[195] »Im Jammer«
1.

Mein armes Herz, mein guter Muth,
So frisch wie der junge Morgen,
Verrathen sind sie und verkauft
An die Welt der kleinen Sorgen.
Der kleinen Sorgen, die so zäh
Sich mit der Seele zanken,
Gleich einem großen Heuschreckenheer
Abweiden alle Gedanken.
Mir ist, als ob der Sonnenschein
In hohlen Schädel mir schiene,
Wie, droben auf dem Berge dort,
In die ausgebrannte Ruine.
Dann aber kommt es mir wieder vor,
Als ob ich Schauer litte,
Als regnet es mir in die Seel hinein,
Wie dort in die alte Hütte.
Meine Freud ist hin, mein Muth dahin,
Und alle Lust verdorben,
Denn ach, mein freier, leichter Sinn
Er ist verdorben, gestorben.

[196] 2.

Die Freunde fort, die Freunde fern,
Auch sie hab ich verloren;
Ach ändern möcht ichs gar so gern,
Ach unter welchem argen Stern
Bin ich, sind wir geboren.
Wer trinkt mit mir, wer lacht mit mir,
Wer spricht zu meinem Kummer,
Wer wecket mir, wer wieget mir
Gedanken dort, Gedanken hier
Dort aus, hier in den Schlummer?
Für mich allein ist kein Pläsir,
Nicht Ambos ist, nicht Hammer;
Wer grübelt, krittelt, schwärmt mit mir,
Wer spottet, flucht und schimpft mit mir,
Auf diesen Herzensjammer!

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Eichrodt, Ludwig. Gedichte. Leben und Liebe. Traum und Bild. »Im Jammer«. »Im Jammer«. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-A129-B