Die Rache

Eine schändliche Ballade.


Umgebracht in seinem Bette,
Liegt der Ritter Seidelbrecht,
Liegt in seinem bleichen Fette,
Und daneben steht sein Knecht,
Steht sein Weib, das abgefeimte,
Das von jeher Bosheit schäumte.
Und es spricht der Knecht des Hauses,
Wischend die bespritzte Hand
An dem Aermel seines Flauses,
Zum verruchten Weib gewandt:
Dieser ist des Todes worden,
Soll ich auch den Sohn ermorden?
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Und erwidernd spricht die Arge:
Schöner Josef, sei so gut!
Thu mir den Gefallen, karge
- Nimmer mit Tyrannenblut!
Willst Du Gift, willst Du ein Dölchlein,
Oder würgen wir das Mölchlein?
Ach, sie haben kein Gewissen,
Ach, der Kleine muß daran,
Aus dem Bett wird er gerissen,
Und mit Wohllust abgethan.
Sieh, das geht geschmiert wie Butter,
Lispelet die Rabenmutter.
Horch, da raspelt's in dem Bette,
Da erhebt sich's aus dem Bett
Und als ob es Leben hätte,
Wandelt es zum Pfeifenbrett;
Stopft sich mit verdrehten Augen
Einen Kopf und thut ihn rauchen.
Gräßlich, gräßlich, gräßlich, gräßlich,
Gräßlich, das ist ein Gespenst!
Josef, Josef, wird unpäßlich,
Eulagunde blickt entmenscht:
Beide wagen nicht zu sprechen -
So thut Seidelbrecht sich rächen.
Eine lange, lange Stunde
Schleicht dahin und Keines weicht,
Uebel wird es Eulagunde,
Josef zum Phantom erbleicht:
Seidelbrecht, der Todtensteife,
Stopft sich eine zweite Pfeife.
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Höret nimmer auf zu rauchen,
Stieret auf das Herz des Weibs
Mit dem linken seiner Augen,
Schauerlichen Zeitvertreibs;
Mit dem rechten schielt erbittert
Er auf Josef, der da zittert.
Und zum andern Male klopfet
Aus die Pfeife Seidelbrecht
Und zum dritten Male stopfet
Er die Pfeife mundgerecht.
Siebenmal und nochmal sieben
Mal wird dieser Spuck betrieben.
Eben schlug die zwölfte Stunde
Dumpfig, wie ein Uhu surrt,
Angeraucht ist Eulagunde,
Josef ärmlich eingeschnurrt;
Schon, mit ganz verdorbnem Teinte,
Stehn sie da wie Postamente.
Dann, unmöglich daß man's glaube,
Unerbittlich, stumm, gerecht,
Bröckelt er zu schnödem Staube
Seine Gattin, seinen Knecht;
Stopft damit, wer will's begreifen?
Siebenmal dreihundert Pfeifen.
Rauchet krampfhaft, rauchet schändlich,
Bis der Hund zur Sonne bellt,
Raucht und rauchet, bis er endlich
Selbst in Staub und Asche fällt.
Wage Keiner, daß er lache -
Das war eines Rauchers Rache!

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Eichrodt, Ludwig. Die Rache. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-A0F8-3