[56] Fragment eines großen Gedichts von der Gesetzgebung

[57][59]
Am kalten Süderpol, vom Nebel rund umflossen,
Verflucht von der Natur, in Wogen eingeschlossen,
Droht ein verwegner Felsen, den Wind und Fluth bestürmt,
Mit siebenfachem Gipfel unordentlich gethürmt.
Das Meer braust um ihn her, und schleudert seine Wellen
Rauhtönend an den Strand, den Sammelplatz der Höllen.
In ihm liegt, wie ein Kerker, in Mauren eingedrängt,
Im fürchterlichen Schatten, der vom Gebirge hängt,
Ein Land, das Gott verflucht. Hier öffnet sich die Schwelle
Zum Reich, wo Satan herrscht, der Eingang in die Hölle.
Zuerst lag er gefangen, und sein verworfnes Heer,
Im Mittelpunkt der Erde, und hier war alles Meer.
Doch in der Sündfluth sind die Riegel aufgesprungen,
Und dies Gebirg entstand in Erderschütterungen.
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Im Donner borst die Rinde, und warf aus dieser Kluft
Der Erden Eingeweide, und Dampf stieg in die Luft.
Die Wasser flohn zurück; mit Wettern dicht umzogen,
Verbarg die Sonn ihr Licht; ein Sturmwind hob die Wogen;
Die Elemente kämpften: in Bergen kam das Meer,
Und schob in seinem Grimme die Felsen um ihn her.
Der fürchterliche Fels verzäunt von aller Wonne
Das Reich der Finsterniß, und raubet es der Sonne.
Sein siebenfacher Gipfel, vom Schwefel angehaucht,
Steigt glüend aus dem Meere, wie Flammen, auf, und raucht.
Der Schiffer, der hier irrt, hört, meilenweit, mit Grausen
Den Donner in der Kluft, und der Gewässer Brausen.
Sechs Meilen in die Höhe, sechs Meilen tief im Meer,
Sechs Meilen in die Weite, regiert die Pest umher.
Hier stehet Satans Thron in einer düstern Wunde
Des eisernen Gebirgs, nah an der Höllen Schlunde.
Kein Feur, kein Licht zertheilet den Dampf der sichtbarn Nacht,
Als wenn ein Blitz den Teufeln ihr Elend sichtbar macht:
[60]
Denn Rache donnert hier, daß die Gestade zittern,
Um sie in fliegenden unendlichen Gewittern.
Der Pöbel weicht erschrocken, der sich um Satans Sitz,
Wie Wogen um den Fels, drängt, wenn hinter ihm ein Blitz,
Und Blitze gegen ihn, und Blitze aus den Gründen,
Und vor und um ihn her, und über ihm entzünden.
Hier saß der Fürst der Höllen, und um ihn her die Großen,
Die Mächte, und das Volk, zu tausend ausgegossen.
Ein furchtbar Schweigen herrschte: denn Satan sann in sich
Auf Kriege und Empörung: noch immer königlich,
Noch immer hoch genug, dem Himmel Hohn zu sprechen,
Und, nach so manchem Fall, den Schimpf an Gott zu rächen:
Als eben ein Getöse durch die Versammlung brach,
Und Gog sich zu ihm nahte. Gog neigte sich, und sprach:
Unüberwindlicher, Beherrscher dieser Mächte,
Die dein unsklavisch Herz dem betenden Geschlechte
Der Himmlischen entrissen; die, obgleich oft besiegt,
Sich neben dir gerüstet, und wider Gott gekriegt,
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Und dir, irr ich nicht sehr, zum Strich der Finsternissen,
Das, was der Tag beschaut, noch unterwerfen müssen.
Auf dein Geheiß, o König, durchkreuzten wir das Land
Des felsigten Arabiens; von Sinai den Strand
Des rothen Meers hinab. Ich kam in wenig Tagen
Bis in die Wüste Sin, wo Gottes Sklaven lagen.
Herr, da ist alles öde; und meilenlang von hier
Dehnt sich der starren Wüsten erstorbenes Revier,
Von keinem Kraut bedeckt, von keinem Strom gewässert:
Ja, wenn der Wunderthäter nicht die Natur verbessert,
Wenn er nicht plötzlich Wasser aus trocknen Felsen schlägt;
Wenn nicht auf seinem Winke die Klippe Erndten trägt:
So wird, dacht ich bey mir, und jauchzte schon vor Freuden,
Das Volk des Donnerers des Himmels Adler weiden.
