[259] [3] Die dritte Satyre
Von der Poesie

Auf! säume nicht, mein Sinn, ein gutes Werck zu wagen,
Und aller Tichterey auf ewig abzusagen;
Gieb weiter kein Gehör, wenn die Syrene singt,
Und such ein ander Spiel, das bessern Nutzen bringt.
Wie? sprichst du, soll ich schon den Zeitvertreib verschwören,
Dadurch ich bin gewohnt die Grillen abzukehren,
Der mir, in Sicherheit, bisher die Stunden kürtzt?
An statt, daß mancher sich, aus Lust, in Unlust stürtzt,
Und, weil ein schwartzer Punct im Würffeln ausgeblieben,
Zuletzt aus dem Besitz der Güter wird getrieben.
Ich thu mir schon Gewalt, wenn ich viel Thorheit seh,
Die ich bescheidentlich mit schweigen übergeh;
Das aber ding ich aus, nicht zu des Nechsten Schaden,
Nein, sondern nur mein Hertz der Bürde zu entladen,
Daß ich durch einen Reim, was ich den gantzen Tag
Geduldig angemerckt, mir selbst vertrauen mag.
Da schenck ichs keinem nicht, kein Ort ist, den ich schone,
Von schlechten Hütten an, biß zu des Königs Throne.
Ein bärtiger Heyduck, der, wie ein Cherubim,
Die Streit-Axt in der Hand, die Augen voller Grimm,
Der Auserwehlten Sitz verschleußt für meines gleichen,
Muß, wie ein schüchtern Reh, von seiner Wacht entweichen,
Wenn mein gerechter Zorn erst an zubrennen fängt,
Und sich biß in die Schoos des blinden Glückes drängt,
Die Larve vom Gesicht des Lasters weg zu reissen.
Weh dem, der thöricht ist, und dennoch klug will heissen!
Denn wo sein Nahme nur sich in die Verse schickt,
So wird er alsofort dem Mayer beygerückt.
In meinem Schüler-Stand, auf den bestaubten Bäncken
Hub sich die Kurtzweil an. Solt ich auf Sprüche dencken,
Die man gezwungen lernt, und länger nicht bewahrt,
Als biß der kluge Sohn, nach Papageyen-Art,
Sie zu der Eltern Trost, dem Lehrer nachgesprochen,
So ward mir aller Fleiß durch Reimen unterbrochen,
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Da mahlt ich ungeübt, in meiner Einfalt, ab,
Wenn Meister und Gesell mir was zu lachen gab;
Biß, nach und nach, die Zeit den Vorhang weggeschoben,
Und mir, was scheltens-werth, hingegen was zu loben,
Was Hof und Kirch und Land, und Stadt für Wunder hegt
Und was mir selber fehlt, getreulich ausgelegt.
Das mach ich mir zu nutz, und durch des Himmels Güte,
Werd ich ie mehr und mehr bestärckt, daß ein Gemüthe,
Wenn es der Tyranney des Wahnes obgesiegt,
Und seine Freyheit kennt, gantz Peru überwiegt:
Das ists, was offt mein Kiel schreibt in gebundnen Sätzen.
Was mich nun dergestalt in Unschuld kan ergetzen,
Wozu mich die Natur – – – Halt ein, verführter Sinn,
Drum eben straff ich dich, weil ich besorget bin,
Es möchte, was itzund noch leicht ist zu verstöhren,
Sich endlich, unvermerckt, in die Natur verkehren.
Wo hat Justinian das strenge Recht erdacht,
Durch welches ein Phantast wird Vogel-frey gemacht?
Und, da ein weiser Mann diß für was grosses schätzet,
Daß man noch keinen Zoll auf die Gedancken setzet,
Ist wohl der beste Rath, man seh und schweige still,
Und stelle jedem frey, zu schwärmen, wie er will;
Indem es fast so schwer, die rohe Welt zu zwingen,
Als mancher Priesterschafft das Beicht-Geld abzubringen.
Ein Spiegel weiset uns der Narben Heßlichkeit,
Doch wird er offtermahls deswegen angespeyt.
Du meinst zwar, was du schreibst, soll nie das Licht erblicken,
Wie bald kan aber diß auch dir eins mißgelücken?
Von deinem schönen Zeug entdeck ich, wie mich deucht,
Schon manch geheimes Blatt, das durch die Zechen fleucht;
So wirst du ein Poet, wie sehr du es verneinest;
Wer weiß, ob du nicht bald in offnem Druck erscheinest?
