schaffen, sagte der Prior, und befahl dem Bruder Glöckner, zu läuten. Die ganze Brüderschaft versammelte sich, der Prior trat an ihre Spitze, und so zogen sie in Prozession zu Don Fernandez.

Der Prior winkte Bruder José, der ein Tabernackel trug, und sie giengen hinein. Don Fernandez küßte ihnen die Hände, und stotterte Danksagungen für die empfangene Wohlthat. Die Mönche behaupteten ihre Gravität, und forderten die heilige Reliquie zurück.

Don Fernandez öffnete den Schrank, legte die Hosen in ein seidenes Tuch, und überreichte sie dem Pater Prior mit einem Fußfall. Der Prior steckte sie in das Tabernackel, und ließ sie die Anwesenden küssen. Die beiden Schwestern thaten es mit Inbrunst, und er drückte ihnen verstohlen die Hand.

Die Prozession gieng zurück; ihr feierlicher Gesang rief das Volk herbei, und jeder wollte [191] die Hosen küssen, die Weiber, um fruchtbar, die Männer, um mannhaft dadurch zu werden.

Mundus vult decipi, sagte der Prior leise zu seinem Schildträger. – Ergo decipiatur! gab Bruder José zur Antwort: auf den Abend ist er wieder fort.

Wirklich stellten sich auch die Wunderthäter wie der ein, und die frommen Schwestern hatten die Freude, nicht nur die irdische Hülle, sondern auch ihren Heiland im Fleische zu schauen.

Fußnoten

1 Man würde dem Verfasser Unrecht thun, wenn man glauben wollte, er habe die Absicht, die ächten heiligen Reliquien lächerlich zu machen. Er kennt und verehrt sie, wie er soll. Seine Satyre trifft nur die Bosheit und die Irreligiosität des schändlichen Mißbrauches.

2 Haarnez, welches die spanischen Weiber statt der Haube tragen.

3 Gebenedeiet seien die Hosen des heil. Bernhard.

[192] Der Koffer.

1. Kapitel

Erstes Kapitel.

Ich: Gehen Sie nur weg; sie sind alle schwach!

Er: Keine Regel –

Ich: Alle, alle ohne Ausnahme! Ich gebe Ihnen mein Wort.

Er (ernsthaft): Meine gewiß nicht!

Ich: Ich habe nicht die Ehre, sie zu kennen. Indessen s'ist eine Frau.

Er: Aber was für eine Frau! – So ein Weib soll noch geboren werden!

Ich: Ich gratulire Ihnen! – Gleichwohl ist es nicht unmöglich –

Er: Was? Und wenn Kaiser und Könige kämen!

Ich: Soviel braucht es gar nicht. Ich zum Beispiel, Ich mache mich anheischig – Sehen Sie, ich wette tausend Thaler!

[193] Er (hitzig): Und ich setze meinen Kopf, Sie ziehen mit Scham und Schande ab.

Ich: Was hilft mir Ihr Kopf! Wenn es Ihr Ernst ist, so wetten Sie gegen mich.

Er: Sie wollen Ihr Geld verlieren, Gut, ich wette tausend Thaler!

Ich: Bon! Aber wir müssen uns auch verständigen. Wie viel Zeit wollen Sie mir dazu lassen?

Er: Wie viel Sie wollen.

Ich: Es sind zehen Meilen nach L. Zwei Tage hin, den dritten Rasttag. – Wissen Sie was, in längstens vierzehn Tagen.

Er: Desto besser! Bringen Sie mir gleich das Geld mit.

Ich: Schon gut! Aber hören Sie, noch eins!

Er: Nun?

Ich: Sie müssen Ihrer Frau schlechterdings nichts davon schreiben.

Er: Kein Wort! Hier haben Sie meine Hand darauf!

Ich: Gut, ich werde Ihnen ihren Trauring bringen.

Er: Den könnten Sie auch durch eine dritte Person bekommen.

Ich: Das ist wahr! Hat Ihr Weibchen nicht sonst eine Eigenschaft?

[194] Er: Ich vermuthe!

Ich: Nun, wenn ich Ihnen die beschreiben kann –

Er: Dann ist das Unmögliche möglich geworden, und ich habe verloren.

2. Kapitel

Zweites Kapitel.

Allons Courage! sagte ich, als ich nach einem starken Ritte endlich in L. ankam: nur das rechte Fleckchen getroffen, sie sind alle zu haben! – Ich logirte mich in den Gasthof ein, und fieng den andern Tag meine Beobachtungen an.

Die Nachrichten waren nicht günstig, ich gestehe es. Jedermann beschrieb mir Madame als eine Einsiedlerin, und als ein Muster von Gottesfürchtigkeit. Dennoch verlor ich den Muth nicht. Wagen gewinnt! Laßt uns das ärgste probiren!

So waren beinahe acht Tage vergangen, als ich ein altes Mütterchen kennen lernte, die täglich zu Madame gieng. Ich machte sie treuherzig, ich schenkte ihr Wein und Branntwein, alles ließ sich vortrefflich an. – Wenn es möglich wäre! sagte sie endlich, und fünfzig Dukaten hoben alle Zweifel.

