[119] Josephs Reisen

Die erste Reise 1

Herauf, o Sonne! Lange schon harret dir
Der Bard' entgegen, welchen der Hahnenruf
Aus seelenhebenden Gesichtern
Mitten in seinem Gewölbe weckte.
Herauf, o Sonne! Röthe mein Saitenspiel
Mit einem deiner Erstlinge! denn mein Herz
Ist voll von Joseph. Nur dein Anglanz
Mangelt. Erschein'! und Gesänge reifen.
Sie kömmt! die Blume schleußt ihr den Busen auf.
Der Thau der Wipfel blitzet ihr Gold zurück,
Und tausend rege Lüftesänger
Lösen in Freudegetön' die Kehle.
So kömmt zu Völkern, welche das Meer von uns,
Von uns die Kette steiler Gebirge trennt,
So kömmt zu Völkern Joseph. Herzen
Schließen sich auf, und gethürmte Städte
[120]
Tief aufgereget schmücken ihr luftig' Haupt,
Und kleiden sich in Feier, und himmelan
Erschallt von hunderttausend Lippen:
Heil dem Gebiether der deutschen Erde!
Heil sey dem ersten Sohne Theresien's!
Dem Heldenenkel, Herzeneroberer!
Dem wunderbaren jungen Manne!
Weiser, Genügsamer, Holder, Heil dir!
Wem jauchzt ihr? Völker! Städte! wem feiert ihr?
Wem schließen alle Herzen so weit sich auf?
Tön't, Saiten! tön't den Stolz des Barden!
Tön't ihn gewaltiger! er ist unser!
Ihr seht ihn, Völker! Deck't ihn ergrab'ner Werth
Von einer halben Erde? Beschwert er
Von Silber helle Räder? Folgen
Seinem Gespanne die bunten Horden
Geschmückter Diener? Blitzet ein fürchterlich'
Gemisch entblößter Wehren um Joseph her? –
Und dennoch jauchz't ihr? Aechter Größe
Jauchzet ihr, Völker! – Und er ist unser!
[121]
Ihr seh't sein menschenfreundliches Angesicht,
Sein Aug' voll Herz auf Grüßende zugewandt.
Ihr hör't ihn Weisheit, Güte sprechen,
Staunet und liebet. – Und er ist unser!
Ihr seh't ihn, Völker! wenn er dem Ewigen
In seinen Hallen gläubige Kniee beugt.
Ihr seh't, und wünschet allen Erden
Herrscher, wie Joseph. – Und er ist unser!
Das ist er! Harfe, töne des Barden Stolz,
Den Stolz der Kinder Teut's, den entzückenden,
Den wonnetrunkenen Gedanken:
Joseph der zweite so groß – und unser!
Und sängen alle Barden der Kinder Teut's
In ihre besten Harfen, er bliebe doch
Unaugesungen der Gedanke;
Seelen empfinden allein die Süße,
Dem Göttlichen zu dienen, sein Eigenthum,
Und seiner Sorgen einziger Zweck zu seyn,
Der voll des Vaters und der Mutter,
Eh' noch die Wange sich männlich bräunte,
[122]
Noch eh' der Herrscher Gold ihm vom Haupte schien,
Schon Herrscher seiner selber, entadelten,
Oft thronerschütternden Begierden
Niemal den himmlischen Busen aufschloß;
Den, nur von Recht und Einsicht und Mäßigkeit,
Der Erdegötter schönsten Gefährtinnen,
Begleitet, an die Grenzen seines
Mächtigen Erbes die Liebe seiner
Getreuen hinzog 2, jegliches Ungemach
Verachtend, und zur krieg'rischen Arbeit sich
Mit Lust erhärtend, der im Frieden,
Aehnlich dem Adler am Felsengipfel',
Mit wachem Auge ruhet, und adlerschnell
Auf Störer seiner Ruhe sich niedersenkt.
Sie bluten, liegen, und der Sieger
Schwebet zurücke zum Felsengipfel.
[123]
Dann wirbelt heller Siegesgesang ihm nach,
Gestürmt in deutsche Saiten, und Joseph horcht;
Nicht Sänger fremder Zungen, deutscher
Heldenton reize den deutschen Herrscher!
Und kann der Ausbruch meiner Empfindungen,
Und meine Saitengriffe den Göttlichen
Nur einen Augenblick der hohen
Erdebesorgenden Bürd' entlasten,
Dann soll dich, meine Scheitel! ein Eichenkranz,
Der Hauptschmuck deutscher Barden verewigen,
Und junges Eichenlaub in jedem
Monde der Blüthen dich, Harfe! zieren.
Manch' vaterländisch' Bardenlied höret dann
Die langverwöhnte Donau zur Abendluft
Aus nahen Espenhainen schallen
Ihrem erhabenen Herrscher heilig.

Fußnoten

1 Nach Italien, 1769.

2 Er war vorher schon bis an die türkische Grenze gereiset.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Denis, Michael. Gedichte. Gedichte. Josephs Reisen. Die erste Reise. Die erste Reise. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-7E9B-2