[64] Gesellenlieder

1. Auf der Fahrt

Es war eine Zeit, da liebt ich sie,
Die herrliche Zeit, ich vergesse sie nie,
Ihr glückliches Herz zu erfreuen,
Wie war ichs bemühet in Treuen!
Und hätt ich die Sonne, den Mond und die Stern
Damalen besessen, ich hätte sie gern
Dran geben mit Bändern und Schrauben
Für meinen unseligen Glauben.
Da rückten die fremden Reiter ein,
Da ließ mein Schatz mich stehen allein,
Und den Wanderstock nahm ich wieder
Und sung verrufene Lieder.
Ach, seit ich nimmermehr denk an sie,
Ist doch die beste Melodie
Aus meiner Seele verschwunden,
Und ich habe sie nimmer gefunden.

[65] 2. In Gefahr

Liebes Herz, verzage nicht,
Laß die bösen Menschen wüthen,
An dem Himmel wohnt das Licht
Und beleuchtet was sie brüten!
Es ist Nichts so fein gesponnen,
Endlich kommt es an die Sonnen.
Liebe Seele, fasse Muth!
Und ist auch dein Stündlein kommen –
Was in deiner Tiefe ruht,
Bleibt dir ewig unbenommen.
Eine Perle kann ich nennen,
Die sie dir nicht rauben können.
Ein Gefühl, es stärkt, es labt!
Aus den guten treuen Herzen,
Derer, die dich lieb gehabt,
Kann der Böse dich nicht merzen.
Ist die Rettung hier verloren,
Wirst du dorten neu geboren!
Um so theurer nur wird sein,
Unglückskind, dein Angedenken;
Zweifel auch und andre Pein
Werden dann dich nimmer kränken.
Nur um Liebe wirst du werben,
Sei getrost im bittern Sterben!

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Eichrodt, Ludwig. Gesellenlieder. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-A036-6