[293] [9] Die achte Satyre
Der Hof

Ein Schloß, da Circe schertzt mit ihren Gauckel-Possen:
Ein Kercker, da das Glück die Sclaven hält verschlossen:
Ein Tollhaus, da man sich durch manche Narren drängt,
Von denen einer singt, der andre Grillen fängt.
Ein Kloster, da man sieht die reichsten Brüder betteln:
Ein Glückstopff, welcher meist besteht in leeren Zetteln:
Ein Marckt, da Wind und Rauch die besten Waaren sind,
Und wo ein Gauckel-Dieb das meiste Geld gewinnt.
Ein angefüllt Spital, in welches einzutreten,
Ein Krancker sich bemüht den andern todt zu beten.
Ein stetes Fastnacht-Spiel, da Tugend wird verhönt,
Obgleich das Laster selbst von ihr die Maske lehnt.
Denn schmeicheln heißt man hier: sich nach der Zeit beqvemen;
Verleumden: ohnvermerckt den Gifft der Schlangen nehmen;
Den Hochmuth: Freund und Feind frey unter Augen gehn;
Den Geitz: mit Wolbedacht auf seine Wirthschafft sehn;
Die Pracht: den Purpur nicht mit Niedrigkeit beflecken;
Die Falschheit: mit Verstand des andern Sinn entdecken;
Den Soff: ein fremdes Hertz erforschen in dem Wein;
Die Unzucht: recht galant beym Frauenzimmer seyn.
Eins wisse! Welcher denckt, hier tugendhafft zu handeln,
Muß, mit Gefahr und Streit, auf dieser Strasse wandeln,
Worauf in einem Tag mehr Ungeheuer sind,
Als man in Africa im ödsten Reiche findt.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Canitz, Friedrich Rudolph Ludwig von. Gedichte. Satyren und Ubersetzungen. [9] Die achte Satyre. [9] Die achte Satyre. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-4A84-9