Vielleicht wird dein Gedicht, des Müßigganges Frucht,
Noch bey der späten Welt einmahl hervor gesucht,
Und mit dem Juvenal in einem Pack gefunden,
Wenn man ihn ohngefehr in Löschpapier gewunden.
Schreibt dir dein bester Freund, der deinen Rath begehrt,
So scheints, als hieltest du ihn keiner Antwort werth;
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Bringt jemand ein Gewerb, das auf dein Wohlergehen,
Auf Ehr und Vortheil zielt; du läßt ihn draussen stehen;
Triffst du Gesellschafft an, die ein Gespräch ergötzt,
Wo der Bekümmertste sein Leid beyseite setzt,
So runtzelst du die Stirn in so viel hundert Falten,
Daß du offt für ein Bild des Cato wirst gehalten.
Ein jeder wolte gern erfahren, was dich quält?
Indessen schleichst du fort, weist selbst kaum, was dir fehlt.
Dein Hauß wird zugesperrt, die Schlösser abgespannet,
Wie es ein Zaubrer macht, wenn er die Geister bannet;
Und da die halbe Welt, von aller Arbeit ruht,
Weckst du den Nachbar auf, den des Camines Glut
Und späte Lampe schreckt, die dich im Fenster zeigen,
Als woltst du Thurm und Dach, aus Mond-Sucht, übersteigen.
Warum? Was ficht dich an? Was ists? Was macht dich toll?
Ein Wort. Was für ein Wort? Das hinten reimen soll.
Verdammte Poesie! Mein Sinn, laß dich bedeuten,
Eh ich dir Niese-Wurtz darff lassen zubereiten.
Greiff erst die Fehler an, die du selbst an dir siehst,
Eh du der andern Thun durch deine Hechel ziehst;
Dann, solt ich hier die Müh, dich zu erforschen, nehmen,
Wir müsten, ists nicht wahr? uns vor einander schämen.
Kurtz: Wer das Richter-Ammt auf seine Schultern nimmt,
Der seh, ob sein Gesetz mit seinem Wandel stimmt.
Wird doch die Cantzel roth, wenn ein erhitzter M–––
Der geilen Heerde schwatzt, von Sodom, Rach und Feuer,
In Cloris Gegenwart, die noch verwichnen Tag
In dem verliebten Arm des treuen Hirten lag.
Ists möglich, kan dir noch die Tichter-Kunst gefallen?
Gib Achtung, bitt ich dich, wie unsre Lieder schallen,
Und was für eine Brut man allenthalben heckt,
So weit sich das Gebieth des Teutschen Bodens streckt.
Durch Opitz stillen Bach gehn wir mit trocknen Füssen,
Wo sieht man Hofma s Brunn, u. Lohnsteins Ströhme fliessen?
Und, nehm ich Bessern aus, wem ists wohl mehr vergönnt,
Daß er den wahren Qvell der Hypocrene kennt?
Wer itzt aus Pfützen trinckt, tritt in Poeten-Orden,
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So, daß der Helikon ein Blocksberg ist geworden,
Auf welchem das Geheul des wilden Pans erthönt,
Der seine Sänger-Zunfft mit Hasen-Pappeln krönt.
Vor alters, wo mir recht, ward nie ein Held besungen,
Wenn er nicht, durch Verdienst, sich in die Höh geschwungen;
Und eine Redens-Art, die Göttlich solte seyn,
Ward zu derselben Zeit den Sclaven nicht gemein.
Wo lebt itzt ein Poet, der diß Geheimniß schonet?
So bald er einen merckt, der ihm die Arbeit lohnet,
Wird seinem Pegasus der Sattel aufgelegt,
Der ein erkaufftes Lob bis an den Himmel trägt;
Den wir mit solcher Post so offt zum Zorne reitzen,
Und öffter noch vielleicht, als sich die Sterne schneutzen.
Daß grossen theils die Welt in träger Lust verdirbt,
Und sich, um wahren Ruhm, so selten mehr bewirbt,
Ist der Poeten Schuld. Der Weyrauch wird verschwendet,
Und manchem Leib und Seel, um die Gebühr, verpfändet,
Daß die Unsterblichkeit ihm nimmer fehlen kan,
Der, wie ein Erden-Schwamm, sich kaum hervor gethan,
Und den doch anders nichts vom Pöbel unterscheidet,
Als daß ein blöder Fürst ihn an der Seite leidet;
Da er für iedes Loth, das ihm an Tugend fehlt,
Ein Pfund des eitlen Glücks und schnöden Goldes zehlt.
