[234] [3] Antwort an eben Denselben aus Lion nach Jena

vom 7 Jul. 1676.


Nach schwerer Müdigkeit, davon ich kaum genesen,
Nach Schweiß, nach Ungemach, nach Sorgen und Gefahr,
Bekam ich deinen Brieff, getreuer Freund, zu lesen,
Gleich, da mir frischer Trost und Labsal nöthig war.
Was hör ich? ists ein Traum? sinds schertzende Gedancken?
Wie? oder setzt dein Kiel der rechten Warheit Grund?
Du suchst ein weiters Feld, und eilest aus den Schrancken,
Thust mir auch allbereit fast Zeit und Stunde kund.
Ich bin so eitel nicht, mich den Magnet zu nennen,
Nur bloß die Tugend ists, die dich dazu gebracht;
Doch werd ich dermahleins mich dessen rühmen können,
Daß du nun meinen Wunsch und Rath nicht gantz veracht.
Komm, komm! und laß dich nichts von dem Beginnen lencken,
Das du so löblich itzt nach Franckreich hingericht.
Du darffst nicht an Gefahr noch Hinderniß gedencken,
Hier bey den Lilien merckt man die Dornen nicht.
Soll dich ein schönes Land und muntres Volck vergnügen,
So komm ans Tagelicht, du tappst noch in der Nacht;
Du kanst hier nähern Kauffs die edle Freyheit kriegen,
Als dort, wo Erbar-thun sie rar, zur Unzeit, macht.
Die Aermsten! welche noch in blinder Einfalt leben,
Die sich offt schlechtes Glaß für Diamant erwehlt,
Die immer noch, wie vor, an schnöder Erde kleben,
Darunter ich mich selbst vor diesem mit gezehlt.
Was finden sie doch wohl für Ruhm in ihren Künsten?
Wann er am höchsten steigt, wird Rauch und Funcken draus;
Nur Geister, die selbst kalt, vergnügen sich an Dünsten,
Und bauen in der Lufft ein Grillen-volles Hauß.
Wohl dem! der beßre Glut in seinem Hertzen fühlet,
Und dem kein Ungemach die heisse Lohe dämpft,
Der mit entflammtem Muht nach Kunst und Tugend zielet,
Und, in der Freyheit selbst, verbothne Lust bekämpft.
Ich geb euch gute Nacht, ihr braunen Tyberinnen,
Nun ich am Rhonen-Strand was edlers finden kan.
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Bey euch mag, wer nur will, auf List und Schliche sinnen,
Hier trifft man Sicherheit und freyen Umgang an.
Hier würdest du nicht mehr an Garten-Bau gedencken, 1
Wo Reich und Stadt und Hauß nichts als ein Garten ist;
Mit Kron und Purpur gar die Gärtner zu beschencken,
Sind Wunder, die man nur von Alexandern liest. 2
Was helffen Bartolens und Baldens krumme Räncke, 3
Wann Stichus mit der Magd in Güte sich vergleicht? 4
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Mir eckelt, wann ich nur an diese Nahmen dencke;
Komm, Freund, weil Frankreich dir in allem alles reicht.
Suchst du ein Feuerwerck? hier brennen edle Flammen. 5
Liebst du die Garten-Lust? hier ist ein Paradieß.
Bezaubert dich ein Buch? hier hast du mehr beysammen,
Als kaum, dem Nahmen nach, man dich noch kennen ließ.
Laß Vers und Lieder uns hier in die Wette schreiben,
Hier, wo Vernunfft und Reim gern bey einander steht.
Glaub, muß ich, ohne dich, noch länger hier verbleiben,
Daß endlich auch die Lust zum Dichten mir vergeht.
Drum komm, und säume nicht, denck an die süssen Stunden
Die in der Linden-Stadt so manchmahl uns ergötzt.
Mich dünckt, ich seh dich schon!

Du hättest bald was sauberers, als diese zweystündige Geburt zu sehen gekriegt, wann sich meine Muse auf den unsanfften Post-Pferden nicht fast zu Schanden geritten. Inzwischen kanst du doch sehen, daß sie noch Stärcke genug hat, weil sie so dreiste wird, dich herauszufordern. Ich solte dir wohl umständlicher Nachricht von meinem ietzigen Auffenthalt geben; aber der Ort verdient eine Poetische Entzückung, um recht beschrieben zu werden. Laß mich doch [237] bald wissen, wie du deine Reise anstellen wilst, und wann es nicht eher möglich, so mache nur, daß wir uns in Pariß diesen Winter gewiß antreffen, allwo bereits so viel Anstalten zu Sing-Spielen und andern öffentlichen Lustbarkeiten gemacht werden. Schreibe mir ja mit ehestem wieder, aber fein hübsche lange Brieffe, weil ich sie dem Parisischen Mercure galant weit vorziehe, und sey versichert, daß ich bin


Dein getreuer Diener.

