Blanka

»Blanker seid Ihr, meine Herrin,
Blanker, als der Sonne Strahl!
Einmal sorglos möcht ich schlafen
Ohne Waffen diese Nacht,
Denn wohl sieben lange Jahre
Legt ich nicht die Rüstung ab,
Dunkler schon als ruß'ge Kohlen
Ist mein junger Leib vom Stahl.«
»Ruhet diese Nacht nur, Ritter,
Schlaft entwaffnet ohne Arg,
Denn der Graf ist fern im Walde,
Jagend über Berg und Tal.
Wollt, der Sturm zerriss' die Hunde
Und der Adler ihm den Falk,
Und die Berg, im Grunde wankend,
Stürzten ihn vom Fels herab!«
Drauf, heimkehrend aus dem Walde,
Trat ins Zimmer ihr Gemahl:
»Was hier einsam sinnt Ihr, Dame?
Euer Stamm ist voll Verrat.« –
»Herr, ich kämme meine Locken,
Kämme sie mit großem Gram,
Weil Ihr so allein mich lasset,
Draußen schweifend auf der Jagd. –«
»Diese Worte, schöne Blanka,
Haben einen falschen Klang,
Wessen ist das Roß im Hofe,
Dessen Wiehern dort erschallt?« –
»Meines Vaters Rößlein ist es,
Das er Euch geschickt zur Jagd.« –
»Wessen sind die blanken Waffen,
Die ich leuchten sah im Gang?« –
»Herr, 's sind meines Bruders Waffen,
Euch hat er sie heut gesandt.« –
»Wessen ist die fremde Lanze,
Die dort herblinkt von der Wand?« –
»Nehmt sie rasch und stoßt mich nieder,
Das verdien ich, guter Graf!«
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Notes
Entstanden 1839, Erstdruck 1841.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Eichendorff, Joseph von. Blanka. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-9CA2-F