Man denckt und schreibt nicht mehr, was sich zur Sache schicket,
Es wird, nach der Vernunfft, kein Einfall ausgedrücket,
Der Bogen ist gefüllt, eh man an sie gedacht,
Was groß ist, das wird klein, was klein ist, groß gemacht;
Da doch ein ieder weiß, daß in den Schildereyen
Allein die Aehnlichkeit das Auge kan erfreuen,
Und eines Zwerges Bild die Artigkeit verliehrt,
Wenn er wird in Gestalt des Riesen aufgeführt.
Wir lesen ja mit Lust Aeneas Abentheuer.
Warum? Stößt ihm zur Hand ein grimmig Ungeheuer,
So hat es sein Virgil so glücklich vorgestellt,
Daß uns, ich weiß nicht wie, ein Schrecken überfällt.
Und hör' ich, Dido, dich von Lieb und Undanck sprechen,
So möcht ich deinen Hohn an den Trojanern rächen.
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So künstlich trifft itzund kein Tichter die Natur,
Sie ist ihm viel zu schlecht, er sucht sich neue Spur:
Geußt solche Thränen aus, die Lachens-würdig scheinen,
Und wenn er lachen will, so möchten andre weinen.
Ein Teutscher ist gelehrt, wenn er solch Teutsch versteht.
Kein Wort kömmt für den Tag, das nicht auf Steltzen geht.
Fällt das geringste vor in diesen Krieges-Zeiten,
So, dünckt mich, hör ich schon die Wetter-Glocke läuten:
Ein Fla ien-schwangrer Dampf beschwärtzt das Lufft-Revier,
Der Straal-beschwäntzte Blitz bricht überall herfür,
Der grause Donner brüllt, und spielt mit Schwefel-Keilen.
Der Leser wird betrübt, beginnet fort zu eilen,
Bis er ins Trockne kommt; weil doch ein Wolcken-Guß
Auf solchen starcken Knall nothwendig folgen muß,
Und läßt den armen Tropff, der Welt zur Straffe, reimen,
Wie ein Beseßner pflegt, in seiner Angst, zu schäumen.
Geht wo ein Schul-Regent in einem Flecken ab,
Mein Gott! wie rasen nicht die Tichter um sein Grab;
Der Tod wird ausgefiltzt, daß er dem theuren Leben
Nicht eine längre Frist, als achtzig Jahr, gegeben;
Die Erde wird bewegt, im Himmel Lerm gemacht.
Minerva, wenn sie gleich in ihrem Hertzen lacht,
Auch Phöbus und sein Chor, die müssen, wider Willen,
Sich traurig, ohne Trost, in Flor und Boy verhüllen.
Mehr Götter sieht man offt auf solchem Zettel stehn,
Als Bürger in der That mit zu der Leiche gehn.
Ein andrer, von dem Pfeil des Liebens angeschossen,
Eröffnet seinen Schmertz mit hundert Gauckel-Possen,
Daß man gesundern Witz bey jenem Täntzer spührt,
Den die Tarantula mit ihrem Stich berührt.
Was er, von Kindheit an, aus Büchern abgeschrieben,
Das wird, mit Müh und Zwang, in einen Vers getrieben.
Die Seuffzer, wie er meint, erweichen Kieselstein,
Die voll Gelehrsamkeit, und wohlbelesen, seyn.
Des Aetna Feuer-Klufft muß seiner Liebe gleichen,
Und aller Alpen Eis der Liebsten Kälte weichen.
Indessen aber wird das arme Kind bethört,
Und weiß nicht, was sie fühlt, wenn sie dergleichen hört;
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Ja, wenn ihr Coridon, gebückt vor ihren Füssen,
Der Klage Bitterkeit ein wenig zu versüssen,
Nichts anders als Zibeth und Ambra von sich haucht,
Und sie kein Bibergeil zum Gegenmittel braucht;
So mag des Mörders Hand, was ihm von seinem Tichten
Noch etwan übrig bleibt, auf ihre Grab-Schrifft richten.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Canitz, Friedrich Rudolph Ludwig von. Gedichte. Satyren und Ubersetzungen. [3] Die dritte Satyre. [3] Die dritte Satyre. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-4AF3-2