Liebesrecht

Kam dich nie der Zweifel an,
Ob auch wirklich sei die Liebe,
Ob sie nicht ein Wort ein Wahn,
Ob sie nicht ein Sturm zerstiebe?
Wenn sie verrauschen die Tage der Jugend,
Wenn bei dir anklopft die ernstere Tugend,
Nimmer sich reimen die Triebe?
Hat dich Ahnung nie durchzuckt,
Daß die Liebe nur Geberde,
Daß sie nur Kulturprodukt,
So Zeit verschlingen werde?
Einst, wenn die Psalter des Herzens verhallen,
Wenn die Systeme der Weisen zerfallen,
Wenn sich erneuert die Erde!
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Wer verzagt? Wir zagen nicht.
Heute gilt sie noch die Liebe!
Hoch am Himmel flammt das Licht
Eines Sternes ohne Trübe.
Läugnen die Liebe, so wäre uns besser,
Schattenhaft wandeln am stygschen Gewässer,
Daß man uns lebend begrübe.
Liebe, hohe Leidenschaft,
Deren Flügel uns erheben
Aus des Ungenügens Haft,
Sollten wir dein Recht vergeben!
Haben die Todten einst dürftig genossen,
Bleibt das Geheimniß der Nachwelt verschlossen,
Kümmert es uns, die wir leben?

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Eichrodt, Ludwig. Gedichte. Leben und Liebe. Traum und Bild. Liebesrecht. Liebesrecht. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-9FF7-A