Wie er dies Volk erhalten, erfuhr ich nicht genau;
Dies weiß ich nur, vor Hitze verschlangen sie den Thau.
Nach Dophka ging ihr Zug. Gott denkt sie aufzureiben,
Und sein gelobtes Land wird wohl die Wüste bleiben.
Der Donnrer weiß so wenig, wohin er sie beschied,
Als ihr elender Führer, der in der Irre zieht.
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Denn jetzt, dacht ich gewiß, wird sich, in wenig Tagen,
Das Volk den graden Weg durch alle Feinde schlagen.
Doch, Satan, ich erstaunte, als, statt ins heilge Land,
Der Zug sich wieder südwerts, ans Meer hinunter wandt.
Vielleicht soll der Befehl, die Wüste zu durchstreichen,
Ein feiner Staatsstreich seyn, und tiefer Weisheit gleichen!
Vielleicht auch fühlt der Donnrer, mit allem seinen Zug,
Sich gegen Kanans Krieger, und uns nicht stark genug!
Er zog nach Rhaphidim. Da liegen nun die Knechte
Von Reis' und Fasten matt, und träumen lange Nächte
Vom künftgen Ueberflusse im Lande Kanaan,
Und sättgen sich des Morgens im Thau, und nennen's Man.
Indeß sind edle da, die insgeheim erröthen,
Und tausend lästern schon den stammlenden Propheten:
Und die hab ich empöret. Dient Korah unsrer Macht,
So nennt es meine Ehre: ich hab ihn aufgebracht.
Bald will ich Sieger seyn, wenn die, die schon erröthen,
Erst in Empörungen die Wunderthäter tödten;
Wenn Söhne Vater würgen, und, wild und aufgebracht,
Ganz Israel sich wütend im Aufruhr niedermacht.
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Ja, Satan, glaube mir, sie wären aufgerieben,
Wenn eine Nachricht mich nicht schleunig fortgetrieben.
Ihr Mächte, wenn es wahr ist, wenn nicht die Staatsklugheit
Dies fliegende Gerüchte im Lager ausgestreut,
Daß Israel sich nicht in seiner Noth empöre,
Und Mosen in der Furcht noch sklavischer verehre;
So steigt der, der uns vormals den Stoß vom Himmel gab,
Mit allem seinen Donner auf Sinai herab,
Den Bund des Abrahams, wie etliche erdichten,
Mit Abrahams Geschlecht von neuem aufzurichten.
Obs wahr ist, wird sich zeigen: zum mindsten ziehen sie
Von hier am dritten Morgen den Weg nach Sinai.
Die Zeit ist kurz; ich eilte, damit es Satan wisse;
Faßt nun für unsren Muth anständige Entschlüsse.
Er schwieg. Ein wilder Schrecken nahm die Versammlung ein;
Ein dunkeles Gemurmel lief durch der Teufel Reihn.
Wie, wenn der Ocean zum Aufruhr sich empöret,
Wenn brausend über ihm der schwarze Sturmwind fähret,
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Wie, oder wenn im Abend ein Wetter sich erhebt,
Und der entfernte Donner dumpf durch die Himmel bebt.
Doch Satan sahe kaum die Hölle in Bewegung,
So rafft er sich schon auf. In seiner ersten Regung
Verleugnet schon die Stirne die Furcht, die ihn ergriff;
Jetzt stand sein Riesenkörper. So sieht in Teneriff
Der Wolkenhohe Piko, und überschaut, wie Zwerge
Ein Riese überschaut, die meilenhohen Berge.
Der Reichthum von ganz Ormus hing wild um seinen Sitz,
Ein ungestalter Zierath, barbarisch, ohne Witz.
Jetzt zwang er sich mit Macht im Angesicht der Höllen,
Im Auge voller Spott, den Tiefsinn zu verstellen,
Der doch, ob gleich Verachtung vom ganzen Antlitz sprach,
Noch immer wild, und finster aus seinen Augen brach.
So wie ein Freygeist scherzt, wenn ihn die Stimme Gottes
Im Donner Zittern lehrt, und mit der Min' des Spottes,
Der Welt, die auf ihn merket, die Furcht unkenntlich macht,
Im Herzen tief erbebet, und auswerts mühsam lacht:
So stand er, sah umher, und gleich ward eine Stille.
