[2] Schreiben aus Rom nach Jena, an den dermahligen Hochfürstl. Sachsen-Gothaischen Hoff- und Gräntz-Raht Herrn Nickl. Zapfen

vom 15 Febr. 1676.


Dich grüßt ein schlechter Kiel am Tyber-Strand geschnitten,
Und klagt, daß er nicht eh bezahlet seine Schuld;
Er zittert in der Hand, die gantz von Schaam bestritten,
Und wartet auf den Spruch des Richters mit Gedult.
Ich bins, mein Pylades, der diese Zeilen sendet
Aus unbekanntem Ort, doch unverfälschtem Sinn,
Der ich, seit Cynthia sich zweymahl umgewendet,
In dieser Romuls-Stadt ein Bürger worden bin.
Du sprichst: was Kiel? was Brieff? heißt das sich so verbunden?
Heißt das gewisse Zeit zum Schreiben angesetzt,
Wie ich am Saal-Athen auf meinem Tisch gefunden?
Wird Siegel, Hand und Schrifft und Wort so schlecht geschätzt?
Was man in jenem Jahr so feyerlich versprochen,
Das wird in diesem kaum ans Tagelicht gebracht.
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So bald die Jugend nur in fremde Lufft gerochen,
Wird im geringsten nicht der Freundschafft mehr gedacht.
Ich sage nichts dazu. Ich straffe mein Verbrechen,
Und mag kein Vormund hier der blöden Faulheit seyn,
Ich finde mich verpflicht, mir selbst zu widersprechen,
Und stelle, wieder mich, mich selbst als Kläger ein.
Zur Ausflucht könnt' ich zwar hier leichtlich etwas finden,
Auf Reisen sind wir ja nicht Meister unsrer Ruh,
Das Wollen muß sich da bloß an das Können binden;
Doch Worte decken nicht dergleichen Fehler zu.
Nur wisse, daß ich nie des Lasters schuldig worden,
Das einen treuen Freund aus dem Gedächtniß schließt,
Ich habe stets gehaßt, und hasse solchen Orden,
So lange noch das Blut durch Leib und Adern fließt.
Ist mir gleich dann und wann Gelegenheit verstrichen,
Auch manchmahl eine Brut in der Geburt erstickt,
Hab ich gleich manche Post mit Müßiggehn verschlichen,
Sind die Gedancken doch als Bothen abgeschickt.
Ach! könten sie den Flug nach meinem Willen kehren,
Wohin mein heisser Wunsch sie eigentlich begehrt,
Du würdest Tag vor Tag die schnelle Zeitung hören:
Sey tausend mahl gegrüßt!

Ich hoffe, meine Clio, die noch allemahl ein Wort bey dir zu sprechen gehabt, werde meine Nachläßigkeit in etwas entschuldiget, und mich in vorige Gunst wieder eingeflickt haben. Ich will daher, um alle Weitläufftigkeit zu vermeiden, nur eine kurtze Nachricht von meinem bißherigen Wandel abstatten, usw. usw.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Canitz, Friedrich Rudolph Ludwig von. Gedichte. Vermischte Gedichte. [2] Schreiben aus Rom nach Jena an Herrn Nickl. Zapfen. [2] Schreiben aus Rom nach Jena an Herrn Nickl. Zapfen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-4AF8-7