[404] Laird Lindsays Hochzeitritt

1.
»Nun eile, Sohn Lindsay, Laird von Fleß,
Leg' an das Hochzeitgewand:
Die Königin harret zu Inverneß,
Den Brautring in der Hand.
Sie schenkt dir Thron und Reichsgewalt,
Sohn Badwin, eile dich doch. –«
»Die Königin-Witwe wird vierzig bald,
Ich bin nicht dreißig noch.
Zu alt ist weit mir die Königin!
Mylady, Ihr wißt es gut,
Ich trug ganz andere Lieb' in Sinn, –
Jung Ellen, das süße Blut!
Weiß war sie wie Schlehblüt', vom Morgen betaut,
Und ihr Mund war rosenzart:
Die Königin hat eine quittgelbe Haut,
Auf den Lippen steht ihr ein Bart.
Wie war Ellen so hold, wann über das Korn
Die Lerche mit Trillern flog,
Wann die zarte Gestalt, am Wildrosdorn,
Ich, die Bebende, zu mir zog.
Ich hing in den Busch da mein Jägerhorn
Und mein reiherbefiedert Barett,
Das Brautgemach wölbte der Wildrosdorn,
Und das Heidekraut unser Bett.
Vom Kloster herüber das Ave klang,
Leis trug es verschwingend der West,
Wir waren so still: – Rotkehlchen sang
Zutraulich zu Haupt uns im Nest.
[405]
Doch einst, als nach Hushydorp wieder ich kam,
Da war sie verschwunden – im Grab.«
»Dem Himmel danke, der dir sie nahm,
Und dir die Königin gab.
Vergiß, Laird Lindsay, der Schäferdirn,
Mit ihrem Wildrosenkranz,
Die Krone von Schottland auf der Stirn,
Um die Schultern Purpurglanz.«
2.
Die Glocken läuteten über das Land:
Es empfingen, wohin er kam,
Die schönen Mädchen, den Kranz in der Hand,
Der Königin Bräutigam.
Doch die schönen Mädchen staunten ihn an:
»Wie hängt ihm das Haupt so schwer?
Ich nähme wahrhaftig keinen zum Mann,
Der dabei so traurig wär'.
Und er ist so schön, der stolze Knab',
Und er darf die Königin frein, –
Doch er, als ritt' er in sein Grab,
So gramschwer schaut er d'rein.«
Und als durch Hushydorp er ritt,
Da wies sein Geleit er weg,
Und stieg vom Roß und weinend schritt
Er in lauschiges Buschversteck.
»Verloren die Liebe, das Leben dazu,
O du Busch, der ihr Lächeln geschaut,
Laß dich grüßen und o, laß dich küssen du,
Ihr Lager, braun Heidekraut.«
[406]
Und er will umschließen den blühenden Strauch,
Und er neigt das Haupt voll Harm:
Da weht ihm entgegen lebendiger Hauch, –
Die Geliebte hält er im Arm.
»Nicht starb ich! Mylady schloß mich ein,
Und sprach: ›bis die Glocken durchs Land
Jung Baldwin und die Königin weihn, –
Ins Kloster bist du gebannt.‹
Und als heut' die Glocken nun läuteten hell,
Da ließ mich die Priorin fort:
Mich aber zog's in Schmerzen grell
An den alten, verschwiegenen Ort.
Heil Euch denn, Herr König! nicht zürnt mir nun
Und grüßt Euer hohes Gemahl,
Und wollt Ihr mir noch was Gnädiges tun, –
So senkt in die Brust mir den Stahl.«
Da jauchzte jung Lindsay: »Nicht König bin ich,
Dein bin ich mit Herz und Leib,
Und trotz ganz Schottland heut' frei' ich dich,
Mein schmerzengeheiligtes Weib.«

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Dahn, Felix. Gedichte. Balladen. Zweites Buch. Laird Lindsays Hochzeitritt. Laird Lindsays Hochzeitritt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-6899-A