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Ihr Thronen! daß nicht Furcht die Könige erfülle!
Sprach er mit hoher Stimme: was künftig auch geschicht,
Das soll den Himmel treffen, das Reich der Höllen nicht!
Furcht muß um unsern Feind der Beter Hände falten;
Und Unerschrockenheit mein weites Reich erhalten.
Denn das war meine Absicht, als wider Zebaoth
Ich euch, ihr Geister, aufrief, vernichtet, oder Gott!
Und dieser mein Entschluß, den ich noch stets erneure,
War, kenn ich euch sonst recht, ihr Fürsten, auch der eure.
Was minder können Helden, die nicht so sklavisch blind,
Nicht durch den Namen Tugend verworfner Pöbel sind,
Was minder können die anständiges begehren,
Wenn sie nicht Götter sind, als daß sie gar nicht wären?
Erinnert euch, da Gott sich von uns belagert sah:
War jemals was zu fürchten, mich dünkt, so war es da!
Doch uns zerschlug kein Blitz, den Gottes Grimm entflammte;
Noch sind wir; zwar verdammt, doch ehrenvoll Verdammte.
Und dieser Ort der Qualen, die Pein, die Finsterniß,
Macht aus dem Muth Verzweiflung, und Tod, und Rache süß.
Was fürchtet ihr denn jetzt? wer mit mir dem Geschütze
Des ganzen Himmel stand, bebt vor sinasche Blitze?
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Er mag herunter steigen; die Hölle ist gerüstt;
Und hilft ihr keine Rüstung, so hat die Hölle List.
Er soll sein Israel, er mag ihm auch verheissen,
Was er verheissen will, dem Satan nicht entreissen.
So denk ich: und erfindet sonst jemand königlich,
Der diene, durch Entdeckung, der Hölle, mir und sich.
Er sprachs, und setzte sich; der rauhe Boden drönte,
Borst unter seiner Last, und das Gebirg ertönte.
Und aus den tiefen Reihen erhob sich Belial,
Der schönste Geist des Himmels vor seinem Sündenfall.
Durch Satans Schmeicheln ward der eifrige Verehrer
Des Ewigen verführt, und endlich ein Empörer.
Jetzt quält ihn Satans Anblick, den Belial verflucht,
Und der nur seiner spottet: mehr trostlos, als verrucht
Verzehrt er sich in Pein; und hoffnungslos zu sterben,
Spricht er den Donner an, und rufet dem Verderben;
Doch nirgend ist Verderben. Sein Peiniger erwacht,
Und treibt ihn in die Schrecken der dicksten Mitternacht.
Der stand: Melancholie saß an der finstern Stirnen,
Sein Auge, todt von Gram, sah Satan an mit Zürnen.
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Feind Gottes, Feind der Menschen, Feind aller Creatur,
Die selig, und verdammt ist; so sprach er, rathe nur,
Empörer rathe nur, daß die Gewalt der Hölle,
Wie du dies Elend nennst, sich Gott entgegen stelle;
Denn Satans Ruhm sind Strafen der Hölle ohne Zahl,
Und deines Muths Triumphe, Verfluchter, unsre Qual.
Verführet hast du uns, der Seligkeit entrissen;
Nun häuf uns auch noch hier die Angst der Finsternissen.
Zieh aus in deiner Rüstung, und kehre bald mit Spott
Und Ketten in dein Elend zurück, und dann sey Gott!
Dann soll dir im Triumph die Höll entgegen fliessen,
Der Abgrund Veste weihn, und dich als Sieger grüssen!
Elender Gott! vergißt du die überstandne Schmach?
Wer war da, Satan, als noch der Erdkreis auf dich lag?
Doch daran denkst du nicht, und seitdem dies Gefängniß
Aus seinen Riegeln sprang, glaubst du, daß kein Verhängniß
Dich wieder fesseln könne, und prahlest hochmuthvoll,
Daß dir die Erde dienen, und Gott dich fürchten soll.
Ja fürchten! wenn er dich mit neuen Flammen peinigt,
Und langsam uns zerstört, und seine Schöpfung reinigt!
