[366] [7] Schreiben eines Cammer-Mägdgens an die Fräulein von Canitz 1

1692.


Weil sich doch keine Magd darf in ihr Zimmer wagen,
Und ihre Blicke nicht auf schlechte Leute gehn,
So muß ich, durch dis Blat, mich über sie beklagen,
Nachdem mir, ohne Schuld, so grosse Schmach geschehn;
Erinnert sie sich noch, wie gestern bey dem Tantze,
Ihr ungerechter Spruch mich aus der Reyhe stieß,
Ja, aus der Kammer selbst, als wenn ich ihrem Glantze
Ein Anstoß würde seyn, ins Elend wandern hieß?
Den Schwager, welcher mich, zu seinem Unglück, wehlte, 2
Betraf mit mir zugleich ihr hartes Donner-Wort,
Und weil mir ein Geschlecht von sechszehn Ahnen fehlte,
So muste Coridon mit samt der Nymphe fort.
Ich glaube, daß es nicht die Juno mehr verdrossen,
Als Paris ihren Grimm, durch seine Wahl, erweckt;
Ich schwere, daß, vor Angst, ich wenig Ruh genossen,
Ihr zornig Angesicht hat mich im Schlaf erschreckt.
Die Hochzeit ist wohl recht mein Trauer-Fest geworden,
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Was andre frölich macht, ist Ursach meiner Pein;
Die Braut ist eine Magd noch in geringerm Orden,
Doch wird sie hoch geacht, ich muß verhöhnet seyn.
Die gantze Mägde-Zunfft wird meiner spöttisch lachen,
Die Fama trägt es schon biß auf den Fischmarckt hin,
Daß mein Verhängniß mir den Schand-Fleck wollen machen,
Und was ich vor ein Ball des falschen Glückes bin.
Ich kan mich, Fräulein, nicht an ihrem Hochmuth rächen;
Doch hoff ich, daß es ihr soll, nach Verdienst, ergehn:
Daß noch ein böser Mann 3 ihr wird den Starr-Kopff brechen,
Denn werd ich Freud und Lust au meiner Feindin sehn.

Fußnoten

1 Ist eben dieselbe, welche in dem Hause des Herrn von Canitz so bekannt und beliebt war, und die er, wie schon gedacht, im Schertze Pape zu nennen pflegte. Die Gelegenheit zu diesem Schreiben gab eine Hochzeit, welche die Frau von Canitz einer ihrer Dienst-Mägde, zu Blumberg, eben damahlen ausgerichtet hatte, als der Herr geheimde Rath von Brand, auf die bekannte Poetische Einladung, mit der schon oben gemeldeten Gesellschafft, dahin gekommen.

2 War der Cammer-Herr und Oberste von Perband, welcher, nach seiner Gewonheit, einen lustigen Streich zu spielen, der Fräulein von Canitz Cammer-Mädgen ergriffen, und zum Tantze, mitten unter die Adeliche Gesellschafft, aufgeführet hatte. Weil sich nun, in Gegenwart ihrer Herrschafft, das Cammer-Mädgen, nach dem Urtheil der Fräulein, dergleichen nicht hätte erkühnen sollen, als jagte sie solche, auf der Stelle, vom Tantz-Platze; worüber der Herr von Canitz, des andern Tags, diese Verse, gleichsam im Nahmen der verstossenen Cammer-Jungfer, an die Fräulein von Canitz überschickte, und dadurch der gantzen Gesellschafft zu vieler Kurtzweil Gelegenheit gab.

3 Diese Schertz-Prophezeihung hat so wenig eingetroffen, als wenig sie dem Herrn von Canitz ein Ernst gewesen; massen diese Fräulein von Canitz, kurtze Zeit nach dieser Begebenheit, im Jahr 1693. an Herrn Nicklas Ernst von Natzmer, Chur-Brandenb. geheimen, auch Hinter-Pommerischen und Camminischen Regierungs-Rath, residierenden Prälaten des Dom-Capituls zu Cammin, der Grafschafft Neugarten und Massou Hauptmann und Burgrichtern, Erb-Herrn auf Erba, Neuhof, Schonor, Gutzmin, Scharso, Gauß, Roßgars, Lübo, Wobestede, etc. etc. vermählet ward, und mit demselben, in Po iern, in der allerliebreichsten Ehe, wiewohl nur zwey Jahre, gelebt. Sie starb sieben Tage, nach der Geburt eines gleich wieder verblichenen Sohns, im 34sten Jahre ihres Alters, in den Armen ihrer Frau Schwester, der Frau General-Majorin von Wangenheim, den 20. Dec. 1695. also in eben dem Jahre, worinn, einige Monate vorher, die Frau von Canitz auch verstorben. Ihr darüber hertzlich betrübter Gemahl, welcher, fünff Jahre zuvor, an seiner ersten Gemahlin und einem Sohne, eben dergleichen erleben müssen, ließ sie zu Stargard Standsmäßig beysetzen, auch ihre Leichen-Predigten und dabey gehaltene Reden, nebst ihrem Bildnisse, zum Drucke befördern, aus welchen, weil sie uns in die Hände gerathen man dem Leser die Gemüths-Beschaffenheit dieser Dame hier mittheilen kan: Sie war Gottsfürchtig sonder angeno ienen Schein, aufrichtig sonder alberne Einfalt, gutthätig sonder eitles Absehen, freundlich sonder Heucheley, demüthig ohne verächtliche Niederträchtigkeit, freyen Mundes sonder Unbescheidenheit, und eines sehr gerechten Hertzens, welches keine, auch so gar nicht die einem andern wiederfahrende Unbilligkeit vertragen konte.

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TextGrid Repository (2012). Canitz, Friedrich Rudolph Ludwig von. Gedichte. Galante und Schertz-Gedichte. [7] Schreiben eines Cammer-Mägdgens. [7] Schreiben eines Cammer-Mägdgens. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-4AE9-9