[195] Alles war abgeredet, ich triumphirte, und sie verschloß den Coffer. Sie wollte ihn in die Schlafkammer setzen, sagte sie lächelnd. In dem Augenblick kamen die Träger, und trugen ihn zu Madame.

3. Kapitel

Drittes Kapitel.

Nur hierher in den Winkel! hörte ich Madame sagen. Sie setzten mich nieder, und so war ich glücklich im Hause. Freilich mußte ich einige Stunden warten, aber endlich schlug es Zehn, und das schöne Weibchen gieng schlafen.

Alle meine Augen waren am Schlüsselloche, aber ich sah nichts als ihren schönen Rücken. Jetzt löschte sie das Licht aus; jetzt hörte ich sie in das Bette steigen; sie schien zu seufzen und den Namen ihres Mannes zu nennen. Vortrefflich! dachte ich, und mein Plan war gemacht.

Es schlug eilf Uhr. Ich hatte das Schloß an meinem Koffer geöffnet, sie lag im tiefsten Schlafe. Leise stieg ich heraus, und schlich an ihr Bette. Es war heiß, sie hatte die Decke abgeworfen. Zitternd vor Wollust schlüpfte ich hinein, und legte mich neben sie.

O Joseph! rief sie auf einmal, und ihre [196] weiche Hand sank sanft in meinen Schooß herab. Sie schien zu träumen, ich beugte mich zu ihr, und küßte sie.

Jesus Maria! rief sie erschrocken, und lichtete sich im Bette auf. Wer ist da?

Ich (mit verstellter Stimme): Dein Joseph! Dein trauter Mann!

Sie (entzückt): Ach so war es kein Traum! So haben die heiligen Engel –

Ich: Auch ich träumte bei dir zu sein, und fand dich auf einmal an meiner Seite.

Sie: O heilige Mutter Gottes! Du hast mein Gebet erhört; du hast ein Wunder für deine Tochter gethan.

Ich: Ja gewiß ein Wunder, meine traute Agnes! Laß uns genießen, der Himmel selbst hat diese Nacht geheiligt!

Ich faßte sie in meine Arme, sie war Feuer und Flamme. Ein Genuß, eine Wollust! – Ihre Liebkosungen, ihre zärtlichen Namen, ihre süßen Bitten, ihre üppigen Umarmungen, alles konnte ich wieder erzählen. Alles war mir enthüllt, alles war mir erlaubt; ich umspannte die reizenden Formen ihres Körpers, und entdeckte ein kleines sammtenes Mal.

Drei entzückende Stunden waren vergangen, sie schlief vor Ermüdung ein. Leise, wie ich gekommen[197] war, schlüpfte ich wieder in meinen Koffer, und der Brautring war in meinen Händen.

4. Kapitel

Viertes Kapitel.

Der Tag brach an, sie schien ihren Joseph zu suchen. Süßer entzückender Traum! rief sie wehmüthig. Und doch wahrer, als die Wirklichkeit selbst! Sie kleidete sich an, meine Augen schweiften noch einmal auf ihrer schönen Gestalt umher, doch bald kam die Alte zurück, den Koffer wieder abholen zu lassen.

Tausend Dank! sagte sie: tausend Dank, liebe beste Madame! Das Soldatenvolk ist wieder ausmarschirt, ohne Ihre Güte hätten sie mir Alles genommen.

Ich bezahlte sie und gieng in meinen Gasthof zurück, denn ich hatte Ruhe nöthig. Schon freute ich mich auf die lustige Scene der Erklärung, als die Thüre aufgieng, und der gute Herr selbst hineintrat.

Ich komme selbst, sagte er: meine Geschäfte sind abgethan, und so wollte ich Ihnen die Reise ersparen. Nun, habe ich nicht Recht gehabt?

Ich: Allerdings, es ist ein bildschönes Weib![198] Busen, Hüften et caetera, bis auf das kleine sammtene Mal unter der linken Brust.

Er: Was? Was? – Ich bin des Todes!

Ich: Und die süßen Diminutive, und das schöne Anschmiegen et caetera, indem ich ihm die genauesten individuellesten Details gab.

Er: O heiliger Antonio! Ich bin verrathen, ich bin ruinirt!

Ich: Sie sehen also, daß ich gewonnen habe.

Er: Ja, ja! Alles, alles! Und die Hölle auch dazu! O Weiber! O Weiber!

Ich: Es thut mir leid, aber warum nahmen Sie die Wette an. Sie mußten auf besten wissen. –

Er lief wie unsinnig im Zimmer herum, und die ganze Sache fieng an, mich zu gereuen. Da es mir indessen schien, als ob ihn die tausend Thaler am meisten schmerzten, so wollte ich ihm wenigstens einen Kummer abnehmen.

Ich bin bezahlt! sagte ich: eine solche Nacht ist wohl zehntausend Thaler werth. Aber wetten Sie in Ihrem Leben nicht wieder.

Und ich auch nicht! dachte ich, denn im Trunke beschließt man nichts als Albernheiten.

[199]

Notes
Erstdruck: 1801. Die Erzählsammlung wurde von Christian August Fischer unter dem Pseudonym Christian Althing veröffentlicht.
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TextGrid Repository (2012). Fischer, Christian August. Dosenstücke. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-A7E9-D