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Doch dünkst du dich so mächtig; warum denn thatest du
Nicht Wunder gegen Wunder? Sprich, warum gabst du zu,
Daß Furcht den Jannes schlug, und Angst den Jambres schreckte,
Und daß kein Zauberer die Todten auferweckte?
Warum verließ die Macht dich am rothen Meer so früh,
Und warf mit keinem Sturmwind die Wogen über sie?
Der sie dort aus der Hand des Pharao gerissen,
Der wird auch gegen dich sein Volk zu schützen wissen!
Er wollte weiter reden: doch der Empörer stand
Schon mitten im Gewitter: es fuhr aus seiner Hand
Ein siebenfacher Blitz: es zitterten die Heere;
Doch keine Flamme traf; er donnerte ins Leere,
Und stampft, als er den Spötter geruhig lächeln sah,
Und stand vor Grimm ohnmächtig, und dumm, und sprachlos da:
Und sah und hörte nicht. Sein flüchtig Auge schwebte
In Nebeln rund umher. Die Hölle schwieg, und bebte,
Besorgt, daß von dem Donner ihr Felsengrund zersprang,
Und in Erschütterungen verloren untersank.
So hüpft Catanea, schon einmal halb verschlungen,
Wenn Aetna Flammen speit, in Erderschütterungen,
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Der Bürger flieht, und fürchtet den Jammer anzusehn,
Wenn Städte sich verlieren, und Berge untergehn.
Zuletzt begriff sich Satan; ohnmächtig sich zu rächen,
Bricht er in Drohung aus: so will ich mit dir sprechen!
Verzagter! deinem Ende seh aller Pöbel zu,
Die vor dem Himmel beben, und Sklaven sind, wie du!
Fleuch! reinige den Ort, den Könige bewohnen,
Fleuch in die Einsamkeit, und flehe da Verschonen!
Dort bete ausgebreitet vergebens um die Ruh,
Und bring die Ewigkeiten gequält und sklavisch zu!
Ihr aber, die mit mir zu edlen Thaten branntet,
Und in dem Himmel schon eur Götterwesen kanntet:
Die ihr die Finsternissen, mit allem, was euch quält,
Weit lieber, als den Himmel mit seiner Knechtschaft wählt;
Ihr Helden, redet selbst, so lange wir noch kriegten,
Wer wars, der überwandt, wer waren die Besiegten?
Wahr ists, wir flohn geschlagen der Seligen Revier:
Im Himmel ist er stärker, doch auf der Erden wir.
Umsonst erschuf er sich im sterblichen Geschlechte,
Die eiteln Hoffnungen von einer Welt voll Knechte;
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Umsonst verschloß er Eden im diamantnen Thor,
Und legte Legionen von Seraphim davor!
Die Sünde, mein Geschöpf, und mit ihr, das Verderben,
Dringt durch die Pforten ein; sie sündigen und sterben.
Und was von ihnen abstammt, das lebt zum Theil für mich,
Die Sünde muß sie tödten, und in der Sünden ich!
Zwar eine Sage geht, daß die gefangne Erde
Vom Himmel aus ein Held dereinst befreyen werde,
Der von Gott ausgerüstet, und selbst der Gottheit voll,
Die Macht der Hölle fesseln, und uns zertreten soll;
Das klinget stolz genug, und mächtig; doch ihr Götter,
Jahrhunderte sind fort, und wo ist der Erretter?
Wer kann nach so viel Jahren noch warten, daß er kömmt?
Vielmehr sah Gott den Erdkreis von Sünden überschwemmt,
Daß er, statt das Geschick der Sterblichen zu bessern,
Im Grimm dem Untergang, mit tobenden Gewässern
Sie zu vertilgen, winkte; da sah ich aus der Ruh,
Als im Triumph, dem Schiffbruch der ganzen Schöpfung zu!
Dies, wißt ihr, Könige; da feyrte noch drey Nächte
Die Höll ihr zweites Fest; und jauchzte dem Geschlechte
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Der Sterblichen entgegen, das wie ein kommend Meer
Mit Wogen ans Gestade, von allen Seiten her,
An unser Ufer floß: So viel verlor Gott Seelen;
Doch fällts ihm wieder ein, ein neues Volk zu wählen.
Und welch ein Volk, ihr Mächte? Ein Volk, das an dem Nil,
So gut, wie der Aegypter, vor Götzen niederfiel.
