Ralf Douglas

1.
»Ja, sterben soll der König James und sein Kanzler, Thomas Kairn,
Als seine Knechte hält er uns, den Kanzler als seinen Herrn;
Die Kirche schwelgt, der Adel darbt, und schnöde Macht der Pfaffen
Bricht Siegel, Brief und Pergament, bricht Burgen, Recht und Waffen;
[399]
Nicht Bitten frommte, nicht Gewalt, und Rat und Trost ist fern:
So sterbe denn der König James und sein Kanzler, Thomas Kairn.«
So raunt es still bei Tag und Nacht im breiten Schottland rings:
Vom Tweed zum Forth, vom Forth zum Dee, vom Dee zum Murray ging's,
Und Boten ritten bei Sonn' und Mond und tauschten geheimes Wort
Und schnitten Zeichen in Tür' und Baum und jagten hastig fort.
Da trafen bald sich Edle viel in Sumpf und Wald und Fels:
Die Mortons und die Hamiltons, die Douglas und die Bells.
Sie trafen sich am finstern Strom zu mitternächt'ger Stund',
Sie taten einen großen Eid und einen festen Bund,
Sie losten um einen scharfen Dolch für den König und Thomas Kairn,
Das war Ralf Douglas, den es traf: der nahm den Dolch nicht gern.
2.
Und König James hielt lustig Hof zu Inverneß im Schloß:
Von Bischöfen im Infulschmuck, von Priestern welch' ein Troß!
Der junge König geht einher wie ein guter Engel licht,
Und wie ein dunkler Schatte folgt der Kanzler Kairn ihm dicht.
Und wo der junge König kömmt, da kömmt's wie Sonnenschein,
Und wo der finstre Kanzler naht, in Wolken hüllt sich's ein.
Da trat Ralf Douglas vor ihn hin und sprach: »Sire, hört mich an,
Rings um mein Schloß zu Stirlingsford, da rauscht der schönste Tann.
[400]
Da äsen Hirsche rudelweis und falbe Reh' genug
Und mancher Reiher wiegt den Busch in königlichem Flug,
Die Otter lauscht im blauen Strom, der Luchs auf schwankem Ast:
Ich lade dich und deinen Hof nach Stirlingsford zu Gast.«
Da rief der König: »Sagt, Sir Kairn, wie dünkt Euch, was er spricht?«
»Mir dünkt es sicher im eignen Haus: Wort, Glas und Treue bricht.«
Der König aber sprach: »Mir dünkt mein Haus mein ganzes Reich
Und wer so arm von Treue denkt, des Treue scheint nicht reich.
Es jagten meine Väter all' im Wald von Stirlingsford
Und fanden immer treu wie Gold der Douglas Tat und Wort:
Sir Ralf, brecht auf und sagt uns an, wir folgen Euch alsbald
Und jagen die Otter im blauen Strom und den Hirsch im grünen Wald.«
Und der Douglas ging und sein Herz war schwer und er wog des Königs Wort
Und er ritt mit Gram, die Hand am Dolch, durchs Tor von Stirlingsford.
3.
Die Zugbrück' prangt in grünem Laub, Sir Ralf steht am Portal,
Da reiten heran der König James und der Kanzler Kairn zumal.
Und es scheut sein Roß und es schreit der Troß, vom Hufschlag dröhnt die Brück'.
»Ein schlimmer Eingang! wendet, Sire, nach Inverneß zurück,
Sir Thomas ruft's: »seht unsern Wirt, wie starrt, wie bebt er dort.«
Der König aber lacht: »Sir Ralf, komm, sprich dein Willkommwort.«
[401]
Er springt vom Pferd, beut ihm die Hand und nickt ihm freundlich zu:
»Die Douglas waren immer treu, ein Douglas bist auch du.«
Und als sie gezecht im hohen Saal, da sprach der König: »Nun
Hab' Dank, Freund, für dein gastlich Haus: – nun lüstet mich zu ruhn:
Ich sah in deinem Gartenhag grün sammetweiches Moos,
Da lausch' ich den Waldvögelein, mein Haupt auf deinem Schoß.«
Er gürtet los das breite Schwert und reicht's dem Wirte dar
Und geht mit ihm zum grünen Hag, wo's still und schattig war.
»Hier setz' dich auf den Rasenhang, zur Seite lieg' ich dir,
Von meinem Haupt auf deinen Knieen die Fliegen wehre mir.«
Ralf Douglas tut, wie er gebeut, am Dolch die rechte Hand,
Die Linke scheucht die Mücken ihm von Locken und Gewand.
Er wägt den Eid, den jüngst er schwur, bei Nacht am finstern Strom,
Und wägt den Lehnseid, den er schwur, zu Edinburg im Dom. –
Und wie er wägt und sinnt und seufzt, da hallt ein rascher Schritt,
Der Kanzler eilt den Weg heran und Knapp' und Ritter mit,
»Herr König,« ruft er, »Preis sei Gott, Ihr lebt! – auf, lest dies Blatt,
Euch droht Gefahr und dieser ist's, der Euch zu morden hat.«
Der König schlug die Augen auf: »Was stört ihr meine Ruh'?
Ich schlief so süß – gib her das Blatt« – er nimmt's und faltet's zu
Und steckt es schweigend in sein Wams: »geht, stört mich jetzt nicht mehr,
Die Douglas waren immer treu, ein Douglas ist auch der.«
Und ruhig beugt er das Haupt zurück nach seines Wirtes Schoß,
Doch der springt auf und fällt aufs Knie: »Dein Glauben ist zu groß!
[402]
Wahr ist, mein König, was er spricht, daß ich dich morden soll:
Ich kann es nicht: vor deinem Blick zerfließt der starre Groll.
Jetzt schick' mich, sei's in Kerkernacht, sei's nach Frankreich über See:
Ich hab's verwirkt, daß ich hinfort dein gütig Antlitz seh':
Doch glaube mir, des Volkes Dank und Segen wird dir nicht,
So lang in deiner Güte Kranz Kairn seine Dornen flicht.«
Der König stand erschüttert schwer; dann sprach er: »Das ist hart,
Daß jetzt der Douglas Treue wankt, die nie gebrochen ward.
Weh denen, die's dahin gebracht: – sie verschulden schweres Weh:
Sir Thomas Kairn, Ihr seid verbannt nach Frankreich über See,
Gebt ab die Schlüssel und den Stab: – Ralf Douglas, nimm sie du
Und als mein Kanzler hüt' hinfort mein Reich und meine Ruh'.«

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TextGrid Repository (2012). Dahn, Felix. Gedichte. Balladen. Zweites Buch. Ralf Douglas. Ralf Douglas. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-690F-7