Andere Rolle Verliebeter Gedancken oder Wurm unterschiedener Vorbildungen

An Ihro Gn. Fraülein Rößle gebohrne Fraülein von Sedlintzky

Den Titul, Fraülein, ihr, das Buch hab ich gemacht,
Das Buch nehmt ihr, und mir wolt ihr den Titul geben,
Ich laß es ja geschehn, doch, ist es recht erdacht:
Kan, was von Euch gebohrn, bey Euch auch eintzig leben.

1.
Ich liebe das und weiß nicht was

Was mehr als diese Zier
Die Pfauen so nicht mahlet,
Was mehr, als was da strahlet,
Aus deinen Augen für:
[340]
Was mehr, als dieses Licht,
Das Adler so nicht haben,
Was mehr, als alle Gaben,
Und ihre grosse Pflicht:
Ist, das ich lieb gewonnen,
Was ists? Ich such es hier,
Und ist, bleibt es bey mir,
Weil ich es hab, entronnen.

2.
Angst und Hohn der Liebe Lohn

Nihm die Rose von den Dörnern,
Zeige dann den Frühling an:
Nihm die Aehren mit den Körnern,
Sage, was der Sommer kan.
Nihm der Trauben süssen Preiß,
Sprich darauf, der Herbst ist kommen:
Nihm das Schmeltz Glas von dem Eyß,
Auch der Winter wird genommen.
Nihm der Liebe Quaal u. Pein,
Liebe wird nicht Liebe seyn.

3.
Der Liebe Taback
Liebe treugt, Rauch verfleugt

Die Lieb ist rauch, mein Kind,
Der es nicht sieht, ist blind.
Ihr Kram ist nichts, als Rauch,
Ein täglicher Gebrauch:
Sie schenckt uns Rauch vor Wein,
Rauch muß ihr Essen seyn:
Was sie verspricht vor Lohn,
Geht, wie ein Rauch davon.
Voll Rauch wird dessen Haubt,
Der solcher Liebe traut:
Die Lieb ist Rauch, der liebt,
Wird stets durch Rauch betrübt.

[341] 4.
Was treibt, das bleibt

Durch fliehn entflieh ich nicht,
Wann ich durch Wind und Wellen
Gleich meinen Lauff wil stellen,
Folgt doch das schöne Licht:
Durch Berge, Thal und Wald
Seh ich stets vor mir stehen,
Seh ich stets vor mir gehen
Die freundliche Gestalt.
Mich müst ich selber fliehn,
Dieweil hier steckt im Hertzen,
Dein Bild voll Liebes Schmertzen,
Dem ich mich wil entziehn.

5.
Je härter Band, je freyer Stand

Hätten Angel Würme nicht,
Kein Fisch würde darnach schnappen:
Wenn der Falle Speck gebricht,
Hört man keine Maüse tappen:
Wenn nicht Beern an Sprenckeln seyn,
Kan man keine Vogel kriegen:
Wenn nicht Gänß an Eysen liegen,
Geht kein schlauer Fuchs nicht ein:
Also, wie es jener 1 giebt,
Liebe, wilt du seyn geliebt.

Fußnoten

1 Martialis (Anm. Czepkos).

6.
Überall durch Zufall

Kein Gastgebot, kein Spiel,
Kein Tantzen und kein Wincken,
Kein Nahmen und kein Trincken,
Nach der Buchstaben Ziel.
Kein Krantz, kein Gruß, kein Brief,
Auch sonst kein Fund noch Grief
Kan bey den Liebes Sachen
Auch nicht das minste machen.
Es ist in uns ein Bronnen,
[342]
Draus kommt, was angenehm,
Behäglich und bequem,
Nach seiner Art geronnen:
Das wird numehr geliebt,
Weil sich es mehr ergiebt;
Als Gastgebot, als Spiel,
Als Tantzen und als Wincken,
Als Nahmen und als Trincken
Nach der Buchstaben Ziel.
Als Krantz, als Gruß, als Brief,
Und mehr, als Fund und Grief:
Wer Liebe wil genüssen,
Muß diesen Brunnen wissen.

7.
Wer fragt, verjagt

Ach Mägdlein, deine Zier
Sieht wie ein Blümlein für,
Das zart und neu gebohren:
Und sich so bald verlohren,
So bald ein kühler Wind
Zu wittern sich beginnt:
Durch stille seyn und schweigen
Bekleibt und bleibt es eigen:
Erfährst du, was es sey,
So ist sie schon vorbey.
Glaub, eh als du es funden,
Ist es bereit verschwunden.

8.
Der Wahn zündt an

Mein Feuer kömmt aus dir,
Und bist Eyß gegen mir:
Von dir sind meine Plagen,
Und du hast nie geschlagen:
Mein Treu seyn lehrst du mich,
Und stellst nicht recht treu dich.
Von dir sind meine Schmertzen
Und nihmst es nicht zu Hertzen.
[343]
Du giebst, was du nicht hast,
Hast, was du nicht kanst geben,
Was mich befreyt und fasst,
Von dem sol ich nu leben.

9.
Dis was man liebt, sich selten giebt

Ich fliehe, die mich suchet,
Die mich fleucht, die such ich,
Ich lobe, was mir fluchet,
Der ich fluch, ehret mich.
Nicht alles, was bequem,
Ist lieb und angenehm.
Was uns die Augen giebt,
Das hasst man offt im Hertzen,
Und dis, was uns betrübt,
Verehrn wir voller Schmertzen.
Ich wil, die mich nicht wil,
Die wil, wil ich betrüben:
Die mich liebt, plag ich viel,
Die mich plagt, wil ich lieben.
So lebt die Lieb allzeit
In Wiederwärtigkeit.

10.
Wol bedacht, erhält die Schlacht

Wie Apollo seinen Strahl
Läst zu uns hernieder gehen,
Und doch in des Himmels Höhen
Bleibt Apollo überall;
Und wie Arethusa Fuß
Durch die See mit seinen Fischen
Kommt gegangen ohn Vermischen
Und behält den frischen Fluß:
Also gehet auch Verstand
Mitten durch der Liebe Flammen,
Wird zum minsten nicht verbrannt,
Wol dir, hast du sie beysammen.
[344]

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Czepko von Reigersfeld, Daniel. Andere Rolle Verliebeter Gedancken. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-5F34-B