Die letzten Worte des Gutsbesitzers Herrn von Zips

Kommt es einst mit mir zum Sterben,
Nun so setz' ich keinen Erben,
Ich mach' auch kein Testament,
Meinen nächsten Blutsverwandten,
Guten Freunden und Bekannten
Wird mein Nachlaß gern gegönnt.
[85]
Mich wird Niemand balsamiren,
Auch in kein Gewölbe führen,
Wozu nutzt auch dieser Pracht?
Gott befehl' ich meine Seele
Und den Leib der frischen Höhle,
Die ein Todtengräber macht.
Keine Frau soll mich begleiten,
Denn ich hab' an meiner Seiten
Ein solch' Kleinod nicht geküßt;
Also darf sich keine grämen,
Noch vor andern Weibern schämen,
Daß sie Wittwe worden ist.
Es soll Niemand um mich trauern,
Noch in Briefen mich bedauern,
Schont das schwarze Siegellack!
Woher rührt das tolle Weinen,
In verhüllter Tracht erscheinen,
Als von heidnischem Geschmack?
Einen Leichnam zu begraben,
Sollt ihr keine Kosten haben,
Das verbittert nur das Leid.
Wenn man todt ist, geht's auch ohne
Weiße Handschuh' und Citrone,
Diesem Dank der Eitelkeit.
Todtenhemd mit theu'ren Spitzen
Brauchen nicht an mir zu blitzen,
Nach dem Tod' ist Niemand schön,
Arme Leute aus dem Spittel
Mögen meinen Sterbekittel
Schlecht und recht zusammennäh'n.
[86]
Um den Nußbaum wär' es Schade,
Leget mich in eine Lade,
Die von Tannenholz besteht;
Griff und Leisten könnt ihr sparen,
Nur mit Zapfen mich verwahren,
Bis der Sarg zu Grabe geht.
Putzet mich mit keinen Rosen,
Höhnt nicht den Empfindungslosen,
Der sich nicht bedanken kann,
Füllt die hölzerne Pastete
Statt dem irdischen Geräthe
Blos mit Hobelspähnen an!
Lasset keine Glocken läuten,
Denn es schauert oft den Leuten,
Wenn sich so die Anstalt häuft,
Laßt mich ohne Pferd' und Wagen
Durch sechs arme Männer tragen,
Die es weniger ergreift.
Lobt mich auch nicht nach dem Tode,
Oeffnet nicht nach neuer Mode
Mich nach meinem Todesfall;
Denn was wollet ihr ergründen?
Da ist nichts Apparts zu finden
Wie an einem Feldmarschall.
Ich will nicht, daß von den Reisen
Oder guten Handlungsweisen
Jemand nach dem Tode schreibt,
Ich will, daß ihr mich vergesset,
Und das Brod mit Freuden esset,
Was von mir noch übrig bleibt!
[87]
Pyramid und Monumenten
Ueber'm Grabe zu verschwenden,
Laß' ich gern der großen Welt;
Fürst und Diener gleicherweise
Werden doch der Würmer Speise,
Weil der Tod vom Rang Nichts hält.
Hier war Nichts an mir zu loben,
Das Jerusalem dort droben
Ist der Ort nach meinem Sinn,
Weil ich Gott gefürchtet habe,
Lieg' ich fröhlich in dem Grabe,
Zieh' ich ohne Murren hin!

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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Eichrodt, Ludwig. Die letzten Worte des Gutsbesitzers Herrn von Zips. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-9E98-6