[158] Wahrnehmung

Was sollen die Papageyen
Im deutschen Dichterwald?
Sie wälschen und sie schreien
Ganz kannibalisch bald.
Wollt ihr den Verstand verlieren,
So gehet ihr gar nicht irr,
Geht nur in den Wald spazieren
Und hört das Stimmengewirr!
Sie holen die fremden Laute
Aus allen Winkeln der Welt,
Und wer sich wenig erbaute,
Wird mit Kommentaren gequält.
Ihr wolltet euch wohl erquicken
An einem lieblichen Sang?
Ja habt ihr auch Eselsbrücken,
Sind eure Ohren auch lang?
Da müsset ihr erst studiren
Wie ein Arabischer sühlt,
Ihr müßt euch erst maskiren,
Eh ihr im Wald euch kühlt!
Ihr müsset die Kunst erlernen,
Zu gehn aus euch heraus,
Ihr müßt euch erst entfernen,
Dann seid ihr recht zu Haus!
[159]
Dort thun es die heimischen Spatzen
Nachzwitschern mit saurer Müh,
Und weil sie Unsinn schwatzen,
So heißen sies Poesie.
Es putzt mit farbigen Federn
Sogar das Mäusethum
Sich auf die flinken Fledern
Und flunkert im Wald herum.
Jüngst las mein schlichtes Liebchen
In einer Anthologie –
Traun! in ihr Wangengrübchen
Verkroch sich die Poesie.

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TextGrid Repository (2012). Eichrodt, Ludwig. Gedichte. Leben und Liebe. Traum und Bild. Wahrnehmung. Wahrnehmung. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-9F39-5