Ein Volk, das furchtsam, tumm, leichtgläubig, leicht betrogen,
In steter Furcht gelebt, und sklavisch auferzogen;
Ein Volk, das unbeständig in Lehren sich verirrt,
Und heute Gott verehren, und morgen lästern wird!
Seht da, ein mächtig Volk, gerüstet wider Sünden,
Ein heilig Volk des Herrn, zu stark zum Ueberwinden!
Und dennoch sind nicht alle, dem Namen nach, Ebräer,
Zu tausend floß der Pöbel Aegyptens in ihr Heer.
Kein Volk ist mehr dem Dienst des Ewigen zuwider;
Es betet Zwiebeln an und kniet vor Thieren nieder.
Nun urtheilt selbst, ihr Thronen, verdient es wohl der Müh,
Dies Sklavenvolk zu halten? nein! reisen ließ ich sie!
Gott zwar erschöpfte sich, ließ alle Wunder zeigen;
Doch ich war sorgenlos, und hieß die Zaubrer schweigen.
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Nachdem ich Gott vergeblich drey Monat lang bemüht,
War ich mit mir zufrieden, und dachte endlich: zieht!
Die Wüst' ist weit genug, die mögen sie durchstreichen,
Doch nimmer soll ein Fuß den Sinai erreichen!
So tief verlor sich Satan in Fabeln gegen Gott
Und färbte seine Schande, und machte unter Spott
Sein Elend unsichtbar, und seine Ohnmacht prächtig,
Zu ewgen Schimpf verdammt, und nur in Worten mächtig.
Jetzt näherte sich Moloch: von seinem ehrnen Gang
Erbebten die Gestade, und das Gebirg erklang;
Wohin er wandelte, lag hinter ihm Verwüstung;
Ein kriegerischer Geist, in siebenfacher Rüstung,
Womit er wider Gott sich im Himmel aufgelehnt,
Und die so, wie er wandelt, wild um ihn her ertönt,
Trat er im Sturm herein: der Pöbel wich ihm schüchtern,
Und stand von fern um ihn mit Schrecken in Gesichtern.
Zwar Moloch flucht, wie Satan, dem furchtbarn Donnerer;
Doch nicht so stolz, wie Satan, hält er sich mächtiger.
Er kriegt nicht wider Gott, damit er überwinde,
Aus Bosheit krieget er; denn Moloch liebt die Sünde,
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Bloß um der Sünde willen. Gern will er alle Pein,
Nur mit dem Ruhm Empörer und Gottes Feind zu seyn.
Wenn Satan thöricht hofft, den Himmel zu besiegen,
Verlacht er seinen Stolz; doch räth er ihm zu kriegen.
Jetzt riß er wild und rauschend sich aus dem Volk hervor,
Stand, wie ein Fels, gegründet mit seiner Last empor,
Und sprach: Der Hölle Sieg! Das Lager der Ebräer
Zieht bis nach Sinai; dort, heißt es, wird ihr Seher
Ein neu Gesetz empfangen. Dies wisset ihr vielleicht;
Doch, daß es ohne Krieg nicht den Sinai erreicht,
Das wisset ihr noch nicht. Ein Heer Amaleckiten
Wird bald zu Raphidim in ihrem Lager wüten.
Zwar alles dient uns hier, Heth, Moab, Kanaan
Vom Amaleck herunter bis hin an Madian;
Und Ammon ist mein Volk; dort raucht, mich zu verehren,
Der Opfer süßer Dampf von blutigen Altären;
Dort strömt im Thale Hinnom für mich der Kinder Blut;
Da seh ich mit Entzücken die Mutter, an der Gluht,
Die Früchte ihrer Schooß von ihren Brüsten reissen,
Und, der Natur zur Schmach, in meine Flamme schmeissen;
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Doch wählt ich unter allen, den Pöbel der Ebräer,
Auf einmal aufzureiben, des Agags mächtig Heer;
Damit nicht ohne Greul des knechtschen Jakobs Erben
Von Blutsverwandter Hand, von Esaus Enkeln sterben.
O daß sie Brüder wären, o Blut, das brüderlich
Vom Bruder strömend raucht, ein süßer Duft für mich!