Fußnoten

1 Herr Hof-Raht Zapfe antwortete dem Herrn Verfasser auf das vorhergehende, und gab ihm, unter andern, Nachricht, daß der in Jena damahls Hof-haltende Hertzog Bernhard von Sachsen ein ziemlich ungleiches Stücke Land zu seinem Schloß-Garten eben machen lassen; wobey nicht nur Ihro Durchl. der Hertzog selbst Hand angeleget, sondern auch, unter Aufsicht des Land-Baumeister Richters, viele ansehnliche Hof-Bediente und einige Studierende mit dazu veranlasset; unter welcher vornehmen Gesellschafft Herr Zapfe, als ein grosser Liebhaber der Garten-Lust, sich gleichfals befunden. Weil nun der Herr von Canitz in einigen Brieffen vieles von der Schönheit der Italiänischen Gärten gerühmet hatte, ward diese Erzehlung ihm von Herr Zapfen aus Schertz entgegen gesetzet.

2 Es ist aus dem vierdten Buche des Curtius bekannt, daß Alexander der Grosse, nachdem er die Stadt Sidon überwältiget, und den Straton daraus verjagt, einen andern aus dem Geblüte der Könige zu Sidon, Nahmens Abdolonimus, auf den Thron erhoben. Ungeacht nun derselbe sich zuvor lange Zeit, Dürfftigkeit halber, mit den Garten-Bau ernehren müssen, so hatte er sich doch, durch seine ansehnliche Gestalt und seine großmüthige Antworten, in solche Hochachtung bey diesem grossen Weltbezwinger gebracht; daß er ihn nicht nur mit vielen Königlichen Geschencken überhäufft, sondern auch zum Beherrscher über gantz Sidon und die darangräntzende Länder gesetzet.

3 Herr Zapfe war im Jahre 1675 von Leipzig nach Jena gegangen, woselbst er sich mit grossem Fleisse auf die bürgerlichen Rechte legte; weil aber der Herr von Canitz lieber gesehen hätte, daß er ihm auf der Reise folgen, und sich hernach an einen Hof begeben möchte; so stichelt er hier im Schertze auf den Bartolus, und dessen Schüler Baldus, die zween berühmtesten Rechts-Gelehrten in Italien, woselbst sich der Herr von Canitz kurtz vorher aufgehalten hatte.

4 Der in den Rechten bekannte Lex Stichus. worinn insgemein, unter diesem Nahmen, der Person eines Bedienten gedacht wird, gab dem Verfasser Anlaß, auch hier den Nahmen Stichus, jedoch Schertz- und zweydeutiger weise, einem Knechte beyzulegen.

5 Herr Hof-Raht Zapfe wohnete damahlen in Jena bey seinem Schwager, Herr Johann Moritz Richtern, Hochf. Sachsen-Magdeburg. und Sachsen-Jenaischem Land-Baumeister, und ließ sich von ihm, bey müßigen Stunden, so wohl in der Bau- als Feuerwercker-Kunst unterrichten. Als nun dieser gleich dazumahl bey des Fürsten von Anhalt-Zerbst Carl Wilhelms, und des Hertzogs von Hollstein, als Bischoffs zu Lübeck, August Friedrichs Hochfürstl. gedoppelten Beylager, mit den beyden Sächsis. Printzeßinnen und Schwestern Sophien und Christinen, zu Halle, den 21. des Brach-Monats 1676. in einem Feuer-Wercke auf der Saale die Geburt der Venus vorgestellet; Herr Zapfe aber ihm darinn beygestanden, und die Ehre gehabt, die gedruckte Beschreibung, nebst dem gewöhnlichen Cartell, zu verfertigen; so gab er dem Herrn von Canitz in einer lustigen Schreib-Art davon Nachricht, und meldete zugleich, daß er, nebst andern, dabey den Zufall gehabt, sich die Kleider am Leibe zu verbrennen. Und weil er zugleich dem Herrn von Canitz Hofnung gemacht, ihm bald nach Franckreich zu folgen, so nahm dieser hier Gelegenheit, ihn durch dergleichen artige Beredungen in seinem Vorsatze zu bestärcken.

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TextGrid Repository (2012). Canitz, Friedrich Rudolph Ludwig von. Gedichte. Vermischte Gedichte. [3] Antwort an eben Denselben aus Lion nach Jena. [3] Antwort an eben Denselben aus Lion nach Jena. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-4A92-B