[383] [387]Ernstliche Ermanung an die lieben Teutschen, auß anlaß dises beigesetzten Bilds des Teutschlands angebracht
J.F.M.


Was hilffts, O Teutschland, daß dir gfallt
Dis Bild so herrlich Sighafft gstallt,
Daß es bedeit der Teutschen Macht,
Die vnter sich der Welt Macht bracht,
Vnd daß du weyst, daß dein Vralten
Den Namen mit Ruhm han erhalten,
Wann du dasselbig last veralten,
Was dein Voralten dir erhalten,
Wann nicht dasselbig willt verwaren,
Was dein Vorfahren dir vorsparen,
Wann nicht den Namen willt vermehren,
Der auff dich erbt von grossen Ehren?
Was ists, daß man sich rühmet hoch
Der Elttern vnd folgt jhn nicht noch,
Bist Alter Tugent grosser Preiser,
Aber der Tugend keyn Erweiser,
Thust gut Alt Sitten hoch erheben,
Vnd schickst doch nit darnach dein leben?
Was rühmst du dich vil Adelichs
Vnd thust doch nichts, dan Tadelichs?
Was Ruhm hat der jung Adler doch,
Wann er sich rühmt der Eltern hoch,
[387]
Wie sie frei wohnten inn Bergs klüfften
Vnd frei Regierten inn den Lüfften,
Vnd er sitzt gfesselt auff der Stangen,
Muß, was der Mensch nur will, jm fangen?
Also was ist dir für eyn Ehr,
Wann rühmst die Alten Teutschen sehr,
Wie sie für jhre Freiheyt stritten
Vnd keynen bösen Nachbarn litten,
Vnd du achtst nicht der Freiheyt dein,
Kanst kaum inn deim Land sicher sein,
Last dir dein Nachbarn sein Pferd binden,
An deinen Zaun fornen vnd hinden?
Sollt auch solch Feyger art gebüren,
Daß sie soll Kron vnd Scepter führen?
Ja jr gbürt für den Königsstab
Eyn Höltzin Roß, welchs sie nur hab,
Vnd führe für den Adler Kün
Eyn bundte Atzel nun forthin,
Vnd für den Weltapffel eyn Ball,
Den man schlägt, wann er hupfft im fall,
Weil heut doch schier keym ernst ist mehr,
Handzuhaben Freiheyt vnd Ehr,
Sonder man schertzt nur mit der Freiheyt,
Sucht fremde Sitten, Bräuch vnd Neuheyt,
Vnd für Alt Teutsch Standhafftigkeyt
Reißt ein Weibisch Leichtfertigkeyt.
Drumb ist nichts, daß man Adler führt,
Wann man den Adlers Mut nicht spürt,
Nichts ists, daß man den Scepter trägt,
Vnd jn wider keyn Vntreu regt;
Nichts ist, daß man fürmalt die Welt
Vnd kaum eyn Stuck der Welt erhällt;
Sonder man muß erweisen fein
Diß, des man will gerühmet sein,
Vnd nicht der Alten Wacker Thaten
Schänden mit vnthun vngerahten.
[388]
Auffrecht, Treu, Redlich, Eynig vnd Standhafft
Das gwinnt vnd erhällt Leut vnd Landschafft:
Also wird man gleich vnsern Alten;
Also möcht man forthin erhalten
Den Ehrenruhm auff die Nachkommen,
Daß sie demselben auch nachomen,
Vnd also kan man sein eyn Schrecken
Den Nachbarn, daß sie vns nicht wecken
Sondern dem Hund lan seinen Tratz,
Zuverwaren sein Gut vnd Schatz,
Gleich wie man deren noch find etlich,
Die solchem Raht nachsetzen Redlich
Vnd recht bedencken jre Würden,
Wie jr Vorfahren Scepter führen.
Gott stärck dem Edeln Teutschen Gblüt
Solch anererbt Teutsch Adlersgmüt.
Secht, diß hab als eyn Teutscher ich
Auß Teutschem Gblüt Treuhertziglich
Euch Teutschen, die herkompt von Helden,
Bei disen Helden müssen melden,
So bald ich diß Teutsch Bild schaut an.
Gott geb, daß jhr es recht verstahn,
Vnd beydes Treu seit euern Freunden
Vnd auch eyn Scheu alln eurn Feinden.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Fischart, Johann. Gedichte. Kleinere Dichtungen. Ernstliche Ermanung an die lieben Teutschen. Ernstliche Ermanung an die lieben Teutschen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-A741-3