Zudem ist unter sie von Vätern auf die Väter
Ein Haß herabgeerbt, den Jakob, der Verräther
Des Esau, sich erworben, als er, so saget man,
Den Segen seines Vaters, das Recht auf Kanaan,
Und die Geburt erschlich: dies mögt ihr Träume nennen;
Doch Träume, die uns mehr, als Wahrheit, nutzen können.
Ihr Haß ist mehr, als feindlich: und rasend wird ihr Grimm
In die Ebräer toben. Dann will ich Raphidim,
Voll Aufruhr und Verwüstung, und Feinde, die sich würgen,
Mit Blute überschwemmt, und Leichen in Gebirgen,
Vorm Angesicht des Helfers mit Lust der Höllen sehn,
Ja ihm das Blut der seinen entgegen dampfen sehn.
Ich ging, damit ich euch zu diesem Schauspiel lade;
Ihr Krieger, eilt mit mir zum blutigen Gestade,
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Und seht den Tod da würgen; erschrecket die Ebräer
Mit Zittern und Entsetzen, daß ihr verscheuchtes Heer
Im grimmigen Tumult sich selber niedermache,
Und fluch, und Mosen schmäh und Gott; das sey die Rache!
Er schwieg: die Hölle jauchzte, und ein Triumph durchdrang
Den Abgrund, der erbebte, und donnernd wieder klang.
Auf eine Zeitlang schwieg der Grimm der andern Schmerzen,
Und Rachgier peinigte; denn Rachgier peinigt Herzen.
Verzweiflung an der Rache nahm erst die Geister ein,
Doch Moloch goß ein Leben und Flammen in die Pein.
So, wenn ein Kriegesherr das Schlachtfeld vor sich siehet,
Erblaßt, und ohne Muth dem Feind entgegen ziehet;
Schon steht des Todes Rüstzeug in fürchterlichen Reihn,
Auf seinen Zug Verwüstung und Donner auszuspeyn:
Es bebt: doch plötzlich stürmt der Trommel und der Flöte
Belebende Musik; die weckende Trompete
Ertönt beseelend drunter; belebt die feige Schaar
Und gießt in ihren Busen Verachtung der Gefahr.
So weckte Molochs Geist das Herz der blassen Krieger,
Und Satan segnete den künftgen Gottes-Sieger;
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So, wie die Hölle segnet. So sey die Wüste dann
Durch dich, nächst Satan König, der Sklaven Kanaan!
Hier will ich ihren Staub in Wirbelwinden jagen,
Und durch den Himmel streun, und dann zum Donnrer sagen:
Errette die Ebräer, nimm endlich doch den Raub
Der Macht der Hölle wieder, und wecke diesen Staub!
Er sprachs, und nun entflohn die eingebildten Götter,
Im schrecklichen Tumult, wie sieben ehrne Wetter.
Zugleich auf einmal donnern. Indeß ging Belial
Einsiedlerisch ins Finstre, verfluchte seinen Fall;
Verglich die Seligkeit und diese Finsternissen,
Und weckte selbst die Quaal sein fressendes Gewissen.
Dort saß am Feuermeere auf einem Felsen On,
Sah schwindlend in den Tiefen den dicken Phlegeton
Voll Seelen, die vordem dem Schöpfer Hohn gesprochen,
Und in der Qual noch schmähn, zu seinen Füßen kochen.
Ein anderer lag bebend, und krümmte sich, und wandt
Die Glieder in einander, und fror am heissen Strand.
Und der Verdammten mehr, die hier in Myriaden
Die Quaal gefangen hält, wie Sand an den Gestaden.
[77]
Die Krieger aber flohen; vor ihnen floß das Meer
In Furchen, wie Gebirgen; schwarz schossen sie daher,
Und brausend, wie der Sturm, wie ganze Inseln fliessen,
Die die Gewalt der Fluth vom vesten Land gerissen;
Mit ausgedehnten Flügeln, worinn ein Sturmwind bließ,
Den Satan, eh er flohe, aus Süden brausen ließ.
So segeln sie durchs Meer; in allen Augenblicken
Sind hundert Meilen schon weit hinter ihrem Rücken.
Dann ruhn sie auf Gebirgen, und stürzen sich von dort
Schnell über breite Bänder auf ihren Flügeln fort.
Im Parom senkten sie ihr schattigtes Gefieder,
Und stürzten mit der Nacht auf einen Felsen nieder.

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